Plenarprotokoll 948

BUNDESRAT Stenografischer Bericht 948. Sitzung

Berlin, Freitag, den 23. September 2016

Inhalt:

Zum Tode des Altbundespräsidenten Walter 3. Viertes Gesetz zur Änderung des GAK- Scheel, der ehemaligen Präsidentin des Gesetzes (Drucksache 454/16, zu Druck- Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Jutta sache 454/16) ...... 338 B Limbach und des ehemaligen Präsidenten Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- des Bundesrates und Ersten Bürgermeisters kel 91a Absatz 2 GG ...... 379*C der Freien und Hansestadt Hamburg Dr. Henning Voscherau ...... 331 A 4. Erstes Gesetz zur Änderung des Bundes- jagdgesetzes (Drucksache 455/16) . . . 338 C Amtliche Mitteilungen ...... 332 B Priska Hinz (Hessen) ...... 338 C Horst Seehofer (Bayern) . . . . . 381*D Prof. Dr. Helge Braun, Staatsminister Zur Tagesordnung ...... 332 C bei der Bundeskanzlerin . . . . 382*A

1. a) Entwurf eines Gesetzes über die Fest- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 72 stellung des Bundeshaushaltsplans für Absatz 3 Satz 2 Halbsatz 2 GG – An- das Haushaltsjahr 2017 (Haushaltsge- nahme einer Entschließung . . . . . 339 C setz 2017) – gemäß Artikel 110 Ab- satz 3 GG – (Drucksache 400/16) 5. a) Erstes Gesetz zur Änderung des Di- rektzahlungen-Durchführungsgeset- zes (Drucksache 456/16) b) Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 – gemäß § 9 Absatz 2 Satz 2 Stabili- b) Verordnung zur Änderung der Di- tätsgesetz und § 50 Absatz 3 Satz 1 rektzahlungen-Durchführungsverord- Haushaltsgrundsätzegesetz – (Druck- nung und der InVeKoS-Verordnung sache 401/16)...... 332 C (Drucksache 395/16) ...... 338 B Stanislaw Tillich (Sachsen) . . . 377*A/C Beschluss zu a): Kein Antrag gemäß Arti- (Schleswig-Hol- kel 77 Absatz 2 GG ...... 379*A stein) ...... 377*B/D Beschluss zu b): Zustimmung gemäß Ar- Beschluss zu a) und b): Stellungnahme . 332 D tikel 80 Absatz 2 GG nach Maßgabe der beschlossenen Änderung . . . . 379*D

2. Sechstes Gesetz zur Änderung des Vier- 6. Gesetz zur Regulierung des Prostitu- ten Buches Sozialgesetzbuch und anderer tionsgewerbes sowie zum Schutz von Gesetze (6. SGB IV-Änderungsgesetz – in der Prostitution tätigen Personen 6. SGB IV-ÄndG) (Drucksache 453/16). . 338 B (Drucksache 457/16, zu Drucksache 457/ Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 16) ...... 339 C Absatz 2 GG ...... 379*A (Rheinland-Pfalz) . . 339 D

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Manuela Schwesig, Bundesministe- setzes sowie des Achten Buches Sozial- rin für Familie, Senioren, Frauen gesetzbuch (Drucksache 464/16) . . . . 338 B und Jugend ...... 340 B Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 Cornelia Rundt (Niedersachsen) . . 382*B Absatz 2 GG ...... 379*A Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff (Thüringen) ...... 383*B 14. Gesetz zur Änderung des Sachverständi- genrechts und zur weiteren Änderung Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 des Gesetzes über das Verfahren in Absatz 2 GG ...... 341 C Familiensachen und in den Angelegen- heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie zur Änderung des Sozialgerichts- 7. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien gesetzes, der Verwaltungsgerichtsord- (EU) 2015/566 und (EU) 2015/565 zur nung, der Finanzgerichtsordnung und Einfuhr und zur Kodierung menschlicher des Gerichtskostengesetzes (Drucksache Gewebe und Gewebezubereitungen 465/16, zu Drucksache 465/16) . . . . 338 B (Drucksache 458/16) ...... 338 B Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 GG ...... 379*A Absatz 2 GG ...... 379*A 15. Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus 8. Gesetz zur Errichtung eines Transplanta- digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze tionsregisters und zur Änderung weite- (DigiNetzG) (Drucksache 466/16) . . . 343 A rer Gesetze (Drucksache 459/16) . . . . 338 B Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 kel 87f Absatz 1 GG ...... 343 A Absatz 2 GG ...... 379*A 16. Sechstes Gesetz zur Änderung des Stra- 9. Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von ßenverkehrsgesetzes und anderer Ge- Familie, Pflege und Beruf für Beamtin- setze (Drucksache 467/16) ...... 338 B nen und Beamte des Bundes und Solda- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 tinnen und Soldaten sowie zur Änderung Absatz 2 GG ...... 379*C weiterer dienstrechtlicher Vorschriften (Drucksache 460/16) ...... 338 B 17. Gesetz zu dem Abkommen vom 12. No- Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 vember 2015 zwischen der Bundesrepu- Absatz 2 GG ...... 379*A blik Deutschland und Australien zur Beseitigung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen 10. Erstes Gesetz zur Änderung des Bundes- und vom Vermögen sowie zur Verhinde- meldegesetzes und weiterer Vorschriften rung der Steuerverkürzung und -umge- (Drucksache 461/16) ...... 338 B hung (Drucksache 468/16) ...... 338 B Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 Beschluss: Zustimmung gemäß Arti- Absatz 2 GG ...... 379*A kel 105 Absatz 3 GG ...... 379*C

11. Gesetz über die Errichtung einer Bun- 18. a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung deskanzler-Helmut-Schmidt-Stiftung des Grundgesetzes (Artikel 105) – ge- (Drucksache 462/16) ...... 338 B mäß Artikel 76 Absatz 1 GG – Antrag der Länder Hessen, Niedersachsen ge- Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 mäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksa- Absatz 2 GG ...... 379*A che 514/16)

12. … Gesetz zur Änderung des Strafgesetz- b) Entwurf eines … Gesetzes zur Ände- buches – Verbesserung des Schutzes der rung des Bewertungsgesetzes – gemäß sexuellen Selbstbestimmung (Drucksa- Artikel 76 Absatz 1 GG – Antrag der che 463/16) ...... 341 C Länder Hessen, Niedersachsen gemäß Dr. (Hamburg) . . . . . 341 C § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 515/16) ...... 348 B Sebastian Gemkow (Sachsen) . . . 342 B Dr. Thomas Schäfer (Hessen) . . . 348 B Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 Peter-Jürgen Schneider (Nieder- Absatz 2 GG ...... 343 A sachsen) ...... 349 B Christian Görke (Brandenburg) . . 385*D 13. Gesetz zur Verbesserung der Bekämp- fung des Menschenhandels und zur Mitteilung zu a) und b): Überweisung an Änderung des Bundeszentralregisterge- die zuständigen Ausschüsse . . . . . 350 B Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 III

19. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung 23. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Waffengesetzes – Antrag des Landes der Beistandsmöglichkeiten unter Ehe- Hessen – (Drucksache 357/16) . . . . . 350 C gatten und Lebenspartnern in Angele- genheiten der Gesundheitssorge und in Stefan Ludwig (Brandenburg) . . . 386*B Fürsorgeangelegenheiten – gemäß Arti- Beschluss: Einbringung des Gesetzent- kel 76 Absatz 1 GG – Antrag der Länder wurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG Baden-Württemberg, Bayern, Branden- beim Deutschen Bundestag nach Maß- burg, Mecklenburg-Vorpommern, Nord- gabe der beschlossenen Änderung – rhein-Westfalen, Schleswig-Holstein ge- Bestellung von Staatsminister Peter mäß § 23 Absatz 3 i. V. m. § 15 Absatz 1 Beuth (Hessen) zum Beauftragten des und § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache Bundesrates gemäß § 33 GO BR . . . 350 C 505/16) ...... 352 C Guido Wolf (Baden-Württemberg) . 352 D 20. Entwurf eines … Strafrechtsänderungs- Thomas Kutschaty (Nordrhein-West- gesetzes – Strafbarkeit der unbefugten falen) ...... 387*D Benutzung informationstechnischer Sys- teme – Digitaler Hausfriedensbruch Mitteilung: Überweisung an die zustän- – Antrag des Landes Hessen – (Drucksa- digen Ausschüsse ...... 353 C che 338/16) ...... 350 C

Eva Kühne-Hörmann (Hessen) . . . 350 D 24. Entwurf einer Verordnung zur Änderung von Arbeitsschutzverordnungen – An- Beschluss: Einbringung des Gesetzent- trag der Länder Hamburg, Brandenburg, wurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG Bremen, Hessen, Niedersachsen, Sach- beim Deutschen Bundestag – Bestel- sen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Hol- lung von Staatsministerin Eva Kühne- stein, Thüringen und Nordrhein-Westfa- Hörmann (Hessen) zur Beauftragten len, Rheinland-Pfalz gemäß § 36 Absatz 2 des Bundesrates gemäß § 33 GO BR . . 351 B GO BR – (Drucksache 506/16) . . . . . 353 C

21. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Beschluss: Die Vorlage wird gemäß Arti- des Wohnungseigentumsgesetzes und kel 80 Absatz 3 GG der Bundesregie- des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur För- rung zugeleitet – Dieser Beschluss um- derung der Barrierefreiheit und Elektro- fasst die Zustimmung des Bundesrates mobilität – Antrag der Länder Bayern, zum unmittelbaren Erlass einer solchen Sachsen und Hessen – (Drucksache 340/ Verordnung durch die Bundesregie- 16) ...... 351 B rung ...... 353 D Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 386*D 25. Entschließung des Bundesrates zur Än- Beschluss: Einbringung des Gesetzent- derung des Mindestlohngesetzes – An- wurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG trag der Länder Brandenburg, Hamburg, beim Deutschen Bundestag – Bestel- Thüringen und Bremen, Nordrhein-West- lung von Staatsminister Prof. Dr. Win- falen, Schleswig-Holstein – (Drucksache fried Bausback (Bayern) zum Beauf- 361/16) ...... 353 D tragten des Bundesrates gemäß § 33 GO BR ...... 351 B Dr. Marcel Huber (Bayern) . . . . 388*C Beschluss: Keine Annahme der Ent- 22. Entwurf eines Strafrechtsänderungsge- schließung ...... 354 A setzes – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr 26. Entschließung des Bundesrates zu den – Antrag der Länder Nordrhein-Westfa- „Empfehlungen des Internationalen Ra- len, Hessen und Bayern, Bremen – tes für Meeresforschung vom 31.05.2016 (Drucksache 362/16) ...... 351 B zu den im Jahr 2017 zulässigen Fang- Thomas Kutschaty (Nordrhein-West- mengen für Dorsch aus dem Bestand der falen) ...... 351 C westlichen Ostsee und den im Rahmen Dilek Kolat (Berlin) ...... 387*B eines Gesamtkonzeptes erforderlichen Hilfen für die deutsche Kutter- und Küs- Beschluss: Einbringung des Gesetzent- tenfischerei“ – Antrag des Landes Meck- wurfs gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG lenburg-Vorpommern gemäß § 36 Ab- beim Deutschen Bundestag nach Maß- satz 2 GO BR – (Drucksache 486/16) . . 354 A gabe der beschlossenen Änderung – Dr. Till Backhaus (Mecklenburg- Bestellung von Minister Thomas Kut- Vorpommern) ...... 354 A schaty (Nordrhein-Westfalen) zum Be- auftragten des Bundesrates gemäß § 33 Monika Heinold (Schleswig-Hol- GO BR ...... 352 C stein) ...... 354 D IV Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staats- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß sekretärin beim Bundesminister Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 366 D für Ernährung und Landwirtschaft 355 C Beschluss: Annahme der Entschließung 31. Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Än- in der festgelegten Fassung . . . . . 356 B derung des Saatgutverkehrsgesetzes – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – 27. Entschließung des Bundesrates (Drucksache 405/16) ...... 367 A Für ein Einwanderungsgesetz: Einwan- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- derung offensiv gestalten und effektiv re- kel 76 Absatz 2 GG ...... 367 A geln – Antrag der Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Thü- 32. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung ringen und Bremen gemäß § 36 Absatz 2 der Änderungen der EU-Amtshilfericht- GO BR – (Drucksache 508/16) . . . . . 332 D linie und von weiteren Maßnahmen ge- Boris Pistorius (Niedersachsen) . . . 332 D gen Gewinnkürzungen und -verlagerun- Annegret Kramp-Karrenbauer (Saar- gen – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 land) ...... 333 D GG – (Drucksache 406/16) ...... 367 A Anne Spiegel (Rheinland-Pfalz) . . 335 C Christian Görke (Brandenburg) . . 391*A Mitteilung: Überweisung an die zustän- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- digen Ausschüsse ...... 336 B kel 76 Absatz 2 GG ...... 367 B

28. Entschließung des Bundesrates „Freies 33. Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Gesicht im rechtsstaatlichen Gerichts- Manipulationen an digitalen Grundauf- verfahren“ – Antrag des Freistaates Bay- zeichnungen – gemäß Artikel 76 Ab- ern – (Drucksache 341/16) ...... 356 C satz 2 Satz 4 GG – (Drucksache 407/16) . 367 B Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 356 C Monika Heinold (Schleswig-Hol- Sebastian Gemkow (Sachsen) . . . 357 D stein) ...... 367 B Guido Wolf (Baden-Württemberg) . 358 C Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Beschluss: Annahme der Entschließung kel 76 Absatz 2 GG ...... 368 B in der festgelegten Fassung . . . . . 359 B 34. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung 29. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der der Aufgaben der Bundesanstalt für Teilhabe und Selbstbestimmung von Finanzmarktstabilisierung (FMSA-Neu- Menschen mit Behinderungen (Bundes- ordnungsgesetz – FMSANeuOG) – ge- teilhabegesetz – BTHG) – gemäß Arti- mäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – kel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksache (Drucksache 408/16) ...... 368 B 428/16) ...... 359 B Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Anja Stahmann (Bremen) . . 359 B, 390*B kel 76 Absatz 2 GG ...... 368 B Cornelia Rundt (Niedersachsen) . . 360 D Christian Görke (Brandenburg). . . 362 A 35. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Rhein- Bekämpfung der Schwarzarbeit und ille- land-Pfalz) ...... 362 C galen Beschäftigung (Drucksache 409/ Heike Werner (Thüringen) . . . . 363 C 16) ...... 368 C Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Staatssekretärin bei der Bundes- kel 76 Absatz 2 GG ...... 368 C ministerin für Arbeit und Soziales . 364 C Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 389*A 36. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Stär- Gisela Erler (Baden-Württemberg) . 389*B kung der pflegerischen Versorgung und Monika Heinold (Schleswig-Hol- zur Änderung weiterer Vorschriften (Drit- stein) ...... 390*D tes Pflegestärkungsgesetz – PSG III) – ge- mäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- (Drucksache 410/16) ...... 368 C kel 76 Absatz 2 GG ...... 366 D Cornelia Prüfer-Storcks (Hamburg) . 391*C 30. Entwurf eines Gesetzes zur Durchfüh- (Niedersachsen) . . 392*B rung unionsrechtlicher Vorschriften über Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bun- das Schulprogramm für Obst, Gemüse desministerium für Gesundheit . . 393*C und Milch (Landwirtschaftserzeugnisse- Dr. Marcel Huber (Bayern) . . . . 394*B Schulprogrammgesetz – LwErzgSchul- proG) – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- GG – (Drucksache 404/16) ...... 366 D kel 76 Absatz 2 GG ...... 369 A Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 V

37. Entwurf eines Gesetzes zur Weiterent- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß wicklung der Versorgung und der Ver- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 369 B gütung für psychiatrische und psycho- somatische Leistungen (PsychVVG) 45. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – strafrechtlichen Vermögensabschöp- (Drucksache 429/16) ...... 369 A fung – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 Stefan Wenzel (Niedersachsen) . . . 394*C GG – (Drucksache 418/16) ...... 369 B Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bun- Stefan Wenzel (Niedersachsen) . . 396*C desministerium für Gesundheit . . 395*C Christian Lange, Parl. Staatssekre- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- tär beim Bundesminister der Justiz kel 76 Absatz 2 GG ...... 369 B und für Verbraucherschutz . . . 397*A Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- 38. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung kel 76 Absatz 2 GG ...... 369 C des Versorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienstrechtlicher Vorschriften 46. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – Stärkung der Verfahrensrechte von Be- (Drucksache 411/16) ...... 338 B schuldigten im Strafverfahren und zur Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- Änderung des Schöffenrechts – gemäß kel 76 Absatz 2 GG ...... 380*B Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Druck- sache 419/16) ...... 338 B 39. Entwurf eines Bundesbesoldungs- und Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- -versorgungsanpassungsgesetzes 2016/ kel 76 Absatz 2 GG ...... 380*B 2017 (BBVAnpG 2016/2017) – gemäß Ar- tikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksa- 47. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesse- che 412/16) ...... 338 B rung des Schutzes gegen Nachstellun- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß gen (Drucksache 420/16) ...... 369 C Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C Lucia Puttrich (Hessen) ...... 397*D Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) 398*D 40. Entwurf eines Gesetzes zur Einbezie- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- hung der Bundespolizei in den Anwen- kel 76 Absatz 2 GG ...... 369 D dungsbereich des Bundesgebührenge- setzes (Drucksache 413/16) ...... 338 B 48. Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung Beschluss: Keine Einwendungen gemäß des Gesetzes über die internationale Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C Rechtshilfe in Strafsachen (Drucksache 421/16) ...... 338 B 41. Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Ände- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß rung des Luftsicherheitsgesetzes (Druck- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C sache 414/16) ...... 338 B Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- 49. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung kel 76 Absatz 2 GG ...... 380*B der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im 42. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung Bereich der rechtsberatenden Berufe der Richtlinie 2014/55/EU über die elek- – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – tronische Rechnungsstellung im öffentli- (Drucksache 431/16) ...... 369 D chen Auftragswesen (Drucksache 415/ Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- 16) ...... 338 B kel 76 Absatz 2 GG ...... 370 A Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- kel 76 Absatz 2 GG...... 380*B 50. Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und 43. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Än- anderer Vorschriften an europa- und völ- derung des Vereinsgesetzes (Drucksache kerrechtliche Vorgaben – gemäß Arti- 416/16, zu Drucksache 416/16) . . . . . 338 B kel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksache 422/16) ...... 370 A Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- kel 76 Absatz 2 GG ...... 380*B Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- kel 76 Absatz 2 GG ...... 370 B 44. Entwurf eines Gesetzes zur Ausland- Ausland-Fernmeldeaufklärung des Bun- 51. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Än- desnachrichtendienstes – gemäß Arti- derung des Fernstraßenausbaugesetzes kel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksache – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – 430/16) ...... 369 B (Drucksache 434/16) ...... 370 C VI Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

Beschluss: Keine Einwendungen gemäß Terrorismus und anderer Straftaten von Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 370 C erheblicher Bedeutung (Drucksache 424/ 16) ...... 338 B 52. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß rung des Bundesschienenwegeausbau- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C gesetzes – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksache 433/16) . . . . 370 C 59. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- (Baden-Württem- men vom 31. Mai 2013 zwischen der Re- berg) ...... 370 C gierung der Bundesrepublik Deutsch- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- land und dem Ministerrat der Republik kel 76 Absatz 2 GG ...... 371 A Albanien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich (Drucksache 425/16) . 338 B 53. Entwurf eines Gesetzes über den Ausbau Beschluss: Keine Einwendungen gemäß der Bundeswasserstraßen und zur Ände- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C rung des Bundeswasserstraßengesetzes – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – 60. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- (Drucksache 432/16) ...... 371 A men vom 22. März 2016 zwischen der Re- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- gierung der Bundesrepublik Deutsch- kel 76 Absatz 2 GG ...... 371 B land und der Regierung der Republik Serbien über die Zusammenarbeit im Si- cherheitsbereich (Drucksache 426/16) . 338 B 54. Entwurf eines Gesetzes über die Feststel- lung des Wirtschaftsplans des ERP-Son- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß dervermögens für das Jahr 2017 (ERP- Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C Wirtschaftsplangesetz 2017) (Drucksache 423/16) ...... 338 B 61. Entwurf eines Gesetzes zu dem Überein- Beschluss: Keine Einwendungen gemäß kommen von Paris vom 12. Dezember Artikel 76 Absatz 2 GG ...... 380*C 2015 – gemäß Artikel 76 Absatz 2 Satz 4 GG – (Drucksache 427/16) ...... 338 B 55. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung Beschluss: Eine Stellungnahme wird von Vorschriften zur Bevorratung von nicht beschlossen ...... 381*B Erdöl, zur Erhebung von Mineralöldaten und zur Umstellung auf hochkalorisches 62. a) Entwurf eines Gesetzes zu dem Proto- Erdgas (Drucksache 435/16) ...... 338 B koll vom 27. Juni 1997 zur Neufassung des Internationalen Übereinkommens Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- vom 13. Dezember 1960 über Zusam- kel 76 Absatz 2 GG ...... 380*B menarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ (Drucksache 439/ 56. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- 16) rung des Telekommunikationsgesetzes (Drucksache 436/16) ...... 371 B b) Entwurf eines Gesetzes zu dem Proto- Peter Hauk (Baden-Württemberg) . 371 B koll vom 8. Oktober 2002 über den Beitritt der Europäischen Gemein- Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- schaft zum Internationalen Überein- kel 76 Absatz 2 GG ...... 372 A kommen vom 13. Dezember 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der 57. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Ent- Luftfahrt „EUROCONTROL“ entspre- lastung insbesondere der mittelständi- chend den verschiedenen vorgenom- schen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites menen Änderungen in der Neufassung Bürokratieentlastungsgesetz) (Drucksa- des Protokolls vom 27. Juni 1997 che 437/16) ...... 372 A (Drucksache 440/16) ...... 338 B Prof. Dr. Helge Braun, Staatsminister Beschluss zu a) und b): Keine Einwen- bei der Bundeskanzlerin . . . . 399*C dungen gemäß Artikel 76 Absatz 2 GG 380*C Beschluss: Stellungnahme gemäß Arti- kel 76 Absatz 2 GG ...... 372 B 63. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- schen Parlaments und des Rates zur Än- 58. Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkom- derung der Richtlinie 2010/13/EU zur men vom 9. Juli 2014 zwischen der Regie- Koordinierung bestimmter Rechts- und rung der Bundesrepublik Deutschland Verwaltungsvorschriften der Mitglied- und der Regierung von Georgien über staaten über die Bereitstellung audiovi- die Zusammenarbeit bei der Bekämp- sueller Mediendienste im Hinblick auf fung der Organisierten Kriminalität, des sich verändernde Marktgegebenheiten Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 VII

COM(2016) 287 final 2013 zur Festlegung der Kriterien und – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Verfahren zur Bestimmung des Mit- (Drucksache 288/16, zu Drucksache 288/ gliedstaats, der für die Prüfung eines 16) ...... 372 B von einem Drittstaatsangehörigen Cornelia Prüfer-Storcks (Hamburg) . 400*B oder Staatenlosen in einem Mitglied- staat gestellten Antrags auf internatio- Beschluss: Stellungnahme ...... 372 C nalen Schutz zuständig ist], für die Feststellung der Identität illegal auf- 64. Mitteilung der Kommission an das Euro- hältiger Drittstaatsangehöriger oder päische Parlament, den Rat, den Europäi- Staatenloser und über der Gefahren- schen Wirtschafts- und Sozialausschuss abwehr und Strafverfolgung dienende und den Ausschuss der Regionen: Online- Anträge der Gefahrenabwehr- und Plattformen im digitalen Binnenmarkt – Strafverfolgungsbehörden der Mit- Chancen und Herausforderungen für Eu- gliedstaaten und Europols auf den Ab- ropa gleich mit Eurodac-Daten (Neufas- COM(2016) 288 final sung) – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – COM(2016) 272 final (Drucksache 290/16) ...... 338 B – gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV und §§ 3 und 5 EUZBLG – Beschluss: Stellungnahme ...... 379*D (Drucksache 391/16, zu Drucksache 391/16) ...... 372 C 65. Mitteilung der Kommission an das Euro- päische Parlament, den Rat, den Europäi- Beschluss zu a) und b): Stellungnahme schen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG . . 372 D, 373 A und den Ausschuss der Regionen: Euro- päische Agenda für die kollaborative 68. a) Mitteilung der Kommission an das Wirtschaft Europäische Parlament, den Rat, den COM(2016) 356 final; Ratsdok. 9911/16 Europäischen Wirtschafts- und Sozial- – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – ausschuss und den Ausschuss der Re- (Drucksache 311/16) ...... 338 B gionen: EINE NEUE EUROPÄISCHE Beschluss: Stellungnahme ...... 379*D AGENDA FÜR KOMPETENZEN – Hu- mankapital, Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gemein- 66. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäi- sam stärken schen Parlaments und des Rates zur Än- COM(2016) 381 final derung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – Verhinderung der Nutzung des Finanz- (Drucksache 315/16) systems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG b) Vorschlag für eine Empfehlung des COM(2016) 450 final; Ratsdok. 10678/16 Rates zur Einführung einer Kompe- – gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV und tenzgarantie §§ 3 und 5 EUZBLG – COM(2016) 382 final (Drucksache 392/16, zu Drucksache 392/ – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – 16) ...... 372 C (Drucksache 316/16) ...... 373 A Beschluss: Kenntnisnahme gemäß §§ 3 Beschluss zu a) und b): Stellungnahme . 373 B und 5 EUZBLG ...... 372 C 69. Vorschlag für eine Empfehlung des Rates 67. a) Vorschlag für eine Verordnung des Eu- über den Europäischen Qualifikations- ropäischen Parlaments und des Rates rahmen für lebenslanges Lernen und zur über die Asylagentur der Europäi- Aufhebung der Empfehlung des Europäi- schen Union und zur Aufhebung der schen Parlaments und des Rates vom Verordnung (EU) Nr. 439/2010 23. April 2008 zur Einrichtung des Euro- COM(2016) 271 final päischen Qualifikationsrahmens für le- – gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV benslanges Lernen und §§ 3 und 5 EUZBLG – COM(2016) 383 final (Drucksache 365/16, zu Drucksache – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – 365/16) (Drucksache 317/16) ...... 338 B

b) Vorschlag für eine Verordnung des Eu- Beschluss: Stellungnahme ...... 379*D ropäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung von Eurodac für 70. Mitteilung der Kommission an das Euro- den Abgleich von Fingerabdruckdaten päische Parlament, den Rat, den Europäi- zum Zwecke der effektiven Anwen- schen Wirtschafts- und Sozialausschuss dung der [Verordnung (EU) Nr. 604/ und den Ausschuss der Regionen: Eine VIII Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

europäische Strategie für emissionsarme 78. Elfte Verordnung zur Änderung eisen- Mobilität bahnrechtlicher Vorschriften (Drucksa- COM(2016) 501 final che 307/16) ...... 338 B – gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG – (Drucksache 387/16) ...... 373 B Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Absatz 2 GG ...... 381*B Beschluss: Stellungnahme ...... 373 C 79. Erste Verordnung zur Änderung der Stra- 71. Zweite Verordnung zur Änderung der ßenverkehrs-Ordnung (Drucksache 332/ Grundsicherungs-Datenabgleichsverord- 16) ...... 373 D nung (Drucksache 377/16, zu Drucksache 377/16) ...... 338 B Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 schlossenen Änderungen – Annahme Absatz 2 GG ...... 381*B einer Entschließung ...... 374 A

72. Verordnung zur Festsetzung des Umlage- 80. Vierte Verordnung zu dem Übereinkom- satzes für das Insolvenzgeld für das Ka- men vom 9. September 1996 über die lenderjahr 2017 (Insolvenzgeldumlage- Sammlung, Abgabe und Annahme von satzverordnung 2017 – InsoGeldFestV Abfällen in der Rhein- und Binnenschiff- 2017) (Drucksache 378/16) ...... 338 B fahrt (4. CDNI-Verordnung – 4. CDNI-V) Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 (Drucksache 441/16) ...... 338 B Absatz 2 GG ...... 381*B Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- 73. Fünfzehnte Verordnung zur Änderung schlossenen Änderung ...... 379*D der Arzneimittelverschreibungsverord- nung (Drucksache 396/16)...... 338 B 81. Benennung eines Mitglieds des Stif- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 tungsrates der Stiftung „Humanitäre Absatz 2 GG ...... 381*B Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infi- zierte Personen“ – gemäß § 8 Absatz 1 74. Zweite Verordnung zur Änderung medi- Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 HIVHG – zinprodukterechtlicher Vorschriften (Drucksache 442/16) ...... 338 B (Drucksache 397/16) ...... 338 B Beschluss: Zustimmung zu dem Vor- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 schlag in Drucksache 442/16 . . . . 381*C Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- schlossenen Änderungen ...... 379*D 82. a) Benennung eines Mitglieds des Kura- toriums der Stiftung „Haus der Ge- 75. Verordnung zur Änderung von Verord- schichte der Bundesrepublik Deutsch- nungen auf der Grundlage des Bundes- land“ – gemäß § 7 Absatz 3 des meldegesetzes (Drucksache 398/16) . . 338 B Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesre- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 publik Deutschland“ – (Drucksache Absatz 2 GG ...... 381*B 388/16)

76. Verordnung über die Rechtsanwaltsver- b) Benennung eines stellvertretenden zeichnisse und die besonderen elektroni- Mitglieds des Kuratoriums der Stiftung schen Anwaltspostfächer (Rechtsanwalts- „Haus der Geschichte der Bundesre- verzeichnis- und -postfachverordnung – publik Deutschland“ – gemäß § 7 Ab- RAVPV) (Drucksache 417/16) . . . . . 373 C satz 3 des Gesetzes zur Errichtung ei- Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 ner Stiftung „Haus der Geschichte der Absatz 2 GG nach Maßgabe der be- Bundesrepublik Deutschland“ – schlossenen Änderung ...... 373 D (Drucksache 483/16) ...... 338 B Beschluss zu a): Zustimmung zu dem 77. Erste Verordnung zur Änderung der Ver- Vorschlag in Drucksache 388/16 . . . 381*C ordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen – 39. BImSchV Beschluss zu b): Zustimmung zu dem (Drucksache 364/16) ...... 373 D Vorschlag in Drucksache 483/16 . . . 381*C Franz-Josef Lersch-Mense (Nord- rhein-Westfalen) ...... 400*C 83. Verfahren vor dem Bundesverfassungs- gericht (Drucksache 443/16) . . . . . 338 B Beschluss: Zustimmung gemäß Artikel 80 Absatz 2 GG – Annahme einer Ent- Beschluss: Von einer Äußerung und ei- schließung ...... 373 D nem Beitritt wird abgesehen . . . . . 381*D Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 IX

84. Entschließung des Bunderates „Freiwilli- Mitteilung: Überweisung an die zustän- gendienste stärker unterstützen und an- digen Ausschüsse ...... 374 C erkennen“ – Antrag des Landes Nord- rhein-Westfalen gemäß § 36 Absatz 2 GO 87. Gesetz zu dem Übereinkommen von Pa- BR – (Drucksache 516/16) ...... 374 A ris vom 12. Dezember 2015 (Drucksache Mitteilung: Überweisung an die zustän- 528/16) ...... 343 A digen Ausschüsse ...... 374 C Johannes Remmel (Nordrhein-West- falen) ...... 343 B 85. Entschließung des Bundesrates zur Ab- Stefan Wenzel (Niedersachsen) . . 344 B wehr wachsender Disparitäten zwischen den Kommunen im Bundesgebiet – (Thüringen) . . . 345 C „Gleichwertige Lebensverhältnisse in Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staats- Deutschland schaffen“ – Antrag der Län- sekretärin bei der Bundesministe- der Nordrhein-Westfalen, Bremen ge- rin für Umwelt, Naturschutz, Bau mäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache und Reaktorsicherheit . . . . . 346 C 520/16) ...... 336 B Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz) . . 383*C Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfa- len) ...... 336 B Prof. Dr. Claudia Dalbert (Sachsen- (Thüringen) . . . . 337 B Anhalt) ...... 384*D Mitteilung: Überweisung an die zustän- Beschluss: Kein Antrag gemäß Artikel 77 digen Ausschüsse ...... 338 B Absatz 2 GG ...... 348 B

86. Entschließung des Bundesrates zur „Ein- Nächste Sitzung ...... 374 C führung eines neuen Tatbestandes in die Bußgeldkatalog-Verordnung mit einer vereinfachten Verfahren erhöhten Geldbuße zum Schutze der In- Beschlüsse im ge- frastruktur“ – Antrag des Landes Nord- mäß § 35 GO BR ...... 375 A/C rhein-Westfalen gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 517/16) ...... 374 C Feststellung gemäß § 34 GO BR . . . . 375 B/D X Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

Verzeichnis der Anwesenden

Vorsitz: Bayern:

Präsident Stanislaw Tillich, Minister- Horst Seehofer, Ministerpräsident präsident des Freistaates Sachsen Dr. Marcel Huber, Leiter der Staatskanzlei und Vizepräsidentin Malu Dreyer, Minister- Staatsminister für Bundesangelegenheiten präsidentin des Landes Rheinland-Pfalz und Sonderaufgaben – zeitweise – Emilia Müller, Staatsministerin für Arbeit und Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich, Soziales, Familie und Integration Ministerin für Bundes- und Europaangelegen- heiten und Bevollmächtigte des Landes Hes- Prof. Dr. Winfried Bausback, Staatsminister der sen beim Bund – zeitweise – Justiz

Berlin: Schriftführerin: Dilek Kolat, Bürgermeisterin und Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen Ulrike Hiller (Bremen) Dr. Matthias Kollatz-Ahnen, Senator für Finan- zen

Thomas Heilmann, Senator für Justiz und Ver- braucherschutz Schriftführer:

Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) Brandenburg:

Christian Görke, Minister der Finanzen

Stefan Ludwig, Minister der Justiz und für Baden-Württemberg: Europa und Verbraucherschutz

Winfried Kretschmann, Ministerpräsident

Thomas Strobl, Minister für Inneres, Digitalisie- Bremen: rung und Migration Dr. Carsten Sieling, Präsident des Senats, Bür- , Ministerin für Finanzen germeister, Senator für Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften und Senator für Kul- Guido Wolf, Minister der Justiz und für Europa tur

Karoline Linnert, Bürgermeisterin, Senatorin für Winfried Hermann, Minister für Verkehr Finanzen

Manfred Lucha, Minister für Soziales und Inte- Ulrike Hiller, Staatsrätin für Bundes- und Euro- gration paangelegenheiten und Entwicklungszusam- menarbeit, Bevollmächtigte der Freien Peter Hauk, Minister für Ländlichen Raum und Hansestadt Bremen beim Bund, für Europa Verbraucherschutz und Entwicklungszusammenarbeit

Gisela Erler, Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Anja Stahmann, Senatorin für Soziales, Jugend, Bürgerbeteiligung Frauen, Integration und Sport Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 XI

Hamburg: Nordrhein-Westfalen:

Cornelia Prüfer-Storcks, Senatorin, Präses der Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin Behörde für Gesundheit und Verbraucher- schutz Johannes Remmel, Minister für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbrau- Dr. Till Steffen, Senator, Präses der Behörde für cherschutz Justiz und Gleichstellung Franz-Josef Lersch-Mense, Minister für Bundes- angelegenheiten, Europa und Medien im Geschäftsbereich der Ministerpräsidentin und Chef der Staatskanzlei

Thomas Kutschaty, Justizminister Hessen:

Volker Bouffier, Ministerpräsident

Lucia Puttrich, Ministerin für Bundes- und Euro- Rheinland-Pfalz: paangelegenheiten und Bevollmächtigte des Landes Hessen beim Bund Malu Dreyer, Ministerpräsidentin

Tarek Al-Wazir, Minister für Wirtschaft, Energie, Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Ver- Verkehr und Landesentwicklung kehr, Landwirtschaft und Weinbau

Priska Hinz, Ministerin für Umwelt, Klimaschutz, Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Ernährung und Forsten

Dr. Thomas Schäfer, Minister der Finanzen Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie Eva Kühne-Hörmann, Ministerin der Justiz Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz

Saarland: Mecklenburg-Vorpommern: Annegret Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsi- Lorenz Caffier, Minister für Inneres und Sport dentin

Dr. Till Backhaus, Minister für Landwirtschaft, Anke Rehlinger, Ministerin für Wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Arbeit, Energie und Verkehr

Jürgen Lennartz, Staatssekretär, Chef der Staatskanzlei und Bevollmächtigter des Saar- landes beim Bund

Niedersachsen:

Boris Pistorius, Minister für Inneres und Sport Sachsen:

Cornelia Rundt, Ministerin für Soziales, Gesund- Stanislaw Tillich, Ministerpräsident heit und Gleichstellung Martin Dulig, Staatsminister für Wirtschaft, Stefan Wenzel, Minister für Umwelt, Energie Arbeit und Verkehr und Klimaschutz Dr. Fritz Jaeckel, Staatsminister für Bundes- und Peter-Jürgen Schneider, Finanzminister Europaangelegenheiten und Chef der Staats- kanzlei Christian Meyer, Minister für Ernährung, Land- wirtschaft und Verbraucherschutz Sebastian Gemkow, Staatsminister der Justiz XII Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

Sachsen-Anhalt: Von der Bundesregierung:

Prof. Dr. Claudia Dalbert, Ministerin für Umwelt, Manuela Schwesig, Bundesministerin für Fami- Landwirtschaft und Energie lie, Senioren, Frauen und Jugend

Anne-Marie Keding, Ministerin für Justiz und Prof. Dr. Helge Braun, Staatsminister bei der Gleichstellung Bundeskanzlerin

Petra Grimm-Benne, Ministerin für Arbeit, Sozi- Uwe Beckmeyer, Parl. Staatssekretär beim Bun- ales und Integration desminister für Wirtschaft und Energie

Christian Lange, Parl. Staatssekretär beim Bun- desminister der Justiz und für Verbraucher- schutz Schleswig-Holstein: Dr. Michael Meister, Parl. Staatssekretär beim Torsten Albig, Ministerpräsident Bundesminister der Finanzen Stefan Studt, Minister für Inneres und Bundes- Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretä- angelegenheiten rin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Monika Heinold, Finanzministerin Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft Thüringen: Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin Bodo Ramelow, Ministerpräsident bei der Bundesministerin für Umwelt, Natur- schutz, Bau und Reaktorsicherheit Heike Taubert, Finanzministerin Hans-Georg Engelke, Staatssekretär im Bundes- Anja Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Ener- ministerium des Innern gie und Naturschutz Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesministe- Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff, Minister für rium für Gesundheit Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei

Dieter Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz

Heike Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 331

(A) (C)

