LÄNDERBERICHT Konrad-Adenauer-Stiftung e.V.

REPUBLIK MOLDAU SVEN-JOACHIM IRMER ANDREI AVRAM

Juli 2015 Pro-europäische Parolen und www.kas.de/moldau stagnierende Reformen

NEUE REGIERUNG IN DER REPUBLIK MOLDAU

Der neue Premierminister der Republik Institutionen, die Wiederherstellung der In- Moldau heißt Valeriu Streleț. Am 30. Juli tegrität des Landes (d.h. die Lösung des 2015 sprach das Parlament der Republik Transnistrien-Konfliktes), die Gewährleis- Moldau einer neuen Regierung das Ver- tung qualitativ hochwertiger Bildung und trauen aus, die von einer Koalition, beste- Gesundheit, die Dezentralisierung und Ver- hend aus der Demokratisch-Liberalen Par- waltungsreform und die Gewährleistung der tei (PLDM), der Demokratischen Parteien wirtschaftlichen, finanziellen und energeti- (PDM) und der Liberalen Partei (PL), ge- schen Sicherheit der Republik Moldau. stellt wird und somit eine Wiederauflage der bereits zwischen 2009 und 2013 zwei Obwohl die neue Koalition sich deklarativ Mal regierenden Allianz für Europäische weiterhin dem Ziel der europäischen In- Integration darstellt – demnach heißt das tegration verpflichtet und bis Ende 2017 das jetzige Bündnis „Allianz für Europäische Assoziierungsabkommen mit der EU voll- Integration 3“. Streleț ist ehemaliger ständig zu implementieren beabsichtigt, Fraktionsvorsitzender der PLDM und folgt zeugten die Koalitionsverhandlungen im auf Chiril Gaburici, der im Juni zurückge- Vorfeld eher davon, dass die wichtigsten treten war und eine Minderheitsregierung politischen Akteure in der Republik Moldau der PLDM und PDM geführt hatte. Die Vi- auf die Beibehaltung des Status Quo abzie- zepremierministerin und Außenministerin len – insbesondere im Bereich der Rechts- Natalia Gherman war daraufhin zur Inte- staatlichkeit und bei der Frage nach Umset- rims-Premierministerin ernannt worden. zung notwendiger Reformen. Dabei befindet sich das Land in einer wirtschaftlich desola- Zu den ersten Prioritäten seiner Regierung ten Lage. Vor dem Hintergrund der politi- erklärte Streleț die Wiederaufnahme der schen Instabilität haben der Internationale Beziehungen zu den sog. „Entwicklungs- Währungsfonds und die Weltbank bereits im partnern“ (d.h. zu den internationalen Geld- Juni die Zusammenarbeit mit der moldaui- gebern, ohne deren Unterstützung das Land schen Regierung ausgesetzt – aber allen vor dem Ruin stehen würde), die Unter- voran, weil es keinen erkennbaren politi- zeichnung eines neuen Abkommens mit schen Willen gab, den größten Bankenskan- dem IWF, die Kooperation mit der EU, die dal in der moldauischen Geschichte aufzu- Aufklärung der Situation des Bankensek- klären, bei dem drei Staatsbanken Verluste tors, der im Frühjahr durch einen Finanz- von 1 Mrd. US-Dollar eingefahren hatten. skandal erschüttert worden war und die Letzteres hatte auch zu Straßenprotesten in Umsetzung von sozialen Projekten. Streleț Chișinău geführt. stellte fest, dass sich das Land in einer Krise befinde. Das 55-seitige Regierungspro- Die PLDM hatte zunächst die ehemalige Bil- gramm legt zudem sieben mittelfristige Pri- dungsministerin Maia Sandu für das Amt der oritäten fest: die Erhöhung des Wohlstands Premierministerin nominiert. Sandu, die in der Bürger, die Bekämpfung der Korruption, der Vergangenheit selbst für die Weltbank die Reform der Justiz und rechtsstaatlicher tätig gewesen war, hatte sich als überzeug-

