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www.contrapunkt-online.net Nr. 09 | Juli 2013 |  4,90

RICHARD Den Mythos deuten Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth 1882 NEUE MUSIK und die Verteidigung des Abendlandes 2 3

„Ist die Absonderung des Künstlers vom Men- schen eine ebenso gedankenlose, wie die Scheidung der Seele vom Leibe, und steht es fest, dass nie ein Künstler geliebt, nie seine Kunst begriffen werden konnte, ohne daß er – mindestens unbewusst und unwillkürlich – auch als Mensch geliebt, und mit seiner Kunst auch sein Leben verstanden wurde (...)“

Richard Wagner, Eine Mitteilung an meine Freunde 4 5 Vorwort m Wagner Jahr konnten wir nicht umhin, eine Ausgabe Idem Jubilar zu widmen. Bei so Vielem, was an anderer Stelle publiziert wurde, von Neuerscheinung bis zu Neu­ auflagen, CD-Einspielungen usw. soll der Akzent in dieser Ausgabe nicht nur auf der Beleuchtung bestimmter The­ menaspekte um Wagners Werk und Leben liegen, sondern selbst zur Sprache kommen. Bei so viel was über den Komponisten gesagt und geschrieben wird, kann es nur rechtens sein, dass er selbst auch einmal zur Sprache kommen darf. Dies wird durch die Schrift Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth 1882 realisiert, ein Be­ richt Wagners über die Uraufführung des . Nicht nur für Bayreuth-Kenner dürfte dies ein interessantes Zeitdoku­ ment darstellen.

Die Bedeutung des Mythos in Wagners Werk und die An­ forderungen an eine angemessene Regie, verglichen be­ sonders am Chéreaus, bilden den Auftakt für die Behandlung des Themenschwerpunkts. Ein weiterer Artikel erläutert ausführlich die künstlerischen und biogra­ phischen Verbindungen zwischen Richard Wagner und Carl Maria von Weber. Eine kritische Abwägung der idealen medialen Wiedergabe wagnerischer Kunst in unserer Zeit rundet den Wagner- Schwerpunkt schließlich ab.

Der Leitartikel bildet ein ganz anderes thematisches Spek­ trum ab: In einer äußerst scharfsinnigen und intelligenten Analyse beschreibt Volkmar Klien das Wesen der Neuen Musik, und geht dabei besonders auf ihre Funktionsweise in Staat und Gesellschaft ein. Diese brisanten und hoch­ interessanten Überlegungen werden in Contrapunkt in baldiger Zukunft weiter diskutiert werden. An dieser Stelle möchte ich dem Autor für die freundliche Kooperation mit Contrapunkt bezüglich des Artikels herzlich danken.

Das einmal aufgedeckte Interesse an russischer Musik soll­ te sich auch diesmal fortsetzen: Eine Werkeinführung zu Rimskij-Korsakows Märchenoper Snegurocka weist neben den grundsätzlichen Informationen zu Handlungsmotiven und -personen auch auf musikalische Eigenheiten sowie kompositorische Merkmale des berühmten russischen Komponisten hin.

Somit wünsche ich allen Lesern einen erholsamen und mu­ sikalisch reichhaltigen Sommer.

Die Redaktion Alexander Fischerauer 6

Den Mythos deuten – Warum Patrice Chéraus Jahrhun- dertring noch heute seines Gleichen sucht – S. 12

Weber und Wagner – Traum einer deutsch-nationalen Tonkunst – S. 15

Rimskij-Korsakows Märchenoper Sneguročka – S. 24 7 Inhalt

Seite 3 Zitat

Seite 5 Vorwort

Seite 7 Inhalt

Seite 8 Neue Musik und die Verteidigung des Abendlandes von Volkmar Klien

Seite 12 Den Mythos deuten – Warum Patrice Chéreaus „Jahrhundetring“ noch heute seines Gleichen sucht von Joachim Kelber

Seite 15 Weber und Wagner – Traum einer deutsch-nationalen Tonkunst von Alexander Fischerauer

Seite 19 Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth 1882 von Richard Wagner

Seite 24 Rimskij-Korsakows Märchenoper Sneguročka von Julia Walker

Seite 26 Wagner im Wohnzimmer – CD oder DVD? von Jürg Jecklin

Seite 28 Musikrätsel

Seite 33 Informationen zum Verein und zur Zeitschrift

Seite 34 Impressum

Seite 35 Vorschau, Bildnachweis 8 Neue Musik und die Verteidigung des Abendlandes von Volkmar Klien

eue Musik, also jene Musik, die sich in der Tradition institutionalisierten Neuen Musik die Vergabebeiräte bevöl­ Nder europäischen Avantgarde des zwanzigsten Jahr­ kern, ist den Erfolgsaussichten dieses Manövers durchaus hunderts sieht, findet sich dieser Tage in einer recht eigen­ nicht grundsätzlich abträglich. tümlichen Situation wieder. Was dereinst als radikale Kraft In dieser Anbindung an die historischen Institutionen des zur Erneuerung, Reflexion und Erweiterung althergebrach­ musikalischen Abendlandes ist die Neue Musik nicht Träge­ ter Musikbegriffe die Bühne betrat, präsentiert sich heute, rin und Ursprung jener Organisationen, in denen sie agiert, wiewohl immer noch das Banner des einzig wahrhaft Neu- sondern deren Profiteurin. Sie agiert dabei zwar nicht als en tragend, als Formation defensiver Strukturen in Konser­ bloße Schmarotzerin, sondern steht zu diesen Institutionen vatoriums- und Konzerthausnähe. auch in einem symbiotischen Verhältnis, da sie ihnen einen matten Glanz zeitgenössischer Relevanz verleihen kann. Wie kommt es, dass Musik, deren zentrales Merkmal laut Als primäre Nutznießerin hat sie aber kaum Gestaltungs­ Eigendefinition ihre Neuheit ist, sich zum allergrößten Teil macht über ihre (Wirts-)Institutionen und muss sich dem­ mit Instrumenten und in Konzertsälen des neunzehnten entsprechend anpassen. Jahrhunderts ereignet? So zeichnet sich Neue Musik heute weniger durch besonde­ re strukturelle Eigenschaften ihrer Werke aus, als vielmehr Alle, die einmal die weltliche Kommunion des klassischen durch die Entschlossenheit, medientechnisch rückwärts­ Konzertes erlebt haben, wissen um die gesellschaftliche kompatible Musik für bestehende Strukturen wie Konzert- Rolle dieses Betriebs. Wie teuer Karten für Konzerte von und Opernhäuser, Orchester und Notenverlage zu sein. Rock-Legenden auch immer sein mögen, es gibt keine vergleichbaren Institutionen im Musikleben, die ihren gut Um es ein wenig überhöht zu zeichnen, ist Neue Musik eine gekleideten Besuchern und Besu­ Bewegung, die sich zwar als streng revolutionär cherinnen ermöglicht, mit anderen Die Akademie, frü­ definiert, sich aufgrund ihrer Glaubensgrundsät­ gut gekleideten Konzelebranten, her das Feindbild ze und der Gegebenheiten des Betriebes aber derart elegant und gemeinsam die darauf beschränken muss, ihre Revolutionäre menschliche, folglich auch die eige­ der Neutöner, bildet bei den Sängerknaben zu rekrutieren, um ihre ne Schönheit zu feiern. nun deren Rückgrat. Schlachten in der Kapuzinergruft zu schlagen. Die klassische Musik mit ihren Ins­ Für die performativen Experimente der Fünfzi­ titutionen und Insignien ist in Zentraleuropa tatsächlich eine ger- und Sechziger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts Stütze der Gesellschaft und des Staates. Stellt man sich ist dieser Tage kein Platz mehr. Nicht, dass diese künstle­ als zeitgenössische Komponistin oder Komponist nun nah rischen Bemühungen schlichtweg geendet hätten, sie sind genug zu dieser Stütze dazu, kann man mit ein bisschen aber anderswo verortet, denn Neue Musik bietet keinen Geschick den Eindruck erwecken, man trage selbst ein we­ Raum mehr für Deviation. nig dieser Last. Das Konservatorium und seine Erweiter- In ihrer Selbststilisierung als einzig berechtigte Erbin der ungen kompositorischen Heroen vergangener Jahrhunderte er­ Die Akademie, früher das Feindbild der Neutöner, bildet hebt die Neue Musik auch Anspruch auf deren symboli­ nun deren Rückgrat. Die Tatsache, dass sich Neue Musik sches Kapital. heute praktisch ausschließlich in Konservatoriums- oder Dieses symbolische Kapital historischer europäischer Hochschulnähe ereignet (denn wer nicht dort studiert, un­ Kunstmusik mit ihren Institutionen wie Symphonieorches­ terrichtet dort) verstärkt die repetitiven Tendenzen. Die ter, Konzertsaal und Musikakademie, kann im System Hochschule mit ihren Aufnahmeprüfungen und assoziier­ staatlicher Kunstförderung gegen greifbarere Formen von ten Wettbewerben agiert als Gleichrichter und Filter in der Kapital, nämlich Bargeld, eingetauscht werden. Nachwuchsarbeit. Dies ist für die Neue Musik von existentieller Bedeutung, Nur die Bravsten der Tonsatzjugend dürfen studieren und denn ohne Bezahlung spielt niemand diese Musik. Dass werden so in ihrem Entsprechenwollen bestätigt. Die dort oft gerade Experten und Expertinnen aus dem Bereich der Lehrenden aber sitzen, weit über ihre Unterrichtstätigkeit 9 hinaus, in Vergabebeiräten, in Wettbewerbsjurien, ver­ ren besondere Stellung sich aus verschiedenen Blickwin­ mitteln Aufträge und Assistenzstellen und leisten so ihren keln beleuchten lässt. Zum Einen ist sie dieser Tage fast Beitrag dazu, dass Neue Musik sich immer mehr von einer schon ein Alleinstellungsmerkmal, denn kaum eine andere Musik der Revolutionäre und Revolutionärinnen zu einer Musikform benutzt Notenschrift noch als ihr primäres Ver­ Musik der Musterschülerinnen und -schüler (meist schon öffentlichungsmedium. Zum Anderen sind die in der Partitur in dritter Generation) entwickelt. So ergibt sich geradezu vermittelten Codes geschichtsträchtig, wirken geheimnis­ eine Weltmeisterschaft im musikalischen Brav-Sein, denn voll und sind für Laien, die selbst immer weniger mit noten­ nur jene, die den Vorgaben der Hochschulen entsprechen basierter Musizierpraxis zu tun haben, schon ein Mysterium wollen, machen Neue Musik. für sich. Der Rest macht Anderes; ohne expliziten Anspruch auf die Als Relikt der Musikwissenschaft der 1950-er Jahre scheint Nachfolge großer Meister, die sich, da stets schon verstor­ auch noch zu gelten, dass ohne Partitur kein Werk und kein ben, zu dieser Situation selbst auch nicht mehr äußern kön­ Werk ohne Partitur möglich sei. Es herrscht nach wie vor nen. ein Glaube an das Primat der symbolischen Repräsentati­ on, von der man sich - im Gegensatz zum konkreten Klang Repetitive Strukturen - gesteigerte Allgemeingültigkeit erhofft. Der Zustand von Neuer Musik heute lässt sich gut als das Entscheidend jedoch ist, dass die Partitur die Schnittstelle Ergebnis eines aus den Fugen geratenen Peer-Review1 zu den historischen Klangproduktionseinrichtungen staats­ Systems interpretieren. Was als Einrichtung zur Siche­ tragender Kunst darstellt. Denn der Markt der Neuen Musik, rung der Qualität wissenschaftlicher Texte große Vorteile in dem die Fördergelder der verschiedenen Institutionen hat (wenngleich es strukturell immer eine eher konserva­ wie Orchester und Opernhäuser umgeschichtet werden, tive Macht darstellen wird) ist im Falle der Neuen Musik, wird nach wie vor von Notenverlagen und ihren Material­ da sie ja implizit, folglich ohne verbindliche Standards und verleihen dominiert. Methodenreflexion angewandt wurde, gemeinsam mit der Die Abrechnungssysteme dieser Umverteilung brauchen Existenz bloß einer zentralen Geldquelle, Garant für die Partituren und entlarven dabei auch den naiven Glauben an Errichtung eines repetitiven und sich immer weiter veren­ die Definierbarkeit von Wertigkeit künstlerischer Äußerun­ genden Systems. gen und somit Zuordenbarkeit von Geldwertigkeit entlang definierter Kriterien. Ein entscheidender Faktor in dieser Denn an Neuer Musik nehmen nur mehr Experten teil, sei institutionalisierten, nichts desto trotz bizarren Unterschei­ es in Form von spezialisierten Instrumentalisten, akademi­ dung zwischen E- und U-Musik ist nach wie vor die Exis­ schen Komponisten, spezialisierten Journalistinnen oder tenz einer Partitur zum vorgelegten Stück. Jury-Mitgliedern. Da es praktisch keine unabhängigen Geldmittel im System gibt, gibt es auch keinen Weg um die­ Symbolische Welten se etablierten Experten herum. Ein Arbeiten in dieser Umgebung symbolischer Repräsen­ All dies führt, trotz strengstem Rhythmusverbot, zu repetiti­ tation in Partituren ist stets auch dazu verführt, der Einfach­ ven Strukturen, und zwar in Finanzierung und Ausbildung. heit halber nur mehr in symbolischen Systemen zu denken. Allein die Vorstellung, ein junger Technoproduzent Ende Leicht verkommt so die musikalische Welt zu Regelsyste­ der 1980er Jahre hätte bei Mick Jagger, BB King oder Udo men auf Papier. Jürgens vorstellig werden müssen, um zu fragen, ob seine Der Befreiungsschlag einer Komponistin kann (herunter­ Nummern in Ordnung und spielbar wären, zeigt (trotz al­ gekocht unterreichtstaugliche Produktionsregeln) ohne in ler Unterschiede in den Kontexten), wie bizarr sich solche kürzester Zeit Anderen zur fremdbestimmten Verpflichtung Strukturen auf die (kunst-)musikalische Realität auswirken. werden; eine Tatsache, die Neue Musik in kaum zu über­ Es kommt also nicht von ungefähr, dass die Neue Musik schätzender Weise prägt. heute in ihren angegrauten Riten und Gesten wie aus der Zeit gefallen wirkt und im real existierenden Betrieb Neuer Aber es sind nicht die Regelsysteme, die musikalische Pra­ Musik ähnlich große Zwänge zur reinen Affirmation des Be­ xis begründen, sondern musikalische Praxis begründet Re­ stehenden existieren wie in kommerziellen Formatradios. gelsysteme ohne sich je in diesen zu erschöpfen. In jenem von symbolischen Welten geprägten Denken wird nach wie Die Partitur vor Komplexität mit Sinnhaftigkeit verwechselt. Eine weitere zentrale Rolle in der Definition dessen, was Im Zeitalter digitaler Datenverarbeitung und den sich dar­ Neue Kunstmusik in Europa ist, nimmt die Partitur ein, de­ aus ergebenden technischen Möglichkeiten aber können, um ein Beispiel zu nennen, Bachs Fugen kaum mehr als 1 Im Bereich der Wissenschaften erfolgt die Beurteilung (‚review‘) der Qual­ hochkomplex im mathematischen Sinne gelten. ität von Forschungsergebnissen, Publikationsvorschlägen und Finanzier­ ungsanträgen zumeist durch Kollegen (‚peers‘) aus demselben Fachbereich, Das mathematische Modell zweier sich mischender Flüs­ zumal diese ‚peers‘ als die einzigen angesehen werden, die die Ergebnisse sigkeiten, das ist komplex und so betrachtet wäre jede Ver­ der hochspezialisierten Forschungsdisziplinen auch tatsächlich nachvol­ lziehen können. einigung von Milch und Kaffee zum kleinen Braunen um 10

