1. Mai Berichte Zum „Tag Der Arbeit“

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1. Mai Berichte Zum „Tag Der Arbeit“ Regionale Gewerkschafts Blätter Heft 62 125 Jahre 1. Mai Berichte zum „Tag der Arbeit“ Zur Titelseite: Die Abbildungen zeigen 125 Jahre Themenplakate zum 1. Mai - Links: Das Schmuckblatt entstand um 1890 und wurde vom englischen Maler und Illustrator Walter Crane entworfen und umgesetzt. Rechts: Eines von zehn Wortplakaten für die Maifeiern im Jahr 2015, die auch vielseitig eingesetzt werden können – Entwurf aus der „Agentur Moxie“, Düsseldorf Herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Archiven, Kolleginnen und Kollegen für die vielen Tipps und Hinweise, Stellvertretend nennen wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Stadtarchiv Magdeburg. IMPRESSUM Akademie Regionale Gewerkschaftsgeschichte für Niedersachsen und Sachsen-Anhalt Deutscher Gewerkschaftsbund, Bezirk Niedersachsen - Bremen - Sachsen-Anhalt Institut Braunschweigische Regionalgeschichte an der TU-Braunschweig Herausgeber: Gundolf Algermissen, Mitarbeiter der Akademie Fallersleber-Tor-Wall-23, 38100 Braunschweig und Beauftragter im Deutschen Gewerkschaftsbund Bezirk Niedersachsen - Bremen - Sachsen-Anhalt, Otto-Brenner-Straße 7, 30157 Hannover Layout, Satz und Bildbearbeitung: „moritz - grafik+design“, Braunschweig Druck: Druckwerkstatt Hannover Buchbinderische Endverarbeitung: Druckerei „Druckpoint“, Seesen Braunschweig, Mai 2015 1 INHALT . Vorwort Seite 2 Hartmut Tölle, Hannover Thematische Einführung Seite 3 Klaus Mertsching, Wuppertal Paris - Saal Petrelle, Juli 1889 Seite 16 Zeitzeugenberichte Maifeiern in Hannover Seite 19 Dr. Peter Schulze, Hannover Tiefpunkt der 1960er Jahre Seite 26 Demonstrationskultur in den 1970er und 1980er Jahren Zeitzeugen Werner Hilke, Werner Tschischka, Wilhelm Warner Maifeiern in Braunschweig Seite 33 Robin Biegel, Braunschweig Zeitzeuge: Hansi Volkmann, Braunschweig Maifeiern in Magdeburg Seite 52 Gundolf Algermissen, Braunschweig Zeitzeugin Inge Voß, Magdeburg Künstler-Ersttagsblatt zu 100 Jahre 1. Mai Seite 71 Maiparolen des DGB, zentrale Veranstaltungen Seite 73 und die Hauptredner ab 1950 Klaus Mertsching, Wuppertal 2 VORWORT Liebe Leserinnen, liebe Leser, 125 Jahre Gedenken und Feiern, der 1. Mai. Der eigentliche Anlass waren die Morde an Arbeitern 1886 in Chikago. Drei Jahre später beschlossen die Delegierten der II. Internatio- nalen in Paris den Gedenk- und Feiertag alljährlich zu begehen. Ab 1890 wurde der 1. Mai gefeiert und die wichtigen Schwerpunkte diskutiert und Forderungen bzw. Erwar- tungen an die Arbeitgeber formuliert. In den vergangenen 125 Jahren wurde den Arbeitern nie etwas geschenkt, was heute selbstverständlicher bzw. betrieblicher Alltag wurde, wurde von unseren Vorfahren nicht selten bitter zahlen müssen, sie wurden ausgesperrt, entlassen. Vielfach wurden ganze Familien in große Not geschickt … Das vorliegende Heft aus der Schriftenreihe stellt neben einem Beitrag zur allgemeinen Entwicklung des 1. Mai auch erstmals Zeitzeugenberichte von Delegierten aus dem Jahr 1889 vor, die deutsche Mitglieder der 82-köpfigen Delegation in Paris waren. Drei regionale, historische Beiträge aus Hannover, Braun- schweig und Magdeburg beschreiben die teilweise doch