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Rezension zu: Baum, T., Bleicher, N., Ebersbach, 402,50 müM der Abflussschwelle des Zürich- R., Ruckstuhl, B., Walter, F. & Weber, M. (2019). sees, welche bereits von Schindler (1981) fest- Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher gehalten wurde. Seefeld. Ausgrabungen Kanalisationssanierung, 2. Wenn es tatsächlich während der etwa Pressehaus, AKAD und Utoquai 3: Die Sied­ 1800-jährigen neolithischen Besiedlung der lungsgeschichte. (Monographien der Kantons­ Seeufer keine „über die saisonalen Oszillationen archäologie Zürich, 52). Zürich: Kantonsarchäo­ hinausgehende Seepegelschwankungen“ (S. 238) logie Zürich. 304 Seiten, 407 meist farb. Abb., gegeben hat, müssten wir eigentlich eine Sied- Anhang u. 2 Beilagen. ISBN 978-3-906299-22-8 lungskontinuität annehmen. Das scheint aber (Hardcover), ISBN 978-3-90629923-5 (E-Book). nicht der Fall gewesen zu sein, denn auf die mittels Dendrochronologie und 14C-Daten eru- Peter J. Suter ierten Siedlungsphasen folgen immer wieder kürzere oder längere Siedlungslücken, für die Der dritte Band der Reihe „Jungsteinzeitliche Ufer- datierte Bauhölzer oder undatierte Pfahlfelder siedlungen im Zürcher Seefeld“ stellt erstmals die fehlen. Entweder wurde in diesen Momenten Befunde zu den verschiedenen Uferdörfern zwi- eine Bauweise angewendet, die keinerlei Spu- schen dem Opernhaus und dem Seebad Utoquai ren (Pfähle, Kulturschichten) hinterliess, oder ausführlich zusammen. Dazu werden die Doku- diese wurden nachträglich vollständig ero- mente von Untersuchungen unterschiedlicher diert. Wahrscheinlicher scheint mir aber, dass Qualität zwischen 1928 und 2017 vorgestellt. die Strandplatte zeitweilig so hoch überflutet Um die nachfolgenden Aussagen und Bemer- war, dass sie verlassen und die Dörfer wei- kungen zu verstehen, ist es m.E. wichtig, dass ter landeinwärts errichtet wurden. Während von Anfang an klar ist, von welchen Prämissen dieser Perioden wurden die verlassenen Sied- die Autorinnen und Autoren des Seefeld-Bandes lungsruinen durch eine aus dem kalkreichen 3 ausgehen. Ihre Grundhaltung können wir Wasser ausgefällte Seekreide überlagert. Der einem Textabschnitt im Kapitel VIII. Synthese Umstand, dass sich insbesondere die län- entnehmen, der mit „Fazit“ betitelt ist: „Sämtliche geren Siedlungslücken nicht auf den Zürich- vorliegenden Daten sprechen uneingeschränkt dafür, see beschränken und zeitgleich am Bodensee dass die in diesem Band vorgestellten Siedlungsreste und an den Jurafussseen auftreten, erhöht die auf Ufersiedlungen zurückgehen, die auf einer minde- Wahrscheinlichkeit, dass die langfristigen Pe- stens grösstenteils wasserbedeckten, sanft zur Seemitte gelschwankungen durch überregionale, kli- hin abfallenden Seekreidefläche standen. Diese endete matisch bedingte Ursachen ausgelöst wurden seeseitig in einer steilen Halde und ging landseitig in – z. B. durch die in den Eiskernen Grönlands einer klassischen Abfolge in die verschiedenen Gürtel festzustellende Schwankung der Sonnenein- der Ufervegetation über. Die Gebäude standen damit strahlung (dazu z. B. Suter, Hafner & Glauser, ganzjährig oder zumindest während des grössten Teils 2005, 517-519, Abb. 37; Gross & Maise, 1997, des Jahres im Flachwasser.“ (S. 238). Diese Hypothe- 88-93, Abb. 1). se wurde bereits im ersten Band der Trilogie zur 3. Ich möchte die als Hinweis für eine (fast) ganz- Grabung Zürich, Parkhaus Opéra postuliert und jährige Überflutung der Strandplatte gedeu- im betreffenden Band 3 mit naturwissenschaft- teten Reste von Zuckmückenlarven (Chirono- lichen Untersuchungen abgestützt. Dabei wur- miden) und Kleinkrebsen (Cladorecen) nicht den aber erneut wesentliche Faktoren übersehen in Abrede stellen. So deckt sich etwa die hö- oder ausser Acht gelassen, wie z. B.: here Konzentration ihrer Chitinstrukturen in 1. Die angenommene Höhe des neolithischen den Seekreideschichten (Heiri et al., 2017, 33) Wasserpegels und die aus den Profilen ge- mit unserer Erwartung, weil ja die Seekreide- messenen Höhenkoten der Kulturschichten ausfällung von einer andauernden Wasser­ entsprechen weitgehend den heutigen Ver- überdeckung abhängig war. Für die Zeit der hältnissen. Die Ausmasse der Rutschungen Kulturschichtbildung nehme ich hingegen nur an der Halde sowie die natürlichen bzw. vom saisonale oder gelegentliche Überflutungen Menschen verursachten (Aufschüttungen des an, etwa bei der Schneeschmelze im Frühling 19. Jahrhunderts) Schichtsetzungen (Ruoff, oder bei extremen Wetterlagen und Stürmen. 1981; Suter, 1987) sind ohne diesbezügliche Möglicherweise ist auch die vermehrte Faltung Beobachtungen in der Natur schwierig zu be- und Fragmentierung der Kopfkapseln in den ziffern und kaum berücksichtigt worden. Der Kulturschichten Indiz dafür, dass diese von be- einzige fixe Faktor bleibt somit die Höhenkote wegtem Wasser verfrachtet wurden. Auch die

Eingereicht: 11. Juni 2020 Archäologische Informationen 43, Early View angenommen: 16. Juni 2020 CC BY 4.0

