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Mitteilungen der Magnrs - Hirschfeld - Gesellschaft Nr. 15, Mai 1991 Inhalt

Chronik 3

Gesa Lindemann: Konstruktion des Geschlechts 5

Hans Lehfeldt Norman Haire (1892-1952) 19

Manfred Baumgardu Ein Bericht über neue Funde im Zentralen Staatsarchiv Potsdam 23

Pressespiegel 30

Ralf Dose: Aufklärungen überrrDie Aufklärung" - Ein Werkstattbericht 31

Vortragsanktrndigung 43

Hans-Günter Klein: Beiträge zu einer Bibliographie der unselbständigen Veröffentlichungen Kurt Hillers 4. Literarische Arbeiten 1910 - l. August 1914 44

Ralf Dose: rrlnterdisziplinäre Aspekte des Verhältnisses der Geschlechter in einer sich wandelnden Zeittt - (rcein) Tagungsbericht 52

Rezensionen und Literaturhinweise 55

Zum Hirschfeld-Artikel in der rrEncyclopedia of Homosexualitytl 58

nitteilmgen der ltlagnrs+lirschfeld-Geseltsctnft ISSil ßaL5811 Heft 15, 7. Jafrrgarg 1991, mai 1$11 (Im Jahre 1990 ist kein Heft erschienen) rmitteitungenr Die uerden herausgegeben von der tYlagnus-Hirschfeld-Gesellschaft e.V.r Groß- beerenstr. 13a, 1000 61. Redaktion: RaIf Dose. Namentlich gekennzeichnete Beiträge stehen in der Verantrrnrtung der Autorlnnen.

EinzeJ.preis DlYl 6r- (inff. Porto). Für Mitglieder und Förderer der lYlagnus-Hirschfeld- Gesellschaft ist der Bezug der t{Ylitteilungenr im Beitrag enthalten.

Konto der lYlagnus-Hirschfeld-Gese]lschaft'. eostanroamt Berlin tlest (BLz 1m 1m 10) trh. 47 tß 31 - 1m Chronik

Dieses Heft der Mitteilungen erscheint verspätet. Wir bitten die Säumigkeit zu ent- schuldigen und werden uns bemühen, künftig wieder regelmäßiger zu erscheinen.

Seit dem Frühjahr 1990 bemtiht sich die Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft in Gesprächen mit dem Rektor der Humboldt-Universität zu Ebrlin, Professor Dr. Heinrich Fink, um Neugrändung eines lnstihrts für Sexualwissenschaft bzw. für Geschlechter- und Sexualverhältnisse an seiner Universität. Der Rektor hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt, an der wir beteiligt sind, und diese gebeten, ihm eine Vorlage zu schreiben, mit der er universtätsintern die Institutsgründung vorantreiben kann. Das Ergebnis der Arbeits- gruppe soll dem Rektor demnächst vorgelegt und dann öffentlich diskutiert werden.

Das kurzfristige Angebot des ersten Teils einer größeren sexualwissenschaftlichen Bi- bliothek im Antiquariat machte es Ende 1990 notwendig, um Spenden und öffentliche Zuschüsse zum Erwerb einiger Bächer zu bitten, die Besitzvermerke des früheren hirschfeldschen Instituts tragen. Mit Hilfe der eingegangenen Spenden und Zuwendun- gen vom Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen der Senatsverwaltung für Frauen, Jugend und Familie, des GA der Alternativen Liste und des Ökofonds konnten die drei Bände von Havelock Ellis mit Wi&nung an Hirschfeld ebenso erworben werden wie das seltenerweise nahezu vollständig angebotene Jahrbuch für sexuelle Zwischen- stufen, das jetzt als Arbeitsexemplar in der Bibliothek der Magnus-Hirschfeld-Gesell- schaft zur Verfügung steht. Wir danken allen Spenderinnen und Spendern auch an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich.

Das firr die Arbeiten am Nachlaß von Dora Russell benutzte Bibliotheksprogramm er- laubte auch die Katalogisierung der Bücher in der kleinen Bibliothek der MHG sowie die Erfassung der (meist in Kopie vorliegenden) Zeitschriftenaufsätze Hirschfelds, sei- ner Zeitgenossen und der Sekundärliteratur. Alle Einträge stehen jetzt sowohl als Kar- tei als auch als Datenbank zur Verfügung. Die Sammlung der Kopien von Arbeiten Hirschfelds erheblich vergrößert. Aufgrund einer Bücherspende von privater Seite ver- fügt die Gesellschaft jetzt über eine kleine Sammlung aktueller sexualwissenschaftli- cher Literatur.

Im Sommer 1990 fand mit bombastischem Bezug auf Hirschfeld und sein Institut die Third Inter- national Berlin Conference on Sexology statt; einen Tagungsbericht von Ralf Dose enthält Heft 4/1990 der Zeitschrift für Sexualforschung.

Zusammen mit dem Schwulen Museum Berlin konnten wir am 25.7.1990 Professor Richard Plant zu einem Vortrag einladen; er sprach bei dieser Gelegenheit über die unterschiedlichen (Über-)Lebensbedingungen verschiedener Emi- grantengruppen in den USA.

Der Streit um die Gedenktafel ftlr Hirschfeld in Charlottenburg ging weiter; der Volksbil- dungsausschuß der BVV Charlottenburg hat emp- fohlen, zusätzlich eine Tafel mit der Erwähnung von Hirschfelds Engagement für die Homosexuel- len auf öffentlichem Straßenland in der Otto- Suhr-Allee 93 anbringen zu lassen, wenn die Hausverwaltung nur den unvollständigen Text duldet. Die Kreissynode des Ev. Kirchenkreises Charlottenburg hat auf Initiative der Ökumeni- Tagesspiegel, 22.7 .1990, S. 15 schen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) die Forderung nach einer voll- ständiger Würdigung der Arbeit Hirschfelds auf der anzubringenden Gedenktafel unter- stirtzt und die Mehrheitsfraktionen in der Bezirksverordnetenversammlung (SPD, AL) waren sich einig. Aber die Bezirksbtlrgerrneisterin Monika Wissell (SPD) konnte sich mit der doppelten Tafel nicht anfreunden; geschehen ist seit dem Spätsommer 1990 nichts.

Mit dem Vorsitzenden der aus dem Magnus-Hirschfeld-Arbeitskreis beim Kulturbund der DDR entstandenen Magnus-Hirschfeld-Gesellschaft für Sexualwissenschaft und humanitäre Lebenskultur, Prof. Dr. Reiner Werner, gab es einen längeren Briefwech- sel - der z.T. auch über einen Anwalt gefuhrt werden mußte - wegen der Usurpation des Namens der Gesellschaft. Prof. Werner hat schließlich zugesagt, den NamenrrMa- gnus- H irschfeld- Gesel lschaftrf nicht wei t er zu verwenden.

Hörfunk: SFB II, 14. Mai 1991, 20.05: Magnus Hirsch- 'S \ feld. Eine Sendung von cahiers Beatrice Schilling

Fernsehen: Ayse Malekshahi: West 3/Ruckbtende: rrJa, dtrr- prEsentent ä lroccasion du Bicentenaire : fen Sie denn überhaupt heiraten?'r 29. Mai 1991, Cahier I (b1eu) : Ics Enfans de Sodone ä 22.30-22.45 Uhr. (Wie- lrAssenbl6e Natiouale. Anonyme, 1790. 60p. Cahier II (blanc) : les petits Bougres au derholungen Nord 1. 3, Manöge. Anonyme. 179i. 60p. 3 i11,. Juni 1991, 17.45 Uhr und Cahier III (rouge) : Vie publique et privee f; 3. Juni 1991, 10.45 Uhr) du ci-derriäre Harquis de Yillette. 1192. 5Op Cahier IV (mauve) : Ia Libert6 ou Mel1e7 Raucourt. Epitre ä une jolie lesbienne. Apologi-e de 1a secte rnandsyss. 1791- 60p. Ie num6ro : 39ff pr6sentent pour 1990 sa Collection [e s. : Cahier f[-1 : LtHomoserualit6 en li.Lt6rature. N" sp6cial de 1a revue Harges (Mars 1926). Pr6face de i./iI1y tir6e du Troisiöme Sexe.lo.op.49t Cahier XX-2-3 : Les Homoseruels de Berlin, Magnus Hirschfeld. 1908. 110p. 49F. C,ahier XX-4 : Ics M6ooires du Baron Jacques, lubricit6s infernales de 1a noblesse d6caden- te. A. Gallais. Paris I9O4 (?). Pamphlet 6rotique conEre Adelsward-Fersen, 1e h6ros de 1'Exi16 de Capri, de R. Peyrefltte. R6ac- tions de L. Tailhade, Jarr y . , . 49ff.. N" Hors-s6rie : Almanach des honn6tes Fe*es, 1790. 40p. 29F. Offert aux abonnEs 199O! cd h ie r s GKC ABONNEMENT (4 N" au choix): 150 ff porl: comPris. Au num6ro, Prix indiqu6 + 10f port- A l'ordre de GKC BP 122 - F 59027 Lille cedex. CCP Li.11e 71394 X. Ou encore chez tous les bons libraires. Konstruktion des Geschlechtes* )

Gesa Lindemann

Geschlecht ist eine sichtbare Wirklich- nur um die soziale Konstruktion von Ge- keit. Wenn wir Menschen sehen, sehen wir schlechtszugehörigkeit, sondern meine Frauen und Itlänner. Die Differenz von Frage zielt darauf, wie der Mensch ein Mann und Frau ist allgegenwärtig und geschlechtliches Wesen ist. Ich halte die untrbersehbar. Damit diese Wirklichkeit Unterscheidung zwischen Natur und Kul- existiert, muß sie einerseits gesehen tur, die in diesem Zusammenhang oft rrerden, d.h. jeder und jede von uns muß gemacht wird, für wenig sinnvoll, ebenso diese Wirklichkeit wahrnehmen. Zum an- wie diemodernere Variante, die Differen- deren muß diese Wirklichkeit von uns zierung zwischen biologischem Substrat allen zur Erscheinung gebracht werden. und dessen sozialer Überformung. Mein Jeder und jede hat sich entsprechend Ziel ist es, Begriffe zu entwickeln, die seinem und ihrem Geschlecht darzustel- diese Differenz überflüssig machen, ohne len. dabei den Körper des Menschen in eine bloße Vorstellung zu verwandeln. Das soll Geschlecht ist eine sel tsame Wirklichkeit. gleich weiter ausgeftihrt werden. Zu- Einerseits gehöre ich einem Geschlecht nächst möchte ich die Ergebnisse einer an. Das Geschlecht hat also mich. Ande- Studie vorstellen, die Garfinkel riber eine rerseits ist das Geschlecht ein Teil von noch nicht operierte Mann-zu-Frau-TS mir. Ich habe also mein Geschlecht. Zur geschrieben hat, die schon vor der Ope- Aufklärung dieser verworrenen Besitz- ration zwei Jahre als Frau gelebt verhältnisse hat die Psychoanalyse bei hat. (l) ihren Forschungen zum Thema Trans- sexualität (tS) wictrtige Beiträge gelei- stet. Das wesentliche dieser Erklärung ist Die Thesen Garfinkels die Bezugnahme auf frühkindliches Erle- ben. Ohne die Wichtigkeit dieser Arbeiten Garfinkel sieht das Geschlecht als unbe- bestreiten zu wollen, würde ich gerne die fragten Grund eines sicheren sinnvollen Fragestellung verändern. In fast allen Alltagshandelns. Um die Tragweite dieser Arbeiten zum Problem des Geschlechtes These zu veranschaulichen, ist es zweck- wird als sicher gewußt vorausgesetzt, was mäßig, die Rede vom Grund zunächst in das ise Geschlecht. Diese Selbswerständ- ihrer unmittelbaren materiellen Bedeu- lichkeit möchte ich zum Phänomen ma- tung zu verstehen. Schon um wählen zu chen. können, in welche Richtung ich gehen möchte, muß ich den materiellen Boden - Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist ganz einfach den Fußboden, die Erde -, die EthnomethodologieHarold Garfinkels. auf dem ich stehe, als fest und sicher Er legt den Schwerpunkt daraut daß Ge- voraussetzen. Ich darf nicht anfangen, schlecht eine von den Gesellschaftsmit- dartrber nachzudenken, ob der Boden gliedern hergestellte Wirklichkeit ist und unter mir plötzlich nachgeben könnte, ob fragt sich: Wie vollbringen die Gesell- er sich auftut o.ä. Wenn das so wäre, schaftsmitglieder diese Wirklichkeit? In könnte ich nicht mehr selbstverständlich Anlehnung an Garfinkel versuche ich in handeln, sondern wäre nur noch damit einem zweiten Schritt herauszuarbeiten, beschäftigt, den Boden unter meinen wie Geschlecht als körperliche Wirklich- Füßen daraufttin zu untersuchen, ob er keit in einer Situation existiert. Auf diese fest ist. Ich könnte keinen Schritt mehr Weise soll der etwas verwegene Titel des tun. Vortrages eingelöst werden: rrKonstruk- tion des Geschlechtes.rr Es geht mir nicht Gewöhnlich glauben wir daran, daß die

:|'. ) Vortrag, gehalten bei den 9. Psychotherapiewochen in Breitenstein, Ermatingen, 3.- 15. Juli 1989. Eine kürzere Fassung erschien in: Praxis der Psychotherapie und Psychoso- marik 35( 1990), 272-283. Erde bis auf weiteres hält, glauben be- voneinander, daß sich jeder und jede bei denkenlos, daß der Boden, auf den wir jeder Handlung darauf bezieht. Der Bezug morgens beim Aufstehen treten, fest und aufdie Hintergrundstruktur Geschlecht i st sicher ist. Diese unmittelbare Gutgläu also ein doppelter. Ich tue dies, um die bigkeit ist die Voraussetzung für prakti- Handlungen anderer einordnen zu können sche alltägliche Wahlen: zuerst aufs Klo und mache mich auf der anderen Seite gehen und dann Kaffeewasser aufsetzen durch meine Reaktion, die einem be- oder umgekehrt, welchen Lippenstift stimmten allgemeinen Verhaltensstil folgt, nehme ich, mache ich heute blau, oder für die anderen als Geschlechtswesen was auch immer. berechenbar und verständlich. Jede und jeder stellt sich auf diese Weise als gut- Gemäß der Schützschen Theorie des All- gläubiges und verff auenswürdi ges Gesel I- tagslebens (2) sind uns die grundsätzli- schaftsmitglied dar, das sich nicht nur chen Strukturen des Alltags fraglos und heute von der Hintergrundstruktur Ge- selbstverständlich. Wir vertrauen auf sie schlecht leiten Iäßt, sondern schon immer, bis auf weiteres genau so fest und unum- und es auch für immerdar tun wird. stößlich wie auf die Stabilität der Erde. Nach Garfinkel ist das Geschlecht eine Struktur dieses Grundes, an den jeder/ Wahrnehmen jede glaubt und der für alle die unbeding- te Voraussetzung rationalen, sinnvollen Wenn man die Hintergrundstruktur Ge- Handelns ist. Er bezeichnet das Ge- schlecht in ihrer Wirksamkeit weiterge- schlecht als Struktur des sozialen Hinter- hend verständlich machen will, ist es grundes, der von allen in jeder Situation erforderlich, das Wahrnehmen des Ge- gemacht wird. Dabei ist das Präsens schlechtes anderer und das Sich-Erschei- wichtig. Soziale Strukturen lagern sich nen-machen als geschlechtliches Wesen nicht im Individuum ab und führen dort ein als sozial vermittelte körperliche Wirk- statisches Dasein, sondern sie werden von lichkeit zu verstehen. Bei der Beschrei- den Individuen in Situationen geschaffen. bung der Wahrnehmung orientiere ich Um im Bild zu bleiben: Wir nageln den mich an den Grundeinsichten, die die Fußboden fest und können ihn deswegen Phänomenologie in der Folge Husserls als Thema unserer Aufmerksamkeit weit- formuliert hat. gehend vernachlässigen und in Ruhe Kaffee kochen. Um die Art der Wahrnehmung zu be- Durch Verhalten, Mimik, Gestik, Spre- schreiben, möchte ich ein Beispiel aus chen usw. bestätigen wir unentwegt, meiner eigenen Erfahrung anftihren. Ich welchem Geschlecht wir angehören und bin in einer Ausstellung, habe mich kurz verlangen dies auch von allen anderen, hingesetzt und schaue den anderen Besu- etwaige Zweifel müssen sofort geklärt chern beim Betrachten der Exponate zu. werden. Falls das nicht möglich sein Links von mir sehe ich ein paar Meter sollte, gerät die betreffende Person mit weiter eine Person, groß, sehr schlank, ihrem zweifelhaften Geschlecht zwar in eher knabenhafte Figur. Für den Bruch- den Zustand des Unbestimmten, bleibt teil einer Sekunde schwanke ich, dann aber prinzipiell bestimmbar. Das perma- sehe ich eindeutig eine Frau. Es ist ir- nente Klären und Bestätigen, welchem gendwie der Gesamteindruck der Silhou- Geschlecht wir angehören, wird fast nie ette, ich sehe sie von hinten, die Art sich zum Thema der Aufmerksamkeit, sondern zu bewegen in ihrem Verhältnis zu Kör- geschieht unbemerkt, wie nebenbei. pergröße. All das faßt sich zusammen in: eine Frau. Diese Frau erscheintdurch alle Jeder produziert diesen Hintergrund; er Facetten und Perspektiven, in denen ich bezieht sich in seinen Handlungen darauf, sie von Augenblick zu Augenblick ent- indem er nicht nur eine Handlung aus- decke. Es ist immer wieder sie, die ich führt, sondern sie in der Weise eines sehe, in der knabenhaften Figur genauso, Mannes ausführt. - Das gleiche gilt um- wie im Wiegen ihrer Hüften, als sie zum gekehrt für Frauen. Alle Personen bezie- nächsten Bild weitergeht. Diese weibliche hen sich in jeder Situation bei jeder Person ist der Gegenstandspol, das X, das Handlung auf die von ihnen gemachte die Eigenschaften, die erscheinen, hat. Tatsache Mann und Frau und alle fordern Plötzlich dreht sie sich um, ich sehe ihr Gesicht. Dunkle Punkte, Haare im Ge- verweist. Von dem Objekt her bestimmen sicht. Die Person kommt näher, ich sehe sich meine Erwartungen an die zukünf- die Struktur der Haut, es ist wirklich ein tigen Erscheinungen und ich ordne sie ihm sprießender Dreitagebart. Die Form der solange zu, wie es irgend geht, denn es ist Hände. All das spielt sich ebenfalls in ja das Objekt, daß diese Reihe von Er- weniger als einer Sekunde ab. Auf einmal scheinungen zusammenhält und ihnen erscheint mir auch der Hüftschwung ihren Sinn gibt. Das Wahrnehmungsding irgendwie weniger weiblich. Meine Wahr- ist in einem Bezug zur Zukunft fundiert. nehmung schlägt ufl, ich sehe einen Ohne diese Dauer hätten die Erscheinun- Mann, mittelgroß, mit weichen Bewegun- gen keinen Zusammenhalt. In meinem gen. Obwohl mich die Art sich zu bewe- Beispiel zeigt sich auch, daß es ebenso in gen, für einen Mini-Moment wieder einem Bezug zur Vergangenheit fundiert schwanken läßt, als ich ihn von hinten ist. Ich habe nicht zwei Personen §esehen: sehe. Trotzdem bin ich überzeugt, daß erst eine Frau und dann einen Mann, ich jetzt richtig gesehen habe. Es ist ein sondern eine Person, die mir erst als Frau Mann mit verblüffend weichen Bewegun- und später als Mann erschien. gen. Als ich mit Freunden über diese Begegnung spreche, erfahre ich, daß er Die Wahrnehmung ist also sowohl aktiv ein relativ bekannter Travestiekünstler ordnend als auch passiv. Ich muß mich ist. vom Objekt beeindrucken lassen, damit rrfor- ich es verstehe. Jeder Gegenstand Dieses einfache Beispiel zeigt zweierlei. derttr, in der ihm gemäßen Weise wahrge- Einmal, daß dieWahrnehmungein Tun ist, nommen zu werden. Es gibt die rechte das auf ein Objekt aus ist und nicht nur Nähe und die rechte Ferne, die rechte Erscheinungen zur Kenntnis nimmt; die Perspektive usw. Wenn er nicht unter den einzelnen Erscheinungen verstehen sich ihm gemäßen Bedingungen wahrgenom- von diesem Objekt her. Es gibt also den men wird, kann er falsch wahrgenommen Bezug der einzelnen Erscheinungen zu- werden. Falsch wahrzunehmen, wenn man einander und den Bezug der Erscheinun- nicht in der rechten Weise gesehen hat, gen auf das wahrgenommene Objekt, den ist weniger schlimm, als wenn man genau Kern, der die verschiedenen Eigenschaf- hingesehen hat, in der dem Gegenstand ten, die erscheinen, hat. Die fortschrei- angemessenen Perspektive usw. und sich tende Entzifferung des Objekts ist nicht dann vertut. Auf die soziale Dimension beliebig, ich muß dem Objekt folgen und des rechten, dem Gegenstand angemesse- bin dabei vor Überraschungen nicht si- nen, Wahrnehmens werde ich später cher. Die Wahrnehmung des Objekts hat eingehen. Hier liegt der Akzent darauf, etwas Unabschließbares, darin liegtseine daß dem Gegenstand das sozial vermittel- Selbständigkeit. In dieser Hinsicht hatder te Sehen nicht bedingungslos aufgezwun- wahrgenommene Geschlechtskörper teil gen werden kann. Die Beziehung zwi- an der allgemeinen Widerständigkeit der schen Gegenstand und Wahrnehmungssub- erscheinenden Dinge. Er ist ein physi- jekt ist doppelseitig, das darf nicht ver- sches Faktum. Der grundlegende Unter- gessen werden bei der Untersuchung schied zu den unbelebten Dingen besteht soz ialer Wahrnehmungsprozesse. darin, daß die Person ein aktives, gestal- tendes Verhältnis zu ihrer Außenfläche Der eben beschriebene Wahrnehmungsirr- hat. Sie erscheint nicht nur, sie macht tum war harmlos. Sowohl für mich, die ich sich erscheinen. Über der Tatsache der nicht richtig gesehen habe, als auch für menschlichen Belebtheit darf aber nicht die wahrgenommene Person, die ich we- vergessen werden, daß auch dermensch- der durch die eine noch durch die andere liche Körper noch ein physisches Ding ist, Wahrnehmung verletzt habe. Gravieren- und daß sich einige seiner Eigenschaften der ist es, wenn solche Wahrnehmungs- nur dadurch verstehen lassen. schwierigkeiten im Bereich des eigenen intimen Selbstverständnisses auftreten. Der Bezug der Wahrnehmung zu ihrem Das zeigt das Erlebnis einer ts Frau, die Gegenstand ist zeitlich. Die wahrgenom- nach der Operation mit einem Mann mene Person erscheint in einer Perspekti- schläft. Am nächsten Morgen sagt sie ve, die einerseits auf die vorhergehenden ihm, daß sie eine genitalumwandelnde und auch aufdie folgenden Erscheinungen Operation hintersich hatund fragt ihn, ob er das gemerkt hätte. Er ist überrascht einfach nur, aber ein Mensch hat zu sei- und Iäßt sich nicht wieder bticken. (3) ner erscheinenden Außenseite ein aktives Den versteckten Wunsch nach Anerken- Verhältnis, er macht sich erscheinen. nung der transsexuellen Geschichte, der Diese Mitte, die sich erscheinen macht, in der Frage enthalten ist, lasse ich hier kann allerdings nicht für sich dinglich er- außer Acht. Mir geht es nur um folgendes: faßt werden. Wenn man etwa einen Mann Dieser Mann hat zweifellos sehr genau sieht, kann man den Mann, der sich durch hingeschaut. Mit allen Sinnen hat er seine den Körper darstellt, nicht von diesem Liebespartnerin wahrgenommen und trotz Körper isolieren. Die Mitte gibt sich nur dieser synästhetischen Wahrnehmung in durch den sichtbaren Körper, fällt also der rechten, dem Gegenstand angemesse- mit ihm zusammen und andererseits geht nen, Weise hat er falsch wahrgenommen. sie nie auf in einer einzelnen Perspektive, Er läßt sich nichtmehr blicken, obwohl er die man auf einen Körper hat. Versetzen vorher dieser Frau über einen gewissen wir uns in dieMitte, so ergibtsich analog, Zeitaum den Hof gemacht hat. daß wir im Augenblick nur durch die aktuelle Darstellung sind, aber als Mitte, Um die Aktivität des wahrnehmenden sagen wir der Einfachheit halber als Subjektes und die Bedeutung der sinn- Selbst, nie darin aufgehen. Das Selbst, lichen Vermitteltheit der Wahrnehmung das seinen Körper als Mittel des Sehens zu akzentuieren, beziehe ich mich auf den und Darstellens hat, hat diesen Körper als Begriff der exzentrischen Positionalität seinen Leib. Wenn ich im Weiteren ohne Plessners. Zusatz von Leib oder leibhaftem Agieren spreche, dann meine ich diesen von innen gehabten Körper. Exzentrische Positionalität Das leibliche Agieren reicht aber nicht Der Begri ff der exzentrischen Positionali- aus, um die menschliche geschlechtliche tät unterscheidet drei Ebenen. Die Ebene Wirklichkeit zu verstehen. Dazu ist die des Körpers, des Wahrnehmungsdinges, dritte Ebene erforderlich, die der exzen- die Ebene der zentrischen Positionalität, trischen Posirionalität. Die einfache die Ebene der exzentrischen Positional- Ieibliche Selbstbezüglichkeit hat der tiät. Die zentrische Positionalität meinr Mensch mit den Tieren gemein. Als ein In-sich- Reflektiert-sein des Körpers, Mensch ist er aber nichtnur Leib, sondern d.h., auf der Ebene der zentrischen Posi- hat zu sich als Leib einen reflexiven tionalität gibt es nichtmehr nur den Kör- Bezug. Das ist die Bedingung dafür, daß per, sondern dieser Körper hat sich selbst er sich als leibliches Wesen als wahrge- als das Mittel seines Weltbezuges. nommen erfährt. Übertragen auf das hier interessierende Wenn der Leib wahrgenommen wird, Problem des Geschlechtes ergibtsich fol- werden wir als Mitte, als Selbst, wahr- gendes. Geschlecht muß wahrgenommen genommen und nicht als bloßes Wahr- werden und jeder und jede muß sich ent- nehmungsding. Dieses Wahrgenommen- sprechend seinem Geschlecht darstellen. Werden ist nicht nur faktisch, sondern es Medium des Wahrnehmensund Darstellens wird als solches erfahren; ich erfahre ist der Körper. Er ist das Mittel, mit dem mich also nicht nur als gesehener Körper, ich wahrnehme und mit dem ich mich aus- sondern als gesehenes Selbst mit bestimm- drücke und darstelle. Diesen selbstbezttg- ten Absichten und Intentionen auf die lichen Körper bezeichnet Plessner als Situation, das den Körper als seinen Leib Leib. Wenn man diese Selbstbez üglichkeit hat. Damit diese Erfahrung möglich ist, in einer räumlichen Metaphorik aus- darf der Mensch nicht in seinem leiblichen drückt, könnte man es so sagen: Damit Selbst aufgehen, sondern er muß sich von der Körper Medium sein kann, muß er ein seinem leiblichen Selbst distanzieren Innen haben, eine Mitte, die sich in und können. Dies nennt Plessner Exzentizi- durch ihn ausdrttckt und darstellt. Noch in tät, nämlich aus der Mitte aus dem leib- dieser räumlichen Ausdrucksweise wird haften Zentrum herausgesetzt. über die der Unterschied eines lebendigen Men- zentrische Instanz seines Selbst ist der schen zu einem einfachenWahrnehmungs- Mensch hinaus, er geht nicht in ihr auf. gegenstand deutlich. Ein Stein erscheint Plessner spricht davon, daß das Selbst auf einen Ich-Pol bezogen ist, der nie seiner- Vergegenwärtigen wir uns Elkes Situa- seits Gegenstand werden könne.Ich halte tion. Sie kommt mit ihrer Freundin in den die Formulierung Ich-Pol fttr etwas un- Raum, in dem der Workshop stattfindet. glücklich, weil sie suggeriert, daß es sich Dort begegnet sie ungefähr l5 ihr völlig um einen für sich bestehenden Pol han- unbekannten Leuten, die sie flüchtig delt. Der Ich-Pol hat aber nur mit Bezug grtißt, wobei sie kein Feed-back erhält, auf das leibliche Selbst Bestand. Das Tier das für sie diegeschlechtliche Einordnung ist nur leibhaft auf die Welt bezogen. Der ausreichend klären wirrde, dann ziehen Mensch ist ebenfalls Leib und als solcher sich alle um, d.h., sie muß sich vor ihr auf die Welt bezogen, aber zugleich ist er völlig unbekannten Leuten bis auf den von sich als Leib distanziert. Er geht Slip ausziehen. Sie berichtet davon so: nicht in dem leibhaften Bezug zur Welt auf. Das ist die Voraussetzung dafür, daß ffAm Anfang war ich mir nicht ganz si- er diesen Bezug gegenständlich erfassen cher, wie ich eigentlich eingeschätzt kann. Wenn ich im weiteren ohne Zusatz werde: als Mann oder als Frau.Irgendwie von Körper rede, meine ich den Leib, der hatte ich das Gefühl, daß ich bei den ftrr den Ich-Pol zum Körper werden Teilnehmern ftrr einen Mann gehalten kann. (4) Diese Überlegungen der phä- werde. Das lag auch daran, daß wir uns nomenologisch orientierten philosophi- zusammen umgezogen haben und ich dann schen Anthropologie möchte ich für eine immer im Slip dastand. Ich habe den ande- Analyse der Wirklichkeit des Geschlech- ren zwar immer den Rücken zugekehrt, tes des Menschen verwenden. aber vielleicht haben sie ja doch etwas gesehen. Von so Sachen wie Cache-Sex hatte ich noch keine Ahnung, und weil Situationsanallne klar war, daß wir viel Körperarbeit ma- chen wrtrden, wollte ich nicht mitPflaster Die umfängliche theoretische Klärung rumkleben oder das Geschlechtsteil sonst war erforderlich, um die folgende Situa- irgendwie wegquetschen Manchmal tionsschilderung in ihrer Komplexität zu hatte ich auch das Geftrhl, daß man mir so verstehen. In dieser Schilderung gibt es halb versteckt zwischen die Beine guckt. zwei Hauptpersonen und mehrere wichti- Das kann aber auch Einbildung gewesen ge Nebenakteure. Die eine Hauptperson sein ... Eine komische Athmosphäre war ist die lch-Erzählerin, eine Mann-zu- das.tt Frau-TS, also eine ts Frau, ich nenne sie im weiteren Elke. Die andere Hauptper- Bis zu dem Zeitpunkt, wo die Teilnehme- son ist eine nicht-ts Freundin Elkes - ich rlnnen sich umziehen, handelt es sich um werde sie Claudia nennen - die Elke eine gewöhnliche Interaktionssittration, soweit als Frau akzeptiert, daß sie gram- die für das Darstellen und Sehen des matisch das weibliche Geschlecht ver- Geschlechts zwar eine gewisse Fertigkeit wendet, wenn sie von EIke spricht. Elke erfordert, wo es aber immer die Möglich- war zum Zeitpunkt der Erzählung noch keit gibt, Mißstimmigkeiten mit guten nicht operiert, nahm aber seit ca. einem Gründen aus der Welt zu schaffen. Wtrrde Jahr weibliche Hormone und gestaltete jemand EIke auf die tiefe Stimme anspre- ihren Alltag mit überwiegendem Erfolg in chen, reichte es wahrscheinlich schon aus, der weiblichen Rolle. Fehleinschätzungen daß Elke darauf besteht, eine Frau zu waren zu dieser Zeit aber noch so häufig, sein und dem Betreffenden gegentlber daß sie sich eigentlich erst nach einem nachsichtig konzediert, daß es anderen positiven Feed-back sicherwar, ob sie als auch schon passiert sei, sie wegen ihrer Frau gesehen wird. Stimme ftir einen Mann zu halten. Diese einfache Möglichkeit, die Situation in Elke und Claudia sind Schauspielerinnen. einem guten Zustand zu erhalten, gibt es Nach ihrer offiziellen Ausbildung nahmen nicht mehr, seit sie im Slip dasteht. Im sie auch an verschiedenen Workshops teil, Slip bilden sich unübersehbar Penis und die in der freien Theaterszene angeboten Hoden ab. Es geht nicht mehr um die werden.ln dem folgenden Bericht erzählt Darstellung von Geschlecht, sondern der Elke von dem für sie ersten Workshop Körper als geschlechtlich eingeordneter dieser Art, dessen Gegenstandein intensi- wird selbst sichtbar. Wir haben es hier ves Körper- und Stimmtraining war. also mit einer jener bevorrechtigten Per- spektiven auf den Gegenstand zu tun, die EIke gesehen, und zwar als Mann. Vor es ermöglichen, den Gegenstand in der diesem Blick sind ihre Möglichkeiten, sich rechten Weise zu sehen. Wie EIke später als Frau darzustellen, nichts wert, d.h., herausgefunden hat, hätte es durchaus sie erfährt sich als leiblich handelnde Techniken gegeben, das S ichtbar-werden Person, die sich als Frau erscheinen ma- von Penis und Hoden zu vermeiden, aber chen könnte, zu einem männlichen Kör- die kannte sie damals noch nicht. EIke per gemacht. Etwas wogegen sie glaubt, steht also im Slip da, und weil Penis und nichts mehr ins Feld führen zu können, Hoden sichtbar sind, hat sie rrdas Gefühl, denn nur wenn die anderen vielleicht doch daß die anderen Teilnehmer sie für einen nicht gesehen haben, was sie objektiv fur Mann halten.tt Gesagt hat es ihr niemand; jedermann ist, kann sie noch Erfolg darin Elke glaubt, daß jeder und jede, derldie haben, als Frau zu gelten. Damit ist für sie im Slip siehg sie für einen Mann hal- sie ihr Körper nicht nur das Material, mit ten muß. dem sie sich als Frau erscheinen machen kann und der ihr mehr oder weniger Hin- Was bedeutet das? Wenn die anderen Elke dernisse dabei in den Weg legt. Sondern im SIip sehen, sehen sie etwas, das dies- ihr Körper ist für sie unmittelbar in ein seits aller Darstellung liegt. Elke ist als soziales Bedeutungssystem integriert. bloße physische Erscheinung sichtbar. Je- mand, der sie so sieht, sieht sie so, wie sie Mit Plessner kann man sagen, daß Elke jeder und jede an seiner Stelle auch sehen ihren Körper hat, sie hat ihn als Medium könnte. Dies läßt sich mithilfe der des Wahrnehmens und Darstellens undhat Schützschen IGeneralthese der wechsel- - wie sich zeigen wird - auch eine gewis- seitigenPerspektivenrr näheruntersuchen. se Fertigkeit, sich als Frau erscheinen zu Die Generalthese der wechselseitigen machen. Aber als Körper wird sie von den Perspektiven faßt die "Vertauschbarkeit anderen und vor allem von jedermann ge- der Standpunkterf und dierrKongruenz der habt. Dieser von allen und jedem und Relevanzsystemerr zusammen. (5) Ver- jeder gehabte Körper ist als männlicher tauschbarkeit der Standpunkte meint, daß Geschlechtskörper die Voraussetz ung von ein anderer, wäre er an meiner StelIe, die Elkes leiblichem Verhalten als Frau. Elke Dinge in derselben Perspektive sähe, wie ist für sich selbst bis ins Mark durch die ich sie sehe. Wenn wir in dieser Perspek- soziale Beziehung bedeutet. Sie ist für tive auch mit einander kongruenten Rele- sich selbst diese sozial vermittelte Objek- vanzsystemen sehen, ist es sicher, daß wir tivität Mann, und nur, wenn es keiner auch die Dinge und ihre Eigenschaften in gemerkt hat, darf sie sich erlauben, weiter identischer Weise sehen. Wir leben also eine Frau zu spielen. Die vorgesellschaft- alle in einer sozial vermittel ten objektiven liche Natur des Männlichen und des Wirklichkeit. Die Dinge der Alltagswelt Weiblichen ist selbst als körperliche sind für uns dieselben. Unterschiede kön- Wirklichkeit nichts als ein abgestandener nen wir vernachlässigen. Kalauer.

