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Der DerDer BendlerblockBendlerblock Inhalt

Geschichte und Gegenwart 7

Der Bendlerblock 11

Porträts zum Widerstand 24

Attentat auf Hitler – Donnerstag, 20. Juli 1944 30

Das Ehrenmal 37 Der Standort 42 Die Cella 45 Die Widmung und die Nennung der Toten 51

Literatur 52

Impressum 52

Der Innenbereich des Vestibüls mit Sicherheitsschleuse.

2 DER BENDLERBLOCK INHALT 3 Der Bendlerblock ist einer der wichtigsten Orte der jüngeren deutschen Geschichte in .

oben: Die historische Fassade des Bendlerblocks – gesehen vom Reichpietschufer. unten: Der Treppenaufgang in der Säulenhalle.

4 DER BENDLERBLOCK DER BENDLERBLOCK 5 Geschichte und Gegenwart

Bis in die Abendstunden des 20. Juli 1944 Auf Anregung von Angehörigen der versuchte Oberst im Generalstab Claus Widerstandskämpfer wurde am 20. Juli Schenk Graf von Stauffenberg mit 1953 mit der Enthüllung eines Ehren ­ wenigen Vertrauten vergeblich, von hier mals im Innenhof des Bendlerblocks aus den Sturz des NS ­Unrechtregimes eine für Deutschland bedeutsame Stelle herbeizuführen. Noch in derselben Nacht der Erinnerung und des Gedenkens wurden er und seine engsten Vertrauten geschaffen. im Innenhof des Bendlerblocks durch ein Erschießungskommando hingerichtet.

Stauffenbergs Arbeitszimmer

6 DER BENDLERBLOCK GESCHICHTE UND GEGENWART 7 Nach der Entscheidung für Berlin als Der Berliner Dienstsitz des Verteidigungs­ Regierungssitz wählte der damalige ministeriums mit rund 9001 Mitarbeite­ Bundesminister der Verteidigung den rinnen und Mitarbeitern stellt die notwen­ Bendlerblock ganz bewusst als zweiten dige Nähe von Minister, Staatssekretären, Dienstsitz. Damit wurde deutlich unter­ Generalinspekteur der und strichen, dass die Bundeswehr die Tradition den ministeriellen Abteilungen zu den des militärischen Widerstands gegen das politischen Entscheidungsgremien in der NS­Regime aufnimmt. In der Verteidigung Hauptstadt sicher. rechtsstaatlicher Grundsätze und im Ein­ treten für die Würde des Menschen sieht 1 Stand: März 2017 die Bundeswehr ihre vornehmste Aufgabe. Dies verbindet sie mit den Frauen und Männern des 20. Juli 1944.

Blick in den Stauffenbergsaal mit Bronzebüste und dem Schmetterlings­Fries „Rotes Ordensband“. Die insgesamt acht Einzelmotive stammen von der Künstlerin Renate Anger.

8 DER BENDLERBLOCK GESCHICHTE UND GEGENWART 9 Der Bendlerblock

Der historische Gebäudekomplex „Bendler­ Das Hauptgebäude am Landwehrkanal block“ liegt zwischen und Land­ war als Dienstsitz dem Staatssekretär des wehrkanal. Obwohl der Name Bendlerblock Reichsmarineamtes vorbehalten, bis 1916 nie offiziell eingeführt wurde, ist er doch Großadmiral . Im rechten weit über die Grenzen hinaus ver­ Teil lag der Admiralstab der Kaiserlichen traut. Marine. Hier wurde während des Ersten Weltkriegs die Seekriegführung des Kaiser­ Die Geschichte der Liegenschaft reicht reichs geplant. Der Ostflügel war vom zurück bis in die Zeit unmittelbar vor dem Marinekabinett, dem persönlichen Sekreta­ Ersten Weltkrieg. Der Ratsmaurermeister riat des Kaisers in Marineangelegenheiten, Johann Christoph Bendler (1789–1873) belegt. Im zweiten Stock befanden sich die hatte das Areal erschlossen und davon Dienstwohnungen des Marinestaatssekre­ der Stadt Berlin ein größeres Baugelände tärs und Marinekabinettchefs. überlassen. Ihm zu Ehren wurde die Verbindungsstraße benannt, die vom Nach Ende des Ersten Weltkriegs suchte Landwehrkanal aus in Richtung Tiergarten die Reichswehrführung im Bendlerblock führt und heute Stauffenbergstraße heißt. ihre Rolle in der ersten parlamentarischen Demokratie auf deutschem Boden. Nachdem auch die Kaiserliche Marine an dieser Stelle Grundstücke erworben hatte, entstand zwischen 1911 und 1914 ein großräumiger Gebäudekomplex. Dort fasste das Reichsmarineamt seine über die Innenstadt verteilten Dienststellen zusammen. Das fünfgeschossige Gebäude mit mehreren Innenhöfen bot Platz für 900 Mitarbeiter.

Gebäudeansicht vom Antreteplatz.

10 D E R B E N D L E R B L O C K D E R B E N D L E R B L O C K 11 Die Bestimmungen des Versailler Friedens­ Im März 1920 putschten reaktionäre vertrages von 1919 führten zu einer auf den Straßen von Berlin. drastischen Verringerung der deutschen Der Chef des Truppenamtes (Tarnbezeich­ Streitkräfte. Die ebenfalls verkleinerten nung für den Generalstab, der nach den obersten Kommandobehörden des Heeres Versailler Vertragsbestimmungen verboten und der Marine – Luftstreitkräfte waren war), Generalmajor , ganz verboten worden – fanden nunmehr wurde gefragt, ob das Militär den Aufstand ihren Platz im Bendlerblock. Das Reichs­ niederschlagen könne. Im Dienstzimmer wehrministerium unter dem ersten des Ministers im Bendlerblock soll er Wehrminister der Republik, geantwortet haben: „Truppe schießt (1868–1946), sowie die Heeresleitung nicht auf Truppe.“ Im Klartext: Die der unter General Walter demokratische Reichsregierung konnte Reinhardt bezogen die Dienstwohnungen nicht auf den Schutz der Reichswehr in den ehemaligen kaiserlichen Marine­ zählen; sie musste vor den Aufrührern behörden. fliehen und vorübergehend nach ausweichen. Bis 1926 bewohnte von Seeckt als Chef der Heeresleitung den Ostflügel des Bendlerblocks.

links: Die Säulenhalle des Bendlerblocks. Folgeseiten: Der „Rote Teppich“ in der Säulenhalle zeigt eine Luftbildaufnahme Berlins in der Nachkriegszeit; dargestellt ist insbesondere der Stadtteil Tiergarten mit dem teilweise zerstörten Bendlerblock. (Künstler: Via Lewandowsky)