Vieles ausdrucksreicher als das Gesamtwerk des barocken Kommando-Codes Meisters. Eine Feststellung, die sich aus den jeweilig wahr­ Musik ist als Medium zur (Selbst-) Synchronisation von nehmbaren Klangbildern wiederum kaum belegen ließe. Menschen zum Zwecke von Tanz, Gleich- oder auch Wech­ selschritt ist in der Geschichte der Kunstmusik nach 1945 Stets im Rahmen nicht gut angeschrieben. Die Musik, die heute klassisch genannt wird, war in ihrer Synchronisation von Menschen zum Zwecke der Produk­ Zeit nicht der individuell gewählte Spielort, sondern Hori­ tion nicht synchronisierender Musik wird aber durchaus zont allen musikalischen Tuns und so waren die Gesetze akzeptiert und ist eine Bedingung für die Möglichkeit des­ und Medien klassischer Musik die Gesetze der Wirklichkeit, sen, was Neue Musik dieser Tage ist. Denn mit der Partitur die Weltenden aller Möglichkeiten und keinesfalls optional kommt auch der Ton, in dem die meisten Werke Neuer Mu­ gesetzte Spielregeln. sik verfasst sind, nämlich der rüde Befehlston. Heutzutage ist dies im Hinblick auf Musikpraxis in diesem Die Partitur enthält Kommando-Codes, die von bezahlten Umfeld nicht mehr der Fall, denn die verbliebenen musika­ Spezialisten auszuführen sind und die in ihrer Gesamtheit lischen Stilbeschreibungen sind bloße Außenansichten auf nur dem General, dem Dirigenten zur Verfügung stehen. Alle anderen Musiker werden mehr OrchestermusikerInnen haben sich - im Austausch als Oszillatoren, als Klanggeber gegen Geld - in diesen Zusammenhängen ausschließlich denn als Künstler behandelt. Sie fremdbestimmen zu lassen. Ihre Noten - gleich einem haben sich fraglos einzuordnen Fließband - schreiben ihnen Bewegungssequenzen zur und zum vorgeschriebenen Zeit­ Produktion von Klang vor. punkt den vorgeschriebenen Klang zu produzieren. diese Welten von einst. OrchestermusikerInnen haben sich - im Austausch gegen Vieles von dem, was als Horizont-Erweiterung begonnen Geld - in diesen Zusammenhängen ausschließlich fremd­ hat, ist zu quasi-folkloristischem Brauchtum verkommen, bestimmen zu lassen. Ihre Noten - gleich einem Fließband - dessen Begründung in der Pflege eben diesen Brauchtums schreiben ihnen Bewegungssequenzen zur Produktion von selbst gesehen werden muss. Klang vor.

Als Beispiel dafür sei die Rolle der erweiterten Spieltech- Dies ist bei klassischer Musik wohl ähnlich. Auch dort ha­ niken genannt. Was dereinst auf der Suche nach neuen ben OrchestermusikerInnen das auszuführen, was in ihren Klängen gefunden wurde, ist heute in medientechnischer Stimmen steht; exakt und ‘textgetreu’. Die MusikerInnen Hinsicht oft nicht notwendig, als Zeichen der Zugehörigkeit wissen dabei aber stets, wie sich ihre Stimmen in einer eta­ aber unerlässlich. blierten Sprache in das Ganze der Komposition fügen und „Die Möglichkeiten der Flöte ausloten“, „die Grenzen immer können so viel eher als Individuen in einer Gruppe musizie­ wieder und neu in Frage stellen“; warum freut man sich ren, denn lediglich als Schallquelle zu funktionieren. denn nicht einfach an der Flöte? Und wenn man die Gren­ In gewisser Weise tauscht Partitur-gestützte Neue Musik zen der Flöte nicht so gerne um sich sieht, lege man das Fördergeld gegen Macht über Musiker in deren gesell­ Rohr doch zur Seite. schaftlichem Kontext des Konzerthauses und kann sich bei Aber ohne ordentliche Instrumente gibt es keine Neue Mu­ dieser Gelegenheit auch gleich dessen Abonnentenpubli­ sik, für die die Konzepte ‘Handwerklichkeit’ und ‘Virtuosität’ kum ausleihen. Nachdem dies zum größten Teil vom Staat von so zentraler Bedeutung sind. Wobei sich gerade der finanziert wird, tritt der Komponist oder die Komponistin Begriff der Handwerklichkeit bei näherer Betrachtung als folglich als untergeordnete Verwaltungseinheit zur Symbo­ bloße Immunisierungsstrategie für implizit vorausgesetzte lisation von Staatsmacht auf. Grundregeln entpuppt. Und ohne ordentliche Instrumente wiederum griffen jene Virtuosen, in deren romantischen So sind ordentliche Befehlsstrukturen neben dem gesell­ Windschatten man sich bewegt, ja schlichtweg ins Leere. schaftlichen Ort ein zentrales Moment, das die sich Neue Musik für ihren Widerstandskitsch von der musikalischen Neue Musik, in ihrer freudigen Erbenschaft der abendlän­ Großkunst vergangener Tage ausborgt. dischen Musiktradition übersieht, dass die Instrumentarien und Techniken mit denen, wie auch die Ensembles und Der Lautsprecher Konzerthäuser in denen sie arbeitet, kontingent und nicht Neue Musik ist im Normalfall partiturgebundene Musik für bloß hinzunehmende Voraussetzungen sind. In Folge des­ das Instrumentarium des (spät-)romantischen Symphonie­ sen konzentriert sie sich auf einen immer virtuoseren Um­ orchesters. gang mit definierten Produktionsmitteln in einer de facto als Sie ist somit medientechnisch rückwärtskompatibel mit den endlich gedachten Welt. seit dem 19.Jahrhundert in Europa etablierten Institutionen 11 der Symphonieorchester, dem Musikmarkt vor der Erfin­ gegenwärtig kaum mehr eine Rolle spielt. So ist es denn für dung des Tonträgers und folglich auch 100% Mozartsaal- den Kompositionsprofessor oder die Professorin bei guter kompatibel. Laune durchaus eine kleine Fingerübung wert, einen hüb­ Und das, wie oben gezeigt, muss sie auch sein. Sie ist also schen Walzer zu schreiben oder eine Petitesse von Debus­ jene Musikrichtung, der die medientechnischen Verände­ sy oder Prokofiev zu orchestrieren; ein Pop-Song, gar ein rungen der letzten sechzig Jahre noch am wenigsten anzu­ erfolgreicher, müsste dagegen doch als etwas proletarisch sehen und anzuhören sind. Dies ist umso erstaunlicher, als gelten. viele der elektronischen Techniken ursprünglich im Bereich der musikalischen Avantgarden entwickelt wurden. Der Bezug zur hörbaren Wirklichkeit. Bei den großen Festivals kommen wohl immer wieder Wer­ Vieles von dem, was in Konzerten Neuer Musik (auch jener ke mit Live-Elektronik vor, im Zentrum der Aufmerksamkeit sehr junger KollegInnen) zu hören ist, erinnert an Wettbe­ stehen - mit einzelnen Erweiterungen z.B. im Schlagwerk werbe hochexpressiver Lyrik in Volapük oder Klingonisch, - aber unverändert die Instrumente des europäischen Sym­ was anfangs vielleicht charmant wirken kann; gerade in phonieorchesters. diesem Mangel an Bezügen zur sonst hörend erlebten Der Lautsprecher und all seine zugehörigen medialen Wirklichkeit. Bis man sich genötigt sieht, einzusehen, dass Techniken wie Tonaufzeichnung, -bearbeitung und -über­ vielen der Beteiligten die Klammer ‘Volapük’ dabei völlig tragung werden dabei als Erweiterungen des kanonischen, verborgen bleibt. klassischen Instrumentariums angesehen. Dass sich durch den Lautsprecher, durch die Medialisierung von Klang und Während also alle Beteiligten immer und angestrengt die Musik, deren Produktions- und Rezeptionsweisen ganz Pose ‘furchtlos und entschlossen in die Zukunft blickend’ grundsätzlich verändert haben, wird kaum wahrgenommen. einnehmen, gilt als ausgemacht, dass dieser Weg in die Zukunft nur in Bezug auf Alltagsmusik, mediale Techniken Diese Medialisierung, die selbst stetiger und dynamischer und Konzertsituationen aus lang vergangenen Zeiten ge­ Veränderung unterworfen ist, ändert aber nicht nur die Rol­ schehen kann und darf. len, die das traditionelle Instrumentarium in Konzertsitua­ Neue Musik beharrt so in ihren, sich bemüht zeitgenössisch tionen einnehmen kann, sondern sie ändert vielmehr das, gebenden, streng standardisierten Modellen von Trans­ was musikalischer Alltag ist, wie Musik gemacht, erlernt, gression und Widerständigkeit ehern auf Grundgesetze wie gedacht, gebraucht und erlebt wird. Sie ändert also das, Rhythmusverbot, Tonalitätsverbot, Partitur- und Konzert­ was Musik ist. hausgebot, während sie sich an jene Reste von Ewigkeit klammert, die sie im gegenwärtigen klassischen Betrieb Neue Musik und ihr Anderes noch zu finden meint. Neue Musik interpretiert sich als Gegenposition zu einem angenommenen Phantom, jenes einer vollkommen unkri­ Neue Musik, mit ihren starren Hierarchien und genau de­ tischen, nur an Geldgewinn interessierten, manipulativen, finierten Möglichkeitsräumen hat viel von dem, was Glau­ sich selbst wiederholenden Popularmusik, wobei diese bensgemeinschaften anhaftet, nämlich den Willen, ihren selbst entworfene Karikatur Wirklichkeit substituiert. Denn Alltag ‘in Nachfolge von’ von Regeln bestimmen zu lassen, alle Formen zeitgenössischer Musik außerhalb des Kon­ deren Herkunft es nicht zu hinterfragen gilt. Denn diese zertsaals und der entsprechenden Instrumentalensembles Regeln mögen vielleicht einengen, aber gerade in dieser sind schon einzig und allein dadurch nicht unter das Label Einengung ergibt sich auch ein Mehr an Sicherheit und ‘in Neue Musik subsumierbar, unabhängig davon, wie sie ei­ Andenken an’ erwächst daraus das erhebende Gefühl von gentlich klingen. Überlegenheit. Es ist die mediale und soziale Rückwärtskompatibilität, die das eigentliche Unterscheidungsmerkmal ausmacht. Konti­ Während die ursprünglichen Motivationen im Nebel des nentaleuropäische Neue Musik ist auch eine Gegenbewe­ Gründungsmythos versinken, bleiben aussedimentierte gung zu dem, was als Kolonialisierung des musikalischen Regeln zurück, die als dermaßen unverzichtbar angesehen Alltags durch Musikformen aus dem englischsprachigen werden, dass sie, mit all ihrer Wirkungsmacht, in der Praxis Raum empfunden wird. Nachdem diese aber die breite Ba­ unsichtbar werden. sis dessen darstellen, was musikalische Volkskultur heu­ te ausmacht, ist Dialog, gar gegenseitige Befruchtung von Und so scheint denn auch das eigentliche und ursprüng­ Kunst- und Alltagsmusik, Klangumgebung und Konzertsaal liche Opus magnum der gegenwärtigen Neuen Musik, nicht mehr möglich. dessen Spitzen in Form von Orchester- und Ensemblestü­ cken in diese Wirklichkeit ragen, etwas zu sein, was immer Das (ebenfalls negativ definierte) Gegenüber Neuer Musik schon eine der hehren Aufgaben europäischer Glaubens­ scheint noch immer geprägt durch Operette und andere, gemeinschaften im Belagerungszustand war, nämlich die leichte Formen klassischer Musikpraxis, also etwas, das Verteidigung des Abendlands. 12 Den Mythos deuten Warum Patrice Chéreaus „Jahrhundertring“ noch heute seines Gleichen sucht von Joachim Kelber

