Helmut Schleich Kabarettist Im Gespräch Mit Dr. Agnieszka Schneider
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Sendung vom 21.11.2017, 20.15 Uhr Helmut Schleich Kabarettist im Gespräch mit Dr. Agnieszka Schneider Schneider: Ich begrüße Sie herzlich zum alpha-Forum. Das Aufzeichnungsstudio verwandelt sich heute in eine kleine Künstlerbühne, mindestens kann man das imaginieren, denn mein Gast ist der Kabarettist Helmut Schleich. Willkommen, Herr Schleich, schön, dass Sie da sind. Schleich: Grüß Gott, servus. Schneider: Normalerweise machen Sie pro Jahr ungefähr 100 Liveauftritte und daneben auch noch viele Fernseh- und Radiosendungen. Aber zurzeit haben Sie am Abend keine Beschäftigung, d. h. da haben Sie jetzt eine Zwangspause, oder? Schleich: Nein, das ist keine Zwangspause, oh, das wäre schlimm. Nein, nein, das ist eine ganz freiwillige Pause, die ich mir selbst zu meinem 50. Geburtstag geschenkt habe. Sie sieht so aus, dass ich jetzt mal ein halbes Jahr lang keine Liveauftritte mache und nicht auf Tournee gehe. Stattdessen mache ich "nur" meine Sendung "SchleichFernsehen" und komme z. B. als Gast ins alpha-Forum. Ich gehe nicht auf Tournee, weil ich die Zeit erstens nützen möchte, um so eine Art Schnupperrente zu machen, d. h. auch mal ein bisschen zu schauen, was das Leben sonst noch so hergibt, denn das verliert man ja doch ein bisschen aus dem Blick, wenn man so viel unterwegs ist. Zweitens fange ich jetzt schon an, das neue Programm in die Pipeline zu bekommen, wie man heute so schön sagt. Schneider: Wie geht es Ihnen denn jetzt bei dieser Pause? Denn es ist doch etwas Neues für Sie, wenn Sie nicht so viel Beschäftigung haben. Ich glaube, Sie waren sich ja selbst unsicher, wie es Ihnen damit gehen wird, wenn das losgeht. Wie geht es Ihnen also momentan? Schleich: Wenn so etwas auf einen zukommt, dann denkt man sich ja zuerst einmal: Kann ich mit mir selbst überhaupt noch was anfangen? Kann die Familie mich überhaupt noch brauchen, wenn ich plötzlich wieder sehr viel mehr präsent zu Hause und da bin und Zeit habe? Aber ich muss feststellen, dass diese Pause erstens sehr gut tut und dass ich es zweitens tatsächlich erst wieder lernen muss, einen ganzen Tag lang keine Termine zu haben und nichts vorzuhaben und mich beispielsweise einfach nur mit Wohnen zu beschäftigen: Ich sitze einfach nur zu Hause und schaue, was es da so alles gibt, und dann lese ich vielleicht mal etwas, das nicht in direktem Kontext mit der Arbeit steht, sprich, nicht die aktuelle Presse oder politisch brisante Bücher, sondern einfach nur mal etwas zum Spaß. Oder ich koche auch mal wieder, was ich an sich sehr, sehr gerne mache – und was man mir vielleicht auch ansieht. Denn in der letzten Zeit ist das doch stark zu kurz gekommen. Ich mache lauter solche Dinge, d. h. ich spüre einfach das Leben wieder. Das macht mir schon sehr viel Spaß und jetzt bin ich schon fast in der Phase, dass ich mir denke: Schade, dass das alles in einem Vierteljahr schon wieder vorbei ist. Aber so ganz vorbei soll's auch nicht mehr sein, wie ich sagen muss. Schneider: Aber gedanklich hängen Sie jetzt doch schon wieder so ein wenig am neuen Programm, denn ich glaube, Sie sind ein Mensch, der nicht komplett loslassen kann, oder? Träumen Sie vielleicht sogar von neuen Ideen, von neuen Programmen? Haben Sie einen Notizzettel auf Ihrem