Mit Plessner läßt sich dies für die sinn- Das, was bei Elke im Widerspruch zuein- liche Wahrnehmung präzisieren. Meine andersteht, undvielleicht auch eine mehr Sinne vermitteln mir die Welt, ich wachse oder weniger subtile Disharmonie ihres in einer bestimmten Umwelt auf und lerne Verhaltens und Empfindens begründet, von daher, daß dies und jenes an einem bildet bei Nicht-TS eine harmonische Objekt wesentlich und praktisch für mich Einheit und ist so die Garantie eines von Bedeutung ist, ferner daß-sich diese ebenso selbstverständlich natürlich wir- praktische Bedeutung in einer bestimmten kenden Verhaltens und Empfindens. Perspektive erschließt. Da nicht nur meine Sinne diese Wahrnehmungsschule durchgemacht haben, sondern die Sinne Sprache aller, leben wir in einer gesellschaftlich konstruierten objektiven Wirklichkeit. Wie grundlegend EIke durch die Erfah- rung ihrer Objektivität bestimmt wird, Von diesem Jedermanns-Blick, der durch läßt sich daraus ersehen, daß sie, sogar die Generalthese der wechselseitigen nachdem sie sprachlich ein positives Perspektiven garantiert ist, erfährt sich Feed-back erhalten hat, sich immer noch nicht sicher ist, als was sie angesehen zeichnen ist. Da es sich um eine Hilfe- wird. Um das zu verstehen, muß man die stellung handelt, die bei einer Körper- Bedeutung der betreffenden Außerungen übung gegeben wird, übergibt sie mit untersuchen. diesen Worten buchstäblich einen weibli- chen Körper an den Assistenten, dem Elke berichtet davon, daß sie Körper- gegenüber sich der Assistent so zu ver- übungen machten, bei denen die Hilfe- halten hat, wie sich ein Mann in einer stellung eines Partners/einer Partnerin Trainingssituation einem weiblichen Kör- erforderlich war. Sie hat diese Übungen per gegenüber zu verhalten hat. Sie defi- mit Claudia zusammen gemacht. Elke niert mit diesen Worten die körperliche hatte dabei das Gefühl, daß irgendetwas Beziehung zwischen Elke und dem Assi- nicht richtig ist. Als der Assistent des stenten als eine körperliche Beziehung Leiters kam, um sich die Arbeit der bei- zwischen einem Mann und einer Frau. Die den anzuschauen, sagte Claudia zu ihm: Frau, die EIke auf diese Weise in der rrKannst Du das nicht mal machen, ich Sprache geworden ist, ergreift von EIke mache immer etwas fatsch bei ihr.rr Elke körperlich Besitz, was Elke sobeschreibt: hat die Übung dann mit dem Assistenten rr diesesselbstverständliche rihrr von Clau- gemacht. Die Aussage von Claudia kom- dia ging mir durch und durch.r' Dieses Be- mentiert sie: r!dieses selbstverständliche sitzergreifen wird noch verstärkt, weil tihrt von Claudia ging mir durch und der Assistent Elke selbswerständlich durch. Der Assistent hat sich auch nicht berührt. gewundert." Vollig sicher ist sie sich aber erst nach folgender Begebenheit: Elke Dadurch, daß Claudia Elke im Bereich fragt den Assistenten, ob es möglich der Sprache als Frau etabliert hat, wird wäre, noch weitere Workshops bei ihnen Elke situationsüberdauernd bestimmt. zu machen. Der Assistent sprichtmit dem Claudia macht Elke nicht nur für den Leiter darüber und sagt mit Bezug auf Assistenten zur Frau. Der Assistent ver- Elke: rrSie möchte noch einen weiteren steht Claudia so, daß sie nicht nur für ihn Workshop bei uns machen.tt Elke als Frau bezeichnet, sondern für jeden und jede. Claudia macht durch ihre Wie sich aus dem Gespräch zwischen Bemerkung EIke für jeden und jede und A ssistent und Workshop- Leiter ergibt, hat alle zur Frau. Sie tut dies ohne jeden Elke durchaus richtig vermutet, daß der Zusatz alltäglich und selbswerständlich. Assistent die Außerung Claudias nicht Elke berich tet z.B. keine besondere Beto- bezweifelt. Claudias: rrKannst Du das nung des weiblichen Pronomens. Elke nicht mal machen, ich mache immer etwas wird also zur Frau, die keines weiteren falsch bei ihrrr, bezieht sich direkt auf die Kommentars bedarf, damit spricht Claudia Arbeitssituation. Sie rahmt, um mit Goff- Elke auch den richtigen Ge- man zu sprechen, diese Aussage als nicht schlechtskörper zu, d.h., Claudia bezeugt alarmierend, alltaglich und selbstver- Elkes Geschlecht als allgemein. Der As- ständlich. Elkes situative Reaktion, bes- sistent versteht Claudias Aussage auch ser die gesamte Erscheinung ihres situa- genau in dieser ein fachen Selbstverständ- tiven Reaktionsstils, ist ebenfalls so liehkeit. Er nimmt Elke selbstverständlich selbstverständlich arbeitsam, daß kein als Frau wahr und bezeugt sie gegenüber Verdacht aufkommt. Mit der Aussage, dem Leiter selbswerständlich als Frau. Hich mache etwas falsch bei ihrrr, stellt Claudia die Arbeit in das Zentrum ihrer Aussage. Nebenbei stellt sie fest, daß Das Problem des Zusammenhanges von Elke eine Frau ist. Weil sie diese Fest- Obiektkonstanz, §zialer Vermittlung und stellung nur als nebenbei zu bemerkende Sprache Selbstverständlichkeit Erifft, stellt sie gleichfalls fest, daß Elke nicht nur für sie, Geschlecht existiert auf verschiedenen sondern auch ftir jeden und jede an ihrer Ebenen. Es ist einmal wahrgenommen als Stelle eine Frau wäre. Weiter stellt sie wesentliche Eigenschaft einer Person. dadurch fest, daß Elke für jeden und jede, Zweitens ist es als wahrgenommener der oder die an ihrer Stelle stünde, eine Körper vermittelt durch einen jedermann, Frau wäre, die gegenüber dem Assisten- und schließlich ist es eine durch Sprache ten selbswerständlich als Frau zu be- bezeugbare Wirklichkeit. Alle drei Ebe- nen sind wichtig, um das situationsüber- habe, sehe ich die Dinge nicht nur so, wie dauernde der geschlechtlichen Wirklich- sie mir gegenwärtig erscheinen, sondern keit zu verstehen, sie begründen die Ob- ich sehe sie so wie sie jedem und jeder an jektivität des Geschlechtes. Diese Form meiner Stelle erscheinen würden. Einem der Objektivität ist fundiert in der exzen- Wesen, das unfähig zu dieser Distanz ist, trischen Positionalitäg d.h., die exzen- muß die ethische und soziale Dimension trische Positionalität ist die formale verschlossen bleiben. Bin ich aber zu Struktur, die die Objektivität des Ge- dieser Distanz fähig, habe ich eine gewis- schlechtes in der beschriebenen Weise se Verantwortung dafür, daß die gemein- ermögIichr. same Wirklichkeit des Alltags für alle erhalten bleibt. D.ie menschliche Wahrnehmung bezieht die Erscheinungen auf einen Kern, der die In diesen Zusammenhang gehört auch die Vielzahl der gegenwärtigen, vergangenen Sprache. Die Sprache meint den Sach- und zukünftigen Erscheinungen trberdau- verhalt. Das Wort, das ein Ding bezeich- ert. Es bleibt immer derselbe Gegenstand, net, zielt auf den Kern der Erscheinun- der mir erscheint, auch wenn ich ihn in gen, nicht aufeine einzelne Erscheinung. verschiedenen Perspektiven und verblüf- Das Wort gibt dem Kern die entscheiden- fenden neuen Ansichten wahrnehme. Ich de Stütze gegen seine Erscheinungen, tiberschreite die gegenwärtige Erschei- ohne allerdings mit dem Kern zusammen- nung auf das Objekt hin, das erscheint, es zufallen. Der Kern, der Bezugspunkt der ist dieses Objekt, das ich wahrnehme. verschiedenen Erscheinungen, geht zwar Diese Art der Wahrnehmung setztvoraus, nie in einer einzelnen Erscheinung auf, daß der Mensch nicht nur unmittelbar auf aber er bleibt an die Erscheinungen ge- die Umwelt bezogen ist und in dieser bunden, er existiert nicht unabhängig von unmittelbaren Beziehung aufgeht,sondern ihnen. Das Wort ist von der Sache abge- daß er sich von der unmittelbaren Bezie- hoben. Das Wort tMannr fälIt nicht mit der hung distanzieren kann. Er nimmt also den sinnlichen Erscheinung vor meinen Augen Gegenstand nicht nur als praktische An- zusammen, aber es ist die Stütze dieses forderung, d.h. als eine Möglichkeit, sich Kerns, die er braucht, um losgelöst von im Feld zu verhalten, etwa als etwas, das seinen Erscheinungen erfaßt zu werden. umgriffen werden kann, oder mit dem Die Abstraktion, die in der menschlichen geworfen werden kann. Ftrr den Men- Dingwahrnehmung liegt, ist also nur eine schen ist der Gegenstand auch aus dem andere Bezeichnung für die Sprachge- Feld und den Erfordernissen des unmittel- stütztheit der Wahrnehmung. Vermittels baren praktischen Handelns herauslösbar der Sprache hat der Mensch also einer- und als solcher zu betrachten. Der Ge- seits Zugang zu der Welt, unabhängig von genstand kann aus dem situationsbeding- einem praktischen Erfordernis, und ten Beziehungsgefüge herausgelöst wer- gleichzeitig verhüllt die Sprache das den und auf Abstand betrachtet werden. Ding, u.a. dadurch, daß sie als Stütze des Diese Abstraktionsleistung, die in der Kerns die Wahrnehmung leitet und von Wahrnehmung liegt, ist die Voraussetzung daher eine Verführung darstellt, die da-für, daß der Gegenstand als Kern Wahrnehmung von der lebendigen Bezie- wahrgenommen wird, an dem immer neue hung zu den Gegenständen abzutrennen Eigenschaften entdeckt werden können. und nur noch das wahrzunehmen, was Darin ist der Überschuß, die Fülle, des wahrgenommen werden soll. Realen begrUndet. (6) Die Beziehung auf den daüernden Kern garantiert, daß Jetzt läßt sich die ethische Dimension der Gegenstand die Situation tiberdauert; besser verstehen. Wenn Claudia Elke vor im Untersch-red zur Erscheinung, die ich dem Assistenten als Frau bezeichnet, sagt gerade wahrnehme, wird der Kern meine sie nicht nur eüwas über EIke aus, sondern aktuelle Wahrnehmung überdauern. sie gibt der Wahrnehmung des Assistenten ein Leitschema, das seine Wahrnehmung Die gleiche Distanzierung, die die Selb- organisiert, wenn er sich Elke nähert. Da ständigkeit der Dinge verbürgt, ermög- das Wort die Wahrnehmung organisiert, licht die soziale und ethische Dimension greift Claudia buchstäblich in die Wirk- der Wahrnehmung. Durch die Distanz, die lichkeit des Assistenten ein. Er wird dazu ich zu meinem unmittelbaren Weltbezug angehalten, das nicht wahrzunehmen, was einer Einordnung Elkes als Frau wider- gehen: da sich die beiden Frauen offen- sprechen könnte, bzw. es so wahrzuneh- sichtlich kennen, ist es eher wahrschein- men, daß es dieser Einordnung nicht lich, daß sie voneinander nicht nur glau- widerspricht. ben, sondern wissen, daß sie Frauen sind und da sie dies nach außen selbstver- ständlich kundtun, daß sie Frauen sind, Das rplusr an gutem Glaubenund Vertrau- die über das objektive Geschlecht ver- enswärdigkeit fügen.

Bisher lag der Schwerpunkt der Analyse Bei den beiden Frauen stellt sich das Pro- darauf, die Objektivität der geschlecht- blem etwas komplizierter dar. Für Clau- lichen Wirklichkeit zu skizzieren. Dabei dia ließe sich das so beschreiben: zeigte sich, daß das objektive Geschlecht Claudia glaubt, daß der Assistent gut- dem willentlichen Zugriff der Person gläubig und vertrauenswürdig glaubt, daß entzogen ist, daß die Person eher von Claudia ein gutgläubiges und vertrauens- diesem Geschlecht gehabt wird als umge- würdiges Gesellschafsmitglied ist, ihr also kehrt. Mit dieser Objektivität müssen die glaubt, daß Elke eine Frau mit einem Menschen irgendwie leben und fertigwer- weiblichen Geschlechtskörper ist. den. Um ein tieferes Verständnis der Claudia glaubt das, obwohl sie weiß, daß Situation zu entwickeln, muß man die sie dem Assistenten etwas Falsches sagt, gelebte Erfahrung der Personen unter- wenn sie Elke so als Frau bezeichnet, wie suchen. Wie sehen die Beziehungen der eine Frau, die das objektive Geschlecht Personen aus, wenn man sie unter diesem hat, als Frau bezeichnet wird. Aspekt beschreibt? Für Elke ist das Abhängigkeitsverhältnis Ich möchte damit beginnen, was die ein- von den Strukturen des guten Glaubens zelnen, also vor allem der Assistent, am deutlichsten: Claudia und Elke voneinander von ihrer Elke glaubt, daß der Assistent gutgläubig geschlechtlichenWirklichkeit wissenbzw. und vertrauenswürdig ist und an Claudia glauben. Die Notwendigkeit dieses Glau- als an eine gutgläubige und vertrauens- bens ergibt sich aus den eingangs darge- würdige Person glaubt, der also glaubt, stellten Überlegungen Garfinkels. Eine daß Elke eine Frau ist, die das objektive Analyse der Wissens- und Glaubensstruk- Geschlecht besitzt, und gutgläubig und turen knüpft außerdem an die eben ange- vertrauenswürdig ist. sprochene ethische Dimension der Wahr- Außerdem glaubt EIke, daß Claudia nehmung an. glaubt, daß Elke eine Frau ist, obwohl Elke das objektive Geschlecht nicht hat. Relativ einfach ist die Sachlage beim Assistenten: Der wechselseitige gute Glaube an die Der Assistent glaubt, daß Claudia, - eine Gutgläubigkeit und Vertrauenswürdi gkeit Frau, die die Wahrheit sagt, also vertrau- der anderen ist norwendig, damit die enswürdig ist, - glaubt, daß Elke eine Situation bästeht. Der gute Glaube des Frau ist, die ebenfalls gutgläubig und Assistenten basiert au f derwortgeleiteten vertrauenswtirdig ist, also auch wider- Wahrnehmung Elkes als Frau. Sein Glau- sprechen würde, wenn sie keine Frau be ist also getragen von einer Objektivi- wäre, obwohl sie als solche bezeichnet tät, die von allen verbürgt ist, er bezieht wird. sich in seinem Glauben auf eine potentiell Aus der Tatsache, daß der Assistent ohne sichtbare Wirklichkeit, die von allen be- bemerkenswerte Reaktion akzeptiert, daß zeugt werden kann. Die Gutgläubigkeit Elke von Claudia als Frau bezeichnet und Vertrauenswürdigkeit der beiden wird, kann man entnehmen, daß er Elke Frauen dagegen kann sich nicht auf diese einfach und selbstverständlich für eine Objektivität berufen, und zwar weder in Frau hält, d.h. für eine Frau, die objektiv der Beziehung zum Assistenten noch in- eine Frau ist. Bezogen darauf ist er gut- nerhalb ihrer Beziehung. Innerhalb ihrer gIäubig und er erwartet unausgesprochen, Beziehung basiert die Annahme, daß Elke daß sich die anderen dieser Gutgläubig- eine Frau ist, darauf, daß Elke Claudia ir- keit gegenüber als vertrauenswürdig gendwie plausibel machen konnte, daß sie erweisen. Man kann sogar noch weiter kein Mann ist, wie es ihrem objektiven Geschlecht entspräche, sondern daß Elke che sozusagen zu einer fast-objektiven eine Frau ist. Die Akzeptanz von Claudia Frau. Sie erfährt beide objektiven Be- setzt voraus, daß sie irgendwie versteht, stimmungen als zutreffend und nicht ab- was Elke bewegt und weshalb sie sich als lehnbar. Sie lehnt die objektive Bestim- Frau fühlt. Claudia kann nur verstehen mung durch die Sichtbarkeit nicht ab, und muß dieses Verstehen gegen ihr Wis- sonst wäre sie nicht mißtrauisch, und die sen um das objektive Geschlecht Elkes fast-objektive Bestimmung durch die setzen. Daß Claudia versteht, setzt vor- Sprache lehnt sie ebenfalls nicht ab. Die aus, daß sie EIke glaubt, sie muß also ein erste kann Elke nicht ablehnen, weil sie rplusr an gutem Glauben und Vertrauen ein sichtbares Objekt ist, die zweite kann aufbringen und Elke muß ein rplusr an sie nicht ablehnen, weil Elke sonst die Vertrauenswürdigkeit aufbringen, damit Akzeptanz von Claudia gefährden würde, sie als Frau für Claudia glaubwürdig ist. wenn sie von ihr fordert, sie zwi- Umgekehrt muß Elke ebenso dieses 'plus' schendurch mal wieder als Mann anzu- an Glauben und Vertrauen aufbringen, um sprechen, aber weiter als Frau anzusehen. Claudia glauben zu können, daß Elke für Alles in allem kann sich Elke ihres Ge- Claudia eine Frau ist, obwohl sie das schlechtes nicht sicher sein. Sie muß stets objektive Geschlecht nicht hat und CIau- darauf gefaßt sein, daß das objektive dia muß ihrerseits das rplusr Vertrauens- Geschlecht das fast-objektive Geschlecht würdigkeit aufbringen, damit EIke ihr unhaltbar macht und ihr eigenes weibli- glauben kann. Ohne eine genauere Kennt- ches Verhalten wie auch die Akzeptanz nis der Geschichte der Beziehung zwi- der anderen als eine willkürliche private schen Elke und Claudia ist das das ein- Erfindung angesehen wird, die je nach zige, was man über das wechselseitige S tandpunkt exotisch, interessant, lächer- Glauben und Vertrauen sagen kann. lich oder pathologisch ist. tplusr Für Elke liegt in der Situation, wie sie Das an gutem Glauben bringt sowohl beschrieben ist, ein Konflikt mit diesem für die TS als auch für die Nicht-TS Pro- tplusr an gutem Glauben und Vertrauens- bleme mit sich. Der einfache gute Glaube würdigkeit. Sie hat es ihrem Geschick, ist verbtirgt durch den Bezug auf das sich als Frau erscheinen zu machen, und objektive Geschlecht; diedarin enthaltene dem guten Glauben und der Vertrauens- ethische Dimension habe ich aufgezeigt. wtirdigkeit Claudias zu verdanken, daß Es ist einerseits eine Verantworlichkeit sie von mehreren Personen in dem Work- gegenüber einem bestimmten anderen, shop als Frau wahrgenommen wird. Den- wie die Begegnung Elke-Claudia-Assi- noch bleibt ihr ein gewisses Mißtrauen. stent zeigt, andererseits bin es nicht ich, der das objektive Geschlecht verbürgt, Nachdem sie das Gespräch zwischen sondern ich als jedermann und ich ver- A ssistentundWorkshop- Leitermi tbekom- bürge es gegenüber jedem und jeder, trda men hat, sagt sie, war ich mir dann insofern jeder und jede nicht erlsie selbst völlig sichertr und fährt fort, rraber bei sind, sondern jedermann. Die interaktive den anderen Teilnehmern bin ich das Konstruktion des Geschlechts verschiebt Mißtrauen nie ganz los geworden.rr Sie sich bei der nichtoperierten Elke von der beschreibt noch eine andere Situation, in Wahrnehmung zur Anerkennung. Das ein der sie von einem Workshop-Teilnehmer rplus' an gutem Glauben norwendig ist, in der weiblichen Form angesprochen heißt ja nichts anderes, als daß gegen die wird, aber auch das ändert nichts an potentielle Evidenz des objektiven Ge- ihrem Mißtrauen. schlechts etwas Anderes gesetzt wird. TS müssen in ihrem Geschlecht nicht nur Elke billigt also dem sichtbaren objektiven wahrgenommen werden, sondern zuindest Geschlecht die größere Bedeutung zu. von denen, die rresrr wissen, auch aner- Trotzdem muß sie sich in der Beziehung kannt werden. Anerkennung und poten- zu Claudia weiter so verhalten, wie sie tielle Sichtbarkeit können dabei auf sich immer verhält, d.h. als Freundin zur merkwtrrdige Weise miteinander konfli- rplusr Freundin. Das an Vertrauenswtir- gieren. Dazu möchte ich als Beispiel das digkeit, das begrändet, daß Claudia an Gespräch einer ts Frau, Frieda, mit einem EIke als Frau glaubt, verpflichtet Etke nicht-ts Mann, Joseph, vorstellen. dazu. Außerdem wird sie durch die Spra- Frieda hat Joseph darauf angesprochen, weisen muß. Es scheint weiterhin so zu warum er sich weigert, sie als Frau anzu- sein, daß TS dieserrWurdigkeitrr immer sprechen. Joseph antwortet, daß er sie wieder unter Beweis stellen mtlssen, nicht als Frau anspricht, weil er sie nicht wollen sie ihre geschlechtliche Anerken- in Sicherheit wiegen will. Frieda lebe nung nicht aus Spiel setzen. Das folgende doch in einer linksalternativen Schein- Beispiel deutet darauf hin, daß TS ihr welt, aber außerhalb davon würde sie Geschlecht, weil es nur anerkannt ist, nur nicht als Frau anerkannt. Da wäre sie bis auf Widerruf haben. dann einer wirklichen Diskriminierung ausgesetzt. Von ihm bräuchte sie keine Die wichtigen Personen sind Heike und Diskriminierung a) fürchten, aber er die Nicht-TS Anna und Wilhelm. Die drei wtirde andere Leute kennen, die das kennen sich schon länger und treffen sich machen würden. Den anderen sei sie doch öfter in einer Clique, der noch die Nicht- ausgeliefert ... TS Carmen und Hannes angehören. Alle Nicht-TS der Clique kennen Heike noch Joseph spricht von einer Scheinwelt, die als Mann und alle akzeptieren Heike er einer wirklichen Welt entgegensetzt. soweit, daß sie das grammatischweibliche Die wirkliche Welt wird bevölkert von Geschlecht verwenden, wenn sie von ihr den anderen, die sie diskriminieren wer- sprechen. Zunächst sind sie zu dritt zu- den, denen sie rrausgeliefertrr ist. Vom sammen und Wilhelm erzählt Heike und Standpunkt dieser anderen ist Frieda ein Anna von seiner Lektüre der Romane der Mann und sonst nichts, und die linksalter- drei Brontä-Schwestern. Außer dem trsturmhöhe" native Welt ist eine Scheinwelt. Joseph, Roman von Emily Brontö selbst ein Bewohner der Iinksaltenativen fände er sie schlecht und langweilig. Scheinwelt, verweigert Frieda die An- Wilhelm relativiert sein Urteil dadurch, erkennung als Frau, weil die anderen, die daß er feststellt, diese Rommane seien Bewohner der wirklichen Welt, Frieda sehr stark aus einer weiblichenPerspekti- nicht anerkennen werden. Er wtrrde sie ve heraus geschrieben, die ihm als Mann nur in einer falschen Sicherheit wiegen. verschlossen sei. Die nicht-ts Anna Als Bewohner der linksalternativen Welt stimmt ihm zu, diese Art Dinge wahrzu- könnte Joseph Frieda ein gewisses akzep- nehmen sei sehr weiblich, damitmüsse ein tierendes Wohlwollen entgegenbringen. Mann wohl Schwierigkeiten haben. Das Das tut er aber nicht, sondern er sieht rechtfertige aber nicht das Urteil, daß sich und Frieda vom Standpunkt der ande- diese Romane schlechtsind. Heike wider- ren, die die wirkliche Welt bewohnen. spricht Anna, sie könne auch nur mit Joseph, insofern er ein Bewohner der rrsturmhöherr etwas anfangen, und die wirklichen Welt ist, also ein anderer als er anderen Romane fände sie langweilig. Sie selbst, verweigert Frieda die Anerken- würde auch noch andere Frauen kennen, nung. Würde er sie anerkennen, geriete er denen es ähnlich geht. Im weiteren Ver- in einen Konflikt mit diesem anderen, und lauf des Gespräches verwendet Anna das in der Konsequenz würde die Wirklichkeit männliche Pronomen, wenn sie von Heike weniger wirklich werden. Dieser andere spricht. Später kommen Hannes und Car- ist nicht mit einer innerpsychischen In- men dazu. Carmen korrigiert Anna einmal stanz zu verwechseln. Dieser andere ist eher zurtickhaltend, als diese von Heike jeder und jede, insofern jeder und jede als rerr spricht, worauf Anna aber nicht nichter/sie selbst, sondern ein anderer als reagiert. Später verwendet Carmen das er/sie selbst sind. Für Joseph ist es die weibliche Pronomen mit Bezug auf Heike durch den anderen und die durch sich etwas betonter. Danach verwendet auch selbst als anderen verbtirgte Wahrheit, Anna wieder das weibliche Pronomen für daß Frieda ein Mann ist. (7) Heike.

