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Version, 1.3, 2020 (erste Version 2. 2. 2010) http://fheh.org/images/fheh/material/relativismusld.pdf Lutz Danneberg Wissenschaftsbegriff und epistemischer Relativismus im Nationalsozialismus Teile dieser Untersuchung habe ich während meiner Zeit im FRIAS geschrieben. 1 0. Gang der Argumentation....................................................................................................3 1. Allgemeiner Problemhintergrund: NS-Wissenschaftsauffassung und Relativismus.........4 1.1 Zur Erforschung der NS-Wissenschaftsauffassung................................................4 1.2. Das philosophische Problem des Relativismus....................................................36 2. Die Voraussetzungen und die Besonderheit der angestrebten NS-Wissenschaftsauf- fassung..................................................................................................................................62 2.1 Relativistische Zuschreibungen............................................................................62 2.2 Relativität und Physik. Max Born, Max Planck, Bruno Thüring........................111 3. Genesis und Geltung......................................................................................................130 3.1 Die Priorität des Kollektivs.................................................................................130 3.2 Kollektive Stile: Genesis mit und ohne Geltung.................................................173 3.3 Existentieller Relationalismus............................................................................187 3.4 Deutsche Physik..................................................................................................193 4. Theoretische Konsequenzen und praktische Probleme der neuen Wissenschafts- auffassung...........................................................................................................................200 5. Der Krieg als Zäsur........................................................................................................263 6. Die Reichweite des Artgemäßen: Nationalökonomische Debatten zur ,Überwindung‘ des Relativismus.................................................................................................................325 6.1 „Orte des ,Allgemeinen‘“ (Erich Rothacker, Walter Eucken)...........................326 7. Antworten und Reaktionen auf Nicolai Hartmanns Preisfrage Die inneren Gründe des philosophischen Relativismus und die Möglichkeit seiner Überwindung für die Preußische Akademie der Wissenschaften 1936................................................................384 7.1 Zum Vorlauf zu der Frage und zu Nicolai Hartmann.........................................384 7.2 Die Preisfrage von 1936.....................................................................................403 7.3 Eduard May.........................................................................................................405 7.4 Johannes Thyssen und die Reaktionen...............................................................480 7.5 Hartmanns letzte Positionierung vor 1945 und seine Konzeption der philoso- phischen Anthropologie............................................................................................504 8. Nachgedanken................................................................................................................524 2 0. Gang der Argumentation Die im Jahr 1936 von Nicolai Hartmann für die Preußische Akademie der Wissenschaf- ten initiierte Preisfrage über „Die inneren Gründe des philosophischen Relativismus und die Möglichkeit seiner Überwindung“ ist in ihrer Bedeutung für die nationalsozialisti- sche Wissenschaftsauffassung nur dann angemessen zu verstehen, wenn man die vor und nach 1933 geführten Diskussionen über einen epistemischen Relativismus mit in die Betrachtungen einbezieht. Bevor daher im Folgenden die Preisfrage und insbeson- dere die zwei prämierten Antworten von Eduard May und Johannes Thyssen ins Zen- trum der Analyse gestellt (7.3) (7.4) werden, geht es zunächst um eine Skizze des phi- losophischen Problemhintergrunds eines dem Anspruch nach radikal mit der Tradition brechenden Wissenschaftskonzepts, zu dem auch die Frage nach den Problemen eines epistemischen Relativismus gehört (1). In einem zweiten Schritt (2) werden am Beispiel ausgewählter Diskussionsstränge die Voraussetzungen und Besonderheiten der ange- strebten NS-Wissenschaftsauffassung konturiert: Dabei geht es unter anderem um den an Max Weber (1864-1920) anschließenden Werturteilsstreit1 über die Voraussetzungs- losigkeit beziehungsweise Weltanschauungsbindung von Wissenschaft, um die in na- hezu allen Disziplinen, insbesondere auch in der Physik geführte Auseinandersetzung mit der ,Krise‘ der