Editorial: Gesellschaftstheorie III: Kontroversen
Editorial PROKLA-Redaktion Editorial: Gesellschaftstheorie III: Kontroversen Wenn sie nicht gerade zu denjenigen gehö- ‘Traum Alberichs’ erfüllt hat “. (Holland ren, die Richard Wagner als umstürzenden 1990: 535) Wagners mythologische Ge- Neuerer der klassischen Musiktraditionen schichte von der Jagd nach dem Gold, von schätzen, so dürfte der 200 . Geburtstag Liebeshändel, Betrug, Verrat, Mord und des Meisters die Mehrzahl der PROKLA- Totschlag, von Herrschaft und Untergang Leser/innen eher kalt lassen . Sie verbinden der Herrschenden ist von vielen Beobach- damit vermutlich am ehesten Bilder der tern immer schon als Parabel auf den Kapi- politischen, wirtschaftlichen und gesell- talismus des 19 . Jahrhunderts interpretiert schaftlichen Elite der Bundesrepublik, die worden, so auch von Franz Wilhelm Beid- im August nach Bayreuth wallt, um sich ler, dem ersten Enkelsohn Wagners: „Die dort den Klängen der Tetralogie Der Ring komplizierten Schachtanlagen und Hütten- des Nibelungen hinzugeben, vielleicht aber werke des Ruhrgebiets etwa vereinfachen auch nur, um in der Öffentlichkeit den Ein- sich zu den Werkstätten Nibelheims, die druck der Kulturbeflissenheit zu erwecken, Anonymität des Kapitals, die Unsicherheit und in den Pausen an Stehtischen teuren des Aktionärs enthüllt sich im verschleier- Sekt zu trinken . ten Tarnhelm . Die dämonische Kraft des Doch der 1813 geborene Wagner war Ringes, d .h . des kapitalistischen Macht- und nicht nur ein Zeitgenosse des 1818 gebore- Profitstrebens, durchdringt alle Beziehun- nen Karl Marx (sie starben sogar im selben gen, löst alle Bindungen, Rechte und Sitten Jahr, 1883), beide nahmen auf unterschied- auf . Die von altersher herrschenden Gewal- liche Weise Anteil an der Revolution von ten – hier heißen sie Götter – verstricken 1848, und wenn für Marx die Berichte über sich im kapitalistischen Gestrüpp, und die Arbeit und Leben der englischen Arbeiter- Welt wartet auf den Menschen .
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