948. Sitzung

Berlin, den 23. September 2016 Sitzung

Beginn: 9.30 Uhr besondere Art gelungen, das Amt des Staatsober- hauptes mit Würde, mit Weltläufigkeit und gleichzei- tig mit heiterer Gelassenheit zu repräsentieren. Präsident Stanislaw Tillich: Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Wir verneigen uns in Dankbarkeit und Respekt im ich darf die 948. Sitzung des Bundesrates eröffnen. Gedenken an Walter Scheel. Heute gedenken wir dreier Persönlichkeiten, die In der vergangenen Woche, am 12. September, ist sich um unser Land verdient gemacht haben und in die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsge- diesem Sommer von uns gegangen sind. richts und frühere Justizsenatorin von Berlin, Frau Am 7. September 2016 haben wir in einem Staats- Professor Dr. Jutta Limbach, im Alter von 82 Jahren akt um den Altbundespräsidenten Walter Scheel ge- im Kreise ihrer Familie verstorben. trauert, der am 24. August 2016 im Alter von 97 Jah- ren verstarb. Sein Tod hat bei uns allen Trauer und Im Jahr 1934 wurde sie in Berlin-Neukölln in eine Betroffenheit ausgelöst. sozialdemokratisch geprägte Familie hineingeboren. (B) Immer wieder hatte sie wichtige Ämter als erste Frau (D) Walter Scheel wurde 1919 geboren. Sein politi- inne. Sich für die Interessen und die Rechte der sches Wirken umspannt mehr als ein halbes Jahrhun- Frauen einzusetzen hatte in ihrer Familie eine lange dert, sein Leben fast ein ganzes. Tradition. Schon ihre Urgroßmutter stritt als Gründe- 1961 übernahm er unter Bundeskanzler Ade- rin einer sozialdemokratischen Frauenorganisation nauer als Minister für wirtschaftliche Zusammen- für die Gleichberechtigung. Jutta Limbach selbst trat arbeit erstmals ein Regierungsamt. 1969 wurde er in nicht nur engagiert für die Gleichberechtigung von der Regierung Brandt Außenminister und Stell- Mann und Frau ein, als berufstätige Mutter von drei vertreter des Bundeskanzlers. Mit seinem Namen Kindern lebte sie sie auch. verbinden sich der erste Staatsbesuch eines deut- Sie wurde die erste Juraprofessorin an der Freien schen Außenministers in Israel und die Aufnahme di- Universität Berlin. plomatischer Beziehungen zur sozialistischen Volks- republik China nach seinem Besuch in Peking im Als Justizsenatorin in Berlin war sie von 1989 bis Jahr 1972. 1994 Mitglied unseres Hauses und in der Gemeinsa- men Verfassungskommission von Deutschem Bun- Gemeinsam mit Willy Brandt gilt er als „Vater der destag und Bundesrat aktiv. Entspannungspolitik“. Die Wiedererlangung der deutschen Einheit bezeichnete Walter Scheel dann 1994 wurde sie Richterin im Zweiten Senat des auch als „das Schönste“, was er in seiner politischen Bundesverfassungsgerichts. Sechs Monate später Laufbahn erleben durfte. rückte sie als erste – und bisher einzige – Frau an die Walter Scheel war ein Politiker mit Kontur. Für Spitze des höchsten deutschen Gerichts. seine Feinsinnigkeit war er ebenso bekannt wie für Kritik an Urteilen während ihrer Amtszeit begeg- sein Verhandlungsgeschick und seine rheinische nete sie mit der Ansicht, man könne nicht Meinungs- Frohnatur. freiheit predigen und sich dann den Einwänden sei- Seine politische Laufbahn gipfelte 1974 in der Wahl ner Kritiker verschließen. Das müsse das Gericht zum Bundespräsidenten. Während seiner Präsident- aushalten können, befand sie. Besonders wichtig war schaft setzte er sich verstärkt für mehr soziale Mitwir- ihr, die Akzeptanz der Urteile in der Bevölkerung zu kungsrechte der Bürger ein. Junge Menschen ermu- erhöhen. So setzte sie schließlich auch mit der Ein- tigte er zum Engagement, ermahnte sie aber auch, richtung einer Pressestelle und der Einführung eines aus den Verfehlungen der älteren Generationen ihre „Tags der offenen Tür“ wichtige Akzente für mehr Lehren zu ziehen. In dieser Zeit ist es ihm auf ganz Transparenz und Bürgernähe des Gerichts. 332 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Präsident Stanislaw Tillich (A) (C) Auch nach ihrem altersbedingten Ausscheiden aus serer letzten Sitzung in den Ruhestand verabschiedet dem Bundesverfassungsgericht blieb Jutta Limbach haben, bayerischer Bevollmächtigter. als Präsidentin des Goethe-Instituts aktiv. Sie Neuer Bevollmächtigter von Brandenburg ist Herr führte diese Organisation durch schwierige, von Staatssekretär Martin Gorholt. Er folgt Herrn Sparzwängen geprägte Jahre und setzte sich für die Staatssekretär Thomas Kralinski, der am Vernetzung des Goethe-Instituts mit anderen Kultur- 30. August 2016 das Amt des Chefs der Staatskanzlei mittlern ein. von Brandenburg übernommen hat. Wir bedanken Mit Jutta Limbach ist eine ausgezeichnete Juristin uns bei Herrn Kralinski für seine engagierte Arbeit und außergewöhnliche Frau von uns gegangen. im Ständigen Beirat und in der Deutsch-Französi- schen Freundschaftsgruppe. Bereits am 24. August 2016 ist der ehemalige Präsi- dent des Bundesrates und Erste Bürgermeister Ham- Die beiden neuen Bevollmächtigten begrüßen wir burgs Henning Voscherau im Alter von 75 Jahren und freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit. verstorben. Jetzt treten wir in die Tagesordnung der heutigen Henning Voscherau wurde 1941 in eine Schauspie- Bundesratssitzung ein. Sie liegt Ihnen in vorläufiger lerfamilie geboren und wollte ursprünglich ebenfalls Form mit 87 Punkten vor. Zur Reihenfolge: Nach diese Laufbahn einschlagen. Nach dem Abitur ent- Tagesordnungspunkt 1 werden die Punkte 27 und 85 schied er sich dann allerdings doch für ein Jurastu- behandelt. Tagesordnungspunkt 87 wird nach Punkt dium und wandte sich bereits in jungen Jahren der 15 aufgerufen. Im Übrigen bleibt die Reihenfolge un- Politik zu. verändert. 1974 wurde er zum ersten Mal in die Hamburger Sind Sie mit dieser Tagesordnung einverstanden? – Bürgerschaft gewählt. Von 1988 bis 1997 führte er Das ist der Fall. drei Hamburger Senate als Erster Bürgermeister und Dann ist sie so festgestellt. gehörte damit über neun Jahre lang dem Bundesrat an. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a) und b) zur gemeinsamen Beratung auf: Henning Voscherau war der erste Bundesratspräsi- dent des wiedervereinigten Deutschlands. Er enga- a) Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung gierte sich in seiner Amtszeit besonders für den Fö- des Bundeshaushaltsplans für das Haushalts- deralismus und begleitete die neuen Länder in ihrem jahr 2017 (Haushaltsgesetz 2017) (Drucksache ersten Jahr in unserem nun 16 Länder umfassenden 400/16) Haus. b) Finanzplan des Bundes 2016 bis 2020 (Druck- (B) In den Jahren 1996 und 1997 war er zudem einer sache 401/16) (D) der beiden Vorsitzenden des Vermittlungsausschus- Je eine Erklärung zu Protokoll*) geben Minister- ses von Bundesrat und Deutschem Bundestag. präsident Tillich (Sachsen) und Frau Ministerin Hei- Henning Voscherau bezeichnete sich selbst gern als nold (Schleswig-Holstein) ab. „geborenen Sozialdemokraten“ und blieb dement- Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen sprechend auch nach seinem Abschied aus dem Bür- die Ausschussempfehlungen vor. Wer den Aus- germeisteramt politisch aktiv. So war er Vorsitzender schussempfehlungen folgen will, den bitte ich um der Mindestlohnkommission der Bundesregierung das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. und agierte erfolgreich als Schlichter in schwierigen Tarifverhandlungen. Damit hat der Bundesrat zu den Vorlagen entspre- chend Stellung genommen. Henning Voscherau bereicherte mit Stil und Enga- gement den politischen Diskurs in unserem Land. Mit Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 27: ihm verlieren wir einen echten Hanseaten, der weit Entschließung des Bundesrates über die Grenzen Hamburgs hinaus gewirkt hat. Für ein Einwanderungsgesetz: Einwanderung offensiv gestalten und effektiv regeln – Antrag Unsere Gedanken sind heute bei den Angehörigen der Länder Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, dieser drei herausragenden Persönlichkeiten. Meine Schleswig-Holstein, Thüringen gemäß § 36 Ab- sehr verehrten Damen und Herren, bitte erheben Sie satz 2 GO BR – (Drucksache 508/16) sich zu einem Moment des Gedenkens von Ihren Plätzen. Dem Antrag ist das Land Bremen beigetreten. (Die Anwesenden erheben sich) Es gibt mehrere Wortmeldungen. Ich darf als Ers- ten Herrn Minister Pistorius aus Niedersachsen ans Ich danke Ihnen. Pult bitten. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun möchte ich noch zwei neue Bevollmächtigte in unse- Boris Pistorius (Niedersachsen): Sehr geehrter rem Plenarsaal begrüßen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Für den Freistaat Bayern ist dies Herr Ministerialdi- rigent Dr. Rolf-Dieter Jungk. Vor ihm war Herr Mi- nisterialdirektor Anton Hofmann, den wir in un- *) Anlage 1 und 2 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 333 Boris Pistorius (Niedersachsen) (A) (C) starke Zuzug von Flüchtlingen, der in den zurücklie- Gesetz mit realistischen und realisierbaren Anforde- genden Jahren und gerade im letzten Jahr zu beob- rungen geregelt wird. achten war, hat uns in Deutschland an den verschie- densten Stellen und auf allen Ebenen intensiv Ich weiß, es gibt immer wieder Stimmen, die sagen: gefordert. Das ist bis heute der Fall, und das wird Das ist nicht die Zeit dafür, wir haben genug mit der auch noch für einige Zeit so bleiben. Bewältigung der Flüchtlingsfrage zu tun. – Aber wann, wenn nicht jetzt, müssen wir über genau diese Die große Bedeutung dieser Thematik genauso wie Frage diskutieren, um deutlich zu machen, welche der sich aufbauende politische Druck in der Flücht- Verantwortung wir auf lange Sicht auch unter dem lingspolitik hat allerdings manch einem den Blick da- Gesichtspunkt unserer demografischen Entwicklung rauf verstellt, worum es bei einem Einwanderungsge- haben! setz eigentlich geht, und zwar gerade im Unterschied Wir alle wissen doch: Deutschland ist längst ein zum Asylsystem. Einwanderungsland. Es ist zwischen Politik, Wirt- Ich möchte Ihnen dazu eine Begegnung schildern, schaft und Wissenschaft auch weitgehend unstrittig, die ich vor einiger Zeit in einer der niedersächsischen dass Deutschland von steuerbarer Zuwanderung pro- Landesaufnahmebehörden gehabt habe und die mich fitiert, und zwar im akademischen wie im nichtaka- sehr bewegt hat. Ich habe dort eine junge bosnische demischen Bereich. Familie kennengelernt. Die Eltern waren Ende 20 Ebenso außer Frage steht die Notwendigkeit, diese und hatten zwei kleine Töchter. Ich habe sie gefragt, Steuerung zukünftig fortzusetzen und zu intensivie- warum sie Bosnien verlassen haben. Die Antwort war ren, da die demografische Fachkräftelücke in den nicht ein Klagelied, eine Beschwerde über politische nächsten Jahren sicher nicht kleiner, sondern größer Verfolgung und Ausgrenzung, eine grauenhafte Ge- wird. Wir brauchen deshalb ein modernes Migra- schichte über Verfolgung. Vielmehr hatte der Vater, tionsrecht, das eine vernünftige Form der gesteuer- ein gelernter Bäcker und Konditor, in der Heimat ten Zuwanderung ermöglicht. Dieses Migrationsrecht keine Arbeit, und seine Kinder hatten keine Perspek- kann sich nicht auf punktuelle Veränderungen im tive. Sein Ziel war es deshalb, in Deutschland Arbeit Aufenthaltsrecht und anderes Stückwerk beschrän- in seinem Beruf zu finden und seinen Kindern eine ken, sondern es muss arbeitsmarkt- und sozialpoliti- bessere Zukunft zu ermöglichen, als er selbst sie als sche Regelungen auf klare, verständliche und ver- Kind hatte und als die, die er glaubte, seinen Kindern lässliche Weise definieren. in der Heimat bieten zu können. Lassen Sie uns deshalb für Menschen, die wir als Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich selbst habe Arbeitskräfte dringend benötigen, einen praktika- dafür größtes Verständnis. Aber wir wissen auch: Das blen Zugang schaffen, und zwar ausdrücklich jen- (B) Asylsystem ist in solchen Fällen der völlig falsche seits des Asylsystems, einen Weg, den wir je nach (D) Weg. Das Grundrecht auf Asyl, ein hohes Gut unse- Bedarf auf dem Arbeitsmarkt und von Berufsgruppen rer Verfassung, ist für den Schutz vor Verfolgung ge- für mehr oder weniger Arbeitskräfte öffnen können. dacht und gemacht, nicht für die Steuerung der Zu- Auch das ist ein zentraler Unterschied zum Asylsys- wanderung von Arbeitskräften. tem: Wir können hier selbst und aktiv steuern. Wir können festlegen, welche Bedarfe an Arbeitskräften Deshalb gilt: Wir brauchen ein funktionierendes wir in regionaler, zeitlicher und branchenspezifischer Asylsystem für die Menschen, die unseren Schutz be- Hinsicht abdecken wollen. nötigen. Wir brauchen ein übersichtliches, verständ- liches und flexibles Einwanderungsgesetz für die Das ist eine echte Chance, die wir besser heute als Menschen, die wir brauchen. Aus diesem Grund war morgen nutzen sollten. Deswegen bitte ich Sie herz- ich persönlich immer offen für das Konzept der siche- lich um Ihre Unterstützung. – Vielen Dank. ren Herkunftsstaaten. Präsident Stanislaw Tillich: Aber, meine Damen und Herren, das kann nur ein Vielen Dank, Herr Mi- Teil der Antwort sein. Daneben bleibt die völlig be- nister Pistorius! rechtigte Frage: Wieso drängen wir den jungen Bos- Als Nächste hat Frau Ministerpräsidentin Kramp- nier mit seiner Familie genauso wie viele andere Karrenbauer aus dem Saarland das Wort. Menschen, die qualifiziert sind und bei uns arbeiten wollen, in ein Asylsystem, das ihnen nicht gerecht werden kann und in dem sie in den allermeisten Fäl- Annegret Kramp-Karrenbauer (Saarland): Herr Prä- len keine wirkliche Chance haben? Das ist leider sident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es eine Lose-lose-Situation, die wir uns selbst geschaf- ist gut und richtig, dass wir heute im Bundesrat im fen haben. Der Grund dafür ist, dass wir bisher nicht Zusammenhang mit dem Thema „Einwanderung“ bereit waren, den konsequenten Weg zu einer Win- über das Einwanderungsrecht und ein Einwande- win-Situation zu gehen. rungsgesetz sprechen. Es ist gut, richtig und vor allen Dingen in der aktuellen politischen Situation wichtig, Dieser Weg führt nach meiner Überzeugung über dass wir dies in aller Ernsthaftigkeit tun. Deswegen ein Einwanderungsgesetz, das wir heute mit unserer begrüße ich es, dass der Antrag auf sofortige Sach- Bundesratsinitiative vorschlagen. Wir wollen damit entscheidung zurückgezogen worden ist. Die Sach- erreichen, dass die Neuzuwanderung von Arbeits- entscheidung hätte eine solche Debatte nicht mög- kräften aus dem nichteuropäischen Ausland in einem lich gemacht. 334 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Annegret Kramp-Karrenbauer (Saarland) (A) (C) Deutschland ist ein Einwanderungsland. Dieser Wir müssen uns darüber unterhalten, ob die Auf- Satz beschreibt die Realität. Er beschreibt aber auch, enthaltstitel für diejenigen, die sie in Anspruch neh- dass es in unserer Politik nie den Satz gab: Deutsch- men, um hier einen Arbeitsplatz zu suchen, richtig land soll ein Einwanderungsland sein. ausgestaltet sind oder ob wir sie verbessern müssen. Wir haben über viele Jahre darüber gestritten, wie Was wir nicht brauchen, ist ein kompletter System- wir damit umgehen, während de facto Menschen aus wechsel, etwa hin zum kanadischen Punktesystem. den unterschiedlichsten Gründen zu uns gekommen Ich sage dies auch vor dem Hintergrund der Tatsa- sind. Das hat dazu geführt, dass wir heute eine Viel- che, dass die Kanadier sich seit geraumer Zeit von zahl von Regelungen haben: Einzelregelungen, was diesem System geradezu verabschieden und auf eine den Zugang zum Arbeitsmarkt anbelangt, aber auch Lösung setzen, die wir in Deutschland in den vergan- nationale und europäische Regelungen, die die hu- genen Jahren de facto angewandt haben, nämlich manitäre Aufnahme von Menschen betreffen. die Orientierung am Arbeitsmarkt. Was wir mit Blick auf die heutigen Realitäten für Das ist die eine Säule. Ich bin sehr bei dem Kolle- die Zukunft brauchen, sind aber nicht Einzelrege- gen, wenn ich sage: Wir müssen die Regelungen, die lungen an der einen oder anderen Stelle. Wir brau- wir haben, besser in Bezug zueinander setzen und in chen ein umfassendes, aufeinander abgestimmtes ein umfassendes Regelwerk gießen. Regelwerk, das zweierlei deutlich macht: zum einen, Aber auch die Betrachtung der humanitären Säule dass Deutschland genauso wie jeder andere Staat gehört dazu. Das heißt, dass wir uns unser Asylrecht dieser Welt das Recht hat zu definieren, wen es im ei- genau anschauen müssen. Wir haben in Artikel 16a genen Interesse in das Land holen will, und dieses Absatz 1 des Grundgesetzes eindeutig festgelegt: Recht auch wahrnimmt; auf der anderen Seite, dass Wer politisch verfolgt ist, hat Anspruch darauf, bei Deutschland – auch und insbesondere mit Blick auf uns aufgenommen zu werden. An diesem Satz in unsere Geschichte – hinter den humanitären Ver- seiner Einfachheit und Klarheit ist nicht zu rütteln. Er pflichtungen steht, zu deren Übernahme wir uns in ist die Folge und die Essenz unserer eigenen Ge- Form unseres Asylrechts und in Form der europäi- schichte. Deswegen gehört er zur DNA der Bundes- schen und internationalen Konventionen, die wir un- republik Deutschland. terschrieben haben, bereit erklärt haben. Wir müssen uns darüber hinaus anschauen, wie wir Wir würden zu kurz springen, wenn wir uns nur um – mit Blick auf die Einbindung in den europäischen die Frage kümmerten, wie Einwanderung in den Ar- Kontext – mit den Flüchtlingen umgehen, die nach beitsmarkt gesteuert und ausgestaltet werden kann. der Genfer Flüchtlingskonvention zu uns kommen, Wir müssen immer den gesamten Kontext sehen. weil sie auf Grund ihrer Rasse, ihrer Religion oder Deswegen muss man über beide Säulen, über beide (B) aus einem anderen Grund individuell ausgegrenzt (D) Seiten offen reden und Regelungen finden. werden, und wie wir mit den subsidiär Schutzberech- Mit Blick auf die Steuerung der Zuwanderung in tigten, nämlich den Kriegs- und Bürgerkriegsflücht- den Arbeitsmarkt ist es nicht so – der Kollege hat da- lingen, umgehen. Das ist eine wichtige Aufgabe. Wir rauf hingewiesen –, dass wir keine Regelungen hät- alle spüren doch, dass wir insoweit insbesondere auf ten. Wir haben sie, meine sehr geehrten Damen und der europäischen Ebene ein Regelungssystem haben, Herren, und das seit geraumer Zeit. das nicht mehr im Gleichgewicht ist. Schauen wir uns die Blue-Card-Regelungen an! Wir müssen darüber reden – darin sind wir uns Realität ist, dass in Deutschland so viele Blue Cards sicherlich einig –, ob die Anwendung der Genfer zugeteilt beziehungsweise verteilt werden wie nir- Flüchtlingskonvention, die wir in Europa vereinbart gendwo sonst in Europa, sogar mehr als in Europa haben, auch in diesen Tagen noch die richtige Ausle- insgesamt. gung ist oder ob wir hier zu Veränderungen kommen müssen. Wenn wir uns die jüngsten Schlagzeilen noch ein- mal vor Augen führen, zum Beispiel die von gestern, Es stellt sich die Frage, ob wir statt eines Dublin- dann wird deutlich, dass wir mit Blick auf die de- III-Verfahrens in Europa mit Blick auf die Zukunft mografische Entwicklung Zuwanderung in den Ar- nicht eher über Kontingente reden müssen. beitsmarkt dringend brauchen; wir werden sie in den Vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen, nächsten Jahren noch stärker brauchen, als es bisher müssen wir darüber reden, wie wir durch entspre- der Fall war. Deswegen müssen wir die Bedürfnisse chende Vereinbarungen mit den Herkunftsregionen am Arbeitsmarkt klar definieren. Die Regelungen, die außerhalb Europas dafür sorgen können, dass die wir haben, sind entsprechend anzupassen und in ei- Menschen sich erst gar nicht auf den gefahrvollen nen Guss zu bringen. Anpassen und in einen Guss Weg nach Europa machen müssen, sondern Perspek- bringen bedeutet, dass wir uns zum Beispiel darüber tiven und Hilfe in ihrem eigenen Land erhalten. unterhalten müssen, wie wir mit denjenigen umge- hen, die wir am Arbeitsmarkt brauchen, die aber Es gehört zu einem umfassenden Regelungswerk keine akademische Ausbildung haben; denn insoweit dazu, beide Säulen in eine Beziehung zueinander zu ist das Regelwerk zurzeit mehr als kompliziert. Das setzen. Wer das nur mit Blick auf die Frage tut, ob Aufenthaltsgesetz stellt hohe Hürden. Ich glaube, diejenigen, die als Flüchtling hier anerkannt sind dies wird dem Bedarf am Arbeitsmarkt nicht mehr ge- oder im Status eines subsidiär Schutzbedürftigen län- recht. ger bleiben dürfen, die Möglichkeit haben, in die le- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 335 Annegret Kramp-Karrenbauer (Saarland) (A) (C) gale Zuwanderung zum Arbeitsmarkt zu wechseln, Als Nächste hat das Wort Frau Staatsministerin wer den Fokus also beschränkt, der springt zu kurz Spiegel (Rheinland-Pfalz). und unterschätzt aus meiner Sicht ein großes Prob- lem, das wir haben: Anne Spiegel (Rheinland-Pfalz): Sehr geehrter Herr Wir dürfen keine falschen Anreize setzen für die- Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! jenigen, die mit Hilfe einer organisierten kriminellen Deutschland ist ein Einwanderungsland ohne Ein- Struktur, nämlich des Schlepperwesens, aus welchem wanderungsgesetz. Dabei brauchen wir gerade ein Grund auch immer nach Deutschland kommen, um solches Gesetz dringend. Dieser Meinung sind laut eigentlich Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden. Sonst einer Umfrage von Infratest dimap übrigens zwei würden wir ein vollkommen falsches Signal senden. Drittel der Bevölkerung in Deutschland. Den Kern des EU-Türkei-Abkommens macht eine Ein solches Gesetz hilft auch – das wurde soeben Regelung aus, mit der das Ziel verfolgt wird, die gesagt –, den Herausforderungen des demografi- Struktur des internationalen Schlepperwesens zu schen Wandels und dem Fachkräftemangel zu be- zerschlagen beziehungsweise dieses Geschäftsmo- gegnen, und es würde den einwanderungswilligen dell nicht mehr attraktiv oder lukrativ zu machen. Ein Fachkräften endlich Klarheit bringen. entsprechendes Signal muss auch von einem um- fassenden Regelungswerk zur Zuwanderung nach Gemeinsam mit Niedersachsen, Schleswig-Hol- Deutschland ausgehen. stein und Thüringen fordert Rheinland-Pfalz daher in diesem Antrag die Bundesregierung auf, endlich Eine dritte Säule muss in diesem Regelungswerk zeitnah einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz eine Rolle spielen: das Thema „Integration“. Wenn vorzulegen. wir von Zuwanderung reden, dann geht es nicht nur Klar ist: Wir brauchen absehbar mehr akademische um die Frage, wer unter welchen Kautelen zu uns wie auch nichtakademische Fachkräfte. Klar ist auch: kommt. Dann müssen wir vor allen Dingen regeln, Einwanderung kann hier ein Baustein sein. Dafür was das für das längerfristige Zusammenleben in un- muss unser Land Einwanderung aktiv gestalten. Wir serer Gesellschaft heißt. Das Zusammenwachsen, das müssen Einwanderung steuern. Die Öffnung des Ar- Zusammenleben in unserer Gesellschaft bedarf kla- beitsmarktes in definierten Engpassberufen war ein rer und eindeutiger Regelungen. Es bedarf der Fest- Schritt in die richtige Richtung. Aber es mangelt legung, was diesen Menschen bei uns zusteht, auch noch an einem attraktiven Gesamtkonzept, an einem an Strukturen, um Integration möglich zu machen. durchdachten Regelwerk für Einwanderungswillige. Nötig ist aber auch die Festlegung, was wir von die- sen Menschen erwarten, was sie zu leisten haben, Es wird höchste Zeit für ein solches Gesamtkon- um sich hier zu integrieren. (B) zept, das schlüssig durchdacht ist, von der Visa-Er- (D) teilung bis hin zur Einbürgerung; denn das weltweite Nur wenn wir alle Säulen in Übereinstimmung Rennen um Einwanderinnen und Einwanderer hat bringen, werden wir ein Gesamtregelungswerk ent- längst begonnen. Kanada hat im vergangenen Jahr wickeln können, das von der Breite der Bevölkerung ein neues Immigrationsprogramm namens „Express mitgetragen wird. Wir erleben in diesen Tagen, was Entry“ gestartet. Andere Länder passen ihre Gesetz- passiert, wenn die Menschen in dieser sehr sensiblen gebung ebenfalls an die Bedingungen des 21. Jahr- Frage das Vertrauen in die Politik verlieren. Deswe- hunderts an. gen begrüße ich es, wenn wir in Deutschland und da- mit auch im Bundesrat und im Bundestag in eine Der Bund ist zum Handeln aufgefordert, wenn wir ernsthafte Debatte über das Gesamtthema einstei- im weltweiten Rennen den Anschluss nicht verlieren gen. wollen. Bloße Änderungen im Aufenthaltsrecht ge- nügen dabei nicht. Ein Einwanderungsgesetz muss Allerdings darf ich feststellen, dass ein vergleich- auch arbeitsmarktpolitische und sozialpolitische Kri- barer Antrag wie der, der heute zur Abstimmung terien definieren. Wir müssen im Gesetzgebungsver- steht, schon vor ziemlich exakt anderthalb Jahren im fahren genau ausloten, wo Deutschland Einwande- Bundesrat in die entsprechenden Ausschüsse verwie- rung braucht und mit welchen kriteriengeleiteten sen worden ist. Ich wünsche mir und hoffe sehr, dass Modellen wir Einwanderung in unser Land steuern der heutige Antrag nicht das gleiche Schicksal er- können. leidet wie der, der im März 2015 gestellt wurde. Ein Einwanderungsgesetz sollte unter anderem Wenn es nach dem Motto läuft: „Wir sprechen hier Engpassberufe definieren, die inländisches Fachkräf- darüber, aber befassen uns in den Ausschüssen nicht tepotenzial nicht abdecken kann. Inländisches Fach- ernsthaft damit“, kommen wir nicht weiter. Ich kräftepotenzial – das ist klar – soll immer berücksich- glaube, dass wir in Deutschland eine ernsthafte Dis- tigt und ausgeschöpft werden. Das Lohnniveau muss kussion brauchen. Die Bundesratsausschüsse sind durch Einwanderung gleich bleiben, genauso wie die nicht der schlechteste Ort, um eine solche Diskussion Arbeitsbedingungen gleich gut bleiben müssen. zu führen. Insofern hoffe ich, dass wir weiterkom- men. – Herzlichen Dank. Ein Einwanderungsgesetz, das seinen Namen ver- dient, sollte unkomplizierten Familiennachzug re- geln. Auch den Familienangehörigen sollte – das Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Frau Mi- wurde schon zum Stichwort Integration gesagt – im nisterpräsidentin Kramp-Karrenbauer! Sinne eines durchdachten Integrationskonzeptes kon- 336 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Anne Spiegel (Rheinland-Pfalz) (A) (C) sequent der Erwerb der deutschen Sprache angebo- Bei den Strukturdaten sieht es ähnlich aus. Die Ar- ten werden. beitslosenquote variiert je nach Bundesland um rund 7,1 Prozentpunkte. Bei den Armutsgefährdungsquo- Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte ten ist der Unterschied nach Regionen sogar noch über Einwanderung und die Veränderungen, die da- deutlicher: 8,9 Prozent in Oberbayern und 24,1 Pro- mit einhergehen. Wir brauchen das Grundverständ- zent in Bremen. nis, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Diese und zahlreiche weitere Werte sind wichtige Nicht zuletzt sollte im Rahmen eines Entwurfs für Indikatoren dafür, dass angesichts sehr unterschied- ein Einwanderungsgesetz geprüft werden, in wel- licher Ausgangslagen eine Gleichwertigkeit der Le- chen Bereichen man für Asylsuchende einen unkom- bensverhältnisse unter den bestehenden Bedingun- plizierten Spurwechsel vom Asylsystem in die Ein- gen nur schwer zu gewährleisten ist. Es droht ein wanderungsschiene zulässt; denn im vergangenen Teufelskreis aus Strukturschwäche und kommunaler Jahr wäre sicher der eine oder andere Handwerker Unterfinanzierung, der am besten durch eine Stär- beziehungsweise die eine oder andere Handwerke- kung der kommunalen Selbstverwaltung und der rin aus dem Kosovo für solch eine Lösung in Betracht kommunalen Finanzierung durchbrochen werden gekommen. Das hätte nicht nur die betroffene Per- kann. son, sondern auch unsere Handwerksbetriebe sehr gefreut, die immer mehr Stellen nicht besetzen kön- Die Sicherstellung der kommunalen Handlungsfä- nen. higkeit ist zunächst Aufgabe der Länder, die sie im Rahmen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit auch Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich wün- erfüllen. Alle Flächenländer haben Gesetze zum sche mir sehr, dass wir die Debatte über ein Ein- kommunalen Finanzausgleich erlassen, mit denen wanderungsgesetz ernsthaft führen und hier endlich sie nicht nur Finanzkraftunterschiede zwischen den einen Schritt weiter kommen. Die Zeit ist reif für ein Kommunen angleichen, sondern auch die kommu- Einwanderungsgesetz. Ich bitte Sie um Unterstüt- nale Finanzkraft aus eigenen Steuermitteln erhöhen. zung unseres Entschließungsantrags. Mit einem Ein- wanderungsgesetz wird Deutschland den Heraus- In vielen Ländern sind darüber hinaus kommuna- forderungen des 21. Jahrhunderts gerecht. – Vielen le Entschuldungsprogramme aufgesetzt worden. In Dank. Nordrhein-Westfalen sind das Stärkungspakte. Wir haben inzwischen den dritten Stärkungspakt – Kom- munalfinanzen – aufgelegt. Präsident Stanislaw Tillich: Ich bedanke mich bei Ihnen, Frau Staatsministerin Spiegel. Beim Finanzausgleich der Länder werden im We- sentlichen die Einnahmen angeglichen, ohne be- (B) Wir haben keine weiteren Wortmeldungen. sondere Bedarfe zu berücksichtigen. Hier besteht (D) sicherlich noch Potenzial mit Blick auf die Berück- Ich weise die Vorlage dem Innenausschuss – feder- sichtigung der Kommunen. Deswegen ist es richtig, führend – sowie dem Ausschuss für Arbeit, Integra- dass wir im Modell der MPK für den Länderfinanz- tion und Sozialpolitik, dem Ausschuss für Familie ausgleich den Anteil der kommunalen Finanzkraft und Senioren und dem Wirtschaftsausschuss – mit- von 67,5 auf 75 Prozent erhöhen wollen. beratend – zu. Ein finanzieller Ausgleich zur „Herstellung der Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 85: Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ braucht Entschließung des Bundesrates zur Abwehr aber zwei Säulen: die Einnahme- und die Ausgaben- wachsender Disparitäten zwischen den Kom- seite. munen im Bundesgebiet – „Gleichwertige Ein ganz wichtiger Punkt bei den kommunalen Lebensverhältnisse in Deutschland schaffen“ Ungleichgewichten auf der Ausgabenseite sind näm- – Antrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bre- lich die bundesgesetzlich festgelegten kommunalen men gemäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache Sozialleistungen. Sie betrugen 2015 – ohne die 520/16) Stadtstaaten – insgesamt 53,8 Milliarden Euro. Diese Zuerst erteile ich der Ministerpräsidentin des Lan- Sozialleistungen sind aus gutem Grund bundesge- des Nordrhein-Westfalen, Frau Hannelore Kraft, das setzlich festgelegt, um die Gleichwertigkeit der Le- Wort. bensverhältnisse zu wahren. Leider wird dieser As- pekt nicht auch auf die Finanzierung angewendet; denn die Kosten der Sozialausgaben variieren re- Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen): Sehr ge- gional erheblich und sind von den Kommunen nur ehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kolle- schwer zu beeinflussen. gen! Durchschnittlich haben alle staatlichen Ebenen im Jahr 2015 Überschüsse erzielt, auch die kommu- Deswegen war es ordnungs- und sozialpolitisch nale Ebene. Bei differenzierter Betrachtung bestehen richtig, dass wir in dieser Legislaturperiode dafür sor- allerdings erhebliche Disparitäten. gen werden, dass der Bund 1,2 Milliarden Euro in 2018 beziehungsweise 1,6 Milliarden Euro ab 2019 Bei den Kommunen ergeben sich bereits in der aus dem Entlastungspaket in Höhe von 5 Milliarden Länderbetrachtung erhebliche Streuungen in den Fi- Euro über die Kosten der Unterkunft verteilt, dass der nanzierungssalden von minus 175 Euro bis plus 108 Bund die Ausgaben der Kommunen für die Flücht- Euro je Einwohner in den Kernhaushalten. lings-KdU übernimmt und dass das Kommunalinves- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 337 Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) titionsprogramm die finanzschwachen Kommunen chend zu sein, sondern es muss differenziert werden. besonders berücksichtigt; denn gerade finanzschwa- Deswegen finde ich den Ansatz richtig, den Bremen che Kommunen mussten in der Vergangenheit zu und Nordrhein-Westfalen gemeinsam gewählt ha- Lasten der freien Investitionsmittel sparen. ben, dass wir nicht einfach von der Förderung nach Himmelsrichtung – Ost/West, ehemals DDR und Bun- Gemeinsam haben diese Entlastungsmaßnahmen desrepublik –, sondern von einem Prozess des inne- des Bundes aber, dass sie zeitlich begrenzt oder nicht ren Wachstums reden. Da gehören alle benachteilig- dynamisch gewährt werden. Sie wirken also, wenn ten Regionen auf den Prüfstand. Wir müssen also man es genau nimmt, nur vorübergehend oder wer- genau hinschauen. den angesichts steigender Ausgaben ihre Entlas- tungswirkung Stück für Stück verlieren. Mein Bundesland liegt bei der Arbeitslosigkeit mit 6,4 Prozent ganz vorne: auf Platz 1. In Regionen wie Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine der zentra- dem Landkreis Sonneberg nahe an Bayern haben wir len Forderungen unseres Antrags ist daher, dass in eine Arbeitslosigkeit von 3,8 Prozent. Das ist eine dieser Legislaturperiode zusätzlich bereitgestellte Entwicklung, die sich durchaus sehen lassen kann, Mittel dauerhaft und dynamisch gewährt werden. die positiv ist und an der man erkennt, dass einge- Darüber hinaus fordern wir, dass Länder und Bund setztes Geld eine exzellente Wirkung hat und die bei zukünftigen bundesgesetzlichen Regelungen si- umliegenden Regionen weiter positiv beeinflusst cherstellen, dass die in dieser Legislaturperiode ge- werden. währten Entlastungen nicht durch neue Aufgaben Trotzdem haben wir mit Altenburg, dem Altenbur- oder Standards konterkariert werden; einige davon ger Land und Artern Regionen, in denen noch immer sind durchaus schon am Horizont erkennbar. eine gegenteilige Entwicklung stattfindet. Als gebür- Deshalb werbe ich für die Zustimmung zu unserem tiger Niedersachse weiß ich, wie die Region Bremer- Antrag. Er bietet eine Chance, gegenüber dem Bund haven oder – anderswo – die Region Pfälzerwald zu ein starkes Signal zu setzen: für eine nachhaltige bewerten sind, wie sich vom mittleren Durchschnitt Umsetzung der in dieser Legislaturperiode getroffe- abweichende Größen in den Regionen auswirken. nen Entscheidungen zur kommunalen Entlastung Wir müssen dort mit einem Instrumentarium der Stär- und für einen zukünftig kommunalfreundlichen Um- kung helfen, aber nicht, indem Fördergelder einfach gang mit Gesetzesvorlagen. – Vielen Dank. nach dem Motto „Wir fördern den äußeren Rahmen“ verteilt werden. Es muss in solchen Regionen einen inneren Wachstumsprozess geben, damit die Aufhol- Präsident Stanislaw Tillich: Ich bedanke mich bei jagd in Richtung Durchschnitt wenigstens ermöglicht Frau Ministerpräsidentin Kraft. wird. (B) Ich darf anlässlich einer gleichzeitig in Berlin statt- Meine Damen und Herren, ich will an dieser Stelle (D) findenden Kommunalkonferenz die Initiatoren dieses wiederholen: Aktuell werden über den Solidaritäts- Tagesordnungspunktes, nämlich die kommunale Fa- beitrag 16 Milliarden Euro eingenommen; bis 2020 milie, auf der Tribüne begrüßen. Sie hat sich darum werden es 20 Milliarden Euro sein, die direkt in den bemüht, dass er heute hier behandelt wird. Bundeshaushalt fließen. Davon wird nur noch der Ich gebe jetzt das Wort Herrn Kollegen Minister- geringste Teil in die neuen Länder transferiert. Das präsident Ramelow aus dem Freistaat Thüringen wei- ist eigentlich ein guter Topf, um zu sagen: Alle be- ter. nachteiligten Regionen sollten einen Anspruch auf dieses Geld als Investition in einen Wachstumspro- zess haben, den man kontrollieren und begleiten Bodo Ramelow (Thüringen): Meine sehr verehrten kann, ähnlich wie bei den Mitteln aus europäischen Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kolle- Fonds verfahren wird, die sich an der Abweichung gen! Zu den zutreffenden Ausführungen von Kolle- vom Durchschnitt orientieren. Das wäre ein hoff- gin Kraft würde ich gerne noch einige Facetten an- nungsvoller Schritt für die kommunale Familie, um in merken. der Aufholjagd vorwärtszukommen. Wir schließen uns der Richtung des Antrags vollin- Ich werbe also dafür, dass man den Soli nicht ein- haltlich an. Aber ich möchte aus der Sicht eines fach dem Bundesfinanzminister überlässt. Wir, die neuen Bundeslandes darauf hinweisen, dass wäh- Länderfamilie, sollten Anspruch darauf erheben, dass rend der letzten 25 Jahre auch mit dem Förderinstru- diese 20 Milliarden Euro gezielt in benachteiligte Re- mentarium der Solidaritätsabgabe Investitionen getä- gionen fließen, aber nicht – ich betone es noch ein- tigt worden sind, die in unseren Ländern einen mal – nach Himmelsrichtungen, sondern nach Not- erheblich positiven Effekt hatten, damit sich die An- wendigkeit. Es soll als Investition dienen, damit gleichung von Ost und West in einer besseren Rela- dynamisch etwas geschieht und angeregt wird. tion entwickelt. Wenn wir von Vermögenswerten, So- zialdaten, Lohnhöhen und Einkommenshöhen reden, Wenn ich mit Blick auf dieses Thema den vor- sind wir im Schnitt bei 75 Prozent angekommen. herigen Tagesordnungspunkt – Zuwanderung und Leistungen zur Integration von Flüchtlingen – einbe- Kurz vor dem Tag der Deutschen Einheit kann man ziehe, stelle ich fest: Für die kommunale Familie ist sagen: Der Entwicklungsprozess ist dynamisch und das Geld dringend notwendig, damit wir nicht denen positiv. Das gezeichnete Bild, dass es bei uns stag- die Marktplätze überlassen müssen, die Angst vor nieren würde, scheint mir nicht hinlänglich ausrei- den Flüchtlingen verbreiten. Vielmehr muss Geld in 338 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Bodo Ramelow (Thüringen) (A) (C) die Hand genommen werden, um diese Angst zu Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4: überwinden; denn Flüchtlinge sind keine Bedrohung. Das alte Szenario Ost gegen West, Mann gegen Frau, Erstes Gesetz zur Änderung des Bundesjagd- Kranke gegen Gesunde, Inländer gegen Ausländer gesetzes (Drucksache 455/16) muss gedreht werden hin zu einem gemeinsamen Es gibt die Wortmeldung von Frau Staatsministerin Entwicklungsprozess, zu einem Miteinander. Deswe- Hinz aus dem wunderschönen Land Hessen. gen unterstützen wir die Stoßrichtung des Antrags sehr. Priska Hinz (Hessen): Herr Präsident, meine Da- Am Schluss würde ich gerne noch einen Hinweis men und Herren! Der Wald ist für uns alle enorm geben. Ich weiß nicht, wie Sie alle das mit dem Brexit wichtig – als Erholungsraum, als Reservoir für die sehen. Ich weiß nur: Wenn er vollzogen wird, wird Trinkwasserversorgung, als Lebensraum, der eine die Bundesrepublik Deutschland das wirtschaftlich reiche Biodiversität bietet, als Element des Klima- stärkste Land in der EU sein. Der statistische Effekt schutzes, als Möglichkeit für Sport und als Produzent dadurch ist – was man im Moment noch gar nicht von Holz als Rohstoff. vermutet –, dass alle neuen Bundesländer komplett Wälder wachsen langsam. Die Forstwirtschaft in aus der EU-Förderung herausfallen werden. Wir wer- Deutschland hat sich vor 200 Jahren der Nachhaltig- den auf einmal wirtschaftlich stark sein, nicht weil keit verschrieben. Die Erfolge sind groß; die letzte wir stark geworden sind, sondern weil sich der statis- Bundeswaldinventur von 2012 belegt dies in Zahl tische Mittelwert Europas durch das Ausscheiden ei- und Maß. ner anderen starken Volkswirtschaft verschiebt. Das Land Hessen ist zu über 42 Prozent bewaldet. Ich weise darauf hin, dass für uns neue Länder im- Es gehört mit Rheinland-Pfalz zu den waldreichsten mer geringere Mittel aus den europäischen Fonds zur deutschen Ländern. Wir haben neben einem hohen Verfügung stehen werden. Das heißt, nach 2019 wird Anteil von Staatswald viele private und kommunale es zusätzlich zu dem veränderten Länderfinanzaus- Waldbesitzer, die zum Teil einen sehr kleinen Wald- gleich, über den noch immer nicht mit Nachdruck besitz haben. Für viele übernimmt die staatliche verhandelt wird, einen zweiten Problemkreis geben. Forstverwaltung die Waldbewirtschaftung, so in Ba- Wenn dann durch den statistischen Effekt wegen des den-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-West- Brexits alle 16 Bundesländer auf einmal starke und falen und anderen Ländern. Wir wollen, dass das so reiche Länder in Europa sind, werden wir noch drin- bleiben kann. gender darauf angewiesen sein, ein gezieltes Förde- rungsinstrumentarium für die kommunale Familie zu Die Länder Hessen und Rheinland-Pfalz haben ge- schaffen. Deswegen unterstützt Thüringen den An- meinsam die Anrufung des Vermittlungsausschusses (B) (D) trag von Nordrhein-Westfalen und Bremen sehr. – beantragt, weil wir eine dringende Klarstellung im Vielen Dank. Bundeswaldgesetz benötigen. Das Bundeskartellamt hat im Streit mit dem Land Baden-Württemberg Regelungen verfügt, die weit Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Mi- über die wettbewerbsrechtlich korrekte Form des Ver- nisterpräsident Ramelow! kaufs von Nadelstammholz und die Rolle, die die staat- liche Forstorganisation dabei einnimmt, hinausgehen. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Wir streben eine ergänzende Klarstellung des Bun- Ich weise die Vorlage dem Innenausschuss – feder- deswaldgesetzes an; denn die Arbeit der Forstleute führend – sowie dem Ausschuss für Arbeit, Integra- und Waldbesitzer dient eben nicht allein und aus- tion und Sozialpolitik, dem Finanzausschuss und schließlich einem rein erwerbswirtschaftlichen Zweck dem Wirtschaftsausschuss – mitberatend – zu. und dem Sägen von Rohholz. Das Pflanzen einer gro- ßen Baumartenpalette dient der Biodiversität. Das Zur gemeinsamen Abstimmung nach § 29 Absatz 2 Einleiten von Naturverjüngung ist ein Beitrag zum der Geschäftsordnung rufe ich die in dem Umdruck Erosionsschutz. Starke alte Bäume und Totholz be- 8/2016*) zusammengefassten Beratungsgegenstände gründen die nachhaltige Waldbewirtschaftung. Schon auf. Es sind dies die Tagesordnungspunkte: diese Beispiele belegen den Klärungsbedarf, den die Länder sehen, den auch die Bundesregierung und 2, 3, 5, 7 bis 11, 13, 14, 16, 17, 38 bis 43, 46, 48, das federführende Bundeslandwirtschaftsministerium 54, 55, 58 bis 62, 64, 65, 69, 71 bis 75, 78 und 80 bislang gesehen haben. bis 83. Der Minister war mit uns einig über eine Gesetzes- Wer den Empfehlungen und Vorschlägen folgen änderung. Der Referentenentwurf war in der Anhö- möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist rung. Bayern hat diese Änderung zunächst gestoppt. die Mehrheit. Unser Antrag, den Vermittlungsausschuss einzu- berufen, bezweckte das Gleiche, was auch die Bun- Es ist so beschlossen. desregierung zum Ziel hatte. Wir wollen klarstellen, dass die Arbeit von Waldbesitzern, Forstleuten und Waldarbeitern auch Gemeinwohlbelange verfolgt. *) Anlage 3 Bevor ein Baum geerntet wird, vergehen Jahrzehnte, Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 339 Priska Hinz (Hessen) (A) (C) manchmal Jahrhunderte. In diesem Zeitraum des Ihnen liegen zur Abstimmung die Ausschussemp- Wachstums leistet der Baum Vielfältiges, er hat nicht fehlungen vor. Da es mehrere Anrufungsgründe gibt, allein und ausschließlich die Funktion, Holz zu pro- frage ich zunächst, wer allgemein für die Anrufung duzieren. Er ist kein Industrieprodukt wie Joghurt- des Vermittlungsausschusses ist. Ich bitte um das becher, die nur einen Zweck erfüllen. Handzeichen. – Das ist eine Minderheit. Wenn die Bäume dann eingeschlagen werden und Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetz den Ver- am Waldweg liegen, um verkauft zu werden, gilt mittlungsausschuss nicht angerufen. – das ist unstrittig – das Gesetz gegen Wettbewerbs- beschränkungen, vorher – jedenfalls überwiegend – Dann frage ich, wer dem Gesetz zustimmen nicht. Wenn wir das so im Gesetz klarstellen, dann möchte. – Das ist die Mehrheit. wird auch klargestellt, dass unter anderem die Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt. 60 000 Waldeigentümer in Hessen in Zukunft auf ein seit Langem bewährtes freiwilliges Angebot der Län- Wir haben nun noch über die empfohlene Ent- derforstbehörden vertrauen können, nämlich den schließung zu befinden. Hierzu rufe ich auf: Waldbau und die Waldpflege fachkundig und zuver- lässig im System des sogenannten Gemeinschafts- Ziffer 3! – Mehrheit. forstamtes durchzuführen. Ziffer 4! – Minderheit. Um Kritik vorwegzunehmen: Natürlich ist klar, Ziffer 5! – Mehrheit. dass diese staatliche Dienstleistung gegen eine Kos- tenerstattung erfolgen muss, die andere Dienstleister Ziffer 6! – Mehrheit. nicht diskriminiert und damit das Wettbewerbsrecht achtet. Viele Tausend private Waldbesitzer sind als Ziffer 7! – Mehrheit. Kunden der Landesforstverwaltungen sehr zufrieden. Ziffer 8! – Mehrheit. Auch sie wollen, dass das so bleibt. Damit hat der Bundesrat eine Entschließung ge- Wenn Bayern einen anderen Weg der Beforstung fasst. geht, weil die Strukturen des Waldbesitzes dort an- ders sind, dann ist das okay, das muss aber nicht Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6: zwangsläufig dazu führen, dass sich alle anderen Län- der nach diesem System richten. Darum geht es uns. Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsge- werbes sowie zum Schutz von in der Prostitu- Dankenswerterweise gibt es jetzt eine Klarstellung tion tätigen Personen (Drucksache 457/16, zu durch eine Protokollerklärung der Bundesregierung Drucksache 457/16) (B) zur Änderung des Bundesjagdgesetzes. Unser Antrag (D) auf Anrufung des Vermittlungsausschusses bezieht Uns liegt die Wortmeldung von Frau Staatsministe- sich auf die Änderung des Waldgesetzes, die daran rin Spiegel aus Rheinland-Pfalz vor. angehängt wird. Wir wollen, dass noch in diesem Jahr eine Klarstellung erfolgt. Das bedeutet, dass es nicht Anne Spiegel (Rheinland-Pfalz): Sehr geehrter Herr ausreicht, im Dezember einen Änderungsantrag zu Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! bekommen. Bis Dezember muss es beschlossen sein, Rheinland-Pfalz begrüßt zwar das Ziel des Gesetzes, weil sonst das Kartellrecht in Baden-Württemberg zu- Prostituierte besser zu schützen und die Menschen, schlägt – das Gerichtsurteil steht vor der Tür – und die in der Prostitution arbeiten, zu stärken. Wir sind sich auch alle anderen Länder danach richten müssen. allerdings ebenso der Meinung, dass das Gesetz die- Es gibt jetzt auch eine Protokollerklärung des Frei- ses Ziel nicht ausreichend verfolgt. staates Bayern, dass er dieses akzeptiert. Wir sind froh darüber, dass wir durch die Änderung eines Ge- Die Regelungen für Prostitutionsstätten sollen die setzes, das an ein anderes Gesetz angehängt wird, die Arbeitsbedingungen der Prostituierten verbessern, schnellstmögliche und bestmögliche Lösung bekom- und das begrüßen wir. Es ist beispielsweise gut, dass men können. VA ist immer nur Mittel zum Zweck, unwürdige Sexualpraktiken wie der Flatrate-Sex in kein Selbstzweck. Wenn wir diese überfällige Ände- Zukunft nicht mehr erlaubt sind. rung auf anderem Wege schnell hinbekommen, ist es Aber von einem verbesserten Schutz der Prostitu- gut. Dann bedanke ich mich bei allen, die dazu beige- ierten kann keine Rede sein. Das Gesetz sieht viel- tragen haben. Wir gehen davon aus, dass die Zusage mehr zahlreiche Sanktionen vor, wenn Prostituierte auch diesmal hält. – Herzlichen Dank. ihrer Anmeldepflicht und der Pflicht zur Gesund- heitsberatung nicht nachkommen. Wir warnen davor, Präsident Stanislaw Tillich: Meine Damen und dass die Prostituierten dadurch auf unnötige Weise Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. stigmatisiert werden können. Es verfestigt sich der Eindruck, dass das Gesetz wohl eher der Kontrolle ) Je eine Erklärung zu Protokoll* abgegeben ha- als dem Schutz der Prostituierten dient. Meine Da- ben Ministerpräsident Seehofer (Bayern) und Staats- men und Herren, die Prostituierten in Deutschland minister Professor Dr. Braun (Bundeskanzleramt). haben ein Gesetz verdient, das sie besser schützt. Es steht zu befürchten, dass diese zusätzlichen Pflichten viele in die Illegalität treiben, da sie für ihre Tätigkeit *) Anlagen 4 und 5 auf den Schutz durch Anonymität angewiesen sind. 340 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Anne Spiegel (Rheinland-Pfalz) (A) (C) Gerade der Umstand, dass die Interessenvertretun- über das Gesetz zur Bekämpfung von Zwangsprosti- gen der Menschen in der Prostitution diese zusätzli- tution und Menschenhandel beraten. chen Pflichten ablehnen, sollte aufhorchen lassen. Über Prostitution wird offen nicht viel gesprochen. Der Deutsche Juristinnenbund, der Deutsche Frauen- Die wenigsten wollen damit zu tun haben. Aber offen- rat, die Diakonie Deutschland und die Deutsche bar gehen viele hin, denn es ist ein millionenschweres Aidshilfe sagen ebenso, dass die zusätzlichen Pflich- Gewerbe. Dieses Gewerbe wird oft im wahrsten Sinne ten stigmatisierend sind und dass man sich stattdes- des Wortes auf dem Rücken der Frauen ausgetragen, sen lieber einen besseren Schutz gewünscht hätte. aber sie profitieren nicht davon. Auch die Bundesratsausschüsse für Frauen und Die Frauen in diesem Gewerbe sind in ganz unter- Jugend sowie für Gesundheit empfehlen überein- schiedlichen Situationen. Ja, es gibt die selbstbe- stimmend, die vorgesehene Anmeldepflicht und die stimmte Prostituierte, die ihre eigenen Regeln klar- Pflicht zur gesundheitlichen Beratung für Prostitu- machen und einfordern kann. Aber viele Frauen und ierte zu streichen. auch Männer können das nicht. Sie sind in der Hand Rheinland-Pfalz hätte sich an dieser Stelle den der Zuhälter, die alles bestimmen und sie ausbeuten. Ausbau des freiwilligen Informations- und Bera- Es war richtig, dass die Prostitution legalisiert tungsangebots gewünscht, weil dies nicht stigmati- wurde. Damit war die Möglichkeit gegeben, dass sierend für die Prostituierten ist. Frauen und auch Männer aus dem Dunkelfeld in die Auch die Kondompflicht halten wir für falsch; denn Legalität kommen. Es war aber nicht richtig, dass es stellt sich die Frage, die mir bis heute noch keiner keine Regeln aufgestellt worden sind. Salopp gesagt beantworten konnte: Wie will man eine solche Pflicht hat jede Pommesbude in Deutschland schärfere Re- ernsthaft kontrollieren? Der Berufsverband erotische geln und bessere Kontrollen als Bordelle – und das und sexuelle Dienstleistungen sagt zu Recht, dass kann nicht sein. dies nicht überprüfbar ist. Deshalb haben der Bundesrat, aber auch die Kom- Wir brauchen an dieser Stelle Nachbesserungen, munen zu Recht eingefordert, dass es Regeln gibt. die dem Schutz der Prostituierten dienen. Sie stellen wir jetzt gemeinsam auf. Es ist wichtig, dass dieses Gesetz kommt. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz unter- stützt die Absicht, den Vermittlungsausschuss anzu- In der Debatte gibt es ganz unterschiedliche Pole. rufen, um das Inkrafttreten des Gesetzes auf den Die einen halten weiter an der Liberalisierung dieses 1. Januar 2018 zu verschieben. Denn viele für die Gewerbes fest und sagen, eigentlich kann es blei- Umsetzung entscheidende Fragen lässt das Gesetz ben, wie es ist. Aber noch einmal: Die wenigsten unbeantwortet, es überlässt die Lösung den Ländern. Frauen – nur eine Handvoll – haben sich mit diesem (B) (D) Darüber hinaus fehlt nach wie vor eine nachvollzieh- Gewerbe angemeldet. Wir wissen jedoch, dass viele bare und vollständige Kostenabschätzung des Geset- darin tätig sind. Der andere Pol in der Diskussion ist: zesvorhabens durch die Bundesregierung. Der Bund am besten alles verbieten. sollte eine möglichst weitgehende Kostenbegren- Ich halte von beiden Extremen nichts und habe zung für die Länder und für die Kommunen vorsehen mich bemüht, in den letzten zwei Jahren eine ge- und eine dauerhafte Kompensierung der Kosten in meinsame Diskussion darüber zu führen, welche Re- Aussicht stellen. geln wir aufstellen können, die dem Schutz der Wir bauen weiter auf den Bund und appellieren an Frauen dienen, vor allem der Frauen, die dieses Ge- ihn, nachzubessern. – Vielen Dank. werbe eben nicht selbstbestimmt ausüben. Wir ha- ben Regeln für die Bordelle aufgestellt sowie Anmel- depflichten und gesundheitliche Beratung für die Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Frau Prostituierten festgeschrieben. Wir haben abgewo- Staatsministerin Spiegel! gen, wie viel Schutz Frauen und Männer im Prostitu- tionsgewerbe brauchen und wie viele Regeln dafür Als Nächster erteile ich Frau Bundesministerin notwendig sind. Schwesig vom Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend das Wort. Der Bundesrat hat in seiner Entschließung 2014 gefordert: „An erster Stelle steht eine Erlaubnis- pflicht für Prostitutionsstätten.“ Die Erlaubnispflicht Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie, kommt jetzt. Wir haben heute keine Vorgaben und Senioren, Frauen und Jugend: Sehr geehrter Herr Bedingungen für den Betrieb von Bordellen. Betrei- Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit dem ber und Betreiberinnen können dort machen, was sie Prostituiertenschutzgesetz legen wir Ihnen ein Ge- wollen. Das tun sie zum großen Teil auch. Wir führen setz vor, mit dem wir die Situation von Frauen und die Erlaubnispflicht ein. Männern in der Prostitution verbessern wollen. Weiter heißt es in Ihrer Entschließung: Wir haben in Deutschland die Situation, dass viele Frauen und auch Männer in der Prostitution ausge- Eine Zuverlässigkeitsprüfung für Betreiberin- beutet werden, dass sie Gewalt erleben. Deshalb nen und Betreiber sowie Mindestanforderungen wollen wir Prostituierte mit klaren Regeln für dieses an gesundheitliche, hygienische und räumliche Gewerbe besser schützen, so wie es auch der Bun- Bedingungen sollten in diesem Rahmen festge- desrat eingefordert hat. Sie werden im Weiteren auch legt werden. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 341 Bundesministerin Manuela Schwesig (A) (C) Auch das führen wir ein. Es ist dringend notwen- Damit hat der Bundesrat den Vermittlungsaus- dig, klare Auflagen für den Betrieb von Bordellen zu schuss nicht angerufen. erteilen und zum Beispiel auszuschließen, dass Per- sonen, die einschlägig vorbestraft sind, diese betrei- Wir kommen zu der in Ziffer 2 empfohlenen Ent- ben. schließung. Ich rufe auf: Buchstabe a! – Minderheit. Ja, wir führen auch eine Anmeldepflicht für Prosti- tuierte ein. An dieser Stelle möchte ich auf Ihre Kritik Buchstabe b! – Minderheit. eingehen, sehr geehrte Frau Spiegel. Die Anmelde- pflicht ist gerade im Interesse der Frauen notwendig, Buchstabe c! – Minderheit. die bisher nur vom Zuhälter vertreten worden sind, Buchstabe d! – Minderheit. die damit für uns nicht sichtbar sind und deshalb auch in den Debatten nicht vorkommen können, we- Damit hat der Bundesrat die Entschließung nicht der in den Talkshows noch in den Verbänden, die sie gefasst. vertreten. Es ist wichtig, dass die Frauen gesehen werden, damit sie beraten werden können und damit Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 12: eine Einschätzung möglich ist, ob sie diesen Beruf … Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbu- selbstbestimmt ausüben oder ob sie im Zweifel in ei- ches – Verbesserung des Schutzes der sexuel- ner Zwangslage sind. Nur durch die Anmeldepflicht len Selbstbestimmung (Drucksache 463/16) gelingt es uns, jeder Prostituierten die notwendige gesundheitliche Beratung zukommen zu lassen. Die Es gibt zwei Wortmeldungen. Zuerst erteile ich Vertrauensperson für Prostituierte sollte die Sozialar- Herrn Senator Dr. Steffen (Hamburg) das Wort. beiterin oder der Arzt sein, nicht der Zuhälter.