online publiziert: 22. Juni 2020 1 Rezensionen Rezensionen Peter J. Suter

Reste verschiedener Invertebraten (Wirbellose, stuhl & Bleicher, 2015) wurden der vorliegenden Käfer) waren oft den starken mechanischen Monografie zusammengehängte Profilabbildun­g­ Kräften des Wassers ausgesetzt. Sie leben nicht en mitgegeben (Beilagen 7.1 u. 7.2). Leider sind ausschliesslich im Wasser und ihre Biotopzu- die einzelnen Schichten nicht beschriftet, was die weisung ist teilweise schwierig (Schäfer, 2017, Lesbarkeit der Schichtabfolge zweifellos erhöht 145-146 u. Abb. 155). Zusätzlich muss betont hätte. Laut den See-Land-Profilen finden sich die werden, dass weder der Zeitpunkt noch die tiefst gelegenen Kulturschichten im Westen der Zeitdauer des Wassereinflusses in der Regel Seehofstrasse auf etwa knapp 402 müM und im näher bestimmt werden können. Er kann (fast) uferparallelen Profil Dufourstrasse um 404 müM. das ganze Jahr andauern (These der Autoren), Für das Neolithikum nehmen die Autoren einen saisonal (Schneeschmelze) oder vom Wetter ähnlich hohen Wasserpegel an wie heute: 405,5 (Stürme) bedingt sein. Aufgrund des minimal bis 406,0 müM (Abb. 2). Damit läge der mittlere nötigen Volumens einer Sedimentprobe und Jahrespegel um 1,5 m bis 2 m über dem Baugrund, in Unkenntnis ihrer zeitlichen Tiefe und Da- der also fast ganzjährig etwa hüfttief überflutet tierung muss ich also vor voreiligen Schlüssen war (vgl. auch Bleicher, 2015a, Abb. 207). Wenn warnen. Je nach Hypothese sind Hundeverbiss wir aber eine Setzung und Pressung der nacheis- und Nagerspuren von Mäusen an den Kno- zeitlichen und neolithischen Schichten um 2 m chenabfällen (Schibler & Schäfer, 2017, 123) annehmen, dürfte der Baugrund in den landsei- auf der Siedlungsplattform oder doch eher auf tigen Siedlungsbereichen einst auf 406 müM und trockenem Terrain unter und zwischen den damit deutlich über der oben erwähnten Abfluss- Häusern entstanden. schwelle des Zürichsees gelegen haben. Die heu- tige Mächtigkeit der organischen Kulturschichten ist für die Feststellung der einstigen Ausdehnung Kulturschichten, Lehmlinsen und eines Dorfes weniger entscheidend als das Vor- Baustrukturen im Seefeld handensein von Pfählen und Lehmlinsen. Die verfärbten Seekreidehorizonte reichen hingegen Die Befundvorlage der Ufersiedlungen im Zürcher oft weit über die Überbauungsfläche hinaus. Seefeld folgt im Wesentlichen den für die Befund- Die Lehmlinsen bestehen aus einem Gemisch vorlage Opéra erarbeiteten Kriterien: Zusammen- hauptsächlich anorganischer Materialien (Silt, setzung und Ausdehnung der Kulturschichten, Sand, Lehm, Kies) und werden mit Hausböden Umfang und Beschreibung der Lehmstellen, und/oder Feuerstellen (offene Herdstellen, Kup- Analyse der Bauhölzer (Holzart und Dendrochro- pelöfen) gleichgesetzt. Übereinander liegende nologie) sowie Synthese. Da die Ergebnisse der Lehmstellen können auf eine Erneuerung des verschiedenen Grabungen und anderer Untersu- Lehmestrichs­ und Feuerstellen hinweisen. Möglich chungen südlich des Opernhauses getrennt vor- ist aber auch, dass mehrphasige Lehmstellen eine gelegt werden, ergeben sich unweigerlich Wieder- schrittweise Ruinierung eines Hauses aufzeigen. holungen, die – je nach Bedeutung – im Kapitel Für die Baustrukturen (Häuser, Palisaden VIII: Synthese nochmals aufgeführt werden. und Wege) wurden unterschiedliche Holzarten Die Kulturschichten der jungsteinzeitlichen genutzt. Für die First- und Wandpfosten eines Siedlungsreste liegen über einer bis zu 8 m mäch- Hauses wurden im ersten Viertel des 4. Jahrtau- tigen Seekreide, die ihrerseits auf basalem Faul- sends v. Chr. oft gerade gewachsene Weisstannen schlamm und eiszeitlichen Seeablagerungen ruht verwendet. Im Dorf AKAD/Pressehaus/KanSan, (Abb. 2). Ihre Mächtigkeit nimmt von der Halde das um 3700 v. Chr. datiert, wurden neben Tan- zum Land ab. Sowohl die Seekreide als auch die nen vor allem Eichen verbaut, die in der Folge das organisch-mineralischen Kulturschichten unter- wichtigste Bauholz für Gebäude blieben. Von den liegen einer Schichtpressung (Volumenabnahme), 23.143 registrierten Eichenhölzern aus dem Seefeld und die neuzeitlichen Aufschüttungen (4 m) und weisen 2.391 Exemplare mehr als 30 Jahrringe auf. Überbauungen führten ebenfalls zu Schichtset- Insgesamt 1.565 Bauhölzer konnten datiert werden zungen. Dazu kommen Rutschungen, wie sie z. B. (S. 173). Sie sind zahlreichen Dendrogruppen zuge- während der Aufschüttungen des 19. Jahrhun- wiesen (Anhang XI). Nur in den Flächengrabungen derts an der Färberstrasse und bei der Quaibrü- Pressehaus (1975/76) und AKAD (1978/79) konn- cke beobachtet wurden. Der beinahe flache Bau- ten klare Hausgrundrisse erkannt werden. Auf die grund der Strandplatte fällt vom Hang zum See bauliche Trennung zwischen Hausplattform und hin nur leicht ab (2-5 %). Wie beim Befundband Gebäudevolumen (Bleicher, 2017a, 212-213 u. Abb. zur Grabung Mozartstrasse (Ebersbach, Ruck- 256) wurde im Seefeld-Band 3 offenbar verzichtet

Rezensionen 2 Baum, T. et al. (2019). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld und auch die im Hausboden eingelassenen Entsor- fläche und im südöstlichen Bereich finden sich gungsluken (Bleicher, 2017b, 193 u. Abb. 231) wer- Abfallzonen mit zahlreichen Knochen (Abb. 400). den nicht mehr erwähnt. Bei der südlichen, gut belegten, Häuserreihe unter- scheiden die Autoren acht zweischiffige Baustruk- Schicht KanSan 9 und AKAD/Pressehaus L turen (etwa 12 m x knapp 4 m) aus Weisstannen- Die oft nur dünne Kulturschicht KanSan 9 ist stark und Eichenpfählen, wobei sie die ersteren als leicht vom Wasser überprägt worden. Lehmstellen sind älter einschätzen. Ich gehe eher davon aus, dass nur im mittleren Teil des Leitungsgrabens Du- die beiden Holzarten vermischt verbaut wurden, fourstrasse erhalten geblieben (Abb. 91; 96); dazu wie ich das von der etwas jüngeren Dorfanlage kommen drei Lehme im westlichen Randbereich Sutz-Lattrigen, Hauptstation-innen am Bielersee der Grabung Pressehaus, Sch. L (Abb. 223). Ins- kenne. Ob wir aufgrund der Lehmstellen im Lei- gesamt 18 schräg gedrückte oder liegende, jahr- tungsgraben Seehofstrasse (Abb. 112) eine zweite, ringreiche Eichen im Areal Pressehaus (Abb. 306) nördliche Häuserreihe erwarten können, bleibt of- konnten zwar eindeutig datiert werden (Mittel- fen. Die 398 Eichenpfähle der Mittelkurve MK 3377 kurve 1002; Endjahr 3872 v. Chr.), weisen aber kein datieren das Dorf zwischen 3727 und 3681 v. Chr. Splintholz auf. Die Funktion dieser Struktur, deren (Abb. 326-327). Die Eichenspältlinge stammen von Hölzer womöglich erst in der zweiten Hälfte des Stämmen mit 25 bis 40 cm Durchmesser. Gemäss 39. Jahrhunderts v. Chr. gefällt wurden, bleibt un- den kalibrierten 14C-Daten passen die Weisstannen klar. Ansonsten wurden die Gebäude des ältesten der DG 207 (Abb. 306) gut zu den Schlagdaten um Dorfes im Seefeld mehrheitlich aus Weisstannen 3700 v. Chr. (Abb. 308-309). errichtet. Einige dieser Pfähle (Dendrogruppen DG Die Autoren rechnen mit wiederverwendeten 204, 211 und 214; Abb. 306-307) sind laut 14C-Daten Bauhölzern und Reparaturen. Sie erwägen „meh- ins 39. Jahrhunderts v. Chr. zu datieren. Aufgrund rere Gebäudegrundrisse übereinander …, wobei die der Profile (KanSan Dufourstrasse und Pressehaus Gebäude weitgehend standorttreu wiedererrichtet wur- West) beschränkt sich die Siedlung KanSan 9/Pres- den. Reale Baudaten könnten entsprechend der Häufig- sehaus L auf einen eher schmalen, wohl uferparal- keitsverteilung der Schlagdaten bei 3727, 3709, 3702, lelen Streifen von der Rückseite des Opernhauses 3698 und 3688 v. Chr. gelegen haben.“ (S. 191 und bis zur Abzweigung der Seerosenstrasse, also über Abb. 327). Ihre „Schwierigkeit, eindeutige Baudaten eine Länge von etwa 150 m. Im Bereich Pressehaus für die Pfyner Gebäude festzulegen,“ versuchen die zeichnet sich eine zweite Häuserzeile aus Tannen- Autoren damit zu erklären, „dass es sich nicht um pfählen und Lehmstellen ab (Abb. 306). Die wei- eine dauerhafte Ansiedlung mit einem klaren Grün- ter landwärts gelegenen Weisstannenstrukturen dungsdatum gehandelt hat.“ Stattdessen gehen sie gehören hingegen zur nächstjüngeren Siedlungs- „von einer rein saisonalen Hirtenansiedlung aus, [weil] phase J, wo auch passende Lehmstellen belegt sind dann … jährliche Reparaturen nach einigen Monaten (siehe unten). Aufgrund ihrer absoluten Datierung Abwesenheit ebenso zu erwarten [sind] wie die stän- weisen Baum und Bleicher (S. 239-242) die älteste dige Wiederverwendung von Altholz und das häufige, Dorfanlage im Zürcher Seefeld dem „Cortaillod“ aber immer nur punktuelle Nachpfählen mit jüngerem und nicht, wie ursprünglich publiziert, dem soge- Holz“ (S. 212). nannten „Pfyn“ zu. Diese Diskussion wird über- Auch aufgrund des kleinmassstäbigen Plans flüssig, wenn man die Keramikentwicklung statt (Abb. 326; ca. 1:350) sowie zusammengefasster im Rahmen von Kulturen und Völkern im Lichte Datenblöcke von Waldkante- und geschätzten von Zeit und Raum betrachtet. Im Raum/Zeit- Splintdaten vermag ich diese Gedankenkette Modell von Hafner und Suter (2005) werden die nicht nachzuvollziehen und neige eher zur An- Fundkomplexe im Raume Zürich (Zentralschweiz) sicht, dass die, allenfalls etappenweise gebauten, nur aufgrund der willkürlich gesetzten Jahrzahl­ Häuser von der sowohl Ackerbau als auch Vieh- grenze 3750 v. Chr. den Phasen Zürich-Hafner haltung betreibenden Gemeinschaft über Jahr- bzw. Zürich-Seefeld zugewiesen. Damit erübrigt zehnte hinweg unterhalten und nicht stets durch sich auch eine fiktive Zuweisung zu westlich bzw. Neubauten ersetzt wurden. östlich geprägten Bauerngesellschaften. Schichten KanSan 5/6 Schichten KanSan 7/8 und AKAD/Pressehaus J Die Ausdehnung der Kulturschichten KanSan Das Schichtpaket KanSan 7/8 ist entlang der See- 5/6 ist auf den nördlichsten Teil des Leitungs- hofstrasse (Ostast) und insbesondere im Areal grabens Dufourstrasse limitiert. Die Lehmstellen AKAD/Pressehaus als Schicht J gut belegt. Die sind schlecht erhalten und deutlich vom Wasser Lehmstellen bedecken einen grossen Teil der Haus- überprägt. Datierte Bauhölzer fehlen, so dass