12 DER BENDLERBLOCK DER BENDLERBLOCK 13 14 DER BENDLERBLOCK DER BENDLERBLOCK 15 Im Januar 1933 diskutierte die Reichswehr­ Zur Frage, wie die „politische Macht“ in führung in den Räumen des Bendlerblocks Zukunft genutzt werden sollte, nannte ihre Haltung zu einer Kanzlerschaft Hitlers. Hitler die „Eroberung neuen Lebensraums Gerade mit Duldung der hohen Militärs im Osten und dessen rücksichtslose ernannte Reichspräsident Hindenburg Germanisierung“.1 Hitler wenige Tage später zum Regierungs­ chef. Knapp eineinhalb Jahre später, am 30. Juni 1934, ließ Hitler – unter dem Vorwand eines Am 3. Februar 1933 erklärte der „Führer“ angeblichen Putschs der SA – zahlreiche der versammelten Generalität der Reichs­ politische Gegner ermorden. Unter ihnen wehr seine Absichten. Mit bemerkens­ befanden sich auch zwei frühere Generale werter Deutlichkeit beschrieb er die Ziele der Reichswehr (Kurt von Schleicher und seiner Politik. Er sprach von „Ausrottung ). Die Reichswehr des Marxismus mit Stumpf und Stiel“, nahm deren Liquidierung hin. „straffste[r] autoritäre[r] Staatsführung und Beseitigung des Krebsschadens der Ausschlaggebendes Zeugnis für den Demokratie“ sowie dem „Kampf gegen Zustand der Verhältnisse legte zudem ein Versailles“. anderer Spitzenmilitär ab: Der Chef der Heeresleitung und spätere Oberbefehls­ haber des Heeres, General , verschanzte sich, von Soldaten geschützt, in seiner Dienstwohnung im Bendlerblock...

1 „Erste Besprechung Hitlers ... am 3.2.1933 (bei Hammerstein)” in: H.­A. Jacobsen,1939 –1945. Der Zweite Weltkrieg in Chronik und Dokumenten. Blick in das Gästekasino des BMVg. Darmstadt 1959; hier S. 81f.

16 DER BENDLERBLOCK DER BENDLERBLOCK 17 oben: Historisches Treppenhaus. unten: Treppenflur zu den Arbeitsräumen.

Moderner Treppenaufgang.

18 DER BENDLERBLOCK D E R B E N D L E R B L O C K 19 Bis 1938 entstanden auf den inzwischen Hitler einen fatalen außenpolitischen erworbenen Nachbargrundstücken zusätz­ Erfolg und machte zugleich den Umsturz­ liche Neubauten. Nach der Erweiterung versuch zunichte. beherbergte der Bendlerblock schließlich außer dem Oberbefehlshaber des Heeres Bis zu ihrer Entmachtung durch die Gesta­ nunmehr Teile der im po 1943 blieb „die “ eine Keimzelle Oberkommando der sowie des Widerstands. den größten Teil des Amtes Ausland/Ab­ wehr im Oberkommando der Kurz nach Kriegsbeginn zogen in den unter Admiral . Hauptteil des neuen Ostflügels der Befehls­ haber des Ersatzheeres und das Allgemeine „Die Abwehr“, der Auslandsgeheimdienst Heeresamt unter General der Infanterie des „Dritten Reiches“, entwickelte sich ein. Ab Oktober 1943 zu einer ersten militärischen Widerstands­ wirkte hier (später Oberst) zelle. Oberstleutnant und eine i.G. Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Im Gruppe von Mitverschwörern planten 1938 zweiten Stock des Bendlerblocks entstan­ den militärischen Umsturz. Sie wollten den die Pläne, mittels „Operation Walküre“ Hitler an einem aggressiven Vorgehen im gesamten Reichsgebiet den militärischen gegen die Tschechoslowakei hindern, Umsturz durchzuführen. weil sie den Ausbruch eines europäischen Krieges befürchteten. Nach ihrer festen Am 20. Juli 1944 schlug der Staatsstreich­ Überzeugung hätte Deutschland diesen versuch fehl. Die Stelle, an der Stauffenberg Krieg nicht gewinnen können. und seine Mitstreiter, General Friedrich Olbricht, Oberst Albrecht Ritter Mertz von Die Zustimmung der europäischen Mächte Quirnheim und Oberleutnant der Reserve zur Besetzung großer Teile der Tschechoslo­ , noch in der Nacht wakei durch deutsche Truppen bescherte hingerichtet wurden, befindet sich im heutigen Ehrenhof. Eine Gedenktafel erinnert an diese vier tapferen Männer. Kränze im Ehrenhof der „Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ anlässlich der jährlich wiederkehrenden „Feierlichkeiten zum 20. Juli 1944“.

20 D E R B E N D L E R B L O C K D E R B E N D L E R B L O C K 21 In den letzten Tagen des Krieges diente Hier im ehemaligen Oberkommando der Bendlerblock schließlich dem Kampf­ des Heeres organisierten Deutsche den kommandanten von Berlin, General Versuch, am 20. Juli 1944 die national­ , als Gefechtsstand. Am sozialistische Unrechtsherrschaft zu 2. Mai 1945 wurde der Gebäudekomplex stürzen. Dafür opferten sie ihr Leben. von sowjetischen Truppen besetzt.

Nach Kriegsende wurde der Bendlerblock Am 20. Juli 1968 – also 24 Jahre nach von zahlreichen Dienststellen und Bundes­ dem gescheiterten Attentat – wurde im behörden zivil genutzt. Früh wurde er Bendlerblock eine erste Gedenk­ und auch zum Mahnmal für die jüngere deut­ Bildungsstätte eingerichtet. sche Geschichte. Am 20. Juli 1952 legte die Witwe Friedrich Olbrichts im Namen der Die Ergebnisse zeitgeschichtlicher Widerstandskämpfer und ihrer Familien Forschung bedingten Erweiterungen den Grundstein für ein Ehrenmal im Innen­ der Ausstellung, um die ganze Breite hof. Ein Jahr später wurde es von Ernst und Vielfalt des deutschen Widerstands Reuter, dem Regierenden Bürgermeister gegen Hitler und das NS­Regime zu von Berlin, feierlich enthüllt. Am 20. Juli dokumentieren. 1955 erfolgte konsequent die Umbenen­ nung der Bendlerstraße in Stauffenberg­ So entstand in den historischen Räumen straße. 1980 erfuhr der Ehrenhof eine bis 1989, in denen der Umsturz geplant Umgestaltung – seitdem trägt die Wand und ausgeführt worden war, die „Gedenk­ des Zugangs die Inschrift: stätte Deutscher Widerstand“ zusammen mit der ständigen Ausstellung „Widerstand gegen den Nationalsozialismus“.

Soldaten des Wachbataillons BMVg als Ehrenposten vor der Gedenktafel für die Opfer des 20. Julis 1944.

