Deutscher Drucksache 16/7181 16. Wahlperiode 14. 11. 2007

Entschließungsantrag der Abgeordneten , Gudrun Kopp, Rainer Brüderle, Paul Friedhoff, , , (Münster), , Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Jörg van Essen, Ulrike Flach, Horst Fried- rich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Dr. Christel Happach- Kasan, Heinz-Peter Haustein, , Birgit Homburger, Dr. Heinrich Leon- hard Kolb, Hellmut Königshaus, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, , Harald Leibrecht, Ina Lenke, Michael Link, Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Hans- Joachim Otto, Detlef Parr, , Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. (Witten), , Dr. , Dr. Rainer Stinner, Carl-Ludwig Thiele, , Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Dr. und der Fraktion der FDP

zu der dritten Beratung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung - Drucksachen 16/5847, 16/7156 -

Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Preismissbrauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

 Der konjunkturelle Aufschwung kann nicht darüber hinweg täuschen, dass in Deutschland die Energiepreise die Schmerzgrenze für Wirtschaft und Verbraucher längst überschritten haben. So sind nach Angaben der Bundesregierung seit 2001 die Kosten für Strom um 24%, für Gas um 30% und für Öl um 53% gestiegen. Von der Energiewirtschaft werden bereits weitere elektronischePreiserhöhungen für 2008 angekündigt. InVorab-Fassung* den neuen Bundesländern übersteigen die Betriebs- kosten teilweise bereits die Kaltmieten. Der Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Preismiss- brauch im Bereich der Energieversorgung und des Lebensmittelhandels ist das Eingeständnis der Bundesregierung, dass auch 10 Jahre nach Liberalisierung ein funktionierender und selbsttragender Wettbewerb auf den Energiemärkten nicht in Gang gekommen ist.

*Wird nach Vorliegen der lektorierten Druckfassung durch diese ersetzt. - 2 - Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

 Mit der Einführung eines Sonderrechts für einzelne Branchen wird an Symptomen kuriert, während gleichzeitig von den strukturellen Ursachen der vom Gesetzentwurf bekämpften Preisstrategien abgelenkt wird. Nahezu alle Sachverständigen waren sich in der Anhörung des BT-Ausschusses für Wirtschaft und Technologie darin einig, dass der Gesetzentwurf kein brauchbares Instrument für mehr Wettbewerb ist und darüber hinaus neue Anbieter vom Markt fernhält. Vorrang vor einer stärkeren Verhaltenskontrolle im Energiesektor sollte einer entschlossenen Verbesserung der Rahmenbedingungen für mehr Wettbewerb zukommen. Die Monopolkommission hat mit dem Titel ihres aktuellen Sondergutachtens „Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung“ den Finger auf die Wunde gelegt. Wie die Verschiebung der Anreizregulierung auf 2009 exemplarisch zeigt, kommen wichtige Maßnahmen zu spät, oder es werden die für das missbrauchsfreie Funktionieren des Großhan- dels an der Leipziger Strombörse wichtigen handelsrechtlichen Kontrollmechanismen nicht installiert. Zur Beseitigung strukturell bedingter Störungen des Wettbewerbs, die aus der ho- hen Markkonzentration auf dem deutschen Energiemarkt und der mangelhaften Anbindung an das europäische Stromnetz folgen, fehlt der Bundesregierung ein schlüssiges Konzept.

 Der geplante § 29 GWB- E bildet einen Fremdkörper in der bis auf die Wasserversorgung branchenneutralen Systematik der Missbrauchsaufsicht über wettbewerbsschädliche Strategien marktbeherrschender Unternehmen. Eine schärfere Kontrolle der kontinuierlichen Energie- preiserhöhungen lässt sich auch ohne die Schaffung von Sonderwettbewerbsrecht realisieren. Die geplante Weiterentwicklung des Vergleichmarktkonzepts weist bei genauerer Analyse ohnehin keine Substanz mehr auf, die die Einführung einer wettbewerblichen Sondernorm rechtfertigen könnte. Der Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie vom November 2006 enthielt ursprünglich eine Regelung, wonach auch Preise des marktbeherrschenden Unternehmens missbräuchlich sein können, die nicht deutlich ober- halb des durch die Kartellbehörde festgestellten Wettbewerbspreises liegen. Damit sollte die entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung korrigiert werden, die für das Unwertur- teil eines überhöhten Preises einen erheblichen Abstand der Preise des Marktbeherrschers zum Vergleichsunternehmen fordert. Als Folge dieser Rechsprechung wird den Kartellbehörden insbesondere in Märkten, in denen der begründete Verdacht auf ein generell überhöhtes Preis- niveau besteht – wozu die Energiemärkte unstreitig gehören - ein Eingreifen erschwert. Sie können praktisch nur Fälle aufgreifen, in denen die Preise des marktbeherrschenden Unter- nehmens auch nach Vornahme von Sicherheitsabschlägen, mit denen strukturelle Unterschie- de mit Vergleichsunternehmen ausgeglichen werden, noch einen Abstand von 10% und mehr zum ermittelten Wettbewerbspreis aufweisen. Im Gesetzentwurf der Bundesregierung fehlt bemerkenswerterweise diese Regelung des Referentenentwurfs. Eine wesentliche Erleichte- rung für das Einschreiten der Kartellbehörden ist somit weggefallen.

