Baum, T., Bleicher, N., Ebersbach, R., Ruckstuhl, B., Walter, F. & Weber, M
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Early View: Zitierfähige Online-Fassung mit vorläufiger Seitenzählung. Nach Erscheinen des gedruckten Bandes finden Sie den Beitrag mit den endgültigen Seitenzahlen im Open Access dort: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/arch-inf Den gedruckten Band erhalten Sie unter http://www.archaeologische-informationen.de. Early View: Quotable online version with preliminary pagination. After the printed volume has appeared you can find this article with its final pagination as open access publication there: http://journals.ub.uni-heidelberg.de/archBaum, T. et-inf al. The (2019). printed Jungsteinzeitliche volume will be available Ufersiedlungen there: http://www.archaeologische-informationen.de im Zürcher Seefeld . Rezension zu: Baum, T., Bleicher, N., Ebersbach, 402,50 müM der Abflussschwelle des Zürich- R., Ruckstuhl, B., Walter, F. & Weber, M. (2019). sees, welche bereits von Schindler (1981) fest- Jungsteinzeitliche Ufersiedlungen im Zürcher gehalten wurde. Seefeld. Ausgrabungen Kanalisationssanierung, 2. Wenn es tatsächlich während der etwa Pressehaus, AKAD und Utoquai 3: Die Sied 1800-jährigen neolithischen Besiedlung der lungsgeschichte. (Monographien der Kantons Seeufer keine „über die saisonalen Oszillationen archäologie Zürich, 52). Zürich: Kantonsarchäo hinausgehende Seepegelschwankungen“ (S. 238) logie Zürich. 304 Seiten, 407 meist farb. Abb., gegeben hat, müssten wir eigentlich eine Sied- Anhang u. 2 Beilagen. ISBN 978-3-906299-22-8 lungskontinuität annehmen. Das scheint aber (Hardcover), ISBN 978-3-90629923-5 (E-Book). nicht der Fall gewesen zu sein, denn auf die mittels Dendrochronologie und 14C-Daten eru- Peter J. Suter ierten Siedlungsphasen folgen immer wieder kürzere oder längere Siedlungslücken, für die Der dritte Band der Reihe „Jungsteinzeitliche Ufer- datierte Bauhölzer oder undatierte Pfahlfelder siedlungen im Zürcher Seefeld“ stellt erstmals die fehlen. Entweder wurde in diesen Momenten Befunde zu den verschiedenen Uferdörfern zwi- eine Bauweise angewendet, die keinerlei Spu- schen dem Opernhaus und dem Seebad Utoquai ren (Pfähle, Kulturschichten) hinterliess, oder ausführlich zusammen. Dazu werden die Doku- diese wurden nachträglich vollständig ero- mente von Untersuchungen unterschiedlicher diert. Wahrscheinlicher scheint mir aber, dass Qualität zwischen 1928 und 2017 vorgestellt. die Strandplatte zeitweilig so hoch überflutet Um die nachfolgenden Aussagen und Bemer- war, dass sie verlassen und die Dörfer wei- kungen zu verstehen, ist es m.E. wichtig, dass ter landeinwärts errichtet wurden. Während von Anfang an klar ist, von welchen Prämissen dieser Perioden wurden die verlassenen Sied- die Autorinnen und Autoren des Seefeld-Bandes lungsruinen durch eine aus dem kalkreichen 3 ausgehen. Ihre Grundhaltung können wir Wasser ausgefällte Seekreide überlagert. Der einem Textabschnitt im Kapitel VIII. Synthese Umstand, dass sich insbesondere die län- entnehmen, der mit „Fazit“ betitelt ist: „Sämtliche geren Siedlungslücken nicht auf den Zürich- vorliegenden Daten sprechen uneingeschränkt dafür, see beschränken und zeitgleich am Bodensee dass die in diesem Band vorgestellten Siedlungsreste und an den Jurafussseen auftreten, erhöht die auf Ufersiedlungen