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Mit dem letzten Satz bin ich einverstanden. Aber der Satz davor gefällt mir nicht. Mir gefällt nie das Wort „Westdeutsche". Es heißt, daß Westberliner nicht anders als Westdeutsche zu behandeln sind. {Dufhues: Als Bürger der Bundesrepublik Deutschland!) Es heißt weiter: „Schließlich gab der Bundesvorstand der CDU zu bedenken, daß die Gespräche nicht fortgesetzt werden können, ohne daß die Zone die technischen Kontakte in politische Fühlungnahmen umfälscht." Wollen Sie das noch sagen? (Gradl: Ich habe ein paar stilistische Änderungsvor- schläge dazu gemacht.) Wir müssen etwas über die Wahl sagen. Amrehn: Es heißt, längerfristige Regelungen kämen in Betracht. Das ist aber politisch gefährlich. Es kann ersetzt werden durch „länger gültige Passierscheine". Kraske: Der Textvorschlag stammt von Herrn Amrehn. Adenauer: Meine Herren! Ich schlage vor, daß wir eine Kommission wählen aus den Herren Amrehn, Kraske und Dufhues, die aufgrund der Diskussion das Kommunique fertigmachen.119 Jetzt haben wir alle Hunger und essen zu Mittag. Ich danke Ihnen allen und darf damit die Sitzung schließen.

15

Hannover, Samstag 14. März 1964

Sprecher: Adenauer, Amrehn, Barzel, [Blank], Frau Brauksiepe, Burgbacher, Dittmar, Dufhues, Erhard, Etzel, Even, Fay, Fricke, Gerstenmaier, Gradl, Gurk, von Hassel, Hellwig, Katzer, Klepsch, Kraske, Lücke, Meyers, Noltenius, Rasner, Frau Rehling, Schmidt, Schröder, Frau Schwarzhaupt, Seebohm, Wegmann.

Bundesparteitag 1964: Wahlen zum Präsidium und zum Bundesparteigericht. Rechenschaftsbe- richt der Kassenprüfer für 1962. Beitragsstaffel nach § 2 der Finanzordnung (Vorschlag der Finanzkommission).

Beginn: 15.00 Uhr Ende: 17.10 Uhr

119 Vgl. DUD Nr. 39 vom 26. Februar 1964 S. 3 f. „Tagung des CDU-Bundesvorstandes".

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Adenauer: Meine Damen und Herren! Das Mitglied unseres Vorstandes, Herr Osterloh, ist, wie Sie wissen, von uns geschieden.1 Er war ein wertvoller Mensch und ein treues Mitglied unserer Partei. Sie haben sich von den Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen. Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung des Bundesvorstandes und möchte mir zunächst einige Bemerkungen gestatten. (Etzel: Es ist überhaupt nichts zu verstehen.) Heute bin ich noch halb heiser. Aber ich wünsche, morgen wieder normal sprechen zu können, damit Sie mich verstehen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie jetzt Ihre Privatgespräche unterließen.

BUNDESPARTEITAG 1964: WAHLEN ZUM PRäSIDIUM Meine Damen und Herren! Sie kennen das Programm des Parteitages. Für die Wahl des Präsidiums des 12. Bundesparteitages werden vorgeschlagen: Präsident: Dr. Otto Fricke; Präsidium: Frau Dr. Jochmus, Regierungspräsident Dichtel, Frau Kalinke2, Hans Katzer MdB, Dr. Klepsch, Bundesminister Lemmer, Bundesminister Dr. Seebohm. Darf ich annehmen, daß Sie damit einverstanden sind? (Rehling: Ist es sicher, daß Herr Lemmer kommt? Er sagte in Berlin, sein Arzt habe ihm Ruhe verordnet, und er würde nicht zum Bundesparteitag kommen können.) Kraske: Herr Lemmer hat uns gesagt, daß er morgen noch nicht kommen könne, daß er aber am Montag käme. Adenauer: Dann warten wir das einmal ab! - Wir haben dann ein Redaktions- komitee zu wählen. Dazu wird folgender Vorschlag gemacht: Vorsitzender: Bundes- tagspräsident Dr. Gerstenmaier; Mitglieder: Amrehn, Professor Furier, Dr. Kliesing, Dr. Wilhelmi, Stingl, Professor Dr. Hahn, Professor Dr. Mikat, Dr. Stoltenberg, Struve, Niermann, Bauknecht, Dr. Barzel, Professor Dr. Roegele3, Dr. Pettenberg, Dr. Rathke4. {Katzer: Ich möchte noch den Kollegen Russe5 vorschlagen!) Dann müssen wir zunächst feststellen, warum der Vorschlag so lautet, wie ich ihn vorgelesen habe. Dem Redaktionskomitee gehören an Abgeordnete, die Leiter, Referenten und

1 Am 25. Februar 1964. 2 (1909-1981), leitende Angestellte; 1949-1953 und 1955-1972 MdB (DP, ab 1960 CDU). Vgl. PROTOKOLLE 3 S. 840 Anm. 60. 3 Dr. Otto B. Roegele (geb. 1920), Kommunikations Wissenschaftler und Journalist; seit 1949 Chefredakteur des „Rheinischen Merkur", seit 1963 Herausgeber, 1963 o. Professor (München). 4 Dr. Arthur Rathke (1920-1980), 1959-1963 Pressechef des Deutschen Beamtenbundes, 1963-1970 Leiter des Pressereferats und des Referats für Öffentlichkeitsarbeit der CDU, 1970-1980 Staatssekretär für das Informations- und Presseamt der Landesregierung Schles- wig-Holstein. 5 Hermann Josef Russe (geb. 1922), Dipl.-Volkswirt; 1952-1963 Bildungsreferent in den Sozialausschüssen der CDA, 1963-1966 Hauptgeschäftsführer der VEBA, dann Vorstands- mitglied. Vgl. PROTOKOLLE 3 S. 550 Anm. 40.

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Berichterstatter der einzelnen Arbeitskreise. Ich weiß nicht, ob das bei dem Herrn Russe der Fall ist. {Katzer: Ich möchte ihn zusätzlich vorschlagen! - Widerspruch.) Wenn wir damit anfangen, zusätzliche Vorschläge zu machen, dann müssen wir auch weitere Wünsche berücksichtigen. Ich fürchte aber, daß es dann ein zu großes Redaktionskomitee wird. Wollen Sie Ihren Antrag nicht lieber fallenlassen? Wenn wir damit anfangen, daß ein Vertreter der Sozialausschüsse dabei ist, dann kommen die Vertreter der anderen Vereinigungen mit dem gleichen Recht. Ich bin zwar der Auffassung, daß die Vertreter der Arbeitnehmer stärker als bisher ganz allgemein vertreten sein müssen, und zwar in den verschiedensten Richtungen gesehen, aber hier für eine solche Kommission nun einen besonderen Vertreter der Sozialausschüsse zu benennen, das würde ich nicht für gut halten. Gradl: Ich nehme an, daß es die Aufgabe des Redaktionskomitees ist, die Fas- sung von Resolutionen vorzunehmen. Wenn die Möglichkeit besteht, daß diejenigen, die bestimmte Vorstellungen haben, ihre Anregungen der Redaktionskommission zu geben, möchte ich annehmen, daß auch das Bedürfnis besteht, das Herrn Katzer bewegt. Ich möchte sagen, daß wir von der Exil-CDU größten Wert darauf legen, daß in dieser Resolution auch die Frage der Flüchtlinge angesprochen wird. Wir haben einen Vertrauensmann, Bundestagsabgeordneten Eichelbaum6, gebeten, entsprechende Vorstellungen zu machen. Ich möchte vorschlagen, daß er auch in die Kommission aufgenommen wird. Aber da die Kommission ohnehin genügend groß ist, würde es mir genügen, daß man für Vorschläge eine direkte Zulassung zur Redaktionskommission bekommt. Dufhues: Das scheint mir ohne weiteres gegeben zu sein. Zunächst haben Sie die Möglichkeit, in den Arbeitskreisen Ihre Vorstellungen zu entwickeln und dabei auch den Wunsch zu äußern, daß dieses oder jenes in der Entschließung berücksichtigt werden möge. Außerdem steht nichts im Wege, daß Sie zu dem einen oder ande- ren Mitglied des Redaktionskomitees Kontakte aufnehmen, um Ihre Vorstellungen durchzusetzen. Sollte dies dann nicht geschehen, dann haben Sie immer noch die Möglichkeit, auf dem Bundesparteitag eine Ergänzung zu beantragen. Deshalb würde ich Sie bitten, davon abzusehen, dieses an sich schon umfassende Redaktionskomitee noch zu vergrößern. Im übrigen stehen wir vor der Frage, ob wir nur eine einheitliche Entschließung des Bundesparteitages verabschieden sollen oder ob wir einzelne Entschließungen für

6 Ernst Theodor Eichelbaum (1893-1991), 1945 Mitgründer der CDU in Leipzig, 1946 Stadt- verordneter, bis 1948 zweiter hauptamtlicher Bürgermeister in Leipzig, Vorstandsmitglied der Exil-CDU, 1953-1963 Bundesvorsitzender des Gesamtverbands der Sowjetzonenflücht- linge, 1957-1965 MdB.

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Teilbereiche, wie Agrarpolitik, Sozialpolitik usw. verabschieden. Das wird aber noch im Redaktionskomitee beraten werden müssen. Gerstenmaier: Ich verstehe die Aufgabe eines Redaktionskomitees darin, zu redi- gieren, das heißt die dazu bestimmten Mitglieder sind keine freischaffenden Künstler. Sie können hier nicht ihre Konzeption oder ihre speziellen politischen Interessen unterbringen, sondern sie müssen das, was verabschiedet werden soll, in eine lesbare und attraktive Form bringen, was andere Leute der Sache nach beschließen. Die anderen Leute auf diesem Parteitag sind die in fünf Arbeitskreisen zusammentretenden Freunde. Ich sehe also keinen anderen Weg, denn sonst ist doch dieses Gremium völlig überfordert. Zum Redigieren ist diese Kommission jetzt schon eher zu groß als zu klein. Darauf können Sie sich verlassen. Was die anderen in diesen fünf Arbeitskreisen beschließen, kann doch von dem Redaktionskomitee nicht neue Gestalt bekommen, weil es ja keine freischaffenden Künstler sind. Adenauer: Ich weiß nicht, ob Sie mehr Wert auf „freischaffend" oder auf „Künst- ler" legen! {Gerstenmaier: Mehr auf „Künstler"!) Meine Damen und Herren! Sollen wir es nicht bei dem Vorschlag belassen? Sie haben die Ausführungen des Herrn Kollegen Dufhues gehört. (Zustimmung.) Dann darf ich feststellen, daß Sie mit der Zusammensetzung, wie ich sie vorgelesen habe, einverstanden sind. Für die Mandatsprüfungskommission werden vorgeschlagen: Vorsitzender: Mini- ster a.D. Wegmann. {Wegmann: Am Montag bin ich leider verhindert.) Sie können ja am Sonntag oder Dienstag prüfen. {Wegmann: Am Dienstag!) Beisitzer: Helmut Andre7, Gerhard Braun, Gerold Rummler8. Dann kommt eine sehr diffizile Frage, nämlich die Reihenfolge der Begrüßungen. Ich möchte hier eine Bemerkung vor- anschicken. Ich bitte um Ihre Zustimmung, daß ich nach Eröffnung der Sitzung, ehe die Wahl des Präsidiums stattfindet, dem Plenum vorschlage, Herrn von Brentano einen herzlichen Gruß zu schicken! (Beifall) Das gleiche gilt, aus Gründen, die Sie wohl verstehen werden, auch für Herrn Bundesminister Dr. Krone. (Beifall.) Dann folgen die Begrüßungen durch den Präsidenten. Hier taucht nun die schwie- rige Frage auf, in welcher Reihenfolge sollen die Vertreter der Gewerkschaften begrüßt werden. Der Vorsitzende der Deutschen Angestelltengewerkschaft hat sich über das frühere Verfahren beklagt und um eine bessere Berücksichtigung der Gewerkschaften nach ihrer Mitgliederzahl gebeten, und zwar sieht die Reihenfol- ge danach wie folgt aus: DGB, Deutscher Beamtenbund, DAG, CGB. Herr Spät- hen9 hat aber erklärt, er würde es als unfreundlichen Akt ansehen, wenn er nicht un-

7 Helmut Andre (geb. 1915), 1956-1972 Geschäftsführer des CDU-LV Saar. 8 Gerold Rummler (1924-1997), 1946 CDU Thüringen, seit 1953 Mitarbeiter der CDU-Bun- desgeschäftsstelle, 1970-1995 Hauptgeschäftsführer der Ost- und Mitteldeutschen Vereini- gung von CDU/CSU. 9 Rolf Späthen (1909-1985), Gewerkschaftspolitiker; 1960-1967 Vorsitzender der DAG, 1961-1968 Aufsichtsratsvorsitzender Deutscher Ring, 1972 Austritt aus der SPD.