„Das Unvergleichliche des Mythos ist, daß er jederzeit zu dessen 100. Jubiläum zu inszenieren. Er schlug nämlich wahr und sein Inhalt, bei dichtester Gedrängtheit, für in dieselbe Kerbe und war wohl der erste Regisseur, der alle Zeiten unerschöpflich ist. Die Aufgabe des Dich- das tat, denn zunächst war die Inszenierung ein heftiger ters war es nur, ihn zu deuten.“ (Oper und Drama, S. Skandal, aus dem heraus konservative Wagnerianer kuri­ 199) oserweise eine Initiative für ein „zukunftsorientiertes Ver­ ständnis des Wagnerschen Werkes“ gründeten. as Richard Wagner hier in seiner umfangreichsten Wkunsttheoretischen Schrift beschreibt, deren Entste­ Bei Chéreau sind die Götter im Rheingold unverkennbar als hung mit der Konzeption des „Ring des Nibelungen“ zu­ Vertreter einer langsam untergehenden Adelsgesellschaft sammenfällt, bringt uns gleich ins Zentrum der Frage nach kostümiert, die mit der Burg Walhall noch einmal an alte einer wirkungsvollen Inszenierung desselben. Macht und Prunk anknüpfen wollen. In Alberichs Nibelheim Jeder Mythos besitzt durch seine zeitlose, allegorische Ei­ kündigt sich deutlich die Industrialisierung mit Hochöfen genschaft eine Unschärfe, die paradoxerweise zugleich als und schwitzendem Prekariat an. „dichteste Gedrängtheit“ wahrgenommen wird, denn in ihr Im Laufe der vier Abende vollzieht sich aber eine Verwand­ sind alle Deutungsmöglichkeiten potentiell enthalten. Wenn lung, an deren Ende die Gibichungen als großbürgerliche beispielsweise Sophokles den Ödipus-Mythos verwendete Unternehmer der Gründerzeit auftreten. Das Entscheiden­ um ein Drama zu schreiben, war es nach Wagner nicht nur de ist jedoch, dass Chéreau zu jeder Zeit ein Gespür für die seine Aufgabe, ihn zu übertragen, sondern auch, „ihn zu allegorische, unscharfe Kraft des Mythos behält und sich deuten“ (die Frage entsteht natürlich, ob der Dichter, der nicht völlig in seinen Deutungen verliert. in diesem Falle ja auch Interpret ist, sein eigenes Deu­ Bei Chéreau tritt kein Ludwig II oder Bismarck, kein Marx ten überhaupt verhindern kann – die Antigone von Jean oder Napoleon III auf. Ganz im Sinne des Mythos bleiben Anouilh muss selbstverständlich 1944 eine vollkommen an­ seine Figuren Typen, die für mehr als eine Person stehen. dere sein, als die des Sophokles 441 v.Chr.). Auch die Schauplätze bleiben in gewissem Sinne aus­ Das gedrängte Potential des Mythos wird also ein Stück tauschbar und bieten – was so ungeheuer wichtig ist - Platz weit konkretisiert, und so wird dem Leser oder Publikum ein für eigene Projektionen. Es entsteht eine ungeheuer kraft­ Anstoß zu geben, das „jederzeit Wahre“ an den unscharfen volle Balance zwischen Allgemeingültigkeit und Konkreti­ allegorischen Figuren des Mythos mit der eigenen Wahrheit sierung. zu verbinden, und so letzten Endes auch etwas über sich zu erfahren. Anders verhält sich Stefan Herheim in seiner gerade aus­ gelaufenen und bis zuletzt viel gelobten Bayreuther In­ Nichts anderes tat Wagner natürlich, als er die Edda heran szenierung des Parsifal (der ja auf seine Weise auch ein nahm, um „seinen Ring“ mit bewundernswerter Ausdauer christlicher Mythos ist). Gleich im ersten Akt sehen wir die in über zwei Jahrzehnten zu schaffen. Seine „Aufgabe“ war Villa der Familie Wagner als Gralsburg. Wohl mit es – und er konnte gar nicht umhin –, den Ring aus seiner Chéreaus „Ring“ als Vorbild versucht Herheim sich im wei­ Zeit und seinem Blick zu deuten. Der Zeitgenosse Geor­ teren Verlauf ebenfalls an einer geschichtlichen Deutung ge Bernard Shaw erkannte das besonders scharf und be­ in großen Zügen - in seinem Fall als Drama der deutschen schrieb Wagners Tetralogie als ein „Drama der Gegenwart“ Staatswerdung -, die durchaus ihre Reize hat. (Wagner-Brevier, S. 21), ein Drama über den Machtverlust des Adels, über die Zeit der Industrialisierung und der Ent­ Was aber passiert, wenn Kundry ganz eindeutig als Marle­ stehung des Kapitalismus mit all seinen unaufhebbaren Wi­ ne Dietrich im Blauen-Engel-Kostüm auftritt, wenn Klings­ dersprüchen. ors Reich zu Nazideutschland wird und der Bundestag am Ende der Oper die Erlösung bringt? Tatsächlich liegt diese Interpretation gar nicht fern – drängt Hier ist die Unschärfe völlig verloren gegangen und was sich beim Lesen des immer wieder geradezu auf – entsteht, sind lauter Gleichheitszeichen: Kundry = Marlene, und so müssen wir nicht einmal sicher sein, dass der junge Walhall = Wahnfried, Amfortas = Jesus, Parsifal = Bundes­ französische Regisseur Patrice Chéreau Shaws Buch gele­ kanzler? Ganz Amüsant freilich, aber genau da liegt das sen hatte, als er 1976 nach Bayreuth kam, um den „Ring“ Problem. Diese radikale Schärfe der Deutung lenkt unsere 13

Aufmerksamkeit unweigerlich auf ihre eigenen Widersprü­ Wenn wir nun auf die Gefahren der allzu konkreten Deu­ che und bringt uns in ironische Distanz zum eigentlichen tung geblickt haben, stellt sich natürlich die Frage nach Inhalt des Dramas. Denn keine Deutung ist in letzter Kon­ dem anderen Extrem. Was passiert, wenn ein Regisseur sequenz frei von Widersprüchen. Aber gerade das macht sich die Deutung versagt? gerade die Kraft des Mythos aus; dass wir ein reiches Meer Zunächst fällt auf, dass Regisseure oft den Weg in diese an Deutungen zur Verfügung haben, in dem wir uns mit Richtung aus politischen Gründen wählen. Wagners Enkel der Phantasie, die uns gegeben ist, assoziativ frei bewe­ Wieland war geradezu gezwungen, nach der Bayreuther gen können. Wenn eine Assoziation beginnt, ihren Sinn zu Wiedereröffnung 1951 ganz nach dem Prinzip „Stunde verlieren, können wir sie weiterspinnen oder verwerfen und Null“ allen alten Ballast abzuwerfen und mit minimalisti­ eine neue entstehen lassen. schen Bühnenbildern und schlichten Kostümen den Weg Wenn uns allerdings eine Deutung auf der Bühne mit der des geringsten Risikos und der Diplomatie zu gehen. Dampfwalze aufgezwungen wird, sind wir nicht frei. Pas­ Natürlich lauert hier an jeder Ecke die Langeweile, wobei senderweise fügt Wagner nur kurz nach den einleitend zi­ der konservativ-empfindliche Hörer oft erleichtert ist ob der­ tierten Sätzen hinzu: „Der Mythos selbst war meist gerech­ artiger Inszenierungen, weil ihn hier nichts davon ablenkt, ter gegen das Wesen der Individualität als der deutende ganz in der Musik zu versinken (hier sei darauf hingewie­ Dichter.“ (Oper und Drama, S.199) sen, dass Wagner in der Einleitung von „Oper und Drama“ die Musik als bloßes „Mittel des Ausdrucks“ dem Drama Dass die oben beschriebene Komik oben unfreiwillig ent­ unterordnet!). steht, soll nicht heißen, dass in der Oper kein Platz für Hu­ mor oder Ironie wäre. Am elegantesten macht es hier Ché­ Interessant wird es, wenn die beiden Künstlerpersönlich­ reau: nämlich mit Selbstironie. keiten und Freunde Robert Wilson (Parsifal, Staatsoper Er lässt die Illusion des Theaters fallen, indem er bei Sieg­ Hamburg 1991) und Heiner Müller (Tristan, Bayreuth 1993) frieds Kampf gegen den Drachen die Träger der riesigen radikal eine neue abstrakte Form entwerfen, die zwar nicht Drachenpuppe einfach nicht versteckt. Verblüffender Wei­ deuten will, aber als starkes eigenständiges Element neben se fühlt man sich durch diesen Witz nicht aus dem Stück der Musik besteht. gerissen, vielmehr verstehen wir ihn als augenzwinkerndes Wilson lässt beispielsweise alle Sänger in abstrakten, un­ und bescheidenes Eingeständnis der Grenzen des Thea­ menschlich wirkenden Gesten und Posen spielen und ver­ ters. harren, wodurch er eine völlig neue Ästhetik schafft.

In der aktuellen Hamburger Ring-Inszenierung von Claus Bei Heiner Müller, einem Theatermenschen, der sich im­ Guth zeigt sich die Problematik der Schärfe in etwas an­ mer wieder sehr intensiv mit den dunklen Kapiteln der derer Gestalt. Guth verwendet hier nicht eindeutige Glei­ deutschen Vergangenheit auseinandergesetzt hat, kann chungen wie Herheim, wird aber in anderer Weise radikal man – etwas anders als bei Wieland – wiederum politische konkret. Der gutverdienende Abonnent im vorderen Parkett Hemmungen erkennen. Angesichts Bayreuths Nazi-Ver­ soll hier im Rheingold sein eigenes Spiegelbild sehen. gangenheit konnte er nicht anders, als sich beim Tristan Die Götter leben hier in einem etwas spießigen Einfamilien­ in beklemmend reduzierte Quadrat-Formen vor schwarzem haus, Burg Walhall, die den sozialen Aufstieg symbolisiert, Hintergrund zurückzuziehen. wird auf dem Bastel-Dachboden im Modellbau konzipiert, Am Beginn des zweiten Aktes passiert allerdings etwas die Riesen sind überteuerte, Schulden eintreibende Bauar­ bemerkenswertes: Isolde löscht die Fackel und die Musik beiter und ist der unfreundliche Klempner im Hei­ beschreibt Tristans aufgeregte Verliebtheit und Ungeduld zungskeller. auf dem Weg zu ihr. Auf der Bühne allerdings lässt Hei­ Auch hier muss man immer wieder über gelungene Ana­ ner Müller den Tristan unerträglich langsam auf Isolde zu­ logien schmunzeln. Wird sich der Gemeinte im Parkett schreiten, sodass aus der Differenz zwischen Musik und aber selbst als Wotan im Spiegel sehen? Hier unterschätzt Bühnenhandlung eine ungeheure Spannungskraft entsteht, Guth die Ausweichmechanismen des menschlichen Unter­ der man sich kaum entziehen kann. bewusstseins. Je genauer (schärfer) er den Menschen zu Konservative Kritiker beschuldigen ja immer wieder Re­ treffen versucht, desto weniger wird es ihm gelingen. Natür­ gisseure, die sich auf oben beschriebene Art und Weise in lich wird der Student auf dem Stehplatz die Idee verstehen, ihrer eigenen Deutung verlieren, der Arbeit gegen oder gar aber der Gemeinte wird immer viel eher seinen Nachbarn der Zerstörung des Werkes. wiedererkennen als sich selbst. Sie verkennen allerdings den konstruktiven, jedoch nicht Auf den besseren Plätzen zeigt in dieser Inszenierung ver­ ganz geglückten Versuch, das Werk neu und wirkungsvoll mutlich jeder innerlich mit dem Zeigefinger auf den Neben­ zu deuten. Aus einer – wohlgemerkt - bewussten Arbeit ge­ mann, und sicher nicht auf sich. Aber was ist das Drama gen das Werk, wie Müller sie hier vollzieht, kann letzten wert, wenn wir in ihm nicht uns selbst, in Wotans Zwängen Endes sogar auf beiden Ebenen (Bühne und Musik) neue nicht die eigenen erkennen? Kraft entstehen! 14

Es wird deutlich, dass Wilson und Müller im Gegensatz zu Wotans Speer zerbricht, sieht er den eigenen re­ den oben beschrieben reinen Assoziationsspielen trotz ih­ bellierenden Sohn in den er doch so viele Hoffnungen setzt. rer primären Rolle als Interpreten selbst schöpferisch tätig So bekommt er zuletzt einen neuen Blick auf sich selbst, werden. Aber auch hier bleibt Chéreau nicht zurück: Sei­ der ihn vielleicht sogar ein wenig verändert. Was das ganze ne so meisterhaft ausbalancierte Deutung des „Rings“ hat Theater ohne diese Dimension wert ist, beschreibt Bernard durchaus Platz für vollkommen eigene poetische Momente. Shaw, mit dem ich hier schließen möchte, wunderbar tref­ In der ersten Szene des zweiten Aktes der Walküre kreist fend: ein riesiges Pendel in der Mitte der Bühne. In Wotans Gemächern steht es symbolisch für etwas, was „Wenn der Zuschauer darin [in Wagners Drama] nicht ein wir zunächst nicht benennen können. Erst als Wotan sein Abbild des Lebens erkennt, durch das er sich selbst einen Schicksal verflucht und sich das Ende der Welt herbei­ Weg bahnt, muß es ihm schlechterdings wie eine ins Rie­ sehnt, wird sein Zweck plötzlich klar: Mit den Worten „Nur senhafte aufgeblähte Weihnachtspantomime vorkommen.“ eines will ich noch: Das Ende!“ bringt er das Pendel gewalt­ sam zum Stillstand. Diese Szene hat auch bei wiederhol­ Quellenangabe: tem Anschauen eine erschütternde Wirkung. Das Symbol Wagner, Richard: Oper und Drama, Reclam Stuttgart, 1984 des Pendels reiht sich ganz selbstverständlich in Wagners Shaw, Bernard: Ein Wagner-Brevier, Suhrkamp Frankfurt mythologische Symbolwelt mit dem Schwert Nothung, der am Main, 1973 Tarnkappe, dem Vergessenstrank und natürlich dem Ring ein und steht diesen in seiner allegorischen Kraft in nichts nach.

Um ein letztes Beispiel für Chéreaus künstlerisches Schaf­ fen zu geben, sei noch erwähnt, wie er in der Götterdäm­ merung mit Siegfrieds Trauermarsch umgeht. Anstatt, wie es immer wieder geschieht, ein paar arme Herren aus dem Chor in einer Zitterpartie den meist übergewichtigen Sieg­ fried tragen zu lassen, verwendet er zunächst eine Technik, welche die angewandte Unschärfe schlechthin ist: Suspen­ sion. Er zeigt den Trauermarsch einfach nicht. Stattdessen kommt nach und nach der Chor als einfaches Volk geklei­ det auf die vollkommen schwarze Bühne und stellt sich vor die so verschwindende Leiche Siegfrieds. Während der Trauermarsch aus dem Orchestergraben ertönt, blicken diese Menschen stumm und fragend ins Publikum. Plötz­ lich ist die vierte Wand verschwunden und wir haben ein Moment von absolut schmerzhafter Schärfe.