22 D E R B E N D L E R B L O C K D E R B E N D L E R B L O C K 23 Porträts zum Widerstand

Ludwig Beck Werner von Haeften 29. Juni 1880 – 20. Juli 1944 9. Oktober 1908 – 21. Juli 1944

Ludwig Beck Werner von Haeften

entstammte einer traditionsreichen Beck, seit 1935 Generalstabschef des Beck ließ sich von den außenpolitischen entstammte einer Soldatenfamilie. Nach Akademiker­, Beamten­ und Offizier­ Heeres, sah allerdings seine Rolle in und frühen militärischen „Erfolgen“ dem Jurastudium war Haeften in Berlin Familie aus Hessen­Darmstadt. Nach herkömmlich­professioneller Weise: Hitlers absolut nicht blenden. Ihm war als Syndikus tätig. Dann kam er als Infan­ seinem Eintritt in ein Artillerieregiment vollkommen eigenständig beratend, der vollauf bewusst, dass der im September teriezugführer zum Einsatz; im Winter (1898) qualifizierte er sich für den General­ politischen Führung als Fachmann zur 1939 mit dem Überfall auf Polen ent­ 1942 wurde er in Russland schwer ver­ stabsdienst (1908–1911) und wurde nach Seite zu stehen. fesselte Krieg die völlige Vernichtung wundet. dem Ersten Weltkrieg in die Reichswehr Deutschlands bedeutete. Nicht minder übernommen. Dort durchlief er verschie­ Doch damit stand er im Gegensatz zu war er sich völlig darüber im Klaren, Nach der Genesung diente er als Adjutant dene Truppen­ und Stabsverwendungen. Hitler und zu den Offizieren, die sich früh dass die NS­Herrschaft samt ihrer Ver­ im Stabe Stauffenbergs. Haeften war im Sinne Hitlers als willfährige Gefolgs­ brechen das innere Gefüge Deutschlands mit Stauffenberg befreundet, gehörte Den Nationalsozialismus lernte Beck leute instrumentalisieren ließen. zerstörte. zum Kreis der Eingeweihten und war am bereits vor 1933 als Kommandeur näher 20. Juli 1944 mittags an dem Sprengstoff­ kennen, als damit sympathisierende Beck wies konstant mit Denkschriften, Seit dem Winter 1939 wirkte Beck als der attentat auf Hitler beteiligt. Offiziere seines Regiments wegen Hoch­ Vorträgen und Studien auf das große eigentliche Mittelpunkt des Widerstands. verrats angeklagt waren (1930). Obschon Kriegsrisiko hin und zeigte zugleich die Dank seiner souveränen geistigen Haltung In der Nacht vom 20. auf den 21. Juli 1944 er deren Verhaltensweise verurteilte, dramatischen Folgen auf, die Deutsch­ führte er dessen unterschiedlichste wurde Oberleutnant der Reserve von brachte er doch der Einstellung der land drohten. Vergebens suchte er Strömungen zusammen. Für den Fall des Haeften im Hof des Bendlerblocks Angeklagten viel Verständnis entgegen. Unterstützung unter den Befehlshabern Gelingens des Staatsstreichs war Beck als erschossen. Er sah im Nationalsozialismus die des Heeres. Beck zog daraufhin die Staatsoberhaupt vorgesehen. Möglichkeit, von den Bestimmungen des Konsequenzen und trat 1938 zurück, Versailler Vertrags loszukommen. um Hitlers zum Krieg treibende Politik In den späten Abendstunden des gegen die Tschechoslowakei nicht mit 20. Juli 1944 wurde Beck Die Mordaktion Hitlers gegen die SA verantworten zu müssen. zur Selbsttötung gezwungen und im Sommer 1934 sorgte dann für einen nachdem diese misslang, unmittelbar tiefgreifenden Sinneswandel. In den darauf erschossen. folgenden Jahren wurde Beck sich über die Außenpolitik des „Führers“ endgültig klar.

24 D E R B E N D L E R B L O C K P O R T R ÄT S Z U M W I D E R S T A N D 25 Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim Friedrich Olbricht 26. März 1905 – 21. Juli 1944 4. Oktober 1888 – 21. Juli 1944

Albrecht Ritter Friedrich Olbricht Mertz von Quirnheim entstammte dem bayerisch­pfälzischen Trotz der Gewissheit, dass Hitler das entstammte einer Lehrerfamilie und wur­ Alle von den Verschwörern geplanten Reichsadel. Nach dem Abitur trat er in die Attentat überlebt hatte, gab er in der de 1907 . Seit dem Ersten Weltkrieg weiteren Schritte – die Beseitigung Reichswehr ein (1923). Zeitweilig verfolgte Nacht des 20. Juli 1944 unbeirrt bis in verschiedenen Stäben eingesetzt und Hitlers, die Übernahme der militärischen er sogar die Absicht, in die SA überzutre­ zuletzt Befehle zur Durchführung des bis 1938 in hohen Kommandos verwen­ Befehlsgewalt und dann der Regierungs­ ten. Mertz war mit Stauffenberg seit ihrer Staatsstreichs. det, war Olbricht zunächst Divisionskom­ verantwortung – wurden nunmehr damit gemeinsamen Ausbildungszeit an der mandeur, seit 1940 Chef des Allgemeinen getarnt. Berliner Kriegsakademie eng befreundet. Kurz darauf wurde Oberst im Generalstab Heeresamtes im Oberkommando des Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim im Heeres in Berlin. In den alarmierten Verbänden sollte der Im Winter 1941 wurde Mertz nach ver­ Hof des Bendlerblocks erschossen. Eindruck entstehen, dass mit Hitlers Tod schiedenen Truppenkommandos und Schon früh hatte Olbricht Kontakte zu hohe, illoyale NS­Funktionäre staats­ Stabsverwendungen in das Führerhaupt­ verschiedenen Persönlichkeiten des streichartig ihre Macht sichern wollten quartier bei Winniza (Ukraine) versetzt, Widerstands aufgenommen. Seit Kriegs­ und dass dies mit allen Mitteln durch die wo er mit Stauffenberg eng zusammen­ beginn gehörte er zu den treibenden Wehrmacht zu verhindern sei. arbeitete und in massive ethische Kon­ Kräften innerhalb der deutschen Militär­ frontation mit der NS­Besatzungspolitik opposition. Die von Olbricht akribisch vorbereiteten geriet. Maßnahmen liefen jedoch am 20. Juli 1944 Die Idee, den Alarmplan „Walküre“ als nur schleppend an, weil bereits früh im Im Juni 1944 trat Mertz von Quirnheim Instrument des „Staatsstreichs auf dem Bendlerblock die Nachricht eingetroffen Stauffenbergs Nachfolge als Chef des Befehlsweg“ ganz bewusst zu nutzen, ging war, dass Hitler den Anschlag überlebt Stabes unter Olbricht an. Er bereitete die auf ihn zurück. Denn für den Fall innerer habe. Befehle mit vor, die nach dem Attentat Unruhen war ohnedies eine schnelle auf Hitler erteilt werden sollten („Opera­ Alarmierung verfügbarer Truppen im In den Nachtstunden wurde General der tion Walküre“). Heimatgebiet grundsätzlich vorgesehen. Infanterie Friedrich Olbricht im Hof des Bendlerblocks auf Befehl des Befehls­ habers des Ersatzheeres, Generaloberst , erschossen.

