Berichte aus der Essener Denkmalpflege 4

200 Jahre . Die Walkmühle in -Vogelheim: Die „Friedrich Krupp Gußstahlfabrik zur Verfertigung des englischen Gußstahls und aller daraus resultierenden Fabrikate“

STADT ESSEN Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Impressum:

Herausgeber: Detlef Hopp für das Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/Stadtarchäologie Texte: Detlef Hopp Bearbeitung Detlef Hopp und Elke Schneider Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Layout: Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Abbildungen: Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/ Stadtarchäologie Essen, Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Titelbild: Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Druck: Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster Erscheinungsdatum: 11/2011 Auflage: 1000 Exemplare Bezugsquelle: Stadt Essen, Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege/Stadtarchäologie Rathenaustraße 2 45121 Essen

Mit freundlicher Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen und des LVR - Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Inhaltsverzeichnis

1. Die Walkmühle in Essen-Vogelheim: Die „Friedrich Krupp Gußstahlfabrik zur Verfertigung des englischen Gußstahls und aller daraus resultierenden Fabrikate“ S. 1

1.1 Die Anfänge der Schwerindustrie im Ruhrgebiet S. 2

1.2 Die Anfänge der Schwerindustrie in Essen S. 2

1.3 An der Walkmühle entsteht die Fabrik „Friedrich Krupp in Essen“ S. 3

1.4 Archäologie S. 11

2. Visualisierung der Walkmühle S. 12

2.1 Die Quellen und ihre Umsetzung S. 12

2.2 Außenansichten S. 13

2.3 Innenansichten S. 16

3. Literaturauswahl S. 19

Berichte aus der Essener Denkmalpflege

1. Die Walkmühle in Essen-Vogelheim: Die „Friedrich Krupp Gußstahlfabrik zur Verfertigung des englischen Gußstahls und aller daraus resul- tierenden Fabrikate“

Walkmühle Am 20. November des Jahres 1811, somit vor 200 Jahren, schloss der Kaufmann Friedrich Krupp (17.7.1787–8.10.1826), zusammen mit Teilhabern, den Gebrüdern Georg Karl Gottfried und Wilhelm Georg Ludwig von Kechel, von denen er hoffte, dass sie Kenntnisse in der Gussstahl- bereitung besäßen, einen Gesellschaftsvertrag zur Errichtung einer Gussstahlfabrik. Diese Kruppsche Gussstahlfabrik sollte schon unter seinem Sohn Alfred (26.4.1812 -14.7.1887) zum bedeutendsten Industrie- unternehmen Europas werden.

Zum Standort der Fabrik wollte Krupp die im heutigen Stadtteil Vogelheim gelegene, damals noch auf Altenessener Gebiet befindliche kleine Mühle an der Berne, die Walk- oder Halbachsmühle, umbauen. Diese Mühle, in der gewebte Stoffe veredelt wurden, wird bereits 1446 als Walkmühle der Wollenweberzunft urkundlich genannt. Die Familie Krupp gelangte 1797 in den Besitz des Anwesens, indem Helene Amalie Krupp, die Großmutter Friedrich , es erwarb. Als diese 1810 verstarb, ging die Mühle an Friedrich Krupp und seine Schwester Helene.

Die Walkmühle kann heute als Keimzelle der Friedrich Krupp Gussstahlfabrik gelten. Sie blieb allerdings nur bis 1839 in Krupp´schem Besitz.

c

Das Areal, auf dem später einmal die „Friedrich Krupp Fabrik“ entsteht (sog. Honigmann´sche Karte, 1803/06, Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster)

Seite 1 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

1.1 Die Anfänge der Schwerindustrie im Ruhrgebiet

Das Jahr 1758 gilt als Geburtsstunde der Schwerindustrie im Ruhrgebiet: Geburtsstunde Auf der Antonyhütte in Oberhausen-Osterfeld wurde erstmals Eisen verhüttet

1782 folgte die Hütte Gute Hoffnung in Oberhausen-Sterkrade. An dieser Hütte besaß auch die Essener Fürstabtissin Maria Kunigunde aus Sachsen Anteile. Da sie sich auch durch ein besonderes Interesse an der Eisenverhüttung auszeichnete, ließ sie 1791 die Eisenhütte Neu-Essen in Lippern errichten.