Zu guter Letzt und nach all den Ausführungen über Deu­ tung, Schärfe und Unschärfe muss allerdings gesagt wer­ den, dass den „Jahrhundertring“ vor allem eine zunächst unspektakuläre Eigenschaft auszeichnet: nämlich ganz ein­ fach gute Personenregie. Wo es heute immer noch ständig vorkommt, dass gerade Wagnersänger statuenhaft am Bühnenrand stehen und nur einzelne schauspielerisch ehrgeizige Sänger aus einem Patrice Chérau ansonsten unglaubwürdig agierenden Ensemble positiv herausstechen, lässt Chéreau sein gesamtes Ensemble menschlich und glaubhaft miteinander agieren. Und genau so gelingt das, was Claus Guth mit seinem allzu deutlichen Spiegel versucht und dabei knapp verfehlt: Der Opernbesucher erkennt in Walhall sein eigenes Bauprojekt, fühlt sich in Wotans Disput mit Fricka an den letzten Streit mit seiner Ehefrau erinnert, in dessen tiefen Verbindung zu Brünnhilde fühlt er die zu seiner Tochter nach und wenn 15 Weber und Wagner – Traum einer deutsch-nationalen Tonkunst von Alexander Fischerauer

as große Vorbild: Carl Maria v. Weber schen Skandalgeschichtchen ins Verhältnis gesetzt, er­ DDer Durchbruch in der europäischen Musikwelt gelang staunlich wenig veröffentlicht wurde. Entscheidend für das Richard Wagner erst im Alter von 29 Jahren mit der Urauf­ Verständnis der Verbindung dieser Komponisten ist, dass führung seiner Oper , die ihn über Nacht schlagar­ die tiefe musikalische Verwandtschaft Wagners mit seinem tig berühmt machte. Einen unabhängigen, eigenständigen Vorgänger Weber weniger auf den äußerlich formalen As­ Kompositionsstil erlangte er laut seiner eigenen Einschät­ pekten (die recht leicht zahlreich zu erkennen sind) beruht, zung jedoch erst mit seinem nächsten Werk, dem fliegen­ sondern vielmehr in dem Verständnis des Wesens und Ur­ den Holländer. Im Vergleich zu anderen Komponisten wie sprungs der Musik selbst, was diese leisten könne und zu z.B. Schumann oder Brahms benötigte er eine relativ lange leisten habe. Zeit, um sich von der Musik seiner Vorbilder zu emanzipie­ ren. Biographisches Er war bei aller Begabung, sich fremde Stile anzueignen Die Ouvertüre des Freischütz war es, die den 6-jährigen nicht dazu in der Lage, seine konkurrierenden Kollegen Richard Wagner derart magisch anzog, sodass er, um sie zu übertrumpfen, sodass seinen frühen Opern kein durch­ selbst immer wieder hören zu können, bald das Klavierspiel schlagender Erfolg beschieden sein konnte, da sie gegen­ erlernte. Er berichtet selbst über seine frühen Erfahrungen über z.B. den Marschnerischen und Meyerbeerschen Stü­ mit Webers Musik aber auch der Person des Komponisten cken keinen Mehrwert boten. So ist es kein Wunder, dass selbst, der des Öfteren im Hause Wagner in Leipzig ver­ diese Werke auch heute wenig bekannt sind (von den Feen kehrte: über bis hin zum Rienzi). Wagner selbst hat noch am Ende seines Lebens verfügt, dass der Rienzi „Die seltenen Besuche Webers scheinen (...) in mir dieje- in Bayreuth nicht gespielt werden solle, worüber man sich nigen ersten Eindrücke hervorgerufen zu haben, welche dieses Jahr endlich erfolgreich hinweggesetzt hat. mich mein ganzes Leben mit unauslöschlicher Sympathie Der fliegende Holländer bildet einen Grenzstein, als das­ erfüllten. Der skandalösen Gestalt Sassarolis gegenüber jenige Werk, in dem zuerst die typisch wagnerischen Stil­ erfasste mich Webers überaus zarte, leidende und geist- merkmale, musikalische und dichterische, aufkeimen. Trotz verklärte Erscheinung mit ekstatischer Teilnahme. Das aller Entwicklungen und Veränderungen in seiner musikali­ schma­le feine Gesicht mit den lebhaften und doch häufig schen Laufbahn blieb Wagner seinen Vorgängern in Vielem umschleierten Augen bannte mich in Schauern fest; sein treu, mehr noch: Er nahm teilweise ihre Errungenschaften stark hinkender Gang, den ich oft vom Fenster aus wahr- in sein kunstästhetisches Konzept auf und erhob diese ab­ nahm, wenn der Meister um die Mittagszeit aus den ermü- gewandelt zu Schwerpunkten seiner musikdramatischen denden Proben seinen Heimweg an unserem Hause vorbei Konzeptionen. nahm, kennzeichnete meiner Imagination den großen Mu- Auch wenn sich der Opernkomponist immer wieder aus­ siker als ein ungewöhnliches, übermenschliches Wesen. drücklich als Erbe Beethovens erklärt und diesen zeitle­ Als ihm einst meine Mutter den etwa neunjährigen Knaben bens hoch verehrte, muss als einflussreichstes, weil frü­ vorstellte, und er frug, was ich werden sollte, ob vielleicht heres musikalisches Vorbild doch ein anderer Komponist Musiker, sagte meine Mutter, dass ich wohl auf den Frei- gelten: Carl Maria von Weber. schütz ganz versessen sei, sie aber trotzdem noch nichts Dessen Musik war es, die im Kindesalter die Neigung zur an mir wahrgenommen hätte, was auf mein musikalisches Musik überhaupt aufkommen ließ und von dem er nicht nur Talent deuten möchte. Dies war von meiner Mutter sehr musikalische, sondern auch dramatische Stil- und Form­ richtig beobachtet: Nichts ergriff mich so stark als die Musik merkmale übernahm und konsequent weiterentwickelte. des Freischütz, und auf jede Weise suchte ich die von dort Selbst in späten Werken Wagners kann man Beziehungen her empfangenen Eindrücke wieder vorzuführen (...).“1 zu Weber deutlich erkennen. Die Verdeutlichung der vielfältigen Beziehungen zwischen Die musikalische Ausbildung Wagners war bis zum Unter­ den beiden Komponisten ist ein sehr fruchtbares Unterfan­ richt bei Theodor Weinlig fast ausschließlich autodidaktisch gen bezüglich einer musikhistorischen Einordnung seines erfolgt. Er hatte kein Instrument über die Anfangsgründe hi­ Werkes, über das im Wagner-Jahr, zu allerlei biographi­ naus erlernt, jedoch in seiner Jugendzeit zum Studium der 1 Richard Wagner, , List Verlag München 1963, S. 38 f. 16

Musik folgende Methode entwickelt: welche allerdings noch Weber persönlich befreundet gewe- „Da wie erwähnt auch der Musikunterricht nichts fruchte- sen war, zu der erhabensten Rührung hingerissen wurde, te, fuhr ich in meiner willkürlichen Selbsterziehung dadurch auch ich mir sagen konnte, noch nie etwas seine Zwecke fort, dass ich mir die Partituren meiner geliebten Meister ab- so vollkommen Entsprechendes ausgeführt zu haben. schrieb, wobei ich mir eine später oft bewunderte zierliche Nicht minder glückte die Ausführung der Musik auf offener Handschrift erwarb.“2 Straße beim feierlichen Zuge selbst: da das sehr langsame Tempo, welches sich durch keinerlei rhythmische Merkma- Zu den auf diese Weise kopierten Werken gehörten neben le deutlich zeichnete, hierfür besondere Schwierigkeiten sämtlichen Symphonien Beethovens auch die Partitur des machen musste, hatte ich bei der Probe die Bühne gänzlich Freischütz, die auf den jungen Wagner eine so große Fas­ entleeren lassen, um so den geeigneten Raum zu gewin- zination ausübte. nen, auf welchem ich die Musiker, nachdem sie das Stück gehörig geübt hatten, nun auch während des Vortrags im Wagner bewies auch nach Webers Tod immer wieder sei­ Kreise um mich her gehen ließ. Mir wurde von Zeugen, wel- ne große Bewunderung für den geschätzten Komponisten. che an den Fenstern den Zug kommen und vorübergehen Webers Witwe, die sich nach seinem Tod für seine künstle­ sahen, versichert, dass der Eindruck der Feierlichkeit unbe- rischen Errungenschaften stark einsetzte, drängte Wagner schreiblich erhaben gewesen sei. zur Übernahme der Dresdner Kapellmeisterstelle, was ihr Nachdem wir den Sarg in der kleinen Totenkapelle des auch gelang. Damit trat der junge Komponist Wagner nun katholischen Friedhofs in Friedrichstadt, in welcher er still in die Fußstapfen Webers und konnte an diesem Ort das und bescheiden von Frau Devrient mit einem Kranz bewill- von Weber begründete kulturelle Erbe fortführen und wei­ kommt worden war, beigesetzt hatten, ward nun am andern terentwickeln. Vormittag die feierliche Versenkung desselben in die von uns bereitgehaltene Gruft ausgeführt. Mir nebst dem an- Im Jahr 1844 fand die Übersiedelung der sterblichen Über­ dern Vorsitzenden des Komitees, Herrn Hofrat Schulz, war reste Webers von London nach Dresden statt. Die finan­ die Ehre zugeteilt worden, eine Grabrede zu halten. (...) Für ziellen Strapazen für die Feierlichkeiten, den Kauf einer mich hatte es eine tiefe Bedeutung, dass ich, durch Webers angemessenen Gruft, sowie die besondere Ehrung durch lebensvolle Erscheinung in meinen frühesten Knabenjah- eine Statue mussten irgendwie gedeckt werden: Wagner, ren so schwärmerisch für die Musik gewonnen, dereinst unterstützt durch Webers Witwe, organisierte zahlreiche so schmerzlich von der Kunde seines Todes betroffen, Benefizkonzerte, deren erfolgreichstes mit dem Berliner nun im Mannesalter durch dieses letzte zweite Begräbnis Hoftheater unter Meyerbeer die stattliche Summe von 2000 noch einmal mit ihm wie in persönlich unmittelbare Berüh- Talern einbrachte. Wie viel diese Trauerfeier für Wagner rung getreten war. Nach meinen voranstehenden Berichten bedeutete ist am besten seiner eigenen Erinnerung zu ent­ über meinen Verkehr mit lebenden Meistern der Tonkunst nehmen: und den Erfahrungen, die ich von ihnen machte, kann man ermessen, aus welchem Quell meine Sehnsucht nach in- „Diese Überführung sollte am Abend bei Fackelschein in nigem Meisterumgang sich zu stärken hatte. Es war nicht feierlichem Zuge vor sich gehen; ich hatte es übernommen, tröstlich, vom Grabe Webers nach seinen lebenden Nach- für die dabei auszuführende Trauermusik zu sorgen. Ich folgern auszusehen; doch sollt mir das Hoffnungslose diese stellte diese aus zwei Motiven der Euryanthe zusammen; Ausblickes mit der Zeit erst noch zum recht klaren Bewusst- durch die Musik, welche die Geister in der Ouvertüre be- sein kommen.“3 zeichnet, leitete ich die ebenfalls ganz unveränderte, nur nach B-dur transponierte Kavatine der Euryanthe „Hier dicht Kunstästhetik – Musikverständnis am Quell“ ein, um hieran die verklärte Wiederaufnahme des Wer die uneingeschränkte Verehrung Wagners gegenüber ersten Motives, wie es sich am Ende der Oper wieder vor- seinem „Meister“ kennengelernt hat, wie es oben gesche­ findet, als Schluss anzureihen. Dieses somit sehr gut sich hen ist, könnte bei der Lektüre von Oper und Drama, seiner fügende symphonische Stück hatte ich für 80 ausgewählte zentralen kunsttheoretischen Schrift, in Verwirrung gera­ Blasinstrumente besonders orchestriert und bei aller Fülle ten: Hier scheint Weber teilweise in nicht besonders hoher hierbei namentlich auf die Benützung der weichsten Lagen Achtung zu stehen, im Gegenteil erfährt er scharfe Kritik derselben studiert; das schaurige Tremolo der Bratschen hinsichtlich des (auch in dieser Schrift) so sehr gelobten in dem der Ouvertüre entlehnten Teile ließ ich durch zwan- Freischützen: zig gedämpfte Trommeln im leisesten Piano ersetzen und erreichte durch das Ganze, schon als wir es im Theater „Weber dagegen, erfüllt von unbeugsamem Glauben an die probierten, eine so überaus ergreifende und namentlich ge- charakteristische Reinheit seiner einen und unteilbaren Me- rade unser Andenken an Weber innig berührende Wirkung, lodie, knechtete sich den Dichter mit dogmatischer Grau- dass, wie die hierbei gegenwärtige Frau Schröder-Devrient, samkeit und zwang ihn, den Scheiterhaufen selbst aufzu-