 Nach der Gesetzesbegründung ist eine Beweislastumkehr zu Lasten des marktbeherrschenden Unternehmens intendiert. Tatsachen, die gegen eine Vergleichbarkeit des unter Missbrauchs- verdachts stehenden Unternehmens mit den preisgünstigeren Vergleichsunternehmen spre- chen, soll das marktbeherrschende Unternehmen beweisen. Die Arbeit der Kartellbehörden kann damit nach Ansicht auch des Bundeskartellamts erleichtert werden. Da die Amtsermitt- lungspflicht uneingeschränkt weiterhin gilt, bleibt letztlich offen, in welchem Umfang die Er- leichterung in der praktischen Arbeit der Behörde wirksam werden. Die Monopolkommission elektronischefolgert daraus in ihrem Sondergutachten „PreiskontrollenVorab-Fassung* in Energiewirtschaft und Handel? Zur Novellierung des GWB“, die Kartellbehörden müssten entgegen der Begründung des Ge- setzentwurfs die strukturelle Vergleichbarkeit der in Bezug zu nehmenden Versorgungsunter- nehmen weiterhin ermitteln, um darauf den Missbrauch stützen zu können. Zudem könnte ein hoher Anreiz für Privatklagen entstehen, da der Kläger zur Begründung der Missbräuchlich- keit lediglich den höheren Preis des marktbeherrschenden Unternehmen gegenüber beliebigen anderen Versorgern behaupten und beweisen müsste, ohne dessen Vergleichbarkeit darzutun. Das beklagte Unternehmen hat keine Möglichkeit, sich detaillierte Kenntnisse über die Struk- turdaten eines Vergleichsunternehmens zu verschaffen, die es zu seiner sachlichen Rechtferti- gung jedoch benötigt. Eine solche Verschlechterung der Beweislastverteilung in Zivilverfah- - 3 - Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ren ist ungerechtfertigt und unnötig um die Kartellbehörden zu stärken. Zielführender wäre ei- ne Beschränkung der Beweislastumkehr auf das Verwaltungsverfahren.

 Das Gewinnbegrenzungskonzept der unverhältnismäßigen Kosten-Preis-Relation in § 29 Satz1 Nr.2 GWB-E birgt in der Praxis eine Vielzahl von Anwendungsproblemen. In der Kar- tellrechtspraxis der EU-Kommission hat dieses Konzept daher nur eine marginale Rolle ge- spielt. Der undefinierte Kostenbegriff, Schwierigkeiten die betrieblichen Ineffizienzen beim Marktbeherrscher bezüglich derjenigen Kosten nachzuweisen, die im Wettbewerb nicht ent- standen wären sowie die Frage, wie eine zulässige Gewinnschwelle zu bestimmen ist, werden die Kartellbehörden vor kaum überwindbare Hindernisse stellen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der zeitlichen Befristung der Norm, die für eine gerichtliche Klärung der zu erwartenden Streitfragen keine ausreichende Zeit lässt. Auf dieses Konzept sollte daher ver- zichtet werden.