1807 erhielt Friedrich Krupp von seiner Großmutter Helene Amalie Krupp die Hütte Gute Hoffnung überschrieben, die sie 1800 ersteigert hatte. Allerdings hatte er mit dieser Hütte kein Glück, so dass

1808 die Gebrüder Franz und Gerhard Haniel und Heinrich Arnold Huyssen diese übernahmen.

1810 entstanden aus der Antonyhütte und der Hütte Neu-Essen die Gewerkschaft Jacobi, Haniel und Huyssen, die später so genannte Gutehoffnungshütte. Die Gutehoffnungshütte war später über einen langen Zeitraum einer der bedeutendsten Arbeitgeber im Ruhrgebiet.

Aus der 1810 mit dem Erbe der Großmutter gegründeten Werkstatt am Webermarkt wurde am 20. November 1811 die „Friedrich Krupp Guß- stahlfabrik zur Verfertigung des englischen Gußstahls und aller daraus resultierenden Fabrikate“ Die alte Walkmühle in Vogelheim wurde umgebaut. Ende 1812 nahm man hier den Betrieb auf.

1.2 Die Anfänge der Schwerindustrie in Essen

1812 begannen die Bauarbeiten auf dem Gelände der alten Walkmühle. Es Erste Versuche entstanden ein Hammerwerk und ein Schmelzbau. Die Berne betrieb zwar dort seit langer Zeit die Walkmühle und später die Bohrmühle, für die neue Fabrik wurden aber zwei neue Stauteiche angelegt. Dennoch führte dieser Wasserlauf viel zu wenig Wasser, um das Hammerwerk kontinuierlich anzutreiben. Bereits am 9. April 1813 schloss Friedrich Krupp mit den Brüdern von Kechel einen neuen Vertrag, der ihn zum alleinigen Besitzer der Stahlfabrik machte.

Seite 2 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Dieses Gebäude am Flachsmarkt war bis 1824 das alte Wohnhaus der Familie Krupp (n. Berdrow 1943) 1.3 An der Walkmühle entsteht die Fabrik „Friedrich Krupp in Essen“

Fabrikgebäude An der Walkmühle entstand ein zweistöckiges Fabrikgebäude, das neben dem Schmelzraum eine Tiegelkammer besaß und zusätzlich über einen Materialraum sowie über ein Magazin verfügte. Im Schmelzraum standen ein Zementierofen und ein Tiegelofen. Friedrich Krupps Absicht war es, hier englischen Gussstahl zu erzeugen. Dies hatte eine besondere Ursache: Napoleon hatte am 21. November 1806 die so genannte Kontinentalsperre

Seite 3 Berichte aus der Essener Denkmalpflege verhängt, die bis 1814 in Kraft blieb. Ziel war es, England wirtschaftlich zu isolieren, und tatsächlich gelangte der begehrte englische Gussstahl so nicht mehr auf den europäischen Markt.

Ausschnitt aus der Katasterkarte der Bürgermeisterei Altenessen von 1817 bis 1823 in einer Kopie vom 25.3.1907 (Original der Kopie im Hist. Archiv Krupp)

Seite 4 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Die Walk- oder Halbachsmühle (n. Berdrow 1943)

Hammergebäude Befremdlich wirkt auf den ersten Blick das Hammergebäude, denn es stand zwischen zwei Mühlengerinnen. In dem massiven, aus Steinen errichteten Untergeschoss des Gebäudes waren der Reckhammer - ein mit Wasserkraft betriebenes Hammerwerk, mit dem die so genannten Luppen aus Roheisen oder Rohstahl von Schlacke befreit wurden-, ein so genanntes Pochwerk, in dem das Tiegelmaterial zerkleinert wurde und ein Ambossherd unterge- bracht. Wie ein Holzschnitt aus der Krupp-Festschrift von 1912 vermuten lässt, war der Reckhammer an der Schmalseite gegenüber der Eingangstür positioniert und der Ambossherd dürfte sich auf der linken Längsseite des Gebäudes – vom Eingang gesehen - befunden haben. Der Hammer wurde durch ein oberschlächtiges Wasserrad – das Wasser lief von oben auf das Rad – angetrieben. Unklar bleibt, wo genau das Pochwerk innerhalb des Gebäudes anzusiedeln ist und wie der (?) Blasebalg ange- trieben wurde – das könnte u.U. ebenfalls durch ein Wasserrad geschehen sein. Auch aufgrund der erfolgten Umbauten im Hammergebäude, so wurde 1818 ein neuer Hammer eingebaut, ist eine detaillierte Rekonstruktion (bisher) nicht möglich.