Jetzt kann man etwas genauer ermessen, Die weitere Interpretation setz t folgendes was ftir Claudia bedeutet, Elke als Frau voraus: l. Es handelt sich bei den uer's* anzuerkennen. Sie vollzieht diese An- nicht um bloße Versprecher, wie sie auch erkennung gegen die Evidenz des von gegenüber Nicht-TS vorkommen, sondern jedermann verbürgten objektiven Ge- um eine Nicht-Anerkennung von Heikes schlechtes. Die Crux mit der Anerken- Geschlecht. 2. Diese Nicht-Anerkennung nung ist, daß man sich ihrer würdig er- steht in einem sinnhaften Zusammenhang mit der Diskussion über die Romane der Zirkel ihre Anerkennung als Frau. Sie ist Brontö- Schwestern. eine Frau, weil sie sich so oder so verhält und sie verhält sich so oder so, weil sie In dem Beispiel wird eine klare Tren- eine Frau ist. Eine Frau, die objektiv eine nungslinie gezogen zwischen Männern Frau ist - die das objektive Geschlecht und Frauen. Frauen verstehen die Wahr- also ebenso hat, wie sie von ihm gehabt nehmung der Schwestern Brontö, Männer wird - ist nicht lediglich durch den be- verstehen sie nicht. Diese Trennung steht schriebenen Zirkel eine Frau. Sie ist ob- in einem engem Zusammenhang mitWert- jektiv eine Frau und kann mithilfe dieses urteilen. Abgesehen von dem Roman Zirkels zwar gedümpelt werden, wennsie rf Sturmhöherf sind die Romane der sich nicht weiblich verhält - das stellt Schwestern Brontö frlangweilig und aber nie in Frage, daß sie objektiv eine schlechtrr, jedenfalls in den Augen des Frau ist. Fernsehkommentatoren; die sich Mannes, weil sie aus einer weiblichen noch Anfang der 70er Jahre darüber Perspektive geschrieben sind. In dieser Gedanken machten, ob eine ftemanzipier- polarisierten Situation urteilt Heike über te'r Frau überhaupt noch eine Frau ist, die Romane wie ein Mann. Um es zu merkten vielleicht an, daß diese Frauen ja überspitzen, sie verweigert die Solida- gar keine richtigen Frauen mehr seien. rität mit den Frauen. (8) Es ist also zu- Aber deswegen hielt sie niemand für nächst die verweigerte Solidarität, die Männer. Im Gegenteil: Gerade weil sie Anna zur Verwendung des männlichen Frauen waren, wurden sie von einigen Pronomens für Heike fährt. Heinis als Männer tituliert.

Damit das geschehen kann, muß die Beur- Der Zirkel, der im Beispiel deutlich wur- teilung der trArt, Dinge wahrzunehmentt, de, hat, in anderen Situationen eine ande- wie sie den Schwestern Brontä eignet, zu re Beschaffenheit. Festzustehen scheint einem situativ wirksamen Mittel der ge- mir aber, daß man mit seiner Hilfe alles schlechtlichen Einordnung werden. Es an einer Person geschlechtlich einordnen gibt in dieser Situation eine rrArt, Dinge und es auf der anderen Seite als Mittel wahrzunehmentt, die für Anna weiblich der geschlechtlichen Einordnung verwen- ist. Sie akzeptiert Heike in dieser Situa- den kann. Diese Mittel der geschlecht- tion als Frau, wenn Heike diese Art der lichen Einordnung muß Heike für Anna in Wahrnehmung als ftir sich gültig annimmt ausreichendem Maße zur Verfügung und sich nicht gelangweilt davon abwen- stellen, und zwar so, daß Anna ihr als det. Diese Abwendung ist in dieser Situa- einer vertrauenswtlrdigen Person glaubt. tion etwas, was einem Mann zu eigen ist. Im vorliegenden Fall hat Heike das nicht Folglich ist Heike nicht eine Frau, son- getan, und prompt wird sie von Anna als dern ein Mann, wenn sie sich abwendet. In Mann angesprochen. Das Geschlecht dieser Verwendung der Brontäschen einer Person lediglich auf seine Anerken- Wahrnehmung steckt ein Zirkel. Frauen nung zu gründen, läuft darauf hinaus, nehmen so wahr, wie die Schwestern über dem festen Grund des objektiven Brontö es darstellen, und jemand, der so Geschlechtes einen doppelten Boden ein- wahrnimmt, wie die Brontö-Schwestern zuziehen, der aber immer einzubrechen es beschreiben, ist eine Frau. Das letztere droht. Moment begründet, daß Anna Heike die Anerkennung als Frau entzieht. Jemand, Wenn man jetzt noch einmal an die EIke der sich so abfällig tlber die Brontö- aus dem Workshop denkt, ist einiger Schwestern äußert, ist keine Frau. Dar- Zweif.el angebracht, ob sie wirklich aus folgt umgekehrt, daß Heike Anna auf glaubt, daß ihre Freundin Claudia sie voll eben dieser Ebene davon überzeugt hat, und ganz als Frau anerkennt. Ich vermute, daß Heike eine Frau ist. Es handelt sich daß EIke Claudia glauben muß, obwohl hier nicht um absolute oder gar nattirliche sie es nicht kann, denn sie weiß, daß sie Eigenschaften von Frauen, sondern darum objektiv ein Mann ist. Aus diesem Dilem- - die Trennung von Mann und Frau vor- ma hilftihnen auch kein vertrauliches Ge- ausgesetzt -, in einer Situation die ange- spräch. Es ist eine objektive Schwierig- messenen Mittel bereitzustellen, um im keit, die in der Begegnung von Menschen Falle von Heike als Frau eingeordnet zu Iiegt, diedas objektive Geschlechthaben, werden. Für Heike begründet nur dieser mit solchen, die es nicht haben. Anmerkungen

(1) vgl. Garfinkel, Harold: Studies in Ethnomethodology. Englewood Cliff: Prentice Hall 1967, S. ll6-1855 (2) vgl. Schtitz, Alfred; Luckmann, Tho- mas: Strukturen der Lebenswelt. Frankfurt/M.: Suhrkamp I 979. Diesel- ben: Strukturen der Lebenswelt. Band 2. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1984 (3) Geibel, Christa: Im falschen Körper gefangen. Mttnchen: Heyne 1983 ( ) vgl. Plessner, Helmuth: Die Stufen des Organischen und der Mensch. West- berlin, New York: Walter de Gruyter 1975; und Sartre, Jean-Paul: Das Ima- ginäre, Reinbek: Rowohlt 1971 (5) vgl. Schtitz/Luckmann 1979, S. 88f (6) vgl. Plessner 1975, S. Slff; Sartre 1971, S. 48ff (7) vgl. Sartre 1971 (8) Es ist interessant, daß diese Hypo- these den Frauen, denen ich sie bisher vorgestellt habe, völlig eingeleuchtet hat, während die Männer dartrber geteilter Meinung waren. Es wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein, wenn alle Männer sie bestritten hät- ten. Norman Haire ( 1892- 1952)* )

Hans l-ehfeldt, New York

Norman Haire wurde im Januar 1892 als feld und Haire wurden gute Freunde. Im 11. Kind einer früher wohlhabenden Jahre 1920 ließ er sich in London als englischen Familie in Sydney, Austra- Gynäkologe nieder. Im selben Jahr wur- lien, geboren. Sein Vater hatte sein de er mit Margaret Sanger bekannt, die Vermögen im Jahre 1890 verloren, so auf einer Konferenz der Malthusian konnten nur die älteren Kinder Privat- League einen Vortrag in London hielt. schulen besuchen; die jüngeren mußten Haire wurde Mitglied der League, und in öffentlichen Schulen erzogen werden. seit dieser Zeit sprach er auf 'allen na- Norman wollte Schauspieler werden, tionalen und internationalen Birth Con- fügte sich aber den elterlichen Wün- trol Kongressen: so in Amsterdam schen und studierte Medizin an der Uni- (1921), London (1922), New York (1925), versität von Sydney. Zürich (1930). Geburtenregelung war auch eines der Hauptthemen auf den In seinem eigenen, später in London pu- Kongressen der Weltliga für Sexualre- blizierten Journal of Sex Education be- form, an denen Haire sich führend be- schrieb er, wie sein Interesse fur die teiligte: Kopenhagen (1928), London Geburtenregelung entstand:''[...] Als (1929), Wien (1930) und Brünn (1932). Medizinstudent während meiner ge- Seine Vorlesung auf dem Deutschen burtshilflichen Ausbildung in Australien Gynäkologischen Kongreß in Frankfurt vor 40 Jahren war ich beeindruckt, wie am Main im Jahre 1931 war bahnbre- viele ungepla.nte Kinder geboren wur- chend. den, und ich beobachtete häufig Ver- suche, unwillkommene Schwangerschaf- Die Organisation des Kongresses der ten durch Abtreibung zu beenden. AIs Weltliga für Sexualreform in London im ll. Kind meiner Eltern war mein Er- September 1929 war im wesentlichen - scheinen in der Welt wohl auf den Fehl- in enger Zusammenarbeit mit Dora Rus- schlag unzuverlässiger Kontrazeptions- sell - das Werk von Haire. Hirschfeld Methoden zurückzuftrhren. Wahrschein- war Präsident dieser internationalen lich hat gerade diese Tatsache mich Konferenz und hielt die einführende dazu bestimmt, das Hauptinteresse mei- Begrtißungsrede; Haire, als Sekretär nes Lebens der Kontrolle der Frucht- des englischen Zweiges der lVeltliga, barkeit zu widmen.rr war für die Organisation verantwortlich. Sein besonderes Verdienst war, daß der Nach Beendigung seines Militärdienstes Kongreßbericht schon wenige Monate arbeitete Haire in drei Spezialkranken- nach dem Ende der Konferenz erschei- häusern für Geisteskranke und dann in nen konnte; noch heute ist dieser Be- einem großen Krankenhaus ftir Geburts- richt eines der wertvollsten historischen hilfe und Gynäkologie. Dokumente der frühen sexologischen Auf seinen Reisen nach Borneo, den Literatur. Alle nicht auf englisch gehal- Philippinen, China und französisch-In- tenen Vorträge wurden ins Englische dochina fand Haire die gleiche Unkennt- übersetzt. In den 670 Seiten des Be- nis über Geburtenkontrolle wie in Au- richts befinden sich grundlegende Ar- stralien. Unmittelbar nach Beendigung beiten tiber die verschiedenen Methoden seiner Ausbildung begann er in Berlin der Empfängnisverhütung: Diaphragma, am Institut für Sexualwissenschaft bei Portio-Kappe und Gräfenbergs intraute- Magnus Hirschfeld zu arbeiten. Hirsch- rine Methode. Wir finden dort auch den

'l') Manuskript eines Vortrags, den Hans Lehfeldt im Juni 1990 auf Einladung der Ma- gnus-Hirschfeld-Gesellschaft und des Instituts für Medizingeschichte der Humboldt- Universität in Berlin halten wollte, aber leider aus gesundheitlichen Gründen absa- gen mußte. Eine veränderte Fassung hat Hans L.ehfeldt am 29. Juni 1991 in der Cha- ritd vorgetragen. Die Illustrationen stammen aus dem Besitz des Autors. Abb. 1: Norman Haire und Cecii Voge beim WLSR-Kongreß 1929 in London Bedeutung von seinem Publikum fernzu- halten, erschien eine zweite katholische ersten Bericht über den legalen Abort in Deputation und drohte dem Redakteur, der Sowjetunion von A. Genss (mit Sta- rrfalis er nicht nachgeben würde, käme tistiken), und Bernard Shaws Philosophie die Zeitschrift auf die Liste der für Ka- über die Sexualreform. tholiken verbotenen Journale, es würden Predigten gegen die Zeitschrift und Während des 2. Weltkrieges erkrankte gegen Haire von jeder katholischen Haire ernstlich an Diabetes und rheuma- Kanzel gelesen werden; und australische tischem Herzleiden und kehrte 1940 - Firmen würden überredet werden, ihre nach 20 Jahren in England - nach Au- Reklameanzeigen in der Zeitschrif.t zu stralien zurück. Dort begann er, einen annullieren.t' wöchentlichen Beitrag für ein Frauen- magazin zu schreiben; seine Themen Dieser Ietzte Erpressungsversuch war waren Geburtenregelung, Sterilisation, wirksam: Haires Artikel erschienen Abtreibung, Heirat, Scheidung, künst- nicht mehr, aber die Auflage des Maga- Iiche Befruchtung, Prostitution und an- zins sank. Nach einigen Monaten bat der dere sexologische Themen. Haires An- Redakteur Haire um die Wiederaufnah- sichten standen natürlich im krassen me seiner Artikel, und er erhöhte Haires Gegensatz zur katholischen Weltan- Honorar. In Predigten überall in Austra- schauung. Vergleichbare Ideen waren Iien wurden nun das Magazin und Haire nie zuvor in irgendeiner australischen aufrs äußerste verdamml, den Glaubigen Publikation erschienen. Das Interesse wurde verboten, das Magazin zu kaufen der Leserinnen zeigte sich dadurch, daß oder auch nur zu lesen, und es wurde die Auflage des Magazins sich innerhalb versucht - allerdings ohne großen Erfolg von fünf Monaten verdoppelte. Dann - die Reklameanzeigen in der Zeit' verlangte eine katholische Delegation schrift zu verhindern. plötzlich von der Zeitschrift, die Publi- kation der Aufsätze Haires einzustellen. Haire selbst wurde auf eine anonyme AIs der Redakteur sich weigerte, Auf- Anzeige hin, daß er Kommunist sei (rrin klärung über soziale Fragen von großer Wirklichkeit bin ich ein altmodischer Bourgeois...tt) von der Sicherheitspolizei aussah. Seine Augen zeigten Witz und besucht, seine Post erreichte ihn drei Ironie. Solange er sich noch relativ wohl Tage verspätet, aufgehalten von der fühlte, war er sowohl Gourmand als Zensur. Eine weitere anonyme Denun- auch Gourmet. Er liebte gut zubereitete ziation erklärte Haire für rrDeutschen- Speisen vieler Arten; seine eigene cuisi- freundlichtt, eine besonders lächerliche ne zeigte, daß er auserlesene Rezepte Behauptung, da seine Schriften bei der in der ganzen Welt gesammelt hatte. Er bekannten Bücherverbrennung in Berlin erkundigte sich bei einer Bekannten ttvon im Mai 1933 auch verbrannt worden wa- Hausfrau zv Hausfrautt, wie sie ren, und weil Haire gleich nach Hitlers Palatschinken zubereite! In der Tat, er Machtergreifung zur Persona non grata war eine gute Hausfrau, und er war ein in Deutschland erklärt worden war. großzügiger Gastgeber. Eine Mahlzeit in seinem Haus in der Harley Street war Haire erhielt noch einmal Besuch von ein Ereignis, einerlei ob es sich um ei- der australischen Sicherheitspolizei: nen Empfang von Wissenschaftlern wäh- Belege in ihrem Besitz bewiesen angeb- rend eines internationalen Kongresses lich, daß er in Deutschland geboren und oder um ein informelles Dinner im deutscher Staatsangehöriger sei. Haire Freundeskreis handelte. Ztt einem dieser zeigte seine Geburtsurkunde vor, die Abende waren Hans Lehfeldt und seine seine Geburt in Australien als Kind eng- Frau eingeladen, zusammen mit einem lischer Eltern bewies. Soweit ihm be- australischen Freund Normans. Das Es- kannt war, hatte er auch keine deut- sen wurde in einem großen Raum ser- schen Vorfahren, nicht einmal weitläufi- viert, der nur an zwei diagonal gegen- ger Art. uberliegenden Ecken spärlich erhellt war durch große Glasfässer, die etwa Nach dem 2. Weltkrieg kehrte Haire acht Liter Wasser enthielten und durch nach London zurück und begann wieder Kerzenlicht beleuchtet wurden. Sonst zu praktizieren, wenn er auch seine waren nur wenige Kerzen in dem großen Tätigkeit wegen seiner Krankheit we- Speisesaal verteilt. Jeder einzelne Gang sentlich einschränken mußte. Mit gro- wurde aus riesigen Silber-Terrinen, von ßer Energie gründete er die "Sex Edu- silbernen Platten und aus silbernen Kas- cation Societyr', die eigentliche Nach- serollen von Haire im guten englisch- folge-Organisation der Weltliga für Se- patriarchalischen Stit persönlich ser- xualreform, und wurde ihr Präsident. Im viert. Um die kochend heißen Suppen- Jahr 1948 gründete er das Journal of Sex teller auf den Tisch zu stellen, benutzte Education, eine zweimonatliche popu- er zangenähnliche Henkel. lärwissenschaftliche Zeitschrift. Alfred Kinsey war einer der ersten Abonnenten Wenige Monate vor Haires Tod waren und gratulierte Haire zum Erscheinen Lehfeldt und seine Frau in London; Hai- des Journals. Haire finanzierte und redi- re bestand darauf, eine große Party fur gierte das Journal und steuerte viele sie zu geben, um sie mit einer Anzahl eigene Leitartikel und Aufsätze bei. bedeutender Persönlichkeiten bekannt Hans Lehfeldt war Haires amerikani- zu machen. Der große Saal im Erdge- scher Korrespondent. schoß war festlich geschmückt, und das Buffet enthielt Delikatessen in FülIe, Norman Haire hatte eine prominente Eierspeisen und andere Farmprodukte, vorstehende Nase, die Künstler oft zu die im England von 1952 kaum erhältlich Karikaturen und Zeichnungen anregte. waren. Sie stammten von Haires Land- Er wurde oft als Hase gezeigt, in An- gut, Nettleden Lodge. Neben jeder Sa- spielung auf seinen Namen (engl. hare = lat- und Sandwich-Platte lag ein Etikett Hase). Er war ungewöhnlich groß und mit einer Beschreibung der Zutaten. ursprünglich von enormem Körperum- fang. Diätetische Beschränkungen we- Als Norman Haire 1920 nach England gen der Diabetes als auch wegen seines kam, war er durchaus kein reicher Herzleidens ließen ihn in seinen letzten Mann. Seine erste Reise nach Amerika, Lebensjahren beinahe schlank erschei- zu einem Vortrag auf dem 1. Internatio- nen - ein Paradox für einen Mann, der nalen Birth Control Kongreß, wurde von in seinen besten Jahren wie ein Buddha Margaret Sanger finanziert. Schon we- Jahren machte Haire viel Gebrauch von amerikanischen Ton- bandgeräten - sowohl für die Aufnahme von Interviews mit Patien- ten als auch ftir Auf- zeichnungen seiner eigenen Vorlesungen und einiger der von ihm herrlich vorgetragenen Sonette Shakespeares.

Haire als Redner war witzig und sarkastisch, mit einem außerge- wöhnlichen englischen Sprachschatz und her- vorragender Ausspra- che. Er war ein vielsei- tiger Schriftsteller, 0,IJL* l*,f l,.-rar* l* Autor zahlreicher Bu- V.*.(-llr4- cher, Artikel und Vor- träge. AIs Redakteur war er peinlich genau, einerlei, ob es sich um Abb. 2: Blick in Norman Haires den Bericht vom Kon- Schlafzimmer in der Harley Street, greß der Weltliga für Sexualreform, 1930 seine eigenen Schriftena oder das Jour- nal of Sex Education handelte.

Haires praktischer Beitrag zu den Me- thoden der Geburtenkontrolle ist ein nige Jahre später zeigte sein Haus die Diaphragma, das seinen Namen trägt, Zeichen des Reichtums; neben seiner eine Modifikation des Mensinga-Pessars. großen Silbersammlung besaß er wert- Der Rand ,Jes Haire-Pessars ist durch volle Gegenstände ostasiatischer Kunst. eine Art Uhrfeder verstärkt, während Das Schlafzimmer entsprach der Statur die meisten anderen Diaphragmen eine seines Körpers; das chinesische Bett - Spiralfeder haben. Amerikanische und groß genug für drei Schläfer - stand in englische Birth Controllers hatten frti- einem Zimmer voll mit orientalischen her verschiedene Ansichten ttber die Möbeln ähnlicher Größe. Photos dieses beste Größe des Diaphragmas; Haire Schlafzimmers wurden als Weihnachts- fand, daß die Amerikaner zu große Di- karten an Freunde verschickt. Das aphragmen benutzten, 'rfit for elephants, Hauspersonal bestand aus einem Butler, not for human beingstt; diese Unterschie- einem Chauffeur, mehreren Dienst- de haben sich heute ausgeglichen. Haire mädchen und einer Köchin; persönliche war ursprünglich ein enthusiastischer Sekretärinnen und eine Krankenschwe- Anhänger der Gräfenbergschen intrau- ster waren Mitglieder des Personalsta- terinen Methode, änderte aber später bes. Ein Fahrstuhl beförderte die Pa- seine Ansicht und verwandte den Ring tienten zu den Sprechstundenräumen in nur in Ausnahmefällen. Er hielt die Por- der oberen Etage, die nicht nur mit allen tiokappe ftir weniger zuverlässig als das Instrumenten und Apparaten ftlr die Diaphragma. Trotzdem gab er Lehfeldt gynäkologische Praxis eingerichtet, Gelegenheit, eine größere statistische sondern auch zur Durchftihrung sexolo- Arbeit tiber die Portiokappe, die die gischer Operationen wie z.B. Drtisen- Vorzüge der Methode betonte, in seinem Verpfl anzungen, künstliche Befruchtung Journal of Sex Education zu veröffentli- etc ausgestattet waren. In seinen letzten chen. Die letzte Nummer des Journals erschien 1952 nach Haires Tod und ent- ten, ließen wir uns von Norman Haire hielt eine Reihe von Nachrufen, darun- beraten. Er empfahl als Mitgrtinder be- ter einer von Harry Benjamin, New sonders zwei Wissenschaftler: Albert York. Ellis und Henry Guze. So entstand die Society for the Scientific Study of Sex Ende 1951, schwer krank mit dekompen- (S.S.S.S.) die heute über 1000 Mitglie- siertem Herz, kam Haire wieder in die der hat. Mit ihrer seit 1965 bestehenden Vereinigten Staaten. Sein Aufenthalt Fachzeitschrift, rrThe Journal of Sex war für drei Monate geplant, Albert Researchrr, ist sie eine der bedeutend- Ellis und Harry Benjamin hatten Vor- sten sexologischen Organisationen ge- Iesungen für ihn in mehreren amerikani- worden. schen Städten vorbereitet; ein Besuch bei Alfred Kinsey in Bloomington, India- Dä, war verabredet. Haires sich ver- schlechternde Gesundheit zwang ihn jedoch, seine Reise vorzeitig abzubre- chen. Es gab noch eine Feier zu Ehren seines 60. Geburtstags, und an einem seiner letzten Tage in New York war er zusammen mit Ernst Gräfenberg Gast in Lehfeldts Haus.

Nach London zurückgekehrt, nahm Hai- re seine Praxis wieder auf, allerdings in stark reduzierter Form. rrlch ruhe immer noch 20 Snrnden täglichfr, schrieb er in einem Brief vom 3. Mätz,rrund stehe nur auf, wenn ich Patienten zu sehen habe."

Historisch gesehen war Norman Haires Lebenswerk von ausschlaggebender Be- deutung für weltweite Sexualreform und Birth Control. Als Hirschfelds Schtrler und späterer Mitarbeiter wurde er sein wissenschaftlicher Erbe. Ihm ist es zu verdanken, daß die Sexualreform-Be- wegung, die Hitler in ganz Europa zu vernichten drohte, erhalten blieb. Wenn auch Haires Btlcher mit denen von Hirschfeld und anderen Wissenschaftlern verbrannt wurden - selbst diese Schand- tat konnte die Weiterentwicklung der Sexualreform in der Welt nicht aufhal- ten. Haires Gründung und Leitung der englischen Society for Sex Education, die er als Fortsetzung der Weltliga für Sexualreform geplant hatte, sein trJour- nal of Sex Educationrr, und seine enge Beziehung zu den amerikanischen Eirth Controllers und Sexologen (Margaret Sanger, Hannah Stone, Alfred Kinsey, Harry Benjamin und Albert Ellis) waren ausschlaggebende Faktoren für Fort- bestehen und Weiterentwicklung der Sexologie nach Hitlers Zusammenbruch.

