Polen- Analysen
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NR. 06 06.02.2007 POLEN- ANALYSEN www.polen-analysen.de FERNSEHEN UND RUNDFUNK IN POLEN ■ ANALYSE Fernsehen und Rundfunk in Polen. Marktentwicklung und politische Einbettung 2 Michał Maliszewski, Leipzig ■ TABELLEN UND GRAFIKEN Medienreichweite 8 Vertrauen in das Fernsehen 9 Programmstruktur des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks 10 Sind Journalisten gesellschaftlich engagiert und redlich? 11 Werbeeinnahmen 12 ■ DOKUMENTATION Ansprache des Staatspräsidenten Lech Kaczyński anlässlich der Berufung der neuen Vorsitzenden des Landesrundfunk- und Fernsehrats am 06. Februar 2006 13 ■ CHRONIK Vom 16. Januar bis zum 05. Februar 2007 14 Die Herausgeber danken der Marga und Kurt Möllgaard-Stiftung im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft für ihre Unterstützung. Forschungsstelle Deutsche Gesellschaft für Osteuropa Osteuropakunde e.V. POLEN- polen-analysen 06/07 ANALYSEN Analyse Fernsehen und Rundfunk in Polen Marktentwicklung und politische Einbettung Michał Maliszewski, Leipzig Zusammenfassung: Der Medienmarkt macht in Polen eine ähnliche Entwicklung durch, wie sie in anderen Ländern Europas zu beobachten ist: Öffentlich-rechtliches Fernsehen und Radio verlieren Hörer an Privatsender, kleinere An- stalten werden von der Konkurrenz geschluckt, internationale Medienkonzerne teilen den Markt unter sich auf. Dennoch hat in Polen das öffentlich-rechtliche Fernsehen bislang seine dominante Position verteidigen können. Dies macht es zu einem begehrten Instrument für die Politik zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Der Versuch, politische Kontrolle über die Medien auszuüben, hat sich unter der gegenwärtigen Regierung verschärft. Sie hat den Rundfunk- und Fernsehrat in ein gefügiges Organ umgewandelt und sich damit den personellen und programmatischen Zugriff auf die öffentlich-rechtlichen Medien gesichert. ehört das Fernsehen den Bürgern oder den Po- eine Regierung keine Macht über das Fernsehen hat, G litikern? An dieser Frage führt kein Weg vorbei, das seit jeher als superstrategische Institution gilt, so wenn man die Entwicklung der polnischen öffentlich- hat sie keine Chance. Und wenn der Ministerpräsident rechtlichen Medien wie der Medien überhaupt seit keine Gewalt über das Fernsehen hat und sich von ihm 1989 untersucht (Anm.d.Red.: Öffentlich-rechtlich auf dem Kopf herumtrampeln lässt, ist sein politisches ist nicht zu verwechseln mit dem Status der öffent- Ende nah.“ lich-rechtlichen Sendeanstalten in Deutschland: Das Gleiches hatten 2001 nach ihrem Sieg bei den öffentlich-rechtliche polnische Fernsehen und Radio Parlamentswahlen die Politiker der Demokratischen sind Aktiengesellschaften im alleinigen Besitz des Linksallianz (Sojusz Lewicy Demokratycznej – SLD) ver- Staates und unterliegen der Kontrolle des Landes- kündet. Im Übrigen hatte bereits die erste nichtkom- rundfunk- und Fernsehrats.). In der Volksrepublik munistische Regierung unter Tadeusz Mazowiecki stellte sich diese Frage gar nicht. Die Sache war klar sehr schnell erkannt, dass der Einfluss auf die Medien und ließ sich auf die knappe Formel bringen: „Das für den politischen Erfolg unverzichtbar ist. Fernsehen lügt“. Das Fernsehen gehörte „ihnen“, der Der Kampf um das Fernsehen, insbesondere um kommunistischen Staatsmacht, und nicht „uns“, den das öffentlich-rechtliche, hat hohe politische Priorität, Bürgern. Doch seit einiger Zeit gewinnt – so paradox weil nach wie vor etwa 50 Prozent aller polnischen es scheinen mag – diese im kommunistischen Polen Fernsehzuschauer regelmäßig die öffentlich-recht- populäre Losung, die das Verhältnis der Gesellschaft lichen Programme schauen. Neu an der Politik der zur offiziellen Propaganda umschrieb, erneut an -Ak gegenwärtigen Regierung ist, dass sie versucht, ihren tualität. Dabei ist die seit Herbst 2005 amtierende Einflussbereich auf die kommerziellen Medien aus- Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i zuweiten. Sprawiedliwość – PiS) in dem, was sie tut, keineswegs originell. Seit der demokratischen Wende von 1989 Die polnische Medienlandschaft hat es in Polen noch keine einzige Regierung gegeben, n Polen kann man zwischen 600 Fernseh- und die mit den Medien und vor allem mit dem Fernsehen IRadioprogrammen wählen. Sie werden terrestrisch, zufrieden gewesen wäre. Was die gegenwärtige Re- über Satellit, Kabel oder über das Telefonnetz über- gierung jedoch von all ihren Vorgängerinnen unter- tragen. Im polnischen Fernsehen sind 15 terrestrische scheidet, ist die Tatsache, dass die PiS es in kurzer Zeit Programme, 28 Satellitenprogramme und 199 Kabel- geschafft hat, einen praktisch unbegrenzten Einfluss programme empfangbar, im Radio 233 terrestrische auf die elektronischen Medien (und nicht nur auf die- und 4 Kabelprogramme. Mit über 600 Kabelanbie- se) zu