3 Rezensionen Peter J. Suter eine mögliche Verbindung mit der Schicht 4 der ( C; Abb. 333). Ein einziger Eichenpfahl Grabung Mozartstrasse (Schlagdaten 3612-3595 (Splintholzdatierung 3170/60 v. Chr.) lässt eine v. Chr.) nicht verifiziert werden kann. Korrelation mit Schicht G im Areal Pressehaus vermuten. Letztere ist nur im südlichen Areal Schlagdaten ohne Kulturschicht Pressehaus etwas mächtiger und dünnt gegen 18 Pfähle und liegende Hölzer datieren laut der Norden schnell aus. Für die Schlagperiode Hor- knapp 200-jährigen Mittelkurve MK 3378 ins gen A+B (3226-3193 v. Chr.) wurden Eichenpfäh- späte 35. Jahrhundert v. Chr. Sie liegen im Bereich le über einen Zeitraum von 33 Jahren, also über der Areale Pressehaus und im Leitungsgraben zwei Generationen hinweg, gefällt. Zählen wir entlang der Seehofstrasse. Das einzige Holz mit auch die Schlagdaten 3176-3153 v. Chr. (Horgen erhaltenen Splintjahren lässt auf ein Fälldatum C) zur zeitweise unterbrochenen, aber von den um 3430/3420 v. Chr. schliessen. Eine dazuge- gleichen Bewohnern genutzten Dorfanlage – wo- hörige Kulturschicht fehlt. Weil Bleicher (S. 263) für auch der ortstreue Wiederaufbau einiger Häu- eine vollständige Erosion von Siedlungsschichten ser im Bereich Dufourstrasse spricht (Abb. 339) –, ausschliesst, deutet er die datierten Pfähle eher so wäre die über 60-jährige Bau- und Unterhalts- als Reste von „Fischfanganlagen oder anderen Kon- geschichte Hinweis für eine recht lange Dauer struktionen“. Zwei Punkte widersprechen dieser (drei Generationen) des Dorfes und eine zeitwei- Hypothese. Einerseits kennen wir vom Bielersee se Verschiebung der Häuser zum See hin. eine ganze Reihe von datierten Pfahlspitzen (und Das zugespitzte Fragment eines Steigbaums aus Hausgrundrissen) aus dem späten 31. und frü- Schicht KanSan 3 (Bleuer et al., 1993, Taf. 151,2) ist hen 30. Jahrhundert v. Chr., deren Schichten sehr 1,7 m lang. Es ist somit zu kurz, um vom Seegrund, wohl verschwunden sind (z. B. Hafner & Suter, in den die Spitze eingesteckt war, durch hüfttiefes 2000, 43-47 mit Abb. 37). Andererseits sind dort Wasser bis auf den Hausboden geführt zu haben. um 3400 v. Chr. mehrere, stets nur kurz bewohnte Denkbar ist, dass mit den vier Tritten à 26 cm eine Dörfer errichtet worden (Twann UH, Sutz-Latt- Höhe von etwa 1,3 m überwunden wurde. Zwei rigen, Riedstation, Nidau, BKW Sch. 5; Hafner Vergleichsfunde von Arbon, Bleiche 3 messen & Suter, 2000). Die Dörfer am Bielersee und viel- mehr als 5 m und weisen je fünf Tritte auf (Leu- leicht auch die B-datierten Schlagdaten von Mei- zinger, 2000, 115-116 u. Abb. 160). Mit einem Fra- len, Rohrenhaab (3423 und 3406 v. Chr.; Hügi, gezeichen versehen bleibt auch die Datierung des 2000) sind für mich Indiz für einen kurzfristigen im Areal AKAD gefundenen Vollrads aus Ahorn, Seespiegeltiefstand, der eine kurzzeitige Besied- das aus einer verfärbten Seekreide stammen soll lung der Standplatte ermöglichte. (S. 143 mit Abb. 252-253). Stimmt die Zuweisung zu Schicht G, würde das bisher älteste Holzrad der Schichten KanSan 4 und KanSan 3 Schweiz ebenfalls zwischen 3180 und 3160 v. Chr. Die Kulturschichten KanSan 4 und KanSan 3 lie- datieren. Den vorgeschlagenen Verbindungs- gen entlang der Dufourstrasse auf etwa 403,60 weg zwischen den Siedlungen Opéra und Seefeld müM und sinken zum See hin leicht ab (min. (Abb. 338) kann man glauben oder nicht. Im ersten 401,60 müM) ab. Dabei sind die schräg gedrück- Fall bleibt fraglich, ob der Weg entlang der Hor- ten Pfähle im Profil (Beilage 7.2) Indiz für eine gener Dörfer A-C als abgehobener Steg über das erhöhte Schichtsetzung im seewärtigen Teil der offene Wasser oder als Uferweg zu den weiter süd- Seerosenstrasse. Die Mittelkurve MK 3379 um- lich gelegenen Siedlungen Utoquai führte. fasst 33 Dendrogruppen und endet 3158 v. Chr. Aufgrund der Fälldaten unterscheiden die Auto- Schichten KanSan 2 und KanSan 1-Süd ren (S. 179-181 mit Abb. 312-313 sowie S. 192-196) Die Schlagphase 3078 v. Chr. (DG 37; B-datiert) ist die Phasen Horgen A-C. Gemäss Abb. 401 bilden nur im mittleren Bereich der Seerosenstrasse mit die Lehmstellen und Hausplätze im mittleren sechs Eichenpfählen belegt. Sie könnten die dort Grabenbereich entlang der Dufourstrasse den belegte, stark Wasser überprägte Fundschicht Dorfkern mit Schlagdaten 3226-3220 v. Chr. (Hor- KanSan 1-Süd datieren (Abb. 120-121; 392; 404). gen A; Abb. 323). Noch vor 3200 v. Chr. reichen Bleicher und Walder bringen diese Schlagdaten die Fälldaten entlang der Seerosenstrasse bereits jedoch mit der Schicht KanSan 2 in Verbindung, bis zur heutigen Uferpromenade (Horgen B; deren Kulturschicht (ohne verfärbte Seekreide; Abb. 330 und 401). Die Dauer und der Zeitraum, Abb. 72) sowie Lehmstellen und Hausplätze während dem die Trennseekreide zwischen Kan- (Abb. 147; 404) aber durchwegs nur landwärts San 4 und KanSan 3 abgelagert wurde, müsste dieser Pfahlgruppe, d.h. in den Bereichen Du- vor die Schlagperiode 3179-3158 v. Chr. datieren fourstrasse und Pressehaus (Schicht E), festzustel-