2 ebd. S. 47 3 ebd. S. 350 ff. 17 richten, auf dem der Unglückliche, zur Nahrung des Feuers Der Traum einer deutsch-nationalen der Weberschen Melodie, sich zu Asche verbrennen lassen Opernkultur sollte. Der Dichter des Freischützen war noch ganz ohne es Die Musikkultur des 19. Jahrhunderts und besonders das zu wissen zu diesem Selbstmorde gekommen: aus seiner Opernwesen lebte von dem produktiven Nebeneinander eigenen Asche heraus protestierte er, als die Wärme des nationaler Stile. Damals war Nationalismus ein positiv auf­ Weberschen Feuers noch die Luft erfüllte, und behauptete, gefasstes gesellschaftliches Phänomen. Besonders im Be­ diese Wärme rühre von ihm her – er irrte sich gründlich; reich der Kunst wurde dieser nicht als innere Abgrenzung seine hölzernen Scheite gaben nur Wärme, als sie vernich- empfunden, sondern mit einem nach außen gerichteten tet - verbrannt waren: einzig ihre Asche, den prosaischen Interesse für andere Kulturen praktiziert. So forderte das Dialog konnte er nach dem Brande noch als sein Eigentum Pariser Publikum nicht ausschließlich französische Stücke, 4 ausgeben.“ sondern explizit „fremde“ Musik mit einem nationalen, ihr eigentümlichen Kolorit. Die Nachfrage für „ausländische“ Um diese Kritik richtig zu interpretieren, muss dieser Ab­ Musik war permanent vorhanden, die die Komponisten, schnitt in den Gesamtzusammenhang eingeordnet werden. konkurrierend versteht sich, zu befriedigen versuchten. Wagner selbst weist schon zu Beginn seiner Schrift auf de­ Man sprach von Vertretern der „italienischen“, „deutschen“ ren scharf polemischen Charakter hin, möchte den ersten und „französischen“ Schule. Teil auch in dieser Hinsicht verstanden wissen. Die deutsche Musik hatte hierbei nun beileibe keine leichte Die Kunstauffassung, die im Laufe seines jungen Lebens Ausgangsposition: Die Oper, die in Italien erfunden worden langsam heranreifte, fortwährend wuchs und am Ende als war und sich wenig später auch in Frankreich zu einem Idee des heute so bekannten und missverstandenen „Mu­ komplett eigenständigen Stil entwickelte, war die Domäne sikdramas“ in den Ring des Nibelungen mündete war hart dieser beiden europäischen Länder. Deutschland hatte da erkämpft worden. gewissermaßen nichts mitzureden. Die deutschen Opern­ Wagner wollte sich in Bezug auf die Bedeutung der Oper komponisten des 18. Jahrhunderts mussten sich zwischen von seinen Vorgängern drastisch distanzieren, nachdem er dem italienischen und französischen Stil entscheiden. Ver­ eine lange Zeit nach deren Vorstellungen geschaffen hatte. suche, eine deutsche Opernkultur zu begründen, wie es Wahrscheinlich verspürte er gerade deshalb das Bedürfnis z.B. Mozart mit der Entführung aus dem Serail tat, waren nach einem zynischen Tonfall, weil er die Fehler im Opern­ nicht von Erfolg gekrönt. wesen, die er so eifrig kritisiert, selbst mit Feuereifer began­ Das erste mal, dass man im Bereich der Oper von einem gen hatte, wie im Falle von Meyerbeers Musik. Die eigene europäischen Durchbruch eines deutsch-nationalen Stils Ablehnung seiner frühen Werke ist ein weiteres Indiz für reden sprechen kann, ist der Freischütz Carl Maria von diese scharfe, auch gegen sich selbst gerichtete Polemik. Webers. Diese Oper schlug ein wie eine Bombe, um es sa­ lopp auszudrücken und begründete auf einen Schlag den Die obige Kritik an Weber bezieht sich auf seine radikalste solange gesuchten „deutschen“ Nationalstil. Die Merkma­ Neuerung hinsichtlich des Opernwesens: Die Musik habe le, durch die sich dieser Stil auszeichnete, wurden nahezu sich der Dichtung unterzuordnen, sie müsse sich auch sämtlich von Wagner übernommen und weiterentwickelt. damit zufriedengeben, nur im Hintergrund zu wirken und Sie finden auch in Oper und Drama die entsprechende Dienerin zu sein; Ein Hervortreten wäre ihr nur in solchen Würdigung. Momenten erlaubt, in denen die Dichtkunst an ihre Gren­ Der oben angeführte Grundcharakter Wagners Musik zen gelangt und die musikalische Unterstützung förmlich bezieht sich vor allem auf die von ihm so bezeichneten verlangt. Dass Weber, trotz seiner Neuerungen hinsicht­ volkstümlichen Wurzeln der deutschnationalen, also auch lich des nationalen, volkstümlichen Charakters der Oper, Weberschen Musik. Gerade hierin war Weber sein unein­ die von Wagner restlos anerkannt werden, die Dichtkunst geschränktes Vorbild. Die Chöre seiner Opern (z.B. Hol- der Musik unterordnete, trifft genau den wunden Punkt, den länder, , Tannhäuser) lassen sämtlich die Nähe die musikdramatischen Konzeptionen von Wagner endlich zur Volkstümlichkeit und auch den Weberschen Chören korrigieren sollten. erkennen, wobei sie diese im Ausdruck noch bei weitem Im Zusammenhang lässt sich diese Polemik so interpretie­ übersteigern, auch durch die veränderte Funktion des Cho­ ren, dass letztlich sogar Weber, der ruhmreiche Begründer res im Wagnerschen Drama. einer deutschnationalen Opernkultur, das Wesen des Dra­ Die Volkskunst sei die urtümlichste Grundlage der Kunst­ mas nicht verstanden hatte, sondern wie alle anderen ganz musik, von der diese sich niemals allzu weit entfernen dürfe als „tyrannischer“ Musiker handelte. Wird aus dieser Kritik und dies eigentlich auch nicht könne. Damit vertritt Wagner die Abgrenzung Wagners gegenüber seinem Vorbild er­ eine künstlerische Position, die der Epoche der Romantik kennbar, sollen nun die Aspekte Webers Musik beleuchtet eigentümlich ist, nämlich das Erreichenwollen eines riesi­ werden, die Wagner nicht nur beibehielt, sondern in poten­ gen Publikums, nicht nur das des eigenen Landes, sowie zierter Form zum Grundcharakter seiner Musik erhob. das intensive Studium der nationalen Volksmusikkultur. 4 Richard Wagner, Oper und Drama, Reclam, 2000, Stuttgart, S. 87 Diese Tradition kann man von Schubert über Schumann, 18

