Jubiläum

funk, die sich ab 1987 noch zu stundenwei- sen Übernahmen von WDR 4 auf 98,2 MHz erweiterte, bis auf dieser Frequenz dann mit Radio 4U ein neues, kurzlebiges SFB-Pro- gramm startete.

Auf Seiten des Rundfunks der DDR gab es 1987 eine bemerkenswerte Entwicklung in Form einer weiteren Kürzung der Sende- zeit von Radio DDR 2, das ohnehin schon kein eigenes Frühprogramm gestalten konn- te. Dazu kam es, nachdem ab 1986 die Re- gionalsender ein erweitertes Programm auf den neu aufgeschalteten Frequenzen von Jugendradio DT64 ausstrahlten, das in die- ser Phase seines Ausbaus erst ab 13.00 Uhr sendete.

Mit dem Start des ganztägigen Pro- gramms von DT64 endete 1987 die Mitnut- zung von dessen Frequenzen durch die Re- gionalsender nach nicht einmal zwei Jahren auch schon wieder. Die Lösung gestaltete sich denkbar einfach: Von da an durfte Ra- dio DDR 2 erst ab 13.00 Uhr und damit nur 10 Jahre RBB-Kulturradio noch elf Stunden pro Tag senden. Das Kulturradio des Rundfunks Berlin- Beim SFB wurde ein drittes, kulturbeton- Brandenburg beging vor kurzem die Vollen- tes Hörfunkprogramm erstmals 1962 ausge- Gerechtfertigt wurde dies mit dem Weg- dung seines ersten Sendejahrzehnts. Es war strahlt. Dies geschah als nicht näher be- fall der von den Schulen praktisch nicht am 1. Dezember 2003 gestartet, womit die schriebene Kooperation mit dem Norddeut- mehr genutzten Schulfunksendungen, die Landschaft der Berliner Kulturprogramme schen Rundfunk, hinter der sich vielleicht allerdings nicht etwa die gesamte Sendezeit ihre noch heute bestehende Form erhielt, auch nur eine weitgehende Übernahme des von 10.00 bis 13.00 Uhr gefüllt hatten. Und wenn man einmal von der Programmreform Programms aus verbarg. Auch die so drängt sich hier der Eindruck einer von und Umbenennung des damaligen Deutsch- Sendezeit blieb über Jahre ausgesprochen vornherein so geplanten Salamitaktik zur landradio Berlin im Jahre 2005 absieht. beschränkt. Deutlich zum Ausdruck kommt Beschneidung des Kulturprogramms auf. dies in der Notiz aus dem Jahre 1970, das Dies zum einen, da sich der typische DDR- In früheren Zeiten, konkret bis 1990, gab dritte Programm werde „erstmals auch in Apparatschik nicht gerade als Freund von es in Berlin die Kulturprogramme Radio den Sommermonaten“ ausgestrahlt. Kunst und Kultur zu zeigen pflegte, zum an- DDR 2 vom Rundfunk der DDR und SFB 3 deren aber auch, weil speziell Radio DDR 2 vom Sender Freies Berlin (SFB). Der Ver- 1973 war es auf Seiten des SFB damit ohnehin ein unsicherer Kantonist war (Ra- such, allgemein zugänglichen Quellen die dann zunächst ganz vorbei. Eine entspre- dio-Kurier 1/2012). Details zu den Anfängen dieser Programme chende Notiz spricht dürr von der „Beendi- zu entnehmen, wirft dabei mehr neue Fra- gung der Kooperation mit dem NDR im drit- Im Frühjahr 1990 wurden schließlich die gen auf, als er Klarheit bringt. ten Programm“, ohne irgendwelche Gründe Regionalprogramme des Rundfunks der oder sonstige Details dieser Aufkündigung DDR zu ganztägigen Landeswellen ausge- Das fängt schon damit an, wann Radio zu nennen. Ein eigenständiges Kulturpro- baut, was zur Einstellung von Radio DDR 2 DDR eigentlich sein zweites Programm gramm des SFB scheint es danach für sechs führte. Dessen Konzept fand anschließend startete. Hierfür vielfach genannt wird das Jahre überhaupt nicht mehr gege- Jahr 1958, jedoch nur mit einzelnen UKW- ben zu haben. Dessen Frequenz Frequenzen außerhalb von Berlin. In der 96,3 MHz wurde in dieser Phase Vollform gab es Radio DDR 2 anscheinend offenbar nur mit den abendlichen erst ab 1964. Dabei liefen morgens bis 10.00 Gastarbeitersendungen gefüllt, Uhr Programme der Regionalstudios, bei die seit 1966 bereits auf einer ge- denen gleichzeitig die Verbreitung auf Mit- sonderten vierten UKW-Fre- telwelle entfiel (ausgenommen ist hier der quenz (98,2 MHz) liefen. Regionalsender Potsdam, dem bis in die 80er Jahre kein UKW-Sendeplatz zur Ver- Als völligen Neustart verkauf- fügung stand). Diesen folgte von 10.00 bis te der SFB dann 1979 die Wieder- 24.00 Uhr dann das Kulturprogramm aus aufnahme von SFB 3. Allein dem Funkhaus in der Berliner Nalepastraße. stemmte er das Programm auch diesmal noch nicht wieder. Das bedeutete jedoch keine Neuauf- Bild oben: Haus des Rundfunks in der Ber- nahme der Kooperation mit NDR liner Masurenallee, hier noch mit der am 1. 3. Vielmehr gab es zunächst eine So präsentierte sich der Fuhrpark des früheren SFB Mai 2003 um 0.05 Uhr abgeschalteten umfangreiche Zusammenarbeit kurz nach der Gründung des RBB im Jahre 2003. Leuchtschrift. Foto: Kai Ludwig. mit dem Westdeutschen Rund- Foto: Kai Ludwig.