680 Nr. 15: 14. März 1964 mittelbar nach dem DGB begrüßt würde. In der Tat, die Angestelltengewerkschaft hat eine große Zahl von Mitgliedern, die uns parteipolitisch näherstehen. {Unruhe und Bewegung. - Dufhues: Die Freundschaft ist intensiver im Deutschen Beam- tenbund!) Darf ich Ihnen vorlesen aus einem Brief der Deutschen Angestellten- gewerkschaft: „In diesem Zusammenhang hätte ich jedoch eine sehr herzliche wie auch dringende Bitte. Wir würden es für einen ausgesprochenen unfreundlichen Akt ansehen, wenn in der Begrüßungsrede die Deutsche Angestelltengewerkschaft nicht unmittelbar nach dem Deutschen Gewerkschaftsbund begrüßt würde. Wir bitten Sie daher freundlichst, die Fragen des Protokolls so zu regeln, daß wir zufrieden sein werden." Meyers: Ich bin der Ansicht, daß man darauf keine Rücksicht nehmen sollte; denn mit Recht würde sich der Erste Vorsitzende des Beamtenbundes zurückgestellt fühlen, wenn er an dritter Stelle genannt würde. Herr Späthen ist nicht Mitglied der CDU. (Von Hassel: Aber viele seiner Mitglieder!) Nach der Definition der Gewerkschaften ja. Adenauer: Das war mit Einschränkungen! Gurk: Könnte man nicht mit den Herren vorher reden. Wenn das Kritierium der Mitgliederzahl gilt, kann dagegen niemand etwas sagen. Man muß den einzelnen Herren sagen, warum sie an dieser Stelle begrüßt werden. Kiep seh: Ich mache den Kompromiß Vorschlag, daß man den Beamtenbund be- sonders begrüßt. {Lebhafte Unruhe und Widerspruch. - Zurufe: Nicht zu verstehen! - Bitte lauter! - Even: Sollen wir eine Entscheidung treffen?) Adenauer: Wir können uns in diesem Raum, in dem viele Jahre ein Parlament getagt hat und dessen Wände offenbar vieles wieder hergeben, nur sehr schwer verstehen. (Even: Ich hatte gefragt, ob wir eine Entscheidung treffen sollten. Ich meine, wir sollten mit den Leuten reden! - Anhaltende starke Unruhe. - Zurufe: Nicht zu verstehen! - Zuruf: Das hat keinen Zweck! Nachdem er das geschrieben hat, können wir nicht mehr davon abgehen!) Dittmar: Das Kriterium der Mitgliederzahl kann man nicht nehmen. Schröder: Ich würde es tun. Die Beamten sind immer verständlich[!]. Das kann man von ihnen erwarten. (Anhaltend starke Unruhe.) Dufhues: Es soll ein bestimmtes Protokoll eingehalten werden. Bisher haben wir die Zahl der Mitglieder gelten lassen. Dabei sollten wir es auch belassen. Ich sehe nicht ein, daß man mit völlig unbegründetem Anlaß erklärt, man sehe es als einen unfreundlichen Akt an, wenn man nicht in der und der Weise begrüßt würde. Wir sollten auch unsere Freunde im Deutschen Beamtenbund nicht allzusehr strapazieren. Ich bin dafür, es wie bisher nach der Mitgliederzahl zu belassen. (Schröder: Was Herr Späthen will, ist albern! - Unruhe und Bewegung.) Adenauer: Sind Sie mit dem Vorschlag einverstanden? - Das scheint der Fall zu sein. Dann können wir den Bescheid geben. Nun lese ich Ihnen vor, was Herr Kraske geschrieben hat: „Nach der Übernahme durch den Präsidenten des Parteitages sollten folgende Gäste um ein Grußwort

681 Nr. 15: 14. März 1964 gebeten werden: Der Oberbürgermeister der Stadt Hannover10 und der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union, Franz Josef Strauß, und eventuell ein gemeinsamer Sprecher der ausländischen Gäste. Die Vertreter der ausländischen Gäste können auch gebeten werden, ihr Grußwort zu Beginn der Plenarsitzung am Nachmittag zu sprechen." (Schröder: Das wäre gut.) „Ebenfalls für die Nachmittagssitzung sollte der Vorsitzende des Kreisverbandes Hannover11 um ein Grußwort gebeten werden." Für die ausländischen Gäste einen Vertreter sprechen zu lassen, halte ich für richtig; denn sonst könnte da dieselbe Geschichte wie bei den Gewerkschaften kom- men. Dann würde ich vorziehen, daß die Herren zu Beginn der Nachmittagssitzung sprechen. (Beifall) Damit sind Sie einverstanden. Herr Kraske fügt folgende Bemerkung hinzu: „In der Erwiderung auf das Gruß- wort des Oberbürgermeisters der Stadt Hannover ist darauf hinzuweisen, daß sich in der 14jährigen Geschichte der CDU-Parteitage noch keine Stadtverwaltung uns gegenüber so unfreundlich verhalten hat wie die Stadt Hannover." Ich füge hinzu - das ist nicht von Herrn Kraske -, wenn das in der „feinen" Stadt Hannover geschieht, dann wiegt das doppelt schwer; denn die Hannoveraner sind ausgesprochen höfliche Leute im allgemeinen. Herr Kraske sagt weiter: „Ich würde dringend empfehlen, bei der Begrüßung des Oberbürgermeisters eine entsprechende ironische Bemerkung durch den Präsidenten des Bundesparteitages machen zu lassen." Nun möchte ich den Präsidenten, Herrn Fricke, mal fragen, ob er glaubt, daß das richtig ist, wenn er eine ironische Bemerkung macht. Fricke: Ich bin vorhin von Herrn Dr. Kraske über diese Schwierigkeit unterrichtet worden. Das geht hin bis zu den üblichen blauen Hinweisschildern. Es wird gesagt, man hätte Schwierigkeiten mit den Graphikern usw. gehabt. Nun, mir macht es gar nichts aus, auf diesen groben Klotz einen nicht allzu groben Keil zu setzen. Ich würde etwa sagen: Nachdem nun einige Schwierigkeiten, die wir mit der Stadtverwaltung hatten, überwunden sind, können wir erklären: Ende gut, alles gut! Adenauer: Ich meine, Herr Kollege Fricke, Sie sollten sich einige ironische Bemerkungen überlegen und nicht auf den groben Klotz nun auch einen groben Keil setzen. (Fricke: Nein, Herr Bundeskanzler, nur in dieser Form!) Also keine grobe Antwort, sondern nur ironisch? (Fricke: Ja!) Wir sind noch nicht fertig mit sehr diffizilen Fragen. Ich folge jetzt wieder Herrn Kraske: „Zur Aussprache über die Referate des Ersten Vorsitzenden Dr. Adenauer und des Geschäftsführenden Vorsitzenden Dufhues am Sonntag nachmittag! Der Bundesvor-

10 August Holweg (1905-1989), Dreher; 1923 SPD, 1946-1972 Mitglied des Rates der Stadt Hannover (1949-1955 Fraktionsvorsitzender), 1956-1972 Oberbürgermeister von Hannover. 11 Hans Elkart (1908-1982), Rechtsanwalt, Notar; 1956-1972 Mitglied des Rates der Stadt Hannover (CDU), 1959-1964 Senator, 1964-1972 Bürgermeister, Vorsitzender des KV Hannover. - Als Vertreter des Kreis Verbands Hannover sprach Senator Dr. Wilhelm Freckmann (geb. 1916), Dipl.-Ingenieur; 1961-1981 Mitglied des Rates der Stadt Hannover (CDU, 1964-1978 FraktionsVorsitzender).

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stand sollte auf seiner Sitzung festlegen, daß die Diskussion am Sonntag nachmittag der Erörterung allgemeiner Fragen über den politischen Kurs der Partei vorbehalten bleibt und alle Einzelfragen, insbesondere der Parteiarbeit, in den Arbeitskreis I zu verweisen sind. Zur Vorbereitung der Diskussion am Sonntag nachmittag wäre es wünschenswert, wenn der Erste Vorsitzende und der Geschäftsführende Vorsitzende einen kurzen Rückblick über den Inhalt ihrer Referate gäben, damit sich einzelne Vorstandsmit- glieder frühzeitig auf andere Diskussionsbeiträge vorbereiten können. In der gleichen Weise sollte die Diskussion am Montag im Anschluß an den Rechenschaftsbericht der Fraktion und an das Referat des Herrn Bundeskanzlers vorbereitet werden." Meine Herren! Das widerspricht nun ganz dem, was bisher gesagt worden ist über die Lebendigkeit der Diskussion. Bisher ist gesagt worden: Wir wollen die Presse und die Öffentlichkeit zulassen, dann wird die Diskussion lebendig. - Jetzt auf einmal kommt Herr Kraske und will die Diskussion stellen. Das geht nicht. Ich für meine Person habe von Anfang an gewisse Bedenken darüber gehabt, wie eine solche Diskussion laufen wird; aber nun haben wir einmal A gesagt, und nun müssen wir auch B sagen. Herr Kraske! Sie selbst haben doch immer gesagt, wie gut das bisher gewesen ist. Ich meine, wir müssen auch dabei bleiben. Wir müssen die Sache mal dem guten Wind, der uns treibt, überlassen. Und bei wem der Geist Gottes weht, der wird auch schon geeignete Worte finden, Herr Gerstenmaier! {Gerstenmaier: Sie meinen wohl, weil das im so üblich ist!) Herr Kraske! Ich glaube, Sie finden keinen Anklang. Herr Kraske sagt weiter: „Um dem Bundesvorstand einen Überblick über den Ablauf der Aussprachen in den einzelnen Arbeitskreisen zu geben, sollten die Vorsitzenden der Arbeitskreise gebeten werden, darüber zu berichten, insbesondere Professor Furier über den Arbeitskreis II und Dr. Wilhelmi über den Arbeitskreis III." Es wäre vielleicht ganz gut, wenn wir im Bundesvorstand noch einmal zusammenkämen, damit die Vorsitzenden der Arbeitskreise dort über die Ergebnisse in den Arbeitskreisen berichten können. Aber das wird sich erst im Laufe des Parteitages ergeben, ob das erforderlich ist. Damit sind Sie einverstanden. Dem Bundesparteitag liegen bisher zwei Anträge des Präsidiums vor: 1. Vor- lage des Präsidiums (auf Vorschlag des Bundesausschusses für Gesundheitspolitik), Entwurf „Grundsätze christlich-demokratischer Gesundheitspolitik". 2. Vorlage des Präsidiums (auf Vorschlag des Bundesausschusses für Agrarpolitik), Entwurf „Agrar- politisches Programm der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands". Ferner ein Antrag der Sozialausschüsse der christlich demokratischen Arbeitnehmerschaft.12 Der Bundesvorstand muß sich darüber schlüssig werden, ob der Parteitag die Entschließungen, soweit sie von den Arbeitskreisen gebilligt werden, einzeln ver- abschieden soll oder ob der Parteitag nur einen einzigen Beschluß fassen soll. Vor Gesamtentschließungen habe ich Angst; denn damit kommen wir in eine uferlose

12 Akten in ACDP VII-004-347/1.

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Diskussion hinein. Es wird da und dort etwas geändert, so daß am Ende diese Gesamtentschließung wahrscheinlich nicht mehr viel enthalten wird. Ich meine also, wir sollten zunächst einmal die Arbeitskreise arbeiten lassen, die dann mit ihren Entschließungen und Vorschlägen kommen. Dann können wir immer noch sehen, was wir machen. Ist das nicht auch Ihre Meinung? Am 17. März sind zu wählen nach dem Paragraphen 21 unseres Statuts: der Bundes Vorsitzende, ein Geschäftsführender Vorsitzender, dessen Stellvertreter und vier weitere Mitglieder des Präsidiums. Zu diesem Punkt ist, unterschrieben von dem Hauptgeschäftsführer Russe der Sozialausschüsse, folgendes Schreiben an Herrn Dufhues gesandt worden: „Der Hauptvorstand der Sozialausschüsse hat in seiner Sitzung am 7. März die Frage der zukünftigen Zusammensetzung des Präsidiums der CDU eingehend beraten. Ich darf Sie das Ergebnis nachfolgend wissen lassen: 1. Es entsprach bisher auf allen Bundesparteitagen der gewohnheitsrechtlichen Übung, daß die Sozialausschüsse den Repräsentanten der Arbeitnehmerschaft im engeren Parteivorstand oder im Parteipräsi- diums zur Wahl vorschlugen. 2. Die bisherigen Bundesparteitage haben den Vorschlag der Sozialausschüsse, der jeweilig vom Parteivorstand unterstützt wurde, durch ihre Wahl akzeptiert. Auf diese Weise wurden die Parteifreunde , und in der Vergangenheit als Vertreter der Arbeitnehmerschaft in den Partei vorstand bzw. in das Parteipräsidium gewählt. Die bisherige gewohnheitsrechtliche Übung aufgreifend, schlägt der Hauptvor- stand der Sozialausschüsse einstimmig den derzeitigen Ersten Vorsitzenden der Sozi- alausschüsse, Herrn Hans Katzer, zur Wahl in das Parteipräsidium vor."13 Meine Damen und Herren! Sie haben den Vorschlag gehört.