Rezensionen 4 Baum, T. et al. (2019). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld len ist und vom Zaun Z14 umfasst wird (Abb. 392). Siedlungsareals (Bereiche Dufour- und Hallen- Sie setzen die Schicht E im Areal Pressehaus strasse) liegt die Schichtbasis auf etwa 404 müM (S. 124; Abb. 211) mit der Schicht KanSan 2 gleich und der Turbationshorizont eines späteren Röh- und datieren die Phase Horgen D um 3078 v. Chr. richtgürtels (Abb. 378-379) stört die Schicht C2 Folgerichtig wäre die von mir vermutete Korrela- im Areal Pressehaus erheblich. Gegen die land- tion der Schlagphase 3078 v. Chr. mit der Schicht seitigen Pappelzäune sowie die dort gefundenen KanSan 1-Süd, aus der durchaus eine tendenziell schnurkeramischen Wagenreste (Räder und Ach- jüngere Keramik stammt (Bleuer et al., 1993, Taf. se; Ruoff, 1978) hin ist nur mehr ein verfärbtes See- 53-54) abzulehnen, denn aus stratigraphischer kreideband zu erkennen. In den seeseitigen Lei- Sicht (Abb. 47) müsste KanSan 2 (leicht) älter sein. tungsgräben Seerosen- und Kreuzstrasse sind die Für eben diese Zeit – um 3100 v. Chr. – vermuten Kulturschichten A-E besser erhalten. Im Westen Bleicher und Burger (2015, S. 132 und Abb. 137- veranschaulichen die geneigten Pfähle eine er- 138), dass die Häuser der Phase 4 von Opéra, in- höhte Schichtsetzung zur Halde hin. Dazu kommt folge übernutzter Eichenbestände vornehmlich die Schichtpressung durch eine ehemalige Hafen- aus runden Erlen gebaut wurden. Aufgrund der mauer, sodass die schnurkeramische Schicht auf zahlreichen Erlenpfähle in der Südwestecke des etwa um 402 müM liegt (Beilage 7.2). Nebst den Areals Pressehaus und entlang der Dufourstras- oft mehrphasigen Lehmstellen (Abb. 151-159) fal- se (Abb. 392) könnte diese Annahme auch für len die Steinanhäufungen auf (S. 57), wie wir sie KanSan 2 zutreffen. Eine typologische Datierung auch aus der Schicht 2 der Grabung Mozartstrasse von KanSan 2 um 3100/3090 v. Chr. könnte diese kennen. Die etwa 190-jährige Mittelkurve MK 3380 Widersprüche auflösen. Aufgrund der genannten (DG 40) endet 2679 v. Chr. (Abb. 314). Sie erlaubte Zweifel, den stets nur kleinen Keramikkomplexen es, insgesamt 631 Eichen, meist Spältlinge, zu da- sowie der schwierigen Zuweisung von Schlag- tieren. Die erkennbaren Baustrukturen konzentrie- daten zu Schichten und Fundmaterial bleiben die ren sich auf das Areal Pressehaus und betreffen Kenntnisse zur Keramikentwicklung im jüngeren den Beginn der endneolithischen Dorfanlage. Nur Spätneolithikum vorerst entsprechend vage (vgl. ein Teil der rechteckigen und quadratischen Ge- zu diesem Thema auch die Nachuntersuchungen bäude neben dem Zufahrtsweg (Abb. 341) ist mit von Weber, ebd., S. 219-229). dendrochronologisch datierten Eichenpfählen der Schlagjahre 2717 bis 2715 v. Chr. versehen. Weiter Schichten KanSan 2A und KanSan 1-Nord nördlich zeigen sich Baustrukturen mit Waldkan- Die Ausdehnung der Schicht KanSan 2A ist auf tedaten zwischen 2714 und 2711 v. Chr. Der hy- den nördlichsten Teil des Seefelds beschränkt pothetisch ergänzte Plan der Besiedlung um 2715 (Abb. 394-395). Sie ist stark vom Wasser über- v. Chr. (Abb. 346) mit über 40 Häusern bleibt eine prägt, was zu den Siedlungsresten 2B/C von Annahme, die aber angesichts des Pfahlfeldes von Zürich, Mozartstrasse passt. Auch die Fälldaten Sutz-Lattrigen, Rütte in ihrem Umfang nicht aus- zwischen 2888 und 2882 v. Chr. stimmen über- zuschliessen ist. Am Bielersee dauerte der Ausbau ein (Abb. 336). Sie stammen von aufgespaltenen des Dorfes mehr als ein Jahrzehnt (Suter, 2017a, 37- Eichenstämmen (Mittelkurve MK 1136) und re- 45 m. Abb. 44-53). Im Zürcher Seefeld reichte das präsentieren die Phase Horgen E. Die Fundtafel endneolithische Dorf eine Generation später zur (Bleuer et al., 1993, Taf. 53,1-3) gibt lediglich drei Seerosen- und Kreuzstrasse und bald nach 2700 Gefässfragmente aus Schicht KanSan 2A wieder. v. Chr. bis zur heutigen Uferpromenade (Abb. Zwei mit Rillen und Lochreihen versehene Topf- 340 und 343). Ob es im Laufe der Jahre dermassen ränder passen zu einer späten, weniger verzierten gewachsen ist oder aber allmählich zum See hin Horgener Phase. Zur Wandknickschüssel kennen verschoben wurde, bleibt ungewiss. Für die zwei- wir vergleichbare Gefässe (Kolb, 1999, Abb. 4) aus te Möglichkeit könnten die Reparaturen ab 2700 der Schicht 15 von Sipplingen, Osthafen, die in die v. Chr. im Nordosten des Dorfes sprechen, da sie Jahrzehnte um und nach 2900 v. Chr. datieren. Ob scheinbar nur den Zufahrtsweg betreffen. Da die die verfärbte Seekreide KanSan 1-Nord (Abb. 382 jüngeren Dendrodaten aus den Leitungsgräben und 395) eine ehemalige Siedlungsschicht reprä- kaum eine Rekonstruktion von Grundrissen zu- sentiert, bleibt offen. lassen, bleibt das Wissen zu dieser grossflächigen Siedlungsanlage (Abb. 344) limitiert. Um 2675 Schichten KanSan A-E v. Chr. brechen die Schlagdaten ab (Abb. 315); sie Das schnurkeramische Kulturschichtpaket kon- umfassen eine Zeitspanne von 42 Jahren. Die etwa zentriert sich auf den mittleren und südlichen Teil 100 Jahre jüngere Siedlung Mozartstrasse, Sch. 2 des Seefelds (Abb. 80). Im landseitigen Teil des ist aufgrund ihrer Schlagdaten (2625-2568 v. Chr.)