 Die zeitliche Beschränkung des § 29 GWB-E auf 2012 schwächt die Kartellbehörden und setzt Anreize zur Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten, um Verfügungen der Kar- tellbehörden erst nach Außerkrafttreten der Norm rechtskräftig werden zu lassen. Die Frist be- ruht auf der fragwürdigen Annahme, dass sich das Energieangebot durch Kraftwerksbau bis 2012 deutlich erweitert. Bereits heute zeichnen sich jedoch Verzögerungen bei der Genehmi- gung neuer Kohlekraftwerke ab, die die planmäßige Realisierung der Kraftwerksbauten ver- hindern könnten. Als Folge des verfehlten Atomausstiegs kann es daher zu einer weiteren Verknappung der Energieerzeugung kommen. Durch den Charakter als „sun set“-Klausel wird die Gefahr herauf beschworen, dass den Kartellbehörden das neue Instrumentarium zu einem Zeitpunkt entzogen wird, an dem es ihnen zur Erfüllung des Gesetzeszwecks am dringendsten zur Verfügung stehen müsste.

 Angesichts der strukturell bedingten Wettbewerbsdefizite auf den Energiemärkten muss es das vorrangige Ziel sein, das Bundeskartellamt in die Lage zu versetzen, Eingriffe zur Verbesse- rung der Wettbewerbsstruktur vorzunehmen, wenn mit herkömmlichen Mitteln der Fusions- kontrolle und der Missbrauchsaufsicht Wettbewerbsbeschränkungen auf Märkten anders nicht nachhaltig beseitigt werden können. Dazu ist das GWB um eine Entflechtungsnorm entspre- chend dem Antrag der FDP-Fraktion Drs.16/4065 vom 17.1.2007 zu erweitern. Der Tatbe- stand der Entflechtungsnorm sollte als zukunftsgerichtete ultima ratio-Maßnahme ausgestaltet sein, die erst dann eingreift, wenn die Ursache für ein missbräuchliches Verhalten strukturell bedingt ist. Analog zum Instrument der Ministererlaubnis sollte auch bei Entflechtungsmaß- nahmen durch den Bundesminister für Wirtschaft und Technologie genau geprüft werden, ob nicht gesamtwirtschaftliche Vorteile oder ein überragendes Interesse der Allgemeinheit der Entflechtung entgegenstehen. Ein solches wettbewerbliches Instrument hätte im Vergleich zu dem auf europäischer Ebene diskutierten Ansatz einer zwangsweisen Entflechtung der Ener- gienetze deutliche Vorteile. Es würde bereits durch seine Präventionswirkung vergleichbare Wirkung entfalten, eine Entflechtung könnte den besonderen Einzelfallumständen angepasst werden und für die Anordnung müsste ein konkreter Verhaltenmissbrauch nachgewiesen wer- den. Die Problematik einer Drittstaatenklausel würde sich in verminderter Form stellen, da der Entflechtungsvorgang ohnehin unter staatlicher Kontrolle stattfindet.

 Eine Stärkung des Bundeskartellamts im Bereich des Missbrauchaufsicht sollte entgegen dem Gesetzentwurf nicht sektorspezifisch sondern innerhalb der gegenwärtigen Systematik des elektronischeGesetzes erfolgen. Der Bundestag spricht Vorab-Fassung* sich daher dafür aus, Erfahrungen mit der Miss- brauchsaufsicht zu nutzen, um erkannte Defizite dieses Instruments dauerhaft und branchen- übergreifend zu beseitigen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Einführung der sofortigen Vollziehbarkeit kartellbehördlicher Verfügungen als Regelfall kann dafür als Vorbild dienen. Praktische Hürden im Vollzug des Vergleichmarktprinzips - wie das Erfordernis eines erheb- lichen Preisabstandes oder der Nachweis der Vergleichbarkeit - sind ebenfalls kein Spezifi- kum der Energiemärkte. Mit dem traditionell von allen Fraktionen getragenen Votum für star- ke Kartellbehörden ist es unvereinbar, wenn für die praktische Arbeit der Kartellbehörden notwendige Fortentwicklungen der Missbrauchsaufsicht zeitlich begrenzt werden. Wegen der erheblichen praktischen Probleme und möglicher ökonomischer Fehlanreize, die mit einer - 4 - Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Kodifizierung des Gewinnbegrenzungskonzepts verbunden sind, sollte dieser Ansatz in das Preismissbrauchsrecht des § 19 GWB nicht übernommen werden. Ein Ausbau des Kartell- rechts in der beschriebenen systemkonformen Weise würde gleichzeitig die Effizienz der Kontrolle der Energiepreise auf Missbräuchlichkeit verbessern.