Als wir die Gründung einer amerikani- schen Sexologischen Gesellschaft plan- Ein Bericht über neue Funde im Zentralen Staatsarchiv Potsdam (ZSIA Potsdam)

Manfred Baumgardt

Die Zentrale Staatsarchiv Potsdam be- § 175 zu streichen. In einer Aktennotiz herbergt eine Reihe von bisher nicht des Reichs-Justizamtes werden die rrAusführungen ausgewerteten Akten, die den § 175 des Abg. Bebel in der R.SI.G.B., die Aktivitäten der ersten Reichstagssitzung am 9.3.99fr erwähnt. deutschen Schwulenbewegung und das An Reichskanzler Hohenlohe-Schil- Institut für Sexualwissenschaft zum lingsfürst richtet Hirschfeld am Gegenstand haben. Der Inhalt dieser 28.4.1899 einen Brief im Zusammenhang Akten soll hier kurz vorgestellt werden, der Petition und ersucht den Kanzler um um Anhaltspunkte für weitere Recher- eine Audienz. Die Herrn trDr. jur. F. chen zu liefern. Loeper, Berlin [und] Dr. phil. Richard Meienreis, Berlinrr meldet er mit an. Auf Briefe von Karl Heinrich Ulrichs dem Brief findet sich eine Aktennotiz: Aus Beständen des Reichskanzleramts "[...] ist nicht geneigt, die Herren zu stammen vier Briefe von KarI Heinrich empfangen.lr Ulrichs. Im ersten der Briefe vom 30. September 1868 wendet sich Ulrichs an Von Max Spohr schließt sich ein Brief die Gesetzgebenden Körperschaften des im Namen des WhK an, in dem es um Norddeutschen Bundes. Eindringlich wie Klärung des Begriffs 'f Beischlafähnliche in seinen späteren Schriften legt er sei- Handlungentr geht. Dem Brief sind bei- ne Theorie von der rrUrningslieberr dar gefügt die rrDruckschriften: An die Ge- und warnt vor einer Bestrafung der ttGe- setzgebenden Körperschaften des Deut- schlechtsliebe (delicta carnis).rf In zwei schen Reiches und Eros vor dem weiteren Schreiben vom 4. März 1869 Reichsgericht.rr (16. Okt. 1899). Zwei an das preußische Justizministerium weitere Briefe im Namen des WhK fol- setzt er sich für rrdie Begnadigung ver- gen; sie sind von mir unbekannten Per- urtheilter Genossen meiner Naturrr ein. sonen unterzeichnet. Mit Schreiben Der vierte Brief Ulrichsr (8. Mai 1870) vom 2. Februar 1902 unterbreitet das an den ttKön. Preuß. Justizministerrr ist WhK dem Reichsjustizamt das Angebot, der Versuch, den § 174 des Strafrechts- rrpersönlich Angehörige des dritten Ge- Entwurfs doch noch zu verhindern durch schlechts (Homosexuelle) kennen zu einen Gegenvorschlag: ttUnter vorste- lernen, damit Sie sich aus eigener An- henden § fällt nicht, wer geschlechtli- schauung überzeugen können, dass hier che Handlungen begeht, welche der ein grosses Unrecht gut zu machen ist.rr Richtung des ihm angeborenen Ge- Unterzeichnet ist dieser Brief von Pro- schlechtstriebes gemäß sind." (1) fessor Dr. Karsch und Dr. med. Hirsch- feld. Notiz am Rande: rrlch danke!lfr Zum § 175 R.SI.G.B. Mit Anschreiben des WhK vom 21. Juni Das Reichs-Justizamt sammelte in drei 1902 verschickt Hirschfeld den vierten Akten 'rAnträge auf Beseitigung des Band des Jahrbuchs für sexuelle Zwi- § 175 des St.G.B.rr aus den Jahren 1895 schenstufen. Er betont in dem Brief die bis 1907 (2l., 1907 bis 1929 (3) und überaus häufig vorkommenden trsexuel- 1929 bis 1934 (4)" len Übergängefr bei Menschen. Der erste hier interessierende Brief in Der Polizeipräsident von Hannover dieser Sammlung (Blatt 56 der Akte) richtet am 27. Februar 1903 ein Schrei- stammt von Dr. med. Hirschfeld aus ben an den Staatssekretär des Reichs- Charlottenburg vom 15.2.1898 (5); er justizamts, Dr. Nieberding, um diesen übersandte dem Ministerium eine von dem Verbot eines geplanten Vor- Druckschrift zum § 175 R.SI.G.B. (6) trags in Kenntnis zu setzen. Referieren Ein zweiter Brief Hirschfelds datiert sollte der Schriftsteller Reinhold Ger- vom 6. März 1898. In diesem Brief er- ling über seine Schrift rrDie Enterbten wähnt Hirschfeld die Petition des WhK des Liebesglücks oder das Dritte Ge- und die Bitte an den Reichskanzler, den schlechtrf . Unverständnis und Mißtrauen klingt in dem Brief des Polizeipräsiden- zur Ernennung des Reichsjustizministers ten an, wenn er schreibt, daß der Re- (Otto Landsberg, SPD) durchzieht Opti- dakteur der Schrift sich die Bemerkung mismus beztrglich einer erneut ins Auge erlaubt, ttdass das Komitee mit Veran- zu fassenden Strafrechtsreform. Bis staltung des Vortrages einem speziellen dahin schlägt das WhK rf Notstandsgeset- Wunsch Euerer Excellenz nachkom- zetr vor, um Menschen vor dem § t75 zu me." (7) bewahren. Erinnert wird an rrAugust Bebel, der wiederholt im Plenum des Im Namen des WhK richtet Hirschfeld Reichstags sowie in der Petitionskom- am 13. Juni 1904 an das Reichsjustizamt mission lebhaft für die Abschaffung des die Mitteilung über die trneueste Ver- genannten Paragraphen eintrat öffentlichung Dr. Hirschfelds: Das Er- [...]'(ll) gebnis der statistischen Untersuchungen über den Prozentsatz der Homosexuel- frAktions=Ausschuß für die Beseitigung len.tr. des § 175 R.St.G.B.rr (In den Zelten l0) lautet der Briefkopf - die Unterschrift Unterzeichnet von den sieben Vor- ist von Magnus Hirschfeld - des Schrei- standsmitgliedern schreibt das WhK am bens an Reichsjustizminister Eugen 24. Sept. 1907 an den Reichskanzler von Schiffer vom 31. Juli 1921: "Wir erwar- Bälow: ttDie mit den Vorbereitung zu ten, dass die gesetzgebenden Körper- einer Reform des Strafgesetzbuches schaften aus Gründen der Gerechtigkeit betraute Kommission wird sich u.a. auch und Menschlichkeit den § 175 bzw. 325 mit dem [...] so viel genannten s l7S zu nicht in das neue Strafgesetzbuch auf- beschäftigen haben. t...] Die in dem nehmen [...]." (12) Es folgen weitere vorliegenden Falle in Betracht kommen- Briefe an den Reichspräsidenten Ebert de Fachwissenschaft ist die Medicin, die und an den Justizminister. durch eingehende Forschungen die in Frage stehende Materie geklärt In einem Telegramm vom 13.4.1922 des hat.rr (8) Deutschen Freundschaftsverbandes an Reichsjustizminister Radbruch wird Die Gegner einer Abschaffung des § 175 gegen die Beibehaltung des § 175 im sind in der Akte des Reichs-Justizamtes Namen der trtrber 1.500 Mitgliedert' pro- zahlreich vertreten. Hervorgehoben sei testiert. Viele Schreiben an die Justiz- ein Brief (November 1907) der Christ- minister Frenken (1925) und Bell (1926) lich-sozialen Partei. Sie forderü rrAuf- vom'f Bund für Menschenrechttt folgen. Iösung der Gemeinschaft der Eigenen, Der erste Brief von Adolf Brand in der Verbot ihres Blattes und ihrer Ver- Akte vom 3. Juli 1928 enthäIt Klarstel- sammlungen. t...1 Strenge polizeiliche lungen im Sinne Brands bezüglich Überwachung aller Aktionen des soge- Friedrich Radszuweits und die Auffor- nannten wissenschaftlich-humanitären derung, rrsich Herrn Radzuweit (sic), den Komitees und dessen Publikationen Angreifer, erst mal etwas näher an[zul- [...].'' (e) sehen". (13) Ein weiterer Brief Brands an Staatsanwalt Seidenspinner Im Zusammenhang der sogenannten (30. Juni 1928) enthält die wtitendsten Skandalprozesse (um Eulenburg-Har- Anschuldigungen gegen Hirschfeld und den-Moltke) schickt Hirschfeld im Na- Radszuweit. Er selbst hält fest an seinen men des WhK am 27.11.1907 an das rrEdel-Homoerotentr. Es findet sich dort Reichsjustizamt seine Druckschr ift tt Zur auch ein (pseudonymes) Pamphlet, beti- Abwehrrr. (10) telt rrExtra Blatt an alle Homoeroten von A"O. Karpinskirt, dessen Sprachge- Die dann folgenden Schriftsttlcke in der stus als Verfasser Adolf Brand vermuten Akte des Reichsjustizamtes spiegeln die läßt. Er schwadroniert über sieben Sei- Tendenz wieder, den § 175 entgegen ten hinweg über den Verbrecher Rad- den Fordenrngen des WhK und anderer szuweit und vergißt nicht, ihm auch fr43 zu verschärfen. gestohlene Pferderr anzuhän- gen. (14) Erst das Schreiben des WhK (nunmehr In den Zelten t9I) vom 21. Februar 1919 WISSENSCHAFTLICH-HUI'IANITARES KOMITEE E. V. Vor:ilzendcr; San.-Rrr Dr. !'t. Hlrs,$fcld L'i ScLrctät; Rlöud Uuscrt

Sckrctrrlrt und Rcdrltloa dcr fahrbudrcr f0r cerucllc Zwlsöeastulca 'if:.IXfl' jil zo. sipr ört ör re ae. Sprcözelt: 11-1 und 5-7 Posoöe*.Konto: BerUn 106?{ Tetefon: Amt Moablt Nr. &159

Aa dcu Stnat6esottaugsohuS dlca Dcuteshorr Relohstage t.Htl. dee EorE OoholrntlProfcasor D.Dr. f, a ä I .

Faohilr tlor StrafüB..ctraurcohu3 auulehr Dol dr Absohnltt 'llrruolt. tct-nrtnrr"fa aagelaa6t lst'lu der sloh auoh dlc peragrapho brfladoae«tlo IDrn dar ruhiufSlgo sohlotrrr donjcaigen ileutgoLm steetegoaoErq* outsoheldca ollml itlc hoeosorucll. verrnragt alni, lrt dcr j-rroltcrto Yoretaa,t tt.r rlsr.usohattllob-hulrnltsrer Xoultlor thr rloh selt Gbcr drol Jthrzchutm urf du AngcleEentllohgto alt ,ttorcn bcdcutrlo tl.aBc bceoh,tft1iiL:rgpctcrtr ru cinor cu8orondcat- llohoa Stttllt tuaarrcngctrctralla dor Dorohlossca nrrColbel dcr Stralgoroütansrohu0 folgodo Antrrgo fi r coluo Borrtuaga ru otrllcnt f.Dt or arohrel3llol sur Oor1nana8 cluca obJoktlvoa Urtellr la dlrror rof,rlrrlgm Frrtc trnr ola Bc.tElctcrcr Ilttol glbt elr rlt eblohgrrolloohtlloh vorenBgtra loaaohcu eclbat Eicfsgraobr rl aolglolt$ r!,oD ilrr Drtltrt tEr Sosrelrlserneohrtt rlt roloLca Pornlrl ll'Vorttn&at Eerotrtsdto Jodonclü Ecrrlt stnlllalob dra Ilt3llorloa dm ttr..ftr.oltnutro tatror gcntönl I oh vorstcll.L ru lrtro.lr tqCr1t tlrt Llortcl ur Poraolrdoroa Ehronhrtülgfrlt qrC Zuroii.frifäolt ruoon JoCor Zrottol ctoht.Ua dor Stretgorotr- rEttolrr0 .l1"Loriorr od.ri. 6ral oal6r Ittgll odola d.t Au lr ohu rrotl Ofe, rtr iäfü afobt ll ila llurcl dra Itrßttuüt bogrü rron ffitü; --,-= -til - -.i i.-_-r t; +Ä# -: +Ä.{ .. ZSIA Potsdam, Anträge auf Beseitigung des § 175, Strafrecht 1/10, Vol. III Nr. 5775, Bl. l7-19 2-t' Oclegcahett :u

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I t- be'sohäftlgt haDea;vou Krlulaallston aE crster Stolle Herr:n 0bernogterua3gnat Dr. fiopp lu Pollzel-PräsltlluEriler ].6 J:.hrc lang tlen enüspneohendca Dezertat vonstend, fer:ner salnaa Jahrzehatelengeu Vorgänger u Bleloher SteIlcrHerra Krllolaal- 1aa;ekton Heas von lneackor,1n dlegsen E5aden sloh eucb dar celnerzelt fün den letzten Kllrer yoa Eorra yon ldecrscheldt- lI-;lleecen bestlnate Uatcrlal beflndctl drs dlcr. dar',al16c f,llser Herro von fr:esckor ungelesen zuriokgabrferucr dlo Stnatreebtslehrcr Professon Bobne ln EöIl uncl Profegrcn tezger ln Ianburgrsowle Herr:n Rcohtsaaüüt Alsbcr6 tn EerLtalvoa uedlzlnlschoa Sachverständ1gs dlc Herreu Dr.H. Stabel uadl Sanltätsraü Dr.Otto Jullusburgor ln 3er1lut Dr. H. Bohleden la Lelp:lg uad Pnolessor Dr. Orupp 1n !ü- Dlagen. f1r gcctattou uns enüI1oh bcl dfuarr Gelcgeahclt nooh d1o Bcnenl(uaSrd.esl unecr Kouiteo llt dor klrzlloh vou rBuud f-;-! xeaco[earrohtr(n1oät rlr vlclfeoh rugenoEla.D Yon dor'L18r tEr Xcusohcaroahttvenansta1tctca YcrrratlutrB lD Ecrrenhausr ilDcr dlc Lologcrucllc Fragr tgt" ru tua hat. 11ü dor BlttorhoohYcnehrtcn Eorr Oohcluretrvon d.l Inhalt dlome [ohrelDcnr ttlo Iltglloder ilol stnafmohtrurr- robuglol g[ttgst vorst'üudlg.[ su rcllla zolohaonlnlt dor Arrdnrol ua!.r.r rufrlahtlEctea fortaohäüruag ' für ilar rlrourohdtf l*huEa[ltir. Ko!lü.. .. ; .. ./1..--r--- ,-,, ( .r.l -L -r- . :{ '*"§:^J..' , ' Der Umfang der dritten Akte des Akte tiber das 3Oiährige Jubiläum des Reichsjustizministeriums (1.6.29 bis WhK (Festakt am 15. Mai 1927 im Stadt- 21.10.34) ist im Vergleich zu den Zeit- haus, Klosterstraße 65) (16) abschnitten der Vol. I und II gering. Am In dieser Akte befinden sich verschie- 20. Sept. 1929 verschickt das WhK an- denste Zeitungsartikel über das Ereig- läßlich der bevorstehenden Debatte im nis; ferner Absagebriefe namhafter Per- Reichstag rreine monographische kleine sönlichkeiten wie Max Liebermann, Flugschriftrr nebst Begleitschreiben. Ein Rudolf Leonhard, Alfred Kerr, Paul Schreiben Hirschfelds vom 26. Septem- Löbe, des Polizeipräsidenten und ande- ber 1929 enthält eine Einladung an den rer. Die Posteingangsstempel des WhK Justizminister in das Institut für Sexual- sind deutlich zu sehen. Telegramme wissenschaft. verschiedener Personen anläßlich des Jubiläums schließen sich an - häufig Beim trStrafgesetzausschuß des Deut- versehen mit einer Geldspende. schen Reichstages, z.Hd. des Herrn Geheimrat, Prof. D. Dr. KahI" (Brief Akte Institut fur Sexualwissen- vom 26.9.29) versucht das WhK frühere schaft (17) Zusicherungen einzufordern hinsichtlich Richard Linsert bezichtigt Hirschfeld, der heranzuziehenden Gutach- er habe, obwohl er in seiner Ge- er. (15) Der Unterzeichner des schlechtskunde (Bd. 2, S.453) das Ver- Briefs, Karl Besser, distanziert sich am htrtungsmittel rrPatentex" als problema- Ende seiner Ausführungen von der Ver- tisch angesehen habe, seinen Frieden sammlung des Bundes für Menschen- mit der Herstellerfirma (Vauka) ge- recht im Plenarsaal des ehemaligen Her- schlossen aufgrund der angeblichen Zu- renhauses am 20. Sept. 1929. Die dort sage einer Hypothek auf sein Haus. Ein verabschiedete Resolution des B.f.M. ehemaliger Angestellter der Firma Vau- wird am 9. Okt. 1929 dem Justizministe- ka (von Nida) beschreibt in vielen Brie- rium zugesandt. Am 18. Oktober ver- fen an Linsert die schmähliche Behand- sucht Hirschfeld für das Institut für Se- lung durch seinen frtrheren Geschäfts- xualwissenschaft, Justizminister Gu6- partner. Von Nida - nunmehr selbstän- rard daftir zu gewinnen, den Betroffe- dig und mit Vauka in gerichtlichen Aus- nen rrErleichterungen für Straf- und einandersetzungen - benennt einen hin- Disziplinarangelegenheiten [...] [zu] ausgeworfenen Kollegen namens König schaffen. Und Dr. Otto Placzek fühlt in Frankfury'M. als Zeugen; dieser habe sich vom Justizminister nicht vollständig das Gespräch zwischen Hirschfeld und zitiert und bezeichnet sich als "Gegner dem Inhaber der Vauka, Herrn Merz, der unheilvollen Propaganda-Tätigkeit tiber das Geschäft selbst gehört; 3000 Hirschfelds.tr (Brief vom 24.10.29) RM seien per Post nach Berlin tlberwie- Schließlich noch eine Denunziation: sen worden. Am 17.12.1929 teilt Linsert rrDer Btlroadjutant des Reichspräsidial- von Nida mit, daß er aus dem Institut büros - Major v. Hindenburg - gibt ausgeschieden sei. Auch Max Hodann durch fortlaufende politische auf Homo- schreibt v. Nida am 14.1.1930 von sei- sexualität beruhende Einmischungen zur nem Ausscheiden, und daß er Patentex Beschwerde Veranlassungtr beginnt ein durch einen Vauka-Vertreter ftrr seine anonymer Brief (gezeichnet rrPoliticusrr), Beratungsstelle in Reinickendorf ange- datiert Sylvester 1931. Sein Vorschlag: nommen habe. rrStrafanzeige nach § 175 SI.G.B. bzw. Zusammen mit Dr. Berndt Götz und Dr. medizininalpolizeiliches Unterbindungs- jur. Fritz Flato grtinden Hodann und gesuch.tl Linsert das rrArchiv für Sexualwissen- schaftrt. Akten aus dem lnstitut fttr Sexualwis- senschaft Linsert hat den Plan, ein Buchrrtiber die Bei den im folgenden beschriebenen Wirksamkeit der Antikonzipientienrr zu Str:cken handelt es sich offensichtlich veröffentlichen, um eine frmöglichst um solche, die nach der Schließung und vollständige Aufstellung aller in Mittel- Plünderung des Instituts ftlr Sexualwis- europa gebräuchlichen Antikonzipien- senschaft in die Hände der Polizei und tien zu gebenrr (ohne Datum). Justiz gerieten. Er teilt v. Nida auch den Plan mit, zu- künfrig in der Beratungsstelle des Ar- (21 Anträge auf Beseitigung des § chivs mit den Krankenkassen zusammen- 175. Strafrecht l/10, Vol.I, 5773 arbeiten zu wollen. Laufende kostenlose (3) Anträge auf Beseitigung des § Sendungen von Verhütungsmitteln an 175. Strafrecht l/10, Yol.ll,5774 Linsert ttbelohnttt von Nida zusätzlich (4) Anträge auf Beseitigung des § und bereitwillig mit Ausklrnften über die 175. Strafrecht l/10 Vol.III. Nr. Beziehungen Hirschfeld/Vauka. 5775 (5) Die im folgenden erwähnten Brie- Von Nida ist ferner ein guter Zuarbeiter fe und Dokumente in der Reihen- ftrr Linserts Buchprojekt. Er beschafft folge ihrer Anordnung im Archiv. ihm alle möglichen Beschreibungen von (6) vermutlich: § 175 des Reichsstraf- Präparaten der Konkurrenz, bei der gesetzbuchs. Die homossexuelle Linserts Anfragen ins Leere laufen. Frage im Urteile der Zeitgenossen. Schließlich schwebt v. Nida eine Fa- Leipzig: Max Spohr 1898 brikation von Verhütungsmitteln in Pro- (7) offensichtlich eine Umsetzung der letarierhand vor; diese proletarische von Hirschfeld berichteten Auf- Vereinigung könne Mitglied in der Welt- forderung Nieberdings WhK, erst liga für Sexualreform sein. rrDeutsch- das Volk aufzuklären, bevor die land hat ca. 20-30 selbständige kleine Regierung den Homosexuellen-Pa- und größere Btinde, die Mitglieder um ragraphen abschaffen könne. VgI. sich scharen, von diesen Beiträge her- Hirschfeld, Von Einst bis Jetzt, ausziehen, die fur 6-8 Bundeszeitungen Berlin: rosa Winkel 1986, S. 22 verprasst werden. [...] Da muß Wandel (8) Dieser Brief wie die folgenden in geschaffen werden.fi (nl. 43, o.J.) Vol.II (e) Anträge...., Vol.II 5774, Nr. 5826, Als eine kleine Überraschung kann ein ohne Blattzahl Ordner gelten, dessen 136 Seiten mit (10) ebd., Nr. 6035, 81.29 Fragezetteln zu Vorträgen im Institut (11) ebd., Bl.4l firr Sexualwissenschaft beklebt sind. (L2l ebd., Bl. 43 Persönliche Anfragen von Ratsuchen- (t a1 ebd., Nr. 5774, Bl.428tt den an Hirschfeld befinden sich eben- (14) ebd., BI. 434ff falls zwischen diesen Seiten. Beschriftet (1s) Hierbei handelt es sich wohl um ist der Ordner rrFragezettel bei Verhtr- die von einigen WhK-Mitgliedern rrVerrattr tungsvorträgenfr. ( 18) als gewertete Eigen- mächtigkeit Hirschfelds, dem Aus- Auch der folgende Ordner dürfte ur- schußvorsitzenden entgegen dem sprUnglich zum Bestand des Instituts Beschluß des WhK-Vorstandes die gehort haben: Namen der heranzuziehenden Gut- tt S ex ualwi ssenschaftl.-kulturge- achter mitzuteilen. Vgl. zu dem schichtl. (erotische) Bibliothek und Konflikt, in dessen Zusammenhang Sammlung. Bücher, Bilder und Ob- noch weitere Beschuldigungen jekte. Spezialsammlung d. t...1 Se- gegen Hirschfeld erhoben wurden xualwissenschaft. und der schließlich zu Hirschfelds Professor Dr. Iwan Bloch Rtrcktritt vom Vorsitz des WhK geb. 8.4.1872 in Delmenhorsy'Olden- ftihrte, die Einleitung von Friede- burg mann Pfäfflin in: Mitteilungen des gest. 19.11.1922 in Berlin-Charlot- Wissenschaftlich- human i tären tenburg Komitees 1926- 1933. Faksimile III. Ausfertigungrf Nachdruck. Hrsg. von Friedemann Dieses Verzeichnis listet 244 Objekte Pfäfflin. Hamburg: Bell 1985, S. auf, sowie weitere [5 rrCuriositä- XIIff ten'r. (19) (16) ZSIA Potsdam 70 Ko I Wissen- schaftlich-humanitäres Komitee e.V. Armrerkungen ItZl ZSIA Potsdam 70 In I Institut ftir Sexualwissenschaft (Ordner) | u.2 (l) Deutsches Zentralarchiv, Potsdam; (18) ZSIA Potsdam 70 In I (Ordner) 3 Reichskanzleramt I 4.01, 625 (tO1 ZStA Potsdam 70In I (Ordner) 4 ,,D urcb Wissensch aft z ur G ere cb tigk eit" Vor hundert Jahren studierte Magnus Hirschfeld in Heidelberg

,Der Hirsch(eld 6, Königreich Preußen' ist über scine Herkun(t kommt. der Hirschfeld darin vermerkt. Das .J' unter Religion steht kommt, da reißen alle 'd,ffi -, frir jüdisch. Später bezeichnete sich Hirsch- aus'. säng man in aen {r,J? feld als .Dissiden'.'. Auch die Statur des an- Berliner Cabares. oä'i {'r. gehenden Mediziners ist beschrieben: .Grö- alt wirkende Mann i;.j* ߀ [.63. Gestalt scNank. Kinn rund. Nase mit seinem voluminö- ; groß. Haar dunkelblond.' sen Oberlippenbart Am 30. September lB90 wurde er aul An- war tn' der .Reichs- §ag vorzeitig aus dem Dienst entlassen. Im hauptstadt der 20er Sommersemester hatte er schon an der Hei- Jatrre bekannt wie ein delberger Uaiversität sein in Breslau und bunter Hund. denn er /'- Straßburg begonnenes Studium fortgesetzt. bescträftigteuescrrorugtE ältlttsich YUt,vor '', (. Sein Studienbuch belegt bis zum Sommerse- allem mit dem, wor- d mester 1B9l Vorlesungen bei den Professo- über man entweder' ren Kehrer (hier lernte er u. a. ,geburtshilfli- gar nicht spricht oder was in der Klatsch- che Klinik' und Gynäkologie), Bessel-Ha- presse auch der darnaligen Zeit giroß heraus- gen. Fleiner. Erb. Arnold und Czerny. Er posar:nt wurde: mit dermensctrlichen Sexua- wohnte in dem noch heute erhaltenen Haus Utät Im Juli nun hat Berlin den Begrninder Sandgasse 12, schräg gegenüber der Univer- der Semalwissenschaft wiederentdeckt. ln sitätsbibtiothek" 1891 setzte er sein Studium beiden Stadthälften fand die .Dritte lnterna- in München und Berlin [ort. wo er 1892 tionale Beitin-Konterenz fur Senralwissen- '.Über Erkrankungen des Nervensystems im 'sdleIt" statL Die erste hatte Hirs&Ield-1921 Ge(olge'ds1 Infl usnza' promovierte. orgrnisiert die zweite Tagung fand 1926 ln seinen l-ebenserinnenrngen ,Von einst statL Jetzt zierte das Konterfei Hirsctrjelds bis jetzt' setzt sich Hirsctrfetd kritisch mit sog6i zwei Medaillen. die den beiden Senr- seinen SNdienerfahrungeu auseinander: alforschera prof. Emest Boraen:nn (Wien) .Solange ich ar-rI der Uaiversität war und Prof. Hermann Musaph (A.rosterda-ur) (1887-f893). babe ich. soviele Kollegs ich überreicht wurden- auctr besuctrG. kau:n je aus Professoren- Audr Heidelberg hätte dleo Gnurd. Ma- mund den Ausdruck .senrell' gehörl Voll- deu eat- ends verpöot war das Wort .Uebe'. Man er Arzt bei sprach von normalen und abnonnalen Ge- g€Ds genau burten. beschrieb in der Anatomie den ferti- vor hundert Jahreu. Daraud vries auch der gen. in der Entwicklungrsgeschichte deo wer- Berliner Arzt Dr. Dieter Bemer tn elnem Vor- denden Bau der Geschlechtsorgane und trag über Hirschleld im Rahmen von ,Uni lösctrte chts- Art' und auf Einladung derJahrhuadertweD- stunde voD, de-Gesellschaft hin. tn Heidetberg leistete der Taf e er- Flirsdrfeld auch seinen kurzeo Militärdieon blickte. Vou ihren Fuaktionen. voUends von als .Einjätuiger' ab. Ewar in der8. Koopa- gesctrlecht|id'' gs F.n pfiaduagen und Bedirf- nie des 2. Badischen Grenadier-Reginens nissen, sprach kein Professor der Physiologie, stationierL Am l. April 1890 bezog er seine kein t ehrbuch der Hygierie. höchstens gele- Stube in der Kaserne in der Säminarstraße 2" gentlich einnal ein mutiger Dozent det 7ao- [n der heute die Universitätsrerwaltung uo- logie.' tergebracht in. S€in Stanmbudr ist noch er- Diesem vollte Hirschfeld abhelfen, ar- halten: .geboren l4teu Mai 1868 Colberg. näctrst ^l< .Arrt für Naturheilkunde'in Mag- IGeis Cöslin. Regierungsbezirk Cöslin, deburg. de"q ab 1896 ln-Berlin-Charlotten-

FortsetzlJrLg auf S- 64 Aufklärungen über trDie Aufklärungr - Ein Werkstattbericht

