Prof. Dr. Helmut Oeller Ehemaliger Fernsehdirektor Des Bayerischen Rundfunks Im Gespräch Mit Christoph Lindenmeyer

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Prof. Dr. Helmut Oeller Ehemaliger Fernsehdirektor Des Bayerischen Rundfunks Im Gespräch Mit Christoph Lindenmeyer BR-ONLINE | Das Online-Angebot des Bayerischen Rundfunks http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0710/20071019.shtml Sendung vom 19.10.2007, 20.15 Uhr Prof. Dr. Helmut Oeller Ehemaliger Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks im Gespräch mit Christoph Lindenmeyer Lindenmeyer: Meine Damen und Herren, seien Sie herzlich willkommen zum heutigen alpha-forum, in dem wir ausnahmsweise über uns selbst reden, also über das Fernsehen. Und wir werden über Sie, das Publikum, sprechen. Für beides gibt es einen guten Grund, einen guten Anlass, denn unser Gast heute ist der langjährige Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks, Professor Dr. Helmut Oeller. Auch Sie, Professor Oeller, heiße ich herzlich willkommen. Dieter Hildebrand sagte einmal, das Wort "Bildung" komme von Bildschirm und nicht von "Buch", sonst hieße es "Buchung". Sie leben jetzt 20 Jahre ohne dieses fast mörderische Amt eines Fernsehdirektors innerhalb der ARD, der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands. Sie sind ein freier Mensch, der gelegentlich fernsieht. Oder machen Sie das heute gar nicht mehr? Oeller: Jeden Tag, aber wechselnd in Zeit und Umfang. Lindenmeyer: Verraten Sie mir doch bitte, wo Ihr Fernsehgerät steht. Oeller: Es steht an der Wand gegenüber der Fensterfront. Lindenmeyer: Ein Fernseher also im Wohnzimmer, und damit sozusagen das klassische Modell: Die Familie schart sich um den Bildschirm. Im Arbeitszimmer haben Sie kein Fernsehgerät? Oeller: Nein. Lindenmeyer: Das war früher sicherlich anders. Oeller: Wir haben noch ein anderes Fernsehgerät in einem anderen Zimmer: für den Fall, dass jemand für sich fernsehen möchte oder die anderen im Wohnzimmer etwas anderes machen möchten. Lindenmeyer: Ihnen ist zu verdanken - auch Ihnen und Ihnen speziell - die Gründung des Bayerischen Fernsehens mit einem sogenannten Dritten Programm. Es war damals das erste Dritte Programm bundesweit, das da 1964 in Bayern als Bildungsfernsehen auf Sendung ging. Waren Sie selbst immer ein Fernsehzuschauer, der in erster Linie gebildet werden wollte? Oder hatten Sie auch Zeit für Unterhaltung? Oeller: Ich hatte für all das Zeit, denn bereits als Student habe ich ja nicht nur studiert, sondern mich auch unterhalten, wie das eben Studenten so zu tun pflegen, und zwar mit Vergnügen. Ich habe das Fernsehen ja angefangen, als es noch gar keines gab: Das war vor dem Bildungsfernsehen, vor dem Bayerischen Fernsehen, dem Dritten Programm. Ich war nämlich 1953 und 1954 zunächst einmal in Hamburg bei der ersten Versuchsphase und dann in München mit dabei, als es begann, das Erste Programm. Das war damals ja ein Mischprogramm. Lindenmeyer: "Mischprogramm" bedeutet was? Oeller: Ein Mischprogramm von Information, Unterhaltung, Bildung, Kultur und Hilfen verschiedener Art. Dieses Programm haben die Rundfunkanstalten zusammen gemacht. Der Bayerische Rundfunk trug damals 20 Prozent des Programms. Das war eine gute Zeit. Die ersten Sendungen konnten damals nicht aufgezeichnet werden, es gibt sie also nicht mehr. Die einzige Ausnahme ist die "Gärtnerin aus Liebe", mit der wir damals begonnen haben, bei der es eine Halbbildaufzeichnung gab. Ziemlich bald danach gab es allgemein die Möglichkeit, die Sendungen aufzuzeichnen und deswegen kann man heute noch relativ frühe Sendungen im Archiv finden. Gegenüber diesem Mischprogramm und unter dem Gesichtspunkt, dass dann ja im Jahr 1960 das Zweite Deutsche Fernsehen kam, das noch einmal ein solches Mischprogramm war, ergab sich … Lindenmeyer: Dieses Zweite Deutsche Fernsehen waren ein Wunsch des damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer. Oeller: Zuerst war es sein Wunsch und dann der Wunsch der Mehrheit der Ministerpräsidenten. Aus meiner Sicht ergab sich jedenfalls damals eine Lücke und eine große Chance, die ich schon von Anfang an gesehen hatte, nämlich das Fernsehen auch als Kulturinstitut zu präsentieren, zu nutzen, den Menschen nutzbar zu machen; das Fernsehen also als Kulturinstitut und daher das bayerische Fernsehen als bayerisches Kulturinstitut. Diese Idee trug ich dem damaligen Intendanten Christian Wallenreiter vor, der sie dann engagiert und offen aufgenommen hat und alles dafür getan hat, um sie zur Wirkung zu bringen – was nicht einfach war. Denn es gab nicht nur unter den verschiedenen Mitgliedern des Rundfunkrates wie auch bei den Politikern, sondern auch bei den anderen Rundfunkanstalten Leute, die der Meinung waren, das sei nicht erforderlich, und wenn überhaupt, dann machen wir das alles wieder gemeinsam. Lindenmeyer: War es ein bayerisch-partikularistischer Schritt, ein eigenes bayerisches Fernsehen zu gründen? Oeller: Ich würde sagen, dass es im Konzept kein partikularistischer