Seite 5 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Sowohl im Fabrik- als auch im Hammergebäude befanden sich in den jeweiligen Obergeschossen Wohnungen.

Die Walkmühle 1821 (mit freundlicher Genehmigung des Hist. Archives Krupp)

Mit den Dampfmaschinen, die 1803 erstmals von Franz Dinnendahl (1775- Dampfmaschinen 1826) im Ruhrgebiet gebaut worden waren und die er bereits 1809 auf der Zeche Sälzer und Neuack in Essen-Altendorf als Wasserhaltungs- und Fördermaschine einsetzte, konnte in völlig neuen Dimensionen Kohle gefördert werden. Franz Haniel, der aus Duisburg-Ruhrort stammte, setzte diese Erfindung ein, als er 1832 in Essen-Schönebeck den ersten Tiefbauschacht abteufen ließ und dabei die Mergelschicht durchdrang. Die Zechen Sälzer und Neuack sowie andere Zechen, deren Kohle verkokbar war, schufen die Grundlage für weitere Industrien, die sich in ihrem Umfeld ansiedelten. Nachdem die Arbeiten in der Weberstraße eingestellt und die Umbau- arbeiten „An der Walkmühle“ abgeschlossen waren, nahm man gegen Ende des Jahres 1812 in der neuen Fabrik den Betrieb auf. Die Arbeitsbe- dingungen waren hier schwierig. So wurde beispielsweise die benötigte Kohle vom Flöz Röttgersbank der Zeche Sälzer-Neuack bezogen. Erst danach wurde sie an der Walkmühle verkokt. Somit musste die Kohle über einen sehr weiten und zudem ungünstigen Weg von der Zeche in der heutigen Innenstadt mit Pferdekarren herangebracht werden. Dieser Weg,

Seite 6 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

eine „Nebenstrecke“, wenn man so will, war nicht besonders ausgebaut und musste für die Transporte deshalb vielfach erneuert werden. Eindrücklich wird in der Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Firma Krupp und der Gussstahlfabrik zu Essen Ruhr (Essen 1912) dieser Umstand beschrieben: „Während der nassen Jahreszeit mussten ganze Fuhren Wachholderbüsche in den Morast des „Eselswegs“ und der „Hammerstraße“ versenkt werden.“

In der Fabrik wurde der Stahl zuerst in kleineren Öfen - so genannten Windöfen – geschmolzen. Darin standen die kleinen, nur etwa 20 bis 25 cm hohen Tiegel, um die herum sich der Koks als Brennstoff befand.

Stahl Mit Stahl bezeichnet man alle Metalle, deren Anteil an Eisen höher ist als der jedes anderen Bestandteiles und deren Kohlenstoffgehalt höchstens bei rund 2% liegt. Stahl ist im Gegensatz zu Roheisen ohne Vorbehandlung umformbar, z.B. walzbar. Das älteste Verfahren, um Stahl herzustellen, ist der so genannte Rennprozess, der seit ca. 1500 v. Chr. bekannt ist. Hierbei wurden in einem Schachtofen aus Lehm Eisenerz und Holzkohle eingeschichtet und ent- zündet. Bei Temperaturen um 1.200 °C schmolz das Erz. Die entstehende Schlacke ließ man durch Rinnen ablaufen, während im Ofen die schmied- bare, noch mit Schlacketeilchen durchsetzte Luppe übrig blieb. Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Stahl im so genannten Puddelverfahren, das 1785 in England entwickelt worden war, hergestellt. Dabei wurde das Roheisen in einem Herdofen ständig mit langen Stangen gerührt (engl. to puddle), um ihm Sauerstoff zuzuführen und so den Kohlenstoffgehalt zu senken. Die Schlacke konnte abgeschöpft werden, bis nur ein fester Stahlklumpen übrig blieb: Der so genannte Puddel- oder Schweißstahl. Im Gegensatz dazu ist der Guss- oder Tiegelstahl, nach dem im 19. Jahrhundert so eifrig geforscht wurde, flüssig und kann in nahezu jede gewünschte Form gegossen werden. (Bianca Khil)