18 Radio-Kurier – weltweit hören® 1/2014 Jubiläum jedoch Eingang in eine Neuausrichtung des Deutschlandsenders, der erst wenige Wo- chen zuvor diesen traditionellen Namen wieder angenommen hatte, zu einem Kul- turprogramm (Radio-Kurier 10/2013).

Zu einer tatsächlichen Neugründung kam es zum Jahresbeginn 1992 in Form ei- ner Landesrundfunkanstalt von Branden- burg. Deren Bezeichnung als Ostdeutscher Rundfunk Brandenburg (ORB) stand erst kurz zuvor fest; erfunden haben soll sie der damalige Vorsitzende der SPD-Fraktion im Potsdamer Landtag, Wolfgang Birthler. Zum Hörfunkangebot des ORB gehörte von Anfang an auch ein Kulturprogramm, das den für Verwechslungen mit der unverän- dert weitergeführten Antenne Brandenburg anfälligen Namen Radio Brandenburg er- hielt.

Radio Brandenburg übernahm sowohl die Berliner und Brandenburger UKW-Fre- Redaktionsgebäude E-R des Funkhauses Nalepastraße, wie es sich von Ende 1990 bis etwa quenzen als auch die Studiokapazitäten des 2005 präsentierte. Foto: Kai Ludwig. früheren Radio DDR 1, das zuletzt bis zum ungewöhnlich; es beruhte in starkem Maße des SFB produzierte Radio Kultur mit ho- 31. Dezember 1991 als „Radio Aktuell“ sen- auf der Popkultur, ohne dabei den Bereich hem Wortanteil. dete. Dem anschließenden Start von Radio der sogenannten Hochkultur außen vor zu Brandenburg ging lediglich eine Pause von lassen, und betonte dabei spezifisch ostdeut- Darüber hinaus kam es nach 24 Jahren zu wenigen Stunden voraus. In diesen Nacht- sche Sichtweisen. Dies führte zu teils sehr einer erneuten Hörfunkkooperation mit dem stunden wurde auf alle ORB-Frequenzen bemerkenswerten Ergebnissen, die seitdem NDR. Das bisherige NDR 3 erhielt den neu- Antenne Brandenburg aufgeschaltet, was von keinem anderen Hörfunkangebot mehr en Namen Radio 3, wurde um Programmtei- das hiervon ebenfalls betroffene DT64 spöt- erreicht wurden. le aus Berlin ergänzt und auf die bisherige tisch kommentierte („sicher ein nettes Un- Frequenz von SFB 3 sowie die Brandenbur- terhaltungsprogramm, sollte man sich auch Damit fand Radio Brandenburg ein im ger Frequenzen von Radio B Zwei aufge- mal kommen lassen, sowas“). Vergleich ausgesprochen junges Publikum, schaltet. wobei ein starker Schwerpunkt in Berlin be- Aus dem Studiokomplex E-T im Berliner stand; die Bezugnahme auf Brandenburg Die Beteiligung des SFB an Radio 3 Funkhaus Nalepastraße sendete Radio hatte zumindest teilweise reinen Alibicha- Brandenburg bis zum Frühjahr 1994. Es währte jedoch nur reichlich zwei Jahre. Be- rakter. Deutlich überdurchschnittlicher Nut- reits zum Ende des Jahres 2000 zog er sich war damit das letzte dort produzierte Pro- zung scheint sich auch im Osten von Sach- gramm, nachdem bereits das frühere DT64 aus diesem Programm wieder zurück; in ei- sen die dortige Einstrahlung des Senders nem Streit, den die überregionale Presse (jetzt MDR ) und der privatisierte Calau erfreut zu haben. aus dem Block E ausge- schlicht eine „Provinzposse“ nannte. Damit zogen waren, während im noch heute nutz- verblieb allein der ORB als Kooperations- baren Block A die Deutsche Welle mit der partner des NDR. Seine Programmteile wur- Übernahme des RIAS-Fernsehens ebenfalls den in einem kleinen Studio der Babelsber- wieder verschwand und der Sendebetrieb ger Hörfunkbaracke produziert, bis das neue des Deutschlandsenders Kultur mit der Radiohaus mit einem Sendestudio auch für Gründung des Deutschlandradios endete. Radio 3 betriebsbereit war.