Ralf Dose

trDie Aufklärungrr war Hirschfelds letz- - aus den Bezeichnungen zu er- tes Zeitschriftenprojekt, dem noch eine schließenden - vierteljährlichen Er- längere Lebensdauer beschieden war. scheinungsweise behauptet das Im- Allerdings scheint das Blatt - neben der presssum "[...] erscheint einmal im redaktionellen Arbeit, die wohl weitge- Monatfr. Weitere Hefte des Jahrgan- hend von Maria Krische geleistet wur- ges 1932 sind jedoch nicht nachweis- de - stark von Hirschfelds eigenen Bei- bar. trägen und Inspirationen sowie den Res- sourcen des Instituts für Sexualwissen- Der Seitenumfang pro Nummer beträgt schaft abhängig gewesen zu sein. Die 1929 und im ersten Quartal 1930: 32, ab auffälligen Brüche im äußeren Erschei- Heft 4/5 1930 nur noch 28 Seiten. (3) nungsbild der Zeitschrift legen eine Im Herbst l93l wird die Seitenzahl wie- genauere Betrachtung nahe; eine der der erhöht: die Hefte 9 und l0 erschei- Krisen des Blattes läßt sich zudem nen mit je 30, 11 und 12 mit je 32 Sei- durch Tagebuchaufzeichnungen Paul ten. Die vier Hefte von 1932 bringen es Krisches etwas erhellen. nur noch auf je 16 Seiten bei einem Ver- kaufspreis von je 40 Pfennig. Ftir die Da das Gesamtverzeichnis des deut- ersten beiden Jahrgänge wurde pro Heft schen Schrifttums nur die beiden ersten eine Mark verlangt, ab Heft 8/1931 nur rrAufklä- Jahrgänge (1929 und 1930) der noch 70 Pfennige. In den Heften 8 und rungtt kennt, die Zeitschriftendatenbank ll/ 12 aus 1929 gibt es je eine für die alten Bundesländer und West- 'rKunstbeilage". (4) berlin kein vollständiges Exemplar Die Höhe der Auflage war nicht z! er- nachweist (auch der Bestand der Deut- mitteln. In den Verhandlungen mit Ernst schen Staatsbibliothek in Ostberlin ist Oldenburg wird einmal als beabsichtigte lückenhaft), und die Deutsche Btrcherei Auflagenhöhe 6000 Exemplare genannt. zwar alle vier Jahrgänge katalogisiert Ob das über oder unter der bis dahin hat, aber die beiden letzten bei Bestel- produzierten Stückzahl liegt, ist unklar, lungen als ttz.Zt. vermißtrr meldet, ebenso die Höhe der tatsächlich ver- scheint eine genauere Beschreibung des kauften Auflage und der Remissionen gesicherten Bestandes angebracht. sowie die Zahl der Abonnements. Noch 1932 sind alle bis dahin erschienenen Erschienen sind: Jahrgänge vollständig lieferbar. Jahrgang I (1929) mit l1 Heften ab Fe- bruar. Das Dezemberheft wurde bei Im Gegensatz zu anderen Blättern, die gleicher Seitenzahl als Doppelheft ähnliche Thematiken behandelten (2.8. lll12 deklariert. ttDie Ehetr), scheint es der ttAufklärung" Jahrgang 2 (1930) mit 8 Heften (4/5, 6/7, gelungen zu sein, ein Verbot nach dem 8/9, l0lll als Doppelhefte, ohne sich Schund- und Schmutz-Gesetz zu ver- im Umfang zu unterscheiden). meiden. Für diese beiden Jahrgänge wurde vom Verlag Aufklärung und Fort- schritt eine Einbanddecke mit Gold- Herausgeberln, Redaktion, Verlag und prägung, Vorsatzblatt und Inhalts- Druckerei verzeichnis geliefert. Die Jahrgänge 1929 und 1930 wurden später auch Der Jahrgang 1929 und die drei Hefte gebunden annonciert. (l) des ersten Quartals 1930 nennen auf Jahrgang 3 (1931) mit ll Heften (6/7 als dem Titelblatt Magnus Hirschfeld und Doppelheft bei gleicher Seiten- Maria Krische als Herausgeberln. Die zahr). (21 Verbindung mit dem Institut ftir Sexual- Jahrgang 4 (1932) mit 4 Heften: März wissenschaft wird anfangs auf der ersten (Umschlag: April), Mai/Juni, Som- Textseite deutlich betont durch den mer-Sonderheft, Herbst. Trotz dieser Vermerk: rrAlle Zusendungen ftlr die Redaktion sind zu senden an das Institut schrift von Verlag und Redaktion auf für Sexualwissenschaft, Berlin NW 40, Kurftirstenstr. 124. (10) In den Zelten 10. Dieser auffällige Ver- Zum August 1931 wechseln Redaktion, merk unterbleibt ab Heft 5/1929. (5) Verlag und Herausgeber erneut. Als Auf den graphisch verunglückten Titel- Herausgeber und verantwortlicher Re- blättern der Hefte 4/5 und 6/7 des zwei- dakteur zeichnet nun Siegfried Bergen- ttDr.tt ten Jahrgangs ist der nun mit dem gruen, Berlin-Friedenau. Unter seiner versehene Name Hirschfelds doppelt so Adresse (Fregestr. 69) residiert auch der groß gedruckt wie der Maria Krisches; 'rPfeil-Verlag (Aufklärung und Fort- zusätzlich wird dort die rrwissenschaftli- schritt)" ( 11). Bergengruen behält che Grundlagerr betont. Heft 8/9 er- die Schriftleitung bis zuletzt (12); scheint unter der alleinigen Herausge- als'rHerausgeber und verantwortlich für berschaft Hirschfelds und mit dem nur die Inserate" der letzten vier Hefte wird einmal verwendeten zusätzlichen Titel Fritz Dehl, Berlin-Tempelhof, Greve- 'rlch und Dutt - auf dem Titelblatt zu weg 3, genannt. Unter dieser Anschrift einem Satz erweitert: "tlch und Dur residiert nun auch der trAufklärung und finden Klärung über Geschlecht - Liebe Fortschritt-Verlag." (13) Dehl hatte - Ehe in der Zeitschrift von Dr. Magnus bereits in den von Bergengruen veran- Hirschfeld Die Aufklärung". (6) Im stalteten Ausgaben der rAufklärungr folgenden halben Jahr erscheint die rrPlastische Aktphotos, körperlich deut- Zeitschrift ohne Hinweis auf Hirschfeld; Iich hervortretendrr annonciert. Über die die ZeilerrBegrtindet von San.Rat Dr. Bedingungen, unter denen dieser letzte Magnus Hirschfeldt' steht erst ab Heft Verlagswechsel stattgefunden hat, ist 4ll93L auf dem Titel. (7) Vorher war nichts bekannt. (14) statt des Herausgebervermerks dort zweimal zu lesen rrZeitschrift auf wis- Unklar ist noch, welche Personen hinter senschaftlicher Grundlaget'. Der Grtrn- der Verlagsgründung'rAufklärung und dungshinweis entfällt mit dem Ver- Fortschritt G.m.b.H.tt standen, der zu- Iagswechsel nach dem Ende des dritten mindest zeitweilig als dem Institut für Jahrgangs ebenso wie der Untertitel Sexualwissenschaft zugehörig angese- rrMonatsschrift für Sexual- und Lebens- hen werden muß. Er residierte anfangs reformtt. In den Heften zwischen No- in SO 16, Köpenicker Str. 39, und ließ vember 1930 und Juli l93l finden sich gleich nebenan, bei Maurer & Dimmick, (wechselnde) Sinnsprüche statt des Un- Köpenicker Str. 36-38, druk- tertitels. Die vier Hefte des 4. Jahrgangs ken (15). Aus dem Tagebuch von erscheinen unter dem Titel rrAufklärung Paul Krische (s.u.) geht hervor, daß und Fortschrittrr. neben Dr. Mueller-Alberti offensichtlich auch Maurer und Dimmick an den Ver- Die Redaktion lag in den Händen von kaufsverhandlungen im Frühjahr 1930 Maria Krische; Heft 3 des zweiten Jahr- teilgenommen haben. gangs nennt sie letztmalig als Redakteu- rin, aber mit Redaktionsadresse beim Die Hefte 4/5 und 617 1930 wurden bei Verlag nAufklärung und Fortschrittrf in R. Dietze (Berlin S, Dresdener Str. 34- Berlin SO 16, Cöpenicker Straße 39. 35) gedruckt; ab Heft 8 des Jahrgangs Unter dieser Adresse redigiert bis zum Übergang an Bergengruen war Frau (81 Z. Mueller-AIberti auch die Druckerei Vollbehr & Söhne in Bad Heft 4/5; die beiden folgenden Hefte Köstritz (bei Gera) Vertragspartner. haben interimistisch wieder das Institut Bergengruen ließ sein erstes Heft (Au- (In den Zelten 9a) als Anschrift von gust 1931) in Leipzig drucken (Dr. Verlag und Redaktion (Frau Z. Mueller- Kar[...] , Leipzig W 3l (16)), das zwei- Alberti), bevor im November Redaktion te bei Artur Boettge (Berlin S 42, Prin- und Verlag, nunmehr rrAufklärung und zenstr. 95), die folgenden drei bei Ach- For tschr i tt, Ti erg ar ten - Ver I a g terberg & Co. G.m.b.H. (Berlin SW 61, G.m.b.H.tt (9), nach Berlin NW 62, Belle-Alliance-Str. 92). Der letzte Ver- Kurfürstenstr. 70, übersiedeln. AIs ver- leger, Dehl, ließ zwei Nummern bei E. antwortlicher Redakteur wird ietzt Z. Br{ickmann in Berlin-Steglitz herstellen Mueller-Alberti genannt. Schon im und kehrte für die letzten beiden Hefte nächsten Monat ändert sich die An- zu Artur Boettge zurück. Ob unbezahlte Druckereirechnungen oder andere Gründe diese häufigen Wechsel veranlaßten, ist ungeklärt. Unterstellend, daß Verlage in ihren hauseigenen Blättern für andere Ver- lagsprodukte zumindest dann werben, wenn Anzeigenplatz unverkauft bleibt, scheinen sie neben der Zeitschrift nur vereinzelt andere Werke verlegt oder vertrieben haben.

In den ersten drei Heften wird für rrvom werdenden Leben" geworben, eine Schrift von Paul und Maria Krische, in 3. Auflage 1925 bei A. Hoffmann's Ver- lag in Berlin O 27; ab Heft 9/1929 ist diese Schrift (nunmehr nur noch mi[ Maria Krische als Autorin) zum gleichen Preis beim Verlag Aufklärung und Fort- schritt zu haben. (17) Der Verlag annonciert ferner - Maria Winter: trAbtreibungsseuche" oder Rationalisierung der Gebur- ten (18) Abb. 1: Heft l, Februar 1929 (Pewas) - Müller-Lyer: Die Familie Müller- Lyer: Der Sinn des Le- gegründett', der u.a. verspricht, seinen bens (19) Mitgliedern kostenlos rrZeitschriften, - Eduard Spranger: Psychologie des Bücher, Briefwechsel mit Gleichgesinn- Jugendalters. (20) ten, Sexual- und Eheberatung, juristi- Nachdem der Verlag 1930 nach der sche Hilfe u.v.a. Vergünstigun- Trennung von Maurer und Dimmick In gen" (24]' zu vermitteln. Er wirbt für den Zelten i0 (Anzeige) bzw. 9a (lm- seinen Buchversand und für den Roman pressum) residiert, wirbt er weiter für "Atempause!" (25) von Joh. Ferch. das Buch von Maria Winter, ferner für die ttin Kürze erscheinende" Sittenge- Friedrich Dehl schließlich macht nicht schichte des Weltkriegs. nur für seine "plastischen Aktphotos" Reklame, sondern auch für 'rEin un- Der Tiergarten-Verlag G.m.b.H. Muel- schätzbares Hausmittel bei mangelhaf- ler-Albertis wirbt - mit einer Bespre- ter Darm- und Drüsentätigkeitil und für chung und einer Anzeige in Heft 6- eine wöchentlich erscheinende Roman- 7/1930 - für Alexander Szanto:rrDer zeitung "Die Welt - ein Romanl" (im D- Zionismus, eine nationalistische und Verlag, ebenfalls Greveweg 3 in Berlin- reaktionäre Utopie" (21), und ab Tempelhof) (26) und sucht ?rVertre- rrDas Heft l/1931 mit Anzeigen für Ju- ter, Kolporteure und Strassenhändler denbuch" von Arthur Kahane (22); [...] fUr unsere illustrierte Monatsschrift Bergengruens Pfeil-Verlag kündigt Os- und unsere Wochenzeitung. Außerst wald Preisser: "Die sexuelle Aufklärung gan gbare Blätter. Publikumsware! und Erziehung der Jugend in Schule und [...]" - diese sollen sich jedoch unter Haustt als ersten Band einer nicht wie- einer Chiffre bei der Redaktion (also bei der erwähnten 'rBibliothek für Aufklä- Bergengruen) melden. Ob sich keine rung und Fortschrittt' an; das Buch er- Vertreter, Kolporteure und Straßen- schien im Dezember 1931 unter dem Ti- händler gefunden haben oder das Publi- tel rrJugend und Sexualreform". (23) kum die Ware einfach nicht wollte, muß Im letzten Jahrgang wird es weiter be- offen bleiben . (27l, Die Umfirmierun- worben, nunmehr vom Verlag rrTransak- Befl, Neugründungen und Diversifizie- tionrr. Bergengruen hat auch einen rungen machen den Eindruck, als rette- 'rBund für Aufklärung und Fortschritt ten sich Herausgeber, Verleger und Abb. 2: Heft 7, August 1929 (Pewas) Abb. 3: Krisenheft 4/S,MailJuni 1930 Redakteur von einer Pleite in die näch- Herausgebervermerk steht weiß auf ste. (28) schwarz linksbündig unter dem Zeit- schriftentitel. Die verwendete Schrift ist eine sehr gut Iesbare Groteske, von der Umschlaggestaltung nur die Versalien verwandt werden (aus- ser bei der Monatsangabe). Diese sehr Mit einer Ausnahme wird das äußere klar senkrecht gegliederte und seriöse Erscheinungsbild der "Aufklärung'r Titelblatt-Gestaltung von Pewas gerät durch die hellrote Farbe des Titelblattes bei den Krisen-Doppelheften 4/5 und 6/7 bestimmt. Nach einem Vermerk unten des zweiten Jahrgangs offensichtlich in links wurden die Umschläge - mögli- unkundige und unfähige Hände: zwar cherweise auch das Layout im Innern wird die Gliederung prinzipiell beibehal- der Hefte - von [peter] Pewas gestal- ten, als Schrifttype jedoch eine Kursive tet. (29) Nach einigen Experimenten verwandt, deren Schnitt Jugendstilele- mit dem Format des Titelbildes (30) mente aufnimmt, aber ungekonnt. Die findet der Grafiker ftir ungefähr ein Jahr linksseitige Schriftleiste endet nun eine nahezu unveränderte Anordnung: schon unter dem textlich aufgemotzten, Die rechte Hälfte nimmt eine hochfor- schwer lesbaren Herausgebervermerk matige Photographie, ein Gemälde oder und der Titel-Schriftzug nimmt die volle eine Graphik ein, die bis unter die Titel- Breite ein, statt linksbündig die Spalten- zeile reicht. In der linken Halfte befin- gliederung zu betonen. Den schlimmen det sich unten Heftnummer, Verlagsort Eindruck vervollständigt die abgrundtie- und Erscheinungsdatum. Die ursprüng- fe Kitschigkeit des verwendeten Titel- Iich zweizeilig vorangestellte Heftnum- bildes 'rArabische Legende" von Dinet. mer wird mit der Verschlankung des Für das nächste Heft wird sogar auf die Layouts über die zwei Zellen Verlags- allererste Gestaltung der Titelseite zu- ort/Erscheinungsdatum gesetzt. Arn rückgegriffen, den weißen Dreiviertel- linken Heftrand zieht sich von unten kreis eingeschlossen. Auf die zusätzli- nach oben über die ganze Höhe eine che Farbe wurde verzichtet, das Heft ist weiße Schriftleiste mit dem Untertitel ganz grau im Gesicht (31) und spie- rrMonatsschrift für Sexual- und Lebens- gelt so die Krise des Blattes wider. reform * Preis eine Markrr entlang. Der Die a.

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' § ns BERL,N i, 'E oir .*^ . trl :a els ,e#,.- L ü;i Abb. 4: Krisenheft 6/7, Juli 1930 Abb. 5: Heft 8/9, Sept. 1930 (Pewas?) Eine zweite Folge mit acht relativ ähn- zum einen der verwendeten Schrift zu- lich gestalteten Titelblättern beginnt mit zuschreiben ist, zum anderen den von Heft B/9 vom September 1930. Sie sind nun an auf der linken Seite zusätzlich jetzt klar waagerecht gegliedert: Die eingeführten, typographisch uneinheit- unteren drei Fünftel der Seite nimmt Iichen schwarzen Aufdrucken mit reiße- eine Fotographie, Collage oder Grafik rischen Ankündigungen. auf weißem Grund ein, die oberen zwei Der letzte Verlagswechsel bringt die Fünftel zeigen das charakteristische Titelerweiterung zu'rAufklärung und helle Rot mit dem weißen, nun wieder Fortschritt"; das Layout des wird kon- aus der Grotesken, aber mit Groß- und ventionell bis bieder. Am Iinken Rand Kleinbuchstaben gestalteten Titel- wird ein weißer Balken entlanggeführt schriftzug. Die Preisangabe steht nun und die freie rote Fläche links neben schwarz auf rot rechts oben, Verlagsort, dem Titelbild mit Preis- und längeren Heftnummer und Erscheinungsdatum Inhaltsangaben gefüllt. Ein Grafiker schwarz auf weiß links unten - aller- wird nicht genannt. dings nur für zwei Ausgaben, ab De- zember 1930 trägt das Titelblatt keinen Hinweis auf Heftnummer oder Erschei- Der Verkauf an Mueller-Allberti im nungsdatum. Auf einigen dieser Titel- Frühjahr 1930: Paul Krisches Tagebuch blätter verunklart zusätzlicher werbend gemeinter Text das Layout. Auf dem "Die Aufklärung" kam nicht erst nach Ietzten Heft der Serie (6/7 des 3. Jahr- Hirschfelds Abreise aus Berlin Ende gangs) findet sich noch einmal der Gra- 1930 ins Trudeln. (33) Die krisen- fikername Pewas. Ob er auch die übri- haft aussehenden Hefte des ersten Halb- gen Titel gestaltet hat, ist nicht nach- jahres 1930 mit ihren unterschiedlichen weisbar, aber wahrscheinlich. Herausgeberschaften, verantwortlichen Redakteurlnnen, Layoutern, Verlagen Mit dem Verlagswechsel im Sommer und Druckereien - bereits das Febru- 1931 greift der neue Umschlaggestalter arheft erschien verspätet (34) Hellmuth Asrfalck (32) auf die an- deuten auf Probleme hin, die sich glück- fängliche Pewas-Konzeption zurück, licherweise aus dem Tagebuch Paul Kri- ohne deren Klarheit zu erreichen, was sches etwas erhellen lassen. (35) f

Abb. 6: Heft 6/7 , Juni I g3l (Pewas) Abb. 7: Heft 12,Dezember12, Dezember 1931 (Ast- falck) Es geht in den ersten Monaten des Jah- res 1930 offensichtlich um den Versuch, anderer Kontakt stattgefunden: einen zahlungskräftigen Verleger für rrMarie t'Aufklärungt' war im Dietz-Verlag bei die zu finden, nachdem Adolf Schulz. Dieser hat Interesse, die Druckerei Maurer & Dimmick die war aber entsetzt über die unkauf- Verluste nicht länger zu tragen bereit männische Leitung. Die Verhandlung war. Akribisch vermerkt Krische eine wurde protokolliert. (:0) Bis Anzahl von Kontakten mit Verlagen, 25.1. sollen wir Bescheid haben. Un- denen die rrAufklärungrr angedient wird. erwarteter Ausgang. Wir hatten erst Im Verlauf dieser Verlagsverhandlungen den Weg für vergeblich gehalten.rr wird deutlich, daß Hirschfeld seine Mit- herausgeberin Maria Krische anschei- Am nächsten Tag, dem 10. Januar, no- nend nicht sonderlich nobel dabei be- tiert Krische: handelt hat. Der Chronologie nach hat ttum 5 war Adolf Koch da. Sein Ver- sich folgendes zugetragen: leger für die Aufklärung ist Mot- zahn, der erste Verleger der Ehe. Er Über die verlegerische Seite der "Auf- will 400 M Honorar zahlen: 100 M klärungrr muß bereits Ende 1929 ver- Koch 100 M Magnus 100 M wir u handelt worden sein; darauf deutet der. 100 M f. Autoren. Wenig erfreulich." erste die "Aufklärungrr betreffende Ein- trag vom Sonnabend, dem 4. Januar Eine Woche später (17.1.) hat Koch 1930, hin: anscheinend seinen Verleger Ernst Ol- rrNachmittags rief Adolf Koch noch- denburg ins Spiel gebracht: "Verlag mals an. Er hat einen Berliner,Ver- Ernst Oldenburg will'rAufklärung'l leger für die Aufklärung, der.'900 M übernehmen (6000 Auflage.).'r Aber eine je Nummer für Honorar gäbeh will. Enttäuschung folgt auf dem Fuß: rrDietz (Sa[?]am Verlag, Verlag der Ehe.) hat die Ubernahme der Aufklärung ab- Er will mitbeteiligt sein. Mittwoch gelehnt. Magnus ist gegen Münzenbergrr kommt Magnus wieder, dann können notiert Paul Krische am 19. Januar. En- wir ja verhandeln. de der Woche (Freitag, 24.1.) ist er je- doch Am Donnerstag darauf hat noch ein 'rAbends mit Marie bei Magnus. Mit Der nächste Eintrag in Sachen ttAuf- klärung'r findet sich erst am 17 . Februar: "[...] Um l/2 5 zu Magnus. Erich Freyer auch da. Wir stellten eine Februar Ne der Aufklärung zusam- men. Ein Müller-Alberti will sie vielleicht erwerben.'r

Offensichtlich hatten alle Beteiligten erwartet, das Februarheft schon im Rahmen eines neuen Verlagsvertrages herstellen zu können und sich deshalb viel Zeit damit gelassen.

Man trifft sich vier Tage später, Frei- tag, den 21. Februar: rrUm 5-8 war Müller-Alberti (39) da. Recht angenehmer Mann. Er will

Abb. 8: Sommer 1932 Verleger Oldenburg und Adolf Koch zusammen. Wir sind bereit: 3 Num- mern ohne Honorar, dann 300 M. Ich trat dafür ein, dass Magnus 100 M extra erhäIt.rr Obwohl am nächsten Tag noch einmal bekräftigr: "Mit Adolf Koch wegen d. Aufklärung telefoniert. Oldenburg will sie übernehmenrr, scheint nichts daraus geworden zu sein. Krische vermerkt am 28. Januar noch einmal trDauernd Ver- handlungen wegen der Aufklärung", ohne aber die Verhandlungspartner zu nennen. Ernst Oldenburg wird nicht wieder erwähnt. (37)

Dafur notiert er am gleichen Tag aber einen Skandal, den die Illustration eines Artikels von Felix Abraham in Heft 211929 ausgelöst hat: rrUnglaubliche Sache v. Abraham. Der Infantilist Dobler (Aufklg 2 Bild v. ihm.) hat an Abraham geschrieben, die Aufklärung hätte ihn ruiniert. liild iles l'riseur-r D, Er lockte 12- ltis L4jährigc lfiädclrcn Sein Konkurrent (Eisner hatte un sicb und uerging sich an ihnen in Luubcn. lecran Möbel- [?]) rr«gez, KsIIcrn d.srr'. Er terriet sich. scllnr dutlurdu do& er sein Bild in den Laden gehängt. ,lcn Kindern. ttach getchelrener Tat Geld Iü, Banüoas Abraham schrieb ihm, die Bebilde- schenhte. Der Vator eitcs Mädchens, der tadt der Her- Itunlt iler Säßiglceiten lorschte, Iianr so wtl seine Spur. rung sei nicht von ihm, sondern von i[Iur beachte «n dqn. Mtnne det Zsargturlß der Redaktion. Abb. 9: Die inkriminierte Abbildung aus Ich sprach abends Magnus mit darü- Heft2/1929 der Aufklärung, S. 51 ber.'r (38) Aber so schnell geht das doch nicht. warten wie auf eine Reaktion auf den Zunächst macht macht Maria Krische Brief. Am 19. April notierr Krische (am 3. Märzll die Korrektur des Febu- ttNächstens wollen wir mit rfAufklärungrr; Dr. Mtiller- arheftes der ihr Mann Alberti verhandelnrr; das Gespräch fand ttSehr notiert viel zu verbessern.tt Und drei Tage später statt und endete im immer noch kein Ergebnis der Ver- Streit: kaufsverhandlungen: rrMit der Aufklä- rung wird es scheinbar nichts. Müller- Dienstag, 22. April: Alberti macht dauernd Einwände." (18. 'tYon l/2 6 - l/4 7 auf Dr. Mtiller- März) Eine Woche später spitzt sich die Alberti im Fürstenhof gewartet. Er Situation zu. will mit seiner Frau die Redaktion selbst übernehmen u ausser den 300 Mittwoch, 26- März: M an Magnus nichts zahlen. Wir sag- frAbends hat Magnus endlich mit ten ihm wir würden jede Nummer Mtiller Alberti u Maurer u Dim. den beschlagnahmen I assen.r' Vertrag betr. Aufklärung unter- schrieben.rr Mittwoch, 23. April: rrHeute hörte Maria von Maurer, dass Donnerstag, 27. März: Magnus bei der Verhandlung mit M u rrMagnus sprach mit mir. Das alte D. u Mtiller-Alberti ehrenwörtlich Theater: Er will 300 M. haben. Wir versicherte, dass alle Ansprtiche der einigten uns auf 250 t. Magnus, 100 Herausgeber erfüllt seien. Einge- für uns, 150 für Fremdautoren u Kli- schriebenen Brief an Maurer u Dim- schees. mick mit Protest, zugleich an Mtrl- Morgen fährt er nach Lugano.'r ler-Alberti und Magnus. Marie ist sehr aufgeregt. Sie hatte Freitag, 28. März: Durchfall u blieb morgens im Bett." tfMagnus hat allein mit MüIler-Al- berti abgeschlossen. Gestern fragte Sonntag, 27. Aprll: Kaufmann (40) wegen eines Auf- ttMaurer und Dimmick schicken satzes von uns. Marie war sehr em- Durchschlag eines unmöglichen Ver- pört, wir wären wieder übergangen. trages, den Magnus ohne unser Wis- Ich schrieb unsere Ansprüche an sen mit Mtlller-Alberti abgeschlossen Mtiller-A lberti. Er telefonierte hat. Nichts m Redaktion. Er liefert 3 gleich. Um 6 Besprechung.'l Seiten f. 200 M Wir 3 Seiten f. 100 M. Beide Einspruchsrecht. Wir wer- Montag, 7. April: den v. Magnus verlangen, daß er mit rrKarte von Magnustr - wohl ohne uns zurtlcktritt, sonst Freundschaft Bezug zur aktueilen Auseinanderset- aus.tl zung. Montag, 5. Mai: Dienstag, 8. April: "Um 5 bei Magnus Hirschfeld Unter- rrHeute kam die Korrektur rrAufklä- redung mit Müller-Alberti. Sie hat- rungrr Ne 3. Ohne uns zusammenge- ten schon Korrektur der neuen Num- stellt, viel unmögliche Sachen. Marie mer ohne Maries Namen. Magnus war ganz aufgeregt und schlief war für Versuch. Ich ftir Schluss. schlecht.tt Mü[er Al. wollen Redaktion, alle Zuschriften, keine Verpflichtung Mittwoch, 9. April: gegen Herausgeber. Schliesslich war trMarie sprach mit Dr. Müller-Alber- Marie einverstanden, mit Frau M.A. ri. zu arbeiten. Wir haben aber wenig Böse Absicht war es nicht. Unseren Hoffnung. Kontrakt bekommen wir bald. Brief Spät abends mit Marie Korrektur an Magnus Hirschfeld nach Sa[...] b. Aufklärung zum Bahnhofsbriefkasten Lugano.tt (ApriYMai Ne)r'