Bundesminister Blank und Katzer verlassen den Saal.

(Unruhe und Bewegung. - Hellwig: Der Bruderkrieg im Hause Habsburg!) Meine Parteifreunde! Wenn wir diesem Antrag stattgäben, würde das bedeuten, daß Herr Blank abgewählt wäre und er nicht mehr Mitglied des Parteipräsidiums sein könnte. Das wäre zweifellos zunächst für Herrn Blank, den es in erster Linie trifft, eine sehr ernste Sache, aber ich glaube, daß das auch politisch eine ernste Angelegenheit ist. (Zurufe: Sehr richtig!) Herr Blank ist in den letzten zwölf Monaten in einer solchen Weise beschimpft worden, daß man allen Respekt davor haben muß, daß er noch nicht die Nerven verloren hat. Ich bin weiter der Auffassung, daß wir, wenn wir Herrn Blank nicht wieder wählen, damit seine bisherige Politik, soweit die Arbeitnehmer in Frage kommen, desavouieren; ich weiß keinen anderen Ausdruck dafür. Nun müssen wir doch versuchen, die beiden anderen Gesetzentwürfe, die im so- genannten Sozialpaket waren, nämlich das Krankenversicherungs-Neuregelungsgesetz und das Lohnfortzahlungsgesetz, noch in der jetzigen Legislaturperiode im Bundestag

13 Protokoll der Hauptvorstandssitzung der Sozialausschüsse in ACDP IV-013-008/2.

684 Nr. 15: 14. März 1964 zu verabschieden. Nun fürchte ich, daß sich die Aussichten dazu durch die Abwahl des Herrn Blank - ich drücke mich sehr zurückhaltend aus - nicht verbessern, im Gegenteil, daß sie verschlechtert werden. Ich weiß auch nicht, ob man ausgerechnet jetzt in diesem Augenblick, wo die Verhandlungen mit der FDP - darum handelt es sich doch - auf des Messers Schneide stehen, diesen Wechsel vornehmen und damit die ganze Sache zunichte machen soll. Ich möchte gerade auch an unsere Freunde aus den Arbeitnehmerkreisen diese Bitte richten. Mit welchem Ergebnis unserer sozialen Arbeit gehen wir in den Wahlkampf des Jahres 1965 hinein? Das Kindergeld ist verabschiedet.14 Wir alle sind froh, daß es verabschiedet ist. Die Verhandlungen mit der FDP über die beiden anderen Gesetze sind in der Schwebe. Sie wissen alle, daß die FDP eine Fraktion ist, die nun nicht gerade einen sicheren und stetigen Kurs steuert. Ich weiß nicht, ob es klug ist, den Mitgliedern der FDP, die nicht die sozialen Gesetze wollen, irgendeinen billigen Ausweg zu geben, um ihre negative Haltung zu rechtfertigen. Ich habe große politische Bedenken, so zu verfahren. Das hat mit einer Wertung der beiden Persönlichkeiten gegeneinander gar nichts zu tun, sondern das ist eine sehr große politische Angelegenheit, die auch nach politischen Gründen entschieden werden muß. Darf ich um Wortmeldungen bitten! Herr Bundesminister Lücke. Lücke: Herr Vorsitzender! Meine lieben Parteifreunde! Da seit Wochen mein Name genannt worden ist, muß ich etwas sagen, auch zu dem Schreiben der Sozial- ausschüsse. Diese Frage ist in Anwesenheit von Herrn Dufhues und mir am letzten Samstag vormittag in Königswinter behandelt worden. Ich wurde vorgeschlagen und gebeten, dieses Amt zu übernehmen. Ich habe dazu ausgeführt - das hatte ich auch vorher mit dem Herrn Bundeskanzler und mit Herrn Dufhues besprochen -, daß ich es für falsch hielte, wenn wir hier in Hannover ein Jahr vor der Bundestagswahl einen Wechsel vornähmen, insbesondere weil dieser Parteitag draußen im Volke auch verstanden und gesehen wird als ein Parteitag der Geschlossenheit und der Kontinuität unserer Politik. Sicher hat Kollege Blank Schwierigkeiten mit seinem Sozialpaket gehabt, ob daß aber ein Grund ist, ihn aus der Parteispitze herauszunehmen, das ist eine andere Frage. Ich habe in meinem Vorschlag - der in den Sozialausschüssen diskutiert worden ist, ohne Gegenvorschläge zu erhalten - erklärt, daß ich nicht bereit sei, gegen den Kollegen Blank im Wege einer Kampfabstimmung zu kandidieren. Ich habe hinzugefügt, daß das auch dem Ansehen der sozialpolitisch orientierten Kollegen nichts nutzen würde. Nun muß ich sagen, Herr Dr. Klepsch, ich habe es nicht verstanden, daß die Sache in der Jungen Union so offen dargestellt wurde, obwohl Sie doch in der letzten Bundes vor Standssitzung zu dieser Frage nichts ausgeführt haben! (Beifall.) Ich bin der Meinung, daß wir über persönliche Fragen unbedingt im Bundesvorstand

14 Vgl. Nr. 12 Anm. 32.

685 Nr. 15: 14. März 1964 sprechen müssen. Am Nachmittag dieser Bundesvorstandssitzung ist diese Frage hochgekommen. Herr Katzer hat eingehend berichtet und dann erklärt, daß sich die Kollegen darüber beschwert hätten, weil ich nicht gegen Blank kandidieren wolle. Aber sie wollten einen anderen Kandidaten haben, und deswegen sei es zu diesem Vorschlag gekommen. Meine Meinung ist die, ich bin aus den dargelegten Gründen nicht bereit, gegen den Kollegen Blank in einer Kampfabstimmung zu kandidieren. Ich habe mit Blank, Dufhues und Katzer gesprochen und ihnen gesagt, daß auf diesem Parteitag perso- nalpolitische Schwierigkeiten entstünden und daß man solche Entscheidungen nicht dem Zufall überlassen dürfe. Ich habe den Kollegen Dufhues gebeten, den Vorstand erneut zusammenzurufen, damit darüber gesprochen werden kann. Der ganze Parteitag schaut jetzt schon auf diese personalpolitischen Dinge. Es wäre nicht gut, wenn dadurch der Parteitag vier Tage lang beeinflußt würde. Wenn wir uns nicht einigen, sondern immer mehr auseinanderreden, so dient das in keiner Weise der Sache. Klepsch: Meine sehr verehrten Parteifreunde! Ich habe den Auftrag, namens des Bundesvorstandes der Jungen Union dessen einstimmigen Beschluß vom 29. Februar 1964 hier zu vertreten.15 Da die Sitzung des Bundesvorstandes der Jungen Union, die zu einem einstimmigen Beschluß führte, nach der letzten Sitzung des Bundesvor- standes der CDU stattfand, war es mir nicht möglich, das dort zu erörtern. (Unruhe und Bewegung. - Meyers: Das müssen Sie vor einer solchen Sitzung besprechen!) Da die Sitzungen des Vorstandes über längere Zeiträume geplant werden, läßt sich das nicht immer so machen. (Anhaltende Unruhe.) Ich möchte Ihnen nun vortragen, aus welchen Gründen wir Ihnen den Vorschlag machen. Die Junge Union ist der Auffassung, daß es sich hierbei um eine Wahl für das Parteipräsidium dreht, aber nicht um eine Vertrauenskundgebung für oder gegen Herrn Blank. (Unruhe.) Die zweite Überlegung ist die, daß das Parteipräsidium die Spitze der Christlich-Demokratischen Union darstellen soll, und zwar integrierend die verschiedenen Kräfte und Strömungen, die in der Christlich-Demokratischen Union vorhanden sind. Wir sind der Auffassung, daß in dieser Parteiführung der CDU auch diejenigen Kräfte integriert werden sollen, die einen großen Kreis vertreten. (Unruhe und Bewegung. - Zuruf: Was heißt das?) Aus diesem Grunde sind wir der Auffassung - ich wußte von diesem Schreiben der Sozialausschüsse nichts -, daß das Argument zu vollem Recht besteht, daß es sinnvoll ist, den Vorsitzenden der Sozialausschüsse im Bundesvorstand zu haben oder aber, wenn er das nicht will, einen Mann, der das Vertrauen der Sozialausschüsse besitzt. Das scheint mir besonders wichtig zu sein; denn dadurch demonstrieren wir Einheit und Geschlossenheit. Wir können niemandem in der Welt deutlich machen, daß wir einig und geschlos- sen wären, wenn jedermann weiß, daß das eine oder andere Mitglied des Präsidiums

15 Bundesvorstandssitzung der Jungen Union am 29. Februar 1964 (Protokoll in ACDP IV- 007-038/1). - Vgl. „Die Welt" vom 2. März 1964 „Junge Union gegen Minister Blank".