Nachtschränkchen liegen, auf den Sie Sachen aufschreiben? Schleich: Einen Notizzettel? Ach, es gibt Unmengen von Notizzetteln bei mir. Ich bin da auch immer noch sehr analog und schreibe mit einem Stift auf Papier und tippe es nicht in irgendwelche Notebooks oder Tablets ein. Schneider: Verlieren Sie die Zettel denn nicht? Schleich: Doch, auch das kommt vor. Und die Ideen, die man verliert – das sind nicht viele, aber es kommt immer wieder mal vor –, sind natürlich genau diejenigen, von denen man hinterher überzeugt ist, dass sie die besten gewesen wären. Aber sie sind halt leider weg. Es stimmt tatsächlich, was Sie sagen: Die Maschine abzuschalten, funktioniert nicht hundertprozentig. Aber man muss ja auch ehrlicherweise zugeben, dass das kein Beruf ist, der besonders schlimm wäre oder einen besonders belasten würde. Nein, das ist ja auch eine große Freude und mir macht dieser Beruf wirklich sehr großen Spaß. Insofern will ich ja die Maschine gar nicht ganz abschalten – abgesehen davon, dass sie mit Blick auf die Fernsehsendung sowieso weiterlaufen muss. Schneider: Sie machen das inzwischen schon ganz schön lange, nämlich seit über 35 Jahren. Schleich: Ja, unglaublich. Schneider: Aber Sie machen das ja auch leidenschaftlich gerne. Ihre Anfänge lagen bereits sehr früh, denn mit 14, 15 Jahren sind Sie bereits aufgetreten. Zwischendurch gab es dann mal ein Geografiestudium, das Sie irgendwie einer verflossenen Liebe zuliebe gemacht haben. Aber letztlich war das nicht so das Ihre. Schleich: Na ja, das ist mittlerweile lange her, das war gegen Ende der 80er Jahre, als ich mal für drei Jahre Geografie studiert habe, weil meine damalige Freundin – auf diese Geschichte haben Sie angespielt – der Überzeugung war, dass dieses Studium für mich das Richtige wäre, und nicht das Kabarett, das ich zu diesem Zeitpunkt, also als Student, ja schon gemacht habe im Ensemble. Auch davor als Schüler hatte ich schon im Ensemble Kabarett gemacht. Sie meinte, dass die Geografie doch das Richtigere wäre. Aber das habe ich nach drei Jahren dann doch wieder sein lassen, zumal man uns auch damals immer schon erzählt hat, dass Geografen alle Taxifahrer werden – bestenfalls. Denn damals gab es noch keine Navis, d. h. zumindest als Taxifahrer hat man die Geografen brauchen können. Aber das stimmte alles gar nicht, denn in dieser Zeit damals ereignete sich ja der Mauerfall und meine damaligen Kommilitonen haben eigentlich alle gute Jobs bekommen als Geografen, hauptsächlich beim "Aufbau Ost". Ich jedenfalls bin zurück zum Kabarett und ich glaube, das war auch die richtige Entscheidung für mich. Schneider: Im Ensemble haben Sie damals z. B. mit Herrn Rüttenauer und mit Herrn Springer gespielt. Der Herr Rüttenauer hat einmal gesagt, in Ihnen war einfach von Anfang an etwas, das raus musste. Was war denn da drin in Ihnen, was Sie der Welt unbedingt mitteilen wollten? Schleich: Ja, das hat der Andreas damals in der Sendung "Lebenslinien" gesagt und er hat das auch sehr schön auf den Punkt gebracht. Ich selbst habe das damals aber gar nicht so reflektiert wahrgenommen. Es hat da sicherlich einen inneren Antrieb gegeben, der mich dazu gebracht hat. Ich hatte einfach Freude daran, eine Freude zunächst einmal an der Parodie: am Parodieren von bekannten Persönlichkeiten, manchmal auch Politikern. Aber zu der Zeit damals konnten das auch noch Lehrer