sehr unterschiedlichen Entwicklungen der 1. Maifeiern und des Gedenkens in diesen drei Städten und in Zeitzeugen- berichten wird das persönlich-emotionale aus der Zeit nach 1950 beschrieben. Danke an die Autoren und Zeitzeugen, die dieses Heft engagiert und mit Hintergrundwissen fertiggestellt haben. Ich wünsche uns auch für die kommenden Veranstaltungen zum 1. Mai viel Erfolg. Der 1. Mai ist und bleibt ein Tag an dem wir auf die Situation der arbeitenden Menschen in der Welt hinweisen und unsere Forderungen einbringen. Der 1. Mai war aber auch immer ein Tag an dem unsere Kolleginnen und Kollegen miteinander gefeiert haben, ich wünsche mir, dass dies auch in Zukunft so bleibt. Hartmut Tölle DGB-Bezirksvorsitzender Niedersachsen – Bremen – Sachsen-Anhalt 3 Am 1. Mai 2015 feiert die deutsche und internationale THEMATISCHE Arbeiterbewegung den 125. Jahrestag des Maifeiertags. Es EINFÜHRUNG waren Jahre wichtiger Erfolge und Fortschritte, aber auch bittere Niederlagen und Rückschritte für die Arbeiter- bewegung. Die folgenden Ausführungen sollen die wichtigsten Fakten der Geschichte des 1. Mai darstellen. 1. Mai - vom Kampftag zum Die Geburtsstunde des 1. Mai begann mit dem Haymarket- Massaker von Chicago. Am 1. Mai 1886 versammelten sich Feiertag Zehntausende Arbeiter auf dem Haymarket, um zu demon- strieren. Gegen schlechte Arbeitsbedingungen, gegen Ausbeutung und für einen Achtstundentag. Zwei Tage Klaus Mertsching, verlief die Demonstration friedlich, dann eskalierte die Wuppertal Situation, als die Polizei mehrere Streikposten angriff und dabei tötete. Auf dem Haymarket explodierte am Ende einer Kundgebung eine Bombe. Dabei kamen Polizisten und Arbeiter ums Leben. Als mutmaßlicher Bombenleger wurde ein deutscher Anarchist zu Unrecht gehenkt. Die „Haymarket-Affäre“ wird zur Geburtsstunde des „Tags der Arbeit“.1 Der 1. Mai im Kaiserreich Zum 100. Jahrestag des Sturms auf die Bastille trafen sich vom 14. bis 20. Juli 1889, 400 Delegierte sozialistischer Parteien und Gewerkschaften zur Gründung der Zweiten Sozialistischen Internationale in Paris. Auf Antrag des Franzosen Felix Lavigne wurde eine Resolution beschlos- sen, in der es hieß: Es ist für einen bestimmten Zeitpunkt eine große internationale Manifestation zu organisieren, und zwar dergestalt, daß gleichzeitig in allen Städten an einem bestimmten Tage die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten die Forderung richten, den Arbeitstag auf acht Stunden festzusetzen [...] In Anbetracht der Tatsache, daß eine solche Kundgebung bereits vom amerikanischen Arbeiterbund [...] für den 1. Mai 1890 beschlossen worden ist, wird dieser Zeitpunkt als Tag der internationalen Kundgebung angenommen.2 Der weltweite Kampf für 1 Zur Geschichte der Haymarket-Affäre siehe u.a. Zeit online Geschichte: Die Bombe und der Revolutionär aus Hessen sowie Haymarket Roit (Wikipedia). 