Ich finde, dass mit den Missständen in der Prostitu- Dr. Till Steffen (Hamburg): Sehr geehrter Herr Prä- tion Schluss sein muss. Man kann über das eine oder sident! Meine Damen und Herren! Das Gesetz zur andere lange diskutieren. Ich werbe aber dafür, dass Verbesserung der sexuellen Selbstbestimmung wird der Vermittlungsausschuss nicht angerufen wird. einen Unterschied machen. Wir vollziehen nunmehr Liebe Frau Spiegel, Sie haben es in Ihrer Rede selbst einen längst überfälligen Paradigmenwechsel im klar gesagt. Es geht nicht nur um das Verzögern des Strafrecht. Jede sexuelle Handlung gegen den Willen Inkrafttretens. Vielmehr haben Sie selbst Nachbes- einer Person wird künftig strafbar sein. Nein wird serungen eingefordert. Wir haben aber alle lange da- endlich auch Nein heißen. rüber diskutiert. Nachdem viele Jahre nichts geregelt Wir handeln aus Überzeugung. Ich finde es sehr worden ist und man zugeschaut hat, wie die Zu- bemerkenswert, dass wir uns parteiübergreifend zu (B) stände immer schlimmer wurden, halte ich es für not- (D) dieser grundlegenden Reform des Sexualstrafrechts wendig, dieses Gesetz jetzt auf den Weg zu bringen, bekennen. Das Gesetzgebungsverfahren zeigt, dass damit es zum 1. Juli nächsten Jahres in Kraft treten eine solche Übereinkunft keine Selbstverständlich- kann. keit war. Heute ist daher auch ein guter Tag für die Ich kann Ihnen zusagen, dass wir Kommunen und Zivilgesellschaft. Dieses Gesetz ist auch ihr Erfolg. Länder gerne bei der Umsetzung unterstützen; denn Seit Jahren werben und streiten vor allem Frauen- wir alle haben das Interesse, die Frauen und Männer und Opferverbände für diese Reform. Sie haben Aus- in der Prostitution zu schützen durch klare Regeln dauer bewiesen und das Gesetzgebungsverfahren der Legalisierung, damit wir Ausbeutung und Gewalt mit Kompetenz und vor allem ganz viel Elan beglei- in Zukunft verhindern. – Herzlichen Dank. tet. Zuletzt hatte sich etwa ein breites zivilgesell- schaftliches Bündnis nochmals in einem offenen Brief an die Bundeskanzlerin und die Mitglieder des Deut- Präsident Stanislaw Tillich: Ich danke Ihnen, Frau schen Bundestages gewandt. Die Unterzeichnerinnen Bundesministerin Schwesig. haben mit diesem Brief ihrer Forderung nach einer Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Je eine zeitgemäßen und menschenrechtskonformen Weiter- Erklärung zu Protokoll*) abgegeben haben Frau Mi- entwicklung des Schutzes der sexuellen Selbstbe- nisterin Rundt (Niedersachsen) und Herr Minister stimmung Ausdruck verliehen. Professor Dr. Hoff (Thüringen). Heute wissen wir: mit Erfolg! Ihr Engagement hat sich erkennbar gelohnt. Wir werden genau diese For- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kom- derung nunmehr umsetzen. men zur Abstimmung. Ihnen liegen die Ausschuss- empfehlungen vor. Ich persönlich habe den zuletzt regen und engen Austausch mit diesen Gruppen im Gesetzgebungs- Wer für die Anrufung des Vermittlungsausschusses verfahren als sehr konstruktiv und hilfreich empfun- gemäß Ziffer 1 der Ausschussempfehlungen ist, den den. Es ist zudem einfach schön, zum Bundesratsge- bitte ich um das Handzeichen. – Das ist eine Minder- schäft unmittelbares – und hier auch wohlwollendes – heit. Feedback zu bekommen. Die Politik tut allgemein gut daran, sich auf diese Weise zu vergewissern, auf dem richtigen Pfad zu sein; wir wollen das Recht ja *) Anlagen 6 und 7 nicht an der Praxis vorbei entwickeln. Diesem An- 342 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Dr. Till Steffen (Hamburg) (A) (C) spruch werden wir mit dieser Reform jedenfalls ge- den Beweisprobleme bei Aussage-gegen-Aussage- recht. Konstellationen noch weiter verschärfen könnten. Womöglich geben wir den Opfern von Sexualstrafta- Auch für den Bundesrat ist heute ein guter Tag. Er ten mit der Reform dann nur Steine statt Brot, wenn hat seinen – wie ich finde, sehr wichtigen – Teil zum einerseits zwar schon ein Nein für die Strafbarkeit Gelingen der Reform beigetragen. Die Bundesländer ausreichen soll, die Taten aber letzten Endes nicht haben ihrerseits Widerstände und Skepsis überwun- bewiesen werden können. den und im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf diese grundlegende Reform gedrungen. Diese Bedenken sollten wir ernst nehmen und Bereits im Februar dieses Jahres hat der Bundesrat nicht leichtfertig beiseiteschieben. Immerhin ist es mit breiter und parteiübergreifender Mehrheit eine am Ende die strafrechtliche Praxis, die das Gesetz Verschärfung des Sexualstrafrechts im Sinne des tagtäglich anwenden und die Reform sozusagen mit Grundsatzes „Nein heißt Nein“ gefordert. Den sei- Leben erfüllen muss. Trotzdem meine ich, dass es im nerzeit schon vorliegenden Referentenentwurf der Interesse des Opferschutzes die richtige Entschei- Bundesregierung haben wir in unserer Entschließung dung ist, eine weitreichende und vor allem klare Re- als „Schritt in die richtige Richtung“ begrüßt, zu- gelung zu treffen, die die sexuelle Selbstbestimmung gleich aber auf die Unzulänglichkeiten des von der dort verortet, wo sie hingehört, nämlich im Zentrum Bundesregierung gewählten Ansatzes hingewiesen. des neuen Sexualstrafrechts. Im Mai konnten wir dann zu dem Gesetzentwurf Die Strafbarkeit darf nicht von zusätzlichen Um- der Bundesregierung auch formell Stellung nehmen. ständen oder sogar dem Einsatz von Nötigungsmit- In der Sache haben die Ausschüsse und das Plenum teln abhängen; denn das Opfer ist schon dann ver- sehr umfassend von dieser Möglichkeit Gebrauch letzt, wenn sich der Täter schlicht über dessen Willen gemacht. Neben einer Kritik im Detail haben wir un- hinwegsetzt. sere grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der defi- zitären Struktur des Gesetzentwurfs aufrechterhalten Außerdem bin ich zuversichtlich, dass unsere Ge- und die Bundesregierung gebeten zu prüfen, ob richte und Staatsanwaltschaften – wie bislang noch schon in diesem Gesetzgebungsverfahren ein Para- bei jeder Reform – trotz aller denkbaren Anfangs- digmenwechsel vollzogen werden kann. schwierigkeiten sachgerechte Lösungen finden. Und auch wir haben Gehör gefunden. Es spricht für Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich das Verfahren, dass hier unterschiedliche Akteure in möchte noch auf einen kleineren, aber nicht unbe- sehr verschiedenen Rollen die Voraussetzungen für deutenden Aspekt zu sprechen kommen. eine so grundlegende Reform des Sexualstrafrechts (B) geschaffen haben. Spätestens mit den Vorfällen in der Silvesternacht (D) von Köln ist klar geworden, dass wir nicht nur Verge- Die sich nun bietende Chance nehmen wir gemein- waltigungs- und Missbrauchsopfer in den Blick neh- sam und auch gerne wahr. Wir lassen zudem erken- men dürfen, sondern auch an die Opfer von sexuel- nen, dass sich ein solcher Einsatz aus Überzeugung len Übergriffen unterhalb der Erheblichkeitsschwelle lohnt. – Vielen Dank. denken müssen. Ich spreche hier in erster Linie von den sogenannten Grapscher-Fällen. Immer wieder Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Se- werden vor allem Frauen durch unerwünschte Griffe nator Dr. Steffen! in den Intimbereich massiv belästigt. Auch dadurch werden die sexuelle Selbstbestimmung und die In- Jetzt hat das Wort Herr Staatsminister Gemkow aus timsphäre der Opfer mitunter schwerwiegend ver- dem Freistaat Sachsen. letzt. Trotzdem ist ein solches Verhalten nach dem geltenden Recht straflos oder kann bestenfalls als tät- liche Beleidigung geahndet werden. Sebastian Gemkow (Sachsen): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ursprüngliche Gesetzentwurf wollte daran Am 7. Juli 2016 hat der Deutsche Bundestag einen nichts ändern. Ich darf daran erinnern, dass der Frei- Beschluss gefasst, der das deutsche Sexualstrafrecht staat Sachsen damals schnell reagiert und gemein- grundlegend ändert. sam mit dem Freistaat Bayern einen Antrag einge- Wir haben auch in diesem Haus schon intensiv bracht hat, um die sexuelle Belästigung künftig über die Inhalte diskutiert. Deswegen möchte ich auf gesondert unter Strafe zu stellen. Ich bin dankbar Kritik eingehen, die insbesondere im Zusammen- und froh, dass der Deutsche Bundestag auch diese hang mit der sogenannten Nein-heißt-Nein-Lösung Empfehlung des Bundesrates aufgenommen und ei- geäußert worden ist. nen neuen Tatbestand der sexuellen Belästigung ge- schaffen hat. Ich will nicht verhehlen, dass der Paradigmen- wechsel – Sie haben das völlig zu Recht so klassifi- Alles in allem denke ich, dass wir mit dem vorlie- ziert, lieber Herr Steffen –, der mit dieser Reform des genden Gesetz einen großen und wichtigen Schritt Sexualstrafrechts vollzogen wird, durchaus auch für zur Entwicklung eines modernen Sexualstrafrechts in einiges Unbehagen sorgt und vor allem bei der straf- Deutschland gehen, mit dem das Recht auf sexuelle rechtlichen Praxis auf Kritik gestoßen ist. So sind Be- Selbstbestimmung effektiv und konsequent ge- fürchtungen laut geworden, dass sich die bestehen- schützt wird. – Vielen Dank. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 343

(A) (C) Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr mende Klimakonferenz könnte dann die erste Konfe- Staatsminister Gemkow! renz der Vertragsstaaten des Paris-Abkommens sein. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ohne Deutschland? Ohne die EU? Das wäre in der Tat sehr peinlich. Daher muss auf der EU-Ebene alles Ausschussempfehlungen oder Landesanträge auf dafür getan werden, dass spätestens bis zum 7. Okto- Anrufung des Vermittlungsausschusses liegen nicht ber die Ratifizierung erfolgen kann und die entspre- vor. chenden Unterlagen bei der UNO hinterlegt werden. Daher stelle ich fest, dass der Bundesrat zu dem Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Pari- Gesetz den Vermittlungsausschuss nicht anruft. ser Abkommen ist ein Meilenstein des internationa- Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf: len Klimaschutzes. Kern des Abkommens ist das ge- meinsame Ziel, die Erderwärmung in der zweiten Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digi- Hälfte dieses Jahrhunderts auf deutlich unter 2 Grad taler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) bis hin zur Treibhausgasneutralität zu senken. (Drucksache 466/16) Wie fast alle anderen Staaten hat Deutschland im Es liegen keine Wortmeldungen vor. Vorfeld der Weltklimakonferenz in Paris entspre- Dann kommen wir zur Abstimmung. Der Verkehrs- chende Daten hinterlegt, ist also eine freiwillige ausschuss empfiehlt, dem Gesetz zuzustimmen. Wer Selbstverpflichtung zum Klimaschutz eingegangen. dem folgen möchte, den bitte ich um das Handzei- Eine kleine Revolution in der Klimapolitik, konnten chen. – Das ist die Mehrheit. doch so alle Staaten zum ersten Mal die Beiträge, die sie zu leisten bereit sind, selbst in die Verhandlungen Der Bundesrat hat dem Gesetz zugestimmt. einbringen! Ich rufe Tagesordnungspunkt 87 auf: Doch wir müssen feststellen: Selbst wenn alle Gesetz zu dem Übereinkommen von Paris vom Selbstverpflichtungen zusammengenommen werden, 12. Dezember 2015 (Drucksache 528/16) wird es nicht reichen. Mit diesen Zielen und Stra- tegien landen wir nicht bei einer Begrenzung der Es liegen mehrere Wortmeldungen vor. Als Ersten Erderwärmung von deutlich unter 2 Grad. Die bis- darf ich Herrn Minister Remmel aus dem Land Nord- her vorgelegten Strategien und Maßnahmen können rhein-Westfalen aufrufen. nach Berechnung von Expertinnen und Experten nur zu einer Begrenzung der Erderwärmung von knapp Johannes Remmel (Nordrhein-Westfalen): Sehr unter 3 Grad beitragen. geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen Daher ist eines ziemlich sicher: Wir müssen uns (B) und Herren! Wir begrüßen es sehr, dass die Bundes- insgesamt mehr anstrengen. Der Klimaschutz muss (D) republik Deutschland das Übereinkommen von Paris so etwas werden wie eine breite Bürgerbewegung vom 12. Dezember 2015 mit dem uns heute vorlie- von unten – alle müssen mitmachen –, eine Ge- genden Gesetz ratifizieren will und wird. meinschaftsanstrengung. Wir in Nordrhein-Westfa- Das Ganze ist in einem ungewöhnlich zügigen Ver- len haben uns als erstes Land aufgemacht, einen fahren vonstattengegangen. Die Dringlichkeit ist al- Klimaschutzplan auf der Grundlage eines Klima- lerdings durchaus angemessen. schutzgesetzes auf den Weg zu bringen – nicht etwa, weil es darum geht, neue Gesetze zu machen, son- Für das Inkrafttreten ist, wie Sie wissen, der Bei- dern als Einladung, als Gemeinschaftsaktion, damit tritt von mindestens 55 Staaten, die für mindestens es gelingen kann, dialogorientiert, als lernende Idee, 55 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen ver- als Radar, woran wir uns in Zukunft orientieren müs- antwortlich sind, notwendig. sen. Wir tun dies nicht, weil wir der Auffassung sind, mit dem Klimaschutz in Nordrhein-Westfalen die (Vorsitz: Vizepräsidentin Malu Dreyer) Welt zu retten, sondern weil es notwendig ist, eine China und die USA tragen zusammen mit 38 Pro- breite Aktivierungsstrategie in die Kommunen, in

zent zum weltweiten CO2-Ausstoß bei. Im Vorfeld der die Regionen, zu den Bürgerinnen und Bürgern zu G-20-Veranstaltung Anfang dieses Monats in China bringen. haben beide Staaten das Abkommen ratifiziert und Es freut mich, dass die Bundesregierung das Pa- damit einen signifikanten Beitrag zu einem schnellen riser Abkommen mit dem Klimaschutzplan 2050 in Inkrafttreten geleistet. einen ähnlichen Diskurs bringen will. Der Entwurf Nachdem es bisher 29 Staaten waren, sind am Mitt- liegt seit einigen Tagen öffentlich vor. Neben vielen woch – vorgestern – am Rande der UN-Generalver- guten Vorschlägen bleibt allerdings manches unklar, sammlung weitere 31 Staaten beigetreten, darunter wenn es darum geht, die großen, wichtigen Schritte Brasilien, Mexiko und Argentinien. Aktuell stehen zu skizzieren. wir also bei insgesamt 60 Staaten, die 48 Prozent der Ein Klimaschutzplan im Lichte von Paris, der sich globalen CO -Emissionen ausstoßen. 2 den Zielen von Paris verpflichtet sieht, muss eindeutig Die nächste Klimakonferenz in Marrakesch startet mehr leisten. Er muss klarmachen, an welchen wich- am 7. November. Wird die erforderliche Ratifizie- tigen Baustellen Zukunftsentscheidungen zu treffen rungsquote bis zum 7. Oktober erfüllt, könnte das sind, wo die Türen nach hinten abgeschlossen wer- Abkommen bereits in Kraft getreten sein. Die kom- den, um Kräfte nach vorne zu gewinnen. Die Umwelt- 344 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Johannes Remmel (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) ministerkonferenz hat dies mit dem Wort „Kohleaus- Versauerung der Meere bedroht Nahrungsketten, die stieg“ benannt. Andere sagen „Kohlekonsens“ dazu. auch für uns Menschen essenziell sind. Gerade in den Es ist klar, dass wir in der Bundesrepublik, bezogen ärmsten Regionen dieser Welt führen diese Entwick- auf die Brückenfunktion der fossilen Kraftwerke – so- lungen zu Flucht und Migration, auch in den Nach- wohl Stein- als auch Braunkohle –, Sicherheit brau- barregionen Europas – im Nahen Osten, in Nord- chen. Vorbilder der Vergangenheit – beispielsweise afrika und in der Sahelzone. der Atomausstieg – wären sicherlich die richtige Grundlage, die Kraft nach vorne für Neuinvestitionen Gemessen an diesen Herausforderungen ist die gerade im Bereich des Klimaschutzes zu gewinnen. Bundesregierung in ihrer Rolle als führendes Indus- trieland viel zu träge. Ressorts, die an einem Strang Aus unserer Sicht sind drei wesentliche Schritte auf ziehen müssten, um sicherzustellen, dass Verkehr, dem Weg zur Erreichung der in Paris beschlossenen Landwirtschaft und Industrie genauso ihren Beitrag Ziele notwendig: leisten wie Gebäudeinfrastruktur und Energieversor- gung, versuchen den vom Umweltressort vorgestell- Erstens. Wir brauchen Klimaschutz von unten. Es ten Entwurf eines Klimaschutzplans 2050 zu verwäs- muss eine Bürgeraktion werden. In den Regionen, in sern und zusammenzustreichen. Dabei ist klar: Wer den Kommunen, bei den Bürgerinnen und Bürgern, sich an die Spitze der Bewegung setzt, kann das Ziel bei den Unternehmen, selbst an der Ladentheke leichter erreichen und zugleich Technologieführer- muss Klimaschutz stattfinden; sonst wird es nicht ge- schaft auf zentralen Feldern sichern und ausbauen. lingen. Hier werden die Arbeitsplätze von morgen geschaf- Zweitens. Wir brauchen globale Strategien. Ener- fen. Wer zu lange auf der Bremse steht, den überrollt giewende und Klimaschutz können und müssen auch am Ende so eine Geröllhalde wie die in Braunsbach. als Investitions- und Entwicklungsprogramm für viele Regionen der Erde verstanden werden. Das muss ge- Mit dem Gesetz kommt die Bundesregierung ihrer meinsam geschehen. Verpflichtung nach, die Beschlüsse der 21. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens Drittens. Wir müssen das Denken in einzelnen Sek- der Vereinten Nationen über Klimaänderungen in toren endlich überwinden. Wenn wir die Klimaziele Paris vom 12. Dezember 2015 in nationales Recht um- erreichen wollen, wird sich unser Leben in allen Be- zusetzen. Mit dem Regelungsvorhaben soll das Über- reichen verändern müssen, nicht nur bei der Strom- einkommen ratifiziert werden. produktion, sondern auch im Hinblick darauf, wie wir Kälte und Wärme herstellen, wie wir uns fortbe- Vordringlich ist aber auch eine Ratifizierung durch wegen, letztlich auch wie wir uns ernähren. die Europäische Union insgesamt. Dies ist nicht al- lein Aufgabe des Umweltressorts, sondern auch der Alle drei Sektoren müssen von fossilen Energieträ- Kanzlerin und des Auswärtigen Amtes. Mein Kollege (B) (D) gern entkoppelt werden. Dazu brauchen wir innova- Johannes Remmel hat gerade darauf hingewiesen, tive Strategien, neue Konzepte, Forschung und Ent- welche Peinlichkeit wir möglicherweise gewärtigen wicklung. Dies erfordert einen politischen Rahmen müssen, wenn in Marrakesch die in der EU insge- und Grundentscheidungen für die Zukunft. samt vorgesehene Ratifizierung noch aussteht. Die besten Worte sind Taten. Das, meine sehr Mit dem Paris Climate Agreement soll der Anstieg geehrten Damen und Herren, ist das Gebot der der durchschnittlichen Erdtemperatur unter 2 Grad Stunde. – Herzlichen Dank. über dem vorindustriellen Niveau gehalten werden. Es sollen Anstrengungen unternommen werden, ihn Vizepräsidentin Malu Dreyer: Vielen Dank, Herr auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das Abkommen zielt da- Minister Remmel! rauf, das globale Maximum an Treibhausgasemissio- nen so bald wie möglich zu erreichen. Das heißt: Die Ich darf Herrn Minister Wenzel aus Niedersachsen Minderung soll so rasch wie möglich erfolgen. In der das Wort geben. zweiten Hälfte des Jahrhunderts sollen die anthropo-

gen bedingten Emissionen durch Senken, also CO2- Stefan Wenzel (Niedersachsen): Frau Präsidentin! Speicher wie Wälder oder Ozeane, kompensiert wer- Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen den. und Kollegen! Es freut mich sehr, dass wir heute zur Der Umweltausschuss und der Wirtschaftsaus- Beschlussfassung über das Pariser Klimaabkommen schuss haben dem Gesetzentwurf zugestimmt. Heute kommen. steht das Gesetz auf unserer Tagesordnung. Das Klimaabkommen ist praktisch eine Art Not- Ich möchte gleichwohl zum Ausdruck bringen, bremse für unseren Heimatplaneten. Einen Planeten B dass ich ernste Zweifel habe, ob die Bundesregierung haben wir nicht. ihren Fahrplan auf der nationalen Ebene einhalten Immer deutlicher werden die Zeichen für eine be- wird. Die Bundesregierung hat Anfang dieses Mo- sorgniserregende Entwicklung der Erdtemperaturen. nats ihren Entwurf des Klimaschutzplans 2050 vorge- Dieses Jahr – 2016 – wird voraussichtlich alle Rekorde legt, in dem sie ihre Grundsätze und Ziele formuliert, für die Durchschnittstemperatur auf Land und See mit denen die Bundesrepublik bis zum Jahr 2050 ihre brechen. Extremwetterereignisse nehmen zu. Wer die Hausaufgaben lösen kann und will. Der Entwurf Bilder aus Bayern gesehen hat, Herr Seehofer, der wurde den Bundesländern und den Verbänden mit kann wohl kaum zur Tagesordnung übergehen. Die der Bitte um Stellungnahme bis Ende des Monats zu- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 345 Stefan Wenzel (Niedersachsen) (A) (C) gesandt, parallel erfolgt die Ressortabstimmung auf chen Klimaschutz auftritt, aber vor der eigenen Haus- Bundesebene. tür jetzt einen Plan liegen hat, der mit schwammigen Formulierungen den hohen deutschen Ansprüchen Ich bin für Geschwindigkeit bei diesem Thema. nicht gerecht wird. Wo sind die konkreten Ziele im Aber dies ist ein etwas sonderbares Verfahren, da wir Klimaschutzplan? Woran soll der Erfolg der Bundes- heute schon erkennen können, dass einige Bundes- regierung, des gesamten Landes gemessen werden? ministerien den Entwurf nicht nur scharf kritisieren, sondern bereits angekündigt haben, was aus ihrer Angesichts der Debatte über den Klimaschutzplan Sicht alles herausgestrichen werden soll. Beispiels- muss man sich um die Zielerreichung ernsthaft Sor- weise der Bundeslandwirtschaftsminister hat ange- gen machen. Dadurch würden letztlich die wirt- kündigt, das ambitionierte Ziel zu streichen, wonach schaftlichen Chancen Deutschlands aufs Spiel ge- die Landwirtschaft ihren Treibhausgasausstoß bis setzt. Hier spielt in Zukunft die Musik! Es darf nicht

2050 auf rund 35 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente passieren, dass wir dort abgehängt werden. Deshalb halbieren muss. Um nur ein Beispiel zu nennen! hoffe ich, dass der Geist von Paris auch bei uns im Land stärker Einzug hält. – Ich danke Ihnen herzlich Auch das Verkehrsressort leistet einen kontrapro- fürs Zuhören. duktiven Beitrag, der von anderen Sektoren über- kompensioniert werden müsste, wenn hier keine Korrektur erfolgt. Vizepräsidentin Malu Dreyer: Danke, Herr Minis- ter! Dabei war der vorgelegte Entwurf bereits das Er- gebnis eines bemerkenswerten Konflikts mit Bundes- Frau Ministerin Siegesmund aus Thüringen hat das umweltministerin Hendricks, die sich in Paris Wort. mit ihrem Team sehr wirkungsvoll engagiert hat. Da- für noch einmal meinen ganz herzlichen Dank! Dort Anja Siegesmund (Thüringen): Frau Präsidentin! war wirklich spürbar, dass man mit Herzblut bei der Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Klima- Sache war. gipfel in Paris war ein starkes Signal. Die Beschlüsse Nachdem das BMUB seinen ersten Entwurf des eröffnen die Chance, die Erderwärmung zu begren- Plans im Juni vorgelegt hatte, haben das Wirtschafts- zen und sich den Herausforderungen des Klimawan- ministerium und das Kanzleramt noch Hand angelegt dels zu stellen. und den Ausstieg Deutschlands aus der klimaschäd- Dass sich alle Staaten verständigten, war ein Er- lichen Kohleverstromung herausgekegelt. Im Gegen- folg. Die Begrenzung des Temperaturanstiegs auf satz zur ursprünglichen Version des Textes ist nun unter 2 Grad Celsius – bzw. möglichst 1,5 Grad Cel- keine Rede mehr davon, dass die Stromerzeugung sius – und die Treibhausgasneutralität für die zweite auf Kohlebasis schon deutlich vor Mitte dieses Jahr- (B) Hälfte des Jahrhunderts sind ambitionierte Ziele. (D) hunderts beendet werden müsse, um das deutsche Dem müssen jetzt Taten folgen – international, natio- Klimaziel zu erreichen. Dagegen heißt es jetzt unver- nal und natürlich regional. bindlich, dass die Kohleverstromung „schrittweise an Bedeutung ab- und die erneuerbaren Energien wei- Als Erstes gilt es, das Abkommen zu ratifizieren. ter an Bedeutung zunehmen“ würden. Das soll mit dem vorliegenden Gesetz erfolgen. Es ist wichtig, dass dies zügig geschieht. Meine Damen und Herren, Verlässlichkeit, Ziel- erreichung und Planungssicherheit für alle Beteilig- Bemerkenswerterweise gehören wir nicht zu den ten braucht mehr Konkretion, auch um einen sozial- ersten Ländern, sondern wir unterzeichnen nach der verträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung zu Volksrepublik China und nach den Vereinigten Staa- erreichen. ten. Ja, es ist für das Weltklima positiv, dass unter an- deren diese beiden Staaten dem Klimaschutz mehr In der Präambel heißt es, dass die Bundesregierung Bedeutung zumessen als in der Vergangenheit. Kli- bei der Energiewende „zentrales Augenmerk auf den maschutz wird nun auch für sie ein Thema sein, an Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirt- dem sie sich messen lassen müssen. Ich erwarte, dass schaft“ lege. Das, meine Damen und Herren, ist doch die Bundesregierung die Entwicklungen dement- eigentlich völlig unstrittig. Nur braucht es dann auch sprechend begleitet. entschlossene Schritte, um dieses Ziel zu erreichen. Dazu gehören ein funktionierender Emissionshandel Das Ganze sollte etwas sein – gerade weil die Welt und Instrumente, um Carbon Leakage zu verhindern, und Europa im Hinblick auf die Energiewende insbe- solange kein globales faires Wettbewerbsfeld – zu- sondere auf die Bundesrepublik schauen –, woran mindest im Kreis der wichtigsten Wettbewerber – ge- sich jede einzelne Maßgabe, die wir derzeit politisch

schaffen wurde. CO2 braucht einen Preis, der die ex- diskutieren, messen lassen muss. Nachhaltiges Wirt- ternen Kosten internalisiert, weil es sinnvoller ist, schaften zum Beispiel ist ohne Klimaschutz nicht Ressourcennutzung und Abfallproduktion steuerlich denkbar. Klimaschutzaktivitäten entscheiden auch zu belasten statt menschliche Arbeit. Ein kluges und über unseren Wohlstand; das steht fest. rechtzeitiges Umsteuern kann die Arbeitnehmer und Die Energiewende in Deutschland hat dafür ge- die Unternehmen nachhaltig entlasten und umwelt- sorgt, dass die Technologien preiswerter geworden freundliches Investieren und Verhalten belohnen. sind. Das war ein Beitrag zum Klimaschutz. Ich bin Es gibt noch weitere Beispiele, die untermauern, der festen Überzeugung: Die Energiewende bei uns dass Deutschland international als Vorreiter in Sa- ist das Klimaschutzprogramm schlechthin. 346 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Anja Siegesmund (Thüringen) (A) (C) Hier müssen wir anknüpfen; denn auch global ist 2050 um 90 Prozent im Vergleich zu 1995. Wir sind die Energiewende Realität. Vor allen Dingen Photo- der festen Überzeugung, dass man gerade in den voltaik und Windenergie haben sich binnen weniger neuen Ländern eine Bilanz braucht, die die Aus- Jahre zu neuen Schlüsselenergien für das 21. Jahr- gangslage ehrlich macht. hundert entwickelt. Wenn Sie sich die Zahlen vor Au- gen führen: In den letzten fünf Jahren hat sich der Wir wollen Mindestanforderungen an die energeti- Ertrag der Photovoltaik weltweit versechsfacht. Glei- sche Qualität von Wärme. ches gilt für den Wind. Wir wollen die bilanzielle Eigenversorgung Thürin- Andere Staaten beobachten aufmerksam, wie die gens durch einen Mix aus Erneuerbaren. Bundesrepublik den Umbau des Energiesystems meis- Meine sehr geehrten Damen und Herren, Paris zu tert. Sie wollen davon profitieren. Wenn wir hier inno- ratifizieren heißt, Verantwortung zu übernehmen. vativ sind und Lösungen aufzeigen, wie sich hohe An- Viele Bundesländer tun das, und zwar deutlich ambi- teile von Erneuerbaren in das Stromsystem integrieren tionierter als die Bundesregierung. Jetzt ist es an der lassen und wie Klimaverträglichkeit, Versorgungssi- Bundesebene, aus Papier, nämlich der Ratifizierung, cherheit und Wirtschaftlichkeit vereinbar sind, dann Politik zu machen und die richtigen Entscheidungen profitiert das Klima, und mehr Wertschöpfung wird zu treffen. – Herzlichen Dank. möglich. Die EEG-Novelle vom Sommer, die den Ausbau der Vizepräsidentin Malu Dreyer: Vielen Dank, Frau Erneuerbaren bis zum Jahr 2025 auf maximal 45 Pro- Ministerin! zent des Stromverbrauchs begrenzt, macht deutlich, dass beim Klimaschutz Anspruch und Wirklichkeit Seitens der Bundesregierung spricht Frau Parla- auseinandergehen. Um die Ziele von Paris zu er- mentarische Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter reichen, müsste der Ökostromanteil bis dahin bei vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, 60 Prozent liegen. Bau und Reaktorsicherheit. Ein ähnlich ernüchterndes Bild wie bei der Frage „Was bedeutet die Ratifizierung auf dem Papier, und Rita Schwarzelühr-Sutter, Parl. Staatssekretärin bei wie wird aus Papier Politik?“ ergibt sich aus der der- der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau zeitigen Diskussion über den Klimaschutzplan 2050. und Reaktorsicherheit: Sehr geehrte Frau Präsiden- Sie hat noch nicht einmal richtig begonnen, da ist tin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Abend des man von dem ursprünglichen Vorhaben, konkrete 12. Dezember 2015 wird sicherlich in die Geschichte Treibhausgasziele für die einzelnen Sektoren festzu- eingehen – als der Tag, an dem die Weltgemeinschaft schreiben, schon wieder abgerückt. Unser Eindruck zusammengekommen ist und eine Wende im interna- (B) (D) ist, dass erst das Wirtschaftsministerium den Kli- tionalen Klimaschutz eingeleitet hat; als der Tag, an maschutzplan gestutzt und dann das Kanzleramt dem die ganze Welt erkannt hat, dass wir Klima- entsprechend Hand angelegt hat. Vom Klimaschutz- schutz nicht in erster Linie für den Planeten, sondern plan bleibt am Ende des Tages hoffentlich mehr für die Menschen betreiben müssen; als der Tag, an übrig – bislang sieht es nicht so aus – als nur das dem sich Diplomatie, Kooperation und Vertrauen Inhaltsverzeichnis. Man kann nicht in Paris unter- durchgesetzt haben. schreiben und dann, wenn es darauf ankommt, das Ganze in konkrete Politik zu gießen, sagen: Wir tre- Endlich haben wir den lang ersehnten Weltklima- ten hinter andere Anstrengungen zurück. vertrag, den viele Skeptiker nicht mehr für möglich gehalten haben. Die Ergebnisse sind mehr als beein- Im Gegenteil, verstärkte Anstrengungen sind auf druckend. Was wir in Paris vereinbart haben, wird allen Gebieten erforderlich: gemeinsam mit der Agenda 2030 für nachhaltige Ent- Wir brauchen den gesetzlich verankerten Kohle- wicklung unsere Welt in den nächsten Jahrzehnten ausstieg. Wir müssen über ihn diskutieren. nachhaltig verändern. Dazu braucht man den Blick nur auf die langfristigen Ziele des Abkommens zu Wir brauchen die Wende in der Erzeugung von richten. Wärme. Wir werden die Erderwärmung auf deutlich unter Wir brauchen die Wende im Verkehrsbereich. 2 Grad, im Idealfall sogar auf 1,5 Grad begrenzen. Deswegen geht es darum, sich nicht nur auf euro- Das bedeutet nichts weniger als eine globale Ener- päischer und nationaler Ebene zu Paris zu bekennen, giewende und eine weitreichende Dekarbonisierung sondern auch voranzugehen. Gerade die Länder ge- noch in diesem Jahrhundert. Arme Länder möchten hen an vielen Stellen voran, zum Beispiel mit Klima- wir dabei unterstützen – das tun wir schon –, den schutzgesetzen. In vielen Ländern – in Bremen, Ba- Weg in Richtung einer treibhausgasneutralen Welt- den-Württemberg, Hamburg, Hessen, NRW, Rhein- wirtschaft gemeinsam mit uns zu gehen. land-Pfalz – gibt es bereits Klimagesetze, die Zugleich brauchen wir verstärkte Anstrengungen ambitioniert Treibhausgasminderungsziele festgelegt bei der Anpassung an den Klimawandel. Es gilt, haben. Menschen vor den bereits heute spürbaren Folgen Auch Thüringen arbeitet im Augenblick genau an des Klimawandels wirksam zu schützen. Das sind

diesem Ziel. Bis 2030 wollen wir die CO2-Emissionen nicht nur Hochwasserkatastrophen, sondern es gibt halbieren, bis 2040 um 70 Prozent senken und bis eine Menge spürbarer Folgen des Klimawandels. In Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 347 Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) (C) der Regel sind die Ärmsten der Armen davon am Kraft tritt und Deutschland von Anfang an Vertrags- stärksten betroffen. partei ist. Für diese ambitionierten Ziele sollten wir nicht nur Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich möchte öffentliche Mittel einsetzen, sondern auch die glo- mir nicht vorstellen, dass bei der ersten Vertragsstaa- balen Finanzmittelströme stärker als Transmissions- tenkonferenz unter dem fortschrittlichsten Klimaab- riemen nutzen. Sie müssen in Einklang gebracht kommen unserer Zeit, zu dem wir beigetragen ha- werden mit dem Ziel einer resilienten und treibhaus- ben, Deutschland nicht am Verhandlungstisch sitzen gasneutralen Welt. Das haben wir in Paris beschlos- könnte. Das passt auch nicht zu einem modernen, in- sen, und daraus ergibt sich eine sehr große Chance. novativen Land wie Deutschland. Wenn wir frühzeitig eindeutige Signale an Wirt- schaft, Gesellschaft und Investoren senden, dass wir Wir wollen von Beginn an daran mitwirken, das es ernst meinen mit dem Klimaschutz, können wir die Abkommen mit Leben zu erfüllen, und auf eine globale Transformation erheblich beschleunigen. schnelle, konsequente und effektive Umsetzung hin- arbeiten; denn die Ratifikation ist kein Selbstzweck, Die Wirtschaft will und braucht Planungssicherheit. sondern nur der erste Schritt auf einem langen Weg, Der Klimaschutz muss noch stärker zu einem öko- der noch vor uns liegt. Lassen Sie uns heute den ers- nomischen Erfolgsmodell werden. Klimaschädliche ten Schritt gemeinsam gehen! Lassen Sie uns ein ent- Investitionen dürfen sich am Ende des Tages nicht schlossenes Signal an unsere internationalen Partner mehr rentieren. senden, dass Deutschland zu seiner klimapolitischen Verantwortung steht! Lassen Sie uns einen Beitrag Sehr geehrte Damen und Herren, welches klarere dazu leisten, dass das Paris-Abkommen unumkehr- Signal könnte die Staatengemeinschaft aussenden, bar wird! als einen Vertrag, der ursprünglich erst 2020 in Kraft treten sollte, bereits 2016 in Kraft treten zu lassen? Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte Ihnen Von Beginn an war die Unterstützung des Paris- allen herzlich danken, dass der Bundesrat bereits Abkommens überwältigend. Wir hatten noch nie heute abschließend über das Gesetz berät und damit einen völkerrechtlichen Vertrag, der auf so viel den Weg dafür frei macht, dass Deutschland seine Rückhalt bei der Staatengemeinschaft gestoßen ist. Ratifikationsurkunde in enger Abstimmung mit der Am 22. April, dem ersten Tag der Unterzeichnungs- EU rechtzeitig hinterlegen kann. periode, haben in New York 175 Vertragsparteien Wir unterstützen den Plan der EU, auch das EU- das Abkommen unterzeichnet. Ratifikationsverfahren zu beschleunigen. Ich bin zu- Auch der Ratifizierungsprozess war und ist von versichtlich, dass dies gelingen wird und die EU ihre großer Dynamik geprägt. Für das Inkrafttreten des Ratifikationsurkunde in den kommenden Wochen bei (B) Abkommens ist es erforderlich, dass mindestens den UN hinterlegen kann. Wir wollen auf einem (D) 55 Staaten, auf die mindestens 55 Prozent der glo- Sonder-Umweltrat am 30. September die sehr rasche balen Treibhausgasemissionen entfallen, ihre Ratifi- Ratifizierung vereinbaren und hoffen auf die Zustim- kationsurkunden hinterlegen. Gemessen am Kyoto- mung des Europäischen Parlaments in der darauffol- Protokoll, das von der Vereinbarung bis zum Inkraft- genden Woche. treten über sieben Jahre gebraucht hatte, erschien Wenn wir uns auf internationaler Ebene glaubhaft das ursprüngliche Ziel des Inkrafttretens des Pariser für eine ambitionierte Umsetzung des Abkommens Klimaabkommens bis 2020 ambitioniert. starkmachen wollen, müssen – und wollen – wir mit Die letzten Wochen haben gezeigt: Wir werden die gutem Beispiel vorangehen. Die Ratifikation des Pa- beiden Schwellen schon in diesem Jahr erreichen. Es ris-Abkommens beinhaltet auch die Verpflichtung, es wurde mehrfach genannt: Die beiden größten Emit- im eigenen Land konsequent umzusetzen. tenten, die USA und China, haben bereits Anfang Der Klimaschutzplan 2050 – schon mehrfach an- September ratifiziert. Viele Staaten sind ihrem Bei- gesprochen –, den das Bundesumweltministerium spiel gefolgt. Seit gestern liegen insgesamt 60 Ratifi- den anderen Ressorts zur Abstimmung zugeleitet hat, kationen vor. Die erste Hürde von 55 haben wir somit ist dafür die richtige Gelegenheit, der richtige Weg. genommen. Die zweite Schwelle ist in Sichtweite, da Mit dem Klimaschutzplan 2050 geben wir eine klare der Emissionsanteil schon auf knapp 48 Prozent ge- Orientierung, wohin die Reise gehen soll. Genau das stiegen ist. Somit rückt ein frühes Inkrafttreten näher, erwarten die Menschen und die Wirtschaft in unse- was die Glaubwürdigkeit des Abkommens bekräfti- rem Land von uns. gen würde. Es wird immer wahrscheinlicher, dass wir es noch vor der nächsten COP in Marrakesch schaf- Als eines der ersten Länder weltweit, das eine Lang- fen. friststrategie zur Erreichung weitgehender Treibhaus- gasneutralität bis 2050 vorbereitet, steht Deutschland Eines ist klar: Der Geist von Paris ist kein Mythos, im Fokus. Weltweit beobachten unsere Partner, was und das Abkommen ist kein Papiertiger. Weite Teile wir beschließen werden, und sie stellen hohe Erwar- der Staatengemeinschaft sind entschlossen, ihren tungen an uns. Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Diese Dyna- mik sollten wir nutzen, um in Marrakesch die Wei- Natürlich ist es gut, dass wir über die Inhalte des chen für eine ambitionierte Ausgestaltung des Ab- Klimaschutzplans – gerne würde ich „Gesetz“ sagen – kommens zu stellen. Wir setzen uns deshalb dafür kontrovers diskutieren. Und natürlich ist der Klima- ein, dass das Abkommen so schnell wie möglich in schutzplan nicht das Ende, sondern der Anfang eines 348 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Parl. Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter (A) (C) lernenden Prozesses mit regelmäßigen Überprüfun- verfassungsgerichts zur Vermögensteuer Mitte der gen und mit Möglichkeiten, die Ambitionen zu stei- 90er Jahre, dass die Füße tönern sind. So lange disku- gern. tieren wir schon mit mehr oder minder großer Energie über die Notwendigkeit, die Grundsteuer auf neue Allerdings muss klar sein, dass man die Realität Füße zu stellen. nicht ändert, indem man sie ignoriert. Deshalb brau- chen wir einen konsensualen Prozess, um die Ener- Wir sind in der Situation, dass die alten Einheits- giewende zu vollenden und eine Dekarbonisierung werte – im Westen die Gebäudewerte des Jahres zu erreichen. Wenn nicht wir heute damit beginnen, 1964, in den neuen Bundesländern sogar die des die Rahmenbedingungen für unseren klimapoliti- Jahres 1935 – als Anknüpfungspunkt für die Feststel- schen und wirtschaftlichen Erfolg in der Zukunft zu lung realer Werte nicht mehr von Belang sind. Man setzen, dann werden es andere tun. Wie heißt es so braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, schön: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. dass dies im Hinblick auf die Grundsteuer zu verfas- sungsrechtlich relevanten Unwuchten führt. Wir er- Sehr geehrte Damen und Herren, den klimapoli- warten eine Entscheidung des Bundesverfassungsge- tisch notwendigen Strukturwandel schaffen wir nur richts. gemeinsam. Je eher wir damit beginnen, desto bes- ser – besser für unsere Wirtschaft und ihre Chancen Die Finanzverwaltungen der Länder haben ge- auf dem Weltmarkt, besser für einen transparenten meinschaftlich Vorbereitungen für eine Neurege- und demokratischen Prozess und besser für den Kli- lung beziehungsweise die Umstellung auf ein neues maschutz und die Menschen. System getroffen. Die Umstellung selbst, auf welches Lassen Sie uns gemeinsam darüber diskutieren, System auch immer, wird mindestens zehn Jahre in wie diese Zukunft aussehen kann, nicht darüber, wie Anspruch nehmen. Die damaligen Hauptfeststellun- wir sie hinauszögern können! Packen wir es an! Las- gen auf den 1. Januar 1964 dauerten mehr als zehn sen Sie uns heute damit beginnen, indem wir das Pa- Jahre. Selbst unter Inanspruchnahme moderner IT ris-Abkommen ratifizieren! – Herzlichen Dank. dauert es so lange; denn wir müssen 35 Millionen Grundstücke neu bewerten.

Vizepräsidentin Malu Dreyer: Herzlichen Dank! Wenn die Politik jetzt nicht handelt, sondern die Ent- scheidung des Bundesverfassungsgerichts abwartet Frau Staatsministerin Höfken (Rheinland-Pfalz) – wir haben in der Geschichte der Entscheidungen des und Frau Ministerin Professor Dr. Dalbert (Sachsen- Bundesverfassungsgerichts noch nie Übergangsfris- ) Anhalt) haben je eine Erklärung zu Protokoll* abge- ten gesehen, die länger als drei Jahre sind –, besteht geben. – Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. das hohe Risiko, dass das Bundesverfassungsgericht eine Übergangsfrist setzt, in der Gesetzgebung und (B) Ein Antrag auf Anrufung des Vermittlungsaus- (D) schusses liegt nicht vor. vollziehende Verwaltung nicht in der Lage wären, eine verfassungsgemäße Grundsteuer im Anschluss Ich stelle daher fest, dass der Bundesrat zu dem an einen verfassungswidrigen Zustand zu gewährleis- Gesetz den Vermittlungsausschuss nicht anruft. ten. Zur gemeinsamen Beratung rufe ich die Punkte 18 Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, a) und b) auf: haben wir erheblichen, hohen Handlungsdruck, die a) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundentscheidungen über die Neuordnung der Grundgesetzes (Artikel 105) – Antrag der Län- Grundsteuer zu treffen, und zwar so, dass damit be- der Hessen, Niedersachsen gemäß § 36 Absatz gonnen werden kann, die Bewertungen auf einer Ba- 2 GO BR – (Drucksache 514/16) sis vorzunehmen – darüber haben wir lange disku- tiert –, die ein hinlängliches Maß an Wertorientierung b) Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des bietet, aber gleichzeitig im Sinne der Verwaltungs- Bewertungsgesetzes – Antrag der Länder Hes- vereinfachung auf möglichst viele Daten zurück- sen, Niedersachsen gemäß § 36 Absatz 2 GO greift, die wir ohnehin in unseren IT-Systemen vorrä- BR – (Drucksache 515/16) tig haben. Somit würden in Zukunft regelmäßige Es liegen Wortmeldungen vor. Ich gebe Herrn Neubewertungen ermöglicht, ohne dass die Bürge- Staatsminister Dr. Schäfer aus Hessen das Wort. rinnen und Bürger dadurch überdimensional belastet würden.

Dr. Thomas Schäfer (Hessen): Sehr geehrte Frau Mein letztes Stichwort in diesem Zusammenhang Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- lautet deshalb „Belastung“. Natürlich ist eine steuer- ren! Die Grundsteuer ist mit einem Aufkommen von politische Grundentscheidung, deren Wirkung erst in 13 Milliarden Euro jährlich einer der wichtigsten zehn Jahren eintritt, immer mit der Frage verbunden: Bausteine der Kommunalfinanzierung. Weiß man denn heute schon, welche Auswirkungen das am Ende haben wird? Die Aussage, dass wir die Leider steht dieser Baustein keineswegs auf einem Auswirkungen nicht genau kennen, ist richtig, führt sicheren Fundament, sondern eher auf tönernen Fü- aber zu allerlei Spekulationen und Befürchtungen – ßen. Wir wissen seit der Entscheidung des Bundes- weniger bei denjenigen, die sich erhoffen, weniger Steuern zu zahlen, sondern mehr bei denjenigen, die eine Höherbewertung ihres Grundstücks und damit *) Anlagen 8 und 9 eine höhere Steuerlast befürchten. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 349 Dr. Thomas Schäfer (Hessen) (A) (C) Das, was wir gemeinschaftlich – 14 von 16 Bundes- nem Volumen von 13 Milliarden Euro würde sehr ländern – tragen, ist der Versuch, möglichst umfäng- ernste Konsequenzen für die kommunalen Haushalte lich darauf Rücksicht zu nehmen. Es soll nicht zur haben, selbstverständlich auch für die Bundesländer. 1:1-Übernahme höherer Bewertungen in die Berech- Es ist also dringend notwendig zu handeln. nung der Steuerlast kommen, sondern erstmals ha- ben auch die Bundesländer die Möglichkeit, Steuer- Die Grundsteuer braucht ein aktuelles und dann messzahlen länderspezifisch festzulegen. Dadurch automatisiert fortzuschreibendes Wertefundament, können unterschiedliche Wertveränderungen in den ein Wertefundament, das an die tatsächlichen, also Bundesländern ein Stück ausgeglichen werden. die aktuellen Grundstückswerte anknüpft. Kern der Reform ist deshalb die heute vorgelegte Änderung Zu guter Letzt verweise ich auf die feste Verabre- des Bewertungsgesetzes mit der Einführung des Kos- dung mit den kommunalen Spitzenverbänden. Die tenwerts als neues Bewertungsziel. kommunale Familie hat Interesse daran, die Steuer in ihrer Substanz zu erhalten, aber in Summe nicht aus- Im nächsten Schritt sind, auch das sagte Dr. Schä- zuweiten. Jede Kommune hat es in der Hand, durch fer, 35 Millionen Liegenschaften neu zu bewerten – Veränderung der Hebesätze – nach unten oder nach ein hoher Aufwand, der sich aber auszahlt, weil die oben – ihrer Verantwortung gerecht zu werden, Fortschreibung in den Folgejahren deutlich einfacher keine höhere Grundsteuerbelastung zu generieren. zu bewerkstelligen sein wird. Am Ende wird sich die Frage, wer mehr zahlt und (Vorsitz: Präsident Stanislaw Tillich) wer weniger, an den Veränderungen der Wertver- hältnisse innerhalb einer Gemeinde entscheiden. Es Daneben schlagen wir eine Änderung des Grund- wird Menschen geben, die weniger zahlen, und es gesetzes vor, damit wir sozusagen auf Nummer si- wird Menschen geben, die mehr zahlen. Aber, meine cher gehen. Da für das Grundvermögen ein grundle- Damen und Herren, ist eine Neuregelung nicht mehr gend neues Bewertungsverfahren geschaffen wird, als gerecht? Denn einige Menschen zahlen zum Teil wird teilweise angezweifelt, ob dem Bund nach der seit vielen Jahren zu viel und andere zu wenig, weil geltenden Rechtslage die konkurrierende Gesetzge- die Wertverhältnisse dramatisch überholt sind. bungskompetenz für eine solche grundlegende Neu- konzeptionierung zusteht. Der von uns vorgelegte Ich bedanke mich insbesondere bei den Kollegin- Entwurf einer Änderung des Grundgesetzes dient nen und Kollegen, die an der Vorbereitung dieser ge- deshalb der Klarstellung und der Sicherung der Ge- meinsamen Gesetzesinitiative von Niedersachsen setzgebungskompetenz des Bundes. und Hessen im Auftrag von 14 Bundesländern mitge- wirkt haben, und freue mich auf die Beratungen in Welche Werte sich nach Abschluss der Neubewer- den Ausschüssen. – Vielen Dank. tung für die einzelnen Grundstücke konkret ergeben, (B) lässt sich heute natürlich nicht abschätzen. Aber es (D) ist völlig klar, dass wir eine aufkommensneutrale Lö- Vizepräsidentin Malu Dreyer: Vielen Dank, Herr sung anstreben und dass das Instrumentarium dies Staatsminister! auch hergibt. Wir haben als Stellschrauben Messzah- Herr Minister Schneider aus Niedersachsen hat das len und Hebesätze, die man so justieren kann, dass Wort. es, über alles betrachtet, nicht zu einer Erhöhung kommt. Eine Öffnungsklausel für die Länder würde es ihnen ermöglichen, über landesbezogene Mess- Peter-Jürgen Schneider (Niedersachsen): Frau Prä- zahlen erstmals direkten Einfluss auf die Höhe der sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Grundsteuer zu nehmen. Die Finanzministerinnen und Finanzminister haben sich nach langen Verhandlungen mit großer Mehr- Am Ende entscheiden die Kommunen über ihre heit – 14 Zustimmungen – auf eine Bundesratsinitia- Hebesätze darüber, wie hoch die Grundsteuer aus- tive zur Reform der Grundsteuer verständigt. Hessen fällt. Die Vermutung – das will ich unterstreichen –, und Niedersachsen sind gebeten worden, den ge- bei der Grundsteuer stehe eine Kostenexplosion ins meinsam erarbeiteten Gesetzentwurf in den Bundes- Haus, ist schlicht falsch. Die kommunale Ebene hat rat einzubringen; sie haben es auch getan. es in der Hand. Wer etwas anderes behauptet, tut dies entweder wider besseres Wissen oder hat es Es besteht dringender Handlungsbedarf. Darauf nicht verstanden. hat mein Kollege Dr. Schäfer soeben hingewiesen. Die Einnahmen dienen dazu, eine angemessene Die Besteuerung in ihrer heutigen Form ist schon kommunale Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Die lange nicht mehr haltbar. Im Westen gelten die Wert- Grundsteuer ist eine verlässliche, stetige Steuer für verhältnisse von 1964, im Osten die von 1935. In Ber- die kommunale Ebene. Deshalb ist es richtig, dass lin haben wir beides, das heißt je nach Straßenseite am Ende die kommunale Selbstverwaltung – wie bis- gegebenenfalls unterschiedliche Bewertungen. Das her – über die konkrete Höhe entscheidet; insoweit darf so nicht sein. Folgerichtig hat der Bundesfinanz- werden sich keine Veränderungen ergeben. hof diese Vorschriften als verfassungswidrig einge- stuft und den Vorgang an das Bundesverfassungsge- Es gibt Kritik am Gesetzentwurf, zum Beispiel von richt gegeben. Umweltverbänden und dem Mieterbund. Sie liegt nach meiner Beurteilung neben der Sache; die Reali- Die Politik ist wieder einmal dringend zum Handeln täten werden verkannt. Die Grundsteuer ist nicht aufgerufen. Das Wegbrechen der Grundsteuer mit ei- dazu geeignet, eine Lenkungswirkung gegen Speku- 350 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Peter-Jürgen Schneider (Niedersachsen) (A) (C) lation mit unbebauten Grundstücken zu entfalten. schuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz, dem Wenn ein Grundstückseigentümer in einer guten Ausschuss für Innere Angelegenheiten, dem Rechts- Wohnlage sein Grundstück nicht bebaut, wird er ausschuss und dem Ausschuss für Städtebau, Woh- gleichwohl heute schon mit Grundsteuer belastet, nungswesen und Raumordnung – mitberatend – zu. ohne dass dem Erträge gegenüberstehen. Baut er Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 19: hingegen auf das Grundstück ein Mietshaus, dann hat er Einnahmen, und seine wirtschaftliche Situa- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des tion ist besser als zuvor. Also ist diese Vermutung Waffengesetzes – Antrag des Landes Hessen – falsch. (Drucksache 357/16) Es geht nicht in erster Linie um die Lenkungswir- Es gibt keine Wortmeldungen. – Eine Erklärung zu kung; das wird oft verkannt. Der Staat erhebt Steu- Protokoll*) hat Minister Ludwig (Brandenburg) ab- ern, um Einnahmen zu erzielen, im Fall der Grund- gegeben. steuer Einnahmen für die Kommunen, die damit die kommunale Infrastruktur intakt halten. Das hat auch Zur Abstimmung liegen Ihnen die Empfehlungen auf die Grundstückswerte unmittelbare Auswirkun- des Innenausschusses vor. gen. Die Grundstückswerte in einem Wohngebiet Bitte das Handzeichen für Ziffer 1! – Mehrheit. hängen auch davon ab, wie es ringsum aussieht, wie die Straßen instand gehalten sind und wie die Ange- Wer ist dafür, den Gesetzentwurf nach Maßgabe bote etwa an Kitas und Grundschulen aussehen. Es der vorangegangenen Abstimmung beim Deutschen gibt also auch ein unmittelbares Interesse der Grund- Bundestag einzubringen? Das Handzeichen bitte! – stückseigentümer daran, dass die Kommune hand- Mehrheit. lungsfähig bleibt. Dann ist so beschlossen. Ein weiterer Vorschlag zielt darauf ab, die Gebäu- Wir sind übereingekommen, Herrn Staatsminister dewerte nicht zu berücksichtigen. Stellen Sie sich Peter Beuth (Hessen) zum Beauftragten zu bestellen. folgenden Fall vor: Wir haben zwei Nachbargrund- stücke. Auf dem einen steht eine Villa, auf dem ande- Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf: ren eine Gartenlaube. Wenn man nur den Grund- Entwurf eines ... Strafrechtsänderungsgeset- stückswert zugrunde legt, zahlen beide die gleiche zes – Strafbarkeit der unbefugten Benutzung Steuer. Das würde – ich denke, zu Recht – als unge- informationstechnischer Systeme – Digitaler recht empfunden. Das darf man so nicht machen. Hausfriedensbruch – Antrag des Landes Hes- Meine Damen und Herren, der Weg zur Vollen- sen – (Drucksache 338/16) dung der Grundsteuerreform ist noch lang; das (B) Frau Staatsministerin Kühne-Hörmann aus dem (D) wurde schon erwähnt. Umso wichtiger ist es, dass wir wunderschönen Land Hessen hat das Wort. uns jetzt auf den Weg begeben. Wir sollten das ver- meiden, was wir gerade bei der Erbschaftsteuer er- lebt haben: dass uns das Bundesverfassungsgericht Eva Kühne-Hörmann (Hessen): Sehr geehrter Herr am Ende antreibt und Fristen setzt, die uns ange- Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! sichts des Volumens, das wir hier vor uns haben, in Die Bedrohung unserer Gesellschaft durch Cyber- außerordentliche Schwierigkeiten bringen. Es wäre crime ist kein neues Phänomen. Aktuell geht durch sehr schön, wenn aus den 14 Zustimmungen am alle Medien, dass Daten von mindestens 500 Millio- Ende 16 würden, damit das Gesetz noch in dieser Le- nen Nutzern gestohlen wurden. gislaturperiode durch den Bundestag geht und die Bereits 2001 haben viele Staaten, darunter Arbeiten aufgenommen werden können. – Schönen Deutschland, das Budapester Übereinkommen zur Dank für die Aufmerksamkeit. Bekämpfung der Computerkriminalität unterzeich- net. In diesem Vertragswerk verpflichten sich die Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Mi- Unterzeichner, bestimmte strafrechtliche und straf- nister Schneider! prozessuale Mindeststandards einzuführen, die erfor- derlich sind, um Cybercrime im internationalen Kon- Ich habe keine weiteren Wortmeldungen. text erfolgreich verfolgen zu können. Eine Erklärung zu Protokoll*) hat Herr Minister Unser hessischer Gesetzentwurf hat zum Ziel, be- Görke (Brandenburg) abgegeben. reits das schlichte Gebrauchsrecht an IT-Systemen Ich weise die Vorlage unter Punkt 18 a) dem einem strafrechtlichen Schutz zu unterstellen – unab- Rechtsausschuss – federführend – sowie dem Finanz- hängig davon, ob bereits Daten auf diesen Systemen ausschuss, dem Ausschuss für Innere Angelegenhei- verändert, ausgespäht oder zerstört worden sind; ten und dem Ausschuss für Städtebau, Wohnungswe- denn IT-Systeme sind mindestens ebenso schutzwür- sen und Raumordnung – mitberatend – zu. dig wie das Hausrecht und das ausschließliche Be- nutzungsrecht an Fahrzeugen. Derzeit sind sogar Die Vorlage unter Punkt 18 b) weise ich dem Fi- Fahrräder besser geschützt als Smartphones oder Ta- nanzausschuss – federführend – sowie dem Aus- blets mit höchst persönlichen Daten.