Zementstahl Ende 1813 wurde die Produktion von Zementstahl (auch: zementierter Stahl = aufgekohlter Stahl) aufgenommen, dabei übernahmen die Gebrüder Kechel das Schmelzen des Gussstahls, und bei Bedarf wurden zwei Arbeiter, die bei den Bauarbeiten beschäftigt waren, zusätzlich in der Fabrik eingesetzt. Da die Gebrüder Kechel, anders als von Friedrich Krupp erhofft, viel zu wenig von der Stahlherstellung verstanden, trennte er sich von ihnen. Bereits 1814 konnte die Fabrik den ersten Gussstahl verkaufen, dennoch war Krupp wenig erfolgreich und blieb so weiterhin auf finanzielle Unter- stützung angewiesen. Im Herbst 1816 verkaufte er Stahl an verschiedene Maschinenfabriken und seit 1816 versuchte sich Krupp in der Herstellung von fertigen Erzeugnissen aus „englischem“ Gussstahl. Zunächst war es Draht, dann geschmiedete Werkzeuge und Münzstempel sowie

Seite 7 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Münzwalzen. 1818 arbeiteten zehn Arbeiter in seiner Fabrik. Krupp ließ in der Walkmühle einen größeren Hammer von 329 Pfund anlegen, um auch größere Erzeugnisse bearbeiten zu können, aber auch hier hatte er wenig Glück: Denn wegen des schlechten Wasserstandes der Berne konnte der Hammer nur unzureichend betrieben werden.

So blieb es nicht aus, dass aufgrund der ungünstigen Bedingungen „An der Walkmühle“ der Gedanke entstand, die Fabrik auf das Grundstück von Friedrich Krupps Mutter, an die spätere Altendorfer Straße, zu verlegen. Bereits 1818 wurde hier ein kleines Wohnhaus für den Aufseher errichtet, das später einmal das so genannte Stammhaus werden sollte, der Schmelzbau selbst war im Herbst 1819 fertig gestellt. Von den geplanten 60 Schmelzöfen waren zunächst acht in Betrieb.

Das so genannte Stammhaus im Frühjahr 2011 (Stadtarchäologie)

Aber immer noch waren die Arbeitsbedingungen schwierig: Denn diese eigenes Hammerwerk neue Situation bedeutete für die Walkmühle, dass nun zwar nicht mehr die Kohlen, dafür aber die am Schmelzbau (an der Altendorfer Str.) erzeugten Güsse zu ihr gebracht werden mussten, da sich hier immer noch das Hammerwerk befand. Da der Hammer an der Walkmühle durch die Berne aber nicht verlässlich betreiben werden konnte, dieser bald auch für die immer größer werdenden Gussstücke nicht mehr ausreichte und zuletzt Friedrich Krupp nicht auf „fremde Hämmer“ ausweichen wollte, war letztlich der Bau eines eigenen Hammerwerkes an der Altendorfer Straße unumgänglich. Bis zur Fertigstellung eines solchen Werkes sollten aber noch

Seite 8 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Jahre vergehen. 1820 wurden Sägen, Klingen und verschiedene Schneidewerkzeuge hergestellt. Schließlich gelang es Friedrich Krupp 1823, hochwertigen Tiegelstahl zu produzieren. Allerdings war er durch den Bau der neuen Fabrik so sehr verschuldet, dass seine Familie in das kleine Aufseherhaus zog. 1826 starb Friedrich Krupp im Alter von nur 39 Jahren.

Alfred Krupp Friedrichs Sohn (ursprünglich eigentlich Alfried Krupp), unter dem das Werk später zu Weltruhm gelangen sollte, übernahm im Alter von nur 14 Jahren die Leitung der kleinen Fabrik, die zu diesem Zeitpunkt sieben Arbeiter beschäftigte. Im Winter 1829 errichtete er auf der Walkmühle eine Drehbank und eine Schleifmaschine, die er später verbesserte, und konnte so erstmals 1830 qualitätvolle Stahlwalzen ausliefern. Mit der Errichtung des seit längerer Zeit geplanten Hammerwerks mit Dampfmaschine zum Betrieb dreier schnellgehender Schwanzhämmer und einem Aufwerfhammer im Jahr 1834 endete die unglückliche Zweiteilung der Friedrich-Krupp-Gussstahlfabrik: Durch das neue Hammerwerk an der Altendorfer Straße wurde das Werk an der Walkmühle überflüssig. Schon 1836 wurde der Schmiedebetrieb eingestellt und die Fabrik 1839 verkauft, nachdem sie schon vorher mehrfach verpachtet worden war. Den Reck- hammer übernahm später ein Hammerschmied aus Hagen.