5 Rezensionen Peter J. Suter sogar noch etwas länger, d. h. mehr als 60 Jahre ge- 341-342). Eine identische Wandscherbe zum grös- nutzt worden. seren Exemplar wurde Jahre später in der Schicht 9 des Leitungsgrabens KanSan gefunden – auch Bohrungen und Utoquai (südliches Seefeld) hier in sekundärer Lage. Ihre ursprüngliche Her- Bei den Trockeneisbohrungen im Areal See- kunft bleibt unbekannt, doch ist es durchaus hofstrasse 6 zeichneten sich im südlichen Bereich möglich, dass sich ein knappes Jahrtausend vor zwei besser erhaltene Kulturschichten ab, die der den genannten Siedlungsresten auf der Zürcher Bearbeiter mit den Schichten KanSan 3 (Horgen C) Strandplatte in der (näheren?) Umgebung eine und KanSan A-E (Schnurkeramik) verbindet. Sie Niederlassung einer wesentlich älteren Bauern- ergeben zusätzliche Anhaltspunkte zur seeseiti- gesellschaft gelegen hat. gen Ausdehnung dieser Dörfer. Die Aufarbeitung der Dokumente der Untersuchungen 1928 bis 1962 Um 4300 v. Chr.: erste Pfahlbauten auf dem Kleinen gibt einen Einblick in die Herkunft der Horgener Hafner und schnurkeramischen Fundkomplexe, die Itten Die ältesten Hausspuren am Ausfluss des Zürich- (1970, Taf. 31-35) bzw. Strahm (1971, Taf. 3-27) pu- sees stammen vom Kleinen Hafner (Sph. 5A-5B/C; bliziert haben. Die horgenzeitlichen Schichten im Abb. 1 u. 2 Nr. 1). Vier 14C-Daten (von Pfählen und südlichen Seefeld können leider nicht einfach mit liegenden Hölzern) ergeben einen recht weiten Da- den Dörfern Horgen A-C in den Bereichen KanSan tierungsspielraum von 4450-4250 calBC (1σ-Wert). und Pressehaus parallelisiert werden, und einige Das Fundmaterial entspricht weitgehend demje- Scherben aus Schicht Utoquai 3 sprechen für die nigen der namengebenden Dorfanlage Egolzwil Existenz jüngerer Dorfreste (Hardmeyer, 1994, 96 3 im Wauwilermoos, von der eine Dendrodatie- und Abb. 138). Auch die stratigraphische Verbin- rung (Kat. B) vorliegt: 4282-4275 v. Chr. Damit dung der nördlichen (KanSan/Pressehaus) und dürfte auch die früheste Besiedlung des Zürichsee südlichen schnurkeramischen Schicht ist nicht ge- Ufers zwischen 4300 und 4250 v. Chr. zu datieren geben, aber Ruckstuhl und Baum verbinden die im sein. Aufgrund der Insellage und des begrenzten Areal Utoquai-Panorama dokumentierte Palisade Platzes (<1.000 m2) rechne ich mit einer eher klei- (Abb. 275-276) mit den schnurkeramischen Pfahl- nen, allenfalls mittelgrossen Häusergruppe mit reihen aus Weichholz vom Pressehaus. Davon 8-12 Gebäuden. Die Trennseekreide zum Schicht- leiten sie ein mehr als 200 m langes Siedlungsare- paket 4 repräsentiert einen Wasserspiegelhoch- al zwischen Seehofstrasse und Färberstrasse ab stand mit Kalkausfällung und einen Siedlungs- (Abb. 396), das in der Bucht zwischen der Land- unterbruch. Gemäss dem allseits akzeptierten zunge beim Opernhaus (Grabung Mozartstrasse) Forschungsstand sind die rundbodigen (Koch-) und dem Delta des Hornbachs liegt. Möglicher- Töpfe mit Henkelösen auf südwestliche Töpfer- weise weisen einige typologisch jünger anmutende traditionen zurückzuführen, während die feinke- Gefässe (Strahm, 1971, Taf. 5,1-4) in Richtung einer ramischen Schulterbecher gegen Norden (Elsass, späteren Dorfanlage der Schnurkeramik. Südwestdeutschland) weisen. Bereits zu Beginn der Ufersiedlungen im voralpinen Mittelland spre- chen die vergesellschafteten Fundmaterialien für Siedlungsgeschichte am unteren Zürichsee- eine Vernetzung der Ackerbauer und Viehhalter Becken in unterschiedliche Richtungen, welche dem alt- hergebrachten, von der Kulturkreislehre übernom- Aus der Seekreide 0.7 der Grabung Mozartstras- menen „Kultur-Kästchen-Denken“ entgegen läuft. se, also unterhalb der Kulturschicht 5/6, stammen Pollen früher Kulturzeiger. So treten in den Pol- 4200-3800 v. Chr.: Siedlungen am Seeausfluss lenproben KM6 (Erny-Rodmann et al., 1997, Abb. Ziel der Tauchgrabung Kleiner Hafner 1981-84 3). regelmässig rechte hohe Getreidewerte (Cere- war es u.a., die zahlreichen Einzelstraten des bis alia; ca. 4 %), Artemisia (Beifuss) sowie Plantago zu 60 cm mächtigen Schichtpakets 4 feinstratigra- lanceolata (Spitzwegerich) auf. Aufgrund eines phisch abzutragen und das Fundmaterial aufzu- 14C-Datums datiert KM6 in die erste Hälfte des 5. trennen. Die Keramikkomplexe und 14C-Daten Jahrtausends vor Chr.: 5865 ±89 BP = 4880-4610 zeigen heute, dass sich die Dorfruinen auf einen calBC (1σ-Wert). In diesen Zeitraum passen zwei Zeitraum von etwa 300 Jahren verteilen (Sph. 4A einstichverzierte Wandscherben aus der jüngeren bis 4F; Abb. 2,2). Bereits in der Sph. 4A zeigen Schicht 5 der Grabung Mozartstrasse, die typo- sich neben Gefässen in Egolzwiler Tradition auch logisch dem mittelneolithischen Grossgartach Töpfe und Töpfchen mit S-Profil und Knubben auf. zugesprochen werden (Bleuer & Gerber, 1994, Zum Formenspektrum, das sich im Laufe der Zeit

Rezensionen 6 Baum, T. et al. (2019). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld wandelt, gehören jetzt auch kugelige Gefässe mit jünger schätzen Bleicher und Walder die Weisstan- steilem Hals und Doppelösen, Flaschen und bald nenpfähle der Dendrogruppen DG 204, 211 und auch Henkelkrüge. Die Holzkohle des Brandhori- 214 (Abb. 306-309) ein, die sie mit Seefeld 9 be- zontes datiert die Sph. 4B in den Zeitraum 4200- zeichnen: 3900/3850-3800 calBC (Abb. 2,7). Beide 4050 calBC. In der Sph. 4E tauchen Schalen mit ab- Dörfer fallen demnach noch in die Phase Zürich- geflachtem Boden und durchbohrten Doppelösen Hafner (sog. Zürcher Cortaillod), aber eine mög- auf, wie sie später in der Westschweiz häufig sind liche Gleichzeitigkeit bleibt ungewiss. (z. B. Twann US). Neu ist auch der Import von Aphanit-Beilklingen aus den Vogesen. Die Sph. 4E 3750-3500 v. Chr.: gleichzeitige Siedlungen im ist einem Brand zum Opfer gefallen und vielleicht nördlichen Seefeld und am Rand des Sihldeltas unmittelbar danach wieder aufgebaut worden: Erst nach einem längeren Siedlungsunterbruch Sph. 4F. Die vier 14C-Proben aus dem Brandhori- setzten ab 3727 v. Chr. die Dörfer der Phase Zü- zont fallen in den Zeitraum 4000-3850 calBC, so rich-Seefeld (sog. Pfyn) ein. Die Schlagdaten des dass eine Datierung um 3900 v. Chr. auch zu den Dorfes KanSan 7/8 und AKAD/Pressehaus, Sch. J Schlagdaten der Siedlung Mozartstrasse, Sch. 5/6 enden etwa 3675 v. Chr. Entlang der Quaimauer passen würde. südlich vom Bauschänzli (Abb. 2,8) belegen ar­ Die Dendroarchäologie zur Mozartstrasse chäologische­ Untersuchungen eine Siedlung auf (Ebersbach, Ruckstuhl & Bleicher, 2015, Abb. 258 der Deltaschüttung der Sihl, deren Ausdehnung u. 261) schreibt die Schlagdaten von 25 Weisstan- unbekannt bleibt (Suter, 1984). Die Dendrochro- nenpfählen der Schicht 5/6 einer einzigen Dorf- nologie ergab für die Schichten 3.4-3.7 Schlag- anlage zu: demnach wurde diese um 3910 gebaut, daten zwischen 3717 und etwa 3700 v. Chr. Die am um 3885 v. Chr. saniert und bis 3861 v. Chr. un- Seeausfluss gelegenen Häuser standen also gleich- terhalten. Weil die unterschiedlich datierten Pfäh- zeitig mit dem Dorf Seefeld 7/8 (Abb. 2,9). le jeweils zu bestehenden Gebäudestrukturen In die Jahre um 3660 v. Chr. datiert die nächst- zu gehören scheinen (Bleicher, 2015b, 130 m. jüngeren Schicht 4A im Bereich der Siedlung Mo- Abb. 208 bzw. 147 u. Abb. 233), schliesse ich, dass zartstrasse (Abb. 2,10) (Bleicher, 2015b, Abb. 234). das Dorf knapp 50 Jahre lang genutzt und unter- Die besser erhaltenen Siedlungsreste Mozartstras- halten wurde. Es wird damit zum frühesten Beleg se, Sch. 4 (o+u) mit Schlagdaten 3612-3595 v. Chr. einer langen Nutzung einzelner Gebäude am Zü- (Bleicher, 2015b, Abb. 227; 235-237) gehören zu richsee. Innerhalb der Grabungsgrenzen dürfte einer Häusergruppe im Südosten der Grabungs- das Dorf weniger als 10 Gebäude umfasst haben fläche Abb.( 2,11). Die Zahl der deutlich jüngeren und kann damit als eher klein betrachtet werden. Schlagdaten (um 3568-3561 und 3539 v. Chr.) ist ge- Im Falle ihrer Gleichzeitigkeit ergäben die Häuser ring (Bleicher, 2015b, Abb. 227; 238-239). Ein bau- vom Kleinen Hafner (Sph. 4E/F, Abb. 2,2) und licher Zusammenhang von Mozartstrasse, Schicht der Mozartstrasse (Sch. 5/6, Abb. 2,3) zusammen 4 (o+u) mit den südlich angrenzenden, aber un- etwa 20 Gebäude mit vielleicht 100-150 Bewoh- datierten Siedlungsresten Seefeld 5/6 (Abb. 2,12) nern – wohl mehr als die Hälfte davon Kinder. (Abb. 368) bleibt fraglich, ist jedoch denkbar. Zwischen der Quaibrücke und dem Bau­ Für die ältesten Siedlungsreste am Westufer schänzli­ finden sich letzte Zeugen eines - Pfahl des Sees fehlen absolute Datierungen. Die Fund- baus, die durch Rutschungen und Ausbagge- komplexe von der Breitingerstrasse (Lassau, 1998; rungen weitgehend zerstört wurden (Ruoff, 1979, Kustermann, 1988) sind bis dato nur typologisch da- Abb. 5; Abb. 2,4). Das Keramikensemble datiert tiert: 3600-3500 v. Chr. Die verschiedenen, teils zeit- die untersuchten Kulturschichtreste typologisch gleichen und teils nachfolgenden Siedlungsstruk- in den Zeitraum Kleiner Hafner, Sph. 4A-C. Eher turen der Phase Zürich-Seefeld (sog. Pfyn) scheinen etwas jünger dürfte die Funde der unteren, mehr- eher kleine bis mittelgrosse Dorfanlagen zu reprä- phasigen Kulturschichten vom Grossen Hafner sentieren. Vielleicht übernahmen die Bewohner des datieren (Ruoff, 1981, Abb. 58-59; Abb. 2,5). Dorfes Bauschänzli besondere Aufgaben, z. B. den Damit bleibt noch die Frage nach der zeitlichen Fischfang in der und der Sihl oder die Her- Stellung von Kleiner Hafner, Sph. 4G und Kan- denhaltung in den Auen des Sihldeltas. San/Pressehaus, Sch. 9/L. Im kleinen Keramik- komplex 4G (Abb. 2,6) würde ich heute eher die Um 3400 v. Chr.: kurze Besiedlungsphase der nach Westen weisenden Elemente betonen und Strandplatte deshalb den Fundkomplex typologisch noch vor Wenige Pfähle im Bereich AKAD/Pressehaus oder um 3850 v. Chr. datieren, also ans Ende der und KanSan Seehofstrasse (Abb. 2,13) datieren Schlagdaten von Mozartstrasse, Sch. 5/6. Als etwas nach 3450 bzw. um 3420 v. Chr. Stimmen diese