26 DER BENDLERBLOCK PORTRÄTS ZUM WIDERSTAND 27 Claus Schenk Graf von Stauffenberg 15. November 1907 – 21. Juli 1944

Claus Schenk Graf von Stauffenberg entstammte einem alten schwäbischen Stauffenberg hatte anfänglich die außen­ Zusammen mit General Olbricht, Oberst In hektischer Aktivität musste er versu­ Adelsgeschlecht. Mütterlicherseits war politischen Zielvorstellungen der NS­ von Tresckow und einem engen, sorgfältig chen, die Wehrmachtsdienststellen im er ein Nachkomme Gneisenaus. 1926 trat Regierung durchaus begrüßt. Schon bald ausgewählten Kreis von Mitverschwörern Reich zu überzeugen, dass jetzt die Zeit er als Offizieranwärter in das als vornehm aber regte sich in dem sensiblen Offizier ging Stauffenberg daran, die in seiner zum Handeln sei. Mit fortschreitendem geltende Reiterregiment 17 („Bamberger Abscheu vor den pöbelhaften Gewaltme­ Verantwortung stehenden Planungen für Abend wurde das Scheitern des Staats­ Reiter“) ein. thoden der neuen Machthaber. militärische Maßnahmen im Fall innerer streichs offensichtlich. Unruhen (Unternehmen „Walküre“) in 1936 wurde Stauffenberg für die Ausbil­ Spätestens 1942 hatte Stauffenberg einen generalstabsmäßig ausgearbeiteten Stauffenberg wurde mit seinen drei dung zum Generalstabsoffizier ausgewählt erkannt, dass der Krieg zum Untergang Staatsstreichplan umzufunktionieren. engsten Mitverschwörern im Innenhof und an die Kriegsakademie nach Berlin Deutschlands führen musste und dass Zugleich aber war Stauffenberg der ein­ des Bendlerblocks standrechtlich versetzt. Der gut aussehende Kavallerie­ sein bisheriges Tun schwerste Verbrechen zige der Verschwörer, der überhaupt noch erschossen. offizier galt als brillanter Geist, der über­ deckte, die das NS­Unrechtsregime im Zugang zu Hitler hatte. dies auch Menschen zu faszinieren wusste. deutschen Namen beging; Stauffenberg in Sein Denken war stark geprägt durch den eigenen Worten: „Die erschießen massen­ So kam es am 20. Juli 1944, dem Tag des Dichter und wirkungsmächtigen Intellek­ haft Juden. Die Verbrechen dürfen nicht Staatsstreichversuchs, darauf an, dass tuellen Stefan George (1868–1933), zu weitergehen.“ Stauffenberg im Führerhauptquartier in dessen Freundeskreis er zählte. Ostpreußen nicht nur die Bombe zündete, Dienstlich war er seit Oktober 1943 mit sondern dass er auch lebend nach Berlin Im Frühjahr 1943 wurde Stauffenberg bei dem Personalersatzwesen der Wehrmacht zurückkam, um – ab etwa 16 Uhr – den einem Fliegerangriff in Nordafrika schwer befasst. Täglich standen ihm die stetig Umsturz vom Bendlerblock aus zu führen. verwundet. Er verlor das linke Auge, die steigenden Verlustzahlen vor Augen; rechte Hand und zwei Finger der linken. Stauffenberg hielt eine Fortführung des Trotzdem wurde er in herausragenden Krieges jetzt erst recht für ein Verbrechen Stellungen weiter verwendet. Im Sommer am deutschen Volk. Dieser Krieg musste 1944 wurde er – mit 36 Jahren – Oberst um jeden Preis beendet werden, aber i.G. und Chef des Stabes beim Befehls­ solange Hitler an der Macht und am Leben haber des Ersatzheeres im Bendlerblock. war, schien ein Kriegsende ausgeschlossen.

28 DER BENDLERBLOCK PORTRÄTS ZUM WIDERSTAND 29 12.37 Uhr Lagevortrag durch Heusinger (Chef der Operationsabteilung des Generalstabs des Heeres). Stauffenberg wird Hitler gemeldet, weil er zum Thema Attentat auf Hitler – Donnerstag, 20. Juli 1944 „Einsatz von Sperrdivisionen“ berichten soll. Die im Folgenden dargestellten Ereignisse in Berlin und Rastenburg (Ostpreußen), wo sich Hitlers Stauffenberg stellt die Tasche in der Nähe Hitlers am Hauptquartier („Wolfsschanze“) befand, sind der Übersicht der Einzelaktionen und militärischen Kartentisch ab; anwesend sind noch weitere 24 Personen. Maßnahmen in der Zeit vom 20. bis 21. Juli 1944 im Katalog zur Wanderausstellung des Militär- – Unter dem Vorwand, telefonieren zu müssen, verlässt geschichtlichen Forschungsamtes entnommen (siehe dazu auch Literaturhinweis auf der Seite 52). Stauffenberg den Raum.

12.42 Uhr Die Sprengladung detoniert, vier Personen werden tödlich Berlin Stauffenberg fährt von der Wohnung seines Bruders verletzt, Hitler überlebt mit leichteren Verletzungen. 6.00 Uhr Berthold Berlin-Wannsee, Tristanstr. 8, zum Flughafen Stauffenberg beobachtet die Explosion aus 200 Metern Rangsdorf. Entfernung.