*) Anlage 10 *) Anlage 11 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 351 Eva Kühne-Hörmann (Hessen) (A) (C) Die von uns vorgeschlagene Strafnorm ist aus- rennen im Straßenverkehr – Antrag der Länder gewogen. Sie schützt auf der einen Seite nur be- Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bremen – stimmte, besonders sensible IT-Systeme und enthält (Drucksache 362/16) eine Bagatellklausel. Auf der anderen Seite sieht sie für besonders schwerwiegende Begehungsformen Dem Antrag ist auch Bayern beigetreten. höhere Strafdrohungen vor, die die Strafverfolgungs- Uns liegt eine Wortmeldung von Herrn Minister behörden in die Lage versetzen, endlich auch zum Kutschaty aus Nordrhein-Westfalen vor. Sie haben Beispiel mit verdeckten Ermittlern gegen Botnetz- das Wort. Kriminalität vorzugehen.

Das Problem des derzeit geltenden Rechts ist nicht Thomas Kutschaty (Nordrhein-Westfalen): Sehr nur die Straflosigkeit vieler Fallkonstellationen, zum geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Da- Beispiel des Ankaufs bereits gekaperter Botnetze men und Herren! Von Zeit zu Zeit geschieht es im über das Darknet. Das in der Praxis wesentlich gra- politischen Tagesgeschäft, dass eine Gesetzesinitia- vierendere Problem sind die hohen beweistechni- tive über Parteigrenzen hinweg erfolgreich zum Ab- schen Hürden, die bestehen, weil Ermittler nach gel- schluss gebracht werden kann. Wenn dies der Fall tendem Recht in jedem Einzelfall die technische ist, ist das ein sehr deutliches Zeichen, dass uns ein Funktionsweise der Schadsoftware sowie der Zu- Problem tatsächlich auf den Nägeln brennt. gangssicherung feststellen und dokumentieren müs- sen. Nach den neuen Regeln würde es genügen, die Wir haben vor zweieinhalb Monaten gemeinsam unbefugte Nutzung anhand des Netzwerkverkehrs mit Hessen einen Gesetzentwurf zur Strafbarkeit ille- des Opferrechners zu beweisen. galer Kraftfahrzeugrennen auf den Weg gebracht und für breite Unterstützung geworben. Im Rechts- Ich bitte Sie um Unterstützung des hessischen Ge- ausschuss haben Bayern und Mecklenburg-Vorpom- setzentwurfs. – Vielen Dank. mern mit wertvollen redaktionellen Anregungen weiter an dem Entwurf gefeilt und Verbesserungen Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Frau eingebracht. Am Ende hat der Ausschuss mit breiter Staatsministerin Kühne-Hörmann! Mehrheit die Einbringung des Gesetzentwurfs beim Deutschen Bundestag empfohlen. Wir haben keine weiteren Wortmeldungen. Allen ist im Laufe des Diskussionsprozesses klar Wer dafür ist, den Gesetzentwurf entsprechend Zif- geworden: Das Problem drängt. Es geht nicht nur fer 1 der Ausschussempfehlungen beim Deutschen um Einzelfälle, es geht um einen lebensgefährlichen Bundestag einzubringen, den bitte ich um das Hand- Trendsport auf deutschen Straßen. Allein in Nord- zeichen. – Mehrheit. (B) rhein-Westfalen hat es im vergangenen Jahr 230 an- (D) Dann ist so beschlossen. gezeigte sogenannte illegale Autorennen gegeben. Jeder Vorfall hat das Potenzial, das Leben und die Wie vereinbart, wird Frau Staatsministerin Kühne- Gesundheit Unschuldiger zu ruinieren. Wir müssen Hörmann (Hessen) zur Beauftragten bestellt. uns dazu nur die jüngsten Fälle vor Augen führen: Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 21: In der Nacht zum 18. September brausen ein silber- Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des farbener BMW und ein roter Opel nebeneinander Wohnungseigentumsgesetzes und des Bürger- über die regennasse B 9 bei Bad Godesberg. Der lichen Gesetzbuchs zur Förderung der Barrie- BMW gerät ins Schleudern und kracht gegen einen refreiheit und Elektromobilität – Antrag der Baum. Der Opel hält kurz und verschwindet dann in Länder Bayern, Sachsen und Hessen – (Druck- der Dunkelheit. Den Unfallfahrer können Feuerwehr sache 340/16) und Rettungskräfte nur mit schwerem Gerät aus dem Es gibt keine Wortmeldungen. – Eine Erklärung völlig zerstörten Autowrack befreien. Ein Rettungs- zu Protokoll*) hat Herr Staatsminister Professor wagen bringt den Schwerverletzten in die Uniklinik. Dr. Bausback (Bayern) abgegeben. Es ist nur dem Zufall zu verdanken, dass keine weite- ren Verkehrsteilnehmer ins Krankenhaus müssen. Wer dafür ist, den Gesetzentwurf entsprechend Zif- fer 1 der Ausschussempfehlungen beim Deutschen Weniger Glück hatte vor zwei Monaten eine 66-jäh- Bundestag einzubringen, den bitte ich um das Hand- rige Frau in Köln. Zwei Männer im Alter von 23 und zeichen. – Mehrheit. 24 Jahren rasen mit quietschenden Reifen im Zick- zackkurs zwischen anderen Autos durch die Kölner Dann ist so beschlossen. Innenstadt. Einer der beiden rammt das Fahrzeug, in Wie vereinbart, wird Staatsminister Professor dem die Frau als Beifahrerin unterwegs ist. Sie trägt Dr. Bausback (Bayern) zum Beauftragten bestellt. schwere Verletzungen davon. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 22: Ein drittes Beispiel: Am 18. August rasen zwei junge Männer, Anfang 20, im Schutze der Dunkelheit Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes – mit mehr als 100 Stundenkilometern über den Wall- Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeug- ring in der Innenstadt von Dortmund. Restaurants, Gaststätten, Hotels und der Hauptbahnhof sind nur wenige Schritte davon entfernt. Dass die Polizei hier *) Anlage 12 oft kontrolliert, stört die beiden selbsternannten 352 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Thomas Kutschaty (Nordrhein-Westfalen) (A) (C) Rennfahrer nicht. Werden sie erwischt, droht ihnen ja Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Eine Er- schlimmstenfalls ein vorübergehendes Fahrverbot. klärung zu Protokoll*) hat Frau Bürgermeisterin Ko- lat (Berlin) abgegeben. Meine Damen und Herren, es ist offensichtlich: Die derzeitige Gesetzeslage ist unbefriedigend. Wir Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- müssen gegenüber illegalen Rennen entschlossener empfehlungen. Bitte Ihr Handzeichen für: durchgreifen. Wir können es nicht zulassen, dass Ziffer 1! – Mehrheit. „Hobbyrennfahrer“ unsere Straßen für ihr gefährli- ches Treiben missbrauchen und sich verhalten, als Damit entfällt Ziffer 2. sei dies für sie ein rechtsfreier Raum. Deswegen bin Wer ist dann dafür, den Gesetzentwurf nach Maß- ich froh, dass sich heute eine breite Mehrheit für die gabe der soeben beschlossenen Änderung beim Initiative abzeichnet. Deutschen Bundestag einzubringen? – Mehrheit. Die Initiative hat Folgendes zum Inhalt: Dann ist so beschlossen. Erstens. Die Veranstaltung von und die Teilnahme Minister Kutschaty (Nordrhein-Westfalen) wird an illegalen Kraftfahrzeugrennen wird mit Frei- vereinbarungsgemäß zum Beauftragten bestellt. heitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht. Dieser neue Straftatbestand ersetzt die bisherigen Bußgeldvor- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 23: schriften. Bisher müssen „Raser“ in aller Regel mit Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der einem Bußgeld in Höhe von maximal 400 Euro und Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und einem Fahrverbot von einem Monat rechnen. Nach Lebenspartnern in Angelegenheiten der Ge- Ablauf dieser Frist kann sich der „Hobbyrennfahrer“ sundheitssorge und in Fürsorgeangelegenhei- schnell wieder hinter das Lenkrad setzen. Das würde ten – Antrag der Länder Baden-Württemberg, sich nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ändern. Bayern, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpom- Die Einstufung als Straftat ermöglicht weitere mern, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Hol- Sanktionen, zum einen die Entziehung der Fahrer- stein gemäß § 23 Absatz 3 i. V. m. § 15 Absatz 1 laubnis. Das bedeutet, der Führerschein ist erst ein- und § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 505/ mal weg, und man muss, um ihn wiederzubekom- 16) men, eine erneute Fahrprüfung machen und ihn neu Mir liegt eine Wortmeldung von Herrn Minister beantragen. Dadurch können extreme „Raser“ auch Wolf aus dem schönen Baden-Württemberg vor. über einen längeren Zeitraum aus dem Verkehr ge- zogen werden. Guido Wolf (Baden-Württemberg): Verehrter Herr Zum anderen können den Rennteilnehmern bei ei- (B) Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue (D) ner strafrechtlichen Verurteilung ihre Fahrzeuge mich sehr, heute gleich für eine ganze Gruppe von weggenommen werden. Verkehrsunfallforscher sa- mitantragstellenden Ländern sprechen zu dürfen. gen uns: Es gibt für solche Rennfahrer nichts Schlim- meres, als wenn ihnen ihr liebgewonnenes feinge- Unser gemeinsamer Gesetzesantrag geht auf einen tuntes Fahrzeug für eine längere Zeit weggenommen Auftrag der Justizministerkonferenz zurück. Diese wird. hat sich schon letztes Jahr auf die Eckpunkte des Vor- habens verständigt und eine vom baden-württem- Zweitens. Teilnehmer an illegalen Rennen, die Un- bergischen Justizministerium koordinierte Länder- beteiligte in Gefahr bringen und dabei nur durch Zu- arbeitsgruppe gebeten, einen Regelungsvorschlag fall keinen Schaden verursachen, sollen mit bis zu auszuarbeiten. Mitglieder der Arbeitsgruppe sind fünf Jahren Freiheitsstrafe belegt werden können. Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Meck- Drittens. Wenn es nicht bei einem „Beinahe-Un- lenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, das fall“ bleibt, sondern bei illegalen Rennen Menschen Saarland und Schleswig-Holstein. Aber den Diskus- zu Tode kommen oder schwer verletzt werden, soll sionsprozess begleitet und hierzu beigetragen haben ein Strafrahmen von einem bis zehn Jahre Freiheits- letztlich alle Länder. Das Ergebnis liegt Ihnen nun strafe greifen. Das muss insbesondere dann gelten, vor. wenn „Raser“ behaupten, sie hätten diese schweren Worum geht es? Folgen nicht herbeiführen wollen. Meine Damen und Herren, der Tod fährt bei illegalen Rennen immer Unsere Rechtsordnung kennt bislang keine „auto- mit. matische“ Vertretungsbefugnis naher Angehöriger für den Fall, dass ein Volljähriger beispielsweise Ich denke, wir sind uns einig: Nur durch entschlos- nach einem Unfall nicht mehr selbst Entscheidungen senes Vorgehen werden wir die „Raserszene“ beein- für sich treffen und in medizinische Behandlungen drucken und sie von ihrem gefährlichen Treiben ab- einwilligen kann. Entweder hat der Betroffene bei- halten können. Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir zeiten einer Person seines Vertrauens eine Vorsorge- mehr Sicherheit auf unseren Straßen und mehr Ge- vollmacht erteilt oder das Gericht muss ihm einen rechtigkeit für die Opfer von „Rasern“. – Herzlichen rechtlichen Betreuer bestellen – nicht selten unter Dank. Zeitdruck, weil drängende Entscheidungen anstehen

Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Mi- nister Kutschaty! *) Anlage 13 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 353 Guido Wolf (Baden-Württemberg) (A) (C) und Dinge geregelt werden müssen. Oft bestellt das Ich hoffe – zugleich im Namen aller Mitantragstel- Gericht einen nahen Angehörigen zum Betreuer, al- ler – auf Ihre Unterstützung im weiteren Prozess. – len voran den Ehe- oder Lebenspartner. So will es Herzlichen Dank. das Gesetz. Aber es muss zunächst ein gerichtliches Verfahren durchgeführt werden. Dies bedeutet für Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Mi- Angehörige und Betroffene eine zusätzliche Belas- nister Wolf! tung, besonders nach einem plötzlichen Schicksals- schlag. Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. – Eine Er- klärung zu Protokoll*) hat Herr Minister Kutschaty Das entspricht auch nicht dem, was sich ein Betrof- (Nordrhein-Westfalen) abgegeben. fener für diese Situation vorgestellt und gewünscht hätte, was auch daran liegt, dass es – trotz all unserer Ich weise die Vorlage dem Rechtsausschuss – fe- Bemühungen um Aufklärung und Werbung für die derführend – sowie dem Ausschuss für Familie und Vorsorgevollmacht – vielen gar nicht in den Sinn Senioren und dem Gesundheitsausschuss – mitbera- kommt, dass es für solche Fälle einer Vorsorgevoll- tend – zu. macht bedarf. Nach den Ergebnissen einer Forsa- Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf: Umfrage aus dem Jahr 2014 gingen 65 Prozent der Befragten davon aus, dass automatisch die nächsten Entwurf einer Verordnung zur Änderung von Angehörigen Entscheidungen für sie treffen können, Arbeitsschutzverordnungen – Antrag der Län- wenn sie auf Grund eines Unfalls oder einer schwe- der Hamburg, Brandenburg, Bremen, Hessen, ren Erkrankung nicht mehr für sich selbst entschei- Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, den können. Schleswig-Holstein, Thüringen gemäß § 36 Ab- satz 2 GO BR – (Drucksache 506/16) Die bei den Menschen vorherrschenden Vorstel- Dem Antrag sind die Länder Nordrhein-Westfalen lungen und Wünsche sollen endlich Gesetz werden, und Rheinland-Pfalz beigetreten. zumindest ein Stück weit: Es gibt keine Wortmeldungen. Der Gesetzentwurf sieht für den Bereich der Ge- Wir kommen zur Abstimmung. Ausschussberatun- sundheitssorge und für bestimmte eng damit zusam- gen haben nicht stattgefunden. Die antragstellenden menhängende Angelegenheiten eine gesetzliche An- Länder haben beantragt, heute schon in der Sache zu nahme der Bevollmächtigung unter – nicht getrennt entscheiden. lebenden – Ehegatten oder Partnern einer eingetra- genen Lebenspartnerschaft vor, und zwar einzig für Verabredungsgemäß verbinde ich die Frage der so- den Fall, dass der Vertretene weder durch eine aus- fortigen Sachentscheidung mit der Frage, ob der Ver- (B) drückliche Vorsorgevollmacht etwas anderes be- ordnungsentwurf der Bundesregierung zugeleitet (D) stimmt noch auf irgendeine Art und Weise einen ent- werden soll. Ich bitte Sie um Ihr Handzeichen. – Das gegenstehenden Willen zum Ausdruck gebracht hat. ist die Mehrheit.

Der jetzige Diskussionsentwurf unterscheidet sich Dann ist dies beschlossen. damit deutlich von einem früheren Bundesratsent- Weiterhin ist gemäß dem Antrag darüber abzustim- wurf aus dem Jahr 2004, der zum einen auch Eltern men, ob dieser Beschluss die Zustimmung des Bun- und Kinder in den Kreis der vertretungsbefugten An- desrates zum unmittelbaren Erlass einer solchen gehörigen einbeziehen und zum anderen die Part- Verordnung durch die Bundesregierung umfassen nervertretung auch auf Angelegenheiten der Vermö- soll. Wer ist dafür? – Das ist die Mehrheit. genssorge erstrecken wollte. Dann ist auch dies so beschlossen. Die von uns vorgeschlagene Regelung kann und Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 25: soll das Instrument der Vorsorgevollmacht nicht er- setzen. Die Vorsorgevollmacht ist und bleibt das Mit- Entschließung des Bundesrates zur Änderung tel der Wahl, um selbstbestimmt darüber entscheiden des Mindestlohngesetzes – Antrag der Länder zu können, wer beim Verlust der eigenen Hand- Brandenburg, Hamburg, Thüringen und Bre- lungs- und Entscheidungsfähigkeit handeln und ent- men, Nordrhein-Westfalen – (Drucksache 361/ scheiden soll. 16)

Der Vorschlag soll in erster Linie dem Wunsch und Dem Antrag ist auch Schleswig-Holstein beigetre- der Vorstellung des Betroffenen Rechnung tragen, ten. dass der eigene Partner zumindest in der ersten Zeit Es gibt keine Wortmeldungen. – Eine Erklärung zu nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung Protokoll**) hat Herr Staatsminister Dr. Huber (Bay- die mit dem Krankheitsfall zusammenhängenden An- ern) abgegeben. gelegenheiten für ihn regeln kann. Die beteiligten Ausschüsse empfehlen, die Ent- Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei schließung zu fassen. Wer die Entschließung fassen allen Ländern bedanken, die an dem Vorschlag mit- gearbeitet und über ihn diskutiert haben, nicht nur, aber natürlich besonders bei den Mitgliedern der Ar- *) Anlage 14 beitsgruppe. **) Anlage 15 354 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Präsident Stanislaw Tillich (A) (C) möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist Vorpommern noch knapp 1 400 kleine, mittelständi- eine Minderheit. sche Fischereiunternehmen. Heute sind es noch 250. Man möge daran erkennen, dass wir 82 Prozent der Der Bundesrat hat die Entschließung nicht ge- Kapazitäten abgebaut haben. Für uns ist es sehr fasst. wichtig, dass die kleine, aber sehr wertvolle Kutter- Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 26: und Küstenfischerei in Mecklenburg-Vorpommern, aber auch in Schleswig-Holstein bestehen bleibt. Entschließung des Bundesrates zu den „Emp- fehlungen des Internationalen Rates für Mee- Nun ist der ICES, der Internationale Rat für die Fi- resforschung vom 31.05.2016 zu den im Jahr scherei, auf wissenschaftlicher Grundlage der Auf- 2017 zulässigen Fangmengen für Dorsch aus fassung, man sollte die Quote für das nächste Jahr dem Bestand der westlichen Ostsee und den um 88 Prozent reduzieren. Das würde dazu führen, im Rahmen eines Gesamtkonzeptes erforder- dass ein erheblicher Teil der Fischereiunternehmen lichen Hilfen für die deutsche Kutter- und Küs- in seiner Existenz gefährdet wäre. Das wollen wir tenfischerei“ – Antrag des Landes Mecklen- nicht. Deswegen die Aufforderung und die drin- burg-Vorpommern gemäß § 36 Absatz 2 GO gende Bitte an den Bund, zusätzliche Mittel bereitzu- BR – (Drucksache 486/16) stellen, um einerseits Überkapazitäten abzubauen und auf der anderen Seite den Unternehmen, die für Es gibt Wortmeldungen. Als Erster spricht zu uns die Zukunft gewappnet sind, die Möglichkeit des Minister Dr. Till Backhaus von der Ostseeküste. Fortbestands zu geben. Ich glaube sagen zu dürfen, dass die Kutter- und Dr. Till Backhaus (Mecklenburg-Vorpommern): Küstenfischerei nach wie vor identitätsstiftenden Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Charakter für den Norden Deutschlands hat. Wir Damen und Herren! Stellen Sie sich bitte bildlich vor: wollen alles daransetzen, dass sich dieser Bereich Sie kommen an die Ostsee in einem der schönsten weiterentwickeln kann. Bundesländer Deutschlands, möchten Dorsch essen, und es gibt keinen mehr. Ich darf abschließend sagen, dass man dieses Ziel mit drei Maßnahmen erreichen könnte: erstens Über- (Heiterkeit) kapazitäten abbauen und Abwrackprämien bereit- Das wäre aus meiner Sicht eine Katastrophe. stellen, zweitens Mittel für das zeitweilige Aussetzen der Fischerei bereitstellen, drittens die Angler – sie (Torsten Albig [Schleswig-Holstein]: Wir sind uns in beiden Ländern wichtig – in die Diskussion wollen Dorsch!) mit einbeziehen. Ich bin sehr froh, dass wir insoweit auf einem guten Weg sind; denn mittlerweile angeln – Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich (B) die Angler mehr Dorsch, als die Fischer Dorsch fan- (D) nehme zur Kenntnis: Wir Schleswig-Holsteiner und gen. Dieses Missverhältnis muss man ein Stückchen Mecklenburg-Vorpommeraner sind uns da einig. Da- korrigieren. Solange sich die Bestände nicht in einem rüber freue ich mich sehr. Und am Schmunzeln der wirklich nachhaltigen Bereich befinden, müssen wir Vertreter der anderen Bundesländer habe ich wahr- hierfür eine Lösung finden. genommen, dass sie sich mit diesem Thema identifi- zieren. Das ist schon einmal eine gute Grundlage, um Ich hoffe sehr, dass unser Antrag heute eine Mehr- hier weiterzukommen. heit findet. – Herzlichen Dank. Für unser Bundesland – ich glaube, auch für Schleswig-Holstein – gilt der Grundsatz: Die kleine Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Mi- Kutter- und Küstenfischerei ist prägend für den Nor- nister Dr. Backhaus! den. Wenn der Kutter in den Hafen einläuft und die Für das nächste Ostseeanrainerland spricht Frau Möwen schreiend hinterherfliegen, ist das immer ein Ministerin Heinold (Schleswig-Holstein). Beweis dafür, dass Fisch mit an Bord ist. Der Bestand des Dorsches ist seit Jahren gefähr- Monika Heinold (Schleswig-Holstein): Herr Präsi- det. Ich bin froh und glücklich darüber, dass wir in dent, meine Damen und Herren! Auch Schleswig- Europa auf dem Weg zu einem mehrjährigen Bewirt- Holstein ist in Sorge: Dem Dorschbestand in der schaftungsplan sind – endlich –, so dass wir mit dem westlichen Ostsee geht es schlecht. ersten Binnenmeer der Welt dem Grundsatz folgen würden: Nachhaltigkeit geht vor Ertrag. Ich denke, Seit nunmehr 20 Jahren wird der Bestand über- auch das ist eine wichtige Grundlage. Da sind wir fischt. Der Laicherbestand befindet sich weit unter- auf einem sehr guten Weg. halb dessen, was die Wissenschaft als sinnvolle Ziel- größe betrachtet. Auch die fischereiliche Nutzung ist Wir haben Ihnen diesen Antrag vorgelegt, weil der zu intensiv, um das für eine nachhaltige Bewirtschaf- Europäische Rat um den 20. Oktober die Quoten fest- tung nach den Zielsetzungen des maximal nachhalti- setzen wird. Wir wollen auf der einen Seite die Be- gen Dauerertrags erforderliche Maß zu erreichen. stände stabilisieren und schützen, auf der anderen Seite – hier haben wir einen kleineren Dissens mit Hauptgrund dafür ist, dass die Empfehlungen der Schleswig-Holstein – haben wir natürlich auch ein Wissenschaft in den vergangenen Jahren bei der soziales Herz für die Fischer und für diese Branche. politischen Festlegung der zulässigen Fangmengen Nur eine Zahl: 1990 gab es bei uns in Mecklenburg- häufig ignoriert wurden. Aber auch Fehleinschätzun- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 355 Monika Heinold (Schleswig-Holstein) (A) (C) gen der Wissenschaft selbst und die bislang nicht Meine sehr geehrten Damen und Herren, die deut- ausreichend berücksichtigten Fänge der Freizeitfi- sche Ostseefischerei hat nur dann eine Zukunft, scherei haben unter anderem dazu geführt, dass die wenn Ökologie und Ökonomie auch an dieser Stelle Bestandsgrößen und die Fänge mittlerweile in ganz Hand in Hand gehen. Ich bitte Sie deshalb um Unter- entscheidendem Maße davon abhängen, wie sich ein stützung des Entschließungsantrages von Mecklen- einzelner Jahrgang entwickelt, weil der Laicherbe- burg-Vorpommern, aber auch der von uns einge- stand im Wesentlichen nur noch aus zwei oder drei brachten Ergänzungen, und danke Ihnen für Ihre Jahrgängen besteht. Aufmerksamkeit.

Das ist eine besorgniserregende Entwicklung bei einer Fischart wie dem Dorsch, die eigentlich 20 Jahre Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Frau Mi- alt werden kann und deren Bestände im Idealzustand nisterin Heinold! durch eine breite Alterspyramide gekennzeichnet Das Wort hat Frau Parlamentarische Staatssekretä- sind. Daher hat der Ausfall eines Jahrgangs – wie es rin Dr. Flachsbarth vom Bundesministerium für Er- für den Jahrgang 2015 offenbar der Fall war – so dra- nährung und Landwirtschaft. matische Auswirkungen auf die Fangmengenempfeh- lungen der Wissenschaft im nächsten Jahr. Dr. Maria Flachsbarth, Parl. Staatssekretärin beim Die Wissenschaft empfiehlt eine Quotenkürzung Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: von über 87 Prozent, um die Nachhaltigkeit der Ge- Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten meinsamen Fischereipolitik schnell zu erreichen. Mit Damen und Herren! Die Fischerei in Deutschland ist einer Kürzung von 87 Prozent können gerade unsere ein traditioneller Bestandteil von Wirtschaft und Kul- schleswig-holsteinischen Betriebe der handwerkli- tur, sowohl an der Küste wie auch im Binnenland. chen Kutter- und Küstenfischerei aber nicht leben, weil sie zu über 50 Prozent von den Einnahmen aus Die Bundesregierung steht zu ihrer Verantwortung der Dorschfischerei in der westlichen Ostsee abhän- für die deutsche Fischerei und unterstützt eine nach- gig sind. haltige Binnen-, See-, Küsten- und Kutterfischerei, die die Bestände erhält. Es zeigt sich immer wieder, Doch was ist der Ausweg angesichts dieser Krisen- dass dabei gute und verlässliche Ergebnisse – wie situation? übrigens auch in anderen Politikbereichen – nur im laufenden Austausch mit den Betroffenen, also unse- Die Lösung kann jedenfalls nicht sein, dass die ren Fischern, erzielt werden können. Empfehlungen der Wissenschaft komplett ignoriert werden und damit die Ziele der 2013 beschlossenen Ganz ohne Zweifel ist die Dorschproblematik in (B) Reform der Gemeinsamen Fischereipolitik über den diesen Tagen eine Kernfrage. Wie geht es im Jahr (D) Haufen geworfen werden. Mit der Reform 2013 2017 mit der Dorschfischerei weiter? Die Empfehlun- wurde eine längst überfällige Nachhaltigkeitswende gen der Wissenschaft und der vorliegende Vorschlag in der Fischereipolitik eingeläutet, die bis spätestens der EU-Kommission für den westlichen Dorsch se- 2020 die Überfischung in den EU-Gewässern been- hen, wie schon erwähnt worden ist, eine radikale den soll. Dieses Ziel ist für uns nicht diskutabel. Kürzung der Fangmengen – um 88 Prozent – vor. Nicht nur für die Fischerei selbst als unmittelbar Be- Die Lösung kann nur in einem gemeinsamen Ge- troffene war dies schockierend, sondern auch für alle, samtkonzept liegen, das die wissenschaftlichen Emp- die sich damit in Politik und Verwaltung befassen. fehlungen in angemessenem Umfang berücksichtigt, Das Bundesministerium für Ernährung und Land- alle Nutzer und Nutzerinnen der Ressource einbe- wirtschaft hat sich deshalb bereits unmittelbar nach zieht und den Betrieben der kommerziellen Fischerei Bekanntwerden der neuen Zahlen mit den wichtigs- durch gezielte finanzielle Hilfen über die sich ab- ten Akteuren zusammengesetzt, um zu beraten, wie zeichnende Krisensituation hinweghilft, sie also nicht wir den Ostseefischern über diese schwierige Klippe alleinelässt in dieser schwierigen Phase, sondern im kommenden Jahr hinweghelfen können. Dazu passgenau flankierende Maßnahmen vorsieht. gibt es aus unserer Sicht drei Anhaltspunkte: Insofern sehe ich nicht, dass der von uns einge- Erstens. Wir müssen genau prüfen, wie stark die brachte ergänzende Antrag im Widerspruch zu dem Fangmenge für den westlichen Dorsch tatsächlich zu ursprünglichen Entschließungsantrag von Mecklen- kürzen sein wird, um noch eine rasche Erholung des burg-Vorpommern steht. Ich bin meinem Kollegen Bestandes zu ermöglichen. Schon jetzt lässt sich sa- Minister Dr. Backhaus dankbar, dass er hier die Ini- gen: Eine 88-prozentige Kürzung, die von der Wis- tiative ergriffen hat, und unterstütze sie ausdrück- senschaft und der EU-Kommission für die Fangmenge lich. der Berufsfischerei empfohlen wird, muss es sicher- lich nicht sein. Das BMEL setzt sich für eine deutlich Allerdings halte ich es für erforderlich, etwas klarer moderatere Kürzung ein. Der neue Mehrjahresplan als bisher auch auf die ökologischen Notwendigkei- für die Ostsee gibt uns hier einen gewissen Spiel- ten und die Gründe für die aktuelle Situation hinzu- raum. weisen. Bei allem Verständnis für die Situation der Fischer darf die aktuelle Notlage nicht dazu führen, Zweitens. Dass wir dennoch nicht um eine deutli- dass die in jahrelangen Verhandlungen errungenen che Senkung der Fangmenge beim westlichen Nachhaltigkeitsziele aufs Spiel gesetzt werden. Dorsch herumkommen, dürfte allerdings auch allen 356 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Parl. Staatssekretärin Dr. Maria Flachsbarth (A) (C) Beteiligten klar sein. Deshalb brauchen wir eine be- Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir kom- gleitende Unterstützungsleistung für die betroffenen men zu Tagesordnungspunkt 28: Fischer in dieser außergewöhnlich schwierigen Situ- ation. Entschließung des Bundesrates „Freies Gesicht im rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren“ – An- In Frage kommen hier vor allen Dingen die Zahlun- trag des Freistaates Bayern – (Drucksache 341/ gen bei vorübergehender Stilllegung. Wir arbeiten 16) derzeit intensiv an Vorschlägen zur Ausgestaltung dieser Maßnahme. Es liegen mehrere Wortmeldungen vor. Herr Staats- minister Professor Dr. Bausback aus dem Freistaat Zugleich setzen wir uns in Brüssel dafür ein, die Bayern hat zuerst das Wort. rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen. Diese Gespräche sind allerdings noch nicht abge- schlossen. Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern): Herr Präsi- dent! Kolleginnen und Kollegen! Bei dem bayeri- Und schließlich prüfen wir, ob eine Abwrackprä- schen Antrag „Freies Gesicht im rechtsstaatlichen mie, die letztmalig 2017 möglich ist, zur Verbesse- Verfahren“ in der von Sachsen und Baden-Würt- rung der Situation der deutschen Ostseefischer bei- temberg modifizierten Fassung, der nun zur Abstim- tragen kann. mung steht, geht es um zentrale Elemente unseres Drittens. Wir wissen um die große Bedeutung der Rechtsstaats und unserer freiheitlich-demokratischen Freizeitfischerei für die Küstenregionen an der Ost- Grundordnung. see. Sie ist zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor für viele Gemeinden geworden – allerdings um den Es geht um ein unmissverständliches Signal an un- Preis, dass die Angler inzwischen etwa genauso viel sere Bürgerinnen und Bürger, dass der Rechtsstaat Dorsch fangen wie die Berufsfischer. nicht zurückweicht vor den Herausforderungen, die mit dem Flüchtlingszustrom verbunden sind. Es geht Deshalb führt aus unserer Sicht kein Weg daran darum, unseren Richterinnen und Richtern durch vorbei, dass auch die Angler ihren Beitrag zum Wie- eine klare Regelung die Rechtsklarheit und Rechtssi- deraufbau des Dorschbestandes leisten müssen. Das cherheit zu geben, die sie brauchen. kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass die Ang- ler die gleichen Schonzeiten einhalten wie die Be- Hohes Haus! Die Anforderungen an unsere Ge- rufsfischer. richte sind hoch. Als tragende Säulen unseres Rechts- staats sind sie verpflichtet, zur Ermittlung der Wahr- Daneben zieht die EU-Kommission eine tägliche heit alle Erkenntnisquellen möglichst auszuschöpfen. Höchstfangmenge je Angler in Erwägung, wie das (B) bereits im Ärmelkanal für den Wolfsbarsch gängige Dabei sind sie häufig auf die Angaben von Zeugen (D) Praxis ist. Die dadurch frei werdende Fangmenge angewiesen. Das Gericht muss zum einen natürlich könnte dann der Berufsfischerei zur Verfügung ge- wissen, wen es vor sich hat. Es muss aber auch die stellt werden. Glaubwürdigkeit eines Zeugen oder einer Zeugin und die Glaubhaftigkeit der Aussage bewerten, be- Kurzum: Wir werden alle uns zur Verfügung ste- urteilen können. Hier spielen Gestik und Mimik des henden Möglichkeiten ausschöpfen, um den Ostsee- Zeugen oder der Zeugin eine wichtige Rolle. fischern im kommenden Jahr zur Seite zu stehen. – Herzlichen Dank. Stellen Sie sich nur einmal bildlich vor, dass Minis- terin Heinold oder Minister Dr. Backhaus nicht so, Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Frau wie sie hier geredet haben, vor Ihnen gestanden hät- Staatssekretärin Dr. Flachsbarth! ten, sondern mit einem schwarzen – meinetwegen auch blauen, grünen oder gelben – Tuch verhüllt, Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. ohne dass Sie Gesicht, Mimik, Gestik hätten sehen können! Wir kommen zur Abstimmung. Ausschussberatun- gen haben zu dieser Vorlage nicht stattgefunden. Es Wie soll ein Gericht die Aussage und die Glaub- ist jedoch sofortige Sachentscheidung beantragt wor- würdigkeit einer Zeugin erschöpfend bewerten, die den. Wer für die sofortige Sachentscheidung ist, den sich weigert, ihre Burka oder ihren Niqab abzulegen, bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. deren Gesicht und Körper vollständig verhüllt sind, Dann kommen wir zur Sachentscheidung. die Augen nur durch ein Stoffgitter oder einen Seh- schlitz auszumachen sind! Wie kann das Gericht sein Ich rufe zunächst den Zwei-Länder-Antrag in Urteil auf einen Zeugen stützen, den es nicht von An- Drucksache 486/1/16 (neu) auf. Wer möchte ihm zu- gesicht zu Angesicht erlebt hat! stimmen? – Das ist die Mehrheit. Das Gesetz stellt bislang keine eindeutige Rege- Wer dafür ist, die Entschließung, wie soeben fest- lung für die Problematik einer verschleierten Zeugin gelegt, zu fassen, den bitte ich um das Handzei- zur Verfügung. Stattdessen wird es dem Gericht auf- chen. – Mehrheit. gebürdet, im Einzelfall nach pflichtgemäßem Er- Dann ist so beschlossen. messen zu entscheiden, dass es die Abnahme solcher Schleier anordnet und notfalls mit Ordnungsmitteln Der Dorsch kann gerettet werden. zu erzwingen versucht. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 357 Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) (A) (C) Unsere Richterinnen und Richter brauchen und temberg; ich bedanke mich bei den Kollegen sehr wünschen sich hier Rechtssicherheit und Rechtsklar- herzlich – fordert die Bundesregierung auf, eine klar- heit. Sie brauchen eine klare und eindeutige Aussage stellende gesetzliche Regelung für ein Verschleie- des Gesetzgebers, die ihre tagtägliche Arbeit erleich- rungsverbot vor Gericht zu schaffen. tert und ihnen zeitraubende Diskussionen im Einzel- fall erspart. Der Antrag Hamburgs und Schleswig-Holsteins fordert von der Bundesregierung erst einmal eine Hohes Haus, Burka und Niqab widersprechen nicht Prüfung, ob es einer solchen Regelung bedarf. Um nur diametral unserem Verständnis von der Gleich- es an dieser Stelle klar zu sagen: Ich halte das nicht berechtigung von Mann und Frau und von offener für nachvollziehbar. Bayern und Baden-Württemberg Kommunikation, die für eine freie Gesellschaft kon- – Herr Kollege Wolf – haben diese Prüfung vorge- stituierend ist; sie erschweren vor Gericht auch ma- nommen. Das Ergebnis ist aus unserer Sicht klar. ximal die Ermittlung der Wahrheit und die Durchset- zung der Gerechtigkeit. Ich appelliere deshalb an Sie, liebe Kollegen, Ihren Änderungsantrag zurückzuziehen und unserem An- Deshalb kann und darf die Antwort des Gesetzge- trag zuzustimmen. Auch Hamburg und Schleswig- bers hier nur lauten: Verfahrensbeteiligte in Ge- Holstein stellen ja in ihrer Formulierung klar, dass richtsverhandlungen dürfen ihr Gesicht weder ganz die Burka und der Niqab vor Gericht abzulehnen noch teilweise verdecken. sind. Nur die Notwendigkeit einer gesetzlichen Re- Die Grundentscheidung lautet: Dem Rechtsstaat ist gelung wird – für uns unverständlich – in Frage ge- in aller Regel der Vorrang vor ideologischen, weltan- stellt. schaulichen, religiösen oder sonstigen Motiven ein- Kolleginnen und Kollegen, machen Sie die Augen zuräumen. Das ist die klare Aussage, die unsere Ge- auf! Vollverschleierte gibt es heute nicht nur verein- richte und die Bürgerinnen und Bürger in unserem zelt in großstädtischen Lagen. Sie sind in vielen Ge- Land zu Recht erwarten. meinden unseres Landes zu sehen, und ihre Zahl hat Inwieweit der Islam das Tragen eines Gesichts- deutlich zugenommen. Die Zahl der Verfahren, in de- schleiers überhaupt vorgibt – zumal vor Gericht –, nen Burka- und Niqab-Trägerinnen vor unseren Ge- kann dahinstehen. Die Verpflichtung des Staates und richten auftreten, wird zwangsläufig in den nächsten das Interesse der absoluten Mehrheit der Bürger, Jahren steigen. Wir sind davon überzeugt, dass wir eine ordnungsgemäße und rechtsstaatlichen Grund- eine klarstellende Regelung brauchen und keine sätzen entsprechende Strafrechtspflege zu gewähr- langwierige Prüfung. leisten, überwiegt in jedem Fall ein eventuelles Sollten Hamburg und Schleswig-Holstein ihren Än- Grundrecht des Einzelnen auf freie Religionsaus- derungsantrag nicht zurückziehen, werden wir zwar übung. (B) hilfsweise zustimmen, weil sich abzeichnet, dass für (D) Das bedeutet natürlich nicht, dass von dieser unsere Entschließung keine Mehrheit besteht. Uns ist Grundregel des offenen Gesichts keine Abweichun- die gemeinsame Feststellung wichtig, dass Burka und gen in besonderen Konstellationen vorgenommen Niqab dem Rechtsstaat weichen müssen, nicht umge- werden dürfen, zum Beispiel wenn die Sicherheit kehrt der Rechtsstaat diesen menschenunwürdigen und die körperliche Unversehrtheit von Zeugen ge- Kleidungsstücken. fährdet sind. Ich denke etwa an hochgradig gefähr- Gleichwohl werden wir in jedem Einzelfall, der dete Zeugen, beispielsweise verdeckte Ermittler, die künftig vor unseren Gerichten zu Diskussionen führt akut um ihr Leben bangen müssen. und den Rechtsstaat belastet – ob in Nordrhein-West- Das ändert aber nichts an der grundsätzlichen Ziel- falen, in Bayern, in Schleswig-Holstein, in Hamburg vorgabe; denn eines müssen wir uns klar vor Augen oder sonst wo –, darauf hinweisen, dass wir eine halten: Burka oder Niqab, vor Gericht getragen, ver- schnelle gesetzgeberische Lösung fordern. decken nicht nur das Gesicht. Sie können eben auch die Wahrheit verschleiern. Auf die Wahrheit ganz Wir erwarten, dass sich der Bund jetzt nicht an oder teilweise zu verzichten kann und darf sich unser langwierige Prüfungen begibt und das Problem, wie Rechtsstaat nicht leisten. manch anderes Problem, verschleppt, sondern dass es angegangen wird. Wir werden hier auch Bundes- Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie daher: minister Maas nicht aus seiner Verantwortung ent- Stimmen Sie dem bayerischen Antrag zu! Lassen Sie lassen. – Vielen Dank. uns heute gemeinsam ein klares Zeichen setzen – für unseren Rechtsstaat und für unsere freiheitlich-de- mokratische Grundordnung! Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Staatsminister Professor Dr. Bausback! Es wäre ein fatales Signal, wenn der Bundesrat heute zu keinem Ergebnis käme. Das darf auf keinen Jetzt hat Herr Staatsminister Gemkow aus dem Fall passieren. Das Signal wäre: Die Länder sind sich Freistaat Sachsen das Wort. nicht einig, ob die Burka vor Gericht verboten ist. Da- für hätten die Menschen in Deutschland kein Ver- Sebastian Gemkow (Sachsen): Sehr geehrter Herr ständnis. Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Initiative Bayerns – modifiziert und mitgetra- Uns allen ist wichtig, dass Gerichtsverfahren rechts- gen durch den Antrag aus Sachsen und Baden-Würt- staatlich ablaufen. 358 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Sebastian Gemkow (Sachsen) (A) (C) Zwei Punkte sind dabei besonders wichtig: Zum Guido Wolf (Baden-Württemberg): Herr Präsident! einen muss das Gericht die Möglichkeit haben, sich Werte Kolleginnen und Kollegen! Unsere freie und von der Identität der Verfahrensbeteiligten zu über- pluralistische Gesellschaft lebt vom offenen Mit- zeugen. Zum anderen kommt es vor allem bei der einander der Bürgerinnen und Bürger. Sie lebt da- Beweisaufnahme darauf an, dass das Gericht den von, dass sich die Menschen in unserem Land „auf Zeugen in die Augen sehen kann, wenn sie ihre Aus- Augenhöhe“ begegnen. Sein Gegenüber nicht nur zu sage machen. Nur so können sich die Richter ein Bild sehen, sondern ihm von Angesicht zu Angesicht zu davon machen, ob Zeugen die Wahrheit sagen oder begegnen, ist Grundvoraussetzung für die gleichbe- nicht. rechtigte Teilhabe an unserem Gemeinwesen.