Weber und Wagner bis weit ins zwanzigste Jahrhundert hi­ große überwältigende Interesse des Staats, der besseren nein zu Bartok oder Schostakowitsch verfolgen. Wagner ist Menschheit, das in denselbigen atmete.“6 eine breite Massenwirkung im besonderen Maße geglückt. Seine Musik hat den Siegeszug in die ganze Welt nicht nur Wagner hat durchaus ähnliche Vorstellungen von der Be­ angetreten, sondern längst gewonnen. deutung der nationalen Kunst und Bühne vertreten, mit Er beurteilt die Wirkung einer nationalen, volksliednahen seiner persönlichen Erweiterung, dass das Volkstümliche Melodik auf das Publikum folgendermaßen: in allen Künsten derart verarbeitet werde, dass das Rein­ menschliche als letztes Ziel dem Künstler immer vor Augen „Es ist ein charakteristischer Zug der deutschen Volksme- zu schweben habe; dadurch würde das Kunstwerk über die lodie, dass sie weniger in kurzgefügten, keck und sonder- Grenzen des eigenen Landes hinaus für alle Menschen ein lich gefügten Rhythmen, sondern in langatmigen, froh und Interesse mit sich führen. doch sehnsüchtig geschwellten Zügen sich uns kundgibt. Ein deutsches Lied, gänzlich ohne harmonischen Vortrag, Musikalische Parallelen ist uns undenkbar; überall hören wir es mindestens zwei- Für einen Komponisten, zumindest bis zur Mitte des 20. stimmig gesungen; die Kunst fühlt sich ganz von selbst auf- Jahrhunderts, galt es, sich das musikalische Vokabular gefordert, den und die leicht zu ergänzende zweite seiner Zeit anzueignen. Bestimmte „Vokabeln“ zogen sich Mittelstimme einzufügen, um den Bau der harmonischen auch durch die Epochen, von der Renaissance bis zur Ro­ Melodie vollständig vor sich zu haben. Diese Melodie ist mantik. Dazu gehören z.B. die Tonartensymbolik sowie die Grundlage der Weberschen Volksoper; sie ist, frei al- bestimmte rhetorische Figuren, die vor allem in der Barock­ ler lokal-nationellen Sonderlichkeit, von breitem, allgemei- zeit ihre größte Intensivierung gefunden haben, aber auch nen Empfindungsausdrucke, hat keinen andern Schmuck in den nachfolgenden Epochen immer wieder aufgegriffen als das Lächeln süßester und natürlichster Innigkeit, und wurden. Dass Wagner, der die Musik Webers von Kindheit spricht so, durch die Gewalt unentstellter Anmut, zu den an kannte und liebte, gerade dieser auch sein Grundvo­ Herzen der Menschen, gleichviel welcher nationalen Son- kabular abgewann, ist nicht verwunderlich. Interessant ist, derheit sie angehören mögen, eben weil in ihr das Rein- dass sich die tonartlichen, harmonischen und melodischen menschliche so ungefärbt zum Vorschein kommt.“5 Bezüge noch bis in die Reifezeit verfolgen lassen, andere Zur ergänzender Erläuterung der Bedeutung einer frühere Ausdrucksmethoden jedoch fast vollständig abge­ (deutsch-)nationalen Kunst möge eine schriftliche Äuße­ legt wurden. rung Schillers gelten: Für unheimliche oder auch sehr angespannte Stimmungen „Unmöglich kann ich hier den großen Einfluss übergehen, hatte Wagner von jeher ein besonderes Feingefühl. Oft ver­ den eine gute stehende Bühne auf den Geist der Nation mittelt in solchen Fällen eine chromatische Harmonik den haben würde. Nationalgeist eines Volks nenne ich die Ähn- entsprechenden Ausdruck. Ein markantes Beispiel hierfür lichkeit und Übereinstimmung seiner Meinungen und Nei- sei als Abschluss des Artikels angeführt: Das Harmoniege­ gungen bei Gegenständen, worüber eine andere Nation rüst des Beginns vom ersten Finale des Freischütz (T.3-7), anders meint und empfindet. Nur der Schaubühne ist es verglichen mit Stellen aus dem Rheingold (1. Szene, Albe­ möglich, diese Übereinstimmung in einem hohen Grad zu rich: „o Schmerz! o Schmerz!“). bewirken, weil sie das ganze Gebiet des menschlichen Wissens durchwandert, alle Situationen des Lebens erschöpft, und in alle Winkel des Herzens hinunter leuchtet; weil sie alle Stände und Klas- sen in sich vereinigt, und den gebahn- testen Weg zum Verstand und Herzen hat. Wenn in allen unsern Stücken ein Freischütz, Nr. 10 Finale T.3-7 Hauptzug herrschte, wenn unsre Dichter unter sich einig werden, und einen fes- ten Bund zu diesem Endzweck errich- ten wollten (...), mit einem Wort, wenn wir es erlebten, eine Nationalbühne zu haben, so würden wir auch eine Nation. Was kettete Griechenland so fest anei- nander? Was zog das Volk so unwider- stehlich nach seiner Bühne? – Nichts Rheingold, 1. Szene, „o Schmerz! o Schmerz!“ anders als der vaterländische Geist, das 6 Friedrich Schiller, Gesammelte Werke, Bertelsmann Verlag, 1955, Die 5 Richard Wagner, Oper und Drama, Reclam, 2000, Stuttgart, S. 55 Schaubühne als eine moralische Anstalt betrachtet, S. 83 19 Das Bühnenweihfestspiel in Bayreuth 1882 Anmerkung der Redaktion: Richard Wagner veröffentlichte Stimmung erklärte ein Jeder sofort sich befreit, sobald diesen Bericht nach den Festspielen Ende des Jahres 1882 er im Bühnenhause an das Werk ging. Fühlte sich der in den Bayreuther Blätern und informierte seine Anhänger Urheber aller der Mühen, die er seinen freundlichen über den Verlauf der Festspiele von den Proben bis zu den Kunstgenossen übertragen hatte, oft von der Vor- Aufführungen seines Parsifal. stellung einer unausbleiblich dünkenden Ermüdung beschwert, so benahm ihm schnell die mit jubelnder enn unsere heutigen Kirchweihfeste hauptsäch- Laune gegebene Versicherung der heitersten Rüstig- Wlich durch die hierbei abgehaltenen, nach ihnen keit Aller jede drückende Empfindung. sich benennenden, sogenannten »Kirmes-Schmäuse« Rangstreitigkeiten konnten unmöglich da aufkom- beliebt und anziehend geblieben sind, so glaubte ich men, wo sechs Sängerinnen sogenannter erster Fä- das mystisch bedeutsame Liebesmahl meiner Grals- cher die unbenannten Führerinnen der Blumenmäd- ritter dem heutigen Opernpublikum nicht anders chen Klingsor’s übernommen hatten, zu welchen sich vorführen zu dürfen, als wenn ich das Bühnenfest- wiederum Sängerinnen aller Fächer mit freudigster spielhaus dießmal zur Darstellung eines solchen er- Willigkeit verwenden ließen. Gewiß, – hätte es in habenen Vorganges besonders geweiht mir dachte. Wahrheit erst eines Beispieles für die Darsteller der Fanden hieran konvertirte Juden, von denen mir ersten Partien bedurft, so wäre ihnen dieses von dem christlicherseits versichert wurde, daß sie die unduld- künstlerischen Einmuthe der Leistungen jener Zau- samsten Katholiken abgäben, vorgeblichen Anstoß, berblumen-Mädchen gegeben worden. so hatte ich mich dagegen allen denen nicht weiter Von ihnen wurde mir zunächst auch eine der wich- hierüber zu erklären, welche im Sommer dieses Jah- tigsten Anforderungen erfüllt, welche ich zur ersten res zur Aufführung meines Werkes sich um mich ver- Grundlage des richtigen Gelingens ihres Vortrages sammelten. machen mußte: der vom Operngesange unserer Zeit Wer mit richtigem Sinne und Blicke den Hergang al- den Sängern der heutigen Theater zu eigen gewor- les Dessen, was während jener beiden Monate in den dene leidenschaftliche Akzent, durch welchen jede Räumen dieses Bühnenfestspielhauses sich zutrug, melodische Linie unterschiedslos durchbrochen zu dem Charakter der hierin sich geltend machenden werden pflegt, sollte hier durchaus nicht mehr sich produktiven wie rezeptiven Thätigkeit gemäß zu er- vernehmen lassen. fassen vermochte, konnte dieß nicht anders als mit Sogleich ward ich von unseren Freundinnen ver- der Wirkung einer Weihe bezeichnen, welche, ohne standen, und alsbald gewann ihr Vortrag der schmei- irgend eine Weisung, frei über Alles sich ergoß. Geüb- chelnden Weisen das kindlich Naive, welchem, wie te Theaterleiter fragen mich nach der, bis für das ge- es andererseits durch einen unvergleichlichen Wohl- ringste Erforderniß jedenfalls auf das Genaueste orga- laut rührte, ein aufreizendes Element sinnlicher Ver- nisirten, Regierungsgewalt, welche die so erstaunlich führung, wie es von gewissen Seiten als vom Kompo- sichere Ausführung aller scenischen, musikalischen nisten verwendet vorausgesetzt wurde, gänzlich fern wie dramatischen Vorgänge auf, über, unter, hinter abliegen blieb. Ich glaube nicht, daß ein ähnlicher und vor der Bühne leitete; worauf ich gutgelaunt er- Zauber des anmuthigst Mädchenhaften durch Gesang widern konnte, daß dieß die Anarchie leiste, indem und Darstellung, wie er in der betreffenden Scene des ein Jeder thäte, was er wolle, nämlich das Richtige. »Parsifal« von unseren künstlerischen Freundinnen Gewiß war es so: ein Jeder verstand das Ganze und ausgeübt wurde, je sonst wo schon zur Wirkung kam. den Zweck der erstrebten Wirkung des Ganzen. Kei- ner glaubte sich zu viel zugemuthet. Niemand zu we- Was hier als Zauber wirkte, nun als Weihe die gan- nig sich geboten. Jedem war das Gelingen wichtiger ze Aufführung des Bühnenfestspieles durchdringen als der Beifall, welchen in der gewohnten mißbräuch- zu lassen, wurde im Verlaufe der Übungen und Vor- lichen Weise vom Publikum entgegenzunehmen als stellungen zur angelegentlichsten Sorge Aller, und störend erachtet wurde, während die andauernde welchen ungewohnten Stylanforderungen hierbei zu Theilnahme der uns zuziehenden Gäste als Zeugniß genügen war, wird bald ersichtlich, wenn das stark- für die Richtigkeit unserer Annahme von dem wahren Leidenschaftliche, Rauhe, ja Wilde, was in einzelnen Werthe unserer Leistungen uns erfreuete. Ermüdung Theilen des Drama’s zum Ausdruck kommen sollte, kannten wir nicht; von dem Eindrucke eines fast be- seinem wahren Charakter nach sich nicht verleugnen ständig trüben und regnerischen Wetters auf unsere durfte. Welche schwierige Aufgabe den Darstellern 20 der Hauptpersonen der Handlung dadurch gestellt ren Zusammenhang wahrt, ihren richtigen melodi- war, leuchtete uns immer mehr ein. Vor Allem war schen, wie logischen Sinn zu geben oder zu belassen. hier auf größte Deutlichkeit, und zwar zunächst der Schon allein durch weise Einhaltung und Vertheilung Sprache, zu halten: eine leidenschaftliche Phrase muß der Kraft des Athems sahen wir es uns, wie ganz na- verwirrend und kann abstoßend wirken, wenn ihr türlich, erleichtert, den gewöhnlich tiefer gelegten, logischer Gehalt unerfaßt bleibt; um diesen von uns von mir sogenannten »kleinen« Noten, als wichtigen mühelos aufnehmen zu lassen, muß aber die kleins- Verbindungs-Partikeln der Rede wie der Melodie, ihr te Partikel der Wortreihe sofort deutlich verstanden Recht widerfahren zu lassen, weil wir auf dem von werden können: eine fallen gelassene Vorschlag-, selbst sich heraushebenden höheren Tone einer un- eine verschluckte End-, eine vernachlässigte Verbin- nützen Athem-Verschwendung uns enthalten muß- dungs-Silbe zerstört sogleich diese nöthige Verständ- ten, um des Vortheiles der Einigung der ganzen Phra- lichkeit. se vermöge der gleichen Respiration uns bewußt zu Diese selbe Vernachlässigung trägt sich aber unmit- bleiben. telbar auch auf die Melodie über, in welcher durch So gelang es uns, lange melodische Linien undurch- das Verschwinden der musikalischen Partikeln nur brochen einzuhalten, obgleich in ihnen die emp- vereinzelte Akzente übrig bleiben, welche, je lei- findungsvollsten Akzente in mannigfaltigster Fär- denschaftlicher die Phrase ist, schließlich als bloße bung wechselten, – wofür ich die längere Erzählung Stimm-Aufstöße vernehmbar werden, von deren son- Kundry’s vom Schicksale Herzeleide’s im zweiten derbarer, ja lächerlicher Wirkung wir einen deutli- Aufzuge, sowie die Beschreibung des Charfreitags- chen Eindruck erhalten, wenn sie aus einiger Entfer- Zaubers durch Gurnemanz im dritten Aufzuge als be- nung zu uns dringen, wo dann von den verbindenden redte Beispiele unseren Zuhörern zurückrufe. Partikeln gar nichts mehr vernommen wird. Wenn in diesem Sinne schon bei dem Studium der Nibe- In genauem Zusammenhange mit dem durch weise lungen-Stücke vor sechs Jahren dringend empfohlen Sparsamkeit bei der Ausnutzung des Athems gewon- worden war, den »kleinen« Noten vor den »großen« nenen Vortheile der wirksamen Verständlichkeit der den Vorzug zu geben, so geschah dieß um jener Deut- dramatischen Melodie, erkannten wir die Nöthigung lichkeit willen, ohne welche Drama wie Musik, Rede zur Veredelung der plastischen Bewegungen durch wie Melodie, gleich unverständlich bleiben, und diese gewissenhafteste Mäßigung derselben. Jene, bisher dagegen dem trivialen Opernaffekte aufgeopfert wer- im gemeinen Opernstyle von der Melodie fast einzig den, durch dessen Anwendung auf meine dramatische herausgehobenen Affekt-Schreie, waren immer auch Melodie eben die Konfusion im Urtheile unserer mu- von gewaltsamen Armbewegungen begleitet gewe- sikalischen sogenannten »öffentlichen Meinung« her- sen, welcher die Darsteller durch Gewöhnung sich vorgerufen wird, die wir auf keinem anderen Wege mit solch regelmäßiger Wiederkehr bedienten, daß aufklären können als durch jene von mir so unerläß- sie jede Bedeutung verloren und dem unbefangenen lich verlangte Deutlichkeit. Hierzu gehört aber gänz- Zuschauer den Eindruck eines lächerlichen Automa- liches Aufgeben des durch die gerügte Vortragsweise ten-Spieles machen mußten. geförderten, falschen Affektes. Gewiß darf einer dramatischen Darstellung, nament- lich wenn sie durch die Musik in das Bereich des idea- Das alles Maaß überschreitende Gewaltsame in den len Pathos erhoben ist, die konventionelle Gebahrung Ausbrüchen schmerzlichster Leidenschaft, das ja unserer gesellschaftlichen Wohlgezogenheit fremd dem tieftragischen Stoffe wie zu seiner Entlastung sein: hier gilt es nicht mehr dem Anstande, sondern naturgemäß zugehörig ist, kann nur dann seine er- der Anmuth einer erhabenen Natürlichkeit. Von dem schütternde Wirkung hervorbringen, wenn das von bloßen Spiele der Gesichtsmienen sich entscheidende ihm überschrittene Maaß eben durchweg als Gesetz Wirkung zu versprechen, sieht der heutige dramati- der gefühlvollen Kundgebung eingehalten ist. Tiefes sche Darsteller durch die in unserem Theater nöthig Maaß dünkte uns nun am sichersten durch Ausübung gewordene oft große Entfernung vom Zuschauer sich einer weisen Sparsamkeit in der Verwendung des behindert, und die gegen das bleichende Licht der Athems, wie der plastischen Bewegung, festgehalten Bühnenbeleuchtung zu Hilfe gerufene Herstellung ei- zu werden. ner künstlichen Gesichtsmaske erlaubt ihm meistens Wir mußten bei unseren Übungen der unbeholfens- nur die Wirkung des Charakters derselben, nicht aber ten Vergeudung, zunächst des Athems, deren wir uns einer Bewegung der verborgenen inneren seelischen meistens im Operngesange schuldig gemacht haben, Kräfte in Berechnung zu ziehen. inne werden, sobald wir dagegen schnell erkannten, Hierfür tritt nun eben im musikalischen Drama der was ein einziger wohl vertheilter Athem zu leisten Alles verdeutlichende und unmittelbar redende Aus- vermochte um einer ganzen Tonreihe, indem er ih- druck des harmonischen Tonspieles mit einer un- 21 gleich sichereren und überzeugenderen Wirkung ein, finden, daß die übliche Nebeneinanderstellung ei- als sie dem bloßen Mimiker zu Gebote stehen kann, nes duettirenden Paares dem leidenschaftlichen Ge- und die von uns zuvor in Betracht genommene, ver- spräche zu einander alle Wahrheit benahm: denn die ständlichst vorgetragene dramatische Melodie wirkt Dialogisirenden hatten entweder ihre dem Andern deutlicher und edler als die studirteste Rede des ge- geltenden Reden wieder in das offene Publikum hi- schicktesten Mienenspielers, sobald sie gerade von naus zu sagen, oder sie waren zu einer Profilstellung den, diesem einzig hilfreichen Kunstmitteln, am we- genöthigt, welche sie zur Hälfte dem Zuschauer ent- nigsten beeinträchtigt wird. zog und die Deutlichkeit der Rede, wie der Aktion, beeinträchtigte. Dagegen scheint nun der Sänger, mehr als der Mi- Um in diese peinliche Nebeneinander-Stellung Man- miker, auf die plastischen Bewegungen des Körpers nigfaltigkeit zu bringen, gerieth man gewöhnlich auf selbst, namentlich der so gefühlsberedten Arme ange- den Einfall, sie dadurch zu variiren, daß, während wiesen zu sein: in der Anwendung dieser hatten wir eines Orchester-Zwischenspieles, die beiden Sän- uns aber immer an dasselbe Gesetz zu halten, welches ger einander vorbei über die Bühne gingen, und die die stärkeren Akzente der Melodie mit den Partikeln Seiten, auf denen sie zuvor aufgestellt waren, unter derselben in Einheit erhielt. Wo wir uns im Opernaf- sich vertauschten. Hiergegen ergab sich uns aus der fekte gewöhnt hatten, mit beiden, weit ausgebreite- Lebhaftigkeit des Dialoges selbst der zweckmäßigs- ten Armen, wie um Hilfe rufend uns zu gebühren, te Wechsel der Stellungen, da wir gefunden hatten, durften wir finden, daß eine halbe Erhebung eines daß die erregteren Akzente des Schlusses einer Phra- Armes, ja eine charakteristische Bewegung der Hand, se oder Rede zu einer Bewegung des Sängers veran- des Kopfes, vollkommen genügte, um der irgendwie laßten, welche ihn nur um etwa einen Schritt nach gesteigerten Empfindung nach Außen Wichtigkeit zu vorn zu führen hatte, um ihn, gleichsam den Anderen geben, da diese Empfindung in ihrer mächtigsten Be- erwartungsvoll fixirend, mit halbem Rücken dem Pu- wegung durch starke Kundgebung erst dann wahrhaft blikum zugewendet eine Stellung nehmen zu lassen, erschütternd wirkt, wenn sie nun, wie aus langer Ver- welche ihn dem Gegenredner nun im vollen Gesichte haltung mit Naturgewalt hervorbricht. zeigte, sobald dieser zum Beginn seiner Entgegnung etwa um einen Schritt zurücktrat, womit er in die Wenn das Gehen und Stehen für Sänger, welche Stellung gelangte, ohne vom Publikum abgewandt zu zunächst der Überwindung der oft bedeutenden sein, seine Rede doch nur an den Gegner zu richten, Schwierigkeiten ihrer rein musikalischen Aufgabe der seitwärts, aber vor ihm stand. ihre angestrengteste Aufmerksamkeit zuzuwenden haben, gemeinhin einer unüberlegten Ausübung der Im gleichen und ähnlichen Sinne vermochten wir Routine überlassen bleibt, so erkannten wir dagegen eine nie gänzlich stockende scenische Bewegung, bald, von welchem ergiebigen Erfolge eine weise An- durch Vorgänge, wie sie einem Drama einzig die ihm ordnung des Schreitens und Stehens für die Erhebung zukommende Bedeutung als wahrhaftige Handlung unserer dramatischen Darstellung über das gewöhn- wahren, in fesselnder Lebendigkeit zu erhalten, wozu liche Opernspiel sei. War das eigentliche Hauptstück das feierlich Ernsteste, wie das anmuthig Heiterste der älteren Oper die monologische Arie, und hatte der uns wechselnde Veranlassung boten. Sänger, wie er dieß fast nicht anders konnte, sich ge- wöhnt, diese dem Publikum gewissermaaßen in das Diese schönen Erfolge, waren sie an und für sich nur Gesicht abzusingen, so war aus dieser scheinbaren durch die besondere Begabung aller Künstler zu ge- Nöthigung zugleich die Annahme erwachsen, daß winnen, würden jedoch unmöglich durch die hier be- auch bei Duetten, Terzetten, ja ganz massenhaften so- sprochenen technischen Unordnungen und Überein- genannten Ensemblestücken, Jedes seinen Part in der künfte allein zu erreichen gewesen sein, wenn nicht gleichen Stellung in den Zuschauerraum hinein zum von jeder Seite her das scenisch-musikalische Element Besten zu geben habe. mit gleicher Wirksamkeit sich betheiligt hatte. Da hierbei das Schreiten völlig ausgeschlossen war, Im Betreff der Scene im weitesten Sinne war zuvör- gerieth dagegen die Armbewegung zu der fast unaus- derst die richtige Herstellung der Kostüme und der gesetzten Anwendung, deren Fehlerhaftigkeit, ja Lä- Dekorationen unserer Sorgfalt anheim gegeben. Hier cherlichkeit, wir eben inne geworden. Ist nun hierge- mußte viel erfunden werden, was denjenigen nicht gen im wirklichen musikalischen Drama der Dialog, nöthig dünkte, welche durch geschickte Zusammen- mit allen seinen Erweiterungen, zur einzigen Grund- stellung aller bisher in der Oper als wirksam erfun- lage alles dramatischen Lebens erhoben, und hat da- denen Effekte dem Verlangen nach unterhaltendem her der Sänger nie mehr dem Publikum, sondern nur Prunk zu entsprechen sich gewöhnt haben. Sobald seinem Gegenredner etwas zu sagen, so mußten wir es sich um die Erfindung eines Kostümes der Blu- 22 menzaubermädchen Klingsor’s handelte, trafen wir Einfachheit. hierfür nur auf Vorlagen aus Ballet oder Maskerade: Nur in einem Punkte hatten wir für dieses Mal ein be- namentlich die jetzt so beliebten Hofmaskenfeste mühendes Zugeständniß zu machen. Durch eine uns hatten unsere talentvollsten Künstler zu einer gewis- noch unerklärlich gebliebene Verrechnung war von sen konventionellen Üppigkeit im Arrangement von dem hochbegabten Manne, dem ich auch die ganze Trachten verführt, deren Verwendung zu unserem scenische Einrichtung des »Parsifal«, wie bereits vor- Zwecke, der nur im Sinne einer idealen Natürlichkeit dem der Nibelungenstücke, verdankte, und der nun zu erreichen war, sich durchaus untauglich erwies. noch vor der Vollendung seines Werkes durch einen Diese Kostüme mußten in Übereinstimmung mit dem plötzlichen Tod uns entrissen worden, die Zeitdauer Zaubergarten Klingsor’s selbst erfunden werden, und der Vorführung der sogenannten Wandeldekorati- nach vielen Versuchen mußte es uns erst geglückt onen im ersten und dritten Aufzuge über die Hälfte erscheinen, des richtigen Motives für diese, der rea- geringer angeschlagen, als sie im Interesse der drama- len Erfahrung unauffindbare Blumenmächtigkeit uns tischen Handlung vorgeschrieben war. zu versichern, welche uns die Erscheinung leben- In diesem Interesse hatte die Vorüberführung einer der weiblicher Wesen ermöglichen sollte, die dieser wandelnden Scene durchaus nicht als, wenn auch zaubergewaltigen Flora wiederum wie natürlich ent- noch so künstlerisch ausgeführter, dekorativ-male- wachsen zu sein schienen. rischer Effekt zu wirken, sondern unter der Einwir- Mit zweien jener Blumenkelche, welche in üppiger kung der die Verwandelung begleitenden Musik, Größe den Garten schmückten, hatten wir das Ge- sollten wir, wie in träumerischer Entrückung, eben wand des Zaubermädchens hergestellt, das nun, galt nur unmerklich die »pfadlosen« Wege zur Gralsburg es seinen Schmuck zu vollenden, nur eine der bunt- geleitet werden, womit zugleich die sagenhafte Un- bauschigen Blumen, wie sie rings her zerstreut anzu- auffindbarkeit derselben für Unberufene in das Ge- treffen waren, in kindischer Hast sich auf den Kopf biet der dramatischen Vorstellung gezogen war. Es zu stülpen hatte, um uns, jeder Opern-Ballet-Konven- erwies sich, als wir den Übelstand entdeckten, zu spät tion vergessend, als das zu genügen, was hier einzig dafür, den hierzu erforderlichen, ungemein kompli- dargestellt werden sollte. zirten Mechanismus dahin abzuändern, daß der De- korationszug um die Hälfte verkürzt worden wäre; Waren wir durchaus beflissen, dem idealen Gralstem- für dieses Mal mußte ich mich dazu verstehen, das pel die höchste feierliche Würde zu geben, und konn- Orchester-Zwischenspiel nicht nur voll wiederholen, ten wir das Vorbild hierfür nur den edelsten Denkmä- sondern auch noch im Zeitmaaße desselben dehnen- lern der christlichen Baukunst entnehmen, so lag es de Zögerungen eintreten zu lassen: die peinliche Wir- uns wiederum daran, die Pracht dieses Gehäuses eines kung hiervon empfanden wir zwar Alle, dennoch war göttlichsten Heiligthumes keinesweges auf die Tracht das uns vorgeführte dekorative Malerwerk selbst so der Gralsritter selbst übertragen zu wissen: eine edle vorzüglich gelungen, daß der von ihm gefesselte Zu- klosterritterliche Einfachheit bekleidete die Gestalten schauer bei der Beurtheilung des Vorganges selbst ein mit malerischer Feierlichkeit, doch menschlich an- Auge zudrücken zu müssen glaubte. muthend. Wenn wir aber sogleich Alle erkannten, daß für den Die Bedeutung des Königs dieser Ritterschaft suchten dritten Akt der Gefahr einer üblen Wirkung dessel- wir in dem ursprünglichen Sinne des Wortes »König«, ben Vorganges, wenngleich er in ganz anderer Weise als des Hauptes des Geschlechtes, welches hier das zur und dekorativ fast noch anmuthender als für den ers- Hut des Grales auserwählte war: durch nichts hatte ten Aufzug von den Künstlern ausgeführt war, da hier er sich von den anderen Rittern zu unterscheiden, als ebenfalls keine Reduktion eintreten konnte, durch durch die mystische Wichtigkeit der ihm allein vor- völlige Auslassung vorzubeugen sei, so gewannen wir behaltenen erhabenen Funktion, sowie durch sein hierbei eine schöne Veranlassung die Wirkung der weithin unverstandenes Leiden. Für das Leichenbe- Weihe zu bewundern, welche alle Theilnehmer an gängniß des Urkönigs Titurel hatte man uns einen unserm Kunstwerke durchdrungen hatte: die hochbe- pomphaften Katafalk, mit darüber von hoch herab gabten liebenswürdigen Künstler selbst, welche diese hängender schwarzer Sammet-Draperie, vorgeschla- Dekorationen, die den größten Schmuck jeder ande- gen, die Leiche selbst aber in kostbarem Prunkge- ren theatralischen Aufführung abgegeben haben wür- wande mit Krone und Stab, ungefähr so wie uns öfter den, ausgeführt hatten, stimmten, ohne irgend welche schon der König von Thule bei seinem letzten Trunke Kränkung zu empfinden, den Anordnungen bei, nach vorgestellt worden war. welchen dießmal diese zweite sogenannte Wandel- Wir überließen diesen grandiosen Effekt einer zu- dekoration gänzlich ungebraucht gelassen und dafür künftigen Oper, und verblieben bei unsrem durch- das scenische Bild eine Zeit lang durch den Bühnen- gehends eingehaltenen Prinzipe einer weihevollen vorhang verdeckt wurde, und übernahmen es dage- 23 gen gern und willig für die Aufführungen des nächs- tend sich enthoben fühlen, um bei der Lösung hö- ten Jahres die erste Wandeldekoration auf die Hälfte herer Aufgaben verweilen zu können, an denen sie zu reduziren, die zweite aber der Art umzuarbeiten, sonst nur hastig vorüber getrieben werden. Von der daß wir, ohne durch einen anhaltenden Wechsel der glücklichen Akustik seiner Aufstellung im zweckmä- Scenerie ermüdet und zerstreut zu werden, dennoch ßigsten Verhältnisse zur deutlichen Sonorität der Ge- der Unterbrechung der Scene durch Schließung des sammtwirkung mit den Sängern der Scene getragen, Bühnenvorhanges nicht bedürfen sollten. erreichte unser Orchester eine Schönheit und Geis- tigkeit des Vortrages, welche von jedem Anhörer un- Auf dem hier zuletzt berührten Gebiete der »sceni- serer Aufführungen auf das Schmerzlichste vermißt schen Dramaturgie«, wie ich es benennen möchte, für werden, sobald er in den prunkenden Operntheatern alle meine Angaben und Wünsche auf das Innigste unserer Großstädte wieder der Wirkung der rohen verstanden zu werden, war das große Glück, welches Anordnungen für die dort gewöhnte Orchester-Ver- mir durch die Zugesellung des vortrefflichen Sohnes wendung sich ausgesetzt fühlt. des so schmerzlich schnell mir entrissenen Freundes, dem ich fast ausschließlich die Herstellung unseres Somit konnten wir uns, auch durch die Einwirkungen Bühnenfestspiel-Raumes und seiner scenischen Ein- der uns umschließenden akustischen wie optischen richtung verdanke, zu Theil ward. Atmosphäre auf unser ganzes Empfindungsvermögen, In der Wirksamkeit dieses jungen Mannes sprach sich wie der gewohnten Welt entrückt fühlen, und das die ungemeine Erfahrung seines Vaters mit einem so Bewußtsein hiervon trat deutlich in der bangen Mah- deutlichen Bewußtsein von dem idealen Zwecke al- nung an die Rückkehr in eben diese Welt zu Tage. ler durch diese Erfahrung gewonnenen technischen Verdankte ja auch der »Parsifal« selbst nur der Flucht Kenntnisse und praktischen Geschicklichkeiten aus, vor derselben seine Entstehung und Ausbildung! daß ich nun wünschen möchte, auf dem Gebiete der Wer kann ein Leben lang mit offenen Sinnen und eigentlichen musikalischen Dramaturgie selbst dem freiem Herzen in diese Welt des durch Lug, Trug und Gleichen zu begegnen, dem ich dereinst mein mühe- Heuchelei organisirten und legalisirten Mordes und voll bisher allein verwaltetes Amt übertragen könnte. Raubes blicken, ohne zu Zeiten mit schaudervollem Auf diesem Gebiete ist leider alles noch so neu und Ekel sich von ihr abwenden zu müssen? Wohin trifft durch weit ausgebreitete üble Routine als für meinen dann sein Blick? Gar oft wohl in die Tiefe des Todes. Zweck brauchbar zu solcher Unkenntlichkeit ver- Dem anders Berufenen und hierfür durch das Schick- deckt, daß Erfahrungen, wie wir sie dießmal gemein- sal Abgesonderten erscheint dann aber wohl das schaftlich durch das Studium des »Parsifal« machten, wahrhaftigste Abbild der Welt selbst als Erlösung nur der Wirkung des Aufathmens aus Wust und ei- weissagende Mahnung ihrer innersten Seele, über nes Aufleuchtens aus Dunkelheit gleichen konnten. diesem wahrtraumhaften Abbilde die wirkliche Welt Hier war es jetzt eben noch nicht die Erfahrung, wel- des Truges selbst vergessen zu dürfen, dünkt dann der che uns zu einem schnellen Verständnisse verhelfen Lohn für die leidenvolle Wahrhaftigkeit, mit welcher konnte, sondern die Begeisterung – die Weihe! – trat sie eben als jammervoll von ihm erkannt worden war. schöpferisch, für den Gewinn eines sorglich gepfleg- Durfte er nun bei der Ausbildung jenes Abbildes selbst ten Bewußtseins vom Richtigen ein. wieder mit Lüge und Betrug sich helfen können? Ihr Dieß zeigte sich namentlich im Fortgange der wie- alle, meine Freunde, erkanntet, daß dieß unmöglich derholten Aufführungen, deren Vorzüglichkeit nicht, sei, und die Wahrhaftigkeit des Vorbildes, das er euch wie dieß im Verlaufe der gewöhnlichen Theaterauf- zur Nachbildung darbot, war es eben, was auch euch führungen der Fall ist, durch Erkaltung der ersten die Weihe der Weltentrückung gab; denn ihr konntet Wärme sich abschwächte, sondern deutlich erkenn- nicht anders als nur in jener höheren Wahrhaftigkeit bar zunahm. Wie in den scenisch-musikalischen Vor- eure eigene Befriedigung suchen. gängen, durfte dieß namentlich auch in der so ent- Daß ihr diese auch fandet, zeigte mir die wehmuth- scheidend wichtigen, rein musikalischen Mitwirkung volle Weihe unseres Abschiedes bei der Trennung des Orchesters wahrgenommen werden. nach jenen edlen Tagen. Uns allen gab sie die Bürg- Waren dort mir intelligente und ergebene Freunde schaft für ein hocherfreuliches Wiedersehen. in aufopferndster Weise durch Dienstleistungen, wie sie sonst nur untergeordneteren Angestellten überge- Diesem gelte nun mein Gruß! – ben sind, zum schönen Gelingen behilflich, so zeig- te es sich hier, welcher Veredelung der Anlagen für Zartsinn und Gefühlsschönheit der Vortrag deutscher Orchester-Musiker fähig ist, wenn diese der ungleich wechselnden Verwendung ihrer Fähigkeiten anhal- 24 Rimskij-Korsakows Märchenoper Sneguročka von Julia Walker