686 Nr. 15: 14. März 1964 nicht die Gruppe repräsentiert, die es eigentlich repräsentieren sollte. Das reden wir uns nur selber ein, daß wir damit Einheit und Geschlossenheit repräsentieren wollen. (Anhaltende Unruhe und Bewegung.) Das zweite ist das Argument, daß damit eine Desavouierung der bisherigen Arbeit unseres Parteifreundes Blanks ausgesprochen würde. Ich darf sagen, wir achten sehr - das sage ich nachdrücklich, und wir haben das ausdrücklich festgelegt -, was Parteifreund Blank bisher für die Christlich-Demo- kratische Union geleistet hat. Wir anerkennen das, und wir schätzen es. {Unruhe und Bewegung. - Zurufe: Warum wollen Sie ihn denn nicht mehr?) Ich habe die Gründe gesagt. (Zurufe: Welche?) Wenn das hier vorgetragene Argument stichhaltig wäre, daß die NichtWiederwahl irgendeines Mitgliedes in den Führungsgremien der Partei Diskreditierung seiner bisherigen Arbeit bedeuten würde, dann wären wir überhaupt nicht mehr in der Lage, einen anderen in das Spitzengremium zu wählen. Aus innerparteilichen Gründen muß ich also dieses Argument zurückweisen. Ich bin der Auffassung namens des Vorstandes der Jungen Union, daß das Parteipräsidium gesehen werden sollte als ein möglichst funktionstüchtiges Führungsgremium der Partei. Wenn wir in der Bundesvorstandssitzung sowohl vom Ersten Parteivorsitzenden wie auch vom Geschäftsführenden Vorsitzenden hören konnten, daß das Präsidium nicht in der Lage ist, beschlußfähig zusammenzutreten, und wenn ich weiß, daß dieses Argument sich ausrichtet gegen das Präsidiumsmitglied, das wir deshalb vorschlagen, so würde auch hier eine Besserung der Arbeitsmöglichkeiten eintreten. Ich bitte zu bedenken, daß wir hier nicht eine Art Ad-hoc-Wahl vornehmen, die sich aus der heutigen Situation ergibt. Unsere Überlegungen sind nicht so gewesen. Wir haben den Vorschlag nicht gemacht, weil der Herr Bundesminister für Arbeit Pech mit der Freien Demokratischen Partei hatte, sondern wir haben den Vorschlag gemacht aus den genannten Gründen und aus der Überlegung heraus, daß das Parteipräsidium auch führend sein soll und arbeiten kann für die Zeit bis 1966, und nicht durch einen Beschluß von vornherein festzulegen, daß wir für diesen Zeitraum in der Parteiführungsspitze eine Änderung überhaupt nicht als diskutabel ansehen wollen, nur weil gegenwärtig die parlamentarische Opposition und unser Koalitionspartner den Herrn Bundesminister Blank bekämpfen. Ich möchte festhalten: Wenn wir Geschlossenheit und Kontinuität wahren wollen - das war die Form[el], die vorher gebraucht wurde -, dann müssen wir auch wirklich danach trachten, echte Geschlossenheit und echte Kontinuität herzustellen. Aber niemand in der Öffentlichkeit glaubt uns, wenn wir dieses Präsidium in der bisherigen Zusammensetzung wiederwählen, daß damit der Eindruck von Geschlossenheit und Einheit gegeben wäre, sondern ich würde sagen, man sieht es als eine Verkleisterung von Sachverhalten an, die jedermann bekannt sind. (Anhaltend starke Unruhe.) Ich glaube, daß es in der Öffentlichkeit und vor allen Dingen bei den Parteimitgliedern - denn das Plenum der Christlich-Demokratischen Union wählt hier, und nicht die Führung - sehr gut verstanden wird, wenn wir aus den geschilderten Gründen eine Änderung in der Zusammensetzung des Parteipräsidiums hinsichtlich unseres Freundes Blank vornehmen.

687 Nr. 15: 14. März 1964

Ich habe den Auftrag, Ihnen das vorzutragen. Ich habe den Auftrag, sofern der Bundesvorstand einen Beschluß fassen will, diesen Antrag zur Abstimmung zu stellen. Als Gegenvorschlag würde ich angesichts der Sachlage mit Genehmigung meines Vorstandes die Kandidatur von Herrn Katzer unterstützen. Adenauer: Herr Klepsch! Wenn ich Sie richtig verstanden habe, haben sie erklärt, Sie hätten nicht gewußt, als Sie in der Jungen Union diesen Beschluß gefaßt haben, daß die Sozialausschüsse ebenfalls einen Stoß nach dieser Richtung machen würden. {Klepsch: Ja, richtig!) Nehmen Sie es mir nicht übel, aber es ist doch sehr auffällig, daß Sie gegen denselben Mann vorgehen. {Unruhe und Bewegung. - Zurufe: Sehr richtig!) Das ist doch ein merkwürdiger Zufall. Nun nehmen Sie mir bitte ein offenes Wort nicht übel. So sehr ich mich darüber freue, daß die Junge Union tatkräftig und energisch ist - sie soll auch ruhig einmal eine andere Linie verfolgen als die Gesamtpartei -, aber in Personalfragen darf man nach meiner Meinung nicht sofort an die Presse gehen und das der gesamten Öffentlichkeit mitteilen. Das ist doch völlig unmöglich, Herr Klepsch, {Zurufe: Sehr richtig!) das der gesamten Öffentlichkeit mitzuteilen, zumal der betreffende Mann, um den es sich handelt, Herr Blank, wirklich im Kreuzfeuer der Kritik steht, auch bei den anderen. Brauksiepe: Die Frauen haben vor einigen Tagen auf ihrem Delegiertentag ihre große Verwunderung darüber zum Ausdruck gebracht, warum man mit solchen Dingen so früh an die Öffentlichkeit gegangen ist. Man war der Meinung, daß es sehr schwierig sei, ein Jahr vor der Bundestagswahl einen engagierten Mitarbeiter aus dem Präsidium herauszubugsieren. Außerdem glaube ich Ihnen nicht, daß Sie diesen Beschluß gefaßt hätten, ohne dabei an das Pech zu denken, daß wir mit dieser sozialen Gesetzgebung gehabt haben. Diese Auseinandersetzung ist doch offenbar entbrannt, nachdem wir mit diesen Gesetzen solche Schwierigkeiten gehabt haben. Ich darf für einen sehr großen Teil der Frauen erklären, daß wir es nicht für richtig halten, Herrn Blank zu dieser Zeit an diesem Ort und auf solche Weise zu entfernen. (Lebhafter Beifall) Dittmar: Auch ich habe einen Auftrag zu erfüllen, der sich im Laufe des zweiten Teils der Bundesvorstandssitzung, von der Herr Minister Lücke gesprochen hat, an der ich anwesend gewesen bin, ergeben hat. Ich darf vorweg sagen, daß es mir nicht leicht fällt, weil ich, wenn ich für diesen Vorschlag eintrete, praktisch gegen meinen Freund Blank vorgehe. Aber ich denke daran, was Hermann Ehlers15a am Grabe von Wilhelm Lübke16 gesprochen hat: „Wir sind nicht verpflichtet, einander bequem zu sein, sondern unseren Weg zu gehen und unsere Verantwortung wahrzunehmen." Das ist das Motiv, das mich ermutigt, hier zu dieser Sache zu sprechen. (Unruhe und Bewegung.) Man kann nämlich die Sache auch andersherum sehen, und zwar gerade

15a D. Dr. (1904-1954), 1949-1954 MdB (CDU), 1950-1954 Bundestagsprä- sident. Vgl. PROTOKOLLE 1 S. 73 Anm. 7. 16 Friedrich Wilhelm Lübke (1887-1954), 1951-1954 Ministerpräsident von Schleswig-Hol- stein. Vgl. PROTOKOLLE 1 S. 51 Anm. 28.

688 Nr. 15: 14. März 1964 im Hinblick auf die Wahl und sagen, auch für uns ist es bei der gegebenen Situation besser, hier eine Änderung vorzunehmen. Das Grundmotiv, warum sich die Sozialausschüsse zu diesem Entschluß durchge- rungen haben und diesen Vorschlag machen, ist das besondere Vertrauen der christ- lich-demokratischen Arbeitnehmerschaft zu Herrn Katzer, das sich auf zwei Punkte gründet, und zwar 1. auf die beachtlichen Verdienste Katzers in der Parteiarbeit, 2. auf das politische Ansehen, das Katzer in der Öffentlichkeit, insbesondere bei der Arbeitnehmerschaft, gewonnen hat. - Das darf eindeutig festgestellt werden. Zur Sache selber möchte ich sagen: 1. Es ist wichtig, daß wir unsere Parteispitze zunehmend frei machen von der Zucht der Koalitionsdisziplin, in der nunmehr unsere Minister stehen. 2. Es ist notwendig, daß gesagt wird, wenn jemand überfordert ist. Es ist wünschenwert, wenn hinter den Mitgliedern in dieser Parteispitze ein möglichst großer Kreis von politisch aktivierten und interessierten Männern steht. Es war die Meinung der Sozialausschüsse, daß es hier ausschließlich um ein Parteiamt geht und daß niemand daran denkt, die sozialpolitischen Verdienste von Herrn Blank zu kritisieren. (Lebhafte Unruhe. - Zuruf: Warum wollen Sie ihn denn nicht mehr?) Im Gegenteil, das wollen wir deutlich herausstellen, auch die Verdienste des früheren Bundesverteidigungsministers sind beachtlich. Aber das ist eine andere Ebene. Niemand denkt daran, die Person des Herrn Blank durch einen derartigen Vorschlag zu belasten. (Anhaltende Unruhe und Widerspruch. - Zurufe: Warum wollen Sie ihn denn nicht mehr wählen?) Es muß dem Wählerkreis der CDU gesagt werden, daß wir einen Mann herausstellen wollen, der zunehmend das Vertrauen gewonnen hat. Denken wir allein an die organisierte christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft und welche Bedeutung es hat, daß Herr Katzer im Jahre 1960 den Christlich-Demo- kratischen Arbeitnehmerkongreß17 zustande gebracht hat. Das sind alles Gründe, die zu einer beachtlichen Popularität von Herrn Katzer führten. Außerdem sind wir der Meinung, es kann nichts schaden, wenn die FDP weiß, daß wir uns nicht in jeder Beziehung nach ihren Wünschen richten, und dazu ist ein Wechsel in der Parteispitze durchaus eine geeignete Möglichkeit. (Anhaltende Unruhe und Bewegung.) Ich möchte noch ein anderes Moment erwähnen, nämlich die Wahlanalysen, die für die künftigen Wahlen von Bedeutung sind. Bei der Industrie- wählerschaft haben wir große Gewinne gehabt. Wir müssen damit rechnen, daß wir 76 % unserer Wähler von den Arbeitern, Angestellten und Beamten bekommen, das heißt, wenn es uns gelingen sollte, die verlorenen 6,5 % bei diesen Kreisen wieder einzuholen, würde sich die Stimmenzahl in unserer Partei insgesamt um 5 % erhöhen. Das sind Ziele, die wir erstreben müssen. Wir sind der Meinung, daß wir hier beachtliche Erfolge durch die Mitarbeit von Herrn Katzer im Präsidium erreichen können. (Lebhafte Unruhe.) Ich bitte Sie, diese Gedanken zu erwägen, wenn Sie hier eine Entscheidung oder eine Vorentscheidung treffen. Die Sozialausschüsse werden

17 Vgl. Nr. 1 Anm. 30 (Unterlagen in ACDP IV-013. Bericht in UiD Nr. 13/14 vom 31. März 1960 S.4).

689 Nr. 15: 14. März 1964 sonst Sorgen haben und je nach dem Ergebnis dieser Beratungen ihre Überlegungen weiter anstellen. (Anhaltende Unruhe.) Adenauer: Das Wort hat Herr Klepsch. Klepsch: Ich wollte noch etwas zur Frage der Öffentlichkeit sagen. Das habe ich eben vergessen. Es handelt sich darum, daß der Vorstand der Auffassung war, daß kein Anlaß bestehe, einen solchen Beschluß, der von einem großen Gremium gefaßt wird, ängstlich geheim zu halten; denn ans Tageslicht kommt er sowieso. Ich habe aber nicht darauf die Presse informiert, sondern es hat sich durch einen Kontakt zwischen der Bundesgeschäftsstelle und der Jungen Union mit der Presse dann diese Fühlung ergeben. So ist die Situation. Ich darf sagen, daß ich mich zu meiner Auffassung voll bekenne, und zwar aus folgendem Grund: Ich halte es nicht für unseren Schaden, wenn bekannt wird, daß über eine solche Frage verschiedene Meinungen bestehen; denn sonst ist die Überraschung auf dem Bundesparteitag noch sehr viel größer. Zu kritisieren wäre, daß wir uns nicht in der letzten oder der vorletzten Bundes- vorstandssitzung mit dieser Frage beschäftigt haben. (Lücke: Das habe ich getan.) Ich war nicht dazu bevollmächtigt, aber ich hätte erwartet, daß das Präsidium uns seine Gedanken vorgetragen hätte. Ich darf in aller Offenheit sagen: Sich einige Stunden vor dem Bundesparteitag zusammenzusetzen und darüber zu beraten, ob das Präsidium in unveränderter Form wiedergewählt wird oder nicht, das ist eben außerordentlich kurzfristig. So sind wir also in große Zeitnot gebracht worden, und unsere Möglichkeiten, uns dazu zu äußern, sind nun außerordentlich begrenzt. Wie sollen die Delegierten erfahren, was wir denken. (Starke Unruhe und Bewegung.) Hinsichtlich des Pechs mit der Sozialgesetzgebung leuchtet uns ein, daß wir uns zu überlegen haben, welche politischen Schwierigkeiten auch in diesem Rahmen für unseren Parteifreund Blank entstehen. Wir sind bereit, der Entscheidung des Parteitages zuzustimmen, die sich zu der Arbeit des Herrn Blank bekennt im Hinblick auf die Schwierigkeiten, die wir mit der Koalition haben, aber das hat nichts zu tun mit der Notwendigkeit, im Parteipräsidium - ich bin hier der Auffassung wie Herr Dittmar - eine Änderung vorzunehmen. (Starke Unruhe und Bewegung.) Wenn von einem Vergleich gesprochen wird, dann muß ich sagen, wenn jemand auf die Idee käme und etwa vorschlüge, den Bundeskanzler aus dem Parteipräsidium herauszuwählen, dann würde ich einem solchen Vergleich nicht folgen können. Das ist aber hier nicht der Fall. Ich möchte sagen, gerade wegen der Wahl im Jahre 1965 bin ich der Auffassung, im Parteipräsidium die Einheit und Geschlossenheit der CDU der Öffentlichkeit und der Mitgliedschaft, aber auch unseren Koalitionspartnern gegenüber ganz deutlich zum Ausdruck zu bringen. Ich darf Sie darum bitten, von den persönlichen unangenehmen Begleiterscheinungen abzusehen und nur das Interesse der Partei zu sehen. (Lebhafter Widerspruch. -Zurufe: Wir sehen auch das Interesse der Partei! -Anhaltende Unruhe.) Das Interesse der Partei liegt darin, an unserer früher geübten Praxis festzuhalten, daß nämlich im Präsidium integrierender Bestandteil sein sollte ein Mitglied, welches das absolute Vertrauen des Arbeitnehmerflügels der Christlich-Demokratischen Union