Dazu gibt es derzeit aber keine Regelungen im Ge- Wer diese Offenheit unter Staatsbürgern nicht zu- setz. Die Gerichte können zwar nach allgemeinen lässt, wer sein Gesicht dauerhaft und vollständig be- Grundsätzen den verschleierten Verfahrensbeteilig- deckt, der wendet sich von unserer Gesellschaft ab. ten aufgeben, ihre Verschleierung abzunehmen. Da- Dieses Abwenden ist ein Zeichen gegen Integration, bei bestehen aber schon Unsicherheiten, unter wel- gegen die Eingliederung in unser Land und in unsere chen Voraussetzungen das möglich ist. Gerade weil Gemeinschaft. das hohe Verfassungsgut der Religionsfreiheit bei Hinzu kommt: Die Vollverschleierung ist oftmals einer solchen Entscheidung des Gerichts zu berück- ein unfreiwillig getragenes Zeichen für mangelnde sichtigen ist, sollte der Gesetzgeber den Richtern Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Die Maßstäbe an die Hand geben, an denen sie sich ori- Vollverschleierung ist deswegen ein echtes Problem entieren können. für die Menschen, die zu uns kommen, ebenso wie Dazu kommt, dass die Gerichte momentan keine für die Menschen, die hier leben. Möglichkeit haben, ein ausgesprochenes Verschleie- Für die Justiz, für die Wahrheitsfindung im gericht- rungsverbot auch durchzusetzen. Aber ohne eine lichen Verfahren ist die Vollverschleierung noch solche Durchsetzungsmöglichkeit – hier denke ich mehr: Sie ist unüberbrückbares Hindernis. Sie würde insbesondere an Zwangsmaßnahmen, von Ordnungs- dafür sorgen, dass beispielsweise Zeugen hinter ei- geldern bis hin zu unmittelbarem Zwang – ist das nem Schleier verschwinden und als Individuen kaum ausgesprochene Verbot ein stumpfes Schwert. Der noch wahrnehmbar wären. Doch genau darum geht Gesetzgeber muss sich Gedanken darüber machen, es vor Gericht: um den Einzelnen, seine Rechte und welche Durchsetzungsmöglichkeiten er den Gerich- Pflichten, seinen Werdegang oder seine Wahrneh- ten dafür an die Hand geben will. Auch hier ist eine mung. Es geht um Individualität, und es geht um gesetzliche Regelung erforderlich, gerade weil die Rechtsfindung. Grundrechte der Verfahrensbeteiligten zu berück- (B) sichtigen sind. Die Vollverschleierung behindert die Rechtsfin- (D) dung. Sie tangiert sie so stark, dass die Rechtsord- Meine sehr geehrten Damen und Herren, deshalb nung reagieren muss – maßvoll und angemessen und halte ich den Antrag des Freistaats Bayern für so einen Ausgleich schaffend. Es geht um die Balance wichtig und richtig. Wir müssen den Gesetzgeber zwischen dem Interesse aller – der Gesellschaft und auffordern, klare Regelungen zu schaffen, um den des Staates – an einem effektiv funktionierenden Gerichten durchsetzbare Maßnahmen an die Hand Rechtsstaat, wie ihn Artikel 20 des Grundgesetzes zu geben. Es besteht definitiv gesetzgeberischer unumstößlich festschreibt, und dem Interesse des Handlungsbedarf. Einzelnen an der freien Ausübung seiner Glaubens- und Bekenntnisfreiheit. Das ist eine schwerwiegende Die Formulierung einer Prüfbitte, wie sie jetzt vor- Entscheidung. Sie ist so wesentlich, dass sie nach gesehen ist, ist auch aus meiner Sicht, wie Sie das meiner Auffassung der Gesetzgeber treffen muss. schon gesagt haben, Herr Professor Bausback, zu schwach, außerdem viel zu langwierig, um diesen Betrachtet man die Rechtsprechung des Bundes- tatsächlichen Handlungsbedarf deutlich zu machen. verfassungsgerichts, insbesondere die beiden Ent- Dass der Gesetzgeber tätig werden muss, haben wir scheidungen zum Kopftuch, dann erscheint mir auch schon festgestellt. Letztlich können wir in Zukunft vor diesem Hintergrund eine gesetzliche Regelung nur so Situationen wie den erstinstanzlichen Frei- ratsam; denn: „Das normative Spannungsverhältnis spruch eines Angeklagten beim Amtsgericht in Mün- zwischen … Verfassungsgütern unter Berücksichti- chen, weil eine Zeugin damals ihre Verschleierung gung des Toleranzgebots zu lösen, obliegt dem de- nicht abnehmen wollte, verhindern. Die bestehende mokratischen Gesetzgeber, der im öffentlichen Wil- Unsicherheit der Gerichte, die die Richterinnen und lensbildungsprozess einen für alle zumutbaren Richter beim Umgang mit solchen Situationen auszu- Kompromiss zu suchen hat.“ So die Verfassungsrich- halten haben, muss der Gesetzgeber durch klare und ter im Beschluss vom 27. Januar 2015. ausgewogene Regelungen auflösen. – Vielen Dank. Die mit dem bayerischen Entschließungsantrag in der Variante unseres baden-württembergischen Än- Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr derungsantrags angestrebte ausdrückliche Regelung Staatsminister Gemkow! würde Rechtssicherheit und Rechtsklarheit schaffen können. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollte Jetzt erteile ich Herrn Minister Wolf aus Baden- unser Ziel sein. Deshalb werben wir aus Baden-Würt- Württemberg das Wort. temberg für diesen Weg. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 359 Guido Wolf (Baden-Württemberg) (A) (C) Ich will aber mit Blick auf den Antrag aus Hamburg Deutschland gehört zu den Staaten, die als erste und Schleswig-Holstein darauf hinweisen, dass es die UN-Behindertenrechtskonvention – im März unser Ziel bleiben muss, diese Thematik weiterzu- 2007 – unterschrieben haben. 2009 ist sie bei uns in verfolgen. Deswegen könnten wir uns hilfsweise Kraft getreten. auch dem Prüfauftrag anschließen, indem der Antrag Die fachliche Diskussion über die Weiterentwick- aus Hamburg und Schleswig-Holstein klar festlegt, lung der Eingliederungshilfe nahm Fahrt auf. Die Ar- dass Vollverschleierung vor Gericht nicht geduldet beits- und Sozialministerkonferenz hat sich seit 2009 werden kann und unterbunden werden muss. Diese intensiv mit dem Thema beschäftigt. Ich glaube, es Feststellung muss aber gesichert werden durch ist keine Sitzung vergangen, in der wir nicht darüber rechtsstaatliches Handeln. „Prüfauftrag“ darf in die- gesprochen haben. 2011 hat die ASMK Eckpunkte sem Sinne nicht „lange Bank“ bedeuten. Wir halten für die Reformgesetzgebung beschlossen. Im August es für zwingend, dass schnell und eindeutig sicher- 2012 hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe der ASMK gestellt wird, dass Vollverschleierung bei Gericht ein umfassendes Grundlagenpapier zur Weiterent- rechtssicher unterbunden werden kann. – Herzlichen wicklung der Eingliederungshilfe für behinderte Dank. Menschen vorgelegt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat Präsident Stanislaw Tillich: Vielen Dank, Herr Mi- 2014 eine hochrangige Arbeitsgruppe einberufen, die nister Wolf! nach dem Grundsatz „nichts über uns ohne uns“ in Wir haben keine weiteren Wortmeldungen. neun Sitzungen mögliche Reformthemen und -ziele eines neuen Bundesteilhabegesetzes beraten hat. Es Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen gab dabei eine breite Beteiligung von Menschen mit die Ausschussempfehlungen und ein Mehr-Länder- Behinderungen und ihrer Verbände, von Vertreterin- Antrag vor. nen und Vertretern von Leistungsträgern, Sozialver- Ich bitte zuerst um das Handzeichen für den Mehr- bänden, Bund, Ländern und Kommunen. Länder-Antrag. Wer zustimmen möchte, den bitte ich Bremen hat in Person des damaligen Bremer um das Handzeichen. – Das ist die Mehrheit. Staatsrates Horst Frehe – selbst Rollstuhlfahrer – Damit entfällt Ziffer 1 der Ausschussempfehlun- in dieser Arbeitsgruppe hoch engagiert mitgearbei- gen. tet. Dann frage ich, wer dafür ist, die Entschließung, Der nun vorgelegte Gesetzentwurf bringt im Ver- wie soeben festgelegt, zu fassen. Ich bitte um das gleich zum Referentenentwurf deutliche Verbesse- Handzeichen. – Auch das ist die Mehrheit. rungen, setzt die fachlichen Forderungen, die von (B) Seiten der Politik und der Behindertenverbände in (D) Dann ist so beschlossen. den vergangenen Jahren gestellt wurden, aber nur teilweise um. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 29: Zuerst möchte ich einige Punkte positiv bewerten: Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teil- habe und Selbstbestimmung von Menschen Positiv ist die Stärkung von Autonomie und Selbst- mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – bestimmung der auf Leistungen angewiesenen Men- BTHG) (Drucksache 428/16) schen. Die Rednerliste ist länger: Es wird etwas interes- Positiv ist die Ermöglichung einer qualifizierten er- santer! Als Erste hat Frau Senatorin Stahmann aus gänzenden Beratung. Bremen das Wort. Lange gewartet haben wir auf die Trennung von Fachleistungen und existenzsichernden Leistungen. Anja Stahmann (Bremen): Herr Präsident! Sehr ge- Positiv ist die Verbesserung beim Einkommens- und ehrte Damen und Herren! Jetzt hat der Präsident die Vermögenseinsatz auch für Ehe- und Lebenspartner. Latte hochgelegt. Die gesetzliche Verankerung des „Budgets für Ar- Wir beraten heute im ersten Durchgang den vom beit“ und die Schaffung von Alternativen zur Werk- Kabinett vorgelegten Entwurf des Bundesteilhabege- statt für Behinderte ist ebenfalls als positiv zu bewer- setzes. Das Bundesteilhabegesetz ist eines der wich- ten. tigsten sozialpolitischen Vorhaben in dieser Legisla- tur und hat einen sehr langen Vorlauf hinter sich. Ich (Vorsitz: Amtierende Präsidentin glaube, wenn ein Gesetzgebungsvorhaben fast zehn Lucia Puttrich) Jahre des Weges hinter sich gebracht hat, darf man Dass weiterhin erheblicher Verbesserungsbedarf das sagen. So lange schon wird über die Weiterent- besteht, zeigt die Vielzahl der eingebrachten Anträge wicklung der Eingliederungshilfe, über mehr Teil- in die Ausschussberatungen der vergangenen Wo- habe und Selbstbestimmung für Menschen mit Be- chen. Bremen hat zehn Anträge in den AIS-Aus- hinderungen und die Herauslösung aus dem alten schuss eingebracht. „Fürsorgesystem“ beraten. Auf Bremisch hieße das: weg vom Betüddeln, hin zu mehr Selbstbestimmung. Bremen hat sich in seinen Anträgen insbesondere Nach diesem langen Prozess liegt seit Juni dieses darauf konzentriert, dass das neue Teilhaberecht Jahres der Gesetzentwurf nun vor. nicht zu Verschlechterungen gegenüber der aktuel- 360 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Anja Stahmann (Bremen) (A) (C) len Rechtslage führt und das Selbstbestimmungs- Länder und Kommunen befürchten, dass der vor- recht der Menschen mit Behinderung weiter gestärkt gelegte Gesetzentwurf sie zusätzlich finanziell belas- wird. Auf unsere drei wichtigsten Anliegen möchte tet. Das treibt alle um. Wir möchten an die Zusagen ich im Folgenden eingehen. des Bundes erinnern, dass aus dem Bundesteilhabe- gesetz keine zusätzlichen Ausgaben für die Länder Der Kreis der Zugangsberechtigten darf nicht ein- und Kommunen erwachsen. Wir erwarten, dass der geschränkt werden, und niemand darf schlechterge- Bund die sich für die Länder und Kommunen er- stellt werden als nach heutigem Recht. Das ist eine gebenden Mehrausgaben infolge der vorgesehenen große Sorge der Betroffenen. Der Zugang zu den Verbesserungen vollständig und auf Dauer über- Leistungen der Eingliederungshilfe muss sich an der nimmt. Definition des Personenkreises nach der UN-Behin- dertenrechtskonvention orientieren und darf nicht Als Haushaltsnotlageland wird sich Bremen zu vie- eingeschränkt werden. len fachlich wünschenswerten Anträgen der Stimme Wer zu der Gruppe von Menschen mit Behinderun- enthalten, weil die finanziellen Auswirkungen noch gen zu zählen ist, wird in Artikel 1 Satz 2 der Kon- nicht absehbar sind. vention festgehalten: Dazu gehören „Menschen, die Als Beispiel möchte ich auf Ziffer 60 der Empfeh- langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sin- lungsdrucksache verweisen. Durch die dort vorge- nesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wech- schlagene Neufassung des § 112 soll die im Gesetz- selwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vol- entwurf vorgesehene Einschränkung von Menschen len, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an mit Behinderungen in ihrer Studienwahl aufgehoben der Gesellschaft hindern können“. werden. Der Wechsel zwischen Ausbildung, Studium Die jetzige Formulierung des § 99 des Regie- und Berufstätigkeit muss für Menschen mit und ohne rungsentwurfs bezüglich des leistungsberechtigten Behinderung diskriminierungsfrei möglich sein. Da- Personenkreises löst bei vielen Betroffenen die Be- mit wird auch dem Grundgedanken der Bologna-Re- fürchtung aus, dass ihnen zukünftig der Leistungs- form entsprochen. Dies ist jedoch mit einer kosten- anspruch verwehrt wird. Deshalb sieht Ziffer 51 der wirksamen Leistungsausweitung verbunden, die der Ausschussempfehlungen vor, dass die Bundesregie- ohnehin stark belastete Sozialhaushalt nicht tragen rung prüft, wie im weiteren Gesetzgebungsverfahren kann. sichergestellt wird, dass alle, die bisher Anspruch auf Wir wünschen uns, dass die Bundesregierung und Eingliederungshilfe hatten, dies auch künftig haben. der Bundestag die zahlreichen Empfehlungen der Das Wunsch- und Wahlrecht der Menschen mit Be- Ausschüsse zum Bundesteilhabegesetz im weiteren einträchtigungen ist zentraler Bestandteil der Ein- Verfahren aufgreifen und das Bundesteilhabegesetz (B) gliederungshilfe. Sie haben das Recht auf die Aus- damit zu einer UN-behindertenrechtskonformen Wei- (D) wahl des Wohnortes. Sie sollen selbst entscheiden terentwicklung der Eingliederungshilfe, zu einem dürfen, wo und mit wem sie zusammenleben wollen. modernen Teilhaberecht machen. – Vielen Dank. Es darf keine Verpflichtung geben, in einer besonde- ren Wohnform zu leben. Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, der Dank! das Wunsch- und Wahlrecht im Sinne der UN-Behin- dertenrechtskonvention als Recht auf eine selbstbe- Als Nächste spricht Frau Ministerin Rundt aus Nie- stimmte Lebensführung behinderter Menschen und dersachsen. ihre volle Einbeziehung in die Gesellschaft klarer de- finiert. Dies betrifft die Ziffer 57 der Empfehlungs- drucksache. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit Cornelia Rundt (Niedersachsen): Frau Präsidentin! von Hilfen muss sich an den Zielen des Hilfeplanes Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eine Re- orientieren. Das heißt: Vorrangig ist die Eignung der form der Eingliederungshilfe entspricht einer jahre- Leistung für die im Teilhabeplan festgelegten Ziele langen Forderung der Länder, aber auch der Interes- zu prüfen. senvertretungen der Menschen mit Behinderungen. Es geht darum, die Teilhaberechte von Menschen mit Wir haben im Ausschuss beantragt, die Definition Behinderungen zu stärken und die personenzen- von Persönlicher Assistenz als Leistungsform im Ge- trierte Bedarfsermittlung und Teilhabeplanung in setz zu verankern. Damit soll das Recht der Leistungs- den Vordergrund zu stellen. berechtigten, die Leistungen in einer umfassenden selbstbestimmten Form zu erhalten, sichergestellt Der vorgelegte Entwurf des Bundesteilhabegeset- werden. Ähnlich wie das Persönliche Budget begrün- zes erreicht dieses Ziel aus meiner Sicht nur zum Teil. det die Vorschrift zur Persönlichen Assistenz keinen Ohne Zweifel enthält er einzelne Punkte, die es zu neuen Anspruch, sondern definiert den Anspruch auf begrüßen gilt. Als zentrale Weichenstellungen für die eine bestimmte Form der Leistung. Dieser Antrag hat Zukunft sehe ich zum Beispiel: im Ausschuss eine Mehrheit leider knapp verfehlt. Erstens. Bereits mit Wirkung ab 1. Januar 2017 Dennoch ist aus unserer Sicht die Definition der Per- werden die Regelungen zur Anrechnung von Ein- sönlichen Assistenz ein wichtiges Anliegen, das im kommen und Vermögen bei der Finanzierung von Bundesteilhabegesetz verankert werden sollte. Teilhabeleistungen im Sinne der Leistungsberechtig- Nun zu den Kosten: ten verbessert. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 361 Cornelia Rundt (Niedersachsen) (A) (C) Zweitens. Die Möglichkeiten der Teilhabe am Ar- Diese seit Mitte der 90er Jahre bestehende Be- beitsleben werden erweitert. Neben Werkstätten für nachteiligung soll nunmehr fortgeführt werden. Es Menschen mit Behinderungen soll es in diesem Be- besteht sogar die Gefahr, dass sich ihr Anwendungs- reich weitere Leistungsanbieter geben. Das „Budget bereich künftig auch auf das heutige sogenannte am- für Arbeit“ wird im Gesetz als Rechtsanspruch aus- bulante Wohnen erstreckt. Die Regelung gehört nach gestaltet. meiner Überzeugung insgesamt gestrichen, zumin- dest aber darf ihr Anwendungsbereich nicht noch Drittens. Die Unterscheidung zwischen ambulan- erweitert werden. Unklarheiten der Schnittstelle zur ten und stationären Leistungen wird aufgehoben. Eingliederungshilfe dürfen nicht die Inanspruch- Der Teilhabebedarf wird unabhängig vom Ort der nahme von Teilhabeleistungen erschweren. Leistungserbringung ermittelt. Die mit dem Bundesteilhabegesetz vorgesehene Viertens. Die verschiedenen Rehabilitationsträger Implementierung einer unabhängigen Teilhabebera- müssen künftig noch enger zusammenarbeiten, um tung wird begrüßt. Wichtig ist dabei aber die – bisher den individuellen Teilhabebedarf gemeinsam zu er- fehlende – Sicherstellung einer dauerhaften Kosten- mitteln. übernahme durch den Bund. Damit werden langjährige Kernforderungen der Die für Leistungen der Eingliederungshilfe vorge- Länder, aber auch der Betroffenenverbände umge- sehene Personenzentrierung muss sich auch in den setzt. ergänzenden Leistungssystemen widerspiegeln. Zugleich werden durch den Entwurf eines Bundes- Im Rahmen des Bundesratsverfahrens hat sich Nie- teilhabegesetzes leider neue Probleme geschaffen dersachsen gegen die zu den Wohnkosten vorge- und viele Problemlagen noch nicht ausreichend zu- sehenen Sonderregelungen für Menschen mit Be- friedenstellend gelöst. hinderungen ausgesprochen. Zur Sicherstellung des Fest steht zum Beispiel, dass die gesetzlich ange- Lebensunterhaltes ist auch hier das individuelle Be- legten Leistungsverbesserungen längst nicht allen darfsdeckungsprinzip erforderlich. Menschen mit einer wesentlichen Behinderung zu- Menschen mit Behinderungen, die in Wohnstätten gutekommen werden. leben, sind heute vielfach von Leistungen der Be- Hinzu kommt die Ungewissheit bei Ländern, Kom- handlungspflege durch ihre Krankenkasse ausge- munen und Betroffenenverbänden, ob und wie sich schlossen. Auch Menschen mit Behinderungen müs- der Kreis der anspruchsberechtigten Personen durch sen unabhängig vom Ort, an dem sie leben, in vollem eine Neudefinition des Behinderungsbegriffs in Zu- Umfang gegenüber ihrer Krankenkasse anspruchs- kunft verändern wird. berechtigt sein. Ein unter niedersächsischer Feder- (B) führung gestellter Länderantrag zielt daher darauf (D) Eine Kernforderung der Länder bei der Diskussion ab, die gesetzlichen Regelungen entsprechend zu än- über eine Reform der Eingliederungshilfe war die dern. Bundesbeteiligung an den Kosten. Zunächst war eine Neben Werkstätten für behinderte Menschen müs- Größenordnung von 5 Milliarden Euro zur zweckge- sen künftig mögliche sogenannte andere Leistungs- bundenen Entlastung der Kommunen vorgesehen. anbieter im Wesentlichen die gleichen Qualitäts- Inzwischen jedoch ist von einer Zweckbindung zu anforderungen erfüllen. Auch dies gehört zu den Gunsten der Eingliederungshilfe keine Rede mehr. Forderungen der Länder, die Niedersachsen unter- Damit eröffnen sich auch keine Spielräume für Leis- stützt. tungsverbesserungen und Umsteuerung. Ebenso unterstützen wir eine besondere Freibe- Ich kann daher die Kritik vieler Verbände am Bun- tragsregelung speziell für einmalige Sonderzuwen- desteilhabegesetz durchaus nachvollziehen. dungen an Werkstätten für Menschen mit Behinde- Der Kreis der anspruchsberechtigten Personen rungen. sollte sich nach Auffassung des Landes Niedersach- Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird ein ers- sen durch die Reform weder wesentlich vergrößern ter Schritt zur Verbesserung der Situation von Men- noch verkleinern. Der Bund ist inzwischen bereit, die schen mit Behinderungen gemacht. Aus meiner Sicht Auswirkungen des neuen Behinderungsbegriffs zu besteht kein Zweifel an der Notwendigkeit dieses erfassen und einer Revision zu unterziehen. Gesetzes. Daher begrüßt Niedersachsen den Entwurf Darüber hinaus lässt das Bundesteilhabegesetz des Bundesteilhabegesetzes grundsätzlich. Gleich- noch klare und eindeutige Abgrenzungsregelungen wohl ist dies nur ein erster, halbherziger Schritt. Die zwischen den Leistungen der Pflegeversicherung, Niedersächsische Landesregierung erwartet von der der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe ver- Bundesregierung daher, den Reformprozess in wei- missen. Hier sehe ich dringenden Nachbesserungs- teren Schritten konsequent fortzusetzen. – Vielen bedarf. Insbesondere gilt dies für die Regelung des Dank. § 43a SGB XI, die aus meiner Sicht Menschen mit Behinderungen benachteiligt, die zugleich pflege- Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten bedürftig sind. Leben Menschen mit Behinderungen Dank Ihnen! in stationären Wohnstätten der Eingliederungshilfe, erhalten sie nicht die vollen Leistungen der Pflege- Als Nächster spricht Herr Minister Görke aus Bran- versicherung, sondern nur eine Pauschale. denburg. 362 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) Christian Görke (Brandenburg): Sehr geehrte Frau überwiegende Teil des Entlastungsbetrags über die Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der kommunale Umsatzsteuer an die Gemeinden fließen vorgelegte Gesetzentwurf ist das Ergebnis einer jah- soll, während das Land und die Landkreise als Träger relangen Diskussion. der Eingliederungshilfe außen vor bleiben.

Bereits vor vier Jahren wurde zwischen dem Bund Meine Damen und Herren, ich appelliere im Na- und den Ländern im Rahmen der Umsetzung des Fis- men des Landes Brandenburg an den Bund, sich für kalpakts vereinbart, dass Bund und Länder ein neues eine andere Finanzierungsform auszusprechen be- Bundesleistungsgesetz erarbeiten, welches die recht- ziehungsweise sich die Zeit zu nehmen, dieses große lichen Vorschriften der Eingliederungshilfe in der Vorhaben noch einmal zu überprüfen, die verwal- bisherigen Form ablösen sollte. Es gab zudem – das tungstechnischen Umsetzungsschritte genau mit den ist der Hauptpunkt meiner Rede – die Zusage des Ländern abzusprechen und vor allen Dingen eine ro- Bundes, sich an der Finanzierung der Eingliede- buste Kostenausgleichsregelung im Gesetz zu veran- rungshilfe zu beteiligen. Als Finanzminister werde kern. – Vielen Dank. ich mich insofern weniger zu den sozialpolitischen als zu den finanziellen Gesichtspunkten äußern. Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Als Es geht zum einen um die geschätzten Kostenaus- Nächste spricht Frau Staatsministerin Bätzing-Lich- wirkungen des Gesetzentwurfs insgesamt, zum an- tenthäler aus Rheinland-Pfalz. deren um die im Raum stehende Entlastung von 5 Milliarden Euro bei der Eingliederungshilfe durch den Bund. Das ist bei meinen Vorrednerinnen schon Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Rheinland-Pfalz): angeklungen. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf des Bundes- Zum Thema „Kostenauswirkungen“ kann Bran- teilhabegesetzes läutet einen Systemwandel in der denburg feststellen, dass der Bund keine nachvoll- Eingliederungshilfe ein, der notwendig ist, wenn wir ziehbare und transparente Kostenschätzung vorge- Teilhabe und Selbstbestimmung stärken wollen. legt hat. So sind bei einer Vielzahl von Regelungen die finanziellen Folgewirkungen unsicher, zum Bei- Solch ein Systemwechsel bedeutet natürlich Ände- spiel bei der Ausweitung der Leistungen für Teilhabe rung und Erneuerung. Sicherheiten gehen verloren, und Bildung. Das Kostenrisiko wird auf die Länder und neue Prozesse können Anlass zu Sorgen und und Kommunen übertragen. Ängsten sein. Deshalb muss der Systemwechsel gut geplant und gut gesteuert werden. Wir müssen die Insofern erwartet das Land Brandenburg, dass die drei Jahre zwischen der Verabschiedung und dem In- Bundesregierung einerseits eine vollständige und krafttreten des Gesetzes nutzen. In diesen drei Jah- nachvollziehbare Kostenfolgenabschätzung vornimmt (B) ren müssen die gesetzlichen Regelungen gut vorbe- (D) sowie andererseits eine Evaluationsregelung und eine reitet werden, damit die offenen Fragen verbindlich solide Kostenübernahmeregelung in das Gesetz auf- beantwortet werden. nimmt. Es kann nicht sein, dass die Länder und die Kommunen auf den Mehrkosten sitzen bleiben. Die Dazu gehört zum Beispiel die Frage, ob mit den vor- Bundesregierung erklärt nun, dass sie nicht von Mehr- geschlagenen Regelungen in § 99 SGB IX-E – Leis- kosten für Länder und Kommunen ausgeht. Dann tungsberechtigter Personenkreis – alle Menschen er- dürfte eine Evaluationsregelung ja kein Problem sein. fasst werden, die heute Eingliederungshilfe erhalten. Meine Damen und Herren, ich komme zum zwei- Die Regelung muss einerseits sicherstellen, dass kei- ten Aspekt: Die versprochene Entlastung bei der Ein- ner verloren geht. Andererseits wollen wir nicht, dass gliederungshilfe durch den Bund sollte in einem an- der leistungsberechtigte Personenkreis ausgeweitet deren Gesetz geregelt werden. Ziel ist die Entlastung wird. Diese und weitere Regelungen müssen durch der Träger der Eingliederungshilfe. die Instrumente des Artikels 25, die wir mit unseren Anträgen weiter geschärft haben, sehr sorgfältig ge- Wer sind diese Träger? Dafür gibt es in den Län- prüft werden. Dann müssen verbindliche Regelungen dern zutiefst unterschiedliche Regelungen. In Bayern geschaffen werden, wie die Prüfergebnisse gesetzlich tragen die Kommunen die Kosten der Eingliede- umzusetzen sind. rungshilfe zu 100 Prozent. In Brandenburg ist das an- ders: Das Land übernimmt 85 Prozent, die Landkreise Ich denke, dass wir durch dieses Vorgehen sowohl und kreisfreien Städte haben den restlichen Anteil zu die Bedenken der Interessenvertretungen der Men- tragen. Dasselbe Problem haben die Länder Schles- schen mit Behinderungen als auch die Bedenken der wig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. heutigen Sozialhilfeträger ernst nehmen und berück- sichtigen können. Damit können wir erste große Bar- Diese unterschiedliche Finanzierungsstruktur hat rieren aus dem Weg räumen. der Bund beim geplanten Finanzierungsweg nicht oder nur sehr wenig berücksichtigt. Demnach sollen Mir ist wichtig: Ich will an dem neuen Behinde- die Länder – das war die Vereinbarung der Minister- rungsbegriff festhalten; denn er orientiert sich an der präsidenten mit der Kanzlerin – ab dem Jahr 2018 UN-Behindertenrechtskonvention und nutzt die ICF über die Umsatzsteuer eine Entlastung von 1 Milli- als Grundlage für die Bedarfsermittlung und Teilha- arde Euro erhalten. Dafür ist in den betroffenen Län- beplanung. Er ist eine zentrale Forderung der Men- dern zu prüfen, wer der Kostenträger ist. Für Bran- schen mit Behinderungen. Ein Zurück zur alten Defi- denburg ist es nicht nachvollziehbar, dass der nition gibt es daher für uns nicht. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 363 Sabine Bätzing-Lichtenthäler (Rheinland-Pfalz) (A) (C) Es gibt weitere wichtige Neuerungen, die zur Ha- Lösung eher gewährleistet zu sein als durch die im benseite des Gesetzentwurfs gehören, beispielsweise Gesetzentwurf gefundene Lösung. die unabhängige Teilhabeberatung – eine ganz zen- trale Forderung der Menschen mit Behinderungen –, Schließlich gibt es eine heftige Kontroverse über die Kodifizierung des „Budgets für Arbeit“, die Ein- die Frage, wann es für einen Menschen mit Behinde- führung der Teilhabeplanung für alle Rehabilitations- rungen zumutbar ist, Leistungen gemeinsam mit an- träger oder die deutlich erhöhten Einkommens- und deren in Anspruch zu nehmen. Rheinland-Pfalz hat Vermögensfreigrenzen. hier vorgeschlagen, den Vorrang inklusiver Leistun- gen gesetzlich zu normieren; denn so können Assis- Sicher kann auch ich mir überall ein Noch-mehr tenzleistungen so erbracht werden, dass die Men- vorstellen. Aber – das ist die zweite zentrale Barriere schen selbstbestimmt wohnen und leben können. dieses Gesetzes – die Leistungen müssen finanzier- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wol- bar bleiben. Die Kostendynamik in der Eingliede- len mit unseren Änderungsanträgen das Gesetz so rungshilfe bedrängt alle Länder, da sie spätestens im gut machen, dass es seinem Anspruch, Teilhabe und Jahr 2020 ausgeglichene Haushalte vorlegen müs- Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderun- sen, und fast alle Kommunen. gen zu stärken, gerecht wird. – Herzlichen Dank. Über die Finanzierung der Reform wurde in den letzten Wochen und Monaten intensiv gestritten. Wir Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten Länder erwarten, dass der Bund bereit ist, die Kos- Dank Ihnen! tenentwicklung, die durch das Gesetz ab 2017 ausge- löst wird, durch eine mit den Ländern eng abge- Nun spricht Frau Ministerin Werner aus Thüringen. stimmte Evaluation nachvollziehbar zu erfassen. Wir müssen im Gesetz verbindlich vereinbaren, wie die Heike Werner (Thüringen): Sehr geehrte Frau Prä- Kostenentwicklung erfasst werden soll und welche sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Folgen sich aus den Ergebnissen der Evaluation er- Kolleginnen und Kollegen! Menschen mit Behinde- geben. rungen, Vereine und Sozialverbände fordern seit Wenn das Gesetz zu Mehrkosten bei Ländern und vielen Jahren von der Politik, die gesetzlichen Kommunen führt, dann muss der Bund hier zu seiner Grundlagen für eine gleichberechtigte Teilhabe von Verantwortung stehen. Wir erwarten im Gesetzge- Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen bungsverfahren ein Angebot des Bundes, wie diese Leben zu schaffen. Die Forderungen reichen vom Kosten von ihm finanziert werden. Wir haben es Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung über schon gehört: Die Bundesregierung hat ausgerech- die auskömmliche Finanzierung der Unterkunft in (B) net, dass sich Mehr- und Minderbelastungen die Wohnstätten und das Recht auf individuelles Wohnen (D) Waage halten, es also zu keiner zusätzlichen finanzi- und individuelle Assistenz bis hin zur Nichtanrech- ellen Belastung von Ländern und Kommunen kommt. nung von Einkommen und Vermögen. Wenn dem so ist, dann kann die Bundesregierung Jede dieser Forderungen hat es in sich, weil davon unseren Vorschlag, die Kostenveränderungen zu eva- entscheidend abhängt, ob wir uns dem Ziel nähern, luieren und die so dokumentierten Mehrkosten zu dass Menschen mit Behinderungen frei und selbstge- übernehmen, gelassen aufgreifen und umsetzen. wählt darüber entscheiden können, wie sie ihr Leben gestalten, oder ob sie weiterhin das Objekt von Für- Wir Länder brauchen Sicherheit und verbindliche sorge sind. Dessen müssen wir uns bewusst sein, Vereinbarungen im Umgang mit den Kostenfolgen wenn wir über diese Fragen entscheiden. dieses Gesetzes; denn es ist fachlich zu wichtig. Es darf nicht an ungeklärten Kostenfolgen scheitern. Sehr geehrte Damen und Herren, in der UN-Be- hindertenrechtskonvention wird es mit wünschens- Mit den vorliegenden Änderungsanträgen wollen werter Klarheit formuliert: Den Nationalstaaten wird die Länder den Gesetzentwurf verbessern. Ich ver- es zur Aufgabe gemacht, die volle, wirksame und weise auf den Antrag zum Umgang mit der Frage, gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Be- wann Eingliederungshilfe und wann Hilfe zur Pflege hinderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen die angemessene Leistung ist. Mit dem Lebenslagen- umzusetzen. Ein Bundesteilhabegesetz, mit dem die ansatz haben die Länder einen Vorschlag gemacht, Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen der die Bedenken gegen die von der Bundesregie- mit Behinderungen aus dem Fürsorgerecht herausge- rung vorgeschlagenen Regelungen ernst nimmt und löst werden, wäre dafür der geeignete Schritt. deutlich macht, dass Menschen mit Behinderungen vorrangig Eingliederungshilfe erhalten sollen und In den Gesetzentwurf der Bundesregierung haben nicht, wie dies immer wieder unterstellt wird, in die einige Forderungen von Menschen mit Behinderun- Pflege abgeschoben werden sollen. gen Eingang gefunden. Die Einführung eines „Bud- gets für Arbeit“ etwa sowie höhere Leistungen für Ich weiß, dass es zum Teil verfassungsrechtliche Bildung sind wichtige Aspekte. Die Kernaufgabe Bedenken wegen der Altersgrenze gibt. Wir müssen aber, nämlich Menschen mit Behinderungen umfas- diese Bedenken ernst nehmen und durch eine sorg- sende Selbstbestimmung zu ermöglichen, erfüllt das fältige Formulierung entkräften; denn wir wollen das Gesetzesvorhaben noch nicht. Wenn wir eine Gesell- Recht der Menschen mit Behinderungen auf Einglie- schaft wollen, in der Menschen mit Behinderungen derungshilfe sichern. Dies scheint mir durch diese die gleichen Chancen wie Nichtbehinderte haben, 364 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Heike Werner (Thüringen) (A) (C) dann muss die Gesellschaft die behinderungsbeding- Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Als letzte ten Nachteile vollständig ausgleichen. Rednerin spricht Frau Parlamentarische Staatssekre- tärin Lösekrug-Möller (Bundesministerium für Ar- Vom Gesetzentwurf der Bundesregierung geht eine beit und Soziales). andere Botschaft aus: Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ja, aber dafür sollen die Menschen, bitte schön, erst einmal in die eigene Tasche greifen. Gabriele Lösekrug-Möller, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: In vorangegangenen Diskussionen wurde oft der Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Vorwurf erhoben, dass die Bundesregierung der Herren! Die Bundesregierung begrüßt es sehr, dass schwarzen Null im Haushalt den Vorrang gegeben sich die Länder intensiv mit dem Entwurf des Bun- habe. Ich möchte das nicht glauben. Die Bundesre- desteilhabegesetzes auseinandergesetzt haben. Es gierung könnte mit zwei Schritten zeigen, dass dem freut uns, dass Sie ihn im Kern begrüßen. nicht so ist, sondern dass es ihr mit der Teilhabe wirk- lich ernst ist. Es verwundert niemanden, dass eine große sozial- politische Reform wie das BTHG breit und kontrovers Erstens könnte sie das von den Menschen mit Be- diskutiert wird. Im Gegenteil, es ist gut, dass uns alle hinderungen zu Recht geforderte Teilhabegeld ein- Beteiligten intensiv dabei begleiten, mit dem BTHG führen. Davon war lange die Rede, im Gesetzentwurf mehr Selbstbestimmung und Teilhabe für Menschen findet sich dazu nichts. mit Behinderungen möglich zu machen. Zweitens könnte sich die Bundesregierung für Zurzeit prüfen wir intensiv die insgesamt 126 – über- einen vollständigen Nachteilsausgleich entscheiden. wiegend sehr konstruktiven – Änderungsvorschläge Das bedeutet: keine Anrechnung von Einkommen der Länder. Anschließend werden wir mit dem Deut- und Vermögen! schen Bundestag beraten, welche Vorschläge umge- Thüringen hat daher einen entsprechenden Antrag setzt werden können. eingebracht. Wir möchten, dass die Eingliederungs- Lassen Sie mich drei Kernforderungen beziehungs- hilfe den Menschen mit Behinderungen unabhängig weise drei Hauptkritikpunkte aus dem Kreis der Län- vom eigenen Einkommen und Vermögen zusteht. der herausgreifen: Dies gilt auch für das Einkommen und das Vermögen von Angehörigen, Ehe- und Lebenspartnern. Erst mit Erstens kritisieren Sie die Regelung zum leistungs- diesem Schritt würde sichergestellt, dass die Teilhabe berechtigten Personenkreis in der Eingliederungs- an gesellschaftlichen Aktivitäten nicht mehr vom ei- hilfe; das wurde mehrmals angesprochen. Sie be- genen Geldbeutel abhängt. Aus diesem Grund ist der fürchten, dass die Hürde für den Zugang zur (B) Gesetzentwurf an dieser Stelle zwingend nachzubes- Eingliederungshilfe zu hoch sei, insbesondere für (D) sern. Über kurz oder lang muss die Anrechnung von seelisch oder sinnesbehinderte Menschen. Einkommen und Vermögen vom Tisch. Ich sage ausdrücklich: Es ist der Bundesregierung Ich bin froh, dass die Länder gemeinsam eine Reihe ein wichtiges Anliegen, den bisherigen leistungs- weiterer Änderungsvorschläge, die den Teilhabege- berechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe danken stärken, formuliert haben. Einen Vorschlag beizubehalten. Wir wollen ihn weder einschränken will ich hier stellvertretend nennen: noch ausweiten. Wir wollen aber den Behinderungs- Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht bei begriff dem modernen Verständnis von Behinderun- Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein gen anpassen, den uns die UN-Konvention vorgege- Rückkehrrecht in eine Werkstatt für Menschen mit ben hat, und zwar auch für den leistungsberechtigten Behinderungen vor; das ist gut. Nicht gut ist, dass aus Personenkreis der Eingliederungshilfe. dem Rückkehrrecht de facto eine Rückkehrpflicht Ich bin mit Ihnen der Meinung, dass es sich bei der wird. Genau das ist zu befürchten, weil mit der Be- Frage des Zugangs zur Eingliederungshilfe um eine schäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein entscheidende Stellschraube handelt. Wir müssen Anspruch auf Arbeitslosengeld I verbunden ist. In hier sicherstellen, dass diejenigen, die Leistungen der Folge wird den Menschen nichts anderes übrig benötigen, sie auch erhalten. Die hierzu vom Bundes- bleiben, als in eine Werkstattbeschäftigung zurück- rat diskutierten Vorschläge bestätigen den vorgeleg- zukehren, selbst wenn sie an einer anderen Tätigkeit ten Ansatz des Wechsels von der Defizit- zur Teilha- auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt interessiert sind. beorientierung. Eine solche Form der Ungleichbehandlung sollte nicht gesetzlich fixiert werden. Im Gegenteil, ange- Zweitens möchte ich auf die Kritik der Länder an sagt ist die Gleichstellung mit Menschen ohne Behin- der Abgrenzung zwischen Eingliederungshilfe und derung. Pflege eingehen. Sehr geehrte Damen und Herren, ich hoffe, dass Wir halten eine klare Abgrenzung für notwendig, die Bundesregierung diese und andere Anregungen und zwar auf Grund der künftig verschiedenen Leis- aus dem Bundesrat ernst nimmt. Das wäre im Sinne tungsgesetze und des neuen, teilhabeorientierten der Menschen mit Behinderungen. Das wäre aber Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Daher sieht das Bun- auch in unser aller Sinne, weil wir damit gemeinsam desteilhabegesetz für den häuslichen Bereich den dem Ziel näherkämen, eine Gesellschaft ohne Barrie- grundsätzlichen Vorrang von Pflege vor Eingliede- ren zu schaffen. – Herzlichen Dank. rungshilfe vor. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 365 Parl. Staatssekretärin Gabriele Lösekrug-Möller (A) (C) Hier stehen unterschiedliche Interessen im Raum: Dazu besteht im Übrigen keine Notwendigkeit; Einerseits fordern Sie, die Länder, eine eindeutige denn ab dem Jahr 2021 wird es auf Grund der von Abgrenzung zwischen den beiden Leistungen. Ande- uns vorgeschlagenen Maßnahmen im Ergebnis zu rerseits befürchten viele Verbände, dass das Leis- Einsparungen bei den Ländern kommen. Ich erinnere tungsniveau für die Betroffenen durch die von uns hier insbesondere an die Möglichkeit der Erhöhung vorgeschlagene Abgrenzung sinkt. Ich will nicht ver- der Steuerungsfähigkeit der Eingliederungshilfe. Das hehlen, dass es sich hier um eine der schwierigsten war ein starker Wunsch der Länderseite, dem im Ge- Baustellen im gesamten BTHG handelt, für die wir setzentwurf entsprochen worden ist. Langfristig ha- gemeinsam eine Lösung finden müssen. ben wir mit dem BTHG also Einsparungen bei den Ländern, die viel höher sind als die Mehrausgaben, Nordrhein-Westfalen und andere Länder haben ei- die in den Übergangsjahren zweifelsfrei entstehen nen sehr interessanten Antrag eingebracht, der die werden. Der Kostenaufwuchs auf Bundesebene geht Regelaltersgrenze als Abgrenzungskriterium zwi- auch aus dem Gesetzentwurf hervor. schen Eingliederungshilfe und Pflege vorsieht. Wir werden insbesondere diesen Vorschlag sehr genau Ich habe es eingangs schon gesagt: Ein solch gro- prüfen. Wir sind auch hier für konstruktive Anregun- ßes sozialpolitisches Reformwerk geht nicht lautlos gen offen, die rechtlich machbar sind und im weite- über die Bühne. Es wird auf allen Seiten diskutiert, ren Verfahren der Gesetzgebung zur Präzisierung und es wird im Gesetzgebungsverfahren nachjus- der Abgrenzung zwischen Pflege und Eingliede- tiert, damit möglichst viele der sehr unterschiedli- rungshilfe dienen können. chen Interessen berücksichtigt werden können.

Drittens möchte ich kurz auf das Vertragsrecht in Insgesamt aber bin ich nach wie vor der festen der Eingliederungshilfe eingehen. Überzeugung, dass wir in dieser Legislaturperiode mit dem Bundesteilhabegesetz gemeinsam einen Hamburg und andere Länder fordern, die Schieds- Meilenstein in der deutschen Behindertenpolitik set- stellenfähigkeit auf die Vergütungsvereinbarung zu zen. Nach dem Sozialgesetzbuch IX vor 15 Jahren beschränken. Ich sage an dieser Stelle sehr deutlich: kommen wir wieder einen großen Schritt voran auf Ziel des BTHG ist es auch, das sozialrechtliche Drei- dem Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft. Dafür eck zwischen Betroffenen, Leistungsträgern und Leis- bitte ich um Ihre Unterstützung. tungserbringern zu erhalten und zu stärken. Das wird nur funktionieren, wenn die Balance zwischen Rech- ten und Pflichten bei allen drei Akteuren stimmt. Die Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten Schiedsstellenfähigkeit der Leistungsvereinbarung Dank! ist dabei ein zentraler Punkt, um die Rechte sowohl Je eine Erklärung zu Protokoll*) abgegeben haben (B) der Betroffenen als auch der Leistungserbringer zu Staatsminister Professor Dr. Bausback (Bayern) für (D) stärken. Die Bundesregierung wird deshalb an dieser Staatsminister Dr. Huber, Frau Staatsrätin Erler (Ba- Stelle keine Veränderung des Gesetzentwurfs vor- den-Württemberg) für Minister Lucha, Frau Senato- schlagen. rin Stahmann (Bremen) und Frau Ministerin Heinold (Schleswig-Holstein). Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir ab- schließend eine Bemerkung zu dem heiklen Thema Sehr geehrte Damen und Herren, wir kommen zu „Finanzen“! einer umfangreichen Abstimmung. Dazu liegen Ih- nen die Ausschussempfehlungen und vier Landesan- Wir haben volles Verständnis dafür, dass die Län- träge vor. der gerade über die finanziellen Auswirkungen des Bundesteilhabegesetzes Klarheit haben wollen. Wir Ich beginne mit den Ausschussempfehlungen: verstehen Ihre Besorgnis, die Reform könne Mehr- Zur Einzelabstimmung rufe ich Ziffer 2 auf, bei der ausgaben bei den Ländern und Kommunen verursa- wir über die beiden Absätze getrennt abstimmen. chen. Wir kennen aber auch die gegenläufige Be- fürchtung der Betroffenenverbände, das Gesetz führe Zunächst Absatz 1! – Mehrheit. zu starken Minderausgaben. Absatz 2! – Mehrheit. Im Bundesrat wird eine „Kostenübernahmegaran- Ziffer 4! – Mehrheit. tie“ durch den Bund für alle Mehrkosten ab 2017 ge- fordert, unabhängig davon, welche Gründe zu den Damit entfällt Ziffer 5. Mehrkosten geführt haben. Ziffer 8! – Mehrheit. Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Wir halten uns an Ziffer 10! – Mehrheit. den Beschluss des Koalitionsausschusses vom 1. Juli. Dort wurde der finanzielle Rahmen für das Bundes- Ziffer 11! – Mehrheit. teilhabegesetz abgesteckt. Und wir halten uns an die Entscheidung der Bundeskanzlerin und der Minister- Ich komme zum Antrag Hamburgs, bei dessen präsidenten vom 16. Juni dieses Jahres über den Annahme Ziffer 12 der Ausschussempfehlungen ent- Transferweg der zugesagten Entlastung von 5 Mil- fällt. Ihr Handzeichen bitte! – Mehrheit. liarden Euro. Wir sehen an dieser Stelle keine Mög- lichkeit, den finanziellen Spielraum zu erweitern oder gar Blankozusagen in das Gesetz zu schreiben. *) Anlagen 16 bis 19 366 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Damit entfällt Ziffer 12 der Ausschussempfehlun- Ziffer 88! – Mehrheit. gen. Ziffer 89! – Minderheit. Ziffer 15! – Mehrheit. Ziffer 92! – Mehrheit. Nun zum Antrag Nordrhein-Westfalens, bei dessen Annahme Ziffer 16 der Ausschussempfehlungen ent- Ziffer 93! – Mehrheit. fällt. – Minderheit*). Ziffer 95! – Mehrheit. Ihr Handzeichen für Ziffer 16 der Ausschussemp- Ziffer 97! – Minderheit. fehlungen! – Mehrheit. Ziffer 100! – Mehrheit. Jetzt zum Antrag Bayerns, bei dessen Annahme der Antrag Thüringens entfällt! – Minderheit. Ziffer 102! – Mehrheit. Nun der Antrag Thüringens! – Minderheit. Ziffer 104! – Mehrheit. Zurück zu den Ausschussempfehlungen: Ziffer 105! – Mehrheit. Ziffer 17! – Mehrheit. Ziffer 106! – Mehrheit. Ziffer 28! – Minderheit. Ziffer 108! – Mehrheit. Ziffer 31! – Minderheit. Ziffer 114! – Mehrheit. Ziffer 34! – Mehrheit. Ziffer 119! – Mehrheit. Ziffer 35! – Mehrheit. Ziffer 120! – Minderheit. Damit entfällt die Ziffer 36. Ziffer 121! – Mehrheit. Ziffer 42! – Mehrheit. Ziffer 126! – Mehrheit. Ziffer 44! – Mehrheit. Jetzt bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- Ziffer 45! – Mehrheit. heit. Ziffer 47! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf Ziffer 48! – Mehrheit. Stellung genommen. Ziffer 49, zunächst Buchstabe a! – Minderheit. (Franz-Josef Lersch-Mense [Nordrhein-West- (B) falen]: Frau Präsidentin, wir hätten die (D) Buchstabe b! – Minderheit. Bitte, die Abstimmung zu unserem Plenar- Ziffer 51! – Mehrheit. antrag 428/4/16 zu wiederholen!) Ziffer 52! – Minderheit. – Das machen wir gerne. Ziffer 53! – Minderheit. Wir wiederholen die Abstimmung über den Ple- narantrag von Nordrhein-Westfalen. Ich bitte um Ziffer 56! – Mehrheit. das Handzeichen, wer für diesen Antrag stimmt. – Ziffer 57! – Mehrheit. 38 Stimmen; das ist die Mehrheit. Ziffer 58! – Minderheit. Damit entfällt die Ziffer 16 der Ausschussempfeh- lungen. Ziffer 59, zunächst Buchstabe a! – Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 30: Buchstabe b! – Mehrheit. Entwurf eines Gesetzes zur Durchführung Ziffer 60! – Minderheit. unionsrechtlicher Vorschriften über das Schul- Ziffer 61! – Minderheit. programm für Obst, Gemüse und Milch (Land- wirtschaftserzeugnisse-Schulprogrammgesetz Ziffer 62! – Minderheit. – LwErzgSchulproG) (Drucksache 404/16) Ziffer 66! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ziffer 70! – Mehrheit. Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucher- Ziffer 82! – Minderheit. schutz empfiehlt, gegen den Gesetzentwurf keine Einwendungen zu erheben. Ziffer 83! – Minderheit. In Drucksache 404/1/16 liegt Ihnen jedoch ein Ziffer 84! – Mehrheit. Zwei-Länder-Antrag für eine Stellungnahme vor. Ziffer 87! – Minderheit. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Hand- zeichen. – Minderheit. Dann stelle ich fest, dass der Bundesrat gegen den *) Siehe aber Seite 366 D Gesetzentwurf keine Einwendungen erhebt. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 367 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Tagesordnungspunkt 31: kein stimmiges Konzept ergeben. Kassenmanipula- tionen werden lediglich punktuell verhindert. Das ist Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung Schleswig-Holstein nicht genug. des Saatgutverkehrsgesetzes (Drucksache 405/ 16) Wirksamer Schutz vor Kassenmanipulationen muss zwei grundsätzliche gesetzliche Vorgaben sicherstel- Es liegen keine Wortmeldungen vor. len: zum einen die Unveränderbarkeit, zum anderen Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucher- die Vollständigkeit der Grundaufzeichnungen. Die im schutz empfiehlt, zu dem Gesetzentwurf Stellung zu Gesetzentwurf vorgesehene Sicherheitseinrichtung nehmen. Wer für diese Empfehlung ist, den bitte ich sorgt bestenfalls dafür, dass aufgezeichnete Kassen- um das Handzeichen. – Mehrheit. daten nicht nachträglich manipuliert werden können. Die Vollständigkeit der Daten wird hingegen nur be- Dann ist so beschlossen. dingt sichergestellt. Ich rufe Tagesordnungspunkt 32 auf: Gefragt sind nach Jahren des Zögerns keine Einzel- Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Än- maßnahmen, sondern wir brauchen ein Gesamtkon- derungen der EU-Amtshilferichtlinie und von zept zur Verhinderung von Kassenmanipulationen. weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzun- Dieses muss sicherstellen, dass weitere Einfallstore gen und -verlagerungen (Drucksache 406/16) zur Steuerhinterziehung ebenfalls der Vergangenheit angehören. Weitere Einfallstore sind Zweitkassen, Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Eine Erklä- die an der Steuer vorbei betrieben werden, Ge- rung zu Protokoll*) hat Minister Görke (Branden- schäftsvorfälle, die nicht in die Kasse eingegeben burg) abgegeben. werden, und Kassensoftware, die Daten einer unver- Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen änderbaren Sicherung vorenthält. die Ausschussempfehlungen vor. Zur Einzelabstim- Der Änderungsantrag von Hamburg und Schles- mung rufe ich auf: wig-Holstein würde dem Gesetzentwurf dazu ver- Ziffer 5! – Mehrheit. helfen, ein solches Gesamtkonzept abzubilden. Er ergänzt ihn unter anderem um eine Belegausgabe- Ziffer 11! – Mehrheit. pflicht und eine Registrierung der Sicherheitseinrich- Ziffer 22! – Mehrheit. tungen. Die Belegausgabepflicht ist uns besonders wichtig. Ziffer 23! – Mehrheit. Die personenbezogene Registrierung ermöglicht es Nun Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten der Verwaltung zu erkennen, welche und wie viele Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. (B) Sicherheitseinrichtungen ein Steuerpflichtiger ein- (D) Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf setzt. Nur so wird es möglich zu prüfen, ob die Stellung genommen. Grundaufzeichnungen aller betriebenen Kassen der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf: Die Belegausgabepflicht ist für uns ein zentral not- Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Mani- wendiger Baustein. Sie macht Geschäfte an der Si- pulationen an digitalen Grundaufzeichnungen cherheitseinheit vorbei für Außenstehende erkenn- (Drucksache 407/16) bar, unabhängig davon, ob der Vorgang gar nicht in Es liegt eine Wortmeldung von Frau Ministerin die Kasse eingegeben oder digital der Sicherheitsein- Heinold aus Schleswig-Holstein vor. richtung vorenthalten wird. Damit steigt das Entde- ckungsrisiko für diese Manipulationsform erheblich. Monika Heinold (Schleswig-Holstein): Frau Präsi- Neben den Maßnahmen zur Sicherung der Voll- dentin, meine Damen und Herren! Von der Sozialge- ständigkeit der Daten wird der Gesetzentwurf um ein setzgebung zur Steuerhinterziehung; ich finde, das bereits aktuell einsatzbereites, praxiserprobtes und passt zusammen. frei nutzbares Verfahren von uns ergänzt. Dieses soll alternativ neben den noch zu entwickelnden zertifi- Beim Thema „Steuerhinterziehung durch Manipu- zierten Lösungen stehen und erweitert damit die lation von Ladenkassen“ besteht schon lange Hand- Technologieoffenheit. Nur so lässt sich sicherstellen, lungsbedarf. Bereits 2003 wies der Bundesrechnungs- dass zum Ablauf der Übergangsfrist eine funktionsfä- hof auf Steuerausfälle in nicht abschätzbarer Höhe hige Lösung bereitsteht. hin. 2015 bezifferte er die Steuerausfälle auf bis zu 10 Milliarden Euro jährlich. Dieses Ausmaß zeigt den Sich allein auf zukünftige Entwicklungen zu ver- dringenden Handlungsbedarf. lassen wäre riskant. Denn niemand weiß, ob rechtzei- Die Länder drängen seit Jahren auf eine Lösung. tig zertifizierungsfähige Systeme entwickelt werden Jetzt hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf können. Wir dürfen nicht in die Situation kommen, vorgelegt. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich je- nach Ablauf der Übergangsfrist erneut ohne Lösung doch, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen noch dazustehen. Wir brauchen ein effektives Gesamtkonzept, das eine zeitnahe Umsetzung ermöglicht und konkrete *) Anlage 20 Lösungen aufzeigt. Eine unvollständige Lösung kön- 368 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Monika Heinold (Schleswig-Holstein) (A) (C) nen wir uns angesichts der Dimension der Steueraus- Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf: fälle nicht leisten. Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Be- Mit dem Änderungsantrag von Hamburg und kämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Be- Schleswig-Holstein wird der Gesetzentwurf an ent- schäftigung (Drucksache 409/16) scheidenden Stellen so ergänzt, dass die gesteckten Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ziele erreichbar werden. Die beschriebenen Maß- nahmen ergeben ein klug aufeinander abgestimmtes Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen Konzept, das neben der Unveränderbarkeit die Voll- die Ausschussempfehlungen und ein Landesantrag ständigkeit der Grundaufzeichnungen befördert. Mit vor. der Beschreibung einer konkreten technischen Lö- Wir beginnen mit dem Landesantrag. Wer ist da- sung wird zudem sichergestellt, dass den Steuer- für? – Mehrheit. pflichtigen rechtzeitig eine funktionsfähige Lösung zur Verfügung steht und dass es später keine Ausre- Die Ziffern 1 bis 3 der Ausschussempfehlungen den mehr gibt. rufe ich zusammen auf. Dazu bitte ich um Ihr Hand- zeichen. – Mehrheit. Nur so, meine Damen und Herren, wird Steuer- hinterziehung durch Kassenmanipulationen zeitnah, Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung effektiv und nachhaltig entgegengewirkt. Daran genommen. müssten wir Länder gemeinsam ein extrem hohes In- Tagesordnungspunkt 36: teresse haben. Deshalb werbe ich erneut dafür, dem Antrag Hamburgs und Schleswig-Holsteins zuzu- Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Stärkung stimmen. der pflegerischen Versorgung und zur Ände- rung weiterer Vorschriften (Drittes Pflegestär- kungsgesetz – PSG III) (Drucksache 410/16) Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten Wortmeldungen gibt es keine. – Je eine Erklärung Dank! zu Protokoll*) abgegeben haben Frau Senatorin Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Prüfer-Storcks (Hamburg), Minister Wenzel (Nieder- sachsen) für Ministerin Rundt und Staatssekretär Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen Stroppe (Bundesministerium für Gesundheit). die Ausschussempfehlungen vor. Daraus rufe ich auf: Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Ziffer 1, und zwar wunschgemäß zunächst ohne fehlungen und ein Antrag Bayerns vor. den Klammerzusatz in Absatz 2 und ohne den zwei- Aus den Ausschussempfehlungen rufe ich auf: (B) ten Satz im letzten Absatz! Ich bitte um Ihr Handzei- (D) chen. – Mehrheit. Ziffer 1! – Mehrheit.