7 Rezensionen Peter J. Suter

Abb. 1 Tabelle der Fundkomplexe am unteren Zürichsee-Becken und ihre Datierung (14C-Daten calBC, Schlagdaten v. Chr.).

Rezensionen 8 Baum, T. et al. (2019). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld

Abb. 2 Der Plan der Dorfanlagen am unteren Zürichsee-Becken (rechtes Ufer und Inseln) zeigt schematisch die Lage und ungefähre Ausdehnung der neolithischen Siedlungen zwischen der Limmat und dem Zürihorn.

Fälldaten, sind sie Zeugen einer bis auf die Pfahl- Abb. 2,14) und von der Grabung Opéra (Opéra 1; spitzen erodierten Dorfanlage auf der Strandplat- 3234-3226 v. Chr.; Abb. 2,15). Sie werden durch te des Seefelds. das Dorf KanSan 4 abgelöst (3226-3193 v. Chr.), das laut Schlagdaten seinerseits mit Gebäuden 3250-2750 v. Chr.: die spätneolithischen Dörfer vom Kleinen Hafner (Sph. 3B; Abb. 2,14) sowie werden grösser und sind teilweise gleichzeitig von der Inselsiedlung (Abb. 2,16) Die ersten Häuser nach 3250 v. Chr. verzeichnen gleichzeitig ist. Hypothese bleibt meine Mutmas- wir vom Kleinen Hafner (Sph. 3A; um 3230 v. Chr.; sung, dass ihren Bewohnern möglicherweise spe-

9 Rezensionen Peter J. Suter zielle Aufgaben zukamen (vgl. oben). Die ältesten gangsphase gehören. So oder so scheinen in der Schlagdaten von Seefeld 4 (3226-3220 v. Chr.; Mitte des 28. Jahrhunderts v. Chr. neue Haus- Abb. 2,17) finden sich im Bereich Dufourstrasse, grundrisse aufzutauchen. aber das Dorf wächst bis 3200 v. Chr. bis zur heu- tigen Uferpromenade. Die Pfähle der jüngeren 2750-2500: das grosse Siedlungsareal der Siedlungsphase Seefeld 3 (Abb. 2,17) (3176-3158 Schnurkeramik v. Chr.) finden sich wiederum nur landeinwärts. In der Nordwestecke der Grabung Opéra gehö- Dies kann für einen wechselnden Wasserspiegel ren die Eichenpfähle der DG 52 mit Endjahr 2727 sprechen. Gleichzeitig zu Seefeld 3 – und vielleicht v. Chr. zu schnurkeramischen Gebäudegrundris- als Ersatz für den seenahen Teil des Dorfes See- sen (Bleicher & Burger, 2015, Abb. 143 und Taf. 33, feld 4 – stand etwa 200 m weiter nördlich das Dorf unten). Weil aber keine Waldkante vorliegt, ist mit Opéra 3 (Abb. 2,15) (Sch. 13; 3176-3153 v. Chr.) mit einem wenige Jahre späteren Baubeginn der Phase fünfzehn Gebäuden auf einer Fläche von 1500 m2 Opéra 8 (Abb. 2,27), d.h. um 2725 v. Chr., zu rech- (Bleicher & Burger, 2015, Abb. 130-133). Allein das nen. Um 2718 v. Chr. ist der Baubeginn Dorfes See­ nördliche der beiden Dörfer, war somit wohl ähn- feld A-E (Grabungen Pressehaus/AKAD, Sch. C2 lich gross oder grösser als die Häusergruppen des und KanSan, Sch. A-E; Abb. 2,28) zu veranschla- Jungneolithikums. Das etwas jüngere Dorf Mo- gen. In der Folge wuchs das Dorf zum See hin und zartstrasse, Sch. 3 (Abb. 2,18) (3119-3098 v. Chr.) reichte nach 2700 v. Chr. bis zur heutigen Uferpro- umfasst laut Ebersbach, Ruckstuhl & Bleicher menade (Abb. 340 und 343). 2675 v. Chr. brechen (2015, Abb. 281) zwölf bis fünfzehn Gebäude. We- die Schlagdaten ab (Abb. 315). Laut den Autoren nig bekannt sind bis anhin die spätneolithischen begleiten landseitig lineare Pfahlreihen (Z1-Z4) Siedlungsreste vom Westufer des Sees: Wollis­ aus Pappeln, Haseln und Erlen das grossflächige hofen-Haumesser (3196/3182 v. Chr.; Ruoff, 1981, Siedlungsareal mit einer Nord-Süd-Ausdehnung 58), Mythenschloss (Sch. 3; Graf, 1984; 1987) und von >150 m (Abb. 405). Verkörpern diese Pfahl- Breitingerstrasse/Rentenanstalt (Lassau, 1998). reihen, die nur teilweise gegen Süden verfolgbar Die Schlagdaten des 31. Jahrhunderts (um sind, tatsächlich verschiedene Dorfzäune, oder 3090, 3078, 3065 v. Chr.) erlauben keine Aussagen könnte es sich auch um einen Weg handeln, der zu den Baustrukturen dieser Dörfer (Abb. 1. u. um das Dorf herumführte? Zudem stellt sich die 2 Nrn. 19-21). Die Fälldaten um 2885 v. Chr. aus Frage, ob die schnurkeramische Schicht der Areale dem nördlichen Bereich des Leitungssanierung Utoquai-Panorama und Färberstrasse ausschliess- KanSan 2A (Abb. 2,22), vom südöstlichen Vier- lich zum Dorf Seefeld A-E (2718-2675 v. Chr.) ge- tel der Grabungsfläche Mozartstrasse, Sch. 2B/C hört oder teilweise jünger ist. (Abb. 2,23) und vom Parkhaus Opéra, Schicht 16 Im Areal Mozartstrasse datieren die ersten (Abb. 2,24) (Bleicher & Burger, 2015, 134-135 u. schnurkeramisch Pfähle der Schicht 2A um 2701- Abb. 140-141) sind beinahe 200 Jahre jünger. Nach 2700 v. Chr. (Abb. 2,29). Nach einer längeren Sied- einem erneuten Schlagdaten-Unterbruch von etwa lungslücke entstand auf dem Geländesporn west- 60 Jahren markieren die jüngsten datierten Pfähle lich vom Opernhaus das Dorf Mozartstrasse, Sch. vom Kleinen Hafner, Sph. 2C/D (Abb. 2,25) (2802- 2 (Abb. 2,30). Über die Rekonstruktion des Dorf- 2781 v. Chr.; Suter, 1987, 75 u. Abb. 47) die Reste plans und der Baugeschichte (Eberbach, Ruckstuhl einer späten Horgener Siedlung. Für die Fälldaten & Bleicher, 2015, Abb. 294-295) habe ich mich schon um 2760 und 2750 v. Chr. vom Zürichsee können einmal kritisch geäussert und eine Alternative vor- wir zuweilen vermuten, dass sie zu Scherben von geschlagen (Suter, 2017b, 285-289 mit Abb. 4a+b). steilwandigen, kaum verzierten Kochtöpfen gehö- Diese rechnet mit einer älteren, abgebrannten Sied- ren; so z. B. im Falle von Wollishofen-Strandbad lung mit Baudaten 2624-2606 v. Chr. (Sch. 2 unten (Suter, 2017, 281 u. Abb. 439b, unten-rechts). + Brandhorizont), einem Wiederaufbau des Dorfes Problematisch bleibt die Zuweisung der ab 2603 v. Chr. (Sch. 2.1) sowie Unterhaltsarbeiten Schlagphase 2752-2749 v. Chr. der Grabung Park- bis 2568 v. Chr. Das jüngere Dorf umfasst innerhalb haus Opéra. Da eine stratigraphische Verbindung der Grabungsgrenzen sechszehn rechteckige Bau- der Schicht 17 Nord (Schnurkeramik) und den ten unterschiedlicher Länge und Breite. Erst rund teils mehrschiffigen oder quadratischen Gebäu- 50 Jahre später, 2516-2510 v. Chr., repräsentieren destrukturen 17 Süd, d.h. Opéra 7 (Abb. 2,26), vier Hausgrundrisse im landseitigen Bereich der fehlt (Bleicher & Burger, 2015, 135-137; Abb. Grabung Mozartstrasse (Eberbach, Ruckstuhl & 142), können die Baudaten 2752-2749 v. Chr. zu Bleicher, 2015, Abb. 257-258) eine jüngste schnur- einer spätesten Horgener Siedlung, zu frühsten keramische Häusergruppe (Abb. 2,30) im Zürcher Häusern der Schnurkeramik oder zu einer Über- Seefeld (Schicht 1A).