er russische Komponist Nikolai Rimskij-Korsakow ge­ nierens stattgefunden haben. „Sofort nach unserer Ankunft Dhörte nicht ohne Grund der fünfköpfigen Gruppe des in Steljowo nahm ich mir meine Snegurotschka vor. Ich ar­ Mächtigen Häufleins an, die sich aus den Mitgliedern Mili beitete jeden Tag von früh bis abends daran; […] Doch die Balakirew, Alexander Borodin, César Cui, Modest Mus­ musikalischen Einfälle verfolgten mich zu jeder Stunde und sorgskij und eben Nikolai Rimskij-Korsakow zusammen­ verlangten Konkretisierung.“4 Der Komponist selbst hielt setze. Die Gruppe hatte sich die Förderung eines eigenen seine Oper für eine seiner gelungensten. national-russischen Stiles in der Musik ihrer Werke zum Ziel gesetzt. Rimskij-Korsakow widmete sich vor allem ei­ Handlung nem intensiven Studium von Kontrapunkt und Harmonie­ Die Oper gliedert sich in einen Prolog und vier Akte und hat lehre, wodurch er sich stark von den anderen Mitgliedern eine Gesamtspielzeit von ca. 3 Stunden und 15 Minuten. des Mächtigen Häufleins unterschied. Besonders studier­ Die Handlung der Oper trägt eine Fabel in sich. te er Berlioz Traité d’Instrumentation und die Partituren Sneguročkas, die Tochter des Frühlings und des Winters, Michail Iwanowitsch Glinkas, nach denen er seine Werke ist durch diese Kreuzung ein Zwitterwesen, einerseits un­ stark ausrichtete.1 Unter anderem charakterisieren die Mu­ fähig zu lieben, andererseits den Wunsch nach Liebe in sich sik Rimskij-Korsakows die Verwendung von Leitmotiven – tragend. Dadurch stiftet sie Unheil unter den Menschen und in Anlehnung an Wagners Leitmotivik, volkstümliche und auch der Sonnengott Jarilo ist erzürnt über ihre Existenz, orientalische Elemente sowie ein Bewegen in dissonanter weshalb er den Sommer hinauszögern will. Sneguročkas Diatonik.2 Der Komponist wurde vor allem durch seine Mär­ Mutter schenkt ihr nach einigem Trubel, den ihre Tochter chenopern bekannt. Zu diesen zählt die Oper Schneemäd- unter den Menschen veranstaltet hat, die Gabe zu lieben. chen/Sneguročka. Das Mädchen verliebt sich in den reichen Misgir, schmilzt jedoch daraufhin in der Sommersonne weg. Sie stirbt zwar, Entstehung Mensch und Natur versöhnen sich aber. Die Oper Schneemädchen/Sneguročka entstand in den Jahren 1880 und 1881 und wurde 1895 noch einmal ger­ Deutung der Rolle der Sneguročka ingfügig überarbeitet. Sie basiert auf einem gleichnami­ Die Figur des Schneemädchens Sneguročka hat zweierlei gen Schauspiel von Alexander Ostrowski. Dieses Früh­ Bedeutung. Zum einen steht sie für die Wiedervereinigung lingsmärchen zählt „zu den philosophisch reichsten und von Mensch und Natur. Durch ihr zwiegespaltenes Wesen gelungensten Werken seiner [Ostrowskis] Zeit, stellt eine missfällt sie dem Sonnengott Jarilo, den sie jedoch wieder 3 beispielhafte Synthese von Volks- und Kunstmärchen dar.“ versöhnen kann, als sie Liebe verspürt und in der Sonne Das Schauspiel wurde neben Rimskij-Korsakows Oper schmilzt. auch von einigen anderen Komponisten vertont, diese Eine zweite Bedeutung kommt Sneguročka in Verbindung waren jedoch nicht so erfolgreich wie Rimskij-Korsakows mit dem griechischen Persephone-Mythos zu. Diese ist in Werk bzw. blieben erfolglos. Tschaikowski komponierte auf ihrem Wesen auch wie das Schneemädchen zweigeteilt, da den Wunsch Ostrowskis hin ebenfalls eine Bühnenmusik sie ein halbes Jahr bei ihrer Mutter auf der Erde verbringt, zum Schauspiel, doch auch diese Uraufführung blieb ohne und das zweite halbe Jahr bei ihrem Ehemann in der Un­ jeden Erfolg. Ein weiterer bekannterer Komponist, der sich terwelt und somit in keiner der beiden Welten wirklich be­ der Vertonung des Märchens widmete, war Alexander heimatet ist. Gretschaninow. Misgir ist ein reicher Handelsmann, der mit der ebenso Rimskij-Korsakow soll Ostrowskis Stück bereits 1874 gele­ reichen Kupawa verlobt ist, sich dann jedoch in Sneguročka sen haben, jedoch erst 1879/1880 bei erneuter Beschäfti­ verliebt. Durch seine Liebe kann er das Schneemädchen gung Zugang zu diesem gefunden haben. Die Niederschrift von ihrem Zwitterwesen befreien, verliert sie jedoch durch der Oper soll in einem wahrhaftigen Rausch des Kompo­ ihren Tod, ihrem „Opfer“, das sie dem Sonnengott macht. 1 Ulrich Schreiber, Opernführer für Fortgeschrittene. Das 20. Jahrhundert III, Bärenreiter, 2006 2 Irina Benkowski, Die Harmonik in den Märchenopern N. A. Rimskij-Korsa­ Musik kovs, Michael Itschert Gardez, 2008, S. 12ff In der Oper gibt es leitmotivähnliche Elemente. Bestimmte 3 Sigrid Neef, Die Opern Nikolai Rimskij-Korsakows, Ernst Kuhn, 2008, S. 4 Nikolai Rimskij-Korsakow: Chronik meines musikalischen Lebens, Rec­ 53 lam. o.J., 1967, S. 255ff. 25