Auf den Kontrakt mußten die beiden Freitag, 9. Mai: aber anscheinend ebenso vergeblich "Um 5 mit Marie zu Magnus. Mit ihm Brief an Müller Alberti, Aufforde- Auffällig an den Tagebuch-Aufzeich- rung, unseren Vertrag zu unterzeich- nungen Paul Krisches ist, daß nicht nur nen.tt die sachlich bedingten Kontakte zu Hirschfeld trotz dieser offenkundig un- Das scheint er zwar nicht getan zu ha- schönen Auseinandersetzung weiter- ben, aber in der kommenden Woche ver- gehen, sondern auch die sozialen: Paul sucht Maria Krische dennoch, mit Frau Krische scheint Hirschfeld gegen die Mueller-Alberti zusammenzuarbeiten. rrvöllig rätselhaftenrr Angriffe von Ho- dann und Linsert, die in die gleiche Zeit Freitag, 16. Mai: fallen (42), verteidigt zu haben. Man rrMittags Marie vergeblich zum In- geht zur Feier von Hirschfelds 62. Ge- stitut, wo sie sich mit Frau Dr. MüI- burtstag, trifft sich beim Bund fUr Mut- ler verabreder harrc. Diese kam um 2 terschutz und trinkt anschließend ge- Uhr. Ich war um I nach Haus gekom- meinsam Kaffee, läd sich zum Essen und men. Wir §ahen Juni Ng durch Auf- zum Erntefest ein; Maria Krische kon- klärung. Frau Dr. Müller kommt sultiert Hirschfeld im Spätherbst sogar morgen wieder.rl wegen eines sie sehr belastenden per- sönlichen Problems ihrer Ehe, und im Danach gibt es zwar mehrere Begeg- Dezember schreibt sie dem inzwischen nungen mit Hirschfeld, erwa im Rahmen nach Amerika abgereisten Magnus einen von Arbeitsausschuß-Sitzungen der Weihnachtsbrief. Hirschfeld seinerseirs Weltliga für Sexualreform, aber an- schickt Krisches den fertiggestellten scheinend keine Eintragungen mehr Bildband der rrGeschlechtskunde", Paul über dieItAufklärungrr. Erst am 30. Juni Krische ist offensichtlich stolz auf die kommt das Ende: Veröffentlichung seines Bildes da- rin. (43) Die freundschaftlichen Be- rrMit Magnus Hirschfeld gesprochen. ziehungen scheinen also durch die Er hat vor 6 Tagen bereits die Kor- Schwierigkeiten mit der frAufklärungtr rektur der Juli Ne erhalten, Marie nicht sonderlich getrübt worden zu sein, aber nichts gesagt. Es ist traurig, wie obwohl Hirschfeld, seinem reportierten er unsere Ausschaltung einfach still Verhalten und auch dem Ergebnis nach mitrnacht. Marie hat sich so gegrämt, zu schließen, (zunächst) nicht vom Ver- dass sie die Nacht nicht schlief. Sie trag mit Muller-Alberti zurückgetreten will auch nicht nach Wien." (411 zu sein scheint, sondern nur Maurer und Dimmick aus dem Geschäft wa- Dienstag, l. Juli: ren. (44l' Die Zusammenfassung der rrMarie sprach mit Dr. Müller-Alber- Ereignisse im Jahresrtickblick Paul Kri- ti u sagte ihm, dass sie verzichtet. sches auf 1930 könnte eine Erklärung Und am nächsten Tag: daftlr Iiefern: "Marie hat an Dr. Mtiller-Alberti trMaurer u Dimmick wollten bei der geschrieben, dass sie auf Weiterar- rAufklärungr nicht weiter zusetzen beit an ddr rAufklärungr verzichtet u und verkauften sie an einen Mtiller- ihr Honorar verlangt.rr Alberti, der sich als pathologische Mischung von Ausbeuter und Aber auch das scheint ihr verweigert Schwindler herausstellte, uns syste- worden zu sein; am 12. August notiert matisch ausschaltete, nicht bezahlte Krische und schliesslich auch Hirschfeld zur rrMarie hatte Gtitetermin mit Mülter- Aufgabe der Herausgeberschaft ver- Alberti. Die Sache ist auf d. 18.9. anlaßte.fr (45) verschoben.rt Anscheinend ist es Hirschfeld gelungen, Unter dem 18. September findet sich Maria und Paul Krische zu überzeugen, jedoch kein Eintrag tiber den Ausgang daß er von den Mueller-Albertis genau- des Streites, und Krische kommt auch so überfahren wurde wie sie. später nicht darauf zurtrck. Sein Urteil tiber Dr. Mueller-Alberti dürfte zu die- {.**!k* sem Zeitpunkt auch schon festgestanden haben. In einem zweiten Beitrag sollen Kon- zeption und Programm der Zeitschrift, (8) Das ist kein Korrekturfehler im Autorlnnen und Anzeigenkunden näher Impressum, wie man zunächst ver- betrachtet werden. sucht ist zu vermuten: aus Paul Krisches Tagebuch geht hervor, daß seine Frau sich bereit erklärt Anmerkungen hatte, mit Frau Mueller-Alberti zusammenzuarbeiten, als mit Dr. Mueller-Alberti über den Verkauf (1) Jg. 1929 erstmalig schon in verhandelt wurde. Vgl. dazu die 2(1930)2, 42 fllr 7,50 Mk. Später Tagebuchauszüge weiter unten. kostete der Jahrgang zunächst (9) Im Handelsregister beim Amtsge- zehn, dann 9 bzw. 8,50 Mark. richt Charlottenburg eingetragen (2) Für diesen Jahrgang wird im aller- unter der Nr. 92 HRB 42260. Lei- letzten Heft 1932 das Erscheinen der sind dort außer der Karte in von Einbanddecken angekündigt. der alphabetischen Kartei, die auf (3) In Eigenanzeigen im Frtihjahr 1931 diese Nummer hinweist, keine wei- weist der Verlag darauf hin, daß teren Unterlagen mehr auffindbar. die t'Aufklärung nun wieder auf (10) Die Berliner Adressbücher ver- Kunstdruckpapierrt erscheine und zeichnen in der fraglichen Zeit daß 'rdie steigende Beliebtheit (und auch danach nicht) weder den unserer Monatsschrift eine Erwei- Namen Mueller- (oder Muller-)Al- terung des Redaktionsstabes er- berti, noch in der Kurftirstenstras- möglicht.rr Neue Namen werden se 70 bzw. 124 einen Verlag. jedoch im Impressum nicht ge- (tt1 Ein Bruder von Werner Bergen- nannt. Ob es sich evtl. um den gruen. Am Pfeil-Verlag war neben später von Bergengruen als Siegfried Bergengruen auch Hell- trBildredakteurtr bezeichneten muth Astfalck beteiligt; vgl. Marta Hellmuth Astfalck gehandelt hat, Astfalck-Y ietz. Photographien muß offenbleiben. 1922-1935. Berlin: Ausstellungs- (4) Heft 8: Prof. Max Mayrshofer: katalog Berlinische Galerie 1991, rrPhantasierr, Originalzeichnung; s. 89 Heft ll/t2: Lene Schneider-Kai- (12) Er betreibt 1932 anscheinend ei- ner: Drei Frauenakte. Nach einer nen Verlag und Versandbuchhan- farbigen Lithographie. del rrTransaktionrr mit einer Abt. (5) Entsprechend steht als Redak- Bilderdienst (für erotische Fotos?); tionsadresse von nun an Maria im allerletzten Heft werden unter Krisches Privatadresse in Lank- der Verlagsanschrift Horoskope witz im Impressum. Ob man daraus angeboten. Es wird in allen vier bereits auf Kommunikationsproble- Heften des Jahrganges 1932 darauf me ernsthafterer Art zwischen hingewiesen, daß Texte und Illu- Hirschfeld (bzw. dem Institut) und strationen der rrAufklärungtr vom Maria Krische schließen darf oder Verlag Transaktion stammen. Ber- ob es sich lediglich um eine orga- gengruen trat in den Jahren 1931- nisatorische Vereinfachung gehan- 1936 auch als Autor von Kriminal- delt hat, muß offen bleiben. und Frauenromanen; darunter ein (6) Hier könnte der z:ur Erschei- rhistorischerr Titel: rrMänner ma- nungszeit anscheinend anhängige chen die Geschichte. Retter aus Rechtsstreit zwischen Maria Kri- deutscher Not von Hermann dem sche und dem neuen Redakteur Cherusker bis Adolf Hitler'r. Ber- und Verleger, Dr. Z. Mueller-Al- lin: Junge Generation 1933. Der berti, eine Rolle gespielt haben. letzte Eintrag im Berliner Adress- (7) Bereits in Heft 2 des gleichen buch (1936) führt ihn als Schrift- Jahrgangs war auf der ersten steller unter der Anschrift rrTem- Textseite unter dem Titel rrbe- pelhof, Luise-Henriette-Str. 12', grtlndet von Magnus Hirschfeld" 1938 ist er im Berliner Adressbuch vermerkt. In Heft 3 fehlt der nicht mehr nachweisbar. Vermerk wieder. (te1 den das Deutsche Bücherver- herausgegeben, war konzipiert als zeichnis, Verlagsänderungen im Kampfblatt gegen das Schund- und deutschen Buchhandel 1900-1932, Schmutzgesetz und erschien von als Aufklärung und Fortschritt 1929 bis 1931; in den früheren Tiergarten-Verlag, Berlin-Tem- Heften der frAufklärungrf war re- pelhof, kennt. In den Publikationen gelmäßig eine Anzeige geschaltet. wurde die Bezeichnung rTiergar- frDer Fortschrittfr war - wenn es ten-Verlagr aber nicht mehr ver- ihn gegeben hat - ein internes Mit- wendet. teilungsblatt des Bundes für Auf- (14) Gelegentlich der Übernahme klärung und Fortschritt, er ist bi- (5.2.321 wurde der Verlag umfir- bliographisch nicht nachweisbar. miert; der "Aufklärung und Fort- (25) Kein Produkt des Verlags Trans- schritt, Tiergarten-Verlag GmbH, aktion, sondern Leipzig: Lipsia Berlin-Tempelhoflr erlosch, die 1932, 173 S. Ferch ist Autor einer Bestände übernahm der rrAufklä- Unzahl von Romanen und Aufklä- rung und Fortschritt Verlag Fried- rungsschriften; für einige davon rich Dehl [...]. Diese Fa. ist um wird in früheren Ausgaben der 1935 ebenfalls erloschen, Bestän- trAufklärungtr von anderen Ver- de sind makuliert.rr (DBV, Verlags- lagen geworben. änderungen 1938) (261 Die Welt ein Roman. Illustrierte 1933 kennt ihn das Adreßbuch fur Wochenzeitschrift für jedermann. den Deutschen Buchhandel noch Hrsg. FrIiedrich] Dehl, Berlin- als rrZeitschriften-Verlag, Schul- Tempelhof, Red. Siegfried Ber- und Lehrbticher-Sortiment.rr gengruen, Berlin-Friedenau. Friedrich Dehl wird 1934 im Jg.l.l932 Nr.l mehr nicht Adressbuch als rrWerbeberatertf erschienen. bezeichnet; 1935 ist er dort nicht (271 Die rrVerlagsveränderungen im mehr nachweisbar. deutschen Buchhandel 1900-1932n (15) In der Köpenicker Str. 39 befand notieren bereits trBetrieb ruht sich die Buchbinderei von Maurer z.Zt. Anstelle der Monatsschrift & Dimmick. Vgl. auch den Hinweis rDie Aufklärungr wurde die Zeit- von Peter Pewas in Fn. 29. schrift rAufklärung und Fort- (16) Das mir vorliegende Heft ist an schrittr im Aufklärung und Fort- dieser Stelle des Impressums be- schritt-Verlag, [...] gegründet.rl schädigt. (28) Pfeil-Verlag, Deuko-Verlag, D- (l7l l. Aufl. 1920; 2. Aufl. 1921. Ver- Verlag, Verlag Transaktion konnte mutlich die Restexemplare der 3. ich weder in den einschlägigen Auflage. Verzeichnissen des Buchhandels (18) Elerlin: Verlag der Neuen Gesell- noch in den Berliner Branchen- schaft 1927 Adressbtrchern der in Frage (19) beide in verschiedenen Auflagen kommenden Jahre ausfindig ma- bei Albert Langen in München chen. Sie scheinen selbst für jähr- (20) Leipzig: Quelle & Meyer, ver- lich erscheinende Verzeichnisse schiedenen Auflagen zu kurzlebig gewesen zu sein. (21) Berlin: Verlag Aufklärung und (2gl Er gestaltete auch die Einband- Fortschritt 1930, 55 S. decke für die ersten beiden Jahr- (ZZl Berlin: Verlag Aufklärung und gänge. Fortschritt 1931, 183 S. Peter Pewas, eigentlich Walter (23) Berlin-Friedenau: Deuko-Verlag Schulz (22.5.1904 - 13.9.1984), 1931 hatte nach einer Schlosserlehre (24) In einer anderen Anzeige werden einige Zeit bei Laszlo Moholy- drei Zeitschriften genannt, die den Nagy am Bauhaus snldiert; er ge- Mitgliedern kostenlos zugehen staltete in den späten zwanziger sollen: Die Aufklärung, Die Stim- Jahren mehrfach Umschläge für me der Freiheit, Der Fortschritt. Publikationen aus der Arbeiterbe- trDie Stimme der Freiheittr wurde wegung und fand tiber Collage- von Franz de Paula Rost (Berlin- und Montagetechniken der Plakat- Neukölln, später Berlin-Karow) gestaltung seinen Weg zum Film. Vgl. Ulrich Kurowski/Andreas Vielleicht muß man den Hinweis so Meyer: Der Filmregisseur Peter verstehen, daß Bergengruen sie im Pewas. Materialien und Dokumen- letzten von ihm verlegten Heft te. Westberlin: Volker Spiess 1981. nicht mehr bezahlen konnte? In einem Gespräch mit den Auto- Hellmuth Astfalck (gest. 1974) war ren äußerte sich Pewas auch zu Architekt, seit 1929 verheiratet seiner Arbeit für Hirschfeld: mit Marta Yietz (geb. l90l), deren rrSie haben noch vor 1933 für photographisches Werk die Berli- Professor Magnus Hirschfeld vom nische Galerie zur Zeit erstmals Institut für Sexualwissenschaft ausstellt. Sie ist später als Malerin gearbeitet. Haben Sie auch für bekannt geworden (Pflanzenaqua- ihn Entwürfe angefertigt? relle). Vgl. den Ausstellungskata- Entwtrrfe ist ein großes Wort. Ich log der Berlinischen Galerie (Fn. muß Ihnen gestehen, daß ich zu l l) jener Zeit Arbeitsaufträge von (Sg) So Bernard Richter im Antiqua- allen mOglichen Seiten annahm. riatskatalog Sexualwissenschaft I. Magnus Hirschfeld brachte da- Umriss einer sexualwissen- mals mit einer Druckerei zusarn- schaftlichen Bibliothek. Berlin men zum erstenmal eine Zeit- I 990 schrift mit sexualau fklärerischem (S+l 'rDas verspätete Erscheinen der Inhalt heraus. Er war auf seinem Februarnummer von rDie Aufklä- Gebiet der Sexualkunde ja ein rungr bitten wir zu entschuldigen. weltbekannter Mann. Er zog Technische Schwierigkeiten, die mich damals heran, einmal um bei unvorhergesehen eintraten, waren dieser Zeitschrift mitzuhelfen, der Grund. Wir werden dafür sor- dann aber auch, um für sein da- gen, daß eine Verspätung in der mals noch im Druck befindliches Lieferung nicht mehr eintritt. Der tGeschlechtskunder Werk spe- Verlag.'r heißt es auf S. 59 des zielle Statistiken und Zeichnun- Februarheftes gen anzufertigen.rr (S. 20) (SS; Die erhaltenen Aufzeichnungen Eine telefonische Nachfrage Man- setzen erst mit dem Jahr 1930 ein, fred Herzers bei Peter Pewas vor die Tagebücher von 1928 und 1929 einigen Jahren erbrachte keine zu- sind verschollen, so daß für die sätzlichen Details. Gründungsgeschichte bedauerli- (30) Nach den ersten drei Nummern cherweise auf diese Quelle ver- verschwindet der weiß ausgespar- zichtet werden muß. Mir lagen für te konstruktivistische Dreiviertel- diese Arbeit nur Auszüge aus dem kreis an der linken oberen Ecke Tagebuch vor, so daß evtl. weitere des Titelbildes, das Bild selbst Details noch nachzutragen wären. wird größer, reicht bis an den (36) Dieses Protokoll ist - wie alle an- Herausgebervermerk heran bzw. deren Unterlagen des Dietz-Ver- schließt in der endgtiltigen Form lags vor 1933 - nicht erhalten. auf gleicher Hohe ab wie dessen (SZ1 Bis zum Redaktionsschluß dieses Oberkante. Heftes konnte nicht eruiert wer- (St1 Beim Verzicht auf den Farb- den, ob noch Aufzeichnungen wechsel mögen angesichts der Ernst Oldenburgs über diese Ge- völlig unklaren Verlagssituation spräche existieren. finanzielle Grtlnde eine Rolle ge- (SA) Bezieht sich auf Felix Abrahams spielt haben. Artikel rtÜber den Infantilismus rr (32) vom u [...] wohlrenommierten in Heft 2/1929. Außer dem in der ktinstlerischen Fotoatelier Ast- rrAufklärungtr gedruckten Bild gibt falck-Vietz, Berlin W, Meinecke- es zwei Fotografien des gleichen str. 22". Daß Marta Vietz das Ti- Mannes im Bilderteil der Ge- telbild auf Heft l2lI93L zur Ver- schlechtskunde, Abb. 6l l und 612, fügung stellte, wird im Impressum S. 446; dort ohne Erwähnung von ausdritcklich erwähnt; sie hat aber Namen und/oder Beruf unter der bereits vorher viele Bilder beige- S ammelbezeichnung rrPsychosexu- steuert. elle Infantiler'. Aus den Gegenständen im Hinter- (+S) Nr. 1319, S. 855 grund der drei Photographien ist (+17 Vgl. zu Hirschfelds Verhalten in ersichtlich, daß die Aufnahmen Verlagsverhandlungen auch Char- ihm Institut für Sexualwissenschaft lotte WoIffs Beschreibung der gemacht wurden. Möglicherweise Vorgänge um den Verkauf der war ttder Infantilist Doblerrr dem Rechte an der englischen Ausgabe Institut nach seiner Verhaftung zur der rrGeschlechtskunderf bzw. der Begutachtung übergeben worden? ItWeltreise eines Sexualforschersrl (39) Krische schreibt Müller-Alberti; (Ch. Wolff: Magnus Hirschfeld. A das Impressum Mueller-Alberti. Portrait of a Pioneer in Sexology. (40) Wohl Wilhelm Kauffrnann vom London 1986, S. 385-388) Institut ftir Sexualwissenschaft (45) Von Paul Krische und über PauI (+t1 zum Kongreß der Weltliga für Krische xIV - tgzglYß30\ ntatt Sexualreform. Sie ist auch nicht I 30f gefahren; vgl. Mitteilungen der M agnus-Hirsch fel d- Gesellscha ft Nr. 12, Oktober 1988, S. 6 (42). Vgl. Friedemann Pfäfflin, Die M itteilungen des Wissenschaftlich- humanitären Komitees 1926-1933; in: Mitteilungen des Wissenschaft- lich-Humanitären Komitees 1926- 1933, Faksimile-Nachdruck, Ham- burg: Bell 1985, hier S. IX-XV {(*********d<**:1.{<***:ß*{(****:1.********,F*****+:k,F,ß****,F,t<*:ß*+r<*'ß:ß*:1.*,1.***{.

Einladung zum Vortrag von

Ina Hartwig

Über Querelte und das Phantasma der Verführbarkeit - Zu Ginets Darstellung der Homosexualität am Freitag, dem 28. Juni 1991, um 20.00 LJhr Freie Universität Berlin Habelschwerdter Allee 45 - Haupteingang Rostlaube 1000 Berlin 33 Raum K 3U28

In dem Roman tQuerelle de Brestr läßt Genet seine Hauptfigur, den Matrosen und Mör- der Georges Querelle eine sexuelle Metamorphose erleben. Zuerst ist er leidenschafts- los und angeblich heterosexuell, am Ende leidenschaftlich und homosexuell. Schwul wird er nicht. Genet hat mit Querelles Metamorphose einen Seiltanz vorgeführt, der im Rah- men seiner homosexuellen Poetik exemplarisch ise Wenn Querelle zwar homosexuell handelt, aber nicht schwul wird, dann demonstriert das einen Kohflikt zwischen virilem Ideal und homosexuellem Begehren. Anhand von Querelle wird dieser Konflikt poeti- siert. Durch sein neues homosexuelles Begehren gefährdet Querelle seine Identität als Mörder. Wenn Genet Querelles Selbstgefährdung mit der Erotik seiner Verführbarkeit verknüpft, läßt er den unvorsichtig Gewordenen dennoch nicht in Gefahr geraten. Ge- nets Logik: Da der Mörder nicht schwul wird, bleibt er frei - und verführbar. *,ßrl.*+

Ina Hartwig, Berlin, Studium der Germanistik und Romanistik in Avignon und Westber- lin. Zur ZeitPromotion rlber Sexualität in erzählender Literatur. Beiträge zu einer Bibliographie der unselbständigen Veröffentlichungen Kurt Hillers

Hans-Günter Klein

4. Literarische Aufsätze 1910 - 1. August 1914

Wurden in den bisherigen Folgen Aufsätze Hillers aus einzelnen Zeitschriften nachge- wiesen, wird hier der Versuch unternommen, Veröffentlichungen, die einem bestimmten Themenbereich zuzuordnen sind, aus verschiedenen Zeitschriften einer abgegrenzten Zeitspanne zu erfassen. Der Themenbereich rrLiteraturtr ist hier sehr weit definiert. Außerdem wird er gelegentlich um Nicht-Literarisches erweitert: da gleichzeitig alle Beiträge Hillers in den hier ausgewerteten literarischen Zeitschriften erfaßt werden sollen, sind seine Artikel über andere Themen ebenfalls aufgenommen. Auch ist der Begriff der 'f literarischen Zeitschrift" sehr weit gefaßt. Ausgeklammert sind die nicht- literarischen Themenbereiche, tiber die er in ihnen eigenen Zeitschriften geschrieben frJura'r hat - so vor allem die Fächer und "sexualpolitikrr. Auch wenn Hillers Artikel trber diese Themen meist literarisch gefärbt sind, bilden sie doch eine eigene species; über sie sind Spezialstudien in Vorbereitung.

Die Bibliographie beginnt mit der Auswertung der drei großen trexpressionistischenrr Zeitschriften rrDer Sturmtr, trDie Aktiontt und uPantr - in der chronologischen Folge des Beginns von Hillers Mitarbeit. Es folgen in alphabetischer Anordnung die kleinen bzw. jene Zeitschriften, in denen Hiller nur wenig veröffentlicht hat. Nicht aufgenommen wurden die Artikel Hillers aus den Jahren vor 19l0: Die ZeitschriftenrrDer Scholarfrund 'rAristokratissimusfr sind nicht nachweisbar. (Immerhin fand sich jüngst der Schluß des Gedichts, das Hiller 1903 imfrAristokratissimustt publiziert hat, in einem Brief, von Hil- ler aus dem Gedächtnis zitiert; s. Hans-Gtinter Klein: rr... mir altem Llhu ...". Kurt Hiller in einem Brief aus dem Jahre 1949. In: Auskunft. Mitteilungsblatt Hamburger Bibliothe- ken 11.1991, S. 17-22.1 Die Artikel aus den'rBeigaben zu den Monatsberichten der Freien Wissenschaftlichen Vereinigungrr 1907 und 1908 lagen nicht vor.

Für Hinweise auf einen Wiederabdruck (WA) bzw. Erstdruck (ED) wurden folgende Ab- kürzungen verwendet: Kondor Der Kondor: Hrsg. von Kurt Hiller. Heidelberg 1912 MKS M ona tsschri ft für Kriminalpsychologie und S trafrechtsre form wdL Die Weisheit der Langenweile. 2 Bände. Leipzig 1913 Schmach § 175: die Schmach des Jahrhunderts! Hannover 1922 Meinen Dank sage ich Harald Ltttzenkirchen in Neuss für die Durchsicht des Manu- skripts und die Ergänzung um Titel von Aufsätzen Hillers aus einigen kleineren Zeit- schriften.

Der Sturm Wochenschrift ftir Kultur und die Kilnste. Hrsg. von Herwarth Walden

1.19 10/ ll

Nr. 19, 7. Juli 1910 S. 150f. Oskar Kokoschka Nr. 24, ll. Aug. S. 187f. Über Kultur I. Nr. 25, 18. Aug. S. 196f. II. Nr. 26,25. Aug. S. 203t. III. WA (Teil l-3) WdL l, S.49 S. 207 Lyrik-Abende Nr. 43, 22. Dez. S. 343 Der Eth wA wdl- l, s.25 s. 344 Fliegenklappe Nr. 44, 29.Dez. S. 351 Das Cabaret und die Gehirne Salut IRede zur Eröffnung des Neopathetischen Cabaretsl WA WdL 1, S. 236 (Beitrag zur Litteratur- geschichte I.) Nr. 46, 14. Jan. 1911 S. 366 Notizen IAphorismen] Nr. 52, 25. Febr. S. 414f. Gegenrrlyriktl wA wdl- l, s. 116 Nr. 54, 11. März S. 428f. Cal6 und Impressionismus wA wdl- l, s.97 2.t9tu t2

Nr. 59, 15. April 5.468-470 Der Relativismus in der Rechtsphilosophie und seine Überwindung durch die Restitu- tion des Willens I. Nr. 60, 22. Aprll S. 476f. II. Nr. 61, 29. April S. 486f. III. WA (Teil l-3) WdL 2, S. 85 Nr. 69, Juli S. 551 Zur Auswahl IAphorismen] Nr. 72, August S. 575 Privatdozentisches wA wdl. 2, s. 126 Nr. 75, August S. 600 Der antinomische Leu wA wdl- l, 34 S. 600 Das [!] Mensch als Kunstwerk. Eine er- gänzende Betrachtung. (Von Doktor An- selm Sabberer) Nr. 80, Oktober S. 637 Die Spielereien einer Kaiserin [Über das Drama von Max Dauthendey] S. 639 Offener Brief an den Herausgeber Ii.e. Herwarth Walden] Nr. 85, November S. 678 Der Selbstrnord der Leonie Hallmann Bei Gelegenheit der Uraufführung des Dramas tfSchauspielerinrr von Heinrich Mann... Nr. 86, November S. 683 Gegen die Kleist-Stiftung wA wdl- 2, s.74 Nr. 90, Dezember S. 719 Der träumerische Schaffner wA wdl- l, s. 178 Nr: 91, Dezember 5.727 Lob der Zeit wA wdl- t, s. 76 Nr. 93, Januar 1912 S. 740f. Der Sinn des Lebens und die Reichstags- wahl wA wdl- 2, s" 175 Nr. 94, Januar S. 751 Gertrud Eysoldt

3.1912/13

Nr. 108, Mai 5.27 Fritz Stahl Die Aktion Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur. Hrsg. von Franz Pfemfert l.l9l1

Nr. l, 20. Febr. Sp. l0- 12 Offener Brief an Dr. Georg Zepler antwortlich seines Aufsatzes trGegen Max Steinertt Sp.22f . Deutsches Theater: trDer Schatzrr. Komö- die in vier Akten von David Pinski. (Von Torral) Nr. 2,27. Febr. Sp. 51f. Dank an Rilke (mit Zwischenzörnen) [Über "Malte Laurids Briggerr] Nr. 3, 6. März 5p.74-76 Autoritäten. (Von Torral) WA Die neue Rundschau (Ehrfurcht): s.d.; WdL 2, S. 67 (Ehrfurcht) Sp. 80 Zwei Gedichte rrNachtschluß bei Bolsrr und trBudetr WA (beide) Kondor S. 86f. Nr. 4, 13. März Sp. 99f. Der Gemtits-Staat wA wdl- 2, s. l0 Sp. 111f. Freundliche Bitte. (Von Torral) Nr. 5,20.März Sp. 138f. Litteraturpolitik wA wdl- 1, s. 90 Nr. 6, 27.März Sp. 172-175 Ein besserer Mirteleuropäer [uber Alfred Kerr] WA WdL l, ab S. 221 (ln: Kerr) Sp. 179f. Klagelied. (Von Torral) Nr. 7, 3. April Sp. 198f. Den Poeten der Schlichtheit. (Von Torral) [i.e. Peter Rosegger] Nr. 8, 10. April 5p.228-233 Das Recht über sich selbst und die politi- schen Parteien ED MKS 7.tgt0/Lt, S. 641 Nr. 9, 17. April Sp. 265 Ballade. (Von Gorilla) lGedichtl Nr. 10, 27. April Sp. 301-303 [Antwort auf eine Rundfrage über Alfred KerrI Nr. 12, 8. Mai Sp. 371f. Weltschmerz. Ein Monolog. (Von Torral) wA wdl. l, s. 43 Nr. 13, 15. Mai Sp. 400f. Aufruf an das Genie Yadac Ii.e. Ferdinand Hardekopf] WA WdL l, ab S. 205 (In: Hardekopf) Nr. 14, 22.Mai Sp.430 Infolge von Simmel-Lekture lGedichtl WA WdL l, S. 37 (Infolge von Lekttire eines Philosophen) Nr. 15, 29. Mai Sp. 462f. Eier IAphorismen] 2.1912

Nr. 23, 5. Juni Sp.72O-725 Offenherziger Brief an des Berliner Ta- geblatts verantwortlichen Feuilletonchef li.e. Paul Blockl Nr. 25, 19. Juni Sp. 781f. Kollege Kaiserliche Hoheir [Wilhelm, Kronprinz des Deutschen Rei- chesl Nr. 29, 17. Juli §p. 912f. Apfelsinensozialismus lwA wdl l, s. 311 Nr. 30, 24. Juli Sp. 941f. Kondorkritiker IGegen Ernst Lissauer und einen anonymen Zeitungsredakteur] Nr. 31, 31. Juli Sp. 973-977 Zu BrodsrrBeerrr [Über den Roman 'rArnold Beer, Schicksal eines Judenrr] WA WdL l, ab S. 156 (ln: Max Brod. Sta- dien einer Enttäuschung) Nr. 32, 7. Aug. Sp. 1002f. Kondorkritiker II. [Gegen Heinrich Lautensack] Nr.34, 21. Aug. Sp. 1077f. Legende wA wdl- 1, s. 140 Nr. 35, 28. Aug. Sp. 1l0lf. Billet doux an Mossers Oberkorrektor Sp. 1104 Über Max Steiners ttDie Welt der Aufklä- rungr'. (Von Christian Vogel) Nr. 36, 4. Sept. Sp. 1133f. An die Schriftleitung der Aktion Nr.37, ll. Sept. Sp. 1160 Gedankenlierik Nr. 38, 18. Sept. Sp. 1196-1198 In eigener Sache I. Tritt; ll. Zusatzerklärungen Nr. 39, 25. Sept. Sp. 1229-1231 Ernst Blass. Hinweis. WA WdL l, S. 134 (Ernst Blaß (rrDie Straßen komme ich entlang gewehtrr)) Nr.40, 2. Okt. Sp. 1253-1257 Professor Kahl und die Todessurafe wA wdl 2, s. 16 Nr. 41, 9. Okt. Sp. 1296-1300 Ich las Michail Kusmin .. wA wdL l, s. lg7 Nr. 42, 16. Okt. Sp. 1322 Ein Brief [an Franz Pfemfert] Sp. 1327 Der Trost lGedichtl Nr.43, 23. Okt. Sp. 1360 Begegnung lGedichtl Nr. 45, 6. Nov. Sp. I42t-1423 Notizen IAphorismen] Nr. 46, 13. Nov. Sp. 1452 Fritz Engels historischer Scharfblick Nr. 47, 20. Nov. Sp. 1484- 1486 Ferdinand Hardekopf. Drei Worte zu Op- penheimerfs Porträt lReproduktion Sp. 1489/ 14901 Teil-WA WdL l, S. 203 (In: Hardekopf) Nr. 48, 27. Nov. Sp. 1514-1516 Ausstellung der Pathetiker [Über Richard Janthur, Jacob Steinhardt, Ludwig Meidnerl

3.19 13 Nr. 2, 8. Jan. Sp. 47 An einen Kampfgefährten lGedichtl Sp. 47 An dierfwissenschaftlichentr Philosophierer lGedichtl Nr. 3, 15. Jan. Sp. 72 Guter Rat lGedichtl Nr. 13, 26.März Sp. 371-375 Kolleg in Ophir wA wdl 1, s. 189 Nr. 16, 16. April 5p.427t. Ein Brief [an Franz Pfemfert] Nr. 26, 25. Juni Sp. 635-637 Kaiser Wilhelm und wir wA wdl- 2, s.54 Pan Hälbmonatsschrift (ab 4.1 .1912: Wochenschrift). Hrsg. von Wilhelm Herzog und Paul Cassirer (ab 4.4.1912: Alfred Kerr) Die im Folgenden mit dem vorgangestellten Kürzel (BaS.) gekennzeichneten Titel be- ziehen sich auf Beiträge, die jeweils unter dem Motto "Vive la bagatelle (Swift)r' stehen.