Rezensionen 10 Baum, T. et al. (2019). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld

Auch am Westufer beginnen die sicher end- zur Siedlungsdynamik (Abb. 406-407). Gemäss neolithischen Schlagdaten ab 2724 v. Chr.: Brei- den Legenden, in die sich übrigens einige Fehler tingerstrasse (Lassau, 1998) und Wollishofen- eingeschlichen haben, finden sich die Dörfer stets Strandbad (Hardmeyer & Ruoff, 1983). Sie enden im Ausdehnungsbereich der Seepegel 405,5 müM vorerst um 2680 v. Chr.: Breitingerstrasse und My- bzw. 406 müM. thenschloss, Sch. 2 unten (Graf, 1987). Mehr als Zu den zahlreichen Abbildungen des Buches 130 Jahre jünger ist die Schlagphase 2548 v. Chr. ist zu vermerken, dass die Pläne in der Regel mit- der Grabung Mythenschloss (Sch. 2 oben). Damit tels Datenbanken und einfacher Grafiksoftware ist die neolithische Besiedlung der Strandplatten erstellt wurden und die Massstäbe nicht genormt auf dem Gebiet der Stadt Zürich abgeschlossen. sind, was deren Leserlich- und Vergleichbarkeit Sechs 14C-Daten datieren die nächst jüngeren, abträglich ist. Eine weitere Knacknuss bilden die frühbronzezeitlichen Siedlungsruinen von der zu kleinmassstäbigen Pfahlpläne. Einerseits begin- Mozartstrasse (Sch. 1) in den Zeitraum 1900 bis nen sich die Symbole der einzelnen Pfähle schon 1750 calBC. bald einmal zu überdecken und andererseits sind die verschiedenen Symbole und Farben im Druck teils kaum auseinanderzuhalten. Problematisch Fazit ist auch die Verwendung von gleichen Symbolen für Pfähle mit Waldkante-, Splint- oder Kernholz- Der Band 3 der Reihe „Jungsteinzeitliche Ufersied- daten. Ferner fehlen eine Beschriftung der Pfähle lungen im Zürcher Seefeld“ vermittelt einen wert- und dazugehörige Datentabellen mit Angaben vollen Einblick in die jahrzehntelange Grabungs- zur Lage, zur Holzart, zum Endjahr, zum sicheren und Forschungstätigkeit zwischen dem Zürcher oder geschätzten Fälldatum, zur Anzahl Jahrrin- Opernhaus und dem Strandbad Utoquai – notabe- ge, zum Wachstumsbeginn oder, dort wo mög- ne aus der Sicht der aktuellen Forschergeneration lich, die Zuweisung zu einer Baustruktur u.a.m. um Niels Bleicher. Es wundert daher wenig, dass Um die nötige Transparenz zu schaffen, wäre es die Methoden und das Vorlageschema der Opéra- ein Leichtes, statt einer CD-Beilage download- Bände (Schichten, Lehmstellen, Dendrochronolo- und zoombare Pläne sowie Excel-Tabellen auf der gie und Synthese) übernommen wurden und die Homepage der Institution ins Netz zu stellen (z. B. dortigen Ergebnisse – im Sinne eines „back to the Suter, 2017a). Durch die Veröffentlichung solcher roots and Ferdinand Keller“ – weiter gepflegt werden. Grunddaten können die Leser die publizierte In- Folgerichtig stehen die jung-, spät- und endneoli- terpretation nachvollziehen oder nach einer ei- thischen Dörfer die meiste Zeit des Jahres über in genen Alternativlösung suchen. Vielleicht kann hüfttiefem Wasser und das darunterliegende Ter- mein Wunsch ja noch nachgeholt werden? rain der Strandplatte fällt allenfalls kurzfristig tro- Bei der Besprechung der diversen Siedlungs­ cken. Klimatisch bedingte Seespiegelhochstände, areale am rechten Ufer des Zürichsee-Beckens ha- die zu kürzeren und längeren Siedlungsunterbrü- ben wir eine Streuung der Standorte über eine Di- chen führten, gab es nicht. Dazu stellt sich aller- stanz von etwa 500 m festgestellt (Abb. 1 u. 2). Für dings die Frage, wie es ohne Pegelerhöhung zur das Jungneolithikum sind am rechten Seeufer (Mo- Bildung von Seekreideschichten (Kalkausfällung) zartstrasse – nördliches Seefeld) keine zeitgleichen zwischen den Kulturschichten kommen konnte. Dorfanlagen belegt; hingegen finden sich teils syn- Zudem blenden die Autoren bei ihrer Hypothese chrone Häusergruppen auf den vorgelagerten In- verschiedene Faktoren aus: So nehmen sie zum seln (Kleiner und Grosser Hafner) und im Bereich einen die bereits 1981 erwähnte, schwer quantifi- des Sihldeltas (linkes Limmat­ufer). Die Lage der zierbare Schichtpressung über dem eiszeitlichen jüngeren, spät- und endneolithischen Dörfer streut Untergrund und die Schichtrutschungen an der vom Sechseläutenplatz bis zum Strandbad Uto- Halde kaum in ihre Betrachtungen auf. Zum an- quai. Für den Zeitraum 3176 bis 3153 v. Chr. ver- deren wird auch eine mehrheitlich trockenlie- zeichnen wir erstmals zwei gleichzeitige, grössere gende Strandplatte mit abgehobenen Häusern Dorfanlagen im Abstand von rund 200 m zuein­ jährlich mehrmals stark durchnässt, z. B. bei Dau- ander (Opéra 3 und Seefeld 3). Zwischen den jün- erregen und Schneebedeckung, oder überflutet, geren Horgener Dörfern (3100-2800 v. Chr.) finden z. B. bei Stürmen und Wellengang. Die als Beleg sich teils längere Schlagdatenlücken, die mit dem für Wasserbauten herangezogenen Wasserzeiger Fehlen von Eichenhölzern bzw. der Nutzung an- können also mehrmals pro Jahr in die vom Spe- derer Bauhölzer oder aber mit tatsächlichen Sied- zialisten analysierte Schichtprobe gelangt sein. lungslücken erklärt werden können. Spätestens Bleichers These zeigt sich auch in seinen Grafiken ab der zweiten Hälfte des 31. Jahrhunderts v. Chr.