 Künftig soll § 20 Abs.4 Satz 2 GWB dahingehend verschärft werden, dass auch ein gelegent- licher Verkauf von Lebensmitteln unter Einstandspreis verboten wird. Nach der Gesetzesbe- gründung sollen damit insbesondere zwei Ziele erreicht werden: Der Schutz kleiner und mitt- lerer Händler vor Preisdumping durch große Einzelhändler sowie eine höhere Produktqualität. Die Verschärfung wird keines dieser Ziele erreichen. Der Lebensmittelhandel in Deutschland ist hoch konzentriert und wettbewerbsintensiv. Dem kleinen Tante Emma-Laden um die Ecke nutzt der Aktionismus der Novelle nichts, denn entscheidend sind die Einkaufspreise und hier kann Tante Emma mit den großen Einzelhandelsfilialisten nicht konkurrieren. Den funktio- nierenden Wettbewerb der großen Einzelhändler zu behindern, ist selbst nach Auffassung des Bundeskartellamtes schädlich und wird – so der letzte Tätigkeitsbericht des Bundeskartellam- tes S. 8 - „ den fairen Leistungswettbewerb unter Umständen sogar zu Lasten der Verbraucher einschränken oder wäre angesichts der zu erwartenden Vielzahl von Beschwerdefällen im Hinblick auf die knappen Ressourcen kaum umzusetzen.“ Ebenso wenig sieht das Bundeskar- tellamtes in der Neuregelung eine Verbesserung im Schutz kleinerer und mittlerer Betriebe.

 Um höhere Preise für die Lebensmittelerzeuger zu erreichen, ist das Gesetz überflüssig. Das zeigen die erheblichen Preissteigerungen für Milchprodukte in den letzten Monaten. Durch schärferes Wettbewerbsrecht entsteht auch nicht mehr Lebensmittelqualität. Im Gegenteil liegt das Preisniveau generell höher, steigt lediglich die Gewinnspanne für das kriminelle Geschäft und der Anreiz verdorbenes Fleisch wieder in den Verkehr zu bringen.

 Auch im Bereich des Behinderungsverbots sollte die Bundesregierung daher nicht sektorspezi- fisches Brachenwettbewerbsrecht schaffen. Vielmehr sollten kleine und mittelständische Un- ternehmen branchenübergreifend dort wirksamer gegen Kampfpreis- und Verdrängungsstrate- gien geschützt werden, wo dieser Schutz wirklich gebraucht wird. Dazu könnte insbesondere eine Klarstellung im Gesetz dienen, wonach Kosten-Preis-Scheren Bestandteil des Behinde- rungsverbots sind. In Branchen, in denen integrierte Unternehmen über marktbeherrschende Positionen auf Produzentenebene als auch über überlegene Marktmacht im nachgelagerten Markt (z.B. im Handel mit Endkunden) verfügen, besteht für das integrierte Unternehmen ein immanenter Anreiz, von ihm abhängige Wettbewerber zu einem höheren Preis zu beliefern, als der konzerneigene Handel im Endkundengeschäft anbietet. Auch effizienteste Wettbewer- bern können aufgrund der fehlenden Handelsmarge im Wettbewerb nicht mehr bestehen und werden vom Markt verdrängt. Branchen mit einem Gefährdungspotential für kleine und mitt- lere Unternehmen stellen zur Zeit insbesondere der Mineralölhandel aber auch der Energie- sektor dar.

 Die Bundesregierung weckt mit dem Gesetzentwurf bei Wirtschaft und Verbrauchern hohe Erwartungen in eine gesteigerte Schlagkraft der Kartellbehörden. Gleichzeitig unterlassen es die Koalitionsfraktionen jedoch, die personelle Ausstattung des Bundeskartellamtes an seine neuen Aufgaben adäquat anzupassen. Statt eines solchen in sich widersprüchlichen Vorgehens wäre eine deutlichere Aufstockung des Personalbestandes des Bundeskartellamts der effek- elektronischetivste Weg, Kartelle und den Missbrauch Vorab-Fassung* von Marktmacht entschlossen zu bekämpfen.