690 Nr. 15: 14. März 1964 genießt. Das würde die Einheit und Geschlossenheit der CDU demonstrieren. (Unruhe und Widerspruch.) Barzel: Ich muß etwas zur Debatte beitragen. Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen Regierungs-, Partei-, Sach- und Personenfragen. Aber für die Öffentlichkeit und die Wirklichkeit des Wahlkampfes ist das ein und dieselbe Sache. Bezüglich des Sozialpaketes ist es uns gelungen, das Kindergeldgesetz nach unserer Konzeption zu verabschieden. Die Verhandlungen stehen aber so - und das ist das Argument, das ich Ihnen vortragen muß -, daß die weiteren Gesetze nicht so zustande kommen, wie wir es gerne möchten. Wir können dann sagen, es liegt an der FDP. Aber es ist unmöglich, dann zugleich zu sagen: Weil es an der FDP gescheitert ist, deshalb mußten wir Herrn Blank fallenlassen. Wir können zwar unter uns hier differenzieren, aber in der Öffentlichkeit gibt es nur eines von beiden: Entweder ist es gescheitert an uns oder am Koalitionspartner. Hier aber noch zu differenzieren, das kann der Wähler im nächsten Jahr nicht verstehen. Darauf wollte ich hinaus. Even: Mir ist vor einer halben Stunde der Inhalt des Schreibens der Sozialaus- schüsse bekannt geworden. Damit will ich nicht sagen, daß die Sozialausschüsse und auch die Junge Union nicht das Recht hätten, solche Anträge zu stellen, aber das Gremium, das am Dienstag hier tagt, muß doch entscheiden. Da sehe ich folgende Schwierigkeiten: Wenn man sagt, dieser Antrag soll kein Mißtrauen gegen Herrn Blank, gegen seine Ministertätigkeit sein und hat auch nichts mit dem Sozialpaket zu tun, dann halte ich das nicht für richtig. Das kann man doch in dieser Stunde nicht trennen. (Zurufe: Sehr richtig!) Nun möchte ich sagen, daß breite Schichten der Bevölkerung mit dem Kompromiß im Sozialpaket nicht einverstanden sind, aber ich darf gleichzeitig feststellen: Ich habe selten erlebt, daß ein Mann so gehetzt und so diffamiert worden ist wie Theodor Blank. (Lebhafter Beifall.) Das haben wir ja kaum in der Weimarer Republik erlebt, und diese Methode mache ich nicht mit! (Zurufe: Sehr richtig!) Wenn wir in dieser Stunde eine solche Entscheidung treffen, dann gilt sie auch für sein Wirken als Arbeitsminister, und er bekommt einen weiteren Stoß von uns. Ich halte diese Stunde nicht für geeignet, eine solche Entscheidung zu treffen. Wenn die Notwendigkeit besteht und es im Interesse der Partei erforderlich ist, sollte man den Mut zum Wechsel haben, aber hier kann man doch die Frage stellen: Was ist denn für die Gesamtsituation besser, einen solchen Sturz vorzunehmen mit einer vielleicht ganz knappen Mehrheit, oder zu sagen, die Stunde ist denkbar ungeeignet dafür? (Zurufe: Sehr richtig!) Nun wird immer von der Einheit und Geschlossenheit gesprochen. Wenn der Antrag zurückgezogen würde, wäre die Einheit schnell da. Sie können doch nicht vom Bundesvorstand erwarten, daß er sich darauf einigt: Wir lassen den Blank gehen und nehmen dafür den Katzer, mit dem wir gut zusammenarbeiten! Also, diese Einigkeit ist nicht zu machen, insbesondere dann nicht, wenn wir über zwei Vorschläge diskutieren. Wenn hier damit operiert wird, daß eine andere Entwicklung hätte eintreten können, so muß ich sagen, daß Herr Blank jahrelang ein Ministerium verwaltet hat, das

691 Nr. 15: 14. März 1964 zu den schwersten Ministerien gehört. Und wenn er einmal danebengeschlagen hat - das kann doch dem Besten passieren -, sollten wir gerechterweise seine Leistungen anerkennen. (Lebhafter Beifall.) Noltenius: Ich habe keinen Auftrag, sondern sage meine eigene Meinung. Ich schließe mich den Vorrednern an, die gesagt haben, wir würden einen Fehler machen, wenn wir Herrn Blank abwählen. Diejenigen, die einen Wechsel wollen, hätten eher kommen müssen. Am 25. Februar 1964 war dazu Gelegenheit im Kreise des Bundesvorstandes. Da ist nichts geschehen, obwohl - wie ich vermute - das Netz längst geknüpft war. Wir sind natürlich in unserer Entscheidung gezwungen, ein- mal Rücksicht zu nehmen auf die Regierung, nämlich keine Wahl zu treffen, die Schwierigkeiten herbeiführt, und auf der anderen Seite sind wir davon abhängig, wie die Meinung der Delegierten dieses Parteitages ist. Wir müssen sehen, daß wir eine Lösung finden, die uns nicht eine Blamage bringt. Und da möchte ich sagen: Es wäre verkehrt, Herrn Blank durch denjenigen zu ersetzen, der an seiner Stelle vorgeschlagen ist, der auch nach meinem Eindruck nicht unbeteiligt ist an den Schwierigkeiten, die Herr Blank in den letzten Monaten gehabt hat. Aus diesem Grunde bin ich der Meinung, daß Herr Blank bleiben sollte. (Beifall) Dittmar: Herr Noltenius hat gesagt, am 25. Februar sei das Netz bereits geknüpft gewesen. Ich möchte für die überwältigende Mehrheit aus dem Hauptvorstand der Sozialausschüsse und auch für mich hier entschieden widersprechen. Diese Ange- legenheit ist in der Sitzung vor acht Tagen konkret behandelt worden. Ich möchte mich in dieser Hinsicht Herrn Klepsch anschließen. Es wäre richtiger gewesen, wenn derartige schwierige Probleme frühzeitiger vor dem Bundesparteitag erörtert worden wären. Dann wäre das nicht aufgetreten, was Sie, Herr Noltenius, mit einem gewissen Recht kritisiert haben. Was die Vorwürfe betrifft, so muß ich sagen, es ist nicht wahr, daß die Sozial- ausschüsse Herrn Blank geschädigt bzw. seine Tätigkeit untergraben hätten. Es ist um die Dinge hart gerungen worden, aber es muß doch auch möglich sein, daß die christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft sagen kann, daß vieles von dem, was Herr Blank tut, in weiten Kreisen der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft als völlig untragbar angesehen wird. Und diese Situation hat eine Fülle von Leuten veranlaßt zu sagen, wir müssen eine andere Verbindung zur Arbeitnehmerschaft haben. Deshalb dieser personelle Vorschlag. (Unruhe und Bewegung.) Wir sind bereit, bis zur Wahl und darüber hinaus die Tätigkeit unseres Freundes Blank in der Öffentlichkeit weiter zu vertreten, (Anhaltende Unruhe und Widerspruch. - Zurufe: Aber Sie wollen ihn nicht mehr! - Weiterer Zuruf: Welch ein Widerspruch!) aber wir müssen in diesen Dingen Klarheit haben und erkennen, welches Echo seine Politik gehabt hat. (Anhaltende Unruhe und Bewegung.) Adenauer: Sind Sie der Auffassung, daß Sie mit diesen Ausführungen der Bundestagswahl im Jahre 1965 förderlich gewesen sind oder nicht? (Unruhe und Bewegung.) Können Sie sich vorstellen - es bleibt doch nicht geheim, was Sie gesagt

692 Nr. 15: 14. März 1964 haben -, daß die Sozialausschüsse mit der Politik des Herrn Blank in vielen Punkten nicht einverstanden gewesen sind? (Dittmar: Doch!) Aber wie soll denn noch eine fruchtbare Arbeit des Herrn Blank möglich sein, wenn Sie gleichzeitig sagen, Sie seien aber bereit, die Tätigkeit des Herrn Blank zu vertreten und weiter mit ihm zusammenzuarbeiten? (Unruhe und Bewegung. -Zurufe: Alles widerspruchsvoll!) Das paßt doch nicht zusammen! (Anhaltende Unruhe.) Ich möchte Sie, meine Herren, gerade auch von der Arbeitnehmerschaft, darum bitten, denken Sie doch an den Ausgang der Wahl im Jahre 1965, und führen Sie jetzt nicht ziemlich abrupt einen Ministersturz herbei! (Zurufe: Sehr richtig!) Denn das tun Sie doch. Denken Sie daran, daß dann innerhalb von fünf Monaten der zweite CDU-Minister des Kabinetts Erhard gehen müßte. Das ist einfach aus parteipolitischen Gründen nicht tragbar. Deshalb müssen Sie auch diese Einsicht haben. Uns liegt doch allen das Interesse der Partei am meisten am Herzen, weder die Person des Herrn Blank noch die Person des Herrn Katzer, sondern das Interesse unserer Partei. Deswegen sollten Sie Ihren Beschluß noch einmal nachprüfen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie zu dem Ergebnis kämen, diese Frage jetzt zurückzustellen. Schwarzhaupt: Wenn wir jetzt einen Minister, der von den anderen Parteien stark beschossen wird, aus dem Parteipräsidium herausnehmen, dann kann das in der Öffentlichkeit nur zwei Deutungen haben. Die eine Deutung ist die, die CDU rückt von der Politik, die der Minister bisher vertreten hat, ab. Und das bedeutet, die CDU ist in sich uneins. Sie rückt von der bisherigen Politik ab. Wir nehmen damit der FDP, die ein ganz großes Stück Verantwortung an den Schwierigkeiten von Herrn Blank hat, die Verantwortung ab. Die andere Deutung könnte sein, die CDU bleibt bei ihrer Politik, aber sie serviert einen Mann ab aus Gründen, die nicht an ihm und seiner Politik liegen, der aber große Schwierigkeiten gehabt hat. Diese Deutung ginge in der Öffentlichkeit auch zu Lasten der CDU. Deshalb warne ich dringend davor, im Augenblick hier einen Wechsel vorzunehmen. (Beifall.) Klepsch: Herr Partei Vorsitzender! Ich darf an Ihr Wort von vorhin anknüpfen. Auch bei unseren Überlegungen sind wir davon ausgegangen, daß es darum geht, das Beste für die Christlich-Demokratische Union zu tun, um die Wahl 1965 zu gewinnen. Nur sind wir hier zu einem anderen Ergebnis gekommen, nämlich zu dem entgegengesetzten, daß wir der Auffassung sind, es wäre die beste Lösung für uns, wenn wir diesen zwangsläufig auf uns zukommenden Schnitt in unserem Parteipräsidium jetzt tun. Wenn wir ihn bis 1966 verlegen, dann ist es nichts mit den Möglichkeiten, die sich aus einer Veränderung jetzt ergeben. Herr Blank bleibt ja im Parteivorstand. Er bleibt kraft seiner Eigenschaft als Mitglied der Bundesregierung Mitglied des Bundesvorstandes. (Unruhe und Bewegung. - Zurufe: Er kann nicht Minister bleiben!) Dann frage ich mich, muß denn jeder, der Minister wird, aus diesem Grunde dem Parteipräsidium angehören? (Starker Widerspruch und anhaltende Unruhe. - Verschiedene Zurufe: Nein! - Schmidt: Sie verdrehen die Politik! - Zuruf: Sie widersprechen sich dauernd!) Meine Herren! Ich kann nicht dem Satz zustimmen,