1.1910/11

Nr. 16, 16. Juni 19ll s. 547f Meinungen und Methode wA wdl 1, s. 231 Nr. 18, 15. Juli S. 597-599 Über Georg Heym WA WdL l, S. 122 (Georg Heym ('rDer ewige Tagtt)) Nr. 19, l. Aug. s. 645f. (Bag.) Hoch die Glosse! wA wdl l, s.85 Nr. 20, 16. Aug. s. 674 (Bag.1 Die Abgeklärten wA wdl t, s. 95 Nr. 21, l. Sept. s. 709 (Bag.) Aphorismen Nr. 22, 16. Sept. s.742 (BaS.) An das Dasein lGedichtl 2.tgtt/12

Nr. l, l. Okt. l9ll s.34f. (Bag.) Heiliger des Überflüssigen wA wdl- 2, s.82 Nr. 2, 15. Okt. s. 67 (BaS.) Was man nennt das große Ochsen Nr. 3, l. Nov. s. 99 (Bag.) Der Trappist wA wdl- 1, s. 113 Nr. 18, 2l.März l9l2 S. 544f. (Bag.) Die Anekdote wA wdl- 1, s. 182 Nr. 19, 28.März s. 573 (BaS.) Aphorismen Nr. 22, 18. April s.658f. Es ist an der Zeit... wA wdl. 2, s.7 Nr. 24, 2. Mai s. 708f. (Bae.) Htrbler + Ii.e. Bernhard Hübler, Jura-Professor in Berlinl Nr. 29, 6. Juni s. 823f. [Strophe 3 aus dem Gedicht] Nacht- Schluß bei Bols [und Strophe I aus dem Gedicht] Bude Fortgeschrittene Lyrik, II. Der Kondor [Ausgewählte Suophen aus der von Hiller herausgegebenen Gedichtsammlung; Hillers zwei Gedichte dort auf S. 86f.1 Nr. 35, 18. Juli S. 973-980 Homosexualismus und Deutscher Vorent- wurf § 175, II. ED: MKS 8.l9ll/12, S. 28 WA: WdL 2, 5.24; Schmach S. 4 (Homose- xualismus und erster Deutscher Vorent- wurf) Nr. 37, l. Aug. S. 1043-1045 Monolog um Franz Werfel WA: WdL l, S. 128 (Franz Werfel ("Der Weltfreund'r))

3.1929/ t3

Nr. 2, 10. Okt. s. 39 Notizen IAphorismen] Nr. 6, 8. Nov. S. 143-145 Gnu IAuszüge aus der Rede zur Eröffnung des neuen Cabaretsl Vollständig in: WdL l, S. 239 (Beitrag zur Litteraturgeschichte, II.) Nr. 8, 22. Nov. S. 194 Polemik IGegen Albert Ehrenstein] Nr. 21, 21. Febr. 1913 S.504-506 Trottelglosse WA WdL l, S. 166 (Trottelglosse (Franz rrDas Jung: Trottelbuchrr; von Personen, die ich rtihme, gerUhmt)) Nr. 27, 11. April S. 650-654 Bemerkungen a) 'rBebuquinfl [Über den Roman von Car[ Einstein] wA wdl- l, s. 171 Nr. 28, l. Juni S. 675f. Statt dessen verdienen die Feuilletonisten WA WdL 2, S. 45; Schmach S. 22

13 Zeitschriften (in atphabetischer Folge)

Der Demokrat Zeitschrift für freiheitliche Politik und Literatur. Hrsg. von Georg Zepler

2.19r0

Nr. 52, Zl.Dez. unpag. ABC für literarische Kinder (in Beilage) WA Der Komeü s.d.

3. l9 ll Nr. l, l. Jan. Sp. 14f. Samuel Lublinski WA WdL l, S. 104 (Nachruf auf S. Lublin- ski) Nr. 2, 11. Jan. Sp. 46-48 Sudorismus wA wdl- 2, s. 84 Nr. 3, 21. lan. Sp. 77f. [Brief an Pfemfert, undatiert: Antwort auf die Umfrage: Die schlechtesten Bücher des Jahres l9l0l ISophokles: König Öaipus] Nr. 4, l. Febr. Sp. 106-108 Max Steiner Sp. 108-110 Massstäbe (Duo aus dem Kaffeehaus). (Von Torral)

Die Fackel Hrsg. von Karl Kraus

Bd. 16. 1910/11

Nr.319/320, l. April 19ll S.61-64 Seine Stellung zur Metaphysik wA wdl- l, s. 38

Das Forum Hrsg. von Wilhelm Herzog r.t9t4lL5

H. 3 (Juni 1914) S. 157-160 Nieder die neuen Heiligen! (Heinrich Mann in Ehrfurcht gewidmet) S. 180 Kriterium der Kultur- (Von Gorgias) Die Gegenwart Zeitschrift für Literatur, Wirtschaftsleben und Kunst

39.1910

Nr. 29, 16. Juli S. 565f. Zwei Gedichte I. Dämmerung II. Ritt nach dem Sliden WA Kondor, S. 88 bzw. 80 4r.t9t2

Nr. 35, 31. Aug. S. 556 Traum lGedichtl

Herder-Blätter Hrsg. im Auftrag der J.G. Herder-Vereinigung zu Prag von Willy Haas und Norbert Eis- ler

Nr. 2 (Febr. l9l2) 5.27-29 Paraphrase zurrJtldinnen'l [Roman von Max Brod] WA WdL l, ab S. 152 (In: Max Brod. Sta- dien einer Enttäuschung) Nr. 3 (Mai 1912) S. 52f. Aphorismen

Jahrbuch ftir sexuelle Zwischenstufen Hrsg. von Magnus Hirschfeld

14.1914

(Heft 3) S. 338-341 Wo bleibt der homoerorische Roman?

Der Komet

1 .l9l I

Nr.9, 29. Arpil s. 89 Abc für literarische Kinder ED Der Demokrat 2.1910, Nr. 52: s.d.

Literatur und Wissenschaft Monatliche Beilage der Heidelberger Zeitung

1911

Nr. 7, 22. luli s.2 Die Jtlngst-Berliner

März WöEhenschrift für deursche Kulrur

7.1913

H. 18, 3. Mai S. 176 Formel gegen die Todesstrafe Die Neue Rundschau

23.t912 (H. 2/Febr.) S. 299-301 Max Steiner 24.t913

(H.S/Mai) S. 735f. Ehrfurcht ED Die Aktion 1.1911, Sp. 74: s.d. wA wdl 2, s.67

25.1914

(H. 6/Juni) S. 862-865 Torso eines Zwiegesprächs

Revolution Zweiwochenschrift. Hrsg. von Hans Leybold

Nr. l, 15. Okt. 1913 S. 4f. Alfred Kerr WA WdL l, S.219 (Kerr) S. 7 Das Litterarische Cabaret Gnu IMitteilung, gezeichnet ftrr den Vorstand von K.H., Berlin, l. Okt. 19131 Nr. 2, l. Nov. 1913 S. 2 Ein Brief an die Revolution Iohne Verfasserangabe] S. 4 Der frische, eigenwillige Eulenberg. (Von hihi) Ii.e. Herbert Eulenberg] Nr. 3, 15. Nov. 1913 S. 3 Selbstironie wA wdl l, s. ll0 Nr. 4, 1. Dez. 1913 S. 4 [Außerungen Hillers zu dem Gedicht ttschreirr von Otty F. Bennewitz in:l Otty F. Elennewitz: Doktor Hiller

Saturn Eine Monatsschrift

2.19t2

(H. 9/Sept.) S. 177f. lZwei Briefe an Hermann Meisterl

Die weissen Blätter Eine Monatsschrift t.t9t3/ 14

Nr. 1, Sept. l9l3 S. 54-62 Prolog [Prolog aus WdL l, S. 9] n Interdisziplinäre Aspekte des Verhältnisses der Geschlechter in einer sich wandelnden Zeitn - (Kein) Tagungsbericht*)

An der berliner Humboldt-Universität sich gar nicht gewandelt - allen äußeren gibt es seit November 1985 das ambi- Veränderungen zum Trotz. Die (weißen) tiöse Projekt rBiopsychosoziale Einheit Männer der Wissenschaft halten ihren Mensch (BiPSEM)r, dessen wesentlicher Kosmos immer noch für die ganze Welt, Bestandteil die rLängsschnittstudie Hu- ihre Sicht auf die Dinge für die einzig manontogeneser ist. Dabei geht es um Mögliche. Männer rlberziehen ihre Re- die Erforschung der menschlichen Ent- dezeit selbstverständlich, Frauen wicklung in ihrer ganzen Komplexität, schneiden ihre Manuskripte exakt auf von der Empfängnis bis zum Tod. Ver- die ihnen zugestandene halbe Stunde zu. kürzt gesagt, sollen im Abstand einiger Das ist mehr als ein Symptom. Und wie Jahre bei mehreren Kohorten von Pro- sollte der interdisziplinäre Anspruch bandlnnen prä- und postnatal Daten zu eingelöst werden, wenn Vertreterlnnen so vielen medizinischen, physiologi- einiger Disziplinen, die Wesentliches schen, Verhaltens-Parametern wie ir- zum Geschlechterverhältnis z! sagen gend sinnvoll möglich erhoben werden, hätten - Kultur- und Sozialgeschichte, um zu sehen, welche von diesen sich S oz i alanthropologie, Sexualwissen- dann im Verlauf der Zeit mit psychi- schaft, Literatur-, Kunst- und Sprach- schen und sozialen Entwicklungen in wissenschaft, nicht zuletzt der Frauen- Beziehung setzen lassen: Ein Rationali- forschung, die nun wirklich extensiv zur sierungskonzept a)r Verbesserung des Geschlechterdifferenz gearbeitet hat - Menschen und seiner Lebensbedingun- kaum oder gar nicht eingeladen waren? gen. Aus den Konzeptpapieren des Gesamt- projekts wird deutlich, daß gerade die Nach dem Konzeptpapier von 1989 Untersuchung der psychischen Dimen- spielt die Frage nach der Geschlechter- sion der Humanontogenese als defizitär differenz dabei eine relativ geringe, gesehen wird. Man fragt sich dann al- zumindest keine erkenntnisleitende Rol- lerdings, warum auf einer Konferenz le. Auch die zur rrEntwicklung ge- zum Geschlechterverhältnis die psycho- schlechtlichen Verhaltens'r gestellten logische Seite fast vöIlig vernachlässigt Fragen richten sich ziemlich global da- wird? rauf, rrWie und auf welchen Ebenen bil- den sich geschlechtstypische/-gebun- Es sollte um eine Bestandsaufnahme des dene Unterschiede heraus?rr Direkt auf Kenntnisstandes der Einzelwissenschaf- Sexuelles ist der Blick kaum gerichtet. ten gehen. Für die Herstellung der an- Wer allerdings Günter Dörners For- gestrebten Interdisziplinarität aber fehl- schungen kennt, findet einiges Vertraute te eine organisierende, präzise Frage- in dem Problemfeld rrEntwicklung von stellung. So blieb das, was aus den Dis- physischer, psychischer und geistiger ziplinen zusammengetragen wurde, Leistungsfähigke_it sowie von Gesundheit recht beliebig. Nicht einmal die von und Krankheitrr wieder - und spätestens Hartmut Bosinski, dem Organisator der hier sitzt mir das Mißtrauen endgtlltig Konferenz, anfangs mahnend und im Nacken. zwecks besserer Verständigung vorge- schlagene Verfahrensweise, doch genau Dieses Projekt nun hatte Ende Januar zu benennen, ob man über Individuen, 1991 zu einer Tagung "lnterdisziplinäre Gruppen von Menschen oder die Gesell- Aspekte des Verhältnisses der Ge- schaft rede, wurde eingehalten - war sie schlechter in einer sich wandelnden den Referentlnnen vorher nicht mitge- Welt" eingeladen. Aber die Welt hat teilt worden? Menschen- und Tierreich

+) Diese Notizen geben den Eindruck wieder, den die Konferenz in meinem Kopf hin- terlassen hat; sie werden also den einzelnen dort gehaltenen Referaten nicht gerecht. Das war auch gar nicht angestrebu die Niederschrift diente der psychischen Verar- beitung. gingen fröhlich durcheinander - ein identität durch einen Präferenztest (in göttinger Anthropologe gleichen Na- der experimentellen Verhaltensfor- mens schoß den Vogel ab, als er mit schung ist damit ein Wahlversuch mit Bezug auf Menschen von Männchen und Alternativen gemeint). Was Herr Dörner Weibchen und mit dem Vokabular eines wählen ließ, hat er diesmal noch nicht Invesünentvertreters sprach: kapitalisti- verraten. Da wirßten wir gern Genaue- sche Soziobiologie reinsten Wassers. res. Die anwesenden Schwulen und Les- Wenn das die tmodernet Anthropologie ben haben sich geweigert, schon wieder ist, die hier vorgeführt werden solIte... selbst ihren Aspekt des Themas einzu- In meinem Kopf entstand das BiId vom bringen: Wenn die Herren Wissenschaft- Selektionsvorteil des hochgewachsenen ler immer noch nicht gelernt haben, daß Ariers - aber das ist billige Polemik. Die es mehr Dinge zwischen Himmel und Biologin Christiane Buchholtz wies am Erde gibt als Männer und Frauen, sollte ersten Tag ihre Kollegen mit Recht da- man sie auch nicht weiter damit behel- rauf hin, an Tieren gewonnene Erkennt- ligen. Es interessiert sie gar nicht. nisse könnten nicht so flott auf Men- schen übertragen werden - was sie Leider kamen die soziologischen und selbst nicht daran hinderte, am zweiten bildungssoziologischen Beschreibungen Tag ihre an Iltisfrettchen und anderem des Geschlechterverhältnisses in der Getier in der Skinnerbox gewonnenenen BRD und der ex-DDR nicht über Be- Ergebnisse als Beispiele ftir Lernunter- kanntes hinaus; sie bestätigten eher das schiede zwischen den Geschlechtern gewöhnliche Vorurteil, daß die Sozial- heranzuziehen. Der weit tiber sein en- wissenschaften nur beschreiben, was geres Fachgebiet hinaus renommierte schon alle wissen, es aber viel aufwen- Verhaltensbiologe Günter Tembrock diger tun. demontierte sich am Ende seines Vor- trags selbst mit der ernstgemeinten Irgendwelche Ansätze, zwischen den Anekdote, er könne meist schon am von Biologie und Anthropologie be- Titel oder an der Themenstellung einer schriebenen funktionsabhängig ge- eingesandten Arbeit erkennen, ob sie schlechtlich differenzierten Körpern von einer Frau stamme: Nachdem er von Frauen und Männern und der sozial- vorher einiges Kluge über die Bedeu- wissenschaftlichen Erfassung ihrer so- tung der Brutpflege für das Sozialver- zialen und psychischen Realität in ver- halten gesagt hatte, hörte sich das an, schiedenen Gesellschaftsformen zu ver- als ob Frauen auch in der Wissenschaft mitteln, waren nicht zu erkennen. Der ihre nattirlichen Themen hätten. Vorschlag, von geschlechtsspezifischem Verhalten nur noch dann zu sprechen, Sollten die beiden Einleitungs-Referate wenn es sich um zwangsläufige Folgen doch nicht ganz ernst, sondern als Pro- biologischer Körperorganisation han- vokation der Veranstalter gemeint ge- delt, und allen tibrigen Verhaltenswei- wesen sein, so hat dies nicht funktio- sen, bei denen soziale Zuschreibungen, niert. Im Publikum rumorte es zwar, Variabilität und Häufigkeiten eine Rolle aber weder artikulierten die weiteren spielen, als geschlechtstypische zu Vorträge den Rumor, noch war ausrei- kennzeichnen, ermöglicht zwar eine chend Workshop-Zeit vorgesehen, den Fü[le sinnvoller Differenzierungen, ak- Unmut von der Basis her zu formulieren. zeptiert aber die Kategorie der dimor- phen Geschlechtlichkeit zu fraglos. Zum Verhältnis der Geschlechter gehO- Spätestens im Fall der Transsexualität ren auch die, die sich nicht darein f{igen dürfte sie an Grenzen stoßen. (lassen, wollen). Sie kamen der Einfach- heit halber nicht vor: Transsexuelle sind Recht spannend war der Versuch, durch bekanntlich krank. Basta. Homosexuelle Meta-Analysen von Forschungen tiber (d.h. Männer und Frauen mit rheteroty- die Unterschiede zwischen den Ge- pischem Sexualverhaltenr a- la Dörner) schlechtern den Realitätsgehalt der sind, scheintrs, in Neuguinea ein (nicht festgestellten Differenzen zu lrberprtl- näher betrachtetes) ethnologisches Fak- fen. Viele von ihnen scheinen zu ver- tum. Das Neueste aus dem Rattenlabor schwinden. Die Konstruktion von Ge- ist der rBeweisr homosexueller Nager- schlecht und Geschlechtern in der Wis- senschaft konnte allerdings auch hier irgendwann nicht nur addieren, sondern nicht mehr in den Blick genommen'wer- auch integrieren lassen werden. Zu wes- den, da es ja bereits um deren Verhält- sen Nutz und Frommen, bleibt offen. nis gehen sollte. Highlight der Tagung war das Schluß- Jedoch eignen sich bipolare m-f-Skalen, wort des Projektleiters Karl-Friedrich an deren einem Ende die Wertlosigkeit Wessel: Man mtrsse projektintern disku- sozial definiert ist, ebensowenig zur Be- tieren, ob man mit der Konferenz wirk- schreibung geschlechtlicher Realität lich das erreicht habe, was beabsichtigt wie solche, die durch die Setzung gewesen sei. Ja, bitte. Und vielleicht rgleichwertig, aber nicht gleichartigr auch dartrber, ob das Beabsichtigte von Machtverhältnissen abstrahieren. wünschenswert ist. Daß zudem die Geschlechtszugehorig- Ralf Dose keit der Forschenden (mehr als) eine wesentliche Variable im Prozeß ist, ist schon in den Sozialwissenschaften nicht Literatur zum Projekt: Gemeingut. Ftir Naturwissenschaft- ler(Innen?) verläßt frau damit den Kon- Umfrage: Der Mensch als biopsychoso- sens und Kanon der Wissenschaftlich- ziale Einheit; in: Deutsche Zeitschrift keit. für Philosophie, 33(1985)2, 134-160 und 3,223-243 An dieser Stelle hätte der round-table seine Funktion gehabt, wenn er dazu Biopsychosoziale Einheit Mensch. Wis- mehr Zeit und vor allem bessere Vor- senschaftliche Zeitschrift der Humboldt- gaben gehabt hätte. Universität zu Berlin, Math.-naturw. So aber reduzierte sich die Frage nach Reihe, 36(1987)7 den Geschlechtern in der Wissenschaft anfangs auf die bald als unsinnig ent- Wessel, Karl-Friedrich: Forschungspro- larvte Gegenüberstellung von thartent jekt rrDer Mensch als biopsychosoziale und rweichenr Wissenschaften bzw. Me- Einheitrr; in: Deutsche Zeitschrift für thoden und verlief sich dann in Margina- Philosophie 36( 1988) 2, 97 -106 lien, die kaum die Oberfläche des Ge- schlechterproblems erreichten. Es fehlte Vom Gen zum Verhalten. Der Mensch z'.8. die wissenschaftsgeschichtliche als biopsychosoziale Einheit. Berlin/ Aufarbeitung, unter welchen Voraus- DDR: Akademie-Verlag 1988 setzungen, Fragestellungen und Aspek- ten die tmale stream-Wissenschaftr die Zu den Zielen des Projektes rBiopsy- Frage nach dem Geschlecht und den Ge- chosoziale Einheit Mensch - Struktur schlechtern überhaupt angefaßt hat. Sie und Dynamik der Ontogenese des Men- entdeckt gerade erst - und mühsam - die schenr und der Längsschnittstudie rHu- tFrauenfrager. Die nach den Männern manontogeneset, die einen Schwerpunkt stellt sie nicht, wie Irene Dölling in ih- des Projektes bildet. Auf der Berliner rem (bewußt?) sehr weit hinten plazier- Konferenz rBiopsychosoziale Einheit ten Vortrag konstatieren mußte. Menschr (Januar 1989) verteiltes, hekto- graphiertes, undatiertes Arbeitspapier, Das R6sumee des Organisators, trdie l5 s. Verhältnisse der Geschlechter seien 100o/o biologisch, l00o/o psychisch, 100o/o sozial bedingtrr entsprach weder dem Tagungsergebnis, noch zeugt es von mathematischen Kenntnissen: auf Drei- hundertprozentiges können wir nun wirklich verzichten. Aber genau das scheint mir im Gesamtprojekt angelegt: Ein Versuch zur hundertprozentigen Er- fassung der menschlichen Ontogenese unter allen denkbaren Aspekten in der Hoffnung, daß sich die Erkenntnisse Rezensionen und Literaturhinweise

Raymond L. Burtr Friedrich Salomo Krauss (1859-1938). Selbstzeugnisse und Materia- Iien zur Biobibliographie des Volkskundlers, Literaten und Sexualforschers mit einem Nachlaßverzeichnis. Mit einem Beitrag von Michael Martischnig: nZrrn 50. Todestag von Friedrich Salomo Krauss (Salomon Friedrich Krauss). Eine Nachlese.r' Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1990

Arbeiten über Friedrich S. Krauss sind noch rar. Er gehört zu den Vergessenen, deren Werk z.T. schon zu Lebzeiten von der (Sitten-)Polizei vernichtet wurde; der (assimilier- te) jUdische ttPornographrr, der sich zudem noch mit der Folklore minderwertiger Bal- kanvölker abgegeben hatte, war ein willkommenes Objekt der Verdrängung. Seine Be- deutung für die Sexualwissenschaft als Kulturwissenschaft ist noch wiederzuentdecken und bedarf der Neueinschätzung.

Aufgrund des von Raymond L. Burt vor einigen Jahren in der Bibliothek der University of California, Los Angeles, aufgefundenen Teils des Nachlasses von Friedrich S. Krauss wird hier ein rWerkstattbericht' vorgelegt, der wegen seines Material- und Fundstellen- reichtums für die weitere Forschung unentbehrlich sein wird.

Raymond L. Burts Beitrag zur Krauss-Forschung ist ein spannendes Experiment. Er versucht, die zwar angeblich von Friedrich S. Krauss verfaßte, aber bisher verschollene Autobiographie dadurch zu rekonstruieren, daß er alle ihm zugänglichen autobiographi- schen Notizen, die Krauss in vielerlei anderen Kontexten hat einfließen lassen, thema- tisch in chronologischer Reihenfolge aneinanderhängt und nur sparsamst verbindende Texte dazu verfaßt. Das Experiment scheint gelungen, wenn es auch erhebliche Anfor- derungen an das Vorwissen der Leserlnnen stellt. Zwangsläufig entstehen durch das Kompositionsprinzip Lücken in der Chronologie der Ereignisse, nämlich dann, wenn durch materialbedingte thematische Brüche längere Zeitperioden äbersprungen wer- den. Da sich Burt in den ersten Kapiteln an den Lebenslauf hält, fällt dies erst etwa nach der Hälfte der Lekttrre auf, wenn die thematische Gliederung nach Arbeits- schwerpunkten Kraussr stärker zum Tragen kommt. Dem/Der nur an einzelnen Berei- chen der Kraussrschen Tätigkeit Interessierten ist diese Aufteilung jedoch ntitzlich, da sie schnell einen Überblick tiber die erfaßten autobiographischen Quellen bietet. Zur Yervollständigung des Bildes unter Heranziehung aller erreichbaren Quellen - nicht nur der autobiographischen Textstellen - ist deshalb die Biographie von Michael Mar- tischnig im zweiten Teil des Buches eine notwendige Ergänzung, auch wenn sie im Ma- terial ein paar Duplikate enthält. Martischnig hat in akribischer Kleinarbeit Fakten zur Bio- und zur Bibliographie zusammengetragen, deren Detailfülle schon dadurch beein- druckend ist, daß der Apparat den Textteil an Umfang bei weitem übersteigt.

Der Band enthält ferner eine Bibliographie der Krausstschen Schriften und ein detail- liertes Verzeichnis der Sammlung 996 (Friedrich Salomo Krauss) in der Bibliothek der UCLA.

Zum besseren Verständnis der Forschungsreisen Kraussr durch Bosnien und die Hetze- gowina z.B. wäre eine Kartenskizze wtinschenswert gewesen: die Krauss geläufige räumliche Ausdehnung des Habsburgerreiches ist uns durch die politischen Verände- rungen seit dem Ende des l. Weltkrieges so fremd geworden, daß wir Hilfen zur Ver- anschaulichung brauchen.