Nun das Handzeichen für den noch nicht abge- Damit entfällt Ziffer 2. stimmten Teil der Ziffer! – Mehrheit. Ziffer 12! – Mehrheit. Ziffer 2! – Mehrheit. Ziffer 13! – Mehrheit.

Ziffer 3! – Minderheit. Ziffer 14! – Mehrheit.

Ziffer 4! – Minderheit. Für diesen Fall gibt Herr Staatsminister Dr. Huber (Bayern) eine Erklärung zu Protokoll**). Ziffer 5! – Mehrheit. Es entfällt Ziffer 18. Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf Ziffer 15! – Mehrheit. Stellung genommen. Ziffer 16! – Mehrheit. Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 34: Ziffer 17! – Mehrheit. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Ziffer 22! – Minderheit. Aufgaben der Bundesanstalt für Finanzmarkt- stabilisierung (FMSA-Neuordnungsgesetz – Ziffer 23! – Mehrheit. FMSANeuOG) (Drucksache 408/16) Ziffer 26! – Minderheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ziffer 27! – Minderheit. Wir kommen zur Abstimmung. Hierzu liegen Ihnen Ziffer 30! – Mehrheit. die Ausschussempfehlungen vor. Ich rufe auf: Ziffer 35! – Mehrheit. Ziffer 1! – Mehrheit. Damit entfällt Ziffer 36. Ziffern 2 und 3 zusammen! – Mehrheit.

Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf *) Anlagen 21 bis 23 Stellung genommen. **) Anlage 24 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 369 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Ziffer 42! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Je eine Er- klärung zu Protokoll*) haben Minister Wenzel (Nie- Ziffer 43! – Minderheit. dersachsen) und Parlamentarischer Staatssekretär Nun bitte Ihr Handzeichen für den Antrag Bay- Lange (Bundesministerium der Justiz und für Ver- erns! – Minderheit. braucherschutz) abgegeben. Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. empfehlungen. Ich bitte um Ihr Handzeichen für: Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf, Ziffer 1! – Mehrheit. wie soeben festgelegt, Stellung genommen. Ziffer 2! – Mehrheit. Tagesordnungspunkt 37: Ziffer 4! – Mehrheit. Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und der Vergütung für psy- Ziffer 6! – Mehrheit. chiatrische und psychosomatische Leistungen Ziffer 8! – Mehrheit. (PsychVVG) (Drucksache 429/16) Ziffer 11! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Je eine Er- klärung zu Protokoll*) haben Minister Wenzel (Nie- Ziffer 15! – Mehrheit. dersachsen) für Frau Ministerin Rundt und Staatsse- Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten kretär Stroppe (Bundesministerium für Gesundheit) Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. abgegeben. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- genommen. fehlungen vor. Daraus rufe ich auf: Tagesordnungspunkt 47: Ziffer 1! – Mehrheit. Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Damit entfallen die Ziffern 2 und 3. Schutzes gegen Nachstellungen (Drucksache Ziffer 5! – Mehrheit. 420/16) Ziffer 9! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Je eine Er- klärung zu Protokoll**) abgegeben haben Frau Ziffer 13! – Mehrheit. Staatsministerin Puttrich (Hessen) für Frau Staatsmi- Ziffer 14! – Mehrheit. nisterin Kühne-Hörmann und Staatsminister Profes- sor Dr. Bausback (Bayern). (B) Damit entfallen die Ziffern 15, 16 und 17. (D) Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Ziffer 20! – Mehrheit. fehlungen und ein Landesantrag vor. Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- Aus den Ausschussempfehlungen rufe ich auf: digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- heit. Ziffer 1! – Minderheit. Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf, Bitte das Handzeichen für den Landesantrag! – wie soeben festgelegt, Stellung genommen. Minderheit. Tagesordnungspunkt 44: Weiter mit den Ausschussempfehlungen: Entwurf eines Gesetzes zur Ausland-Ausland- Ziffer 2! – Mehrheit. Fernmeldeaufklärung des Bundesnachrichten- Ziffer 3! – Mehrheit. dienstes (Drucksache 430/16) Ziffer 4! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- genommen. fehlungen vor. Tagesordnungspunkt 49: Bitte Ihr Handzeichen für Ziffer 1! – Minderheit. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Be- Nun bitte das Handzeichen für Ziffer 2! – Mehrheit. rufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung Damit erhebt der Bundesrat gegen den Gesetzent- weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsbe- wurf keine Einwendungen. ratenden Berufe (Drucksache 431/16) Tagesordnungspunkt 45: Es liegen keine Wortmeldungen vor. Entwurf eines Gesetzes zur Reform der straf- Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- rechtlichen Vermögensabschöpfung (Drucksa- empfehlungen. Ich bitte um Ihr Handzeichen für: che 418/16)

*) Anlagen 27 und 28 *) Anlagen 25 und 26 **) Anlagen 29 und 30 370 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Ziffer 1! – Mehrheit. Tagesordnungspunkt 51: Ziffer 2! – Mehrheit. Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Fernstraßenausbaugesetzes (Drucksache Ziffer 3! – Mehrheit. 434/16) Ziffer 10! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ziffer 14! – Mehrheit. Wir kommen zur Abstimmung. Die Ausschüsse Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- empfehlen, gegen den Gesetzentwurf keine Ein- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- wendungen zu erheben. Wer dem folgen möchte, heit. den bitte ich um das Handzeichen. – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Es ist so beschlossen. genommen. Tagesordnungspunkt 52: Tagesordnungspunkt 50: Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Ände- Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Um- rung des Bundesschienenwegeausbaugesetzes welt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vor- (Drucksache 433/16) schriften an europa- und völkerrechtliche Vor- gaben (Drucksache 422/16) Es gibt eine Wortmeldung von Herrn Minister Hermann aus Baden-Württemberg. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- Winfried Hermann (Baden-Württemberg): Frau Prä- fehlungen vor. Daraus rufe ich auf: sidentin, meine Damen und Herren! Ich mache es Ziffer 1! – Mehrheit. kurz und schmerzlos, will aber die Kernbotschaft der Länder überbringen. Ziffer 2! – Mehrheit. Mit dem Bundesschienenwegeausbaugesetz pla- Ziffer 3! – Mehrheit. nen wir die Zukunft. Die Frage ist, ob wir damit die Ziffer 4! – Minderheit. richtige Zukunft planen und die richtigen Vorkeh- rungen treffen, um unsere Verkehre der Zukunft und Ziffer 5! – Minderheit. die Mobilität der Zukunft angemessen zu sichern. Ziffer 6! – Minderheit. Wir haben heute das Pariser Klimaschutzabkom- Ziffer 7! – Minderheit. men verabschiedet. Das ist eine klare Verpflichtung, (B) auch im Bereich Verkehr das Nötige zu tun. (D) Ziffer 8! – Minderheit. Wir Länder glauben, dass der Bund im Bereich Ziffer 9! – Minderheit. Fernstraße sehr großzügig ist und im entsprechenden Ziffer 10! – Minderheit. Plan viele lokale und regionale Projekte fördert und unterstützt, aber beim Schienenwegeausbau vor al- Ziffer 11! – Mehrheit. lem die Schienenwege in der Fläche vernachlässigt Ziffer 12! – Minderheit. werden. Damit entfällt Ziffer 13. Wir glauben, es reicht nicht aus, Hochgeschwin- digkeitsstrecken auszubauen und nur die ganz gro- Ziffer 14! – Minderheit. ßen, milliardenschweren Projekte zu unterstützen. Es Ziffer 15! – Minderheit. kommt auch darauf an, die kleineren Projekte zu för- dern, die den ländlichen Raum erschließen und Ziffer 16! – Minderheit. Oberzentren miteinander verbinden. Sie kosten nicht Ziffer 17! – Minderheit. 1 Milliarde, aber vielleicht 100 Millionen. Da geht es etwa um Elektrifizierung, Engpassbeseitigung bei Ziffer 18! – Minderheit. eingleisigen Strecken, Modernisierung der Strecken Ziffer 19! – Mehrheit. mit moderner Technik. All das ist zwingend notwen- dig, wenn wir erreichen wollen, dass zukünftig mehr Damit entfällt Ziffer 26. Verkehre über die Schiene gehen und mehr Güter Ziffer 22! – Minderheit. über die Schiene transportiert werden können. Ziffer 23! – Mehrheit. Wir meinen, dass das Bundesschienenwegeaus- baugesetz da nicht weit genug geht und viel zu viele Zurück zu Ziffer 20! Wer stimmt zu? – Minderheit. Lücken hat. Insbesondere ärgert uns, dass wichtige Ziffer 21! – Minderheit. Strecken über Jahre hinweg nicht fertig geprüft wor- den sind. Sie stehen im sogenannten potenziellen Be- Ziffer 24! – Minderheit. darf, das heißt, sie sind nicht zu Ende geprüft wor- Ziffer 25! – Minderheit. den, obwohl man dazu jahrelang Zeit gehabt hat. Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf Wir bitten Sie um die Unterstützung des Länderan- entsprechend Stellung genommen. trags, der deutlich macht, dass wir die Schiene auch Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 371 Winfried Hermann (Baden-Württemberg) (A) (C) in der Fläche brauchen und dass der Bund da mehr ten oder gänzlich unbekannte Dienste. Meist wird die tun muss. – Vielen Dank. eigentliche Leistung von einem Telekommunikations- anbieter überhaupt nicht benannt; es werden ledig- lich der Rechnungsbetrag und eine Firma XY ausge- Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten wiesen. Selbst ein Einzelverbindungsnachweis bringt Dank Ihnen! kein Licht in die Angelegenheit. Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Dieses Unwesen zu Lasten der Verbraucherinnen Somit können wir zur Abstimmung kommen. Dazu und Verbraucher nimmt immer mehr zu, wie die liegen Ihnen die Ausschussempfehlungen vor. Verbraucherzentralen bundesweit berichten. Abhilfe schafft zwar die Einrichtung einer Drittanbieter- Ich rufe Ziffer 1 auf, zunächst ohne Buchstabe d. – sperre, die seit dem Jahr 2012 kostenfrei möglich ist. Minderheit. Allerdings bedeutet das: ganz oder gar nicht! Damit Nun Ziffer 1 Buchstabe d! – Minderheit. wird nämlich auch die Bezahlfunktion des Smart- phones oder die Abrechnung seriöser Dienste kom- Ziffer 2, zunächst ohne Buchstaben b und e! – Min- plett abgeschaltet. derheit. Abhilfe und gleichzeitig mehr Verbraucherschutz Ziffer 2 Buchstabe b! – Minderheit. schafft eine Neuregelung, eine Feinjustierung der Ziffer 2 Buchstabe e! – Minderheit. gesetzlichen Regelungen für die Drittanbietersperre. Nur wenn Verbraucherinnen und Verbraucher selbst Ziffer 3! – Mehrheit. es wünschen, dass bestimmte kostenpflichtige Ange- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung bote über ihre Mobilfunkrechnung bezahlt werden genommen. können, soll diese Funktion vom Mobilfunkanbieter kostenfrei freigeschaltet werden. Tagesordnungspunkt 53: Meine Damen und Herren, Ordnungspolitik heißt, Entwurf eines Gesetzes über den Ausbau der einen Rahmen zu setzen, ein Spielfeld zu schaffen, in Bundeswasserstraßen und zur Änderung des dem faire Regeln gelten und in dem Geschäftspro- Bundeswasserstraßengesetzes (Drucksache 432/ zesse nicht anonym in Rechenzentren ablaufen, son- 16) dern für die Verbraucherinnen und Verbraucher transparent und nachvollziehbar sind. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Lassen Sie mich die Inhalte der beiden Anträge Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- kurz zusammenfassen: fehlungen vor. Ich rufe auf: (B) Erstens. Die bestehende Regelung zur sogenann- (D) Ziffer 1! – Mehrheit. ten Drittanbietersperre soll um einen rechtsverbindli- Nun bitte das Handzeichen für die übrigen Ziffern chen Anspruch auf Einrichtung einer selektiven der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Sperre für ausgewählte Anbieter oder Leistungen er- gänzt werden. Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf entsprechend Stellung genommen. Zweitens. Abbuchungen von Drittanbietern über die Mobilfunkrechnung – das sogenannte WAP-Bil- Tagesordnungspunkt 56: ling – sollen künftig bei Vertragsschluss nach dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung Opt-in-Prinzip standardmäßig ausgeschlossen und des Telekommunikationsgesetzes (Drucksache nur auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers 436/16) kostenfrei und in dem von ihm gewünschten Umfang zugelassen werden. Es liegt eine Wortmeldung von Herrn Minister Hauk aus Baden-Württemberg vor. Drittens. Zum Schutz vor unseriösen Geschäfts- praktiken sollen auch die gesetzlichen Anforderun- gen an die Feststellung der Identität der Drittanbieter Peter Hauk (Baden-Württemberg): Frau Präsiden- verschärft werden. tin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag unter Ziffer 3 und der Ent- Die Verbraucherschutzministerkonferenz der Län- schließung unter Ziffer 12 verfolgt die baden-würt- der und des Bundes hat sich im Mai 2016 mit der tembergische Landesregierung ein klares Ziel: Wir Thematik der Drittanbietersperre beschäftigt und wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher mit einstimmige Beschlüsse hierzu gefasst. Blick auf die Abrechnung unseriöser Drittanbieter Lassen Sie uns die Gelegenheit nutzen, mit dem über die Mobilfunkrechnung schützen. Die Überrum- Dritten Gesetz zur Änderung des Telekommunika- pelung muss aufhören, und zwar so schnell und so tionsgesetzes Nägel mit Köpfen zu machen! Ich hoffe nachhaltig wie möglich. auf Ihre breite Unterstützung. – Vielen Dank. Unter dem Begriff „Mehrwertdienste“, „Fremdan- bieter“, „Drittanbieter“ oder „Premiumdienste“ tau- Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich: Besten chen häufig nicht nachvollziehbare Positionen auf der Dank Ihnen! Rechnung auf. Abgerechnet werden angeblich abge- schlossene Abonnements, Downloads, Chatnachrich- Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. 372 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Wir kommen zur Abstimmung. Dazu liegen die Damit entfällt Ziffer 19. Ausschussempfehlungen vor. Bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erledigten Hieraus rufe ich Ziffer 4 auf. – Mehrheit. Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehrheit. Ziffer 9! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat Stellung genommen. Damit entfällt Ziffer 10. Tagesordnungspunkt 66: Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- Parlaments und des Rates zur Änderung der heit. Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Stellung genommen. Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG Tagesordnungspunkt 57: COM(2016) 450 final; Ratsdok. 10678/16 Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung (Drucksache 392/16, zu Drucksache 392/16) insbesondere der mittelständischen Wirtschaft Es liegen keine Wortmeldungen vor. von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlas- tungsgesetz) (Drucksache 437/16) Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Staatsminis- Ich bitte um Ihr Handzeichen für Ziffer 1. – Minder- ter Professor Dr. Braun (Bundeskanzleramt) hat für heit. Parlamentarischen Staatssekretär Beckmeyer (Bun- Nun bitte Ihr Handzeichen für Ziffer 2! – Mehrheit. desministerium für Wirtschaft und Energie) eine Er- klärung zu Protokoll*) abgegeben. Damit hat der Bundesrat so beschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Ihnen liegen die Die Tagesordnungspunkte 67 a) und b) rufe ich zur Ausschussempfehlungen vor. gemeinsamen Beratung auf: Ziffer 1! – Mehrheit. a) Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- schen Parlaments und des Rates über die Ziffer 2! – Mehrheit. Asylagentur der Europäischen Union und zur Ziffer 5! – Minderheit. Aufhebung der Verordnung (EU) Nr. 439/2010 COM(2016) 271 final Nun bitte das Handzeichen für die noch nicht erle- (Drucksache 365/16, zu Drucksache 365/16) digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- (B) heit. b) Vorschlag für eine Verordnung des Europäi- (D) schen Parlaments und des Rates über die Ein- Damit hat der Bundesrat zu dem Gesetzentwurf richtung von Eurodac für den Abgleich von Stellung genommen. Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effekti- Tagesordnungspunkt 63: ven Anwendung der [Verordnung (EU) Nr. 604/ 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfah- Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen ren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für Parlaments und des Rates zur Änderung der die Prüfung eines von einem Drittstaatsange- Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung be- hörigen oder Staatenlosen in einem Mitglied- stimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften staat gestellten Antrags auf internationalen der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung Schutz zuständig ist], für die Feststellung der audiovisueller Mediendienste im Hinblick auf Identität illegal aufhältiger Drittstaatsangehöri- sich verändernde Marktgegebenheiten ger oder Staatenloser und über der Gefahren- COM(2016) 287 final abwehr und Strafverfolgung dienende Anträge (Drucksache 288/16, zu Drucksache 288/16) der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbe- Es liegen keine Wortmeldungen vor. hörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten (Neufassung) Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. COM(2016) 272 final Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: (Drucksache 391/16, zu Drucksache 391/16) Ziffer 4! – Mehrheit. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Damit entfällt Ziffer 5. Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über Ta- Ziffer 15! – Mehrheit. gesordnungspunkt 67 a). Frau Senatorin Prüfer-Storcks (Hamburg) hat Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. hierzu eine Erklärung zu Protokoll**) abgegeben. Ich bitte Sie um Ihr Handzeichen für Ziffer 1. – Ziffer 18! – Mehrheit. Minderheit. Ziffer 2! – Mehrheit.

*) Anlage 31 Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung **) Anlage 32 genommen. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 373 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Es geht weiter mit Tagesordnungspunkt 67 b). Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- empfehlungen. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. Ich rufe auf: Ziffer 2! – Mehrheit. Ziffer 1! – Mehrheit. Ziffer 4! – Mehrheit. Ziffer 2! – Mehrheit. Ziffer 9! – Mehrheit. Ziffer 3! – Mehrheit. Ziffer 10! – Mehrheit. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Ziffer 11! – Mehrheit. genommen. Ziffer 12! – Mehrheit. Die Tagesordnungspunkte 68 a) und b) rufe ich zur Ziffer 13! – Mehrheit. gemeinsamen Beratung auf: a) Mitteilung der Kommission an das Europäische Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- schafts- und Sozialausschuss und den Aus- heit. schuss der Regionen: EINE NEUE EURO- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung PÄISCHE AGENDA FÜR KOMPETENZEN – genommen. Humankapital, Beschäftigungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gemeinsam stärken Tagesordnungspunkt 76: COM(2016) 381 final Verordnung über die Rechtsanwaltsverzeich- (Drucksache 315/16) nisse und die besonderen elektronischen b) Vorschlag für eine Empfehlung des Rates zur Anwaltspostfächer (Rechtsanwaltsverzeichnis- Einführung einer Kompetenzgarantie und -postfachverordnung – RAVPV) (Drucksa- COM(2016) 382 final che 417/16) (Drucksache 316/16) Es liegen keine Wortmeldungen vor. Es liegen keine Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung über die Ausschuss- Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über Ta- empfehlungen. Der Rechtsausschuss empfiehlt, der gesordnungspunkt 68 a). Verordnung nach Maßgabe einer Änderung zuzu- stimmen. Wer dem folgen möchte, den bitte ich um Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. das Handzeichen. – Mehrheit. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: (B) Damit hat der Bundesrat der Verordnung mit der (D) Ziffer 7! – Mehrheit. soeben beschlossenen Maßgabe zugestimmt. Ziffer 9! – Mehrheit. Tagesordnungspunkt 77: Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- Erste Verordnung zur Änderung der Verord- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- nung über Luftqualitätsstandards und Emis- heit. sionshöchstmengen – 39. BImSchV (Drucksa- Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung che 364/16) genommen. Es liegen keine Wortmeldungen vor. – Minister Es geht weiter mit Tagesordnungspunkt 68 b). Lersch-Mense (Nordrhein-Westfalen) hat für Minis- ter Remmel eine Erklärung zu Protokoll*) abgege- Wir stimmen über die Ausschussempfehlungen ab. ben. Zur Einzelabstimmung rufe ich auf: Der Umweltausschuss empfiehlt unter Ziffer 1 der Ziffer 3! – Mehrheit. Ausschussempfehlungen, der Verordnung zuzustim- Nun bitte Ihr Handzeichen für alle noch nicht erle- men. Wer dafür ist, den bitte ich um das Handzei- digten Ziffern der Ausschussempfehlungen! – Mehr- chen. – Mehrheit. heit. Dann ist so beschlossen. Damit hat der Bundesrat entsprechend Stellung Es bleibt abzustimmen über eine empfohlene Ent- genommen. schließung. Ich bitte um das Handzeichen für: Tagesordnungspunkt 70: Ziffer 2! – Mehrheit. Mitteilung der Kommission an das Europäische Damit hat der Bundesrat die Entschließung gefasst. Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- schafts- und Sozialausschuss und den Aus- Tagesordnungspunkt 79: schuss der Regionen: Eine europäische Strate- Erste Verordnung zur Änderung der Straßen- gie für emissionsarme Mobilität verkehrs-Ordnung (Drucksache 332/16) COM(2016) 501 final (Drucksache 387/16) Es liegen keine Wortmeldungen vor. *) Anlage 33 374 Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 Amtierende Präsidentin Lucia Puttrich (A) (C) Es liegen keine Wortmeldungen vor. mäß § 36 Absatz 2 GO BR – (Drucksache 516/ 16) Zur Abstimmung liegen Ihnen die Ausschussemp- fehlungen vor. Ich beginne mit den empfohlenen Es liegen keine Wortmeldungen vor. Maßgaben zur Verordnung: Ich weise die Vorlage dem Ausschuss für Frauen Ziffer 1! – Mehrheit. und Jugend – federführend – sowie dem Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik und dem Ziffer 2! – Minderheit. Finanzausschuss – mitberatend – zu. Ziffer 3! – Minderheit. Tagesordnungspunkt 86: Ziffer 4! – Mehrheit. Entschließung des Bundesrates zur „Einfüh- Ziffer 5! – Minderheit. rung eines neuen Tatbestandes in die Bußgeld- katalog-Verordnung mit einer erhöhten Geld- Der Bundesrat hat der Verordnung mit den soeben buße zum Schutze der Infrastruktur“ – Antrag beschlossenen Änderungen zugestimmt. des Landes Nordrhein-Westfalen gemäß § 36 Nun noch zu den Empfehlungen für eine Entschlie- Absatz 2 GO BR – (Drucksache 517/16) ßung: Es liegen keine Wortmeldungen vor. Ziffer 6! – Mehrheit. Der Antrag auf sofortige Sachentscheidung ist zu- Ziffer 7, zunächst Buchstabe a! – Minderheit. rückgezogen. Ziffer 7 Buchstabe b! – Minderheit. Ich weise die Vorlage – federführend – dem Ver- kehrsausschuss sowie – mitberatend – dem Aus- Ziffer 7 Buchstabe c! – Minderheit. schuss für Innere Angelegenheiten zu. Ziffer 7 Buchstabe d! – Minderheit. Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind am Ende Ziffer 8! – Minderheit. der Sitzung angelangt und haben es vor 14 Uhr ge- schafft. Ziffer 9! – Mehrheit. Die nächste Sitzung des Bundesrates berufe ich ein Damit hat der Bundesrat eine Entschließung ge- auf Freitag, den 14. Oktober 2016, 9.30 Uhr. fasst. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Heimreise und Tagesordnungspunkt 84: ein schönes Wochenende. Entschließung des Bunderates „Freiwilligen- Die Sitzung ist geschlossen. (B) dienste stärker unterstützen und anerkennen“ (D) – Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen ge- (Schluss: 13.56 Uhr) Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 375

(A) (C) Beschlüsse im vereinfachten Verfahren (§ 35 GO BR)

Vorschlag für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates zur Änderung des Beschlusses Nr. 445/2014/EU zur Einrich- des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 345/2013 über tung einer Aktion der Europäischen Union für die „Kulturhaupt- Europäische Risikokapitalfonds und der Verordnung (EU) Nr. 346/ städte Europas“ im Zeitraum 2020 bis 2033 2013 über Europäische Fonds für soziales Unternehmertum COM(2016) 400 final COM(2016) 461 final; Ratsdok. 11303/16

(Drucksache 339/16, zu Drucksache 339/16) (Drucksache 376/16, zu Drucksache 376/16)

Ausschusszuweisung: EU – K Ausschusszuweisung: EU – Fz – R – Wi Beschluss: Kenntnisnahme Beschluss: Kenntnisnahme

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 in Bezug und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in auf Vorschriften für Roamingvorleistungsmärkte Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung COM(2016) 399 final; Ratsdok. 10329/16 und über internationale Kindesentführungen (Neufassung) (Drucksache 334/16, zu Drucksache 334/16) COM(2016) 411 final

Ausschusszuweisung: EU – Wi (Drucksache 368/16, zu Drucksache 368/16)

Beschluss: Kenntnisnahme Ausschusszuweisung: EU – FJ – FS – R

Beschluss: Kenntnisnahme Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Auflegung eines Unionsprogramms zur Unterstützung spezieller Tätigkeiten zur Erhöhung der Beteiligung von Verbrau- Vorschlag für einen Beschluss des Rates zur Festlegung eines Mehr- chern und anderen Endnutzern von Finanzdienstleistungen an der jahresrahmens für die Agentur der Europäischen Union für Grund- Gestaltung der Unionspolitik im Bereich Finanzdienstleistungen für rechte für den Zeitraum 2018 – 2022 den Zeitraum 2017 – 2020 COM(2016) 442 final COM(2016) 388 final (Drucksache 369/16, zu Drucksache 369/16) (Drucksache 333/16, zu Drucksache 333/16) Ausschusszuweisung: EU – AIS – FJ – In – R Ausschusszuweisung: EU – Fz – R – Wi Beschluss: Kenntnisnahme Beschluss: Kenntnisnahme

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rat über weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz Rates zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für Dritt- und der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuervermei- (B) staatenangehörige (D) dung COM(2016) 434 final COM(2016) 451 final; Ratsdok. 10977/16 (Drucksache 373/16) (Drucksache 359/16, zu Drucksache 359/16) Ausschusszuweisung: EU – Fz – R – Wi Ausschusszuweisung: EU – In Beschluss: Kenntnisnahme Beschluss: Kenntnisnahme

Feststellung gemäß § 34 GO BR Einspruch gegen den Bericht über die 947. Sitzung ist nicht eingelegt worden. Damit gilt der Bericht ge- mäß § 34 GO BR als genehmigt.

Anlagen

Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 377*

(A) (C) Anlage 1 – zu TOP 1 a)

Erklärung

von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (Sachsen) zu Punkt 1 a) der Tagesordnung Der Freistaat Sachsen und das Land Brandenburg geben folgende Erklärung zu Protokoll:

Einzelplan: 06

Kapitel: 0603

Titelgruppe: –

Titel: 685 03 Zuschuss des Bundes an die „Stiftung für das sorbische Volk“

Seite: (36/Einzelplan 06)

HH-Ansatz: ...... von ...... auf ......

1. Ergänzung der Erläuterung wie folgt: „… Dies erfolgt im Rahmen der institutionellen Förderung.“ Begründung: Zu 1: Gemäß dem im Staatsvertrag über die Errichtung der Stiftung für das sorbische Volk festgeschriebe- nen Stiftungszweck fördert die Stiftung u. a. Einrichtungen der Kunst-, Kultur- und Heimatpflege der Sorben. Die im Dritten Abkommen über die gemeinsame Finanzierung der Stiftung vom 15. Februar 2016 vereinbarten Fördersummen von Land Brandenburg, Freistaat Sachsen und Bund stehen nach Artikel 1 des Abkommens zur Erfüllung des Stiftungszweckes zur Verfügung. Die Förderung sorbischer Einrichtungen bezieht sich dabei auf deren laufende Aufgaben und erfolgt (B) (D) deshalb als institutionelle Förderung. Daneben werden durch die Stiftung in geringem finanziellem Umfang Projekte bezuschusst. Die Förderung der Stiftung für das sorbische Volk durch den Bund als Projektförderung ist nach den Maßgaben des § 23 BHO nicht korrekt, da es sich hier nicht um ein einzelnes zeitlich abgegrenztes Fördervorhaben handelt.

Anlage 2 – zu TOP 1 a)

Erklärung

von Ministerin Monika Heinold (Schleswig-Holstein) zu Punkt 1 a) der Tagesordnung A.

Einzelplan: 06

Kapitel: 0603

Titelgruppe: Integration und Migration, Minderheiten und Vertriebene

Titel: 684 02 Förderung der Arbeit von Minderheitengremien, des Minderheitensekretariats, na- tionale und internationale Veranstaltungen mit Minderheitenbezug

Seite: 33 (Einzelplan 06) 378* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) HH-Ansatz: 644 T EUR

1. Das Land Schleswig-Holstein fordert eine Verstetigung der Mindestfördersumme von 500 T EUR für die Föderalistische Union Europäischer Volksgruppen.

2. Das Land Schleswig-Holstein fordert, die Mittel für die Föderalistische Union Europäi- scher Volksgruppen für diesen Ansatz als institutionelle Förderung vorzusehen. Begründung: Zu 1.: Rolle und Bedeutung von Nichtregierungsorganisationen in Minderheitenzusammenhängen, wie der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV), haben sich auf nationaler und internatio- naler Ebene gewandelt. Als eine europaweit intensiv vernetzte und demokratisch organisierte Dach- organisation hat sie sich als wichtiger Akteur in der Friedensarbeit vor Ort etabliert. Auf diese Weise ist sie zu einem wertvollen und stabilen Partner für europäische Regierungen geworden. So gehört auch das Königreich Dänemark zu den institutionellen Förderern der FUEV. Das Land Schleswig-Holstein stützt die minderheitenpolitische Arbeit der FUEV seit vielen Jahren mit einer institutionellen Förderung und zusätzlichen Projektmitteln. Der Bund dagegen fördert die Organisation ausschließlich im Rahmen einer Projektförderung, seit dem Haushaltsjahr 2015 mit der Mindestfördersumme von 500 T EUR. Eine nicht verstetigte Fördersumme wird jedoch dem Zuwachs an Verantwortung und der Vielfalt der Aufgaben (z. B. Verbesserung der Situation der Roma in den Herkunftsländern oder auch die aktuelle Situation in der Ukraine und auf der Krim) nicht mehr ge- recht. Es ist angezeigt, in den Förderstrukturen zwischen Ländern und Bund eine einheitliche Rege- lung zu finden, die der FUEV Planungssicherheit und Verlässlichkeit garantiert. Zu 2.: Mit der Festlegung auf eine institutionelle Förderung in den Haushaltsbegründungen wird die Über- nahme der Erhöhung dieses HH-Titels für die folgenden Jahre garantiert. Die FUEV erhält auf diese Weise ein hohes Maß an Planungssicherheit und kann ihre Arbeit in der internationalen Minderhei- tenpolitik und Friedenssicherung fortführen und weiter ausbauen. B. (B) (D) Einzelplan: 04

Kapitel: 0452 – Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

Titelgruppe: 02 – Kulturförderung im Inland

Titel: 685 21 – Kulturelle Einrichtungen und Aufgaben im Inland

Erläuterung: 2.14 – Friesische Volksgruppe

Seite: 58–60 (Einzelplan 04)

HH-Ansatz: 320 T EUR Das Land Schleswig-Holstein fordert eine Erhöhung des HH-Ansatzes um 150 T EUR auf 470 T EUR. Begründung: Die friesische Volksgruppe genießt den Schutz des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten. Ihr wichtigstes Identifikationsmerkmal, die friesische Sprache mit ihren zahlreichen Varietäten, wird durch die Europäische Sprachencharta der Regional- oder Minderheitensprachen geschützt. Die Größe der verbliebenen Sprechergruppe macht besondere Bemühungen zum Erhalt der friesischen Sprache unabdingbar, gemeint ist damit der Wegfall von Zugangsbeschränkungen wie Mindestklassengröße etc. Umso wichtiger sind identitätsstiftende Projekte (Jugendfreizeiten, Trachtenseminare) sowie eine in- tensive, passgenaue Sprachförderung in einem durchgängigen Bildungsangebot von der Kinderta- gesstätte bis zur Hochschule. Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat auf diese Bedarfe mit dem „Handlungsplan Sprachenpolitik“ reagiert. Darüber hinaus ist aber auch durch den Bund eine stär- kere Unterstützung der friesischen Volksgruppe insbesondere im Wissenschaftsbereich und mit Pro- jekten der Erwachsenenbildung sinnvoll. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 379*

(A) (C) Hier gilt es das noch vorhandene Sprachpotenzial der friesischen Volksgruppe zu stärken und für In- teressierte passgenaue Angebote vorhalten zu können. Dies gelingt nur mit einer finanziell besser ausgestatteten Förderung.

Anlage 3 – Umdruck 8/2016 Punkt 13 Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Umdruck 8/2016 Menschenhandels und zur Änderung des Bundes- zentralregistergesetzes sowie des Achten Buches Zu den folgenden Punkten der Tagesordnung der Sozialgesetzbuch (Drucksache 464/16) 948. Sitzung des Bundesrates möge der Bundesrat gemäß den vorliegenden Empfehlungen und Vor- Punkt 14 schlägen beschließen: Gesetz zur Änderung des Sachverständigen- rechts und zur weiteren Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar- keit sowie zur Änderung des Sozialgerichts- gesetzes, der Verwaltungsgerichtsordnung, der I. Finanzgerichtsordnung und des Gerichtskosten- gesetzes (Drucksache 465/16, zu Drucksache 465/ Zu den Gesetzen einen Antrag auf Anrufung des 16) Vermittlungsausschusses nicht zu stellen:

Punkt 2 Sechstes Gesetz zur Änderung des Vierten Bu- ches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze II. (6. SGB IV-Änderungsgesetz – 6. SGB IV-ÄndG) (Drucksache 453/16) Den Gesetzen zuzustimmen:

Punkt 5 a) Punkt 3 (B) Viertes Gesetz zur Änderung des GAK-Gesetzes (D) Erstes Gesetz zur Änderung des Direktzahlun- (Drucksache 454/16, zu Drucksache 454/16) gen-Durchführungsgesetzes (Drucksache 456/16) Punkt 16 Punkt 7 Sechstes Gesetz zur Änderung des Straßenver- Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien (EU) 2015/ kehrsgesetzes und anderer Gesetze (Drucksache 566 und (EU) 2015/565 zur Einfuhr und zur Ko- 467/16) dierung menschlicher Gewebe und Gewebezu- bereitungen (Drucksache 458/16) Punkt 17 Gesetz zu dem Abkommen vom 12. November Punkt 8 2015 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Australien zur Beseitigung der Doppelbe- Gesetz zur Errichtung eines Transplantationsre- steuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Ein- gisters und zur Änderung weiterer Gesetze kommen und vom Vermögen sowie zur Verhinde- (Drucksache 459/16) rung der Steuerverkürzung und -umgehung (Drucksache 468/16) Punkt 9 Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf für Beamtinnen und Beamte des Bundes und Soldatinnen und Soldaten sowie zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften III. (Drucksache 460/16) Zu den Vorlagen die Stellungnahmen abzugeben Punkt 10 oder ihnen nach Maßgabe der Empfehlungen zuzu- stimmen, die in der jeweils zitierten Empfehlungs- Erstes Gesetz zur Änderung des Bundesmeldege- drucksache wiedergegeben sind: setzes und weiterer Vorschriften (Drucksache 461/16) Punkt 5 b) Verordnung zur Änderung der Direktzahlungen- Punkt 11 Durchführungsverordnung und der InVeKoS- Gesetz über die Errichtung einer Bundeskanzler- Verordnung (Drucksache 395/16, Drucksache Helmut-Schmidt-Stiftung (Drucksache 462/16) 395/1/16) 380* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) Punkt 64 Punkt 42 Mitteilung der Kommission an das Europäische Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richt- Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- linie 2014/55/EU über die elektronische Rech- schafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss nungsstellung im öffentlichen Auftragswesen der Regionen: Online-Plattformen im digitalen (Drucksache 415/16, Drucksache 415/1/16) Binnenmarkt – Chancen und Herausforderungen für Europa Punkt 43 COM(2016) 288 final Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung (Drucksache 290/16, Drucksache 290/1/16) des Vereinsgesetzes (Drucksache 416/16, zu Drucksache 416/16, Drucksache 416/1/16) Punkt 65 Mitteilung der Kommission an das Europäische Punkt 46 Parlament, den Rat, den Europäischen Wirt- Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Stärkung der schafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafver- der Regionen: Europäische Agenda für die kolla- fahren und zur Änderung des Schöffenrechts borative Wirtschaft (Drucksache 419/16, Drucksache 419/1/16) COM(2016) 356 final; Ratsdok. 9911/16 (Drucksache 311/16, Drucksache 311/1/16) Punkt 55 Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Vor- Punkt 69 schriften zur Bevorratung von Erdöl, zur Erhe- Vorschlag für eine Empfehlung des Rates über bung von Mineralöldaten und zur Umstellung den Europäischen Qualifikationsrahmen für le- auf hochkalorisches Erdgas (Drucksache 435/16, benslanges Lernen und zur Aufhebung der Emp- Drucksache 435/1/16) fehlung des Europäischen Parlaments und des Ra- tes vom 23. April 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebens- langes Lernen COM(2016) 383 final V. (Drucksache 317/16, Drucksache 317/1/16) Gegen die Gesetzentwürfe keine Einwendungen Punkt 74 zu erheben: (B) Zweite Verordnung zur Änderung medizinproduk- (D) terechtlicher Vorschriften (Drucksache 397/16, Punkt 39 Drucksache 397/1/16) Entwurf eines Bundesbesoldungs- und -versor- gungsanpassungsgesetzes 2016/2017 (BBVAnpG Punkt 80 2016/2017) (Drucksache 412/16) Vierte Verordnung zu dem Übereinkommen vom 9. September 1996 über die Sammlung, Abgabe Punkt 40 und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Bin- Entwurf eines Gesetzes zur Einbeziehung der nenschifffahrt (4. CDNI-Verordnung – 4. CDNI-V) Bundespolizei in den Anwendungsbereich des (Drucksache 441/16, Drucksache 441/1/16) Bundesgebührengesetzes (Drucksache 413/16)

Punkt 48 Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Ge- setzes über die internationale Rechtshilfe in IV. Strafsachen (Drucksache 421/16)

Zu den Gesetzentwürfen die in den zitierten Emp- Punkt 54 fehlungsdrucksachen wiedergegebenen Stellung- Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des nahmen abzugeben: Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2017 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2017) Punkt 38 (Drucksache 423/16) Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Ver- sorgungsrücklagegesetzes und weiterer dienst- Punkt 58 rechtlicher Vorschriften (Drucksache 411/16, Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Drucksache 411/1/16) 9. Juli 2014 zwischen der Regierung der Bundes- republik Deutschland und der Regierung von Punkt 41 Georgien über die Zusammenarbeit bei der Be- Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des kämpfung der Organisierten Kriminalität, des Luftsicherheitsgesetzes (Drucksache 414/16, Terrorismus und anderer Straftaten von erhebli- Drucksache 414/1/16) cher Bedeutung (Drucksache 424/16) Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 381*

(A) (C) Punkt 59 Punkt 73 Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom Fünfzehnte Verordnung zur Änderung der Arz- 31. Mai 2013 zwischen der Regierung der Bun- neimittelverschreibungsverordnung (Drucksa- desrepublik Deutschland und dem Ministerrat che 396/16) der Republik Albanien über die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich (Drucksache 425/16) Punkt 75 Verordnung zur Änderung von Verordnungen auf Punkt 60 der Grundlage des Bundesmeldegesetzes (Druck- sache 398/16) Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 22. März 2016 zwischen der Regierung der Bun- Punkt 78 desrepublik Deutschland und der Regierung der Elfte Verordnung zur Änderung eisenbahnrecht- Republik Serbien über die Zusammenarbeit im licher Vorschriften (Drucksache 307/16) Sicherheitsbereich (Drucksache 426/16)

Punkt 62 a) Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 27. Juni 1997 zur Neufassung des Internatio- VIII. nalen Übereinkommens vom 13. Dezember Entsprechend den Anregungen und Vorschlägen 1960 über Zusammenarbeit zur Sicherung der zu beschließen: Luftfahrt „EUROCONTROL“ (Drucksache 439/16) Punkt 81 b) Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom Benennung eines Mitglieds des Stiftungsrates der 8. Oktober 2002 über den Beitritt der Europäi- Stiftung „Humanitäre Hilfe für durch Blutpro- schen Gemeinschaft zum Internationalen dukte HIV-infizierte Personen“ (Drucksache 442/ Übereinkommen vom 13. Dezember 1960 über 16) Zusammenarbeit zur Sicherung der Luftfahrt „EUROCONTROL“ entsprechend den ver- Punkt 82 schiedenen vorgenommenen Änderungen in a) Benennung eines Mitglieds des Kuratoriums der Neufassung des Protokolls vom 27. Juni der Stiftung „Haus der Geschichte der Bun- 1997 (Drucksache 440/16) desrepublik Deutschland“ (Drucksache 388/ 16) (B) b) Benennung eines stellvertretenden Mitglieds (D) des Kuratoriums der Stiftung „Haus der Ge- schichte der Bundesrepublik Deutschland“ VI. (Drucksache 483/16) Entsprechend dem Ergebnis der Vorberatungen zu dem Gesetzentwurf eine Stellungnahme nicht zu beschließen:

Punkt 61 IX. Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen Zu den Verfahren, die in der zitierten Drucksache von Paris vom 12. Dezember 2015 (Drucksache bezeichnet sind, von einer Äußerung und einem Bei- 427/16) tritt abzusehen:

Punkt 83 Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 443/16) VII.

Den Vorlagen ohne Änderung zuzustimmen:

Punkt 71 Anlage 4 – zu TOP 4 Zweite Verordnung zur Änderung der Grundsi- cherungs-Datenabgleichsverordnung (Drucksa- Erklärung che 377/16, zu Drucksache 377/16) von Ministerpräsident Horst Seehofer Punkt 72 (Bayern) zu Punkt 4 der Tagesordnung Verordnung zur Festsetzung des Umlagesatzes für das Insolvenzgeld für das Kalenderjahr 2017 (In- Der Freistaat Bayern stimmt der Protokollerklä- solvenzgeldumlagesatzverordnung 2017 – Inso- rung der Bundesregierung unter der Voraussetzung GeldFestV 2017) (Drucksache 378/16) zu, dass sich die Änderung des Bundeswaldgesetzes 382* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) auf die in der Protokollerklärung der Bundesregie- Ich bin davon überzeugt, dass es Prostitution gibt, rung beschriebene Regelung beschränkt. die Männer und Frauen aus freien Stücken ausüben, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen – selbstbe- stimmt, wie es in einer Berufsausübung möglich ist.

Aber es gibt auch Prostitution, die aus der Not he- raus ausgeübt wird, etwa Armutsprostitution und Be- Anlage 5 – zu TOP 4 schaffungsprostitution, Frauen und auch Männer, de- ren Not ausgenutzt wird, die getäuscht werden und Erklärung zur Prostitution gezwungen oder gegen ihren Willen in der Prostitution gehalten werden, Not, die genutzt von Staatsminister Prof. Dr. Helge Braun wird, erhebliche Gewinne auf Kosten dieser Men- (BK) schen zu erzielen, Menschen, die sexuell ausgebeu- zu Punkt 4 der Tagesordnung tet werden. Diese Menschen brauchen gesellschaftli- chen und staatlichen Schutz und Unterstützung. Die Bundesregierung sagt zu, noch in diesem Jahr Einigkeit besteht, dass Zwangsprostitution, organi- einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundeswald- sierte Kriminalität und kriminelle Vereinigungen, die gesetzes vorzulegen, in dem geregelt wird, dass für bei Menschenhandel und Abzocke geholfen haben, Beschlüsse und Vereinbarungen über die der Holz- bekämpft werden müssen, und zwar konsequent und vermarktung nicht zuzurechnenden forstwirtschaftli- effektiv. chen Maßnahmen von nichtstaatlichen oder staatli- chen Trägern oder von deren Kooperationen, soweit Aber auch die anderen Formen der Prostitutions- auf diese Beschlüsse und Vereinbarungen die Rege- ausübung brauchen Regeln und Regelungen, etwa lungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän- zum Arbeitsschutz und zu den Arbeitsbedingungen, kungen anzuwenden sind, die Voraussetzungen für wie in jedem anderen Beruf oder Gewerbe auch. Pro- eine Freistellung im Sinne des § 2 des Gesetzes ge- stitution ist eben kein Beruf wie jeder andere. gen Wettbewerbsbeschränkungen als erfüllt gelten. Damit ist klar, dass ein großer Wirtschaftszweig und ein Gewerbe mit erheblichen Umsätzen und Ge- winnen auf Dauer nicht unreguliert und unkontrol- liert bleiben kann. Es bedarf vielmehr Regelungen, Anlage 6 – zu TOP 6 die auf die Besonderheiten der Erwerbstätigkeit und des Gewerbes abgestellt sind.

Erklärung Die Fremdheit dieses Gewerbes für uns mag ein (B) Grund sein, weshalb es über ein Jahrzehnt gedauert (D) von Ministerin Cornelia Rundt hat, ein Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsge- (Niedersachsen) werbes auf den Weg zu bringen. Zu rechtfertigen ist zu Punkt 6 der Tagesordnung das damit kaum.