Zeche Anna 1908 ging das Grundstück an die Zeche Anna über. Um 1910 wurde die Berne kanalisiert und das Gelände völlig umgestaltet. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts überdeckte man das Areal bei der Anlage von Werkshallen und der am Standort des Hammerwerks am 24.10.1926 gesetzte Gedenk- stein, der an die Anfänge Krupps „An der Walkmühle“ erinnern soll, wurde damals an seinen heutigen Standort versetzt. Heute erinnern er und auch noch die Straßennamen „An der Walkmühle“ und „Walkmühlenstraße“ an den Beginn der Stahlerzeugung an diesem Ort durch Friedrich Krupp vor genau 200 Jahren.

Seite 9 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Ein wertvolles Zeugnis: Abschrift des Kaufvertrages der Walkmühle (mit freundlicher Genehmigung des Hist. Archives Krupp)

Seite 10 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

1.4 Archäologie

1960er Jahre Existierten sogar noch in den 1960er Jahren auf dem Gelände „An der Walkmühle“ mehrere kleinere Gebäude - zu dieser Zeit standen die älteren Fabrikgebäude aber schon lange nicht mehr - so sind durch die Ver- änderungen des Geländes und die immensen Baumaßnahmen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts heute keinerlei sichtbaren Spuren einer Bebauung mehr erhalten geblieben. Einzig ein Gedenkstein, der 1926 aufgestellt, später aber umsetzt wurde, erinnert heute an den bedeutenden historischen Ort.

Fundamentreste Es ist aber davon auszugehen, dass unter anderem Fundamentreste der verschiedenen Gebäude, Spuren der verfüllten Teiche und Wassergräben und andere Befunde auch heute noch im Boden erhalten geblieben sind. Ausgrabungen wurden bisher auf dem Gelände der Walkmühle noch nicht durchgeführt. Im nahen Umfeld des Gedenksteines fanden sich an der Oberfläche beispielsweise ältere Backsteine und jüngere, industriell gefertigte Ziegel, ja sogar vereinzelt Holzbalken, die auf ein abgerissenes Fachwerkgebäude deuten. Diese Überreste stehen wahrscheinlich mit der jüngsten, erst in den 1960er Jahren abgerissenen Bebauung in Zusammenhang. Hinweise auf archäologische Relikte fanden sich erstmals im Herbst 2010, als der Gedenkstein von Bewuchs frei geschnitten wurde. Bei diesen Arbeiten kam es auch zu geringen Bodeneingriffen in seinem Umfeld. Und so gelang es, etwas „technische“ Keramik, Schlacke, Koks – die von der Zeche Sälzer-Neuack stammenden Kohlen wurden ja ganz in der Nähe verkokt – sowie Ziegel und Backsteine als Überreste, die auf die alte Bebauung, vielleicht sogar das Hammerwerk und das Fabrikgebäude weisen, sicher zu stellen. Unter den Funden ist auch ein so genannter Messkegel (ca. 19./20. Jh.) aus Ton. Mit solchen Messkegeln wurden einst die Grenzen des Besitzes abgesteckt. Das Fundstück versinnbildlicht die wechselvolle Geschichte dieses für Essen so bedeutungsvollen und fast vergessenen Ortes.

Der 1961 am heutigen Ort neu aufgerichtete Gedenkstein "An der Walkmühle", ursprünglich am 24.10.1926 aufgestellt, s. kl. Foto (Foto: D. Hopp und aus: Essen wie man es nicht kennt (Essen 1938))

Seite 11 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

2. Visualisierung der Walkmühle

Die drei Kommunalarchäologien des Ruhrgebietes in Duisburg, Essen und Ruhrzeiten Dortmund haben gemeinsam mit der Hochschule Bochum ein digitales Visualisierungsprojekt zu ausgewählten Themen der Archäologie und Geschichte entlang des Hellweges entwickelt. Die Internet-Plattform Google-Earth bietet mit den Archäologischen RuhrZeiten (www.RuhrZeiten.de), in die das Projekt „Walkmühle“ eingestellt wurde, allen Interessierten die Möglichkeit, sich die erarbeiteten Rekonstruktions- vorschläge anzuschauen.

2.1 Die Quellen und ihre Umsetzung

Zur Rekonstruktion der äußeren Ansichten der Walkmühle wurden historische Ansichten, die im 19. und zum Teil erst im 20. Jahrhundert entstanden sind, herangezogen. Vor allem einige im Krupp Archiv erhaltene Darstellungen liefern hier gute Ansätze für eine Modellierung des äußeren Erscheinungsbildes der Anlage.