12.43 Uhr Sperrkreis I wird geschlossen. Rangsdorf Gegen 7.00 Uhr trifft Stauffenberg seinen Adjutanten 7.00 Uhr von Haeften, mit dem er nach Rastenburg fliegt. 12.44 Uhr Stauffenberg und Haeften passieren die Wache des Sperrkreises I, sie dürfen passieren; der wachhabende Offizier hat keinen Verdacht. Rastenburg Landung und Weiterfahrt zum Führerhauptquartier, 10.15 Uhr Passieren der westlichen Wache; anschließend Frühstück. 12.45 Uhr Alarm wird für die beiden Sperrkreise ausgelöst. Stauffenberg wird aufgehalten, nach telefonischer 11.30 Uhr Stauffenberg meldet sich bei Rücksprache darf er an der zweiten Wache passieren. Keitel (Chef Oberkommando der Wehrmacht); 11.30 – 12.00 Uhr: Wachablösung in den einzelnen 13.00 Uhr Gegen 13 Uhr wird über das Hauptquartier eine Nachrich- Sperrkreisen. tensperre verhängt, nicht jedoch über die Leitungen der SS; Goebbels erfährt kurz danach von dem Ereignis ohne nähere Angaben. Berlin Generalleutnant von Hase (Stadtkommandant) wird über 12.00 Uhr das geplante Attentat informiert. 13.15 Uhr Stauffenberg und Haeften fliegen nach Berlin. Dem Chef der Wehrmachtnachrichtenverbindungen (in Berlin) wird gemeldet, dass das Attentat fehlgeschlagen und Hitler Rastenburg Haeften hilft Stauffenberg bei den Vorbereitungen für nur leicht verletzt worden ist. 12.30 Uhr das Attentat. Sie werden gestört, doch gelingt es ihnen, die Vorbereitungen zu Ende zu führen. – Stauffenberg geht zum Lagevortrag, er trägt die Tasche mit der Rastenburg Himmler (Reichsführer SS) trifft am Tatort ein; der scharfgemachten 1-kg-Sprengladung. 13.45 Uhr Verdacht richtet sich zunächst gegen Arbeiter, die im Hauptquartier beschäftigt sind. Himmler fordert Krimi- nalisten aus Berlin an, der Verdacht fällt jetzt auf Stauffenberg. Himmler ordnet dessen Festnahme nach der Landung in Rangsdorf an.

30ERBENDLERBLOCKD ATTENTAT AUF HITLER – DONNERSTAG, 20. JULI 1944 31 Rangsdorf Stauffenberg und Haeften landen auf dem Flieger- 16.30 und Stauffenberg und Haeften treffen im Bendlerblock ein. 14.45 bis horst bei Berlin, Haeften gibt telefonisch die 17.00 Uhr Stauffenberg meldet sich bei Fromm, bekennt sich zum 15.15 Uhr Nachricht vom Tod Hitlers an die Verschwörergruppe Attentat und berichtet von Hitlers Tod. Olbricht meldet im Bendlerblock durch. Fromm, dass er „Walküre“ ausgelöst hat. Fromm verweigert jede Unterstützung und wird festgenommen. Beck ordnet an, so zu handeln, als ob Hitler tot sei. Berlin Generalleutnant Thiele (Chef Wehrmachtnachrich- 15.15 Uhr tenverbindungen) überbringt die telefonische Nach- 16.45 Uhr Remer kehrt mit dem Auftrag zur Truppe zurück, das richt (von 13.15 Uhr), wonach bei der Explosion Regierungsviertel abzuriegeln. im „Führerhauptquartier“ mehrere Personen getötet worden sind. – Generaloberst Hoepner und General Olbricht warten mit der Auslösung des Alarmplans Rastenburg Himmler beauftragt das Reichssicherheitshauptamt in „Walküre“ ab, weil sie Gewissheit haben wollen. 17.00 Uhr Berlin, Stauffenberg unauffällig festzunehmen; ständige Anfragen durch Befehlshaber im Hauptquartier, ob Hitler 15.50 bis Olbricht gibt Stichwort „Deutschland“ durch und wirklich tot sei. Keitel versucht Fromm oder Olbricht 16.00 Uhr löst damit „Walküre“ aus; er meldet Generaloberst telefonisch zu erreichen. – Ab 17 Uhr wird im Rundfunk Fromm (Befehlshaber Ersatzheer), der „Führer“ das Attentat gemeldet und die Nachricht verbreitet, sei tot, „Walküre“müsse ausgelöst werden. Fromm dass Hitler leicht verletzt ist (diese Meldungen werden ruft Keitel an, der das Ereignis bestätigt und bis 22.00 Uhr verbreitet). mitteilt, dass Hitler leicht verletzt ist.

Berlin Remer erteilt den Offizieren seines Bataillons die Rastenburg Alle Wehrkreiskommandos werden vom Scheitern des 17.00 bis befohlenen Aufträge. Ein Offizier, der Verdacht geschöpft 16.00 Uhr Attentats unterrichtet, außerdem werden Gegen- 17.30 Uhr hat, bittet darum, sich bei Goebbels persönlich zu befehle erteilt. informieren. Goebbels erfährt so von „Walküre“ und alarmiert seinerseits einen SS-Ausbildungsverband (in Berlin-Lichterfelde). Remer wird über die wahre Lage Berlin Das „Großdeutschland“ wird alarmiert informiert. 16.10 Uhr („Walküre“), der Kommandeur, Major Remer, fährt daraufhin zum Stadtkommandanten, um sich einweisen 17.50 Uhr Röhrig kommen erste Bedenken, als er einen Fernschreib- zu lassen; inzwischen laufen weitere Alarmmaßnah- text verbreiten soll, wonach „die vollziehende Kraft in men bis 17.30 Uhr an. den Wehrkreisen den Kommandierenden Generalen und den Wehrkreisbefehlshabern“ übertragen wird. 16.20 Uhr Fromm befiehlt, „Walküre“ nicht einzuleiten; Graf von Helldorf (Polizeipräsident) wird zum Bendler- 18.00 Uhr Röhrig erhält einen weiteren Text, der die Anweisung der block befohlen. Inzwischen treffen zwei weitere Mit- zweiten Stufe des Alarmplans „Walküre“ enthält; der Text glieder des Widerstandskreises ein, unter anderem wird bis 23 Uhr gesendet. der ehemalige Chef des Generalstabs, Generaloberst Beck. 18.30 Uhr Das Regierungsviertel ist wegen „Walküre“ abgeriegelt.

16.30 Uhr Der Leiter des Nachrichtendienstes im Oberkommando der Wehrmacht, Leutnant Röhrig, wird per Fern- schreiben informiert: „Der Führer ist tot ...“; in geänderter Fassung wird es an 20 Adressen weitergegeben (17.35–21.03 Uhr).

32 DERBENDLERBLOCK ATTENTAT AUF HITLER – DONNERSTAG, 20. JULI 1944 33 Berlin Röhrig erhält das Fernschreiben, worin die Ernennung Rastenburg Allen Wehrkreisbefehlshabern wird befohlen, nur den 18.45 Uhr Hoepners zum Befehlshaber des Ersatzheeres und zum 20.20 Uhr Befehlen Himmlers zu folgen, der neuer Befehlshaber des Oberbefehlshaber des Heimatkampfgebietes erklärt wird; Ersatzheeres ist. der Text wird zwischen 20.20 und 21.15 Uhr teilweise gesendet. – Inzwischen meldet sich Oberst Jäger beim Stadtkommandanten mit dem Auftrag, Goebbels festzuneh- Berlin Die Nachrichtenzentrale in der Bendlerstraße nimmt das men. – Bis 19 Uhr beziehen Soldaten der Feuerwerker- 20.35 Uhr Fernschreiben Keitels auf, in dem mitgeteilt wird, dass und Waffenmeisterschule Alarmstellungen (Schloss, Himmler zum Befehlshaber des Ersatzheeres ernannt worden Zeughaus). ist. General Olbricht untersagt die Weitergabe.