Wissenschaften sowie um den Versuch, Genesis, Erhalt und Geltung von Wissen an kollektive Bezugsgrößen zu binden, um auf diesem Wege ein nichttra- ditionelles Konzept wissenschaftlicher Güte zu formulieren. In einem dritten Schritt werden die theoretischen Konsequenzen und praktischen Probleme der Fundierung die- ser Genesis-Geltung-Relation im Rahmen des neuen, ,artgemäßen‘ Wissenschaftskon- zepts diskutiert (3) und die Bemühungen nachgezeichnet, die neue Wissenschaftsauf- fassung durch den Nachweis einer ,Deutschen Linie des Denkens und Fühlens‘ zu recht- fertigen. Im nächsten Abschnitt (4) werden die Probleme, die sich bei einer solchen Wissenschaftsauffassung stellen analysiert. Am Beispiel der mit großer Heftigkeit ge- führten, philosophisch grundierten nationalökonomischen Debatten lässt sich zeigen, 1 U.a J. Alberto Ciaffa, Max Weber and the Problems of Value-free Social Science: A Cirtical Examination oft he Werturteilsstreit. Lewisburg 1998 3 wie kontrovers sich die Reichweite des ,Artgemäßen‘ gestaltet. Hier manifestieren sich nicht zuletzt die engen Verflechtungen von philosophischen und gesellschaftspoliti- schen Problemstellungen, vor deren Hintergrund erst die Brisanz der akademischen Preisfrage sichtbar wird. Besonders einschneidende Konsequenzen besitzt die neue Wis- senschaftsauffassung für den auswärtigen, bilateralen, internationalen Wissensaus- tausch. Der Krieg (und seine Erfolge) bedeutet zum einen eine Abschwächung von Aspekten dieser Wissenschaftsauffassung wie er ihre Verstärkung bedeuten konnte. In beiden Fällen zeigt sich, wie aktuelle politische Entwicklungen sich in theoretischen Konzipierungen in der Zeit niederschlagen (5). Die Auseinandersetzung über Aspekte der Wissensauffassung lassen sich zwar in allen Disziplinen finden, aber in einigen aus- geprägter als in anderen. Als Beispiel wird auf Momente der Auseinandersetzung in der Nationalökonomie eingegangen (6). Zwei grundverschiedene Antworten auf die Preis- frage von 1936 werden ausführlicher analysiert und eine Reihe von Stellungnahmen erörtert (7). 1. Allgemeiner Problemhintergrund: NS-Wissenschaftsauffassung und Relativis- mus 1.1 Zur Erforschung der NS-Wissenschaftsauffassung In den letzten beiden Jahrzehnten ist der nationalsozialistischen Wissenschafts- und Hochschulpolitik erhebliches Forschungsinteresse zuteil geworden – gerichtet sowohl auf Entwicklungen und Wandlungen in einzelnen Disziplinen als auch auf neugeschaf- fene Organisationsformen. Zur Erklärung von Besonderheiten wird dabei immer wieder auf eine Wissenschaftsauffassung verwiesen, die einen besonderen Charakter besitze, zwischen 1933 und 1945 dominiere und wesentlichen Einfluss auf die Wissenschafts- planung sowie auf die restriktive Erörterung von Wissensansprüchen in der institutiona- lisierten Forschung genommen habe. Demgegenüber überrascht, wie wenig Aufmerk- samkeit sowohl die Analyse eines Wissenschaftsbegriffs, der diese Wissenschaftsauffas- sung begründen soll, als auch die Versuche und die Fortune seiner Durchsetzung ge- 4 funden haben. Dabei ist die Frage nach der Wissenschaftsauffassung, ob es sie gegeben hat und wie sie sich gestaltet, von der Frage zu unterscheiden, ob es eine Wissenschafts- politik und –organisation gegeben hat. Wenn bei der letzten Frage nicht stillschweigend Qualifikationen angenommen werden, etwa eine konsequente oder kohärente oder was auch immer, dann hat es dergleichen fraglos gegeben. Das damit ist noch keine Antwort auf die erste Frage gegeben, nicht einmal ,prädisponiert‘. Es wird sich zeigen, dass es nach 1933 zumindest ein Bestimmungselement gibt, durch das nicht allein einige der mehr oder weniger gängigen Elemente der Wissen- schaftsauffassung in veränderter Perspektive erscheinen, sondern das die Grundlage darstellt für den Versuch, eine radikal mit der Tradition brechende Wissenschaftsauf- fassung zu etablieren und dass dabei Wissensansprüche vertreten werden, die diesem neuen Element zu einer (quasi-)empirischen Fundierung verhelfen sollen. Nun beruhen generell Vorstellungen vom Wissenschaftsbegriff nicht auf einer schlichten, mehr oder weniger wohlbestimmten Definition. Wohl immer handelt es sich um eine Komplexion mitunter sogar wenig heterogener Annahmen, die eine Wissenschaftsauffassung ebenso konturieren wie plausibilisieren sollen und die auf einer Vielzahl unterschiedlicher Wis- sensansprüche beruhen. So ist dies denn auch zwischen 1933 und 1945 bei dem avisier- ten radikal neuen Konzept von Wissenschaft der Fall, wie es aber auch für solche Kon- zepte von Wissenschaft gilt, die in der Zeit koexistieren oder auch konkurrieren. Trotz mannigfacher Ähnlichkeiten in der sprachlichen Rahmung, unter Umständen sogar hin- sichtlich der terminologischen Prägung, gibt es allerdings nur ein einziges Wissen- schaftskonzept, das in spezifischer