Mit dem Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 Ein weiterer Grund ist sicherlich die Tatsache, sollten die Rechte der Prostituierten gestärkt werden, dass es auf gesellschaftlicher und politischer Ebene die Prostitution als Beruf wurde von der Sittenwidrig- ganz kontroverse Vorstellungen gibt, was und in wel- keit befreit. cher Form im Prostitutionsgewerbe der Regulierung bedarf. Es gibt Befürchtungen, dass zu weit gehende Bei allem Wohlwollen: Das Gesetz ist mit der Ver- Regelungen Prostituierte in die Illegalität treiben und wirklichung seiner Ziele gescheitert. Wegen fehlen- damit möglicherweise den erhofften Zugang zum Mi- der Folgebestimmungen zur Regulierung des Pros- lieu gerade verschließen. titutionsgewerbes wurde nicht den Prostituierten geholfen. Vielmehr konnten kriminelle Strukturen Eine ausgewogene Ausgestaltung des Gesetzes verfestigt werden, die es organisierter Kriminalität zwischen Stärkung des Selbstbestimmungsrechts und und etwa Rockerbanden ermöglicht haben, die Regelungen zum Schutz der Prostituierten stellt in Frauen noch mehr auszubeuten. diesem Kontext in der Tat eine große Herausforde- rung dar. Gleichwohl ist es gelungen, ein Gesetz auf Prostitution ist seit jeher Realität. Sie ist vielfältig, den Weg zu bringen, das diesen Ansprüchen gerecht und wir tun uns besonders schwer, Prostitution und werden will. Nicht alle sind mit allen Regelungen ein- das „Milieu“, in dem sie häufig ausgeübt wird, zu re- verstanden. Das Gesetz stellt hier einen Kompromiss gulieren. Forderungen nach strikter Reglementie- dar. Er ist auf Bundesebene erzielt worden, um die rung bis hin zum Verbot hängen hier vielfach von schon lange ausstehende Regulierung des Prostitu- subjektiven Einschätzungen ab. Diese verleiten uns tionsgewerbes endlich gesetzlich zu verankern. leicht zu der Annahme, dass Tätigkeiten, deren Aus- übung man sich für sich selbst nicht vorstellen kann, Die kontroversen Auffassungen und Diskussionen generell fremdbestimmt sein müssen. Umgekehrt spiegeln sich auch auf der Länderebene wider. Auch müssen wir uns vor einer Verklärung und Verharmlo- ich bin nicht mit allen Regelungen einverstanden. sung des Prostitutionsmilieus hüten, die suggeriert, Aber Niedersachsen – ich glaube, ich kann auch für es bedürfe keiner Regulierung oder nur der Regulie- die anderen Bundesländer sprechen – will eine Regu- rung seiner Auswüchse. lierung des Prostitutionsgewerbes. Es handelt sich Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 383*

(A) (C) um einen wichtigen und notwendigen Schritt zur evaluieren, wie sich der Erfüllungsaufwand entwi- Verbesserung der Situation von Prostituierten. ckelt. Mir ist es wichtig, dass das Gesetz, auf das wir zur Verbesserung der Situation und der Arbeitsbedin- gungen der Prostituierten schon lange warten, zu- stande kommt. Mir ist auch wichtig, dass es Wirkung Anlage 8 – zu TOP 87 zeigt. Und da sind die Länder gefragt, die das Gesetz umzusetzen haben. Wegen der Komplexität der Re- gelungen und der Vorgaben an Prostituierte und Be- Erklärung treiber werden die Länder und Kommunen bei der Umsetzung vor große Herausforderungen gestellt. von Staatsministerin Ulrike Höfken (Rheinland-Pfalz) Es bedarf nicht nur landeseinheitlicher Regelun- zu Punkt 87 der Tagesordnung gen zur Ausführung des Gesetzes, sondern es sind neue oder ergänzende Verwaltungsstrukturen in den Im Hinblick auf die Temperaturen ist dieses Jahr Ländern und Kommunen aufzubauen und qua- ein Jahr der Superlative. Gerade noch hat der Juli als lifiziertes Personal einzustellen und zu schulen. Ver- heißester Monat der Moderne gegolten – nun löst der handlungen auf Kommunalebene sind genauso zu August den Juli bereits wieder ab. 2017 wird wohl führen wie vielfach die Durchführung eines voll- insgesamt das heißeste Jahr seit Beginn der Wetter- ständig zu durchlaufenden Gesetzgebungsverfah- aufzeichnung vor 137 Jahren sein. rens. Und das bedarf Zeit. Mir wäre deswegen – wie Die konkrete Auswirkung spüren wir auch in den anderen Ländern – an einer Verschiebung des Deutschland und Rheinland-Pfalz: Es häufen sich die Inkrafttretens um ein halbes Jahr sehr gelegen gewe- Starkregenereignisse, die Schäden in Milliardenhöhe sen. Ich hätte es begrüßt, wenn die Bundesregierung verursachen. Alleine in meinem Bundesland Rhein- im Vorfeld die Interessen der Länder stärker berück- land-Pfalz sind 73 Prozent der Bäume durch die Kli- sichtigt hätte. Das gilt in besonderer Weise, weil die maerwärmung geschädigt. Das sind Schäden in Höhe Länder ihre tatsächlichen und rechtlichen Strukturen von über 25 Millionen Euro allein im Staatswald pro kennen und einschätzen können, was machbar ist. Jahr. Trotzdem wird Niedersachsen nicht für die Anru- Ein „Weiter so“ führt schon in naher Zukunft un- fung des Vermittlungsausschusses stimmen. Ich halte weigerlich zu einem Point of no Return. Wir tragen die Gefahr für zu groß, dass dann dieses notwendige Verantwortung auch für die nächsten Generationen. Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr zu- stande kommt. Wenn wir die inhaltliche Diskussion Heute gibt es weltweit 60 Millionen Menschen, die (B) wieder eröffnen, werden wir uns möglicherweise mit aus ihrer Heimat fliehen, um Krieg, Armut und Hun- (D) den beiden Regierungsfraktionen im Bundestag und ger zu entkommen. Offizielle Schätzungen gehen bis der Bundesregierung im Vermittlungsverfahren nicht zur Mitte des Jahrhunderts von mehr als zusätzlich rechtzeitig auf eine Version einigen können. Den 200 Millionen Flüchtenden aus, sollte die Klimaer- Schaden, den ein Scheitern des Gesetzes wegen des wärmung ungebremst fortschreiten. Ablaufs der Legislaturperiode verursachen würde, halte ich für deutlich größer als mögliche Unvollkom- Das in Paris beschlossene Ziel, die Klimaerwär- menheiten und Reibungsverluste bei einer zügigen mung auf deutlich unter 2 Grad begrenzen zu wollen, Umsetzung. ist ein erster wichtiger Schritt. Damit wurde ein deut- liches Signal gesetzt, dass die bisherigen Anstren- gungen erhöht werden müssen. Insgesamt 180 Ver- tragsstaaten haben den Weltklimavertrag von Paris unterzeichnet. Bevor der Vertrag von Paris in Kraft Anlage 7 – zu TOP 6 treten kann, müssen mindestens 55 Staaten mit min- destens 55 Prozent der globalen Emissionen ihn rati- fiziert haben. Allein in dieser Woche haben 31 Staa- Erklärung ten den Vertrag ratifiziert. Mit den USA und China sind die Länder mit dem global größten Anteil an den von Minister Prof. Dr. Benjamin-Immanuel Hoff Treibhausgasemissionen (17,89 bzw. 20,09 Prozent) (Thüringen) bereits dabei. Es freut mich sehr, dass Deutschland zu Punkt 6 der Tagesordnung nun auch zu diesen Staaten gehört. Das ist wichtig Thüringen erwartet, dass die Bundesregierung für unser Gewicht und das der EU bei der kommen- zeitnah wirksamere Maßnahmen ergreift, wenn sich den Klimakonferenz in Marrakesch. zeigen sollte, dass die Ziele des Gesetzes nicht er- Insgesamt haben nun 60 Staaten mit 48 Prozent der reicht werden können. Das Gesetz muss die in der globalen Emissionen den Vertrag ratifiziert. Wenn Prostitution Tätigen effektiv schützen und deren sich diese dynamische Entwicklung fortsetzt, könnte Selbstbestimmungsrecht achten. Sie dürfen nicht in das Abkommen noch in diesem Jahr in Kraft treten – die Illegalität getrieben werden. bei Kyoto hat das acht Jahre gedauert! Es scheint, als Der Erfüllungsaufwand, der von den Ländern und haben viele Länder endlich erkannt, wie dringlich der Kommunen zu tragen ist, beruht bislang lediglich auf Klimaschutz geworden ist. Auch die EU muss das Ab- Schätzungen. Auch hier muss die Bundesregierung kommen so schnell wie möglich ratifizieren. 384* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) Doch klar ist auch, dass reine Absichtserklärungen Lenkungswirkung nicht entfalten kann, dringend an- am Ende keine Probleme lösen. Wer Ziele erreichen gepasst werden. will, der muss auch die entsprechenden Maßnahmen Mit der heutigen Ratifizierung des Weltklimaver- dazu entwickeln und umsetzen. trags bekennen wir uns alle zum Klimaschutz. Wir Als ersten Schritt gilt es den Zielen einen ver- kennen schon heute die Hebel für dessen Erfolg. bindlichen Rechtsrahmen zu geben. Nachdem sich Jetzt müssen wir sie auch konsequent bedienen, und die Koalitionspartner der Bundesregierung 2013 das heute und nicht erst übermorgen, wenn es viel- nicht auf ein nationales Klimaschutzgesetz einigen leicht schon zu spät ist. konnten, haben einige Länder – darunter Rheinland- Im kommenden November werde ich, wie schon Pfalz – das Heft selbst in die Hand genommen. Damit vergangenes Jahr in Paris, als Mitglied der deut- haben wir deutlich gemacht, dass für uns Klima- schen Delegation an der Weltklimakonferenz in Mar- schutz eine Daueraufgabe von Gesetzesrang ist, die rakesch teilnehmen. Dort steht die konkrete Umset- eben nicht nach Belieben – einmal mehr, einmal we- zung des Übereinkommens von Paris im Fokus. niger – betrieben werden kann, sondern ambitionier- tes Handeln und hohe Kontinuität erfordert. Neben Vorreiter und Wegbereiter – das hat die Klimakon- dem Klimaschutzgesetz hat Rheinland-Pfalz ein Kli- ferenz in Paris gezeigt – können auch noch zögerli- maschutzkonzept mit über 100 Maßnahmen zur Er- che Staaten ermuntern, mehr für den Klimaschutz zu reichung unserer Ziele beschlossen. tun. Ich freue mich darauf, die positiven Signale aus Deutschland dort mit nach Marrakesch zu nehmen, Der derzeit diskutierte Klimaschutzplan 2050 der und erwarte gleichzeitig von uns allen, auf dem Weg Bundesregierung zeigt, dass sich die Bundesregie- zur Erreichung der gemeinsam beschlossenen Ziele rung mit einer solch kontinuierlichen und ambi- nun endlich ambitioniert voranzuschreiten. tionierten Herangehensweise an den Klimaschutz schwertut. Was im Bund mit weitreichenden und Die einzelnen Staaten müssen ihre nationalen sinnvollen Maßnahmen begann, wurde im Rahmen Beiträge (NDCs, Nationally Determined Contribu- der Ressortbeteiligung massiv eingedampft. Ob der tions) nicht nur umsetzen, sondern auch kontinuier- übrig gebliebene Rest tatsächlich ausreicht, die na- lich fortschreiben und anheben. Die derzeit zugesag- tionalen und internationalen Klimaschutzziele zu ten Selbstverpflichtungen werden nämlich nicht erreichen, bezweifle ich stark. Ohne ambitionierte ausreichen, eine Begrenzung der globalen Erwär- Maßnahmen, vor allem in den Bereichen Landwirt- mung auf deutlich unter 2 Grad zu erreichen. Denn schaft und Verkehr, werden wir die Klimakrise nicht eines ist klar: Das Abkommen von Paris wird nur beenden können. dann in die Geschichtsbücher eingehen, wenn es die erforderliche Transformation in den einzelnen Län- (B) Doch noch nicht einmal die übrig gebliebenen dern auch in Gang setzt. (D) Aussagen und Maßnahmen sind durch konkretes politisches Handeln abgesichert. Beispielsweise sind die Ausführungen des Klimaschutzplans, die die be- sondere Bedeutung von eigenerzeugtem und -ge- nutztem Strom für eine nachhaltige Minderung der Anlage 9 – zu TOP 87 THG-Emissionen herausstellen, ausdrücklich zu be- grüßen. Im Gegensatz dazu drängt die Bundesregie- Erklärung rung aber mit den Neuregelungen von EEG und KWKG sowie ihren Entwürfen zur Novellierung der von Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert Energiesteuer- und Stromsteuergesetzgebung die Ei- (Sachsen-Anhalt) genstromversorgung zurück. Das ist kontraproduktiv. zu Punkt 87 der Tagesordnung So werden die Pariser Einsparziele nicht zu erreichen Das industrielle Zeitalter hat durch den Verbrauch sein. fossiler Ressourcen zu vielen Umweltproblemen ge- Wir brauchen einen dynamischen Fortgang der führt. Dabei ist die weiter fortschreitende Klimaver- Energiewende im Strom- und Wärmesektor. Wir änderung eine akute Bedrohung für Natur und Men- brauchen einen sozialverträglichen Ausstieg aus der schen. Der Schutz des Klimas und die Anpassung an Kohleverstromung. Wir brauchen eine Erhöhung des die nicht mehr zu verleugnende Klimaveränderung KWK-Anteils, mehr Energieeffizienz und Energieein- gehören deshalb zu den größten Herausforderungen sparung im Gebäudebereich und eine massive Wei- unseres Jahrhunderts. terentwicklung im Bereich der emissionsarmen und Folgen der Klimaveränderung wie das massive Ar- emissionsfreien Mobilität. Wir müssen hin zu einer tensterben, zunehmende Trockenheit, ansteigende klimafreundlichen Landwirtschaft, kohärent mit an- Meeresspiegel und verstärkt auftretende Extremer- deren gesellschaftlichen Anliegen wie artgerechter eignisse – Starkregen, Stürme, Hagel und Hochwas- Tierhaltung und bäuerlicher Landwirtschaft. Gerade serereignisse – gefährden unsere Lebensgrundlagen. das Beispiel Düngegesetzgebung zeigt uns die Not- Die Klimaveränderungen bedrohen in manchen Tei- wendigkeit, gute und praxisgerechte Lösungen zu len der Welt schon jetzt die Existenz von Menschen, finden. der Tier- und der Pflanzenwelt. Auf Ebene der EU muss das Emissionshandelssys- Aktiver Klimaschutz ist eine elementare Voraus- tem, das in seiner derzeitigen Ausgestaltung seine setzung für den Erhalt unserer natürlichen Lebens- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 385*

(A) (C) grundlagen. Es muss uns also gelingen, den Ausstoß und der effizienten Energienutzung unterstützen. von Treibhausgasen nachhaltig und massiv zu verrin- Hierzu zählen ein klimaneutraler Gebäudebestand gern. Um diese Aufgabe zu meistern, müssen wir alle ebenso wie der Ausbau einer klimafreundlichen Mo- weltweit, hier in Deutschland, jeder bei sich zu bilität. Hause, unseren Beitrag leisten. Sachsen-Anhalt ist ein Vorreiter beim Ausbau er- Der internationalen Staatengemeinschaft ist es neuerbarer Energien und wird auf diesem Weg wei- erst in Paris das erste Mal überhaupt gelungen, sich ter voranschreiten. Wir sehen die Energiewende als auf wirkungsvolle und allgemein verbindliche Klima- Chance, Wertschöpfungspotenziale vor Ort zu nut- schutzvorgaben zu verständigen. Daher stellt das zen. Wir werden aber auch für verlässliche Rahmen- Übereinkommen von Paris einen Wendepunkt für bedingungen und eine gerechte Lastenverteilung bei die Zukunft unserer Zivilisation dar und ist mögli- der Ausgestaltung der Energiewende eintreten. cherweise die letzte Chance, um die Klimaverände- Wir sehen im EU-Emissionshandelssystem das zen- rung zu stoppen und so unsere Lebensgrundlagen zu trale Steuerungselement zur Senkung unserer kon- erhalten. tinentalen Treibhausgasemissionen. Dieses Schlüs- Das Übereinkommen von Paris ist als historisch zu selelement sollte im Lichte der Ergebnisse von Paris bezeichnen. Es ist das erste Klimaschutzabkommen, nachgeschärft werden, das heißt, dass der Reduk- das alle Länder in die Pflicht nimmt. tionsfaktor weiter erhöht werden sollte. Damit einher geht eine transparente Berichterstat- Die Bundesregierung muss sich auf der europäi- tung und Überprüfung. Insbesondere müssen alle schen Ebene noch stärker für ambitionierte Klima- Unterzeichner ihren Beitrag zur Begrenzung der Erd- schutzziele einsetzen. Die Welt schaut nach der Pari- erwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius leisten. ser Konferenz auf Deutschland und Europa. Zielwert ist eine Obergrenze von 1,5 Grad Celsius. Wir haben eine Vorbildrolle. Dieser müssen wir ge- Den Industrieländern obliegt die Führungsrolle bei recht werden. Es ist unsere Aufgabe zu gewährleisten, der Treibhausgasminderung und der Finanzierung dass das Übereinkommen von Paris ein Wendepunkt der Klimaschutzmaßnahmen. in der internationalen Klimaschutzpolitik bleibt. An- Deutschland ist beim Klimaschutz und dem Einsatz spruch und Ziel unserer Politik muss es sein, unseren erneuerbarer Energien oft vorangegangen. Wir müs- Enkeln eine intakte und lebenswerte Erde zu hinter- sen diesen eingeschlagenen Weg konsequent fort- lassen. setzen. Die Welt schaut auf uns. In diesem Sinne unterstützen wir die Aktivitäten zur Beschleunigung des Ratifikationsprozesses ausdrücklich, um schnellst- (B) möglich die Voraussetzungen für das Inkrafttreten des (D) Klimaabkommens zu schaffen. Anlage 10 – zu TOP 18 a) und b)

Dabei müssen wir im Sinne unserer Vorbildwir- Erklärung kung auch unsere selbst gestellten nationalen Klima- schutzziele im Auge behalten. Ich denke dabei ins- von Minister Christian Görke besondere an das Klimaschutzziel, 40 Prozent der (Brandenburg) Treibhausgasemissionen bis 2020 zu reduzieren. Hier zu Punkt 18 a) und b) der Tagesordnung klaffen noch bedenkliche Lücken. Es gilt alle natio- nalen Anstrengungen zu bündeln, damit dieses an- Die Grundsteuer ist eine der wichtigsten Einnah- spruchsvolle Ziel noch erreicht wird. Langfristig wol- mequellen der Kommunen. Deshalb setze ich mich len wir noch mehr erreichen. mit Nachdruck dafür ein, sie zu erhalten. Hier müssen wir besonders darauf achten, dass die Da die Bemessung der Grundsteuer auf Grund der Maßnahmen, die wir umsetzen, auch wirklich grei- hoffnungslos überalterten Einheitswerte inzwischen fen. Maßnahmen ohne Wirkung können wir uns nicht auch höchstrichterliche Kritik erfahren hat und das leisten. Bundesverfassungsgericht angerufen wurde, besteht dringender Bedarf für eine gesetzliche Neuregelung. Vor allem müssen wir weg von der Kohle. Die Auch wenn eine zur Reform verpflichtende Entschei- Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare dung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht vor- Energieträger im Zusammenwirken mit dem effizien- liegt, können wir es uns nicht leisten, auf diese zu ten Energieverbrauch ist Grundvoraussetzung für die warten. erfolgreiche Ausgestaltung der Energiewende und damit auch für das Erreichen unserer nationalen und Brandenburg und die anderen neuen Länder ha- der internationalen Klimaschutzziele. ben ein besonderes Interesse an der Reform, denn die Einheitswerte mit Stichtag 1.1.1935, auf den der- Die neue Landesregierung von Sachsen-Anhalt hat zeit abgestellt wird, haben im Unterschied zu den sich daher ehrgeizige Ziele in der Klimapolitik ge- Werten der alten Länder noch weniger Bezug zur Re- setzt. Einen neuen Tagebau wird es nicht geben. Viel- alität. Das verfassungsrechtliche Risiko ist demnach mehr verfolgen wir eine konsequente Politik mit dem besonders hoch. Ziel einer hundertprozentigen Energieversorgung mit erneuerbaren Energien. Wir werden alle Möglich- Ich begrüße deshalb ausdrücklich die Initiative der keiten des Energiespeicherns, des Energieeinsparens Länder Hessen und Niedersachsen zur Reform der 386* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) Grundsteuer und die in der ersten Stufe hierfür erfor- Prägung, einen hohen Stellenwert bei. Das Ziel der derliche Änderung des Grundgesetzes sowie des Be- Gesetzesinitiative, Extremisten durch eine Änderung wertungsgesetzes. Mit dem vorliegenden „Gesamt- des Waffengesetzes den Zugang zu legalen Waffen modell“ ist endlich die Abkehr von Einheitswerten zu unterbinden, wird daher unbedingt befürwortet. aus den Jahren 1935 bzw. 1964 verbunden. Zudem Allerdings bestehen hinsichtlich der Ausgestal- soll sichergestellt werden, dass zukünftig eine tung der waffenrechtlichen Normen im Gesetzent- Gleichbehandlung der für Zwecke der Grundsteuer wurf grundsätzliche rechtsstaatliche Bedenken. zu bewertenden Einheiten erfolgt. Gleichzeitig wird an Stellen differenziert, an denen eine Differenzie- So erscheint es nicht verhältnismäßig, die waffen- rung erforderlich ist. rechtliche Regelvermutung der Unzuverlässigkeit an die bloße automatisierte Speicherung bei einer Ver- Die vorliegenden Entwürfe sichern einheitliche fassungsschutzbehörde zu knüpfen. Insbesondere bei bundesgesetzliche Regelungen und dienen der Personen mit kurzer Speicherfrist ist die Regelvermu- Rechts- und Wirtschaftseinheit. Gleichzeitig bedeu- tung der Unzuverlässigkeit als nicht sachgerecht zu ten sie aber auch das Ende der Ungleichbehandlung beurteilen. von Ost und West. Dies sollte knapp 26 Jahre nach der Wiedervereinigung eine Selbstverständlichkeit Auch eine Nachberichtspflicht des Verfassungs- auch im Steuerrecht sein. schutzes in der vorliegenden Form begegnet Be- denken, da sie entbehrlichen Verwaltungsaufwand Dabei denke ich nicht nur an die unterschiedli- (insbesondere Speicheraufwand) bei den Verfas- chen Werte für Ost und West. Auch die lediglich als sungsschutzbehörden erzeugt. Seit der Einführung Übergangsregelung angedachte, aber teilweise im- des Nationalen Waffenregisters kann sich der Ver- mer noch erforderliche Anwendung der Ersatzbe- fassungsschutz erforderliche Informationen über messungsgrundlage für Zwecke der Grundsteuer für Waffenbesitz ohne Datenspeicherung jederzeit be- Einfamilienhäuser und Mietwohngrundstücke in den schaffen. Einer Doppelspeicherung der personen- neuen Ländern sollte der Vergangenheit angehören. bezogenen Daten aller Waffenbesitzer – neben dem Die derzeit gesetzlich noch vorgeschriebene Anwen- Nationalen Waffenregister auch beim Verfassungs- dung dieser Ersatzbemessungsgrundlage führt zu ei- schutz – bedarf es daher nicht. nem geringeren Wert als dem Einheitswert. Eine un- gleiche Verteilung des Grundsteueraufkommens ist die Folge. Die umfassende Betroffenheit aller Unternehmen und Haushalte in Deutschland – Mieter oder Eigen- Anlage 12 – zu TOP 21 nutzer – hat politische Abwägungen und Kompro- (B) misse erfordert. Lassen Sie uns das Ergebnis dieser Erklärung (D) Bemühungen, das „Gesamtmodell“, nun auch umset- zen! von Staatsminister Prof. Dr. Winfried Bausback (Bayern) Soweit eine Steuererhöhungsdebatte in diesem zu Punkt 21 der Tagesordnung Zusammenhang geführt wird, merke ich abschlie- ßend an, dass es die Gemeinden letztlich selbst in der Die bayerisch-sächsische Gesetzesinitiative zur Hand haben, durch eine entsprechende Festsetzung Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobili- der Hebesätze dafür Sorge zu tragen, dass es zu tät, der sich Hessen angeschlossen hat, ist erfreuli- keiner flächendeckend höheren Grundsteuerbelas- cherweise auf große Zustimmung in den Ausschüssen tung der Bürgerinnen und Bürger kommt. Dass es in des Bundesrates gestoßen. Sämtliche Ausschüsse, die einzelnen Fällen zu höheren Belastungen kommen mit dem Gesetzentwurf befasst waren, haben klar kann, ist damit natürlich nicht ausgeschlossen. empfohlen, ihn ohne Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen. Eine „Grundsteuerpause“ und damit Einnahme- ausfälle für die Gemeinden gilt es unbedingt zu ver- Ich darf auch Sie bitten, heute der Einbringung des hindern. Das Gesetzgebungsverfahren ist deshalb Gesetzentwurfs zur Änderung des Wohnungseigen- noch in dieser Legislaturperiode erforderlich. tumsgesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Förderung der Barrierefreiheit und Elektromobilität beim Deutschen Bundestag zuzustimmen. Wenn wir die Zahl der Elektroautos auf deutschen Straßen signifikant erhöhen wollen, müssen wir viele Anlage 11 – zu TOP 19 Schritte gehen. Dieser Gesetzentwurf ist einer davon.

Erklärung Nach wie vor wird als ein wesentliches Argument gegen den Erwerb eines Elektroautos die unzurei- von Minister Stefan Ludwig chende Ladeinfrastruktur vorgebracht. Dies muss (Brandenburg) sich ändern. Dabei reicht es nicht, ausschließlich auf zu Punkt 19 der Tagesordnung den Ausbau von Stromtankstellen vergleichbar unse- rem herkömmlichen Tankstellensystem zu setzen. Brandenburg misst dem Kampf gegen Extremis- Elektroautos werden sich nur durchsetzen, wenn mus, vor allem rassistischer und fremdenfeindlicher auch private Kfz-Stellplätze mit Lademöglichkeiten Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 387*

(A) (C) ausgestattet werden, wenn z. B. auch ein Mieter oder Die Länder Berlin und Sachsen sprechen sich da- Wohnungseigentümer in einer Großstadt wie Mün- für aus, bei den weiteren Beratungen des Gesetzent- chen oder Berlin sein Auto vor der Haustür und über wurfs ausdrücklich klarzustellen, dass mit den im Nacht wieder „auftanken“ kann. Gesetzentwurf genannten „nicht genehmigten Kraft- fahrzeugrennen“ nicht nur Geschwindigkeitsrennen, Wir müssen also den Ausbau der Ladeinfrastruktur deren Ziel die Erreichung eines Wegpunktes in mög- für Elektrofahrzeuge an privaten Stellplätzen durch lichst kurzer Zeit ist, gemeint sind, sondern auch an- flankierende gesetzgeberische Maßnahmen erleich- dere nicht genehmigte Wettbewerbe zwischen zwei tern. Erst wenn die Lademöglichkeit auch zu Hause und mehr Rennteilnehmern wie Geschicklichkeits-, sichergestellt ist, werden die Absatzzahlen für Elek- Zuverlässigkeits- und Leistungsprüfungsfahrten. troautos steigen. Hervorzuheben ist, dass das erhöhte Gefahrenpo- Die Automobilwirtschaft bestätigt uns, dass ge- tenzial bei der Vornahme eines illegalen Straßen- rade diese kleine und einfache Gesetzesänderung rennens nicht nur durch die erzielte Höchstge- des Wohnungseigentumsgesetzes und des Mietrechts schwindigkeit geprägt ist, sondern – insbesondere maßgeblich die Kaufentscheidung zu Gunsten eines im innerstädtischen Bereich – auch durch möglichst Elektroautos zu beeinflussen vermag. Diesen Schritt rücksichtslose, riskante und risikoreiche Fahrweise sollten wir also gehen – jetzt! Dazu muss nicht die folgender weiterer Arten von Kraftfahrzeugrennen: Novellierung des Wohnungseigentumsgesetzes ab- z. B. Burnout (wenn die Kraftradfahrer mit der gewartet werden, die – vielleicht – in der kommen- Bremse das Vorderrad blockieren, das Hinterrad ih- den Legislaturperiode angegangen wird. Die vorge- rer Maschine durchdrehen und ihr Kraftrad auf der schlagene Gesetzesänderung fügt sich ohne weiteres Stelle um diesen vorderen Fixpunkt kreisen lassen, in die bisherige Systematik des Wohnungseigen- um einen Kringel auf den Boden zu „brennen“), tumsgesetzes und des Mietrechts ein. Warum daher Wheelies (wenn die Maschine im Zusammenspiel Zeit verlieren bei dem für Umwelt- und Klimaschutz, von Gas und Bremse auf dem Hinterrad balanciert aber auch für die Automobilwirtschaft so wichtigen wird), Stoppies (umgekehrte „Wheelies“, also wenn Thema der Elektromobilität! Motorräder nahe am Kipp-Punkt auf dem Vorderrad balanciert werden) oder Donuts (wenn die Maschine Keine Zeit verlieren sollten wir auch bei einem an- in einem permanenten Slide gefahren wird, um deren wichtigen Thema, und zwar bei der Barriere- schwarze Gummikringel auf der Fahrbahn zu hinter- freiheit. lassen; im Unterschied zum Burnout wird komplett Der demografische Wandel schreitet unaufhaltsam gefahren). voran. Bis zum Jahr 2030 wird mit einem Anstieg des Bedarfs an altersgerechten Wohnungen auf rund (B) (D) 3,6 Millionen gerechnet. Dem steht derzeit ein alters- gerechter Wohnungsbestand von geschätzt nur ca. 700 000 Wohnungen gegenüber. Wir müssen hier Anlage 14 – zu TOP 23 rasch tätig werden, damit Menschen mit Behinde- rungen und ältere Menschen in ihrem Alltag nicht Erklärung länger auf unzumutbare Barrieren in ihren Wohn- häusern treffen. Die vorgeschlagene überschaubare von Minister Thomas Kutschaty Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes soll es (Nordrhein-Westfalen) älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen zu Punkt 23 der Tagesordnung ermöglichen, in ihrem vertrauten Umfeld weiterzule- Es ist an der Zeit, mit einem der größten und äl- ben. testen Rechtsirrtümer in Deutschland aufzuräumen. Ich bitte Sie daher, für die Einbringung des Gesetz- Noch heute können Ehegatten und Lebenspartner entwurfs zur Änderung des Wohnungseigentumsge- nach geltendem Recht weder Entscheidungen für ih- setzes und des Bürgerlichen Gesetzbuches zur Förde- ren nicht mehr handlungsfähigen Partner treffen rung der Barrierefreiheit und Elektromobilität beim noch ihn im Rechtsverkehr vertreten. Aber genau das Deutschen Bundestag zu stimmen. haben sich beide in der Kirche oder vor dem Standes- amt versprochen. Und es entspricht ihrer Erwartung, für denjenigen, den sie aus Liebe geheiratet haben, in guten wie in schlechten Zeiten einstehen zu kön- nen. Diese Vorstellung soll für den Bereich der Ge- Anlage 13 – zu TOP 22 sundheitssorge nicht länger ein frommer Wunsch bleiben, sondern mit unserem Gesetzesantrag end- lich geltendes Recht werden. Erklärung Die meisten Eheleute glauben bei der Abgabe ihres von Bürgermeisterin Dilek Kolat Eheversprechens: Wenn meiner Frau oder meinem (Berlin) Mann etwas passiert, dann kann ich die Dinge regeln, zu Punkt 22 der Tagesordnung mich um die Gesundheitssorge kümmern und alle Entscheidungen treffen, die für sie oder ihn gut sind. Für die Länder Berlin und Sachsen gebe ich fol- Doch schon mancher Ehegatte oder Lebenspartner gende Erklärung zu Protokoll: musste bei einem Schlaganfall oder Herzinfarkt fest- 388* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) stellen, dass sein Glaube nicht der Rechtslage ent- Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung eine spricht. abweichende Regelung zu treffen. Auch die, die den Gedanken an die Erteilung ei- Mir ist es wichtig, dass wir Änderungen auf dem ner Vorsorgevollmacht an den Ehepartner über Jahre Gebiet der gegenseitigen Fürsorge von Ehegatten verdrängt und immer wieder auf später verschoben und Lebenspartnern nur im gesellschaftlichen Kon- haben, können im Notfall keine notwendigen Ent- sens herbeiführen. Die heute in das Gesetzgebungs- scheidungen für die Behandlung und die Fürsorge verfahren eingebrachte Regelung, die einen wich- des anderen Ehegatten treffen. Ohne eine besondere tigen Schritt für die Gesundheitsfürsorge unter Vollmacht sind Eheleute und Lebenspartner heute Ehegatten darstellt, kann sich auf einen solchen brei- nicht berechtigt, Entscheidungen für die von ihnen ten gesellschaftlichen Konsens stützen. Wir sollten geliebte Person zu treffen, wenn diese nicht mehr für deshalb nicht länger zögern und diese Regelung end- sich selbst entscheiden kann. Das wollen wir ändern. lich Gesetz werden lassen. Damit ist nicht nur die Be- seitigung eines langjährigen Rechtsirrtums verbun- Mit unserem Gesetzesantrag setzen wir heute um, den, sondern zugleich eine Aufwertung von Ehe und was nicht nur seit jeher der Vorstellung der Bürge- Lebenspartnerschaft. rinnen und Bürger entspricht, sondern was sich die weit überwiegende Mehrheit in unserer Bevölkerung als zukünftige Regelung in einer eigenen Notlage wünscht. Der andere Ehegatte oder Partner soll zu- mindest in Angelegenheiten der Gesundheitsfür- Anlage 15 – zu TOP 25 sorge und der Geschäfte, die damit in einem untrenn- baren Zusammenhang stehen, das Recht haben, alle Erklärung erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Er wird dadurch in die Lage versetzt, sofort die erforderli- von Staatsminister Dr. Marcel Huber chen Maßnahmen bei Krankenhäusern, Ärzten oder (Bayern) Versicherungen einzuleiten und auch finanzielle Ent- zu Punkt 25 der Tagesordnung scheidungen zu treffen, um die Versorgung seines Partners sicherzustellen. Das ist ein Meilenstein zu Das mit dem Entschließungsantrag verfolgte Ziel einer besseren Versorgung vieler hilfsbedürftiger der Nichtanrechenbarkeit aller Entgeltbestandteile Menschen in Deutschland. außerhalb des Grundentgelts kann nicht befürwortet werden. Nach dem im Antrag genannten Urteil des Mir persönlich geht der Gesetzesantrag sogar noch BAG vom 25. Mai 2016 (Az. 5 AZR 135/16) können nicht weit genug. Denn das Vertrauen, das wir in un- richtigerweise Zahlungen außerhalb des Grundent- seren Ehepartner oder Lebenspartner setzen, geht gelts auf den Mindestlohn angerechnet werden, (B) über die Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge (D) wenn sie der Abgeltung der Arbeitsleistung dienen doch weit hinaus. Viele Ehen und Lebenspartner- und tatsächlich und unwiderruflich zum Fälligkeits- schaften haben ihr Zusammenleben gerade so orga- datum des Mindestlohns ausbezahlt werden. Dieses nisiert, dass ihre finanziellen Verpflichtungen in der Urteil dient der Rechtssicherheit und konkretisiert Zugewinngemeinschaft ineinandergreifen oder sich die Anrechenbarkeit von Entgeltbestandteilen. der eine Ehegatte auf den anderen finanziell verlässt. Wird ein Ehegatte handlungsunfähig, ist der andere Bereits seit Einführung des gesetzlichen Mindest- oft buchstäblich aufgeschmissen, wenn er Wohn- und lohns bestehen erhebliche und vielfältige Umset- Bankangelegenheiten nicht für den anderen erledi- zungsprobleme des Mindestlohngesetzes (MiLoG), gen darf. Aber warum sollten bei eigener Handlungs- die dringenden Handlungsbedarf aufzeigen. unfähigkeit gerade diese wichtigen persönlichen oder finanziellen Angelegenheiten nicht auch vom Die größten Vollzugsprobleme bereiten die über- anderen Ehepartner erledigt werden können? zogenen bürokratischen Belastungen für die Unter- nehmen. Deshalb ist eine Streichung oder hilfsweise Der Übertragung einer solch weitreichenden Ver- zumindest Reduzierung der Dokumentationspflich- antwortung auf den anderen Ehepartner wird oft ent- ten sowie die Streichung der Auftraggeberhaftung gegnet, dass Missbrauch oder aber Interessenkon- im MiLoG und im AEntG (zumindest aber eine deut- flikte mit den Erben vermieden werden müssten. liche Entschärfung z. B. durch Exkulpationsmöglich- Dieser Einwand ist auch gegen die jetzige Regelung, keit) erforderlich. die von uns mit dem Gesetzesantrag verfolgt wird, er- hoben worden. Doch wie die neue Vorschrift zur Ver- Auch in zahlreichen anderen Bereichen (z. B. Ab- besserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehe- grenzung Ehrenamt zur Arbeitnehmereigenschaft, gatten und Lebenspartnern zeigt, lassen sich die Regelungen für Zeitungszusteller und Praktika, An- Voraussetzungen, unter denen von ihr Gebrauch ge- rechnung von Kost und Logis) müssen Klarstellun- macht werden darf, sehr genau und interessenge- gen, Korrekturen und Konkretisierungen vorgenom- recht festlegen. men und bestehende Rechtsunsicherheiten aufgelöst werden. Insgesamt sind die derzeitigen Regelungen Ein Grund, die Beistandschaft entfallen zu lassen, in vielen Belangen unangemessen und praxisuntaug- ist etwa die Trennung der Eheleute oder Lebenspart- lich. Um eine am Schutzzweck des Gesetzes orien- ner, nach der nicht mehr von dem erforderlichen ge- tierte Umsetzung des gesetzlichen Mindestlohns zu genseitigen Vertrauen ausgegangen werden kann. erreichen, müssen das MiLoG und seine Verordnun- Jeder hat außerdem das Recht, weiterhin durch eine gen reformiert werden. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 389*

(A) (C) Anlage 16 – zu TOP 29 Nun liegt uns dieser Entwurf vor. Doch entspricht das Ergebnis den Erwartungen, die wir Länder an eine so wichtige Reform geknüpft haben? Erklärung 2. Verbesserungen des Gesetzentwurfs von Staatsminister Prof. Dr. Winfried Bausback Trotz verschiedener Kritikpunkte, auf die ich aus- (Bayern) zugsweise eingehen möchte, bin ich der Auffassung, zu Punkt 29 der Tagesordnung dass der Gesetzentwurf ein erster Schritt in die „rich- tige Richtung“ ist. Er enthält wichtige Ansätze, um Für Herrn Staatsminister Dr. Marcel Huber gebe das Recht der Eingliederungshilfe und das weitere ich folgende Erklärung zu Protokoll: Rehabilitationsrecht zumindest sukzessive konform zur UN-Behindertenrechtskonvention zu gestalten. Die Abschaffung des § 43a SGB XI und der Be- Hierzu gehören meines Erachtens die Trennung grenzung der finanziellen Leistungen aus der Pfle- zwischen ambulanter und stationärer Leistungser- geversicherung für in Einrichtungen der Behinder- bringung sowie die Trennung von Fachleistungen tenhilfe lebende pflegebedürftige Menschen ist aus und existenzsichernden Leistungen. Hinzu kommen behindertenpolitischer Sicht wünschenswert. Es ist Verbesserungen beim Einkommens- und Vermögens- nicht ersichtlich, warum Menschen in Einrichtungen einsatz sowie die Stärkung der Teilhabe von Men- der Behindertenhilfe geringere Leistungen der Pfle- schen mit Behinderungen nicht zuletzt am allgemei- geversicherung erhalten sollen als andere Beitrags- nen Arbeitsmarkt. zahler. Über 100 Stellungnahme-Empfehlungen aus den Auch die damit einhergehende finanzielle Entlas- Bundesratsausschüssen setzen jedoch ein klares Si- tung für die Träger der Eingliederungshilfe hinsicht- gnal, dass aus Sicht der Länder noch deutlicher lich der Kosten der pflegerischen Versorgung ist Nachbesserungsbedarf für den Gesetzentwurf be- sinnvoll. steht. 3. Kritikpunkte Die Abschaffung des § 43a SGB XI kann von Bayern aber nur mitgetragen werden, wenn sie mit a) Teilhabe am Arbeitsmarkt einem steuerfinanzierten Bundeszuschuss einher- Baden-Württemberg begrüßt grundsätzlich die geht. Beitragssatzsteigerungen zu Lasten allein der Stärkung der Teilhabe von Menschen mit Behinde- sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind ab- rungen am allgemeinen Arbeitsmarkt sowie das Bud- zulehnen. Die Notwendigkeit eines steuerfinanzier- get für Arbeit. (B) ten Bundeszuschusses wird in dem Antrag des Lan- (D) des Nordrhein-Westfalen (BR-Drs. 428/4/16) nicht Beim Budget für Arbeit fehlt jedoch eine Arbeits- hinreichend klar dargestellt. losenversicherung für den Fall, dass die sozialversi- cherungspflichtige Beschäftigung durch Kündigung endet. Denn dies bedeutet faktisch „Hartz IV“ statt Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe sowie Unter- stützung bei der Neuvermittlung. Der Bund nimmt die Bundesagentur für Arbeit hier völlig aus der Ver- antwortung, was weder inklusiv noch nachhaltig ge- Anlage 17 – zu TOP 29 dacht ist. Das müssen wir dringend ändern. Gleiches gilt für die Rentenversicherungspflicht. Erklärung Auch hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden. von Staatsrätin Gisela Erler b) Frühförderung (Baden-Württemberg) zu Punkt 29 der Tagesordnung Die Bundesregierung hat den Anspruch, dass durch das Bundesteilhabegesetz niemand schlechter- Für Herrn Minister Manfred Lucha gebe ich fol- gestellt wird als bisher. gende Erklärung zu Protokoll: Dies muss nicht zuletzt für Kinder im Vorschulalter gelten, die behindert oder von einer Behinderung 1. Einleitung bedroht sind. Bei den heilpädagogischen Leistungen im Rahmen der interdisziplinären Frühförderung ha- Ich freue mich, dass wir heute über einen Gesetz- ben wir Zweifel, dass der Gesetzentwurf diesem An- entwurf beraten, für dessen Umsetzung wir Länder spruch gerecht wird. uns bereits seit einem Jahrzehnt starkmachen. Denn bereits auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz Durch unseren gemeinsamen Ausschussantrag mit im Jahr 2007 haben wir Länder die Bundesregierung Nordrhein-Westfalen wollen wir sicherstellen, dass dazu aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Weiter- diese Kinder weiterhin alle Förderung erhalten, die entwicklung der Eingliederungshilfe zu erarbeiten sie benötigen. Für die große Unterstützung der Län- und eine Beteiligung des Bundes an den Kosten der derkolleginnen und -kollegen für unser Anliegen bin Eingliederungshilfe zu prüfen. ich daher sehr dankbar. 390* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) c) Kosten Der Gesetzentwurf normiert in § 112 SGB IX erst- mals die Förderung bestimmter Ausbildungswege. Schließlich möchte ich auf den Ausgangspunkt Damit schafft er einerseits Rechtssicherheit. Ande- der Entwicklungen dieses Gesetzes zurückkommen, rerseits schreibt er Regelungen fort, durch die Men- nämlich die Forderung der ASMK nach einem zeit- schen mit Behinderungen in ihrer Studienwahl Ein- gemäßen Teilhaberecht, das Menschen mit Behinde- schränkungen erfahren. Dies betrifft vor allem den rungen nicht mehr auf die Sozialhilfe verweist. zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang von Aus- bildungsabschnitten. Der Wechsel zwischen Ausbil- Im Zusammenhang mit dieser Forderung haben die dung, Studium und Berufstätigkeit ist Menschen mit Länder in den letzten Jahren stets Folgendes bekräf- Behinderungen durch diese Regelung (wie auch tigt: Die Aufgaben, die eine alternde Gesellschaft mit nach alter Rechtslage) nicht im gleichen Maße mög- einem stetig wachsenden Anteil an Menschen mit lich wie Menschen ohne Behinderung. Dies stellt Behinderungen und Menschen mit Demenzerkran- eine Diskriminierung dar. Zudem wird durch diese kungen an die sozialen Sicherungssysteme stellt, kön- Regelung Menschen mit Behinderungen eine behin- nen nicht mehr allein mit kommunal finanzierten Da- derungsbedingte berufliche Neuorientierung im hö- seinsvorsorgeleistungen bewältigt werden. Vielmehr heren Lebensalter erschwert. Insofern bleibt der Ge- haben die Länder wiederholt – auch im Bundesrat – setzentwurf nach Einschätzung des Deutschen darauf hingewiesen, dass sich die bevorstehenden Studentenwerks sogar hinter der bisherigen Gewäh- Herausforderungen zu einer gesamtgesellschaftli- rungspraxis zurück. chen Aufgabe entwickelt haben, deren Kosten daher der Bund tragen muss. Durch die vorgeschlagene Neufassung des § 112 Absatz 2 SGB IX sollen diese inhaltlichen und zeit- Nicht zuletzt in Reaktion hierauf hatte die Bun- lichen Beschränkungen aufgehoben werden. Damit desregierung in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, würde das in der Behindertenrechtskonvention der die Kommunen im Rahmen der Verabschiedung des Vereinten Nationen enthaltene Ziel der diskriminie- Bundesteilhabegesetzes im Umfang von 5 Milliarden rungsfreien Teilhabe an Bildung umgesetzt. Gleich- Euro jährlich von der Eingliederungshilfe zu entlas- zeitig würde dem Grundgedanken der Bologna- ten. Von dieser versprochenen Entlastung innerhalb Reform entsprochen, die ja gerade die zeitliche Kon- der Eingliederungshilfe ist jedoch im vorgelegten tinuität der hochschulischen Ausbildungsphasen zu Gesetzentwurf nichts übrig geblieben. Den in diesem Gunsten eines Wechsels zwischen Hochschule und Zusammenhang eingebrachten Ländervorschlag ei- Arbeitsmarkt auflockern will. nes Bundesteilhabegeldes hat die Bundesregierung ohne nähere Begründung abgelehnt. Flankierend würde die Aufnahme von Schülern und Studenten in den Kreis der Leistungsberechtig- Vielmehr sind Mehrbelastungen bei Ländern und (B) ten nach § 99 SGB IX einen verbindlichen Rechtsan- (D) Kommunen infolge des Gesetzes zu befürchten. Eine spruch schaffen und nicht lediglich einen Anspruch Bundes-Teilhabereform auf dem „finanziellen Rü- auf pflichtgemäßes Ermessen der Bewilligungsbehör- cken“ von Ländern und Kommunen lehne ich jedoch den. ab. Die aus dem Gesetz resultierenden Mehrkosten müssen vom Bund getragen werden. Eine diesbezüg- Zu dem jetzigen Zeitpunkt sind die finanziellen liche Evaluations- und Kostenerstattungsklausel ist Auswirkungen, die mit der Aufhebung einer inhaltli- daher zwingend. chen und zeitlichen Beschränkung einhergehen, noch nicht absehbar. Fest steht, dass die Änderung 4. Schluss mit einer kostenwirksamen Leistungsausweitung verbunden sein wird. Damit ist eine finanzielle Belas- Ich hoffe sehr, dass wir im Sinne der betroffenen tung des ohnehin stark belasteten (Sozial-)Haushalts Menschen mit Behinderungen am Ende dieses Ge- verbunden, die zu Lasten der Länder geht. Als Haus- setzgebungsverfahrens zu einem angemessenen Kon- haltsnotlageland hat die Freie Hansestadt Bremen sens gelangen und die Bundesregierung ihrer Verant- sich vor diesem Hintergrund enthalten. wortung für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe gerecht wird.

Anlage 19 – zu TOP 29

Anlage 18 – zu TOP 29 Erklärung

Erklärung von Ministerin Monika Heinold (Schleswig-Holstein) von Senatorin Anja Stahmann zu Punkt 29 der Tagesordnung (Bremen) zu Punkt 29 der Tagesordnung Die Landesregierung Schleswig-Holstein stimmt den Ziffern 45 und 61 unter dem Vorbehalt zu, dass der Zur Enthaltung Bremens zu den Ziffern 52, 53 und Bund entsprechend seiner Zuständigkeit die Finanzie- 60 der Beschlussempfehlung – Leistungsberechtigter rung dieser bundesgesetzlichen Regelung überneh- Personenkreis, Leistungen zu Teilhabe und Bildung men wird. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 391*

(A) (C) Anlage 20 – zu TOP 32 Anlage 21 – zu TOP 36

Erklärung Erklärung

von Minister Christian Görke von Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks (Brandenburg) (Hamburg) zu Punkt 32 der Tagesordnung zu Punkt 36 der Tagesordnung Brandenburg begrüßt den vorliegenden Gesetz- Die große Koalition von CDU/CSU und SPD auf entwurf. Mit ihm wird ein sehr wichtiger Schritt zur Bundesebene hat die Chance ergriffen, den entstan- Bekämpfung internationaler Steuerminimierungs- denen Reformstau in der Pflegepolitik endlich aufzu- und Steuervermeidungsstrategien im europäischen lösen. Raum unternommen. Auf das Ergebnis können Bund und Länder stolz Insbesondere der verpflichtende Austausch län- sein: Die dreistufigen Pflegestärkungsgesetze sind derbezogener Berichterstattungen sowie der automa- die umfassendsten Novellen der sozialen Pflegeversi- tische Austausch von steuerlichen Vorbescheiden und cherung seit ihrer Einführung vor 20 Jahren. Pflege- Vorabverständigungen über Verrechnungspreise zwi- bedürftige und ihre Angehörigen profitieren nicht schen international verbundenen Unternehmen in Be- nur von deutlichen Leistungsverbesserungen, son- triebsstättensachverhalten sind elementare Maßnah- dern vor allem von Pflegeleistungen, die ausdifferen- men auf dem Weg zu einer effektiven Besteuerung ziert sind und viel besser dem Pflegebedarf entspre- von Konzernen. Der aktuelle Beschluss der EU-Kom- chen. mission, vom Apple-Konzern Steuern in Milliarden- höhe nachzufordern, macht nochmals deutlich, wie Insbesondere für Menschen mit Demenz und ihre dringend der Bedarf an einem international abge- Angehörigen verbessert sich die Situation erheblich. stimmten Vorgehen gegen Steuerflucht ist. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff berücksichtigt Gleichwohl ist dieses Gesetz nur ein einzelner die umfassenden Auswirkungen auf die Selbststän- Baustein in einem Gesamtkonstrukt von Abwehr- digkeit im Alltag und geht mit einer realitätsnahen maßnahmen am Anfang eines noch lange andauern- Begutachtung einher. Damit können viele Pflegebe- den wichtigen Prozesses zur weiteren Umsetzung des dürftige und ihre Angehörigen bundesweit der Zu- BEPS-Projekts sowohl auf nationaler als auch auf in- kunft der Pflege mit weniger Sorgen entgegenbli- ternationaler Ebene. cken. In diesem Zusammenhang ist an den Beschluss der Mit dem Pflegestärkungsgesetz III, der letzten FMK vom 23. Juni dieses Jahres zu erinnern. Die Stufe der großen Pflegereform, wollen wir die Pflege- (B) (D) Bundesregierung wird darin aufgefordert, sich auch bedürftigen und ihre Angehören in ihrem Lebensum- weiterhin konsequent dafür einzusetzen, auf eine feld unterstützen und Zugänge erleichtern. Dazu Ergänzung der Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie müssen wir einerseits die Kommunen stärken, an- hinzuwirken, um eine effektive Mindestbesteuerung dererseits die vorhandenen Angebote besser vernet- durch einen Quellensteuerabzug sicherzustellen. zen – damit Angehörige und Betroffene sich besser Dieses Instrument würde den Kampf gegen Steuer- zurechtfinden können. Dazu schafft das Gesetz auf minimierung und Steuervermeidung erheblich er- der Grundlage der Empfehlungen der Bund-Länder- leichtern. Arbeitsgruppe zwei wesentliche Verbesserungen: Neben diesem großen Projekt ist nicht zu verges- Unsere Zielsetzung ist es, dass ein Bedürftiger sich sen, dass auch durch die sogenannten Panama Pa- nur an eine einzige Beratungsstelle wenden muss pers steuerpolitische Herausforderungen bestehen und dort alle Informationen erhält. Pflegebedürftige und im Hinblick auf Geldwäsche und Steuerhinter- und ihre Angehörigen sollen in ihren Kommunen ziehung gesetzgeberisch adäquat reagiert werden eine unabhängige und zuverlässige Beratung aus ei- muss. ner Hand erhalten zu allen Leistungen, die sie in An- spruch nehmen können, z. B. der Hilfe zur Pflege, der Der Kampf gegen Steuertricks einiger internatio- Eingliederungshilfe oder der Altenhilfe. Denn es sind naler Konzerne ist schwierig und mühsam. Deshalb die Kommunen, die die Bedarfe der Pflegebedürfti- muss es gelingen, gemeinsam mit internationalen gen und Menschen mit Behinderung und ihrer Ange- Partnern hiergegen effektive Strategien zu entwi- hörigen gut kennen. Durch ihr Wissen von vorhande- ckeln und umzusetzen. nen Angeboten, Überschneidungen und Potenzialen im Beratungs- und Versorgungssystem können sie eine Lotsenfunktion für diese Menschen und in Zu- kunft vielleicht für weitere Zielgruppen einnehmen. Das gilt jetzt schon und noch mehr, wenn weitrei- chendere landesrechtliche Möglichkeiten zur Ausge- staltung der Zusammenarbeit durch das Dritte Pflege- stärkungsgesetz gegeben sein werden. Nur wer die Angebote kennt und unabhängig beraten wird, kann selbstbestimmt die Leistungen organisieren, die ge- braucht werden. Und nur wenn die Kommunen aus 392* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) der Beratung heraus den Bedarf kennen, können sie Erstens. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff und die richtigen Angebote schaffen. So kann, wenn der das Neue Begutachtungsassessment werden in der breit unter den Ländern abgestimmte Antrag zu den Hilfe zur Pflege eingeführt. Dies begrüße ich. Modellkommunen von der Bundesregierung ernst genommen wird, Beratung zu verschiedenen Berei- Schon bei der im Zuge des PSG II erfolgten Ein- chen der Daseinsvorsorge deutschlandweit aus einer führung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs für Hand möglich werden und eine gute Kenntnis lokaler den Bereich der Pflegeversicherung war dies ein Voraussetzungen einfließen. Wir sind überzeugt, dass Thema. Seinerzeit wurde jedoch noch von einer Re- hier hilfreiche Erfahrungen gesammelt werden kön- form der Hilfe zur Pflege abgesehen. Es ist dringend nen, die unser traditionell segmentiertes System im erforderlich, dass dies mit dem vorliegenden Gesetz- Interesse der Betroffenen verändern. entwurf nun ebenfalls zum 1. Januar 2017 umgesetzt wird. Denn es ist ein wichtiges sozialpolitisches An- Wir würden uns wünschen, dass die Kommunen liegen, pflegebedürftige Menschen im Leistungsbe- hier Gestaltungshebel und -spielraum haben, gute zug der Sozialhilfe gegenüber dem neuen Leistungs- Ideen zu erproben. recht des SGB XI nicht schlechterzustellen. Die Länder sollen die Möglichkeit erhalten, re- Die für die Leistungsberechtigten mit dem PSG III gionale Pflegekonferenzen und sektorenübergrei- verbundenen positiven Änderungen und Leistungs- fende Landespflegeausschüsse einzurichten. Diese ausweitungen halte ich für einen wichtigen Schritt, Ausschüsse können Empfehlungen zur Entwicklung auch wenn ich an einigen Punkten noch Nachbesse- der pflegerischen Infrastruktur im Land und in den rungsbedarf sehe. Dazu zählen der fließende und die Kommunen abgeben. Damit werden auch die Pflege- möglichst einfache Gestaltung des Übergangs für die kassen verpflichtet, an den Beratungen mitzuwirken Betroffenen ebenso wie Fragen der finanziellen Aus- und die erforderlichen Daten zur Verfügung zu stel- wirkungen auf die Träger der Sozialhilfe. len. Aber auch eindeutige und klare Regelungen zur Die Kommunen können dies für sich nutzen, um Abgrenzung der Leistungen der Pflegeversicherung, die Versorgungsplanung in der Pflege stärker mit der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe dür- allen Beteiligten zu koordinieren. fen nicht vergessen werden. Es gilt im Interesse der betroffenen Leistungsberechtigten, neue Zuständig- Dass die Maßnahmenempfehlungen der Arbeits- keitsstreitigkeiten zwischen den unterschiedlichen gruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen nicht Leistungsträgern auszuschließen. vollständig umgesetzt wurden, ist bedauerlich. Wir hätten uns hier mehr gewünscht. Auch Benachteiligungen der pflegebedürftigen behinderten Menschen in vollstationären Einrichtun- Wir haben in dieser großen Pflegereform die (B) gen gilt es zu beseitigen. Ihnen muss als Beitragszah- (D) Chance genutzt, um die Entwicklung, Erprobung und lerinnen und Beitragszahler der Zugang zu allen Ausreifung einiger Standards zur Verbesserung der Leistungen der Pflegeversicherung möglich gemacht Qualität bzw. Bemessungsverfahren zuverlässig an- werden. Gleichzeitig darf dies natürlich nicht zum zustoßen. Wenn die Reform Ende des Jahres mit Ausschluss von Leistungen der Eingliederungshilfe einem hoffentlich deutlich ausgereifteren Dritten führen. Pflegestärkungsgesetz abgeschlossen ist, braucht die Pflegelandschaft etwas Zeit, die Fülle der techni- Ich vertraue darauf, dass sich die Bundesregierung schen und organisatorischen Veränderungen, die da- im weiteren Gesetzgebungsverfahren dieser Punkte durch hervorgerufen wurden, zu bewältigen. noch annehmen wird. Die Länder haben über ihre Arbeit in der Bund- Der zweite wesentliche Schwerpunkt des PSG III Länder-Arbeitsgruppe einen entscheidenden Beitrag ist die Stärkung der Rolle der Kommunen in der dazu geleistet, dass die dreistufige Pflegereform in so Pflege. kurzer Zeit auf den Weg gebracht werden konnte, und an den zentralen Schwerpunkten festgehalten. Damit die benötigten Hilfen zielgerichtet bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen ankom- men, wird durch das PSG III die Pflegeberatung in den Kommunen vor Ort gestärkt. Bei der Beratung von Pflegebedürftigen, von Menschen mit Behinde- Anlage 22 – zu TOP 36 rungen und deren Angehörigen werden ab 2017 die Kommunen federführend sein und hier eine zentrale Erklärung Rolle übernehmen. Über die Gründung regionaler Pflegeausschüsse von Minister Stefan Wenzel und sektorenübergreifender Landespflegeausschüsse (Niedersachsen) können unter Beteiligung der Träger der ambulanten zu Punkt 36 der Tagesordnung und stationären Pflege Empfehlungen zur Verbesse- Für Frau Ministerin Cornelia Rundt gebe ich fol- rung der örtlichen Beratungs-, Pflege- und Betreu- gende Erklärung zu Protokoll: ungsinfrastruktur in Städten und Landkreisen abge- geben werden. Allerdings beinhaltet die Bildung Das Pflegestärkungsgesetz (PSG) III umfasst im neuer Gremien noch keine tatsächliche Lösung der Wesentlichen zwei Säulen: Probleme in der Pflege. Gremien gibt es mehr als ge- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 393*

(A) (C) nug, Lösungen realer Probleme – wie schwierige Ar- Insgesamt bin ich aber zuversichtlich, dass die mit beitsbedingungen für die Beschäftigten und in der dem PSG III vorgesehenen Änderungen zu einer wei- Folge bereits jetzt akut ansteigenden Fachkräfte- teren Verbesserung und Optimierung der pflegeri- mangel – zu wenig. Ich halte es für dringend gebo- schen Versorgung in allen Bundesländern beitragen. ten, dass die Pflegekassen Empfehlungen der be- Ich gehe davon aus – und möchte an dieser Stelle schriebenen Gremien dann auch mit einer gewissen ausdrücklich dafür werben –, dass sich auch die Ver- Verbindlichkeit zu berücksichtigen haben. bände der Leistungsanbieter und der Pflegekassen Dazu bin ich gespannt auf die Empfehlung des sowie die kommunalen Spitzenverbände in diesem GKV- Spitzenverbandes. Hier wird es um die Voraus- Sinne an dem Umsetzungsprozess aktiv beteiligen. setzungen und Ziele, um Inhalte, die Durchführung und nicht zuletzt um die Finanzierung der Modell- vorhaben gehen.