693 Nr. 15: 14. März 1964 daß diese Person diejenige wäre, die unentwegt im Präsidium sein muß, sondern es ist eine Frage, welches ist die bestmögliche Parteiführungsspitze für die Christlich-Demo- kratische Union? Es kommt darauf an, welche Kräfte wir hier integrieren. (Unruhe und Bewegung.) Und wenn wir nach außen Einigkeit demonstrieren wollen, dann müssen wir vor allen Dingen auch nach innen die Geschlossenheit der Partei herstellen. Und das tun wir nur, wenn wir den realen Gegebenheiten der Christlich-Demokratischen Union Rechnung tragen. (Unruhe.) Darüber können wir nicht hinweggehen. Wir haben doch bestimmte Gruppen in der Partei. Man kann nicht der Meinung Ausdruck geben, daß man hier jemanden desavouiert, wenn man ihn nicht mehr wählt. (Unruhe.) Es ist wiederholt gesagt worden, es sei hier ein Netz gesponnen worden. Sie wissen, daß sich der Vorstand der Jungen Union aus verschiedenen Gruppen zusam- mensetzt. Und wenn er nun nach eingehenden Überlegungen in dieser Frage zu einem einstimmigen Beschluß gekommen ist, so hat doch das nichts mit irgendwelchen Netzknüpfereien zu tun. Das mag irgendwo anders möglich sein. (Unruhe und Widerspruch.) In einem solchen Gremium ist das ausgeschlossen! Deshalb müssen sie unsere Überlegungen auch als ernsthaft anerkennen und uns zuerkennen, daß wir Ihnen, dem Parteiausschuß und dem Parteitag eine Alternative vortragen. Selbst wenn die Sozialausschüsse dem Herrn Parteivorsitzenden folgen würden, müßte ich darauf beharren, daß wir hier eine Abstimmung vornehmen und auch im Parteiausschuß. Dazu bin ich ausdrücklich beauftragt. (Unruhe und Bewegung.) Gerstenmaier: Ich habe heute mit einigem Mißvergnügen die deutsche Presse gelesen. In der größten deutschen Tageszeitung „Die Welt" stehen folgende Sätze: „Unter war die Partei kaum mehr als eine Vereinigung für Äm- terpatronage und gutwillige Anhänger. Eine Geburtsstätte hochfliegender politischer Ideen und geistiger Grundsätze ist sie schon lange nicht mehr. Die CDU - das ist die Regierung, im Bund vor allem und in einigen Ländern. Ihre Kraft leitet sie daraus ab, daß sie politisch herrscht und mit ihrem Pfund wuchern kann in einer Zeit, in der auf beispiellose Weise Sicherheit und Wohlstand geschaffen wurden. Das erschien ihr wichtiger als die geistige Erneuerung von Staat und Gesellschaft. Ein eigentliches Leitbild fehlte der Union, die Partei hat es nie entwickelt."18 Das ist der Ton, den man über uns führt. Und das wird am Anfang unseres Parteitages in der deutschen Presse formuliert! Vor diesem Hintergrund bitte ich Sie, einmal zu überlegen, was wir auf diesem Parteitag tun und wem wir auf diesem Parteitag unsere Stimme geben. Ich nehme deshalb diese Anträge geziemend ernst. Das sage ich ganz offen. Ich habe Verständnis dafür, daß in einer politisch verantwortlichen Partei schließlich das Grundgesetz der Politik gilt, wonach der Erfolg entscheidet. Das ist kein schlechtes Rezept. Aber hier hilft es nichts. Ich könnte verstehen, wenn hier der eine oder andere - wie ich es tun konnte - sagen würde: Der Theo Blank ist mein Freund, ich

18 „Die Welt" vom 14. März 1964 „Das Kreuz der CDU" von Kurt BECKER.

694 Nr. 15: 14. März 1964 habe große Bewunderung für ihn. Aber ich gebe offen zu, daß ich schwerlich ein solches Maß an Demut aufgebracht hätte wie er. Nach dem, was ich erlebt habe, kann ich nur sagen, ich hätte das getan, was ich ihm am 4. Februar, dem Geburtstag des Bundeskanzlers ... (Von Hassel: Das ist der 5. Januar!) Der Bundesverteidigungsminister ist mir mit seiner Düsenjägergeschwin- digkeit voraus. (Heiterkeit.) Ich muß mich verbessern, der Herr Altbundeskanzler hat am 5. Januar Geburtstag. Aber es war am 4. Februar, dem Geburtstag des neuen Bundeskanzlers, das weiß ich ganz genau. Damals habe ich Theo Blank gesagt: Du bist mein Freund - es sitzen genügend Mitglieder des Fraktionsvorstandes hier, die das bestätigen können -, ich stehe persönlich zu Dir, aber Deine Entscheidung mit der Krankenkasse usw. halte ich für falsch. Die gefällt mir nicht. Hier bin ich anderer Meinung. Deshalb kann ich Deinem Kompromiß nicht zustimmen. Ich würde an Deiner Stelle zurücktreten, weil ich mit der sachlichen Lösung unter keinen Umständen einverstanden bin. Aber Theo Blank hat seine sachlichen Gründe - das muß ich zugeben -, die man respektieren muß. Vor einem Mann, der sich wie Theo Blank in seinem Amt unter großer Mühsal dieser seiner Sache verschrieben hat, habe ich großen Respekt. Dennoch würde ich Ihren Antrag, meine Herren, etwas in Schutz nehmen, das sage ich ganz offen, und zwar dann, wenn er eine sachlich neue Orientierung der Gesamtpartei zum Ausdruck brächte! (Zurufe: Sehr richtig!) Aber das tut er ja nicht, Herr Klepsch! (Zurufe: Sehr richtig!) Ich finde Ihren Antrag einfach inkonsequent. Sie können doch nur sagen: Wir wollen dieser Linie von Theo Blank nicht folgen, und deshalb muß der Mann weg. Wir wollen eine andere Politik an dieser Stelle haben. - Man kann aber nicht sagen: Der Mann muß weg, aber sachlich stehen wir weiter zu ihm; sachlich wollen wir uns nicht von ihm trennen. Das hätte doch zur Folge, er muß aus dem Präsidium hinaus, aber der Bun- deskanzler muß ihn im Interesse der Parteipolitik bis zur nächsten Wahl verkraften. (Zurufe: Sehr richtig!) Und das hat keinen Zweck, meine Damen und Herren! Wenn man sich schon diese Mühe macht und so weit ins Gefecht geht, dann muß man auch konsequent sein, wenn man einen solchen Antrag stellt. Wenn Sie also auf Entfernung von Blank bestehen wollen, dann tun Sie es, aber bitte nicht im Zusammenhang mit einer persönlichen Insuffizienz, das wäre ungerecht, sondern sagen Sie: Wir meinen damit eine andere polititische Orientierung in dieser Sache. (Beifall.) Und dann steht dieser Parteitag vor der Frage, welche Orientierung soll es sein? (Lücke: So ist es!) Dann stehen wir vor der Frage, was heißt heute sozialer Rechtsstaat? Dann werden Sie sehen, es geht ganz schnell auf den eigenen Nerv, auch hinsichtlich der Koalition. Dann stehen wir vor der Frage, wo ist die Trennung zwischen uns und den Sozialdemokraten. Lassen Sie sich doch bitte nicht das Bild verzerren durch den Ärger mit der FDP. Wenn wir eine klare Linie finden - und ich frage Sie, ob Sie sie haben -, dann lassen Sie uns darüber diskutieren. Dann stehen wir aber vor der Frage, ob Herr Blank mit einer solchen Linie einverstanden ist. Wenn Sie ihn jetzt abwählen, so heißt

695 Nr. 15: 14. März 1964 das, ihn persönlich zu disqualifizieren. (Lücke: Sehr richtig!) Mit Ihrer politischen Erörterung - das muß ich leider sagen - sind Sie auch noch nicht soweit, daß Sie klipp und klar sagen könnten, so und so soll die politisch-programmatische Linie für diese Partei sein. Soweit sind Sie noch nicht. Und solange sie das nicht haben, erlaube ich mir, Sie zu bitten, den Vorschlag des erfahrenen Vorsitzenden dieser Partei noch einmal zu erwägen, nämlich die Sache zu überlegen, oder wollen Sie darauf bestehen, daß die Sache hier auf diesem Parteitag ausdiskutiert wird? Wenn Sie es wollen, dann würde ich darum bitten, daß Sie Ihr Maximum tun, um aus Ihrer Inkonsequenz herauszukommen; denn einerseits wollen Sie ihn abwählen, aber andererseits sagen Sie, politisch und sachlich sind wir mit ihm einverstanden. Und das paßt doch nicht zusammen! (Zurufe: Sehr richtig!) Solange Sie also in diesem Dilemma sind, bin ich der Meinung, daß die CDU nichts davon hat, wenn dieses Thema heute auf dem Parteitag nur unbefriedigend geregelt wird, weil ja sachlich doch nichts dabei entschieden wird. (Beifall.) Dittmar: Herr Bundeskanzler! Sie haben mich gefragt, ob ich geglaubt habe, mit meinen Ausführungen der Wahl im Jahre 1965 zu dienen. Ich glaube, diese Frage stand als solche nicht zur Debatte. Aber ich bitte Sie, davon überzeugt zu sein, daß es sowohl mein persönliches Anliegen, aber auch das Anliegen meiner Freunde ist, der Wahl im Jahre 1965 zu dienen. Ich habe dargestellt, daß in weiten Kreisen unserer Arbeitnehmerschaft eine große Unzufriedenheit über die eingeschlagene Politik von Herrn Blank besteht. (Unruhe und Bewegung.) Wir wollen nicht die Konsequenzen ziehen, die Herr Dr. Gerstenmaier empfohlen hat, aber diese Wünsche, die wir vorbringen, müssen an der obersten Stelle gehört werden. Wäre das bislang der Fall gewesen, dann wäre manche dieser Beschwerden aus unseren Wählerkreisen nicht gekommen. Rasner: Ich möchte als Kronzeuge etwas zu dem sagen, was Herr Barzel aus- geführt hat. Die Sozialausschüsse haben in der Ziffer 2 ihres Antrages geschrieben: „Der Parteitag stellt fest, daß aus Gründen, die die CDU nicht zu vertreten hat, unsere ständig erhobene Forderung nach einer modernen Gesellschaftspolitik nicht verwirklicht werden konnte." Herr Dr. Barzel hat gesagt, es gibt nur eine Entschuldigung für die Öffentlichkeit: Entweder machen Sie die CDU (Herrn Blank) oder die FDP verantwortlich. In Ihrem Antrag sagen Sie, die CDU sei es nicht. Insofern besteht doch in Ihrer Forderung auf Rücktritt von Herrn Blank eine Inkonsequenz. (Zurufe: Sehr richtig! - Zuruf: Das hat Herr Gerstenmaier schon gesagt! - Unruhe und Bewegung.) Lücke: Ich muß jetzt auch darüber sprechen. Es sind sehr viele Gruppen bei mir gewesen, die mich gebeten haben, gegen Herrn Blank zu kandidieren. Es ist der Ärger über das Sozialpaket usw., aber noch mehr ist es der Ärger über eine nicht gelungene politische Lösung. Herr Blank hat eine Konzeption vorgelegt, die die Regierung über zwei Legislaturperioden lang getragen hat. Keiner hat diese Konzeption bekämpft. Nun war sie nicht durchsetzbar im Parlament, weil wir nicht die Mehrheit hatten, und wir scheiterten damit. Nun richtet sich der ganze Groll gegen den Repräsentanten,