Wie von Anfang an das ORB-Fernsehen Zum Jahresbeginn 2003 nahm der NDR sendete nach dem Auszug aus der Nalepa- größere, mit einem auf nur noch 0,5 Prozent straße auch Radio Brandenburg aus provi- gefallenen Marktanteil begründete Pro- sorischen Räumen in Potsdam-Babelsberg, Einschneidende Konsequenzen für die grammänderungen bei Radio 3 vor, die mit und zwar in einer zuvor vom Kostümfundus Berliner Kulturradiolandschaft hatte dann einer Umbenennung in NDR Kultur verbun- des DEFA-Spielfilmstudios genutzten Ba- 1997 ein Ausbau der Kooperation von SFB den waren. Damit endete (unter welchen ge- racke. Dieses Provisorium wurde schließ- und ORB. Radio Brandenburg und SFB 3 nauen Umständen, ist selbst hier aus frei zu- lich 2002 durch das heutige Radiohaus ab- wurden ebenso eingestellt wie das frühere gänglichen Quellen nicht zu ermitteln) auch gelöst und kurz danach abgerissen. Der SFB 2, das seit 1993 vom ORB auf einer die Kooperation mit dem ORB, der zum 1. Standort dieser legendären Baracke, unmit- Mai 2003 mit dem SFB zum neuen Rund- Frequenzkette in Brandenburg übernom- telbar an der heutigen Marlene-Dietrich-Al- funk Berlin-Brandenburg (RBB) zusam- men und in diesem Zusammenhang in Ra- lee, ist in eine Grünanlage umgewandelt mengelegt wurde. worden. dio B Zwei umbenannt worden war. Neu ge- schaffen wurden dafür Radio Eins, das die Von Januar bis November 2003 produ- Das Konzept von Radio Brandenburg Frequenzen und Studios von Radio Bran- zierte zunächst noch der ORB, dann der war für Kulturprogramme ausgesprochen denburg übernahm, sowie das im Funkhaus RBB das Programm von Radio 3 allein, wo-

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Dabei ist das Kulturradio des RBB nicht den Weg anderer ARD-Anstalten gegangen, die versuchen, diesem nicht zu negierenden Problem zu begegnen, indem sich die Mu- sikauswahl zunehmend in eine Richtung be- wegt, die in einem Falle in der Redaktion selbst „gehobene Popmusik“ genannt wird. Erfolg garantiert dieser einfachste Weg kei- nesfalls; in dem schon genannten Fall (bei dem es sich um MDR Figaro handelt) kam hierzu aus Kreisen des scheuen Wildes, das so angelockt werden soll, der schlichte Kommentar „Lounge-Gedudel“.