Schließlich Kleinigkeiten: Hirschfeld war Anfang der zwanziger Jahre nicht (mehr) "mo- saischen Bekenntnisses" (S. 184), auf ztrricher Meldezetteln bezeichnete er sich selbst als'rdiss[ident]", was seiner Nähe zum (organisierten) Freidenkertum entspricht. Man kann auch nicht davon sprechen, daß Hirschfeld den itDecknamen Ramientt trug. (ebd.) Er hat dieses Pseudonym nur für die erste Auflage von rSappho und Socratesr und dann nie wieder verwendet. Die Auswahl der erwähnten hirschfeldschen Schriften macht ei- nen etwas willkürlichen Eindruck: 'Die Homosexualitat des Mannes und des Weibesr etwa wäre wohl wichtiger als die eher marginale Steinach-Broschüre trKilnstliche Ver- jüngung" (Anm. 143). Auch lautet der Buchtitel von 1903 rrDer urnische (nichc urani- sche) Mensch". Aber das sind Randbemerkungen.

Es war nicht Absicht der Autoren, das Werk Kraussr im einzelnen zu wirrdigen; hier sind weitere Arbeiten notwendig. Auch über die Zusammenarbeit Hirschfeld-Krauss z.B. sagen die bisher bekannten bloßen Fakten nicht viel: hier bleibt Forschungsarbeit zu leisten, nicht nur hinsichtlich verschollener Korrespondenz. Insgesamü Ein nützli- ches, und bei aller wissenschaftlichen Akribie gut lesbares Buch. Ralf Dose

Wolfgang Eleutin: Sexualität und Obszönität. Eine literaturpsychologische Studie uber epische Dichtungen des Mittelalters und der Renaissance. WäLrzburg: Königshausen & Neumann 1990. 482 S. (ISBN 3-88479-463-9). DM 49,80

Wolfgang Beutin, Dozent fUr Altere deutsche Literatur an der Universität Hamburg, diskutiert in seinem 1990 erschienenen Buch die Bedeutung von Erotik und Sexualität in der Literatur des Mittelalters und der Renaissance und legt dar, daß dieses Thema in der Literatur der genannten Epochen in mehr oder weniger offener Form in den Mittel- punkt gestellt ist oder doch wenigstens am Rande berührt wird. Auf Grund dieses Fak- tums findet der Literaturwissenschaftler einen Blickwinkel, unter dem er für die tiber- lieferten literarischen Werke eine tfSynoptik des Gesamtzusammenhangstr entwerfen kann - unter den Einschränkungen des gewählten Zeitraums und der Konzentration auf die im wesentlichen deutschsprachige Epik. Er geht dabei von einem rrpsychoanalyti- schen Konzept der Sexualitätrr wie von einem trmit Hilfe der Psychoanalyse definierten Dichtungsbegrifflr aus. Seine Kategorien sind rrliteraturwissenschaftlichett, ferner die rrsysteme der Kultur, soweit sie Aussagen über die menschliche Sexualität zu bieten habentt, und drittens rranthropologisch-psychologische, mit deren Hilfe Sexualität be- schrieben werden kannrr.

Beutin gliedert sein Buch gleichsam in einen Quer- und einen Längsschnitt. Im ersten Teil untersucht er die epischen Dichtungsarten danach, wie sich jeder von ihnen "cha- rakteristische Darstellungsweisen von Sexualitättt zuordnen lassen. Im zweiten Teil erörtert er die rrGrundformen der Sexualitättt, wie sie konkret - oder eben auch ver- schleiert - in den jeweiligen Dichtungen dargestellt werden. Er beginnt mit einem Kapi- tel über Rollenfestlegung und Rollentauschphantasien; es folgt eins, das er mit rrFrauen" tlberschreibt (Frauenunterdrtlckung, Matriarchat, Patriarchat - Erzählerinnen - Die mißhandelte Frau - Madonna und Hexe, Frauenbilder als Männerphantasien). Im Kapitel frDer Norm entsprechende Objekrwahlrr behandelt er die Themen Objektwahl, Triebrich- tung, Libidostufen - Genitale Liebe, Askese, Zölibaq Kur - Prostitution, Zuhälterei, Kuppelei. Der längste Abschnitt ist dann der über die Ehe. Den Abschluß bildet die trvon der Norm abweichende Objekrwahlrr (Variation, Perversion, Deviation - Zahl, Ge- schlecht, Alter; Tiere, Götter, tibernatürliche Wesen - Inzest und Kastrationskomplex) und frNacktheittr. Bereits diese (Teil-)Wiedergabe des Inhaltsverzeichnisses läßt erken- nen, daß Beutin in seine psychoanalytische Betrachtungsweise auch sozialwissenschaft- liche Aspekte integriert.

Dies ist das Buch eines Literaturwissenschaftlers, im wesentlichen ftir Literaturwissen- schaftler bestimmt. Dennoch ist es auch ftir jene Leser wichtig, die an der Sexualwis- senschaft, vor allem an der Geschichte bzw. der Kulturgeschichte der Sexualität inter- essiert sind. Da Beutin einen großen Teil der interpretierten Werke referiert, enthält das Buch eine Ftllle von Material, das sich nirgendwo sonst in solch konzentrierter und knapper (meist auf das spezifisch Sexuelle beschränkter) Form wiedergegeben findet. Daß man allerdings aus dem Referierten nicht umstandslos auf damalige gesellschaftli- che Realitäten schließen darf, ist eine Hauptschwierigkeit, die sich aus dem literari- schen Charakter des untersuchten Materials ergibt und auf die Beutin auch expressis verbis hinweist. Da er sich aber dieses Problems in seinen Interpretationen immer be- wußt bleibt, wird auch der aufmerksame Leser vor Fehlschlüssen bewahrt.

Das Aufregende dieses Buches besteht in dem Gedanken von der Totalität des Themas rrsexualitätrr in der älteren epischen Literatur. Man muß kein Prophet sein um voraus- zusagen, daß gerade diese These zum Widerspruch herausfordern wird; und man darf gespannt sein, wieviele Reinheits-Apostel auftreten werden, die gegen die rrBeschmut- zungtt der Kunst protestieren. Hans-Girnter Klein

Den gleichen Zeitraum zum Gegenstand haben auch die Beiträge des Symposiums Ordnung und Lust. Bilder von Liebe, Ehe und Sexualität in Spätmittelalter und Frtiher Neuzeit; hrsg. von Hans-Jürgen Bachorski. Trier: WVT Wissenschaftlicher Verlag 1991. 555 S., DM 59,-, mit den Themenschwerpunkten: Ehe: Alltag und Fest; Männer und Frauen, Mtitter und Väter; Sprechen und Schweigen tiber Sexualität; Diskursformen.

Neue Veröffentlichungen über Kurt Hiller

Harald Lützenkirchen: Logokratie. Herrschaft der Vernunft in der Gesellschaft aus der Sicht Kurt Hillers. Essen: Westarp 1989. (Philosophie und Geschichte, Band 1. - Diss. phil. Düsseldorf 1989.) 264 S.

Rolf von Bockel: Kurt Hiller und die Gruppe Revolutionärer Pazifisten (1926-1933). Ein Beitrag zur Geschichte der Friedensbewegung und der Szene linker Intellektueller in der Weimarer Republik. Hamburg: Borman-Verlag edition hamburg 1990. (Diss. phil. Hamburg 1989.) 267 S.

Kurt Hiller. Ein Leben in Hamburg nach Jahren des Exils. Hrsg. von Rolf von Bockel, mit Beiträgen von Wolfgang Beutin, Martin Klaußner, Hans-Grlnter Klein, Harald Lüt- zenkirchen. Hamburg: Bormann-von-Bockel-Verlag edition Hamburg 1990. 51 S. Inhalt: Rolf von Bockel: Lebensabriß (S.9-14) Hans-Gtrnter Klein: trlch bin zum Denken verdammt; das trägt nichts einltr - Kurt Hillers Misere im Exil (S. 15-19) Harald Lützenkirchen: Kurt Hillers Bemtihungen um eine rrLogokratie" nach 1945 (S. 2t-271 Hans-Gtlnter Klein: Kurt Hillers strafrechtspolitisches Engagement und die Neu- grtindung des Wissenschaftlich-humanitären Komitees 1962 (S. 28-32) Martin Klaußner: Erinnerungen an Kurt Hiller (KH) (S. 34-43) Wolfgang Beutin: Kurt Hillers Mitarbeit am Lynx (S. 44-49) tt... Hans-Günter Klein: mir altem Uhu ...rr. Kurt Hiller in einem Brief aus dem Jahre 1949. In: Auskunft. Mitteilungsblatt Hamburger Bibliotheken 11.1991, S. L7-22 (Heft 1). trEncyclopedia Zum Hirschfeld-Artikel in der of Homosexualityr

Im vergangenen Jahr erschien in den seren Vertreter homosexueller Emanzi- USA die zweibändige frEncyclopedia of pationsbemühungen halten und ihre Ab- Homosexualityrr (l ), die hier nicht lehnung Hirschfelds teilen. Jedoch müs- insgesamt gewtirdigt werden kann und sen einige der von Johansson für seine soll. Einige der Aussagen in dem trEvaluationrr der Hirschfeldschen Akti- Hirschfeld gewidmeten Artikel der En- vitäten herangezogenen Quellen einer cyclopedia haben jedoch zu Anfragen kritischen Betrachtung unterzogen wer- bei uns geftihrt. Da ftlr diesen Artikel den. Dabei geht es im wesentlichen um offenkundig mehr und andere Quellen folgende Vorwürfe, die Warren Johans- herangezogen wurden als die kurze Bi- son meint, aus der von ihm herangezoge- bliographie auffuhrt, haben wir den nen Literatur und ergänzenden persön- Verfasser, Warren Johansson, um - von lichen Informationen ableiten zu können: ihm bereitwillig und ausführlich gegebe- ne - Erläuterungen gebeten, die leider a) Hirschfelds Sexualleben sei ein wenig einen erstaunlich unkritischen Umgang pervers gewesen; mit den Quellen erkennen lassen. b) Hirschfeld habe mit den durch die Wir stellen hier den Text seines Artikels Psychobiologischen Fragebögen erhobe- in der Encyclopedia of Homosexuality nen persönlichen Daten Erpressungen vor (2) und erlauben uns einige Anmer- begangen; kungen dazu, da Nachschlagewerke die fatale Tendenz in sich bergen, Blödsinn c) Hirschfeld stecke hinter der Veröf- tlber Generationen von wissenschaftli- fentlichungrrKrupp auf Capritt des rVor- chen Abschreibern als gesichertes Wis- wärtsr aus Rache für eine nicht gelun- sen zu tradieren. gene Erpressung an Friedrich Krupp.

Ein Lexikonartikel kann nicht sämtliche Details enthalten, aber die mitgeteilten Fakten sollten stimmen. Philosophie und zu a) neuere Sprachen studierte Hirschfeld Die Vorliebe für rgossipr ist sicher ein nur im WS 1887/88 in Breslau, Medizin seit dem SS 1888 in Straßburg, Mün- chen, Heidelberg und Berlin. Albert Hrnscxrel^D, Mlcrvus Moll war zweifellos schon seit 1905, (1868-1e35) nicht erst nach dem ersten Weltkrieg ein Leader of the homoser

(Scientif ic.Humanitarian Committeef , the tion of an unorthodox subiect, and as such world's first organization dedicated to the provoked bitter coltroversy, as its express airn of ending the century-long legal intol- aim was to expose the inir:stice of para- erance and social opprobrium that homo- graph 175. When censorship was restoted sexuals had suffered in Westem civiliza- in 1920, the film was promptly banned, in tion. Its first activity was to prepare e no small part because of the unfavorable petition "to the legislative bodies of the iudgment of Albert Moll, who had by then " calling for the repeal of become Hirschfeld's bitter opponent. paragraph 175 of the Imperial Penal Code No less critical was an article by of l87l which imposed ama:rirnum of two Moll that appeared n the Zeitscfuift fu years'imprisonment for "lewd and un- Sexualwissenschoft 11927)in the wake of nattud conduct" between males. In the the Internaqional Congress for Sexual decades that followed this petition was to Research held the previous year, to which be sigrred by some six thousand individu- Hirschfeld was pointedly not invited be- als prominent in all wdks of Cerman life, cause MoIl resented the propagandistic including members of the high intelligent- element in the latter's activiry and dso sia whose names are still world-famous. because of conduct which Moll branded as In 1899 the Committee began the unethical, such as publicly exhibiting publication of. the lahrbuch lilr sentelle individuals who suffered from various Zwischenstafen, the world's first iournal psychosocual abnormalities and unabash- devoted to scholarship on all aspects of edly discussing them in the presence of an homosexual behavior. Edited by audience. Hirschfeld, its 23 volumes are in some For his part, Hirschfeld presided respects a still unsurpassed collection of at one conlercnce aft er another of theWorld materials of all kinds on the subiect, from League for Sexual Reform on a Scientific questionnaire studies and articles on Basis, the first inBerlin in 1921, thesecond homosotuality amont primitive peoples in Copenhagcn in 1928, the third in Lon- to biographies of the great and neer-treat don in 1929 , the fourth in Vienna in 1930.

s37 i:::!+r.ti O HIRSCH§ELD,IVIAGNUS

Thesc conlerences featured pepcn on thc preclude its banning by thc new regime. whole spcctmm of problems of so

538 '-,i*..?a (Community of the Exceptionall, which einem antisemitischen und antihomose- xuellen Pamphlet Emil Wittes von 1914: united the virile, pederastic type of homo' ttHerr sercual in contrast to the effeminate male Dr. Magnus Hirschfeld ist and viraginous femde which Hirschfeld übrigens, wie glaubwürdig versichert was tryint to palm off on the lcarned world wird [!], auch dem sogenannten rrstiefeltr-Fetischismus verfallen, d.h. as a biological "third sex." Blüher in turn accused Hirschfeld of falsifying the text of er betrachtet es als höchste Wollust, his work of l9lLTheWandervogel Move- die von seinen Lieblingen verunrei- (3) ment as anErotic Phenomenon, stressing nigten Stiefel abzulecken!'r as it did the role of male comradeship in mass organizations and public life. Warren Johansson bezieht sich allerdings Hirschfeld's life and u'ork repre- auf eine vermeintlich seriösere Quelle, sent at best an ambivalent lcgacy for the nämlich auf Josef Wortis: Fragments of homophile movement of today. He never an Analysis with Freud (4): succeeded in formulating a coherent sci- 'rl spoke of Hirschfeld. Freud said he entific explanation of homosexuality, and knew him well, and that Hirschfeld the Nazi seizure of power in 1933 spelled was well informed, but scientifically the tragic end of the organization he had dumb (wissenschaftlich dumm). I said he seemed to be homosexual himself. founded. His career Presents in retrospcct rHe as many errors and failings to be shunned doesntt seem to be, said Freud, as achievements to be emulatcd. 'he L§, and h-makes no secret of it. And-not only is he homosexual, but BIBUOGR/C,PHY. Magnus Hirsdrfeld he is perverted in other ways. I have Von einst bis iatzt: Casihichte einer heard from a patient of mine how he homos etcuellen B ew egu n g, I ames satisfies himself in a most perverted Steaklcn cd-, Berlin: Verlag Rosz Winkel, (S.41) 1986r Iames D. Steakley, The Homosex- way.t" uol Emancipation Movement in Wortis kommt später noch einmal auf . Germany,NewYork:AmoPress, 1975; Freuds Ablehnung Hirschfelds zurtick; Charlotte Wolf,f , Magnus Hirschfeld: A und über ein weiteres Gespräch mit Poruait of a Pioneer in Sexology, Freud berichtet er als Freuds Aussage: lpndon: Quartet, 1985. Warrcn lohansson "'[...] Hirschfeld is not only a homo- sexual, but perverse too, and in the most ludicrous way. ...r't Freud then proceeded to tell me in detail of the charakteristisches Kennzeichen der way in which Hirschfeld satisfied schwulen Subkultur - aber muß ein Le- himself rvith male prostitutes, with an xikon seine Zugehorigkeit zu ihr da- elaborate ritual involving pressure on durch beweisen, daß es Klatsch aus his toes, etc. tWhat could be more dritter Hand als gesicherte Fakten aus- ludicrous and childish?' concluded gibt? Die Berichte tlber Hirschfelds Freud, and he then explained it all Fußfetischsmus haben eEwa die gleiche psychoanalytical.'r (S. 147) Qualität wie die mir einmal berichtete Josef Wortis dienen diese Ausftihrungen Tatsache, er habe eine Vorliebe für (neben vielen anderen) als Belege für Müllkutscher gehabt, oder die, er habe Freuds Ablehnung der Homosexualität; sich vor urnischen Kindern (zu thera- er macht auch ein paar kritische Bemer- peutischen Zwecken) als Exhibitionist kungen über die Indiskretion des Psy- betätigt; und die Verbindungstür zwi- choanalytikers. Auf Nachfrage hat der schen Hirschfelds Schlafzimmer und in New York lebende Josef Wortis seine seinen Praxisräumen hat ja sogar den Darstellung der Ausführungen Freuds Polizeipräsidenten von Berlin mal be- bekräftigt, konnte aber keine genaueren schäftigt. Mit seinen beiden Freunden Angaben über die Quelle, auf die Freud Karl Giese und Tao Li wird er im Exil sich berief, machen. gar dem Triolismus gefrönt haben; und Bezüglich Hirschfelds Fußfetischismus bekanntlich ließ er sich nackt fotogra- bezieht sich Johansson schließlich auf fieren. eine Korrespondenz mit Kurt Hiller, der auf seine Frage nach Hirschfelds sexu- Der geistige Ursprung alles dessen fin- ellen Vorlieben zwar geanrwortet habe, det sich in den I'Drei Siegfriedsrufen", daß sie in den mehr als dreißig Jahren ihrer Zusammenarbeit nie tiber ihr Se- rücht, Hirschfeld habe dem rVorwärtsr xualleben gesprochen hätten, aber hin- die Informationen tiber rrKrupp auf Ca- zugeftigt habe:'rEr galt als Fußfeti- prirr gesteckt aus Rache für einen miß- schist.rr lungenen Versuch, Krupp Geld für das WhK zu extrahieren. Hier gibt es einen längeren Weg zurückzuverfolgen: Jo- zu b) hansson bezieht sich auch hier zunächst Hier scheint ein Rückschluß vorzulie- auf den Artikel über Hirschfeld im rrse- gen: Da Hirschfeld (wie andere Arzte mi-Kürschnerrr von Philipp Stauff (7). seiner Zeit auch) Potenzmittel und Die kritiklose Verwendung dieses anti- Aphrodisiaca entwickelt und vertrieben semitischen Machwerks als seriöse hat, wird er auch die ihm in der Quelle diskreditiert sich von selbst; al- Sprechstunde anvertrauten Geheimnisse lein sie führt noch tiefer in den Sumpf: für Erpressungen benutzt haben - ge- Stauff wiederum beruft sich auf eine nauso wie andere Psychiater. Johansson Strafanzeige Emil Wittes von 1909 ge- bezieht sich ergänzend zu den extensi- gen Hirschfeld wegen Meineids, Erpres- ven diesbezüglichen Behauptungen im sung und Betrug im Anschluß an den rrSemi-Kürschner" resp. Emil Wittes (zu Prozeß Bülow-Brand, die zu verfolgen deren Qualifizierung s.u.) auf zwei eng- die Staatsanwaltschaft mangels Aussicht lische Bücher (5), wie er selbst auf Erfolg ablehnte. Offensichtlich la- Itwithout rrDrei schreibt, reference to Hirsch- gen Warren Johansson die Sieg- feld, but revealing that others were not friedsruferr nicht vor: Witte hat immerhin slow to imitare him'r (6). Solche Ar- die ihm auf seine diversen Anzeigen gumentationslinien machen denn doch zugegangenen Antworten der staats- mißtrauisch. Auch die durch weiter anwaltschaft bzw. des berliner ärztli- nichts gestützte Behauptung, daß Albert chen Ehrengerichts voltständig wieder- Moll in seiner Rechtfertigung für die gegeben, die die Haltlosigkeit seiner Nichteinladung Hirschfelds mit dem Anschuldigungen gut erkennen lassen. Hinweis auf dessen "problematische Ein gerichtliches Vorgehen gegen Witte, Natur, frber die mir sehr viel Material der seine Behauptungen in vielerlei Bro- vorliegt, das ich aber heute und ohne schüren unters Volk gebracht hatte, Zwang nicht veröffentlichen will...r' auf schien aussichtslos: das Königliche die Erpressertätigkeit Hirschfelds ange- Amtsgericht Berlin-Mitte hatte schon spielt habe, klingt nicht einleuchtender. 1910 eine Klage des Auswärtigen Amtes Als weiteren Zeugen ftrhrt Johansson gegen ihn wegen Anmaßung des Titels den ihm persönlich bekannten Arthur rrBotschaftsratrr abgelehnt wegen beste- Weil an, der selbst von Hirschfeld er- hender Zweifel an seiner Zurechnungs- preßt worden sei und ihn ihm gegenüber fähigkeit. (8) als trfilthy swinerr bezeichnet habe. Lei- der ist ohne weitere Angaben nicht re- Johansson versucht die Reputation sei- cherchierbar, womit Hirschfeld Weil ner Quelle Emil Witte zu retten durch erpreßt haben soll, oder ob sich das den Hinweis auf die Untersttitzung Wit- rrfilthy swinerr eher auf seine Arthur tes ftir die USA im Krieg zwischen Spa- Weil vielleicht unappetitlichen Sexual- nien und den USA abzuleiten, rrthis fact praktiken bezog. Daß Hirschfelds Um- alone proves him no mere obscurantist gang mit Kollegen, Mitarbeitern und - and reactionary.u (9) Selbst wenn autorlnnen diesen anscheinend öfter und dem so wäre: es ist nicht gerade ein berechtigt Anlaß gab, sich übergangen Wahrheitsbeweis ftir seine Anschuldi- oder gar tibers Ohr gehauen zu ftrhlen, gungen. ist nicht unbekannt - siehe auch in die- Ralf Dose sem Heft die Vorgänge um den Verkauf der rrAufklärungrr. Der Vorwurf der Erpressung aber sollte schon besser substantiiert werden, wenn er nicht ei- nem Rufmord gleichkommen soll. zu cl Ahnlictr verhält es sich mit dem Ge- Anmerkungen Der Hirschfeld betreffende Text beider Mach- werke beruht in allen wesentlichen Teilen auf EmiI Wittes'rsiegfriedsrufenn. (l) New York und London: Gar- (8) Vgl. Jahrbuch für sexuelle Zwischeistufen land 1990 I 3( 19 1312, 251-253 und 14(191412, 250-251 (21 S. 536 bis 539 (e) Brief an Manfred Herzer, 9.11.90 mit Hinweis (3) Emil Witte: Drei Siegfrieds- auf das Vorwort zu Emil Witte: Revelations of rufe. An alle Verantwortli- a German Attach6: Ten Years of German- chen in deutschen Landen. American Diplomacy. New York: George H. Berlin-Friedenau, Selbst- Doran Company 1916 (deutsch: Aus einer verlag 1914, S.58. Deutschen Botschaft. Zehn Jahre deutsch- (4) New York 1954, 2. Aufl. amerikanische Diplomatie. Berlin: Selbswer- 1975 lag 1907) (s) Basil Trozer: Conficence Crooks and Blackmailers: Their Ways and Methods. L,ondon: T. Werner Laurie, 1929, pp 207-2ll und Mike Hepworth: Blackmail: Publi- city and Secrecy in Ever- yday Live. london: Rout- Iegde & Kegan Paul, 1975, pp.30, 109 (6) Schreiben an Manfred Her- zer vom 9.9.1990 (7) Philipp Stauff: Semi-Ktir- schner, oder, Literarisches Lexikon der Schriftsteller, Dichter, Bankiers, Geldleu- t€, Ärzte, Schauspieler, Künstler, Musiker, Offizie- re, Rechtsanwälte, Revolu- Fr Fs FP Fs WERKBLATT Frauenrechtlerin- tionäre, ZEITSCERIFT füT nen, Sozialdemokraten usw., PSYCHOANAIYSE und jttdischer Rasse und Ver- GESELLSCHAFTSKRITIK sippung, die von 1813-1913 in Deutschland tätig oder I99 I bekannt waren. Berlin-Gr. Lichterfelde: Selbstverlag 1913. Hier Sp. 174-176. Eine wesentlich ausführ- WERKBLATT 26 F FMärz lichere, aber im Kernbe- stand textidentische Fas- WERKBLATT 27 F Oktober sung der Anschuldigungen in: Sigilla Veri (Ph. Stauffrs Semi-Kitrschner). Lexikon der Juden, -Genossen und - Gegner aller Zeiten und Bestellungen: Zonen, insbesondere @q Deutschlands, Lehren, WERKSTATT für der GESELLSCEAFTS- UNd Gebräuche, Kunstgriffe und PSYCITOANALYSE Statistiken der Juden sowie Mühlbacherhofweg 5 ihrer Gaunersprache, Trug- A-502I Salzburg namen, Geheimbünde, usw. @ o.ur-, 4L B2s4 Zweite, um ein vielfaches vermehrte und verbesserte Einzelheft öS rro,- Abo öS r9o,- Auflage. Bd. 2. Erfurt U. Bodung 1929, S. ll72-l2ll. Fortsetzung von S' 30 burg als .Spezialarzt für nervöse und seeti- u'ieder in ganz Deutschland gelten soll. sche l-eiden'. Seine 1896 ersctrienene Sctuift Hirschteld (and in seinem Kampf (ür dre .Sappho und Sokrates' enhrickelt zum er- Gleichstellung von homo- und hcterosexuel' sten MaI sdoe Theorie über die Homos€xuä- ler Uebe viele Fürsprecher. unter anderem lität Eit dcr erstmals vom medizinischen bel dem Sodaldemokraten August Bebel. Standpunkt verEetenen Behauptung, dall Hirschfeld machte sich dabei seincn guten diese wedereine Krankheit uoch ein Verbre. RuI als Gerichtsmediztner zunutze. ln dtesem chen sei. vidmehr eine biologisdre Variante. Amt hatte er viele wegen § 175 Angeklagte die er als .r''en Extremprurkt eines Systems freibekommen. [m Eulenburg.Skandal be' von .sexuelleo Zwischenstufen' ansah. Hier scheinigle er dem General t"{oltke .unbe. wurde der Grundstein gelegrt für die beiden wußte Homosexualität'. was von der Ansätze. mt denen Hirsctrleld das Thema Klatschpresse und auch von den politisch' .Homoserualität' sein ganzes Leben lang satirischen Cabarats genüßlich verarbeitet verfolgte: zurn eiaen als biotogisc[es Phlino- wurde. men. zuru lnderen aber in seiner gesell- Immer wieder aber wurde eine Entschei- schaftlicheu: Auswükung. Das 18gB von dung zur Abschaffung des Paragraphen im Hirschf eld gegründete Wissensciaftlich-hu- Reichstag hinausgezögert. Als das Ziel nahe manitäre l(ooitee (WhK) wude so sclmell zu vor Augen schien. zerstörte die lr{achtergrei- fung der Nazis die Hoffnungen Hirschfelds. 1933 mußte sich das WhK selbst auflösen. Johlende Nazischwadronen plünderten das lnstitut für Sexualwissenscha(t und ver- brannten zahlreiche Bücher. sensdrafl. das nicht riur Lo Not geratene Ho- Hirsctrleld Ooh ins Exil. Als lvlann. dessen mosexuelle berieL rcoderu auch Famiüenbe. I-ebenswerk vernichtet schien. starb er an durcäfüUrte rcw{e mit ratung eiaem vielfilti- seinem 67. Geburtstdg':', am 14. Mai 1935 in gen Programro zur Aulklärr.rng der Bevöl,ke-- Nizza. ' rung beitrug Das Verdienst Magnus Hirschfelds [st, da.ß - . .Vor alleq rber.kä.gp.fte Magnui Hirschfeld er di-e Serualwissenschaft-als eine Richr.rn§ und mit ih-q das WhX gegen den Paragra- grünäete, die Psychologie und Medizin in phen--175. d.r - 1988 i. 4o DDR vöUig abge- Verbindung bractrte. Dabei führte er 1904 schatft - iu seiner revidierten Fassung nuo mit ceiner Urnfrage unteF Berliner Srudenten r:nd Metallarbeitern el. erster die Sozial-Em- pirik i! die Wissenschalt ein. Seio Wissen- schafwerständnis (ütrrte auch zu seinem Austausch mit Freud. den Hirschleld 1908 keonengdemt hatte. Obwotrl beide wegeo der Unterschiedlichkeit lhrer Theorien bald schon zerstritten waren. gab Hirschfeld Freud die Moglichkeit zu Veröffeutlicburgen im ,Jahrbucb filr seruelle Zwischeastuleo'. Damit handelte er nach eeiner Oberzeugruog. daß wisseuscbaftlicher Fortsctuitt nur durch wechselseitigen gelstigen Anstausch mögtich ist. Deshalb auch eein ctarkes Wirken tn der ÖffentlichkeiL A.u besteo und prägnantesteu ausgedrückt ist Hirschfelds l,ebensziel is sei- nem Wehl