Historische Postkarte (mit freundlicher Genehmigung des Hist. Archives Krupp)

Wesentlich schwieriger und spekulativer ist aber die hier ebenfalls gewagte Rekonstruktion Rekonstruktion eines Blickes in das Innere des Hammergebäudes. In einer Zusammenarbeit der Stadtarchäologie mit dem Amt für Geoinformation, Vermessung und Kataster in Essen, die auch zur Vorlage dieses 4. Bandes der Berichte aus der Essener Denkmalpflege aus Anlass des Firmenjubiläums Krupp im Jahr 2011 führte, entstanden zusätzlich ausgewählte Ansichten, die hier wiedergegeben werden.

Seite 12 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Foto des Modells der Walkmühle im ehemaligen Heimatmuseum Essen (W. Claas, 1939)

2.2 Außenansichten

Über die Außenansichten des Fabrik- und des Hammergebäudes, und der weiteren Gebäude, die in einer Karte mit den handschriftlichen Zusätzen „Scheune“ und „Wohnhaus“ bezeichnet werden (s. Abb. S. 4), sowie der Teiche informieren Darstellungen des 19. und des 20. Jahrhunderts.

Rekonstruktion der Aussenansicht von Südosten. Im Vordergrund das Hammergebäude, dahinter – halb verdeckt – der Schmelzbau. Daneben Wohnhaus und Scheune

Seite 13 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Allerdings sind diese nicht nur idealisiert, sondern weichen zusätzlich noch in verschiedenen Details ab. Neben einigen Beschreibungen blieben auch noch Fotografien erhalten, die beispielsweise ein Modell der Anlage im damaligen Heimatmuseum (s. Abb. S. 13, oben), dem späteren Ruhrland- museum, zeigen und ebenfalls bei der Visualisierung des Äußeren heran- gezogen wurden.

Blick auf das Hammergebäude mit Eingangstür

Die Modellierung der Außenansichten der Gebäude stützt sich im Wesentlichen auf die genannten Grundlagen. Da zusätzlich Planunterlagen, aus denen noch Maße bezogen werden konnten (s. Abb. S. 4), im Historischen Archiv Krupp, im Stadtarchiv und beim Amt für Geo- information, Vermessung und Kataster vorliegen, gingen auch diese Daten in die Rekonstruktionsvorschläge ein.

Seite 14 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Rekonstruktion des Hammergebäude in Vogelschau. Links der angeschnittene Schmelzbau

Ansicht des Schmelzbaus

Seite 15 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

2.3 Innenansichten

Sehr spärlich sind die Informationen über das Innere der verschiedenen Gebäude. Vom Wohnhaus und der Scheune waren keine weiter führenden Angaben zu finden. Möglicherweise ergeben hier aber – wie auch in den anderen Fällen - zukünftige Recherchen noch verwendbare Details. Auch vom Schmelzbau wissen wir beispielsweise kaum mehr, als dass in ihm sechs Schmelzöfen zur Verfügung standen. Das ist viel zu wenig für einen Visualisierungsvorschlag des Inneren. Ein Blick in dieses Gebäude wurde deshalb ebenfalls nicht versucht. Da in der o.g. Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Firma Krupp im Jahr 1912 ein Holzschnitt abgedruckt ist, der einen Ausschnitt aus der Hammerschmiede zeigt, ist für das Hammergebäude immerhin ein Ansatz für eine Rekonstruktion gegeben. Diese ganz sicher idealisierte Darstellung des Untergeschosses ist deshalb die wesentlichste Grundlage für den Visualisierungsversuch des Inneren des Hammergebäudes. Gleichzeitig lässt diese Darstellung in der Festschrift aber auch sehr viele Fragen offen.