19.00 Uhr Remer meldet sich bei Goebbels und empfängt telefonisch Hitlers Befehl, sofort den Aufstand niederzuschlagen. Rastenburg Generalleutnant von Hase begibt sich auf Befehl von – Inzwischen versucht Beck telefonisch die Befehlshaber 21.15 Uhr General Reinecke zu Goebbels in dessen Dienstwohnung, an der West- und Ostfront für die Aufstandsmaßnahmen wo er zunächst festgehalten, am folgenden Morgen dann zu gewinnen, vor allem die Rücknahme der Heeresgruppe verhaftet wird. Nord zu erwirken. Erneute telefonische Bestätigung durch (Organisationsabteilung), 22.30 bis Im Bendlerblock unternehmen Offiziere, die nicht in das dass das Attentat missglückt ist. Stauffenberg erklärt 22.50 Uhr Attentat eingeweiht wurden, einen bewaffneten Gegenstoß. in den pausenlosen Telefonanrufen, Hitler sei tot, das Er endet mit der Befreiung Fromms, der Olbricht, Heer habe die vollziehende Gewalt übernommen! Stauffenberg, Mertz von Quirnheim und Haeften verhaften lässt und ein standgerichtliches Urteil verkündet. 19.15 Uhr Röhrig erhält den Fernschreibtext: „Rundfunkcommuniqué trifft nicht zu. Führer ist tot.“ Der Text wird von 23.15 Uhr Eine Kompanie des Wachbataillons „Großdeutschland“ 19.45 bis 20.12 Uhr gesendet. besetzt den Bendlerblock.

19.30 Uhr Generalfeldmarschall von Witzleben, der designierte Zwischen Beck versucht vergeblich, sich zu töten, und wird dann neue „Oberbefehlshaber der Wehrmacht“, trifft im 23.15 und von einem herbeibefohlenen Feldwebel erschossen. Bendlerblock ein. Es folgt eine Aussprache unter vier 23.45 Uhr Augen mit Beck. 0.10 bis Fromm sendet an alle Wehrkreiskommandos ein Fern- 19.45 Uhr Röhrig meldet seinem Vorgesetzten, Oberst Köllner, 0.21 Uhr schreiben: „Putschversuch blutig niedergeschlagen.“ Bedenken sowie die bereits veranlassten Verzögerungen der Fernschreibstelle. Berlin Ein Erschießungskommando, zehn Unteroffiziere unter 20.00 Uhr Am Fehrbelliner Platz (Berlin-Wilmersdorf) trifft 0.15 bis Führung von Leutnant Schady, exekutieren Haeften, ein Panzerverband ein, der zur Niederschlagung des 0.30 Uhr Olbricht, Merz von Quirnheim und Stauffenberg, der Aufstands eingesetzt werden soll. mit dem Ruf stirbt: „Es lebe das heilige Deutschland!“

20.15 Uhr Witzleben hält die Aufstandsbewegung für gescheitert, Kurz vor Rundfunkansprache Hitlers. er verlässt den Bendlerblock. 1.00 Uhr:

20.20 bis Weitere Fernschreiben zu „Walküre“, die Standrechts- 21.02 Uhr verordnungen 1 bis 5, werden nicht mehr gesendet.

34 DERBENDLERBLOCK ATTENTAT AUF HITLER – DONNERSTAG, 20. JULI 1944 35 Das Ehrenmal

Das Ehrenmal ist ein wichtiger Markstein in der Geschichte der Bundeswehr. Erst­ mals gibt es einen zentralen Ort, an dem der militärischen und zivilen Angehörigen der Bundeswehr gedacht wird, die in Folge der Ausübung ihrer Dienstpflichten für die Bundesrepublik Deutschland ihr Leben verloren haben.

Erkennungsmarke: Mit Eintritt zur Ableistung des Wehrdienstes erhält jede Soldatin/jeder Soldat eine Erkennungsmarke. Sie dient zur schnellen und sicheren Identifizierung.

36 DER BENDLERBLOCK DAS EHRENMAL 37 Seit Gründung der Bundeswehr im Jahr Die Soldatinnen und Soldaten sowie zivi­ 1955 kamen mehr als 3.250 Angehörige der len Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Bundeswehr ums Leben: Es sind unsere ihr Leben für den Schutz von Frieden und Soldaten, die bei Einsätzen zur Konflikt­ Freiheit verloren haben, verdienen auch verhütung und Krisenbewältigung im eine öffentlich sichtbare Achtung und Einsatz für den Frieden gefallen sind, ein würdiges Gedenken. So bedeckt eine sowie alle Bundeswehrangehörigen, die Bundesdienstflagge die sterbl ichen Über­ durch tragische Unfälle oder Unglücke reste von Soldatinnen und Soldaten, die und in deren Folge, zum Beispiel bei der in Ausübung ihrer dienstl ichen Pflichten oben: Das Ehrenmal vom Paradeplatz aus gesehen. Ausbildung, bei Übungen, bei Verkehrs­ ihr Leben verloren haben. Diese Symbolik unten: Die weite Öffnung des Baukörpers zu beiden Schauseiten unfällen und Flugzeuga bstürzen ihr ist sichtbarer Ausdruck des besonderen an der Hildebrandstraße und dem Paradeplatz sowie die vielfach durchbrochene Bronzehülle stehen für Transparenz. Leben ließen. Treueverhältnisses zwischen der Bundes­ republik Deutschland und dem verstorbe­ Mit dem Ehrenmal wird deutlich, dass die nen Soldaten. Mit einer Trauerfeier erweist Verteidigung von Frieden, Recht und Frei­ die Bundeswehr ferner denjenigen, die im heit nicht mit einer anderen Berufst ätigkeit Auslandseinsatz getötet wurden oder im vergleichbar ist. Denn in keinem anderen Dienst verunglückten, die letzte Ehre. Beruf spitzt sich die Frage von Leben und Tod so existenziell zu wie beim Soldaten. Hierdurch wird ein wichtiges Zeichen der Solidarität gesetzt, das für die Trauernden Die Soldaten der Bundesw ehr verpflichten in einer existentiellen Situation eine hilf­ sich in ihrem feierlichen Gelöbnis und in reiche Stütze sein kann. ihrem Diensteid, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu Erinnerung und ehrendes Andenken brau­ verteidigen“. Ihr militär ischer Dienst chen aber nicht nur verlässl iche Rituale, schließt nötigenfalls den Einsatz der sondern klar benannte und bekannte Orte. eigenen Gesundheit und des eigenen Lebens mit ein und verlangt in letzter Konsequenz auch, im Kampf zu töten. Diese weit reichende Treuepflicht macht den Kern soldatischen Dienens aus.