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Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. te Reformerin erwiesen – u.a. führte sie bei tete, die u.a. für die drei o.g. Banken Prü- der landesweiten Prüfung eine flächende- fungen durchgeführt hatte, ohne auf etwai- REPUBLIK MOLDAU ckende Video-Überwachung ein, um der bis ge Verstöße hinzuweisen. Misstrauisch be- SVEN-JOACHIM IRMER dato weit verbreiteten Korruption ein Ende äugt wird auch die Übernahme des Justiz- ANDREI AVRAM zu setzen und schaffte es auch, nach jahre- ministeriums durch die PDM – in der Person langem politischen Streit ein neues Bil- des jetzigen Interim-Managers der Moldaui- Juli 2015 dungsgesetz durchzusetzen, das eine Mo- schen Eisenbahn, Vladimir Cebotari. Die dernisierung des Bildungswesens nach eu- Umsetzung der Justizreformen, welche ent- ropäischen Standards vorsieht. Ihrem Ruf scheidend vom zuständigen Ministerium ab- www.kas.de/moldau als Reformerin entsprechend, hatte Maia hängt, ist eine wichtige Bedingung für wei- Sandu an die Übernahme des Amtes öffent- tere Unterstützung durch die westlichen lich Bedingungen geknüpft: die Entlassung Partner. des Generalstaatsanwalts und des Gouver- neurs der Nationalbank (Institutionen, die Unterdessen fand am vergangenen Sonntag u.a. ihre Pflichten bei der Aufklärung bzw. der erste Kongress der von Ex- Verhinderung der o.a. Lage der Banken ver- Premierminister Iurie Leancă gegründeten nachlässigt haben), ein Mitspracherecht bei Europäischen Volkspartei der Moldau der Ernennung von Ministern und ein Be- (PPEM) statt, bei dem Leancă zum Vorsit- kenntnis der Vorsitzenden der Koalitionspar- zenden gewählt wurde. Zu seinem Team teien zu den notwendigen Reformen – in gehören u.a. der ehemalige Vizepremiermi- Anwesenheit der Vertreter internationaler nister für die Reintegration des Landes, Eu- Partnerinstitutionen. Insbesondere diese gen Carpov und der prominente Konflikt- letzte Auflage soll vor allem die PDM nicht und Sicherheitsexperte Oazu Nantoi. Vor akzeptiert haben. Gleichzeitig scheint es, einigen Tagen hatte auch der PLDM- dass sich auch die PL keine Premierministe- Abgeordente Nicolae Juravschi den Übertritt rin im eigentlichen Sinne des Wortes zur PPEM vollzogen, sodass die neue Partei wünschte. Der Vorsitzende der Liberalen, nunmehr über drei Parlamentsmitglieder Mihai Ghimpu, sagte diesbezüglich in einer verfügt. Nun steht die Registrierung der Fernsehsendung, dass „der Premier vor uns PPEM an, welche vom Justizministerium ge- verantwortlich ist, nicht wir [vor ihm]“. nehmigt werden muss.

Die Ablehnung der Kandidatur von Maia Sandu dürfte ein Zeichen sein, dass sich die Regierungsparteien einen fügsamen Regie- rungschef wünschen, der lediglich im Auf- trag der Koalition die Regierungsgeschäfte leitet, ohne aber die verfassungsrechtlichen Befugnisse de facto auszuüben. Diese Deu- tung wurde zumindest indirekt vom nun- mehr ins Amt gewählten Valeriu Streleț be- stätigt. Er erklärte, dass er die Nominierung akzeptiert habe, „weil er der Partei [gegen- über] loyal sei“.

Inwieweit die neue Regierung tatsächlich ihre Ziele erreichen wird – und auch errei- chen möchte – ist fraglich. Etliche Mitglieder im neuen Kabinett waren in der Vergangen- heit in unterschiedliche Korruptionsskandale verwickelt, darunter der Verteidigungsmi- nister Anatol Şalaru (PL), der früher als Verkehrsminister fungierte, oder der Wirt- schaftsminister Stephane Bride (PDM), der die moldauische Filiale einer Auditfirma lei-