gewesen sein. Ich glaube, das hatte in diesen sehr jungen Jahren ganz viel damit zu tun, dass ich damit eigentlich nur meine Unsicherheit und Schüchternheit ganz gut überspielen konnte: Ich konnte mich ein Stück weit hinter der Maske einer Figur verstecken. Ob das nun der durchgeknallte Physiklehrer oder später … Schneider: … der Pfarrer in der Gruppe der Firmlinge … Schleich: Der Pfarrer war das nicht, sondern das war der Gruppenleiter dieser Firmgruppe. Das war schon zusammen mit dem Andreas Rüttenauer: Wir lernten uns in dieser Firmgruppe kennen. Aber das konnte auch schon in diesen jungen Jahren der Strauß sein, den ich parodiert habe. Wen ich parodiert habe, war eigentlich zweitrangig. Zunächst einmal war das "nur" ein erster Impuls, überhaupt in diese Richtung zu gehen, weil man natürlich auf der Bühne doch sehr schnell sehr viel geschenkt bekommt, vor allem an Anerkennung und Zustimmung. Schneider: Sie hatten in der Schule einen Unterstützer, das war der Lehrer Herr Weinzierl. Der hat Sie auch noch mal kräftig mit auf die Bühne geschubst. Ich glaube, das war 1983. Schleich: Ja, schon, aber ganz so war es nicht: Das war nicht der Lehrer, der ganz klassisch seine Schüler dazu angeleitet hätte, Kabarett zu machen. Nein, wir haben das vorher schon gemacht, also Andreas Rüttenauer, Christian Springer und ich. Schneider: Aber er hat das gesehen und war begeistert. Schleich: Ja, er hat das gesehen und es hat ihm gefallen. Es gab damals im Herbst 1983 einen großen Aktionstag an den bayerischen Schulen wegen der NATO-Nachrüstung und der Stationierung der Pershing- Raketen. Dieser Aktionstag wurde aber vom Kultusministerium unterbunden – bzw. es wurde versucht, ihn zu unterbinden. Und da haben wir dann zusammen eigentlich ein erstes politisches Kabarettprogramm gemacht, das sich mit Schule und Politik beschäftigt hat und wie Politik in den Unterricht aufgenommen und dort behandelt wird – und wie eben nicht. Das war damals ja alles noch ein bisschen anders in Bayern. Ja, und da kam der Klaus Weinzierl dazu. Er als politischer Mensch hat uns damals natürlich auch neue Horizonte eröffnet, keine Frage. Schneider: Eine der Figuren war damals, also schon von Anfang an, Franz-Josef Strauß. Mit 14, 15, 16 hatten Sie da so eine Art Sturm- und Drang-Zeit, in der Sie sich wohl auch selbst gesucht und auch politisch orientiert haben. Was hat Sie damals politisch geprägt? Das war doch sicherlich auch die DDR. Schleich: Na ja, sagen wir mal so: Der Strauß war damals eine Figur, die direkten Einfluss auf uns hatte, und zwar insofern, als das zunächst einmal die Wackersdorf-Zeit gewesen ist. Das war also 1986/87 und ich war damals 19, 20 Jahre alt. Wir als überzeugte Atomkraftgegner waren selbstverständlich gegen den Bau einer Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, und es war auch wirklich en vogue, gegen diesen Bau zu sein. Wir haben dabei jedenfalls erlebt, mit was für einer repressiven Gewalt der bayerische Staat da in der Oberpfalz aufschlägt und dieses Projekt durchdrücken will gegen den erklärten Willen der Bevölkerung und, wie sich später ja gezeigt hat, auch gegen die wirtschaftliche Vernunft, denn dieses Projekt ist dann ja von der Atomindustrie schlussendlich wie eine heiße Kartoffel fallengelassen worden. Hätte das 1986 jemand behauptet, wäre er fast schon als Staatsfeind behandelt worden.