38 D E R B E N D L E R B L O C K D A S E H R E N M A L 39 links: Das Ehrenmal vom Paradeplatz aus gesehen. oben: Das Ehrenmal mit Blick auf Paradeplatz und Bendlerblock.

40 DER BENDLERBLOCK DAS EHRENMAL 41 Der Standort

Der Standort des Ehrenmals in Berlin, lichkeit, ohne dabei aufdringlich zu sein. Das Ehrenmal der Bundeswehr ist davon Ein zentraler Aspekt im räumlichen Kon­ am Dienstsitz des Bundesministeriums Auch in diesem Bild spiegelt sich das räumlich getrennt und hält trotz der Nähe zept des Ehrenmals ist schließlich dessen der Verteidigung, ist Ausdruck einer Selbstverständnis der Bundeswehr, die einen gewissen Abstand zur Gedenkstätte Platzierung an der Nahtstelle von öffent­ bewussten politischen Entscheidung. selbstbewusst ihren Platz in Staat und Deutscher Widerstand. Die räumliche lich­zivilem und militärisch­dienstlichem Gesellschaft einnimmt, ohne eine Sonder­ Distanz zum Innenhof des Bendlerblocks Raum. Das Gebäude steht genau an der In Berlin werden die grundlegenden r olle für sich und ihre Angehörigen zu unterstreicht, dass das Ehrenmal der Grenze zwischen dem Grundstück des Beschlüsse der Regierung und des Parla­ beanspruchen. Bundeswehr die Bedeutung des 20. Juli für Bendlerblocks und der öffentl ich zugäng­ ments für die Bundeswehr getroffen. Im das Traditionsverständnis der Bundeswehr lichen Hildebrands traße. Bendlerblock, dem Berliner Dienstsitz des Zugleich fügt sich das Ehrenmal in den weder berührt noch relativiert. Im Gegen­ Bundesministeriums der Verteidigung, räuml ichen Kontext der anderen Denk­ teil: Die Wahl des Ortes stellt nochmals Diese Positionierung ermöglicht einen werden diese Entscheidungen für die mäler und Gedenkstätten der Hauptstadt deutlich heraus, dass das Ehrenmal die baulich gleichberechtigten Zugang vom Bundeswehr umgesetzt. ein: In der näheren Umgebung befinden Traditionslinien bewusst reflektiert. Gelände des Bundesministeriums der Ver­ sich eine Reihe von Denkmälern aus der teidigung und von der öffentlichen Straße. Der Ort des Ehrenmals verweist damit Zeit des Kaiserreichs, das Mahnmal für Die Lage des Ehrenmals korrespondiert Das Ehrenmal versinnbildlicht damit die indirekt durch die räumliche Nähe zur die ermordeten Juden Europas sowie die auch mit der bereits bestehenden Architek­ Schnittstelle von Streitkräften und Gesell­ gesetzgebenden und ausführenden Gewalt Neue Wache als zentrale Gedenkstätte für tur. Der mittlere der fünf Fahnenmasten schaft und verkörpert ein weiteres zen­ auf die verfassungsmäßige Bindung und die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft. des leicht erhöhten Vorplatzes markiert trales Moment im Selbstverständnis der den Vorrang des demokratisch legitimierten zugleich die Mittelachse des Paradeplatzes. Bundeswehr. politischen Willens für die Bundeswehr. Eine besondere Bedeutung hat die Gedenk­ So können bei den hier stattfindenden s tätte Deutscher Widerstand, die sich in militärischen Zeremonien die Bewegungs­ Die Möglichkeit zur Öffnung nach beiden Der städtebauliche Raum, in dem sich das unmittelbarer Nähe zum Ehrenmal in einem abläufe auf die Mittelachse und die Fahnen Seiten erlaubt eine flexible Nutzung, Ehrenmal befindet, zeichnet sich durch Seitenflügel des Bendlerblocks befindet. ausgerichtet werden. Durch das Ehrenmal die Erinnern, Gedenken und Trauern so­ eine strukturelle Vielfalt aus. Botschaften, entsteht an genau dieser Stelle ein neuer wohl im öffentlichen als auch im privaten Vertretungen der Bundesländer, Museen Die Gedenkstätte gehört zu den zentralen visueller Abschluss des Paradeplatzes. Rahmen zulässt. Individuelle, private sowie Büro­ und Dienstleistungsgebäude Erinnerungsorten des „Aufstands des Gleichzeitig wird das Ehrenmal räumlich Begegnung und staatliches Gedenken sorgen für eine verkehrsgünstige, baulich Gewissens“ gegen das verbrecherische sowie ideell in den Kontext des Bundes­ mit militärischem Zerem oniell sind so privilegierte Lage. Das Ehrenmal steht in Regime der Nationalsozialisten. Insbeson­ ministeriums der Verteidigung einbezogen. gleichermaßen möglich. diesem Ensemble weder auf einer städte­ dere der militärische Widerstand gegen baulich prominenten Bühne noch versteckt bildet einen der tragenden es sich im „Hinterhof“. Es behauptet seinen Pfeiler im Traditionsverständnis der Platz mit einer gewissen Selbstverständ­ Bundeswehr.

42 D E R B E N D L E R B L O C K D A S E H R E N M A L – D E R S T A N D O R T 43 Die Cella

Im Inneren des Ehrenmals befindet sich ein Raum der Stille: Die Cella.

44 DER BENDLERBLOCK DAS EHRENMAL – DIE CELLA 45 Der am südlichen Ende des Baukörpers Die Verwerfung verweist auch auf die eingestellte tür­ und fensterlose Raum ist Trauernden, Hinterbliebenen, Freunde und sowohl vom Paradeplatz als auch von der Kameraden, deren Leben durch den Hildebrandstraße aus zugänglich. Durch Verlust eines Menschen bildlich aus den eine tiefer gezogene Decke entsteht eine Fugen geraten ist. Durch ihre Erhöhung Eingangssituation, die den Besucher in bietet die Bodenplatte dem Besucher die das Innere der Cella führt. Die Cella ist ein Möglichkeit, Kränze, Blumen, Kerzen oder monochrom gefasster, dunkler, entmate­ andere Erinnerungsstücke abzulegen. rialisierter Raum, bei dem sich die realen oben: Die bewusst reduzierte Formensprache lässt Raum zur Raumgrenzen scheinbar auflösen. Der In der Decke der Cella befindet sich ein Konzentration und Interpretation. Verzicht auf Bilder, Ornamente, gestalten­ Oberlicht, durch das der Raum, je nach unten: Das Buch des Gedenkens mit insgesamt 20 bronzenen Platten. de Strukturen und Farbigkeit hilft dem Tageslicht, erhellt wird. Durch das Ober­ Besucher, den inneren Blick auf das licht wird der strenge Raum zum Himmel Wesentliche zu lenken. geöffnet: ein zeitloses Symbol für das Überschreiten der erfahrbaren Grenzen Am Ende der Cella wird die strenge und der sinnlich erkennbaren Welt. Ordnung und gleichförmige Schichtung aufgebrochen und es entsteht ein über­ Die Beleuchtung des Oberlichts fällt raschender Raumeindruck. Die letzte durch die halbovalen Öffnungen der Bodenplatte zeigt dem Betrachter ihre Bronzehülle. Dadurch wird bei günstigen Stirnfläche, indem sie aus der streng recht­ Lichtverhältnissen auf der polierten Ober­ winkligen Ordnung des Ehrenmals heraus­ fläche der Bodenplatte ein besonderes gelöst und aus der Bodenebene gehoben Licht­ und Schattenspiel erzeugt, das noch ist. Diese aufgekantete Platte steht sinn­ einmal den Bezug zu Gelöbnis, Amts­ bildlich für die Kraft und das Ausmaß der und Diensteid herstellt. Gewalt und des Unglücks, durch die ein Menschenleben hat enden müssen.