696 Nr. 15: 14. März 1964 der diese Politik vertreten hat. Wenn wir jetzt Herrn Blank abwählen, sagen wir damit Nein zu dieser politischen Konzeption. {Zurufe: Sehr richtig!) Es ist auch nicht, Herr Dittmar, so, daß Sie in dieser Weise verbindlich im Auftrage der Sozialausschüsse sprechen könnten. Die Sozialpolitiker haben alle miteinander eine große Sorge. Herr Dr. Barzel hat sie charakterisiert. Die Entfernung oder Abwahl eines Mannes, der viele Jahre lang diese Politik vertreten hat, bedeutet doch im Volke, die CDU macht jetzt auf diesem Gebiet eine andere Politik. Sie bedeutet für den Bundeskanzler, daß er bis zur Wahl von dieser Politik nichts mehr durchsetzen kann. Ob wir dann besser verfahren, das bezweifele ich sehr. Wir werden keine neue politische Lösung bekommen, und wenn wir noch so viel „Vertreter" von Blank haben. Darum mein Nein zur Gegenkandidatur von Blank, und zwar um der Kontinuität der Partei willen. Wir brauchen Ruhe. Wir haben genügend Regierungswechsel gehabt. Die Bevölkerung erwartet, daß wir in der Sache zu vernünftigen Entscheidungen kommen. Herr Klepsch! Als wir in der fraglichen Bundesvorstandssitzung mit Ihnen zu- sammen den Ersten Bundesvorsitzenden und den Geschäftsführenden Vorsitzenden wiederum zur Wahl vorschlugen, haben Sie kein Wort über die Nachfolgefrage von Herrn Blank gesagt, aber einige Tage später gehen Sie an die Öffentlichkeit mit diesem Vorschlag! {Zurufe: Sehr richtig!) Ich habe also Ihren Weg zu kritisieren. Es wäre doch viel besser gewesen, umgehend den Bundesvorstand einzuberufen, damit er über diese Frage sprechen konnte. Ich bin von vielen Leuten angesprochen worden. Wenn dieser Bundesvorstand nicht zu einer guten Lösung kommt, gibt es ein großes Durcheinander auf dem Parteitag. Das wäre auch nicht gut für Herrn Katzer, wenn er unter solchen Umständen gewählt würde. Dieser ganze Widerspruch hier dient doch letztlich nur der Opposition. {Zurufe: Sehr richtig!) Es waren die sozialdemokratischen Zeitungen, die den Vorschlag „Lücke gegen Blank" auf der ersten Seite gebracht haben. Ich weiß, daß diese Meinung besteht, aber wenn ich unsere Freunde nach dem Grund gefragt habe, dann hat keiner eine neue Politik begründen können. Die Herren Klepsch und Dittmar haben sie auch nicht begründet. Natürlich bestehen in den Methoden Meinungsverschiedenheiten. Ich würde also darum bitten, hier zu einem vernünftigen Vorschlag zu kommen. Wenn es heute nicht gelingt, sollte sich der Vorstand noch einmal mit dieser Frage befassen. Adenauer: Es ist eben ein böses Wort gefallen, Herr Dittmar. Sie haben gesagt, daß die christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft mit der Politik des Herrn Blank nicht einverstanden sei. {Dittmar: Daß eine Reihe von Beschwerden erhoben worden sind!) Mit anderen Worten, sie seien mit dieser Politik des Herrn Blank nicht einverstanden! Ich möchte das unterstreichen, was Herr Lücke gesagt hat. Die CDU/CSU hat dieselbe Politik während zweier Sessionen im Bundestag vertreten. Und jetzt wollen Sie ausgerechnet kommen und sagen, wir sind nicht damit einverstanden. Dann hätten Sie das doch gefälligst früher sagen können, aber nicht in diesem Augenblick, wo wir beinahe schon ein Jahr vor der nächsten Wahl stehen. (Unruhe und Bewegung.) Hören

697 Nr. 15: 14. März 1964

Sie auch bitte zu, Herr Dittmar! Ich möchte nicht die Erklärung in die Öffentlichkeit getragen sehen, daß die christliche Arbeiterschaft nicht einverstanden sei mit der Politik des Herrn Blank. Das ist eine sehr böse Erklärung. Sie würde ganz sicher von den Sozialdemokraten im Wahlkampf aufgegriffen und uns um die Ohren gehauen werden. Das ist doch totensicher. Und weder Sie noch Herr Katzer noch Herr Blank hätten irgend etwas von diesem ganzen Krach und Streit. Ich muß es leider sagen, seit Monaten habe ich mich darüber gewundert und geärgert, daß in einer Fraktion ein solcher Stunk und persönlicher Krach war. Das ist doch für jede Fraktion Gift. Deshalb bitte ich Sie sehr herzlich, überlegen Sie sich die Sache noch einmal. Sie haben doch gehört, die große Mehrheit der hier versammelten Damen und Herren ist nicht geneigt, Ihrem Vorschlag stattzugeben. Eine Abstimmung hier möchte ich auch vermieden sehen im Interesse des Herrn Katzer. Sie haben doch herausgefühlt, wie die Situation ist. Ich halte es für klug, daß auch Sie sich die Situation noch einmal überlegen und uns im Laufe des Parteitages mitteilen, ob Sie diesen Antrag bis auf weiteres zurückstellen. (Gerstenmaier: Das gilt für die Junge Union und für die Sozialausschüsse!) Kann ich das Einverständnis der großen Mehrheit dieser Versammlung feststellen, daß sie der Auffassung ist, diese Frage sollte noch einmal überlegt werden von den Herren der Arbeitnehmerschaft und der Jungen Union? Wir wollen diese Frage jetzt nicht entscheiden. (Zustimmung.) Gerstenmaier: Verehrter Herr Vorsitzender! Ich versuche jetzt, mich einen Augen- blick lang in diese Mandatsträger hineinzuversetzen, die beide entgegen dem Arti- kel 38 des Grundgesetzes19 hier beteuert haben, daß sie im Namen und im Auftrag ihrer Gremien, der Jungen Union und der Sozialausschüsse, sprächen. Ich verstehe, daß es für die Herren nicht angenehm ist, wenn sie zurückkommen in ihre Gremien und sagen müssen, man hat über unseren Antrag nicht abgestimmt, und die Kritiker haben keinen Gegenvorschlag gemacht. Ich möchte jetzt einen Versuch machen, damit wir weiterkommen, Herr Bundes- kanzler, und zwar bitte ich Sie, doch einmal zu überlegen, daß Präsidialsitze keine Erbhöfe sind. Herr Seebohm hat, als er in diesem Land noch machtvoll eine andere Partei vertreten hat, einmal in einem Brief geschrieben: Die CDU hat keinen Anspruch auf Erbhöfe. - Heute ist er anderer Meinung. Das verstehe ich. (Seebohm: Man kann doch auch hinzulernen. - Heiterkeit. - Unruhe). Ich verstehe, wenn in dieser Partei der Grundsatz gilt, auch Präsidialsitze in der CDU sollen keine Erbhöfe sein, aber ich halte es für völlig ausgeschlossen, daß man den Theo Blank abwählt als Minister und sich dabei noch etwas verspricht für die Verbesserung einer sachlich ohnehin unerhört schwierigen Situation. Das ist doch ganz unmöglich. Nun passen Sie auf, was ich vorschlage! Wenn Sie der Meinung sind, daß Herr Katzer unbedingt in dieses Präsidium hinein soll, dann lassen Sie ihn in Gottes Namen

19 Nach Art. 38 GG sind die Bundestagsabgeordneten als „Vertreter des ganzen Volkes an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen".

698 Nr. 15: 14. März 1964 hinein! Ich verlange nicht, daß das Präsidium zu einem Wasserkopf gemacht wird. Und wenn Sie es genau wissen wollen, so traue ich mir zu, aus diesem Präsidium auszuscheiden, ohne daß ich mein Gesicht damit verliere. Also, meinen Platz können Sie haben! (Starker Widerspruch. -Lebhafte Unruhe und Bewegung.) Meine Herren! Niemand in diesem Präsidium kann sich so leicht wie ein Parlamentspräsident von einer Parteiführung distanzieren, ohne daß er dabei disqualifiziert wird; (Anhaltender Widerspruch und lebhafte Unruhe) das heißt, meinem Amt schadet es nichts. Und das ist der große Unterschied zu Theo Blank und zu jedem anderen, der in diesem Präsidium sitzt. Insofern ist es also kein Edelmut, sondern ganz einfach ein radikales politisches Kalkül. (Anhaltende Unruhe und Bewegung.) Adenauer: Verehrter Herr Bundestagspräsident! Nehmen Sie es mir nicht übel, auch die Damen bitte nicht, aber die Wahl zum Bundestagspräsidenten bedeutet keine politische Kastration. (Gerstenmaier: Eine parlamentarische Distanz von der Parteiführung her ist dem Bundestagspräsidenten immer wieder auferlegt!) Herr Gerstenmaier liebt überraschende Beschlüsse, indem er sein Mandat angeboten hat. Ich nehme an, er verzichtet darauf, und wir lassen es ihm. (Gerstenmaier: Sie können es Herrn Katzer überlassen! - Anhaltender Widerspruch und Unruhe.) Ich möchte nicht den Herrn Katzer dadurch abgewertet haben, daß seine Wahl abgelehnt wird. Ich möchte aber auch nicht, daß nun Herr Blank, der doch die Politik dieser Partei bisher vertreten hat, abgewertet wird. Daraus ergibt sich, daß die Herren noch einmal überlegen, ob auf ihre Entschließungen nicht verzichtet werden kann. Klepsch: Ich will auf Ihren Vorschlag eingehen, Herr Bundeskanzler, und werde mit meinem Vorstand noch einmal darüber sprechen. Ich kann aber nicht dem Vorschlag des Herrn Bundestagspräsidenten entsprechen. (Gerstenmaier: Ich verliere das Gesicht dabei nicht!) Adenauer: Herr Klepsch! Ich danke Ihnen für diese Erklärung. Ich bitte Sie noch darum, daß Sie uns bis morgen früh Ihre Meinung sagen. Wir dürfen nicht während dieses ganzen Parteitages die Sache schweben lassen, sondern sie muß zu Ende kommen. Herr Dittmar! Können sie auf den Vorschlag eingehen, daß wir bis morgen von Ihnen hören? Dittmar: Selbstverständlich wird die christlich-demokratische Arbeitnehmerschaft als Institution - vorhin habe ich von Meinungen aus der christlich-demokratischen Arbeitnehmerschaft gesprochen - darüber sprechen. Wir treffen uns heute abend. Ich weiß nicht, ob ich dazu autorisiert bin, aber gestatten Sie mir, Herr Bundeskanzler, Sie auf eine Stunde einzuladen. Sie haben auch bei früheren Parteitagen die Gele- genheit genommen, um die Sozialausschüsse zu besuchen. (Lücke: Das ist ein guter Vorschlag!) Erhard: Das ist nicht möglich. Ich habe heute abend das Jugendforum! (Ditt- mar: Entschuldigung, ich meine Herrn Dr. Adenauer!) Lücke: Ich würde es begrüßen, wenn Sie heute abend zu dieser Sitzung als

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Bundesparteivorsitzender mit dem Geschäftsführenden Vorsitzenden hingingen, um über diese Frage zu sprechen. Adenauer: Herr Lücke, das ist zwar gut, aber das könnte erst morgen sein, denn ich muß heute meine Rede für morgen machen. Die muß doch fertig sein! Wollen wir es für morgen vorsehen? (Dittmar: Ja!) Even: Ich weiß nicht, ob Sie überhaupt dorthin gehen sollen. Ich meine, wir sollten die Leute reden lassen. Wenn Sie hingehen, dann heißt es wieder: Wir konnten uns doch nicht aussprechen. - Und dann bleibt manches wieder hängen. Adenauer: Herr Even! Die Herren werden sich heute abend aussprechen. Und wenn sie nicht fertig werden, können wir morgen weiter im kleinsten Kreis darüber sprechen. - Damit können wir nun diesen Punkt verlassen. Ich darf Ihnen folgendes verlesen: „Der Bundesvorstand hat auf seiner Sitzung am 25. Februar 1964 einstimmig beschlossen, dem Parteitag die Wiederwahl von Herrn Bundeskanzler a.D. Dr. Adenauer zum Bundesvorsitzenden und Herrn Staatsminister a.D. Dufhues zum Geschäftsführenden Vorsitzenden zu empfehlen." Über die Wieder- wahl der übrigen Mitglieder des Präsidiums muß der Bundesvorstand in seiner Sitzung in Hannover Beschluß fassen. Warten wir also ab, was Sie uns morgen mitteilen.