Doch auch einen Fernsehbeitrag über die Matinee, mit der das RBB-Kulturradio sei- nen 10. Geburtstag feierte, kommentierte je- ner Hörer (es sei zur Klarstellung bemerkt, dass dies alles keine Selbstzitate des Autors sind) mit der Frage, ob man sich damit einen Gefallen getan habe, denn: „Viele glänzen- Studio 1 der von 1994 bis 2002 genutzten Hörfunkbaracke Potsdam-Babelsberg. de pralle Gesichter, Sektgläschen und An- Foto: Kai Ludwig. züge. Alles das, was mich daran hindern würde, in ein klassisches Konzert zu gehen, bei naturgemäß kein hoher Aufwand getrie- ziellen Klassik-Radio und auch zu jenen wenn ich es inzwischen nicht besser wüsste. ben werden konnte. Ab Dezember 2003 Programmen aus dem Bereich Pop-/Jugend- Das Publikum hinten im schwarzen Kasten wurde schließlich eine Fusion von Radio 3 kultur, die mit dem Prädikat „gehoben“ ver- neben der Semperoper war doch ein ande- mit Radio Kultur wirksam – die Geburt des sehen werden könnten, auch wenn sich im res. Und das tat gut.“ heutigen Kulturradio. Falle der RBB-Welle Fritz darüber streiten ließe. An Arbeitstagen präsentiert sich das RBB-Kulturradio zwischen 6.00 und 18.00 Um in allen Fällen von einer vollen Uhr als große, nicht in individuelle Sendun- UKW-Abdeckung auszugehen, beschränkt gen differenzierte Fläche mit verhältnismä- sich die beigefügte Aufstellung auf Berlin. Für Brandenburg seien zumindest die über ßig kleinteiliger Musikauswahl. Sowohl Es würde den Rahmen dieser Zeitschrift alle Altersgruppen gemittelten Marktanteile hier als auch bei NDR Kultur mündete die sprengen, nähere Betrachtungen darüber an- Kritik an diesem Konzept 2004 in die Grün- der auch dort flächendeckend ausgestrahl- zustellen, was Kulturprogramme im Be- dung einer Hörerinitiative, die – wie es bei ten Vergleichsprogramme genannt; sie be- reich der sogenannten Vermittlung klassi- solchen Initiativen praktisch stets der Fall laufen sich bei Fritz auf 7,4 Prozent, bei scher Musik leisten können (worin selbstre- ist – 2010 ihre Tätigkeit wieder einstellte Deutschlandradio Kultur auf 0,7 Prozent und nur ihren archivierten Internetauftritt und beim nicht ganz flächendeckend auf dend zugleich die Chance liegt, sich selbst dasganzewerk.de zurückließ. UKW verbreiteten Deutschlandfunk auf 2,3 neue Hörerschichten zu erschließen). Sei- Prozent. nen Niederschlag im Programm des RBB- Ganz verstummt ist die Kritik auch heute Kulturradios findet dieses Handlungsfeld nicht. So betonte ein Hörer zum 10. Sender- Unverkennbar ist, wie die Kulturpro- jedenfalls zum einen in speziellen Angebo- jubiläum zunächst, Kulturradio sei „neben gramme vor allem bei Senioren auf größere ten für Kinder (dies auch in Veranstaltungs- dem Deutschlandfunk der sympathischste Resonanz stoßen. Augenscheinlich wird form), zum anderen in einer Sendung „Klas- dies bei einer Rubrik mit Höreranrufen, die Sender in und um Berlin“. Im weiteren mo- sik für Einsteiger“, der es leider nicht ge- das RBB-Kulturradio an Arbeitstagen nach niert er dann eine „übertriebene Stückelung lingt, ihre ausgesprochen didaktische An- 12.00 Uhr im Programm hat. Das Bild, das der Musik. Auch beschränkt man sich zu sich dabei ergibt, entspricht dem, das man mutung zu überwinden: Da wird den schon sehr auf eingängige Werke, Kammermusik auch in Konzerten mit klassischer Musik Bekehrten gepredigt. Das Schlusswort ist und Gesang sind unterrepräsentiert.“ Als häufig zu sehen bekommt, wofür sich das – deshalb nicht zu vermeiden: Da ist von Ra- „unnötig“ empfindet der Hörer die häufige natürlich nur hinter vorgehaltener Hand dio Brandenburg noch anderes in Erinne- Nennung des Sendernamens („die Mehrheit ausgesprochene – Wort vom „Silbersee“ rung. der Zielgruppe kann sich das über diese eingebürgert hat. Kai Ludwig Zeitspanne merken“), bezeichnet den „pe- netranten Jingle“ als „lästig“ und den Claim („Hier spielt die Klassik“) als „albern“. Marktanteile in Berlin in Prozent

Mit dem Datenstand der Media-Analyse Altersgruppe Kulturradio DKultur DLF Klassik-R. Fritz Flux FM 2013/II beträgt der Marktanteil von Kultur- 14-19 Jahre 5,3 0,0 0,0 1,1 9,6 0,8 radio in Berlin 2,4 Prozent und in Branden- 20-29 Jahre 0,7 0,3 0,5 1,5 3,9 3,0 30-39 Jahre 0,3 0,2 2,0 5,8 7,4 3,4 burg 1,6 Prozent. Interessant ist dabei eine 40-49 Jahre 1,5 1,5 8,1 4,1 4,8 2,6 nähere Betrachtung nach Altersgruppen, 50-59 Jahre 2,4 2,4 3,1 5,9 1,8 1,4 auch im Vergleich zu den UKW-Program- über 59 Jahre 5,0 4,6 6,2 11,2 0,4 0,5 men des Deutschlandradios, zum kommer-

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