Thomas Rother. Die : Durch fünf Generationen Stahl. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2001. 247 S. gebunden, ISBN 978-3-593-36530-5.

Reviewed by Barbara Wolbring

Published on H-Soz-u-Kult (February, 2003)

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Thomas Ro‐ die „eigentliche“ Familie ende mit dem Tod thers „Die Krupps. Durch fünf Generationen Friedrich Alfred Krupps 1902. Die zweite Famili‐ Stahl“ ist ein Ärgernis. Das Buch ist, grob zusam‐ engeschichte beginne mit der Heirat seiner Toch‐ mengefasst, schlampig recherchiert, schlecht ter und Erbin Bertha mit Gustav von Bohlen und strukturiert und miserabel geschrieben. Dabei Halbach 1906. Von da an „lässt sich die Familien‐ sind Absicht und Ansatz zunächst viel verspre‐ geschichte in zwei Richtungen lesen, rückwärts chend. Mit einer journalistischen Herangehens‐ und vorwärts: Einmal hin zu den Wurzeln der weise will der langjährige Redakteur der „West‐ Krupps, dann wieder nach vorne bis zu ihrem deutschen Allgemeinen Zeitung“ keine wissen‐ Ende im Juli 1967“ (S. 29; am 30.7.1967 starb der schaftliche Forschungsarbeit präsentieren, son‐ letzte Firmeninhaber, Alfried Krupp von Bohlen dern einem breiten Publikum die Geschichte der und Halbach, Anm. d. Verf.). Was Rother mit die‐ Stahlfrma Krupp als die einer Familie erzählen. sem Satz sagen will, bleibt undeutlich. Meint er Die Familie gibt es nicht mehr, zumindest nicht tatsächlich, dass Familie nur in der männlichen mit dem berühmten Namen, auch eine Verbin‐ Linie mit der Kontinuität des Familiennamens dung der Nachkommen zum Unternehmen be‐ fortgeschrieben werden kann, dass Gene ebenso steht nicht mehr. Und so beginnt das Buch mit ei‐ wie Traditionen von weiblichen Erben nicht wei‐ nem Rundgang über den Essener Friedhof. An‐ tergegeben werden können? Natürlich war der hand der Monumente werden die Personen aus vorzeitige Tod des Firmeninhabers, der nur eine fünf Generationen vorgestellt und zugleich in gro‐ noch dazu minderjährige weibliche Erbin hinter‐ ben Umrissen der Gang der Krupp-Geschichte ließ, eine einschneidende Zäsur für die Firma. Sie skizziert. wurde daraufhin in eine Aktiengesellschaft umge‐ Nach diesem „Prolog auf dem Friedhof“ setzt wandelt, wenn auch fast Alleinbe‐ Rother neu an. Noch einmal, ausführlicher, wird sitzerin der Aktien war. Die Verbindung zwischen die Familie vorgestellt, die Rother zweiteilt, denn dem Unternehmen und der Familie endete dann mit dem Tod ihres Sohnes Alfried 1967, der seinen H-Net Reviews einzigen Sohn Arndt – gegen eine großzügige Apa‐ nutzt und auch die Hilfestellung der dortigen His‐ nage - zum Erbverzicht hatte bewegen können toriker ofenbar verschmäht. Vor allem stört die und die Firma ebenso wie sein gesamtes Privat‐ ständige Parallelisierung und Gegenüberstellung vermögen in die nach ihm benannte Alfried der Krupp-Vorfahren seit dem 16. Jahrhundert Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung ein‐ mit dem eigentlichen Firmengründer Alfred brachte. Auch dieses Datum bedeutet damit für Krupp und dem Aufstieg der Firma seit der Mitte das Unternehmen eine entscheidende Zäsur Hier‐ des 19. Jahrhunderts. Dass in der Frühen zu Lothar Gall: Von der Entlassung Alfried Krupp Neuzeit als Büchsenmacherstädtchen bekannt von Bohlen und Halbachs bis zur Errichtung sei‐ war, dass der erste Essener Vorfahr der Krupps ner Stiftung 1951 bis 1967/68, in: Ders. (Hgg.): neben vielem anderen auch mit Eisenwaren han‐ Krupp im 20. Jahrhundert. Die Geschichte des Un‐ delte, dass die geschäftstüchtige Großmutter des ternehmens vom Ersten Weltkrieg bis zur Grün‐ Firmengründers Friedrich Krupp, Helene Amalie, dung der Stiftung, Berlin 2002, 473-589, hier 579f. eine Zeit lang Besitzerin der Gute-Hofnungs-Hüt‐ , beendet jedoch keineswegs die Geschichte der te war, all das wird als beschwörende Vorboten Familie. Diese zieht vielmehr, angeführt von Al‐ und Anzeichen für den viel späteren Erfolg der freds Nichte Diana Maria Friz, seither gegen das Stahlfrma angeführt. Tatsächlich gibt es hier je‐ Testament und vor allem gegen den Testaments‐ doch kaum Zusammenhänge. Sie werden auch vollstrecker Berthold Beitz zu Felde Vgl.: Diana nicht wirklich gesucht, und so bleibt das Mitgeteil‐ Maria Friz, Die Stahlgiganten. Alfried Krupp und te anekdotisch, ohne analytische Aussage. Berthold Beitz, Frankfurt a.M., Berlin 1990. , hat Mühsam ist dann der Aufbau des Buches, das sich vor Gericht jedoch nicht durchsetzen können. aus mehreren Einzelartikeln zusammengesetzt zu Rother hingegen folgt der Familiensicht, was er al‐ sein scheint. Jedenfalls setzt der Autor immer wie‐ lerdings nicht durch Argumente begründet. der neu an, zentriert um die Stadt Essen, die Fir‐ Das hat auch ein breites Publikum jedoch ver‐ ma, das Haus oder die Politik. Es entstehen ermü‐ dient, ebenso wie ein akzeptables sprachliches Ni‐ dende Erzählschleifen, wenn der gleiche Bogen veau. Rother hingegen wechselt ständig das Tem‐ des Aufstiegs immer wieder neu gezeichnet, auf pus, und das manchmal sogar innerhalb eines den Kontrast des kleinen Beginns mit dem späte‐ Satzes. Durch häufge Satzellipsen entsteht zudem ren Reichtum immer wieder hingewiesen wird. ein gehetzter Stakkatoton, der nach Boulevard‐ Auf S. 143 ist es auch nicht mehr nötig mitzutei‐ presse klingt. Verstärkt wird dieser Eindruck len, dass Friedrich Alfred der Sohn des eigentli‐ durch eine Vielzahl von Adjektiven und allzu fap‐ chen Firmengründers war (was der sige Wendungen, so zum Beispiel die Bezeichnung Leser im Übrigen, falls er es vergessen haben soll‐ Wilhelms II. als „Wilhelm Zwo“ (S. 189). Und te, in der Ahnentafel nachschlagen könnte). schließlich ist noch nicht einmal bezüglich der Was Rother über die Bohlen und Halbachs zu Fakten auf Rother Verlass. Zweigeteilt ist nämlich berichten hat, ist demgegenüber dann durchaus nicht so sehr die Familiengeschichte als vor allem in vielem interessant. Hier erfährt man Persönli‐ der Kenntnisstand des Autors. ches, das Rother in Interviews zusammengetra‐ Für die von ihm als „eigentliche Familienge‐ gen hat, zum Beispiel über die Atmosphäre, in der schichte Krupp“ (S. 29) bezeichnete Zeit bis 1902 die Kinder von Bertha und Gustav Krupp von bezieht er sich ausschließlich auf die bisherige Li‐ Bohlen und Halbach auf Villa Hügel aufwuchsen. teratur, ist dabei aber weder originell noch geist‐ Zudem hat er das umfangreiche, heute im Ruhr‐ reich, sondern ungenau und immer wieder landmuseum befndliche Archiv des Essener Hei‐ schlicht falsch. Das Firmenarchiv von Krupp mit matforschers Ernst Schmidt ausgewertet, der seinen umfangreichen Beständen hat er nicht be‐