2 Siehe Arbeitsschutzresolution in: Protokoll des Internationalen Arbeiter-Congresses zu Paris, abgehalten vom 14. bis 20.Juli 1889. Deutsche Übersetzung, Nürnberg 1890, S.121f. 4 einen Arbeitstag auf acht Stunden sollte eine inter- nationale Bewegung für die Arbeitszeitverkürzung einleiten und zugleich diesen Tag als „Weltfeiertag des Proletariats“ durchsetzen. Bis zum Dezember 1989 hatten 18 Gewerkschaften ihre Absicht erklärt, den Beschluss des Pariser Kongresses zu folgen und am kommenden 1. Mai mit einer „allgemeinen Arbeitsruhe“ für den Achtstundentag zu streiken. Diese Erklärungen waren jedoch innerhalb der Gewerkschaften und der Sozialdemokratie nicht unumstritten, da in Deutschland noch das Sozialistengesetz galt. Neben den möglichen Repressionen des Staates drohten die Unter- nehmerverbände für den Fall von Streiks zum 1. Mai mit Aussperrungen, Entlassungen und Schwarzen Listen. Trotz drohender Sanktionen bekannten sich ca. 100.000 Arbeiter durch Arbeitsniederlegungen, Demonstrationen und sogenannten „Maispaziergängen“ zu den Forderungen des Pariser Kongresses. Regionale Schwerpunkte waren Berlin, Dresden und Hamburg. Besonders in Hamburg kam es zu umfangreichen Arbeitsniederlegungen, an denen sich zeitweise bis zu 20.000 beteiligten. Der Arbeitskampf zog sich bis zum Spätsommer hin. Das war nur deshalb möglich, weil in anderen Orten Deutschlands die Arbeitskampf- maßnahmen abgebrochen wurden, um sich voll auf die Unterstützung der in Hamburg Ausgesperrten zu 3 konzentrieren. Zwar gelang es den Arbeitern das Koalitionsrecht zu sichern, aber die ursprünglich aufgestellten Forderungen nach einem Neunstundentag und Erhöhung der Löhne ließen sich nicht durchsetzen. Die Erfahrungen der gemeinsamen Aktionen gaben der Organisationsdebatte der Gewerkschaften einen zusätzlichen Anstoß. Es wurde der Vorschlag gemacht, dass die Vertreter „sämtlicher Gewerkschaften Deutschlands“ sich treffen sollten, um die Frage zu erörtern, eine wirksame Verteidigung gegen die Angriffe des protzigen Unternehmertums aussehen 3 Vgl. zu den Arbeitsniederlegungen im Mai 1890 in Hamburg, mit denen die auf dem Gründungskongress der II. Internationale 1899 in Paris geforderte Arbeitsruhe zu 1. Mai erkämpft werden sollte, Wolfgang Schröder, Klassenkämpfe und Gewerkschaftseinheit. Die Herausbildung und Konstituierung der gesamtnationalen deutschen Gewerkschaftsbewegung und der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands, Berlin 1965, S. 107ff. 5 4 kann. Am 16. und 17. November 1890 trat die Vorstände- konferenz der Gewerkschaften zusammen. Es wurde beschlossen, eine Kommission zu bilden, zur Vorbereitung 5 eines "Allgemeinen Gewerkschaftskongresses". Diese Kommission konstituierte sich als „Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“ und wählte zu ihren Vor- sitzenden Carl Legien. Die Geburtsstunde des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Nach dem 1. Mai 1890 und dem Fall des Sozialisten- gesetzes beschloss die wieder zugelassene SPD auf ihren Parteitag im Oktober 1890, den 1. Mai als dauerhaften „Feiertag der Arbeiter“ einzuführen. Ob an diesem Tag für die Forderung gestreikt werden sollte oder nicht, wurde von der wirt-schaftlichen Lage des Betriebes abhängig gemacht. Wo ein Streik nicht möglich war, sollten stattdessen am ersten Maisonntag Umzüge und Feste im Freien stattfinden. Auch in folgenden Jahren reagierten viele Unternehmer mit Aussperrungen, Entlassungen und Schwarzen Listen. Der Stempel im Arbeitsbuch „Entlassen am 2. Mai“ war für viele Arbeiterinnen und Arbeiter die Folge ihres Engagements. Mit diesem „Kainsmerkmal“ gelang es ihnen nur
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