Holzschnitt des Gebäudeinneren (Festschrift 1812-1912, mit freundlicher Genehmigung Hist. Archiv Krupp)

Um überhaupt zu einem Rekonstruktionsvorschlag des Inneren zu gelangen, flossen hier zusätzlich in die Rekonstruktion Erkenntnisse aus vergleich- baren Hammerwerken ein. Hierfür bieten sich in Essen besonders der Kupferhammer und der Deilbachhammer in Kupferdreh an. Letzterer ist inzwischen ebenfalls unter www.RuhrZeiten.de zu betrachten. Auch im Hammergebäude bleibt ein Blick in die obere Etage verwehrt. In Verbindung mit der Anordnung der Wasserräder an beiden Längsseiten des

Seite 16 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Untergeschosses, wie es unter anderem die oben genannten Quellen aber beispielsweise auch eine Fotografie eines nicht mehr erhaltenen Modells im damaligen Essener Heimatmuseum ( s. Abb. S. 13, oben) zeigen, gelingt es aber, den Standort des Reckkammers innerhalb des Gebäudes mit einiger Wahrscheinlichkeit zu bestimmen, da die Wasserräder im vorderen Gebäudedrittel angebracht waren.

Rekonstruktionsvorschlag des Gebäudeinneren mit Reckhammer

Schon aber die Positionierung und das Aussehen des Pochwerkes, von dem u.a. in der o.g. Festschrift berichtet wird, bleiben völlig unklar. Vermutet werden kann, da auch das Pochwerk über ein Wasserrad angetrieben wurde, dass dieses ebenfalls an der nordwestlichen Schmalseite des Gebäudes gelegen haben könnte. Aber schon das ist reine Spekulation. Ein Darstellungsversuch des Pochwerkes wurde daher nicht unternommen. Aufgrund des o.g. Holzschnittes dürfte sich die Esse auf der linken Gebäudeseite, wohl in Türnähe - diese befand sich in der südöstlichen Schmalseite des Gebäudes - befunden haben.

Seite 17 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Blick auf die frei rekonstruierte Esse Die überlieferten Außenansichten zeigen hier auch einen Kamin. Das Vorhandensein der offenen Feuerstelle mit Abzug und wohl auch eines Ambosses würde auch die Körperhaltung der auf der linken Bildseite des Holzschnittes (s. Abb. S. 16) dargestellten Person erklären, die anscheinend eine große Zange in den Händen hält. Am linken unteren Rand dieses Bildes sind möglicherweise weitere Zangen zu sehen. Da die Feuerstelle meist durch einen Blasebalg mit Sauerstoff versorgt wurde, ist auch dieser auf der gleichen Gebäudeseite zu vermuten.

Blick über den Hammer auf die Esse

Seite 18 Berichte aus der Essener Denkmalpflege

Allerdings sind aus der oben genannten Darstellung, ebenso wie aus den anderen bekannten Ansichten und Beschreibungen, keine sicheren Kenntnisse abzuleiten, wie die linke Gebäudeseite eingerichtet war. So gibt es keine Informationen über das Aussehen der Feuerstelle, es ist nur eine Vermutung, dass sich der Blasebalg neben der Feuerstelle befand und gänzlich unklar, wie er überhaupt angetrieben wurde. Da darüber und über andere Dinge – so eben auch das Pochwerk - nur spekuliert werden kann, wurde im Rahmen dieser Studien entweder auf eine detailliertere Darstellung oder ganz auf einen Rekonstruktionsversuch verzichtet.