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über Jahrzehnte alles gesammelt hat, was in Zei‐ tungen und Zeitschriften über Krupp und die Fa‐ milie von Bohlen und Halbach erschien. Dadurch erfährt man manches, das die Akten des Firmena‐ rchivs nicht bewahren. Anmerkungen gibt es al‐ lerdings nicht, und so ist leider nichts nachvoll‐ ziehbar. Statt abzuwägen und zu argumentieren, übermittelt Rother durch die Nebeneinanderstel‐ lung an sich unzusammenhängender Fakten und durch die Art der Formulierung seine Botschaft: Dass nämlich Gustav Krupp von Bohlen und Halb‐ ach sich den Nationalsozialisten mindestens ange‐ biedert habe, dass auch sein Sohn Alfried mit ih‐ nen gemeinsame Sache gemacht habe, um dann mit Hilfe von Berthold Beitz die Familie um ihren Anteil an der Firma und damit um ihre Geschich‐ te zu bringen. So simpel gestrickte Geschichten mögen einen Skandalartikel hergeben, in Buch‐ form sind sie nur: ein Ärgernis.

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Citation: Barbara Wolbring. Review of Rother, Thomas. Die Krupps: Durch fünf Generationen Stahl. H- Soz-u-Kult, H-Net Reviews. February, 2003.

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