II. Der Bundestag fordert die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf nach Maßgabe folgender Gesichtspunkte zu überarbeiten und dabei:

1. Maßnahmen zur Bekämpfung der strukturell bedingten Wettbewerbsdefizite auf den deut- schen Energiemärkten Vorrang einzuräumen sowie das GWB um eine Regelung zu erweitern, - 5 - Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

die es unter besonderen Voraussetzungen dem Bundeskartellamt gestattet, als ultima ratio ein marktbeherrschendes Unternehmen zu entflechten;

2. auf die Einführung eines Sonderrechts für die Energiewirtschaft (§ 29 GWB-E) sowie auf die Verschärfung des Verbots von Verkäufen unter dem Einstandspreis für den Lebensmittelhan- del zu verzichten;

3. stattdessen die Erfahrungen aus der Praxis der Missbrauchsaufsicht zu nutzen, um die Kartell- behörden bei der Durchführung der allgemeinen Preismissbrauchsaufsicht zu stärken; dazu ist eine verbesserte und effektivere Handhabung des Vergleichsmarktkonzepts für alle Branchen und ohne zeitliche Begrenzung innerhalb der bestehenden Systematik des § 19 GWB vorzu- nehmen;

4. dazu unter anderem dem marktbeherrschenden Unternehmen die Beweislast auch für solche Tatsachen aufzuerlegen, mit denen es seine höheren Preise wegen angeblicher Nichtver- gleichbarkeit der Unternehmensstrukturen mit preisgünstigeren Vergleichsunternehmen rechtfertigt; diese Beweislastumkehr ist jedoch auf Verwaltungsverfahren zu begrenzen;

5. die Aufnahme einer klarstellenden Formulierung in § 19 GWB zu prüfen, nach der auch bei einem Preisunterschied von weniger als 10% zum fiktiven Wettbewerbspreis der Miss- brauchsvorwurf begründet sein kann, wenn auf den in Betracht kommenden Vergleichsmärk- ten ebenfalls kein funktionierender Wettbewerb gegeben ist und daher das allgemeine Preisni- veau als überhöht erscheint;

6. auf eine Kodifizierung des Gewinnbegrenzungskonzepts zu verzichten;

7. die sofortige Vollziehbarkeit von Missbrauchsverfügungen vorzusehen;

8. in § 20 Abs.4 GWB eine gesetzliche Klarstellung dahin gehend aufzunehmen, dass Kosten- Preis-Scheren Bestandteil des Behinderungsverbots gegenüber kleinen und mittleren Unter- nehmen sind

9. das Bundeskartellamt durch ein Aufstocken des Personals um 20 Stellen nachhaltig zu stär- ken und es in die Lage zu versetzen, seine neuen Befugnisse noch effektiver als bisher mittels Kartellverfahren und Missbrauchsaufsicht auszuüben.

Berlin, den 14. November 2007

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

Begründung Durch eine zeitlich bis 2012 befristete Sondernorm (§29) zum allgemeinen Verbot für marktbe- elektronischeherrschende Unternehmen, ihre Stellung missbräuchlich Vorab-Fassung* auszunutzen, soll den Kartellbehörden die Verfolgung von Preismissbräuchen durch marktbeherrschende Energieversorger erleichtert wer- den. Im Rahmen der Feststellung des überhöhten Preises durch einen Vergleich der Preise des Marktbeherrschers mit Preisen anderer Anbieter (sog. Vergleichsmarktkonzept) soll ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs die Kartellbehörde künftig nicht mehr die strukturelle Ver- gleichbarkeit der Unternehmen des Marktbeherrschers mit dem Preisführer detailliert ermitteln müssen, um den Missbrauchvorwurf zu belegen. Es soll nunmehr am marktbeherrschenden Unter- nehmen liegen, seinen höheren Preis durch Hinweis auf die Nichtvergleichbarkeit der Unterneh- men zu rechtfertigen und notfalls auch zu beweisen (Beweislastumkehr). Ferner wird zum ersten Mal die bereits im geltenden Recht angelegte Methode der Kartellbehörden, die Missbräuchlich- - 6 - Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

keit überhöhter Preise durch eine Prüfung der Kosten auf ihre Angemessenheit im Verhältnis zum Preis zu stützen (sog. Gewinnbegrenzungskonzept), kodifiziert. Speziell für den Bereich des Le- bensmitteleinzelhandels wird das geltende Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis verschärft. Positive Wirkungen für den Wettbewerb werden von der Novellierung des GWB außer vom Bun- deskartellamt von praktisch allen Wettbewerbsexperten nicht erwartet. Insbesondere von der ge- planten Regelung einer unverhältnismäßigen Kosten/Preis-Relation drohen nach Auffassung der Monopolkommission aber auch der neuen Wettwerber und des wissenschaftlichen Beirats des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie erhebliche ökonomische Fehlanreize.

elektronische Vorab-Fassung*