Niedersachsen ist in der Frage der Pflegeberatung Anlage 23 – zu TOP 36 schon heute sehr gut aufgestellt. Die Pflegestütz- punkte (PSP) sind mit dem Pflegeweiterentwicklungs- Erklärung gesetz 2008 eingeführt worden. Die Landesregierung hat die Errichtung der PSP bei den Landkreisen und von Staatssekretär Lutz Stroppe den kreisfreien Städten seinerzeit in die Entscheidung (BMG) der kommunalen Träger gestellt. Und das hat sich be- zu Punkt 36 der Tagesordnung währt: Die Beratung erfolgt mittlerweile nahezu flä- Sie beraten heute das Dritte Pflegestärkungsge- chendeckend an 40 von 48 möglichen Standorten im setz. Land trägerunabhängig, in weiten Teilen neutral und kostenfrei. Es enthält mehrere wichtige Regelungsbereiche: die Umsetzung der Empfehlungen der Bund-Länder- Grundsätzlich bewerte ich es deshalb positiv, dass Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen die Kommunen ihre Kompetenz in dieser Frage er- in der Pflege, Regelungen zur Verhinderung von Ab- weitern und als eigene Beratungsstellen die Pflege- rechnungsbetrug in der Pflege, eine klare Abgren- beratung und Pflegeberatungsbesuche für Leistungs- zung der Leistungen der Pflegeversicherung von de- empfänger der Pflegeversicherung mit eigenem, nen der Eingliederungshilfe und die Umsetzung des entsprechend qualifiziertem Personal übernehmen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Recht der Hilfe können. zur Pflege.

(B) Gleiches gilt für die künftig besseren Beteili- Ich freue mich sehr, dass insbesondere die Rege- (D) gungsmöglichkeiten der Kommunen im Rahmen der lungen zur Bekämpfung des Abrechnungsbetrugs in Übernahme von Personal- und Sachkosten bei dem der Pflege positiv von Ihnen aufgenommen werden. Auf- und Ausbau von niedrigschwelligen Betreu- Wir haben hier schnell reagiert, und ich denke, dass ungs- und Entlastungsangeboten im Land. wir mit unseren Regelungen nun einen wesentlichen Schritt weiterkommen, um die Beitragszahler und die Sie erhalten zudem ein Initiativrecht zur Grün- Pflegebedürftigen vor Betrug zu schützen. dung von Pflegestützpunkten für Hilfesuchende. Bei der Umsetzung der Empfehlungen der Bund- Städte und Landkreise haben aus meiner Sicht den Länder-Arbeitsgruppe haben wir uns eng an die Ver- besten Überblick über die Beratungs-, Pflege- und abredungen gehalten und genau das in Gesetzestext Betreuungsangebote vor Ort und können einen maß- gegossen, was vereinbart worden war. Wir wollen, geblichen Teil zur pflegerischen Versorgung der Be- dass mit der Umsetzung der Empfehlungen eine bes- völkerung beitragen. sere Abstimmung und Zusammenarbeit aller Betei- ligten vor Ort in der Pflege stattfindet. Mir ist dabei Die seinerzeitige Entscheidung des Gesetzgebers, eine gute Pflegeberatung, die sich an den Interessen Pflege als freies Marktangebot zu etablieren, hat eine der zu Pflegenden und ihrer Angehörigen orientiert, effiziente und bedarfsgerechte Steuerung durch Län- besonders wichtig. der und Kommunen unmöglich gemacht. Dies führt Einige Forderungen, die in den Bundesratsaus- in einzelnen Regionen zu einem ruinösen Markt- schüssen diskutiert worden sind, gehen weit über das verdrängungswettbewerb durch Lohndumping – also Vereinbarte hinaus, gerade mit Blick auf die Modell- auf dem Rücken der Pflegekräfte – statt des gewoll- vorhaben zur Pflegeberatung. Dennoch denke ich, ten Wettbewerbs um die beste Qualität. Ich halte es dass wir hier am Ende zusammenkommen können – daher für unabdingbar, dass die Kommunen in Zu- und uns an den Empfehlungen der gemeinsamen Ar- kunft stärkeren Einfluss durch die Möglichkeit zur beitsgruppe orientieren. Prüfung der Bedarfsgerechtigkeit der pflegerischen Angebote und gegebenenfalls ihre Nichtzulassung Mit dem PSG III regeln wir auch die Schnittstelle vor Ort nehmen können. Geeignet hierfür wäre ein zwischen Pflegeversicherung und Eingliederungs- unmittelbares Mitbestimmungsrecht bei der Zulas- hilfe neu. Denn wir wollen, dass auch nach Einfüh- sung ambulanter und stationärer Pflegeeinrichtun- rung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs Klarheit gen. Wir sollten – in der Perspektive – über diesen herrscht, wer wann Leistungen zu erbringen hat. Da- Punkt noch weiter nachdenken. bei gilt aber der Grundsatz, dass es nicht zu einer 394* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) Verlagerung von Finanzierungsverpflichtungen zwi- Infolge der Aufhebung der Leistungsarten ambu- schen den Trägern der Eingliederungshilfe und der lant/stationär für die Eingliederungshilfe würde § 43a Pflegeversicherung kommt. SGB XI ohne die in § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI vorgese- hene Neuregelung ins Leere laufen. Damit würden Die Länder schlagen eine Regelung vor, bei der bisher steuerfinanzierte Leistungen dem Beitragszah- die Beitragszahlerinnen und -zahler erheblich mehr ler auferlegt. Die Abschaffung des § 43a SGB XI wird belastet würden. Alternativ schlagen sie eine Gegen- von Bayern mitgetragen, wenn sie mit einem steuer- finanzierung aus Bundesmitteln vor. Entsprechend finanzierten Bundeszuschuss einhergeht. Eine Bei- dem gerade fixierten Grundsatz gilt: Mit der Bundes- tragssatzerhöhung zur Entlastung des Steuerzahlers regierung wird es weder das eine noch das andere ist sozialpolitisch abzulehnen. geben. Denn Bundesmittel werden den Kommunen in erheblichem Umfang zur Verfügung gestellt – ich Die im Gesetzentwurf enthaltene Formulierung meine die zugesagten 5 Milliarden Euro. Weitere Bei- des § 71 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI führt allerdings dazu, tragssatzerhöhungen wird es in dieser Wahlperiode dass pflegebedürftige Menschen mit Behinderungen, in der Pflege nicht geben. Wir haben die Beiträge um die in ambulant betreuten Wohngruppen wohnen, im 0,5 Prozentpunkte angehoben für deutliche Leis- Hinblick auf die Pflegeversicherung schlechter be- tungsverbesserungen, und wir sind gemeinsam stolz handelt werden als derzeit. Eine Lösung, die dies darauf, dass damit bis ins Jahr 2022 die Pflegeversor- verhindert, sollte möglichst rasch gefunden werden. gung solide finanziert ist. Unabhängig davon gilt: Wenn Regelungen nicht die erwarteten Wirkungen zeigen, prüfen wir das na- türlich. Für mich ist z. B. wichtig, dass die Aussage der Bundesregierung zum PSG II bestehen bleibt: Anlage 25 – zu TOP 37 Niemand soll durch die Einführung des neuen Pfle- gebedürftigkeitsbegriffs benachteiligt werden. Erklärung Auch in der Hilfe zur Pflege gehen unsere Ein- schätzungen zum Teil auseinander. Wo wir insgesamt von Minister Stefan Wenzel im Zusammenspiel von PSG II und III Nettoentlastun- (Niedersachsen) gen für die Sozialhilfe berechnet haben, sprechen Sie zu Punkt 37 der Tagesordnung von angeblich massiven Mehrkosten. Die Bundesre- gierung ist weiter davon überzeugt, dass es zu Netto- Für Frau Ministerin Cornelia Rundt gebe ich fol- entlastungen kommt, auch weil die Länder eine nach- gende Erklärung zu Protokoll: vollziehbare Berechnung der Mehrkosten bislang (B) nicht vorgelegt haben. Wir haben im Gesetz von An- ln der modernen Psychiatrie von morgen werden (D) fang an eine Evaluationsklausel verankert, mit der aller Voraussicht nach die Patientinnen und Patien- wir auch hier finanzielle Auswirkungen überprüfen ten bessere Chancen auf Teilhabe und Behandlung können. erhalten. Unter anderem soll die Möglichkeit eröffnet werden, die Betroffenen zu Hause in der gewohnten Ich bitte Sie, diese Punkte bei Ihrer Stellungnahme Umgebung psychiatrisch zu behandeln. Die Wei- zu berücksichtigen. Bei allen Gegensätzen und un- chen, die dies ermöglichen, werden mit dem von der terschiedlichen Schwerpunktsetzungen sind wir doch Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Ge- dem gemeinsamen Ziel verpflichtet, den Bürgerinnen setzes zur Weiterentwicklung der Versorgung und und Bürgern eine gute pflegerische Versorgung zu der Vergütung für psychiatrische und psychosomati- ermöglichen. Ich bin mir mit vielen auch unter Ihnen sche Leistungen (PsychVVG) gestellt. Die darin ent- sicher: Mit den drei Pflegestärkungsgesetzen sind haltenen Lösungsansätze, die an die Ergebnisse der wir diesem Ziel deutlich näher gekommen. Ich würde intensiven Beratungen im Rahmen des „Strukturier- mich freuen, wenn wir auch das dritte Gesetz in der ten Dialogs“ anknüpfen und die diesen Weg zu einer gewohnt konstruktiven Atmosphäre weiter beraten modernen, bedarfsorientierten Versorgung in der können. Psychiatrie und in der Psychosomatik ebnen, begrüße ich ausdrücklich.

Psychisch kranke Menschen brauchen unsere be- sondere Zuwendung. Gleichzeitig verlangt die Ver- Anlage 24 – zu TOP 36 sorgung psychisch Kranker allen in den Kranken- häusern und -abteilungen Beschäftigten ein hohes Erklärung berufliches Engagement ab. Im Sinne einer bestmög- lichen Versorgung der psychisch Kranken ist es da- von Staatsminister Dr. Marcel Huber her notwendig, dass die Einrichtungen ein auskömm- (Bayern) liches Budget, insbesondere zur Refinanzierung der zu Punkt 36 der Tagesordnung Personalkosten von Mitarbeiterinnen und Mitarbei- tern, an die Hand bekommen. BR-Drs. 410/16, Art. 1 Nr. 9 (§ 36 Abs. 4 Satz 1 SGB XI), Nr. 12 (§ 43a SGB XI), Nr. 15 (§ 71 Abs. 4 Der Erfolg hängt ganz maßgeblich von ausreichen- SGB XI) und Nr. 29 (§ 145 SGB XI); BR-Drs. 410/1/16, dem Personal ab. Deshalb ist es unverzichtbar, ver- Nrn. 14, 17, 18 bindliche Vorgaben zur Personalausstattung einzu- Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 395*

(A) (C) führen. Dem trägt der Gesetzentwurf jetzt endlich Anlage 26 – zu TOP 37 Rechnung. Und das ist gut so. Erklärung Ebenso befürworte ich, dass nach dem Gesetzent- wurf das im bisherigen Recht angelegte reine Ab- Lutz Stroppe rechnungssystem mit einer Konvergenz hin zu lan- von Staatssekretär deseinheitlichen Preisen durch ein Budgetsystem (BMG) Punkt 37 ersetzt werden soll. Auf diese Weise soll die Verein- zu der Tagesordnung barungskompetenz der Vertragsparteien vor Ort ge- Die Sicherung der Qualität in der Versorgung wird stärkt werden. Dies lässt Verhandlungsergebnisse, mit der Qualitätsoffensive der Bundesregierung in die näher an den tatsächlichen Verhältnissen liegen, dieser Wahlperiode entscheidend vorangebracht und erwarten. Gewinnerzielung durch Lohndumping wird verbessert. Der vorliegende Gesetzentwurf nimmt weitestgehend vermieden. die Sicherung der Qualität in der Versorgung der psychiatrischen und psychosomatischen Leistungen Wenngleich bei all dem das Gebot, wonach in der in den Blick. Die Versorgung auf diesem Feld – ins- gesetzlichen Krankenversicherung die Leistungen besondere durch eine Förderung der sektorenüber- ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein greifenden Behandlung – wird nachhaltig gestärkt. müssen und das Maß des Notwendigen nicht über- schreiten dürfen, beachtet sein will, so müssen wir Das neue Vergütungssystem in der Psychiatrie und auch deutlich erkennen lassen, dass wir aus Fehlern Psychosomatik soll den Bedürfnissen seelisch Er- der Vergangenheit gelernt haben. Ein Preissystem krankter besser gerecht werden und gleichzeitig den wie die DRGs in Krankenhäusern würde in der Psy- Zielen Leistungsorientierung und Transparenz die- chiatrie und in der Psychosomatik zu falschen Anrei- nen. Der Gesetzentwurf zielt damit in seiner Grund- zen führen. Benachteiligt wären dadurch insbeson- ausrichtung auf eine Weiterentwicklung der Versor- dere schwer psychisch Kranke. Mit der vorgesehenen gung und der Vergütung für psychiatrische und Einführung eines Budgetsystems wird diese Gefahr psychosomatische Leistungen. Er sieht vor, dass psy- abgewendet, und das ist im Interesse der Betroffenen chiatrische und psychosomatische Kliniken ihr Bud- sehr gut. get weiterhin individuell verhandeln können und re- gionale oder strukturelle Besonderheiten (in der Für eine gute sektorenübergreifende Behandlung Leistungserbringung) dabei berücksichtigt werden ist weniger die trennscharfe Abbildung der konkreten können. Im Ergebnis wird damit die Verhandlungs- therapeutischen Leistungen stationärer Behandlungs- ebene vor Ort gestärkt. einrichtungen entscheidend; vielmehr müssen in die leistungsbezogenen Vergleiche auch die Schnittstel- Wir halten mit dem Entwurf an den Zielen Trans- lenangebote zur Überleitung in eine ambulante Be- (B) parenz und Leistungsorientierung fest. Dies spiegelt (D) treuung einbezogen werden. Unser besonderes Au- sich unter anderem in dem Vorschlag wider, an ei- genmerk gilt den Patientinnen und Patienten, die nur nem bundesweiten und empirisch kalkulierten Ent- sehr eingeschränkt in der Lage sind, sich geeignete geltkatalog festzuhalten. Angebote selber zu organisieren. Bei der Entwicklung spezifischer Qualitätsindikatoren ist deshalb auf die Durch die parallele Einführung eines leistungsbe- Versorgungsqualität von Patientinnen und Patienten zogenen Krankenhausvergleichs wird transparent, mit schweren und schwersten Verläufen psychischer inwieweit unterschiedliche Budgethöhen von Kran- Erkrankungen abzustellen. kenhäusern auf Leistungsunterschiede, regionale oder strukturelle Besonderheiten in der Leistungser- Insofern sind die Ansätze in dem Gesetzentwurf, bringung oder aber andere klinikindividuelle Aspekte die etwa auf Home-Treatment abheben, besonders zu zurückzuführen sind. Damit soll der Vergleich den begrüßen. Erst ein budgetorientierter Ansatz im Ver- Krankenhäusern und Kostenträgern vor Ort es ermög- gütungssystem würde es ermöglichen, den Grund- lichen, ein der Leistungserbringung angemessenes satz ambulant vor stationär zu verwirklichen. Budget zu verhandeln. Dabei kommt gerade dem Schnittstellenmanage- Für Menschen, die seelisch erkrankt sind, ist die ment eine besondere Bedeutung zu. Und damit hätte persönliche Zuwendung von Seiten des Behand- ich den Bogen gespannt zu meiner eingangs geäu- lungs- und Pflegepersonals besonders wichtig. Eine ßerten Feststellung, dass eine moderne psychiatri- ausreichende Personalausstattung in den Kliniken ist sche Behandlung nach Möglichkeit in der häuslichen daher von besonderer Bedeutung. Um dies zu errei- Umgebung erfolgt. chen, soll der Gemeinsame Bundesausschuss be- auftragt werden, in seinen Qualitätsrichtlinien (mit Schließlich noch eine Bemerkung zu einer vorge- Wirkung zum 1. Januar 2020) verbindliche Mindest- sehenen Neuregelung, die sämtliche Krankenhäuser personalvorgaben für die personelle Ausstattung der betrifft. Es geht um den Auftrag, eine bundeseinheit- stationären psychiatrischen und psychosomatischen liche Definition mit Kriterien für den Standort oder Einrichtungen festzulegen. die Standorte von Krankenhäusern und deren Ambu- lanzen zu entwickeln. Eine solche Standortdefinition Der Entwurf des PsychVVG sieht bereits vor, dass sehe ich als nutzbringend an. Allerdings müssen in die für die Einstellung zusätzlichen therapeutischen die Arbeiten die Länder unbedingt eingebunden Personals zur Erfüllung der Mindestvorgaben entste- sein; anderenfalls droht Uneinheitlichkeit zu entste- henden Kosten auch in den Budgets berücksichtigt hen. werden. Bei den Einrichtungen, bei denen Stellenbe- 396* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) setzungen zwar vereinbart, aber nicht umgesetzt Anlage 27 – zu TOP 45 werden, ist das Budget konsequenterweise entspre- chend abzusenken. Soweit auch seitens der Länder Erklärung die entstehenden Personalkosten durch Tariferhö- hungen thematisiert werden, gehe ich davon aus, von Minister Stefan Wenzel dass wir darüber im weiteren parlamentarischen Ver- (Niedersachsen) fahren diskutieren werden. zu Punkt 45 der Tagesordnung Betonen möchte ich auch die Stärkung der sekto- Straftaten dürfen sich nicht lohnen. Es ist eine renübergreifenden Versorgung durch den Gesetzent- traurige Wahrheit, dass viele Straftäter sich durch die wurf: Menschen mit schweren psychischen Erkran- ihnen drohenden Strafen nicht von ihrem kriminellen kungen in akuten Krankheitsphasen können in Tun abhalten lassen. Wer sich durch Straftaten Ver- Zukunft auch in ihrem häuslichen Umfeld („Home- mögensvorteile verschafft, für den ist die drohende Treatment“) durch ein mobiles, multiprofessionelles Strafe oftmals nur ein Posten, der in die Wirtschaft- Behandlungsteam versorgt werden. Ambulante Leis- lichkeitsabwägung mit eingestellt wird. Es ist des- tungserbringer werden hier mit einbezogen. Damit halb für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung un- werden die Bedarfsgerechtigkeit und die Flexibilität verzichtbar, dass jedem Täter stets die Früchte seiner der Versorgung erhöht. Taten entzogen werden. Nur so können finanzielle Anreize für die Begehung von Straftaten wirksam Ob sich über die vorgesehenen Maßnahmen hi- eingedämmt werden. naus weitere Formen der sektorenübergreifenden Behandlung kurzfristig realisieren lassen, wird insbe- Eine effektive Kriminalitätsbekämpfung erfordert sondere daran zu messen sein, ob und inwieweit sie weit mehr, als in regelmäßigen Abständen die Erhö- mit den grundlegenden Zielen der Leistungsorientie- hung der Strafen zu fordern. Ich bin davon über- rung und Transparenz in Einklang zu bringen sind. zeugt, dass die Täter oftmals die neben der Strafe stehenden Rechtsfolgen viel härter treffen als die Ich bin überzeugt, dass mit dieser Neuausrichtung Strafe selbst. Und nur wenn man die Täter dort trifft, die Weiterentwicklung des Psych-Entgeltsystems auf wo es ihnen wirklich wehtut, kann man bei ihnen einem guten Weg ist. auch etwas bewirken. Jenseits der Versorgung von seelisch kranken Nehmen wir beispielsweise das Phänomen der so- Menschen sieht der Gesetzentwurf weitere Regelun- genannten Gaffer, die mit ihrem respektlosen und gen vor, zu denen der Gesundheitsausschuss des verabscheuungswürdigen Verhalten nicht nur die Bundesrates Änderungsempfehlungen vorschlägt. Persönlichkeitsrechte der Opfer verletzen, sondern So sollen die Deutsche Krankenhausgesellschaft immer öfter auch die Rettung der Verunglückten be- (B) und der GKV-Spitzenverband anhand gemeinsam hindern! Ich bin davon überzeugt, dass die Wirkung (D) festzulegender Kriterien ein bundesweites Verzeich- eines konsequenten Einziehens der Tathandys gar nis der Standorte von Krankenhäusern und ihren nicht hoch genug bewertet werden kann. Wer einmal Ambulanzen erstellen, um unter anderem eine bes- sein geliebtes Smartphone beim Filmen von Unfall- sere Grundlage für die Qualitätssicherung, Kranken- opfern eingebüßt hat, der wird es sich das nächste hausplanung und Statistik zu schaffen. Mal mehr als zweimal überlegen, sein Verhalten zu wiederholen. Zu der im Gesetzentwurf für das Jahr 2017 vor- Oder werfen wir einen Blick auf die sogenannten gesehenen einmaligen Entnahme von 1,5 Milliarden Raser, die mit illegalen Autorennen unbeteiligte Ver- Euro aus der Liquiditätsreserve ist festzuhalten, dass kehrsteilnehmer gefährden. Stellen Sie sich einmal durch diese Regelung vorübergehende Mehrbelas- bildlich die Reaktion des Teilnehmers an einem sol- tungen der gesetzlichen Krankenkassen finanziert chen Rennen vor, wenn die Polizei – statt ihm wie werden sollen. Dazu gehört die Zusatzbelastung derzeit nur ein Bußgeld aufzuerlegen – sein Auto be- durch Investitionen in den Aufbau einer modernen schlagnahmt! Ich bin davon überzeugt, dass der dro- und innovativen Versorgung (Aufbau der Telematik- hende Verlust des hochmotorisierten Autos, das dem Infrastruktur). Herzen vielleicht nähersteht als die Ehefrau, ein Ri- Und es geht um zeitlich begrenzte Zusatzbelas- siko ist, das die Anhänger des illegalen Motorsportes tungen für die GKV durch diejenigen Asylbewerber, ernsthaft zur Räson bringen kann. die nicht mehr dem Asylbewerberleistungsgesetz zu- Ich halte den vorliegenden Gesetzentwurf zur Re- zuordnen sind und noch nicht in den Arbeitsmarkt form der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung integriert werden konnten. Auch deswegen ist die keineswegs für perfekt. In der vom Rechtsausschuss Integration der Asylberechtigten in den Arbeits- empfohlenen Form ist die Gesetzesänderung aber ein markt eine der wichtigsten Aufgaben, die wir auf wichtiger Schritt zur Verwirklichung des Zieles, dass allen gesellschaftlichen Ebenen mit einer großen Straftaten sich nicht lohnen dürfen. Kraftanstrengung meistern müssen. Gerade die sozi- alen Sicherungssysteme sind darauf angewiesen, dass möglichst viele Asylberechtigte zu Beitragszah- lern werden. Je besser die Integration gelingt, desto schneller kann auch die aktuelle Mehrbelastung für die gesetzliche Krankenversicherung durch stei- gende Beitragseinnahmen zu einer Chance werden. Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 397*

(A) (C) Anlage 28 – zu TOP 45 Hand geben. Künftig kann Vermögen unklarer Her- kunft eingezogen werden, ohne dass eine konkrete Erklärung Straftat nachgewiesen werden muss. Das Gericht muss lediglich davon überzeugt sein, dass der Ver- von Parl. Staatssekretär Christian Lange mögensgegenstand aus irgendeiner Straftat herrührt. (BMJV) Dabei ist Folgendes von besonderer Bedeutung: Der zu Punkt 45 der Tagesordnung Gesetzentwurf erlaubt es dem Gericht ausdrücklich, seine Überzeugung von der deliktischen Herkunft Straftaten dürfen sich nicht lohnen – ein Satz, der, des Vermögens insbesondere auf ein grobes Missver- wie Sie wissen, immer wieder für die Notwendigkeit hältnis zwischen dem Wert des Gegenstandes und einer wirksamen strafrechtlichen Vermögensab- den legalen Einkünften zu stützen. Liegt ein solches schöpfung herangezogen wird. Manchem mag er fast Missverhältnis vor, ist der Betroffene nach unserem schon allzu banal klingen. Und doch ist er unein- Konzept faktisch gezwungen, die legale Herkunft geschränkt richtig. Wir wollen das kriminalpolitisch des Vermögens darzulegen und – im Zweifelsfall – zu äußerst wichtige Instrument der Vermögensabschöp- beweisen. fung deshalb mit dem vorliegenden Gesetzentwurf deutlich stärken. Wir setzen damit die Forderung des Koalitionsver- trags nach einer verfassungskonformen Beweislast- Ich möchte mich gleich zu Beginn meiner Rede im umkehr um. Das deutsche Abschöpfungsrecht würde Namen der Bundesregierung bei Ihnen für die gute mit diesem Instrument zu einem der schärfsten in Eu- und konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Wie ropa. Zugleich markiert dies die Grenze des verfas- Sie an dem nun vorliegenden Gesetzentwurf sehen, sungsrechtlich Zulässigen. Dies sollten diejenigen haben wir Ihre Vorschläge aus den Stellungnahmen unter Ihnen bedenken, die weitergehende Beweis- zum Referentenentwurf und vielen Besprechungen erleichterungen und Eingriffe in den Grundsatz der weitgehend übernommen. freien Beweiswürdigung für erwägenswert halten. Die vollständige Neufassung des Rechts der Ver- Wir sind uns sicher einig, dass die strafrechtliche mögensabschöpfung führt zu zahlreichen verfahrens- Vermögensabschöpfung ein wichtiges Mittel bei der rechtlichen Erleichterungen. Vor allem wird es den Kriminalitätsbekämpfung ist. Die Bundesregierung Gerichten künftig möglich sein, die Entscheidung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dem gerecht über die Vermögensabschöpfung abzutrennen und wird. Ich setze deshalb auf Ihre Zustimmung, damit nach dem Abschluss in der Hauptsache zu treffen. Polizei und Strafjustiz baldmöglichst von den Erleich- Im materiellen Recht halte ich die gesetzliche terungen profitieren und mit den neuen Abschöp- Stärkung und Konkretisierung des sogenannten fungsinstrumenten arbeiten können. (B) Bruttoprinzips für besonders wichtig. Im Kern geht (D) es dabei um die bislang strittige Frage, ob und – ge- gebenenfalls – in welchem Umfang Aufwendungen des Täters berücksichtigt werden müssen. Wir geben der Praxis nun eine klare Leitlinie vor. Ihr liegt fol- Anlage 29 – zu TOP 47 gender Rechtsgedanke zugrunde: Was in Verbotenes investiert wird, ist unwiederbringlich verloren. Im Erklärung Übrigen müssen Aufwendungen hingegen berück- sichtigt werden. Ich weiß, dass es in Ihren Reihen von Staatsministerin Lucia Puttrich nicht nur Zustimmung für unsere Lösung dieses Pro- (Hessen) blems gibt. Ich will deshalb an dieser Stelle Folgen- zu Punkt 47 der Tagesordnung des zu bedenken geben: Eine Änderung im Sinne der kritischen Stimmen würde der Vermögensab- Für Frau Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann schöpfung – jedenfalls teilweise – Strafcharakter ver- gebe ich folgende Erklärung zu Protokoll: leihen. Dies aber würde das Recht der strafrecht- Ich bin froh, dass die jahrelangen Forderungen lichen Vermögensabschöpfung in Gänze in Frage Bayerns und Hessens nach einer effektiveren Aus- stellen. gestaltung des Stalking-Straftatbestandes endlich Von nicht minderer Bedeutung für die Strafrechts- gefruchtet haben. Der Bundesjustizminister hat den praxis ist die grundlegende Reform der Opferent- hessisch-bayerischen Gesetzentwurf in den wesent- schädigung. Das neue Modell gewährleistet eine lichen Teilen übernommen und als eigenen Gesetz- gleichmäßige und gerechte Entschädigung aller Ver- entwurf vorgelegt. letzten. Zugleich befreit es das eigentliche Strafver- Seit langem war klar, dass der Stalking-Paragraf fahren von zeitaufwändigen Entschädigungsfragen. des § 238 StGB der Rechtswirklichkeit angepasst und Vor allem aber schließt der Gesetzentwurf erhebli- von einem Erfolgs- in ein Gefährdungsdelikt umge- che Abschöpfungslücken. Ich will mich aus Zeitgrün- wandelt werden muss, damit wirklich alle Stalking- den auf eine – für unser Recht allerdings fast schon Opfer strafrechtlich geschützt werden können. revolutionäre – Neuerung beschränken. Die bisherige Fassung des Stalking-Paragrafen Wir wollen Polizei und Strafjustiz für den Bereich war unter dem Gesichtspunkt des Opferschutzes des Terrorismus und der organisierten Kriminalität nicht effektiv. Dies belegen sowohl die Statistik, die ein völlig neuartiges Abschöpfungsinstrument an die – trotz einer Vielzahl eingeleiteter Ermittlungsver- 398* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) fahren – nur eine geringe Anzahl an Verurteilungen seine Vorwürfe als Zeuge vorzutragen und gegebe- wegen Stalkings aufweist, als auch die Erfahrungen nenfalls durch einen Eid zu bekräftigen. Dies wird der Praktiker. Durch die bisherige Ausgestaltung des mit der Streichung des § 238 StGB aus dem Katalog Stalking-Paragrafen als Erfolgsdelikt wurden dieje- der Privatklagedelikte vermieden. nigen Opfer, die trotz objektiv erheblicher Nachstel- lungen nicht bereit oder in der Lage waren, ihre Le- Eingehen möchte ich schließlich noch auf den vor- bensgestaltung erkennbar zu verändern und zum liegenden Plenarantrag Niedersachsens. Danach soll Beispiel umzuziehen, schutzlos gestellt. Denn die zukünftig auch in gravierenden Fällen des § 238 Ab- Umstellung der Lebensgewohnheiten des Opfers ist satz 1 StGB, also des unqualifizierten Stalkings, die bislang Voraussetzung für die Gewährung strafrecht- Anordnung von Untersuchungshaft wegen Wieder- lichen Schutzes. holungsgefahr ermöglicht werden. Stalking-Täter üben oft jahrelang Psychoterror auf Es kann aber viele Ursachen haben, warum ein ihre Opfer aus. Wenn sich dann ein Opfer durch den Stalking-Opfer seine Lebensgestaltung nicht verän- Gang zur Polizei dem zwanghaften Macht- und Kon- dern will oder kann. Dies kann an einer ungewöhn- trollbedürfnis des Stalkers zu entziehen versucht, er- lich starken Persönlichkeit liegen oder daran, dass scheint es notwendig, dass die Strafverfolgungsbe- das Opfer auf Grund familiärer, beruflicher oder fi- hörden die Möglichkeit haben, in gravierenden Fällen nanzieller Zwänge schlicht nicht in der Lage ist, eine weitere Eskalation zu verhindern, indem sie den seine Lebenssituation zu verändern und zum Bei- Täter in Untersuchungshaft nehmen. Schlimmsten- spiel umzuziehen. Es kann doch aber nicht sein, falls müssten staatliche Behörden weiterem Terror des dass Opfer, denen faktisch die Möglichkeit zur Än- Stalkers zu Lasten des Opfers tatenlos zusehen und derung ihrer Lebensgewohnheiten fehlt, von straf- das Opfer auf den in einigen Monaten stattfindenden rechtlichem Schutz ausgeschlossen werden. Ein Tat- Gerichtsprozess vertrösten. Die Ermittlungsbehörden bestand, der die Strafbarkeit von der Reaktion des wären darauf beschränkt, weitere Taten des Stalkers Opfers abhängig macht, ist daher – worauf ich seit zu dokumentieren, ohne dem Opfer wirklich helfen zu langem hinweise – für die Zwecke des Opferschut- können. Ein solcher Zustand erscheint unerträglich. zes nicht geeignet. Den niedersächsischen Vorschlag begrüße ich daher. Der vorliegende Gesetzentwurf übernimmt daher Zusammengefasst ist der vorliegende Gesetzent- den bayerisch-hessischen Gesetzesvorschlag und wurf ein wichtiger, längst überfälliger Schritt hin zu sieht nun einen objektiven Maßstab vor. mehr Opferschutz. Hoffen wir, dass die entsprechen- Künftig muss die Handlung des Täters nur noch den Veränderungen nun zügig in Kraft treten! objektiv geeignet sein, die Lebensgestaltung des Op- fers schwerwiegend zu beeinträchtigen, um zu einer (B) (D) strafrechtlichen Verurteilung zu gelangen.

Ich begrüße ebenfalls die Streichung des Stalking- Anlage 30 – zu TOP 47 Paragrafen aus dem Katalog der Privatklagedelikte, wie dies schon vom bayerisch-hessischen Gesetzent- Erklärung wurf vorgeschlagen wurde. Mit der Einstufung eines Delikts als Privatklagedelikt ist nämlich die gesetz- von Staatsminister Prof. Dr. Winfried Bausback geberische Wertung verbunden, dass es sich um ein (Bayern) leichteres Vergehen handelt, welches die Allgemein- zu Punkt 47 der Tagesordnung heit wenig berührt. Diese gesetzgeberische Wertung ist aber für Fälle des Stalkings angesichts der regel- Stalking zählt zu den perfidesten Formen der Kri- mäßig verursachten erheblichen Folgen nicht ange- minalität unserer Tage. Im Mittelpunkt steht das bracht. zwanghafte und destruktive Macht- und Kontrollbe- dürfnis des Stalkers. Der Stalker bemächtigt sich der Im Übrigen müssen dringend Fälle vermieden Lebensführung des Opfers, indem er es auf Schritt werden, in denen einem psychisch erheblich ange- und Tritt überwacht, ihm signalisiert: Ich weiß, wo du griffenen Opfer, das sich hilfesuchend an die Straf- bist und was du tust. Opfer leiden an Angstzustän- verfolgungsbehörden wendet, bedeutet wird, dass den, Schlaflosigkeit, Nervosität und Depressionen. der Staat nicht gewillt ist, den Täter von sich aus zu verfolgen, sondern es dem Opfer selbst überlassen Eine Gesellschaft kann es nicht hinnehmen, wenn bleiben soll, den staatlichen Strafanspruch durchzu- Recht und Gesetz in einem derart bedeutsamen Be- setzen, und dies auch noch auf eigene Kosten. reich nicht den bestmöglichen Schutz für die Opfer bieten. Gerade dies ist nun aber bereits viel zu lange Die Beweisführung in Stalking-Fällen ist regel- der Fall. mäßig äußerst diffizil, da aus einer Mehrzahl einzel- ner Handlungen auf ein Gesamtverhalten des Täters Zwar hat der – maßgeblich auf bayerische Initia- geschlossen werden muss. Entscheidendes Beweis- tive – im Jahr 2007 eingeführte „Stalking-Paragraf“ mittel ist hierbei immer die Aussage des Opfers. Im den Opferschutz sicherlich verbessert. Allerdings ha- Privatklageverfahren hat das Opfer als Privatkläger ben uns die Erfahrungen der Strafverfolgungspraxis jedoch nicht die Stellung eines Zeugen inne. Dies bald gezeigt, dass auf Grund der gewählten gesetzli- kann für das Opfer zu entscheidenden Beweisnach- chen Ausgestaltung bedeutsame Strafbarkeitslücken teilen führen, da es keine Gelegenheit bekommt, geblieben sind. Die Strafbarkeit setzt nämlich voraus, Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 399*

(A) (C) dass der Täter durch sein Handeln beim Opfer eine Anlage 31 – zu TOP 57 schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestal- tung verursacht. Das Opfer muss also umgezogen Erklärung sein, seinen Arbeitsplatz gewechselt haben oder sein Haus kaum mehr verlassen. von Staatsminister Prof. Dr. Helge Braun Das wird dem Unrecht von Stalking nicht gerecht. (BK) Denn Stalking ist vor allem Psychoterror. Das gel- zu Punkt 57 der Tagesordnung tende Recht macht demgegenüber die Strafbarkeit Für Herrn Parlamentarischen Staatssekretär Uwe nicht von der tatsächlich herbeigeführten Beeinträch- Beckmeyer (BMWi) gebe ich folgende Erklärung zu tigung des Opfers abhängig, sondern von der Art und Protokoll: Weise, in der das Opfer versucht, dieser Beeinträchti- gung zu entgehen. Ihnen liegt der Entwurf des Zweiten Bürokratie- entlastungsgesetzes vor. Damit knüpfen wir an die Damit bleiben Opfer ohne Schutz, die trotz mas- Erfolge des ersten Bürokratieentlastungsgesetzes an, siver Nachstellungen kaum Chancen haben, dem Tä- dem Sie im letzten Jahr zugestimmt haben. ter durch Änderung ihrer Lebensweise auszuwei- chen, zum Beispiel weil ihnen einfach das Geld für Mit diesem Gesetz wollen wir „typischen“ Klein- einen Umzug oder Handywechsel fehlt. Oder die betrieben mit zwei bis drei Mitarbeitern den Alltag schlicht standhaft bleiben. Letzten Endes führt dies erleichtern. Besonders im Steuerrecht und bei der zu der misslichen Konsequenz, dass erst das Straf- Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge setzen wir recht bewirkt, was dem Täter nicht gelungen ist: den an – Anhebung der Schwellen für quartalsweise Willen des Opfers zu beugen. Wenn das Opfer straf- Anmeldung der Lohnsteuer sowie vereinfachte Rech- rechtliche Hilfe will, muss es sein Alltagsverhalten nungsstellung, Verkürzung der Aufbewahrungs- ändern. pflichten von Lieferscheinen.

Das geht so nicht! Aus diesem Grund hat Bayern Wünschenswert wäre es, dass die Entlastungen be- bereits im Jahr 2012 den Vorstoß für eine Änderung reits zum 1. Januar 2017 greifen. Dazu müssten Bun- der Gesetzeslage unternommen. Ich habe hierzu wie- destag und Bundesrat das Gesetz bis zum Jahresende derholt Gesetzesanträge zur Reform des „Stalking- beschließen. Paragrafen“ vorgelegt – zuletzt im Frühjahr letzten Jahres – und im Rahmen der Justizministerkonferen- Das Ziel, unnötige Regulierung zurückzufahren, zen für meine Vorschläge geworben. Während mir wird von uns allen geteilt. Zwei Anträge, über die Sie hinter vorgehaltener Hand immer große Zustimmung heute entscheiden, stehen aber aus meiner Sicht die- signalisiert wurde, hat sich die politische Mehrheit sem gemeinsamen Ziel entgegen. (B) gleichwohl dafür entschieden, hier auf Kosten der (D) Opfer von Stalking parteitaktische Spielchen zu trei- Steuerpolitik ben und das Vorhaben zu blockieren. Es wird beantragt, die Aufbewahrungspflichten Der aktuelle Gesetzentwurf der Bundesregierung für Lieferscheine nicht zu verkürzen. In diesem Fall kommt nun zwar spät, aber zum Glück nicht zu spät. würden wir auf eine Entlastung der Unternehmen um Dass er die bayerischen Vorschläge zum Stalking in rund 220 Millionen Euro im Jahr verzichten. Es gibt der Sache ohne Änderungen übernimmt, zeigt, dass gut 600 Millionen Lieferscheine in Deutschland. Das wir hier bereits seit langem auf dem richtigen Weg ist eine ganze Menge Papier. waren. Diesen Weg gilt es nun zu Ende zu gehen. Uns geht es darum, auf eine doppelte Aufbewah- Dabei sollten wir auch die Vorschläge der Bundes- rungspflicht zu verzichten, nämlich dann, wenn sich regierung zur Schaffung eines strafbewehrten Ver- die steuerrechtlich relevanten Informationen bereits gleichs in Gewaltschutzsachen unterstützen. Auch aus der Rechnung ergeben. Nur wenn ein Liefer- dieser Vorstoß verbessert den Schutz der Opfer. Er schein einen Buchungsbeleg darstellt, soll er künftig bedarf in zwei Punkten allerdings der Modifikation. aufbewahrt werden. Die Empfehlungen der Ausschüsse tragen diesen Wir räumen den Unternehmen also eine Option Erfordernissen Rechnung. ein. Wenn sie sie nutzen, sparen sie in großem Um- fang, wenn nicht, bleibt alles beim Alten. Gleichfalls aufgreifen sollten wir die Empfehlung, die Strafdrohung für Verstöße gegen das Gewalt- Es geht aber auch um Verhältnismäßigkeit. Es schutzgesetz anzuheben. Derartige Verstöße können wird kritisiert, Steuerhinterziehung wäre schwerer zu nicht glaubhaft geahndet werden, wenn sie das entdecken. Es geht zum Beispiel um gewährte Ra- Sanktionsmaß oder die Art der Reaktion als Bagatelle batte, die nicht anhand der Rechnung ersichtlich ausweisen. Bei der derzeitigen Höchststrafe von ei- sind. nem Jahr Freiheitsstrafe besteht aber genau diese Gefahr. Lieferscheine zu erstellen ist keine gesetzliche Pflicht. Wohl aber gibt es eine Aufbewahrungspflicht. Ich hoffe auf einen zeitnahen und erfolgreichen Sie wird damit begründet, dass sich aus den Liefer- Abschluss der längst überfälligen Reform. Ich bin scheinen vielleicht Anhaltspunkte für Steuerhinter- überzeugt, dass hiermit ein wichtiger Schritt zur Stär- ziehung ergeben, obwohl die Informationen bereits kung der Rechte betroffener Opfer verbunden ist. durch die Rechnungen vorliegen. 400* Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016

(A) (C) Ich bitte Sie daher, dem entsprechenden Antrag Anlage 33 – zu TOP 77 nicht zu folgen. Erklärung Bundesredaktion Ein zweiter Antrag betrifft das Thema Bundesre- von Minister Franz-Josef Lersch-Mense daktion. Der Bund stellt den Ländern standardisierte (Nordrhein-Westfalen) Informationen für Internetportale zur Verfügung. Bei zu Punkt 77 der Tagesordnung diesem Projekt ziehen Bund, Länder und Kommunen Für Herrn Minister Johannes Remmel gebe ich fol- an einem Strang und setzen gemeinsam auf Standar- gende Erklärung zu Protokoll: disierung. Alle Verwaltungsebenen in Deutschland sollen einheitliche Informationen zu Leistungen der Vor sechs Jahren sind die in der 39. BImSchV fest- öffentlichen Hand bereithalten. Dadurch kommt es gelegten Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid zu weniger Nachfragen und schnellerer Bearbeitung. in Kraft getreten. Aber in vielen Ballungsräumen tre- Der Aufwand für die Erstellung der Informationen ten auch heute noch Grenzwertüberschreitungen wird um ein Vielfaches reduziert. auf. Zum Gesundheitsschutz müssen daher zusätzli- che Minderungsansätze geprüft werden. Deutlich Durch einen gesetzlichen Auftrag sehen wir uns macht das auch das laufende EU-Vertragsverlet- noch stärker in der Pflicht, unseren Beitrag zeitnah zungsverfahren. zu leisten. Wir begrüßen es auch, dass die Länder die Bundesredaktion weiter aufwerten wollen. Der wesentliche Grund für die Überschreitungen des NO -Jahresgrenzwertes sind die hohen Emis- Aber auch hier gilt: Wir brauchen eine effiziente 2 sionen von Dieselfahrzeugen. Dieselfahrzeuge müs- Lösung. Das heißt, dass die Bundesredaktion Leis- sen daher im Fokus der Maßnahmen stehen. Das hat tungsinformationen dort bereitstellt, wo sie tatsäch- auch das aktuelle Urteil des Verwaltungsgerichtes lich benötigt werden. Das ist zum Beispiel nicht der Düsseldorf nochmals deutlich gemacht. Fall, wenn eine Information von Ländern und Kom- munen nicht nachgefragt wird, nur einen besonders Demzufolge müssen zum Schutz der Gesundheit kleinen Adressatenkreis betrifft oder bereits in ge- alle Möglichkeiten der Emissionsminderung geprüft eigneter Weise verfügbar ist. Jede mögliche Leistung werden. Fahrverbote sind ein Ansatz. Sie würden aber zu beschreiben ist nicht wirtschaftlich und sicher vor allem diejenigen hart treffen, die im Vertrauen auf auch aus Sicht der Länder nicht erforderlich. Des- Herstellerangaben auf vermeintlich emissionsarme wegen bitte ich Sie auch in diesem Fall, dem Antrag Dieselfahrzeuge gesetzt haben. Die Erkenntnisse im nicht zu folgen. Zusammenhang mit dem Abgasskandal haben ge- zeigt, dass die realen Dieselfahrzeugemissionen deut- Vielmehr bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu lich höher sind als nach den Zulassungsvorschriften (B) dem Gesetz, damit wir die Wirtschaft weiter gemein- (D) erwartet. Es ist unstrittig, dass die Fahrzeughalter sam entlasten. nicht zu verantworten haben, dass ihre Fahrzeuge nicht die vorgeschriebenen Abgasemissionen aufwei- sen. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen hier- für nicht bestraft werden. Es sind vielmehr die Auto- mobilhersteller, die dafür sorgen müssen, dass ihre Anlage 32 – zu TOP 63 Fahrzeuge die gesetzlich festgelegten Werte einhal- ten. Erklärung Nachhaltige Verbesserungen der Luftqualität in von Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks Städten sind nur mit emissionsarmen bzw. -freien (Hamburg) Antrieben zu erreichen. Trotz eines inzwischen um- zu Punkt 63 der Tagesordnung fangreichen Angebots kommt die Elektromobilität aber bei uns noch immer nicht richtig in Fahrt. Laut Die Länder Hamburg, Berlin, Hessen und Sachsen- Kraftfahrt-Bundesamt besaßen am 1. Januar 2016 Anhalt geben folgende Erklärung ab: von den 45,1 Millionen Pkw in Deutschland nur rund Die Länder Hamburg, Berlin, Hessen und Sachsen- 156 000 Fahrzeuge, also 0,3 Prozent, einen Elektro- Anhalt sprechen sich gegen die in dieser Form ge- oder Hybridantrieb. plante Liberalisierung der quantitativen Werbebe- Diese Zahl zeigt deutlich, dass jedes verfügbare schränkungen im Fernsehbereich aus (Artikel 23 Instrument genutzt werden muss, um die Flotten- Absatz 1). Es stehen dadurch negative Auswirkun- durchdringung mit emissionsfreien Fahrzeugen zu gen auf die Verlagswirtschaft zu erwarten, da damit beschleunigen. Mit dem Umstieg auf elektrisch be- zu rechnen ist, dass bei gleichbleibenden Werbe- triebene Fahrzeuge können wir die Schadstoffbelas- budgets mehr Fernsehwerbung in der zuschauerstar- tung senken. Der Schutz der Gesundheit hat Vor- ken Abendzeit („Primetime“) gebucht werden wird. rang. Eine schnelle Flottenmodernisierung hin zu Bund und Länder haben sich im Zwischenbericht der einer emissionsarmen Mobilität bringt uns diesem Bund-Länder-Kommission zur AVMD-Novellierung Ziel näher. im Dezember 2015 dafür ausgesprochen, bei der De- regulierung von Werbung andere Medienmärkte im Die unlängst beschlossenen verbesserten europäi- Blick zu behalten. Dem trägt der vorliegende Vor- schen Abgasgrenzwertregelungen für Pkw werden schlag nicht ausreichend Rechnung. erst in der Zukunft greifen und beziehen sich nur auf Bundesrat – 948. Sitzung – 23. September 2016 401*

(A) (C) Neufahrzeuge. Da jährlich nur etwa 6 Prozent aller sen wissen, für welche Fahrzeugmodelle unter wel- Kfz neu zugelassen werden, ist für die aktuelle Luft- chen Bedingungen und zu welchen Zeitpunkten qualität vor allem das Emissionsverhalten der Be- Nachrüstoptionen zur Verfügung stehen könnten. Ge- standsfahrzeuge von entscheidender Bedeutung. nau das ist Gegenstand des eingebrachten Antrags. Die Abgasemissionen des Flottenbestands könn- Nachrüstoptionen für Dieselfahrzeuge bieten die ten durch die Nachrüstung mit geeigneten Abgas- Möglichkeit der Minderung der Emissionen an der nachbehandlungsanlagen gesenkt werden. Grund- Quelle. Ihre Umsetzung könnte durch verschiedene sätzlich ist dies technisch möglich, aber Kosten- Anreizsysteme unterstützt werden. Eine Verknüpfung Nutzen-effiziente Nachrüstsysteme „von der Stange“ mit Nutzervorteilen für emissionsarme Fahrzeuge stehen noch nicht zur Verfügung, und wichtige über Plakettenregelungen ist nicht zwangsläufig vor- Grundsatzfragen sind ungeklärt. Diese betreffen Zer- gegeben. Es gilt, losgelöst von dieser Diskussion zu tifizierung, Überwachung und Dauerhaltbarkeit, zu- agieren. Gerade diese Notwendigkeit hat auch das lassungsrechtliche Fragen (Verlust der Pkw-Typzu- Urteil des VG Düsseldorf herausgestellt. lassung bei mit der Motorsteuerung gekoppelten Nachrüstsystemen), Kostenübernahme und Förder- Ich bitte Sie daher, den eingebrachten Antrag zu mittel. unterstützen. Hierzu muss die Bundesregierung jetzt Stellung nehmen und Lösungsansätze unterbreiten. Wir müs-

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