Instrumente werden Charakteren zugeordnet. Klarinette Märchenoper und Englischhorn sind mit dem Hirten Lehl verbunden, Der Stoff der Oper beinhaltet Motive aus russischen während Horn, Solovioline und Harfe zur Frühlingsschönen Volksmärchen, nach denen der Schriftsteller Ostrowski und Oboe und Flöte zu Sneguročka gehören. Auch klang­ sein Märchen schrieb. Auch Rimskij-Korsakow gefielen farbenreiche instrumentale Dialoge bestimmen große Teile diese russischen Volkselemente des Märchenstoffes: der Partitur, vor allem Partien der Frühlingsschönen und „Meine Neigung zu russischen Volksbräuchen und dem des Zaren Berendej. Gesangsstimmen reagieren hierbei heidnischen Pantheismus entzündete sich daran in noch auf Instrumentalklang und Instrumentalsoli auf Klanggesten nicht gekanntem Maße. Es konnte für mich kein besser­ 5 der Vokalparts. er Sujet, keine besseren poetischen Vorbilder geben als Die Musik beschreibt Veränderungen in den Charakteren, Sneguročka, den Hirten Lel oder die Frühlingsfee.“7 so vermittelt sie eine plötzliche Veränderung der Natur in Die Verehrung eines Sonnengottes in Zusammenhang mit den Augen Sneguročkas, als diese eine gewisse Verbun­ dem slawischen Sonnenkult spielt in der Oper eine wichtige denheit mit dieser zu entwickeln beginnt. Rolle. Die Feier des Jarilo-Festes zu Ehren des Sonnen­ Rimskij-Korsakow verwendet in seinen Opern oftmals orien­ gottes wurde vor allem in slawischen Gebieten gepflegt. talische Tonarten, welche stark in der östlichen Volksmusik Auch weitere slawische Bräuche thematisiert Rimskij- Russlands vertreten sind, insbesondere im Kaukasus. Die Korsakows in seiner Oper, z.B. die Maslenniza, die Aus­ orientalischen Tonarten werden vor allem in der Musik des treibung eines harten Winters. Die Maslenniza kommt als 19. Jahrhunderts verwendet und neben Rimskij-Korsakow erste Brauchtumsszene der Oper vor. Eine Strohpuppe auch von einigen andere russischen Komponisten wie wird als symbolischer Akt der Verabschiedung des Winters Borodin verarbeitet. verbrannt. Schneemädchen/Sneguročka ist nicht Rimskij- In der Oper Schneemädchen/Sneguročka wird die Früh­ Korsakows einzige Oper, bei der die heidnische Vorstel­ lingsschöne als eine Figur aus dem Osten dargestellt und lung eines Sonnengottes einen Platz einnimmt; auch in zudem mit diatonischem und chromatischem Tonmaterial den Opern Mlada und Die Nacht vor Weihnachten kommen charakterisiert. Eine orientalisch beeinflusste Charakter­ sonnengöttliche Figuren vor.8 Allein die häufige Verwend­ 6 isierung ist beispielsweise im Prolog der Oper zu finden. ung russischer Bräuche und heidnischen Kultes, z.B. den Sonnenkult, lässt eine besondere Liebe zur eigenen Na­ tionalität erkennen. Nicht zu vergessen sind die russischen Volksliedtöne in Rimskij-Korsakows Oper. Der Komponist erfand Melodien im Volksliedton und tat dies scheinbar so gut, dass man beispielsweise alle drei Lieder des Hirten Lehl für Entleh­ nungen hielt.9

Ein kurzer Einblick in die Oper Schneemädchen/Sneguročka bietet doch großen Aufschluss über die Arbeit Rimskij-Kor­ sakows, denn vieles lässt sich nicht nur in dieser, sondern auch in anderen seiner Opern finden. Einige Opern bein­ halten Brauchtümer und Vorlieben des russischen Volkes und genau das macht Rimskij-Korsakows Arbeit aus: Er gibt uns mit seiner Musik Einsichten in Traditionen und Sit­ ten seines Landes und verknüpft diese mit modernem Kom­ positionsstil wie dissonanter Diatonik. Dieses Verwenden fremdartiger Klänge enthält – unter kontrapunktischen Be­ dingungen – sogar Elemente einer Polytonalität, wie im 1. Aufzug der Oper, als das Spiel verschiedener Schafhörner nachgeahmt wird.10 Die Oper Schneemädchen/Sneguročka zeigt Nikolai Rim­ skij-Korsakows Vielseitigkeit und seinen unverkennbaren Stil, der ihn zu einem großartigen Komponisten seiner Zeit macht

7 Rimskij-Korsakow, S. 253 8 Benkowski, S. 40 5 Neef, S. 63 9 Neef, S. 62 6 Benkowski, S. 62 10 Benkowski, S. 65 26 Wagner im Wohnzimmer: CD oder DVD von Jürg Jecklin

emäß den Erkenntnissen der Wahrneh­ Gmungspsychologie setzt sich die sinnliche Wahrnehmung beim Menschen aus 60% visu­ eller und 40% auditiver Information zusammen. Das ist auch bei einem Konzertbesuch der Fall. Neben der Musik nimmt man immer auch den Dirigenten, die Solisten, die Musiker des Orchesters, auffallende Personen im Publikum und die Innenarchitektur des Saales wahr. Und bei einer Opernaufführung natürlich die Bühne.

Interessanterweise ist aber der aktuelle Stan­ dard-Tonträger für Musikaufnahmen die bildlose CD, obwohl es mit der DVD und der BD (Blue- Das mag bei Rossini-Opern noch angehen. Wie ray Disc) Speichermedien für die Aufzeichnung sieht es aber bei den Musik-Dramen Wagners von Ton und Bild gibt. Anscheinend sind Musik­ aus? freunde zufrieden, wenn sie in ihrem Wohnraum Musik ausschließlich hören ohne die Musikerak­ Wagner verwendete für seine Werke die Be­ tivitäten und ihr Umfeld auch zu sehen. zeichnung „Drama für Wort und Ton“. Im Zen­ Aber auch bei den Konzertübertragungen trum stand für ihn das jeweilige Drama, das er dominiert das bildlose Medium, der Rundfunk. mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln Fernsehübertragungen finden deutlich seltener so zu vermitteln versuchte, dass man sich als statt. Zuhörer nicht entziehen konnte.

Bei der Wiedergabe von Aufnahmen von Inst­ Das Drama war der Zweck, Mittel zu diesem rumental- und Vokalmusik ist diese Genügsam­ Zweck waren für ihn die bildende Kunst (das keit der Musikkonsumenten noch einigermaßen Bühnenbild) die Pantomime (das Bühnenge­ verständlich. Bei der zurzeit üblichen Art der schehen), das Wort (seine Dichtung) und last Fernseh-Konzertübertragungen ist die visuelle but not least die Musik. Information ja auch nicht immer hilfreich. Oft ist sie sogar störend, vor allem dann, wenn Der Ablauf des Dramas wird pantomimisch auf die Bildregie in Großaufnahmen ausschließlich der Bühne dargestellt, ergänzt und verständlich gemäß Wilhelm Busch verfährt („beim Duett gemacht durch den gesungenen Text. Dazu sind steht’s zu sehn, zwei Mäuler welche offen kommt Wagners „unglaublich intensive und stehn“). manipulative Musik“ (Zitat Barenboim). Erst die Kombination von Bühnengeschehen Dichtung Interessanterweise bevorzugen Musikfreunde und Musik ermöglicht den Zuhörern die Deu­ aber auch bei Opernaufnahmen den bildlosen tung des Dramas. Tonträger CD. 27

Es gibt eine künstlerisch eigentlich unsinnige Die habe ich als Besucher der Tannhäuser- CD mit dem Titel „der Ring ohne Worte“ (Wie­ Aufführung in der Inszenierung von Sebastian ner Philharmoniker mit Lorin Maazel). Baugarten vom 1. August in Bayreuth selbst Ebenso unsinnig ist aber ein „Wagner ohne erlebt. Bühnengeschehen“, denn in Bayreuth (an Mit einigen Irritationen, über die ich zum Ab­ deren von Wagner gewünschten Aufführungs­ schluss doch noch kurz berichten möchte: situation man sich orientieren muss) befinden sich Dirigent und Orchester unsichtbar im „mys­ Handlungsort auf der Bühne war für alle drei tischen Abgrund“ des Orchestergrabens und Akte das Bühnenbild einer Biogasanlage. Der der Zuschauerraum ist während der Aufführung erste Akt, der Venusberg mit einer von Tann­ verdunkelt. häuser schwangeren Venus, war ungefähr so Das Publikum kann und muss sich deshalb auf erotisch wie das Vorstadt-Billigbordell in Fellinis das einzig sichtbare, die Bühne zu konzentrie­ Film „Roma“. ren. Und genau das wollte Wagner erreichen. Wenigstens konnte da endlich einmal auch der Den Stellenwert der Bühne für das Drama letzte Zuhörer verstehen, weshalb Tannhäuser verdeutlichte Wagner auch bei der Eröffnung den Venusberg unbedingt verlassen wollte. der ersten Festspiele am 13. August 1876 mit Rheingold. Der zweite Akt war musikalisch eine Sternstun­ Dirigent war Hans Richter. Wagner hatte die de, die auch vom Bühnenbild, über das man Gesamtleitung und er inszenierte den ganzen dank der vielen Akteure einigermaßen hin­ Ring selbst. wegsehen konnte, nicht getrübt wurde. Leider Er führte sogar ein Casting für die Sänger war der dritte Akt mit der in einem Biogastank durch. Dabei achtete er nicht nur auf deren eingesperrten Elisabeth musikalisch nicht mehr sängerischen Qualitäten, sondern auch auf ihr auf dem gleichen Niveau. Aussehen und ihre schauspielerischen Fähig­ Sternstunden wiederholen sich leider nicht. keiten. Es ist ja bekannt, dass man heute schon eini­ Damit ist klar, dass CDs und Rundfunkübertra­ germaßen glücklich sein kann, wenn die Insze­ gungen ohne Bühnenbild und ohne pantomi­ nierung eine Opernaufführung nicht stört. misches Bühnengeschehen dem Zuhörer das Für den „Wagner im Wohnraum“ gibt es aber Drama nicht mit der von Wagner vorgesehenen zum Glück auf dem Markt genügend DVDs mit Intensität vermitteln können. den unterschiedlichsten Inszenierungen. Der „Aufnahme-Zuhörer“ muss sich mit einer Zum Beispiel den „Jahrhundert-Ring“ von Patri­ konzertanten Aufführung, einem amputierten ce Chéreau und . begnügen. PS: Wieder zu Hause im Wohnraum habe ich Die Fragen „Rundfunk- oder Fernsehübertra­ mir den Mitschnitt einer total konventionell in­ gung“ und „CD oder DVD“ sind damit beantwor­ szenierten Tannhäuser-Aufführung der Met mit tet. Was aber natürlich auch bei einer multi­ Levine angeschaut. medialen Wiedergabe im Wohnraum immer fehlen wird, ist die Einbettung des Zuhörers in Und da war für mich die Welt wieder in Ord­ die einmalige Akustik des Festspielhauses, die nung. auch von Surroundaufnahmen nicht reprodu­ ziert werden kann.

Und dann natürlich die Hügelstimmung mit dem ganzen Drum und Dran. 28

Musikrätsel Sheet1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37

Senkrecht Waagrecht 1 Handschrift 1 Blasinstrument 2 Vorsilbe 12 solistisches Gesangsstück (it.) 3 … Kennedy (Geiger) 13 Streichinstrument (Plural) 4 dort 14 nie endend 5 Abk. Arbeitsgemeinschaft 18 geforderte Leistung 6 Gegenstück zur Aria 19 Abk. ohne Titel 7 Tonsilbe 20 Präposition 8 Abk. offene Gesellschaft 21 Stimmlage 9 nordd. für nein 23 Fisch 10 Abstimmung der Tonhöhe 25 lateinamerikanischer Tanz 11 Vokalmusik ohne instr. Begleitung 27 inspirierende weibl. Person 15 engl. Nein 30 ganz und gar 16 Abk. Niederlande 31 Eskimos 17 Anerkennung 32 weibl. Vorname 22 nicht beweglich 34 fr. Oper Wagners: „Das Liebes...“ 24 Kfz Aachen 36 zitternder Ton 26 verneinende Vorsilbe 37 Gegenteil zu alt 28 Zweiheit ausdrückende Vorsilbe 29 Abk. Österreich 33 Abk. Deutschland 35 Bruckners „... Deum“

Auflösung Rätsel Ausgabe Sheet18

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