46 DER BENDLERBLOCK DAS EHRENMAL – DIE CELLA 47 48 DER BENDLERBLOCK DAS EHRENMAL – DIE CELLA 49 Die Widmung und die Nennung der Toten

Beim Verlassen der Cella geht der Besu­ Während die Wirkung der Cella auf cher auf eine goldschimmernde Wand zu. Abstraktion setzt, wird der Besucher beim Ihr strahlender Glanz steht in deutlichem Verlassen des Raumes mit einer materiali­ Gegensatz zur dunkel gehaltenen Cella. sierten Form der Erinnerung konfrontiert: In der Ansichtsfläche der horizontal über In der goldenen Wand ist in erhabenen dem Zugang liegenden Betonplatte erblickt Buchstaben die Widmung zu lesen: man ein Lichtband, das in wechselnder Folge die Namen der zu ehrenden Toten DEN TOTEN UNSERER BUNDESWEHR nennt. Die Schrift leuchtet durch einen FÜR FRIEDEN RECHT UND FREIHEIT lichtdurchlässigen Beton. Die Namen erscheinen auf diese Weise schwerelos im Die durchgehende Verwendung von Raum. Kapitalen und der Verzicht auf Interpunk­ tion lässt eine geschlossene Wirkung Die namentliche Nennung der Toten entstehen und verleiht der Inschrift eine ist ein entscheidendes Moment der besondere Kraft. Der Sinnspruch fasst Erinnerung. In würdiger Form wird hier den Leitgedanken des Ehrenmals noch den toten Angehörigen der Bundeswehr einmal programmatisch zusammen: Das der Respekt erwiesen. ehrende Gedenken aller, die als Angehörige der Bundeswehr an den direkten oder Zugleich wird vermittelt, dass hinter der indirekten Folgen der Ausübung ihrer abstrakten Formsprache des Ehrenmals Dienstpflichten für unser Land ihr Leben konkrete Schicksale von Menschen stehen, gelassen haben. die für ihren Dienst an der Gemeinschaft ihr Leben verloren haben. Durch die technische Ausführung sind Möglichkeiten der Veränderung gegeben. Der Wunsch von Angehörigen, die Bedenken gegen eine namentliche Nennung haben, kann so berücksichtigt werden.

Goldene Wand mit Widmung.

50 D E R B E N D L E R B LO C K DAS EHRENMAL – DIE WIDMUNG UND DIE NENNUNG DER TOTEN 51 Literatur Impressum

Aufstand des Gewissens. Militärischer Widerstand gegen Herausgeber Hitler und das NS­Regime 1933­1945. Begleitband zur Bundesministerium der Verteidigung Wanderausstellung des Militärgeschichtlichen Forschungs­ Presse­ und Informationsstab amtes, hg. i.A. des MGFA von Thomas Vogel, 5., völlig über­ Stauffenbergstraße 18 arbeitete und erweiterte Auflage, u.a. (Mittler) 10785 Berlin 2000. Stand Heinemann, Winfried: Der militärische Widerstand und August 2017 der Krieg, in: Das Deutsche Reich und der Zweite Welt­ krieg, Bd. 9/1, hg. i.A. des MGFA von Jörg Echternkamp, Gestaltung München (DVA) 2004, S. 743­892. Gratzfeld, Wesseling Hoffmann, Peter: Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Text Die Biographie, München (Pantheon) 2007. Bundesministerium der Verteidigung Abteilung Politik I5 Hoffmann, Peter: Claus Schenk Graf von Stauffenberg und seine Brüder, Stuttgart (DVA) 2004. Bildnachweis Bundesministerium der Verteidigung Homepage der Gedenkstätte Deutscher Widerstand Bundeswehr/Andrea Bienert [GDW], Berlin: www.gdw­berlin.de Bundeswehr/Claudius Pflug Informationen zur politischen Bildung [izpb], hg. Bundeswehr/Sebastian Wilke Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Heft 330 KMBA (Erscheinungsdatum: 2. Quartal 2016). Roland AO Köhler Klemperer, Klemens von: Die verlassenen Verschwörer. Druck Der deutsche Widerstand auf der Suche nach Verbündeten Druck­ und Verlagshaus Zarbock GmbH & Co. KG 1938­1945, Berlin (Siedler) 1994. am Main Kroener, Bernhard R.: „Der starke Mann im Heimatkriegs­ Weitere Informationen gebiet“. Generaloberst Friedrich Fromm. Eine Biographie, im Internet unter Paderborn u.a. (Schöningh) 2005. www.bmvg.de Lexikon des deutschen Widerstandes, hg. Wolfgang Benz www.bundeswehr.de und Walter H. Pehle, Frankfurt/M. (Fischer TB) 2001 Die Broschüre ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des (= Fischer TB, Nr. 15083). Bundesministeriums der Verteidigung. Sie wird kostenlos Müller, Klaus­Jürgen: Das Heer und Hitler: Armee und abgegeben und ist nicht zum Verkauf bestimmt. nationalsozialistisches Regime, 1933­1940, 2. Auflage Stuttgart (DVA) 1988. Müller, Klaus­Jürgen: Generaloberst Ludwig Beck. Eine Biographie, 2., durchges. Auflage Paderborn u.a. (Schöningh) 2009. Reuther, Thomas: Widerstand und Wehrmacht. Buch und DVD, hg. ZMSBw [vormals MGFA], Freiburg i.Br. u.a. (Rombach) 2013. Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur 1933­1945, hg. Peter Steinbach und Johannes Tuchel, Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung) 2004 (= BPB­Schriftenreihe, Bd. 438).

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