gewinnen, u.a. indem sie die Aufsichtsräte und tern, die 4,5 Millionen Haushalte bedienen, ist Polen Vorstände der öffentlich-rechtlichen Medien unter nach Deutschland und Holland der drittgrößte Markt ihre Kontrolle gebracht hat. für Kabelfernsehen in der Europäischen Union. Dies ist im Grunde genommen nicht weiter er- Die Hauptakteure auf dem Markt der elek- staunlich, erklärte der gegenwärtige Ministerpräsident tronischen Medien sind das öffentlich-rechtliche Jarosław Kaczyński vor Jahren doch einmal: „Wenn Fernsehen Telewizja Polska (TVP), tvn, tvn24, Polsat 2 POLEN- polen-analysen 06/07 ANALYSEN und im Bereich des Radios das (öffentlich-rechtliche) landesweite Programme aus, TVP 1 und TVP 2. Polskie Radio sowie kommerzielle Radiosender wie Hinzu kommen das Regionalprogramm TVP 3 und Radio ZET und RMF FM. der Auslandssender TV Polonia. Zudem verfügt Der Durchschnittspole verbringt mehr als vier TVP über einen Satellitenkanal, den Kanal TVP Stunden täglich vor dem Fernseher. Am beliebtes- Kultura. Seit November 2006 ergänzt TVP Sport das ten ist dabei wie erwähnt das öffentlich-rechtliche Spektrum, für Anfang 2007 war zudem der Start des Fernsehen: Das Erste Programm von TVP hält einen Geschichtskanals TVP Historia geplant. Anteil von über 24 Prozent der Zuschauer, TVP 2 TVP 1 verfügt über ein allgemeines Sendeformat. erreicht rund 22 Prozent, Polsat etwa 16 Prozent und Eines seiner Zugpferde ist die Informationssendung tvn knapp 15 Prozent. Wiadomości (Nachrichten), die den alten regimetreuen Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern Dziennik Telewizyjny ersetzt hat. Zwar hält TVP schon ist in Polen derzeit eine Konzentration des lange nicht mehr das Monopol am Informationsmarkt, Medienmarktes zu beobachten, in deren Folge kapital- doch bringen es die Wiadomości immer noch auf ei- starke Medienkonzerne entstehen. Die Aufhebung der nen durchschnittlichen Zuschaueranteil von erstaun- Beschränkungen beim Erwerb und Besitz von Medien lichen 12,1 Prozent (September 2006), was 4,8 Mio. nach dem EU-Beitritt Polens hat die Voraussetzungen Zuschauern entspricht. dafür geschaffen. Besonders schnell schreitet die TVP 2 profiliert sich dagegen deutlich als Konzentration bei den Betreibern von Kabelnetzen Unterhaltungskanal. Hier finden die Polen belieb- und lokalen Radiosendern voran. Hierfür sind haupt- te Serien und Shows. Leider ist die Glanzzeit des sächlich ökonomische Faktoren verant wortlich: Beim Nachrichtenprogramms Panorama von TVP 2 vor- Kabel fernsehen wird das geschäftliche Engagement bei, das sich vorwiegend an ein gebildetes Publikum unterhalb einer bestimmten Abon nentenanzahl un- richtete, ähnlich wie die der ins Dritte Programm ver- rentabel; die Schwäche der lokalen Reklamemärkte legten Diskussionssendung 7 dni świat (7 Tage Welt), beschleu nigt wiederum den Zusammenschluss klei- einer politischen Runde von Journalisten, die sich mit nerer Radiosender zu überregionalen Netzen. Diese dem Presseclub der ARD vergleichen lässt. Entwicklung macht jedoch auch vor den großen Das Polnische Fernsehen TVP besitzt 16 regionale Rundfunk- und Fernsehanstalten nicht halt. Studios, die lokale Programme ausstrahlen. Sie sind jedoch kaum mit so profilierten regionalen Sendern Öffentlich-rechtliches Fernsehen wie etwa den deutschen Medienpotentaten Bayerischer n keinem anderen europäischen Land kommen die Rundfunk oder WDR vergleichbar. Gemeinsam pro- Iöffentlich-rechtlichen Medien auf einen so hohen duzieren sie das Programm TVP 3, umgangssprach- Zuschaueranteil wie in Polen. Die privaten Fernseh- lich Regionalna Trójka (das regionale Dritte) genannt. sender konnten TVP bislang nicht als Marktführer TV Polonia ist ein Programm für Auslandspolen. Die verdrängen. Damit unterscheidet sich die polnische Sendungen in polnischer Sprache sind mit englischen Entwicklung entscheidend von der in Tschechien, Untertiteln versehen und können in Deutschland über Ungarn und der Slowakei. Das Erfolgsgeheimnis des Kabel empfangen werden. öffentlich-rechtlichen Fernsehens liegt u.a. in seiner dualen Finanzierung: Zum einen fließen TVP Rund- Öffentlich-rechtlicher Rundfunk funk- und Fernsehgebühren zu, zum anderen lebt es och größerer Popularität als das Fernsehen erfreut von Einnahmen aus Werbung und Sponsoring. Dem Nsich in Polen das Radio. Nach einer im Mai 2002 stehen aber auch Herausforderungen gegenüber: Als durchgeführten Umfrage des Meinungsforschungs- Aktiengesellschaft hat TVP die Pflicht, Gewinne zu instituts Demoskop hören nahezu alle Polen, nämlich erwirtschaften. Als öffentlich-rechtliches Medium hat 99 Prozent, Radio, 69 Prozent sogar täglich, und von es einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen, das Infor- diesen gaben 43 Prozent an, mindestens drei Stunden mationsbedürfnis der Zuschauer zu bedienen und öf- pro Tag Radio zu hören. Am beliebtesten