WAHLEN ZUM BUNDESPARTEIGERICHT

Dann hat der Bundesparteitag nach Paragraph 21 b des Statuts in Verbindung mit den Paragraphen 3 und 4 der Parteigerichtsordnung einen Vorsitzenden, vier Beisit- zer und fünf stellvertretende Mitglieder des Bundesparteigerichts zu wählen. Dazu werden vorgeschlagen: Vorsitzender: Staatssekretär Dr. Heinrich Barth20; Beisitzer: Rechtsanwalt Benda MdB, Generalbundesanwalt a.D. Dr. Güde21 MdB, Rechtsanwalt Henrichs, Oberstaatsanwalt Wolf22; stellvertretende Mitglieder: Frau Ackermann23, Rechtsanwalt Dr. Cassens24, Rechtsanwalt Kanka25 MdB, Ministerialdirigent Sel-

20 Dr. Heinrich Barth (1914-1997), Rechtsanwalt; 1963-1969 Staatssekretär im Bundesmini- sterium für Familie und Jugend, 1964-1996 Vorsitzender des CDU-Bundesparteigerichts. Vgl. PROTOKOLLE 2 S. 246 Anm. 3. 21 Dr. Max Güde (1902-1984), 1929-1932 Staatsanwalt in Mosbach, 1933-1943 Leiter des Amtsgerichts in Wolf ach, 1945-1950 Oberstaatsanwalt in Konstanz, 1950-1961 Bundesan- walt beim Bundesgerichtshof (seit 1956 Generalbundesanwalt), 1961-1969 MdB (CDU). 22 Heinz Wolf (1908-1985), 1962-1966 MdL Hessen (CDU). Vgl. PROTOKOLLE 3 S. 657 Anm. 21. 23 (1913-1994), 1953-1961 und 1965 MdB (CDU). 24 Dr. Johann-Tönjes Cassens (geb. 1932), Rechtsanwalt; 1962-1967 Landesgeschäftsführer der CDU in Bremen, 1963-1981 MdBB (seit 1971 stv. Vorsitzender der CDU-Fraktion), 1981-1990 Wissenschaftsminister in Niedersachsen. 25 Dr. Karl Kanka (1904-1974), Rechtsanwalt und Notar; 1946-1957 MdL Hessen (CDU), 1957-1965 MdB.

700 Nr. 15: 14. März 1964 bach26, Professor Dr. Wahl MdB. Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich darf also Ihr Einverständnis dazu feststellen. Der Rechenschaftsbericht der Kassenprüfer für 1962 bedarf Ihrer Genehmigung. Dufliues: Ich würde vorschlagen, den Bericht dem Protokoll als Anlage beizufü- gen. Adenauer: Damit sind Sie einverstanden! - Wir kommen zum Punkt 3 der Tagesordnung.

BEITRAGSSTAFFEL NACH § 2 DER FINANZORDNUNG Das Wort hat Herr Professor Dr. Burgbacher. Burgbacher: Herr Vorsitzender! Herr Bundeskanzler! Meine Damen und Herren! Nach § 2 der Finanzordnung soll eine Beitrags Staffel beschlossen werden, worüber der Bundesvorstand noch nicht abgestimmt hat. Sie wissen, wie schlecht die Einnahmen von Mitgliederbeiträgen sind. Wir haben in der CDU 3 Millionen, die SPD hat 14 Millionen DM. Der Durchschnittsbeitrag pro Mitglied beträgt bei uns DM 11-, bei der SPD DM 20,-. Der Finanzausschuß hat sich mit dieser Frage befaßt. Als Ergebnis haben Sie die ausgearbeitete Staffel vorliegen. Sie lautet:

Vorschlag einer monatlichen Beitragsregelung der CDU (vom Bruttoeinkommen). Mindestbeitrag bis 400,--DM 1,- -DM 401- DM bis 600,--DM 2,- -DM 601- DM bis 800,--DM 4,- -DM 801- DM bis 1.000,--DM 6,- -DM 1.001-DM bis 1.200,--DM 10,- -DM 1.201- DM bis 1.500,--DM 15,- -DM 1.501-DM bis 1.800,--DM 18,- -DM 1.801-DM bis 2.000,- -DM 20,--DM 2.001- DM bis 2.500,- -DM 25,--DM 2.501- DM bis 3.500,- -DM 30,- -DM über 3.500,- -DM 50,--DM

Die Beitragsstaffel dient der Selbsteinschätzung des Mitgliedes. Dabei kann sozialen Gesichtspunkten und dem Familienstand Rechnung getragen werden. Für Mandatsträger besteht zusätzlich eine besondere Regelung. (Anhaltende starke Unruhe.) Das bedeutet, daß diese Regelung landes Verbands weise geschieht, damit

26 Josef-Wilhelm Seibach (geb. 1915), 1950-1969 im Bundeskanzleramt, u.a. Leiter des Persönlichen Büros des Bundeskanzlers, 1963-1967 Persönlicher Referent Adenauers, 1969-1983 Vizepräsident des Bundesrechnungshofes.

701 Nr. 15: 14. März 1964 die Mandatsträger nicht glauben, damit wäre ihr Beitrag abgegolten. Der Finanzaus- schuß wäre dankbar, wenn Sie diese Beitragsstaffel beschlössen. {Schmidt: Ist darüber im Kreise der Landesvorsitzenden gesprochen worden?) Nein. Schmidt: Die Rechtslage ist so, daß nicht einmal die Landesparteien in der Lage sind, den Kreisparteien bestimmte Beitragsordnungen vorzuschreiben. Die Kreispar- teien bei uns in Nordrhein-Westfalen sind autonom in der Bestimmung der Beiträge. Ich frage deshalb, ist an etwas mehr gedacht als an eine unverbindliche Empfehlung? Wenn es darüber hinausgeht, muß ich sagen, soweit die Organisation in Frage kommt, muß das besprochen werden. Ich hoffe, daß nicht daran gedacht ist, irgendwelche Zuwendungen der Bundeszentrale an die Landesparteien und Kreisparteien von der Praktizierung dieser Beitragsstaffel abhängig zu machen. Es kann sich nach meiner Auffassung nur um eine Empfehlung handeln. Burgbacher: § 2 der Finanzordnung besagt: „Die Mindesthöhe des Mitglieds- beitrages und die Aufstellung einer dem Einkommen der Mitglieder entsprechenden Beitragsstaffel wird vom Bundesausschuß beschlossen." Dieser Beschluß ist jeweils Bestandteil der Finanzordnung. Um diesen Beschluß geht es. Dieser Bundesvorstand faßt einen Beschluß, und der Bundesausschuß muß ihn bestätigen. So steht es in der Finanzordnung, die von Ihnen beschlossen worden ist. Diese Staffel soll nicht zu einer Bespitzelung oder Kontrolle der Einkommen führen, sondern es ist ein absolutes Prinzip der Selbsteinschätzung. Aber wie können wir aus Bundesmitteln erhöhte Zuwendungen verlangen, wenn wir nicht selbst versu- chen und verlangen, daß wir als demokratische Partei ordentliche Mitgliedsbeiträge bekommen. Es handelt sich um ordentliche Mitgliedsbeiträge, und zwar aufgrund einer Selbsteinschätzung. Außerdem sind im Finanzausschuß Delegierte aller Landes- verbände vertreten. Mit ihnen ist diese Staffel beschlossen worden. Fay: Ich möchte um folgenden Zusatz bitten: „Soweit nicht Landesverbände einen höheren Staffelbeitrag haben." Wir haben nämlich einen Mindestbeitrag von DM 2,-. Ich bin der Auffassung, ein Mindestbeitrag von DM 1- ist unserer Partei nicht angemessen. Wenn Sie aber darauf bestehen wollen, dann machen Sie den Zusatz: Soweit nicht Landesverbände einen höheren Staffelbeitrag haben. Amrehn: Die Staffel ist nach einem Muster von Berlin entwickelt worden. Ich möchte eine Änderung vorschlagen. Die hier angegebenen Beträge sind Bruttoein- kommen. Ich würde das umstellen auf Nettobeträge, weil dann von vornherein der Fa- milienstand usw. berücksichtigt ist, so daß davon der Beitrag berechnet werden kann. In den oberen Einkommensgruppen von DM 1.000- an sind erfahrungsgemäß die Ansätze etwas zu hoch, wenn wir neue Mitglieder werben wollen. Ich habe in einer Versammlung vor 200 Menschen gesprochen und dabei 14 Mitglieder geworben. Es wäre aber ausgeschlossen gewesen, von ihnen sofort DM 10- als Beitrag zu verlangen. Ich würde also die ganze Staffel bei DM 2.000,- mit DM 20- abbrechen und was darüber ist, der Preis Schätzung des einzelnen überlassen. Kraske: Es wäre falsch, wenn man glaubte, daß eine solche Staffel ohnehin eine verpflichtende Aufgabe für jedermann sei. Eine solche Staffel soll im wesentlichen

702 Nr. 16: 4. Juni 1964 ein psychologisches Druckmittel sein, wenn ich so sagen darf. Es soll den neuen Mitgliedern nicht gesagt werden: Sie haben DM 10- oder DM 20- Beitrag zu zahlen, sondern es soll ihnen diese Staffel ausgehändigt werden, und dann sollen sie ihre Beiträge eintragen. Es ist heute so, daß in vielen Kreisverbänden Mitglieder mit einem Einkommen von über DM 2.000,- auf die Frage, was sie für einen Beitrag zahlen wollen, antworten: DM 2- oder DM 3,-. Es gibt wenig Mitglieder, die von sich aus sagen, ich möchte DM 10,- oder DM 20,- bezahlen. Man sollte also diese persönliche Einschätzung den Kreisverbänden abnehmen und tatsächlich eine solche Staffelung vorlegen, auch wenn sie in den Spitzenwerten höher geht, als das in manchen Fällen in der Praxis möglich ist. Burgbacher: Ich möchte die Gelegenheit benutzen, Ihnen zu danken, Herr Am- rehn. Adenauer: Wollen wir nicht zum Schluß kommen, meine Herren! Burgbacher: Ich bitte Sie, die Sätze bei den höheren Einkommen zu belassen, weil sonst keine Relation gegeben ist. Gurk: Wenn jemand DM 1.000- brutto im Monat verdient, der bekommt viel- leicht DM 800- netto. Dem können Sie im Monat keine DM 10- Parteibeitrag abnehmen. Ich bitte Sie, unter diesem Gesichtspunkt das Ganze noch einmal zu überprüfen. Sie müssen die Nettoeinkommen einsetzen. Adenauer: Ich darf feststellen, daß eben unsere Ablehnung des Vorschlages von Herrn Bundestagspräsidenten, sein Amt als Mitglied des Präsidiums zur Verfügung zu stellen, ernst gemeint war. {Beifall.) Damit wollen wir die Sitzung schließen.

16

Bonn, Donnerstag 4. Juni 1964

Sprecher: Adenauer, Adorno, Frau Brauksiepe, Dufhues, Erhard, Etzel, Gradl, Gurk, Heck, Katzer, Kraske, Lücke, Scheufeien, Schmidt, Schröder, Frau Steinbiß, Stingl, Stoltenberg.

Kooptation zum Bundesvorstand. Vertretung der Frauen in der CDU. Bericht zur Lage (Ade- nauer). Verschiedenes. Benennung eines Vertreters der CDU im Fernsehrat der Anstalt Zweites Deutsches Fernsehen.

Beginn: 10.00 Uhr Ende: 12.30 Uhr

Adenauer: Meine verehrten Damen und Herren! Wir sind sehr knapp mit der Zeit, weil im Bundestag etwa um halb zwölf Uhr eine Reihe dringender Abstimmungen sind. Herr Kollege Lücke wird gleich darüber sprechen.

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