3. Literaturauswahl

Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung (Hrsg.), Krupp – Fotografien aus zwei Jahrhunderten (Essen 2011); D. Baedeker, Alfred Krupp und die Entwicklung der Gussstahlfabrik zu Essen (Essen 1896) bes. 87 ff.; W. Berdrow, Alfred Krupp und sein Geschlecht (Berlin 1943); W. Berdrow, Die Familie Krupp in Essen von 1587 bis 1887 (Essen 1931); B. Beyer, Vom Tiegelstahl zum Kruppstahl. Technik- und Unternehmensgeschichte der Gussstahlfabrik von Friedrich Krupp in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts (Essen 2007); T. Buddensieg, Villa Hügel. Das Wohnhaus Krupps in Essen (Berlin 1984); W. Claas, Die technischen Kulturdenkmale des Großraums Essen. Heimatkalender für Groß- Essen 1, 1939, S. 174 ff.; P. Custodin/B. Friedhofen/D. Schabow, Die Sayner Hütte (Koblenz 2002); Essen im 19. und 20. Jahrhundert-Karten und Interpretationen zur Entwicklung einer Stadtlandschaft, Essener Geographische Arbeiten, Sonderband 2 (Essen 1990); F. M Feldhaus, Krupp, Friedrich. Allgemeine Deutsche Biographie (Leipzig 1010) S. 537 f.; Friedrich Krupp A.G. Essen-Ruhr 1812-1912 (Essen 1912); C. Geiger, Handbuch der Eisen- und Stahlgießerei, Bd. 1, Grundlagen (Berlin 1925) bes. S. 573 - 375; A. Grünkemeier/H.J. Przybilla (Hrsg.), Denkmäler3.de – Industriearchäologie (Aachen 2009); D. Hopp (Hrsg.), Denkmäler 3D: Erfassung – Verwaltung – Analyse – Präsentation, VDV-Schriftenreihe 23 (Wiesbaden 2004); D. Hopp, Krupp: ein Stahlgigant als Bodenurkunde. Archäologie in Deutschland 3, 2008, S. 30 f.; D. Hopp, „Für russische Arbeiter“, in: D. Hopp (Hrsg.), Wieder-entdeckt. Berichte der Essener Stadtarchäologie 2005-2009 (Essen 2009) S. 68 f.; D. Hopp, Industrie. Archäologie. Essen. Industriearchäologie in Essen (Essen 2011); D. Hopp/B. Khil, Wind- und Wassermühlen im Kernbereich der Essener Innenstadt. Archäologie im Rheinland 2001 (2002) S. 89 ff.; D. Hopp/B. Khil, Stählerne Zeugen der frühen Industriekultur. Archäologie im Rheinland 2002 (2003) S. 191 ff.; D. Hopp/B. Khil, Beobachtungen an den alten Hauptverwaltungen der ehemaligen Krupp-Gussstahlfabrik. Archäologie im Rheinland 2005 (2006) S.151 ff.; D. Hopp/ B. Khil, „...nicht an einem Tag erbaut“, Industriearchäologie in Essen, in: H.G. Horn/H. Hellenkemper/G. Isenberg/J. Kunow (Hrsg.), Von Anfang an. Archäologie in Nordrhein-Westfalen. Schr. Bodendenkmalpflege Nordrhein- Westfalen 8 (Köln 2005) S. 563 ff.; D. Hopp/H.-J. Przybilla, Krupp: a cast steel manufactory as archaeological resource, Berichte der Tagung BigStuff v. 11.-14.9.2007 (Bochum 2008) S. 80; D. Hopp/H.-J. Przybilla, Auch “für russische Arbeiter”…. Archäologie im Rheinland 2007 (2008) S. 184 f ; B. Khil, Der Beitrag der Archive zur Industriearchäologie am Beispiel der Friedr. Krupp AG in Essen, in: A. Grünkemeier/H.J. Przybilla (Hrsg.), Denkmäler3.de – Industriearchäologie (Aachen 2009) S. 37 ff.; G. von Klaas, Die drei Ringe (Tübingen 1953); R. Köhne, Das Krupp Archiv. Archiv und Wirtschaft 13, H. 2, 1980, S. 37 ff.; R. Köhne-Lindenlaub, Krupp, Friedrich. Neue Deutsche Biographie (Berlin 1982) S. 129.; Krupp 1812-1912. Festschrift zum 100 jährigen Bestehen der Firma Krupp und der Gussstahlfabrik zu Essen-Ruhr (Essen 1912); Krupp-Mitteilungen Nr. 8/1961; W. Manchester: The Arms of Krupp (London 1968); A. Ledebur, Leitfaden für Eisenhütten-Laboratorien (Braunschweig 1889) bes. S. 13; „Nach der Schicht“ Ausgabe August 1931; J. Obladen-Kauder, Wo im Ruhrgebiet alles begann. Arch. In Deutschland 3, 2008, S. 20 f.; J. Obladen-Kauder, Ausgrabungen an der St. Anthony-Hütte, Wiege der Ruhrindustrie, in: .A.Grünkemeier/H.J. Przybilla (Hrsg.) Denkmäler 3.de – Industriearchäologie (Aachen 2009) S. 11 ff.; B. I. Schlüter, Verwaltungsbauten der Rheinisch- Westfälischen Stahlindustrie 1900-1930 (Bonn 1991) S. 83 ff.; W. Sellmann, Die Mühlen in Stadt und Stift Essen. Die Heimatstadt Essen 21, 1970. S. 77 ff.; F. Siebrecht, Die Halbachs-Mühle: In: Altenessen (Essen 1915) S. 278 ff.; R. Stremmel, 100 Jahre Historisches Archiv Krupp (München/Berlin 2005); R. Stremmel (Hg.), (München 2010); K. Tenfelde (Hrsg.), Bilder von Krupp. Fotographie und Geschichte im Industriezeitalter (München 1994).

Seite 19