Schritt war. Dieses Wort greife ich gerne auf, weil es nämlich auch das Wort "part" enthält, also Teil. Bei mir war nämlich von vornherein die Idee mit dabei, dass Bildung und Kultur nur das Ganze betreffen können, und zwar nicht nur in der Sache selbst, sondern auch im Fernsehen, in der Verbreitung im Land, in Deutschland und darüber hinaus. Das war die Idee, die ich verfolgt habe, und dafür habe ich einen Plan entwickelt, der dann übernommen und durchaus kämpferisch durchgesetzt wurde. Ich hatte damals einige hervorragende Kollegen, von denen ich selbst viel gelernt habe. Da die Unterstützung bei den anderen Anstalten der ARD für meine Idee nicht so arg groß war, haben wir für das Studienprogramm, so hieß ja das erste Bildungs- und Kulturprogramm, das im Herbst 1964 begonnen hatte, bereits im Jahr 1967 die Verbindung mit dem Ausland gesucht: mit den Österreichern, den Schweizern, den Franzosen, den Engländern, den Belgiern, den Holländern. Ich habe dann mit ihnen zusammen in Kooperation Kulturprogramme gemacht: Wir haben also schon damals im europäischen Verbund Kulturprogramme mit der entsprechenden Nutzungsfähigkeit gemacht. Lindenmeyer: War der Grund dafür der, dass die Finanzen noch schwach waren, also aus Gründen des Etats? Oder rührte das aus einem bereits damals vorhandenen starken europäischen Engagement von Ihnen? Oeller: Das Letztere war der primäre Grund. Und außerdem hatte ich natürlich große Lust, es den anderen zu zeigen, den anderen in der ARD. Das hat dann auch regelrecht für Bewegung gesorgt, denn so etwas war damals einfach nicht üblich. Wir hatten jedoch großen Erfolg mit unseren Partnern: Wir hatten wirklich ein ausgezeichnetes Verhältnis untereinander. Eines der großen Beispiele dafür, das über Jahrzehnte überall in den Programmen lief, waren die "Reisewege zur Kunst". Lindenmeyer: Sie gelten als einer der Ahnväter dieser legendären Fernsehsendereihe. Oeller: Ja, das ist in unserer Kooperation entstanden. Wir machten da immer wechselseitig in den verschiedenen Sendestädten unsere Besprechungen und tauschten dabei unsere Ideen und Entwürfe aus. Lindenmeyer: Was sagen Sie denn den heutigen Fernsehmachern, die die Auffassung vertreten, Fernsehen könne gar nicht bilden? Oeller: Ich würde darauf bestehen, dass sie mit so einer Aussage nicht nur im Widerspruch zu den Hoffnungen, sondern auch zu den Erfahrungen von Müttern stehen. Ich erinnere mich da z. B. an jene Mutter, die mich eines Tages anrief und zu mir sagte: "Das müssen Sie machen! Diese Sendung müssen Sie machen! Mein Kind soll Fernsehbildung bekommen!" Ich habe dieser Mutter dann dadurch geholfen, dass wir auf der einen Seite das Angebot an Informationen, an Einführungen, an Hinweisen ausweiteten und auf der anderen Seite das Moment des Mitmachens stärkten, dass also das Kind nicht alleine bleiben soll, wenn es denn auch mit dem Fernsehen zusammen gebildet werden soll. Konkret angewendet haben wir das dann ja im Telekolleg, Lehrerkolleg, im Teleclub usw. Das sind alles Begriffe, die ich damals erfunden habe: Der Bayerische Rundfunk hat das dann über Jahrzehnte hinweg mit Glück wahrgenommen. Das Telekolleg ist also ein klassisches Gegenbeispiel im Hinblick auf diese Aussage von einigen heutigen Fernsehmachern. Das Telekolleg war ja ein Verbundsystem: Fernsehen und Hörfunk und Buch und Gespräch mit dem Lehrer. Lindenmeyer: Und mit den wissenschaftlichen Einrichtungen, mit den Schulen, mit den Universitäten. Oeller: Richtig, es bildete mit den Einrichtungen rundherum einen Verbund. Es gab damals dann sehr bald eine Veröffentlichung des Rowohlt Verlags, in dem das als das erste Medienverbundsystem bezeichnet wurde. Das war im Jahr 1967! Also immerhin 30 Jahre vor der Idee von Netzen und Verbünden. Das Telekolleg gibt es ja heute noch. Lindenmeyer: Mit großem Erfolg. Oeller: Der Bayerische Rundfunk macht das heute zusammen mit Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und zu meiner Freude mit Rheinland-Pfalz. Lindenmeyer: Sie gelten in der Medienlandschaft als ein Meister der Diplomatie. Sie gelten als jemand, der gelegentlich das direkte Wort scheut, der die Dinge sich entwickeln lässt, bevor er sie analysiert, bevor er sie benennt. Sie haben soeben aber gesagt, dass Sie vor 1964 um das Studienprogramm kämpfen mussten. Was waren denn die Hauptargumente, die dagegen sprachen, in der Politik, in der Öffentlichkeit? Oeller: Dagegen sprachen am Anfang natürlich die wenigen Zuschauer. Denn das wusste damals kaum jemand und außerdem gab es nur wenige Sender, die das ausstrahlten. Denn die Technik war eben auch immer ein Bestandteil der Entwicklung. Es war darüber hinaus schwierig, weil wie überall in offenen, freien Systemen die Konkurrenz, der Wettbewerb nicht willkommen waren. Und ein langsames, aber sichtbares Wachstum im Medienbereich hat das dann noch verstärkt. Lindenmeyer: Das war also zunächst einmal eine interne Konkurrenz unter den öffentlich- rechtlichen Programmen. Oeller:
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