11 Rezensionen Peter J. Suter werden die Schlagdaten auch an den Jurafussseen rar bzw. fehlen die dazugehörigen Kulturschich- Bleicher, N. (2017a). Dorforganisation und Hausbau. ten. Wie am Zürichsee werden die Ufer des Bie- In N. Bleicher & Chr. Harb (Hrsg.), Zürich-Parkhaus lersees erst nach 2900 v. Chr. wieder regelmässig Opéra. Eine neolithische Feuchtbodenfundstelle. Band besiedelt (Phase Lüscherz). Ab etwa 2720 v. Chr. 3: Naturwissenschaftliche Analysen und Synthese. (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich, 50). entstand im südlichen Seefeld innert 40 Jahren eine (p. 202-215). Zürich/Egg: Kantonsarchäologie Zürich. grossflächige Siedlung, wobei aufgrund der beste- henden Informationen unklar bleibt, welche Areale Bleicher, N. (2017b). Überlegungen zu gleichzeitig bewohnt wurden. Letzte Reparaturen Fundverteilungsfaktoren. In: N. Bleicher & Chr. fielen um 2675 v. Chr. an. Für diesen Zeitraum Harb (Hrsg.), Zürich-Parkhaus Opéra. Eine neolithische können wir am Bielersee ähnliche Entwicklungs- Feuchtbodenfundstelle. Band 3: Naturwissenschaftliche tendenzen feststellen, wobei sich die schnurkera- Analysen und Synthese. (Monographien der mischen Gefäßformen nur allmählich durchsetzen. Kantonsarchäologie Zürich, 50). (p. 189-201). Zürich/ Um 2625 v. Chr. brechen dort die Schlagdaten ab. Egg: Kantonsarchäologie Zürich. Am Zürichsee entsteht zu diesem Zeitpunkt das Dorf Mozartstrasse, Schicht 2, die jüngste grössere Bleicher, N. & Burger, M. (2015). Dendroarchäologie und Pfahlfeldanalyse. In: N. Bleicher & Chr. Harb Siedlung im Bereich des Seeausflusses (2625-2598 (Hrsg.), Zürich-Parkhaus Opéra. Eine neolithische v. Chr.). Ohne Beweggründe zu liefern, stellt Blei- Feuchtbodenfundstelle. Band 1: Befunde, Schichten cher (S. 261) fest, „dass die Besiedlung am untersten und Dendroarchäologie. (Monographien der Zürichsee während des Spät- und Endneolithikums Kantonsarchäologie Zürich 48). (p. 100-146). Zürich/ – wie schon im Jungneolithikum – stark von […] fle- Egg: Kantonsarchäologie Zürich. xibler lokaler Neuorganisation geprägt war.“ Dorfver- lagerungen waren auch innerhalb der Siedlungs- Bleuer, E. et al. (1993). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen kammern am Bielersee gang und gäbe. Auslöser im Zürcher Seefeld. Ausgrabungen Kanalisationssanierung konnten der ruinöse Zustand der Gebäude im al- 1986-1988. Band 2: Tafeln. Zürcher Denkmalpflege. ten Dorf, ein verfügbarer Bauplatz und/oder Ver- (Archäologische Monographien, 23). Egg/Zürich: änderungen des Uferverlaufs sein. Letztere waren Kantonsarchäologie Zürich. zumindest teilweise auf längerfristige Änderungen Bleuer, E. & Gerber, Y. (1994). Zwei des Seespiegels zurückzuführen. zusammengehörende Grossgartacher Scherben Abschliessend möchte ich konstatieren, dass aus zwei Siedlungen des Zürcher Seefelds. In E. die grundsätzlichen Ansichten des Autorenkollek- Bleuer & B. Hardmeyer, Zürich „Mozartstrasse“. tivs (Monographie) bzw. des Rezensenten – trotz Neolithische und bronzezeitliche Ufersiedlungen, Band gleicher Ausgangslage (Pfahlfeld und Datierung) 3: Die neolithische Keramik. (Monographien der – in wesentlichen Punkten zu unterschiedlichen Kantonsarchäologie Zürich, 18). (p. 341-342). Egg/ „Bildern der Pfahlbauten“ geführt haben – wobei Zürich: Kantonsarchäologie Zürich. wohl beide Meinungen nur den aktuellen Stand des Irrtums repräsentieren. Ebersbach, R., Ruckstuhl, B. & Bleicher, N. (2015). Zürich „Mozartstrasse“. Neolithische und bronzezeitliche Ufersiedlungen. Band 5: Die neolithischen Befunde und die Dendroarchäologie. (Monographien der Literatur Kantonsarchäologie Zürich, 47). Zürich/Egg: Kantonsarchäologie Zürich. Bleicher, N. (2015a). Theorien und Interpretationen zur Topographie und Architektur. In N. Bleicher Erny-Rodmann Chr. et al. (1997). Früher „human & Chr. Harb (Hrsg.), Zürich-Parkhaus Opéra. Eine impact“ und Ackerbau im Übergangsbereich neolithische Feuchtbodenfundstelle. Band 1: Befunde, Spätmesolithikum-Frühneolithikum im Schichten und Dendroarchäologie. (Monographien der schweizerischen Mittelland. Jahrbuch der Kantonsarchäologie Zürich, 48.) (p. 198-202). Zürich/ Schweizerischen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, Egg: Kantonsarchäologie Zürich. 80, 27-56.

Bleicher, N. (2015b). Dendrochronologie und Graf, M. (1984). Zürich, Mythenquai 22-28. Pfahlfeldanalyse. In R. Ebersbach, B. Ruckstuhl & Fundbericht. Jahrbuch der Schweizerischen Gesellschaft N. Bleicher, Zürich „Mozartstrasse“. Neolithische und für Ur- und Frühgeschichte, 67, 180-184. bronzezeitliche Ufersiedlungen. Band 5: Die neolithischen Befunde und die Dendroarchäologie. (Monographien der Graf, M. (1987). Zwei datierte Fundkomplexe der Kantonsarchäologie Zürich, 47). (p. 122-165). Zürich/ schnurkeramischen Kultur aus der Seeufersiedlung Egg: Kantonsarchäologie Zürich. Zürich-Mythenschloss. Zeitschrift für schweizerische

Rezensionen 12 Baum, T. et al. (2019). Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher Seefeld

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Lassau, G. (1998). Neolithische Seeufersiedlungen: Suter, P. J. (2017b). Dendroarchäologie und deren Zürich-Breitingerstrasse 5-9. In Archäologie im Kanton Bedeutung für die Rekonstruktion von Ufersiedlungen Zürich, 14. Bericht 1995-1996. (p. 271-283). Zürich. in ihrer Umgebung. Archäologie Bern. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2017, 282-293.

13 Rezensionen Peter J. Suter

Suter, P. J. & Hafner, A. & Glauser, K. (2005). Lenk - Schnidejoch. Funde aus dem Eis - ein vor- und frühgeschichtlicher Passübergang. (Archäologie im Kanton Bern, 6B). Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern 2005, 499-522.

Dr. Peter J. Suter Dorfplatz 11 3045 Meikirch Schweiz [email protected]

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