zurückgehen, die auf einer minde- Wahrscheinlichkeit, dass die langfristigen Pe- stens grösstenteils wasserbedeckten, sanft zur Seemitte gelschwankungen durch überregionale, kli- hin abfallenden Seekreidefläche standen. Diese endete matisch bedingte Ursachen ausgelöst wurden seeseitig in einer steilen Halde und ging landseitig in – z. B. durch die in den Eiskernen Grönlands einer klassischen Abfolge in die verschiedenen Gürtel festzustellende Schwankung der Sonnenein- der Ufervegetation über. Die Gebäude standen damit strahlung (dazu z. B. SUTER, HAFNER & GLAUSER, ganzjährig oder zumindest während des grössten Teils 2005, 517-519, Abb. 37; GROSS & MAISE, 1997, des Jahres im Flachwasser.“ (S. 238). Diese Hypothe- 88-93, Abb. 1). se wurde bereits im ersten Band der Trilogie zur 3. Ich möchte die als Hinweis für eine (fast) ganz- Grabung Zürich, Parkhaus Opéra postuliert und jährige Überflutung der Strandplatte gedeu- im betreffenden Band 3 mit naturwissenschaft- teten Reste von Zuckmückenlarven (Chirono- lichen Untersuchungen abgestützt. Dabei wur- miden) und Kleinkrebsen (Cladorecen) nicht den aber erneut wesentliche Faktoren übersehen in Abrede stellen. So deckt sich etwa die hö- oder ausser Acht gelassen, wie z. B.: here Konzentration ihrer Chitinstrukturen in 1. Die angenommene Höhe des neolithischen den Seekreideschichten (HEIRI ET AL., 2017, 33) Wasserpegels und die aus den Profilen ge- mit unserer Erwartung, weil ja die Seekreide- messenen Höhenkoten der Kulturschichten ausfällung von einer andauernden Wasser- entsprechen weitgehend den heutigen Ver- überdeckung abhängig war. Für die Zeit der hältnissen. Die Ausmasse der Rutschungen Kulturschichtbildung nehme ich hingegen nur an der Halde sowie die natürlichen bzw. vom saisonale oder gelegentliche Überflutungen Menschen verursachten (Aufschüttungen des an, etwa bei der Schneeschmelze im Frühling 19. Jahrhunderts) Schichtsetzungen (RUOFF, oder bei extremen Wetterlagen und Stürmen. 1981; SUTER, 1987) sind ohne diesbezügliche Möglicherweise ist auch die vermehrte Faltung Beobachtungen in der Natur schwierig zu be- und Fragmentierung der Kopfkapseln in den ziffern und kaum berücksichtigt worden. Der Kulturschichten Indiz dafür, dass diese von be- einzige fixe Faktor bleibt somit die Höhenkote wegtem Wasser verfrachtet wurden. Auch die Eingereicht: 11. Juni 2020 Archäologische Informationen 43, Early View angenommen: 16. Juni 2020 CC BY 4.0 online publiziert: 22. Juni 2020 1 Rezensionen Rezensionen Peter J. Suter Reste verschiedener Invertebraten (Wirbellose, STUHL & BLEICHER, 2015) wurden der vorliegenden Käfer) waren oft den starken mechanischen Monografie zusammengehängte Profilabbildun g Kräften des Wassers ausgesetzt. Sie leben nicht en mitgegeben (Beilagen 7.1 u. 7.2). Leider sind ausschliesslich im Wasser und ihre Biotopzu- die einzelnen Schichten nicht beschriftet, was die weisung ist teilweise schwierig (SCHÄFER, 2017, Lesbarkeit der Schichtabfolge zweifellos erhöht 145-146 u. Abb. 155). Zusätzlich muss betont hätte. Laut den SeeLandProfilen finden sich die werden, dass weder der Zeitpunkt noch die tiefst gelegenen Kulturschichten im Westen der Zeitdauer des Wassereinflusses in der Regel Seehofstrasse auf etwa knapp 402 müM und im näher bestimmt werden können. Er kann (fast) uferparallelen Profil Dufourstrasse um 404 müM. das ganze Jahr andauern (These der Autoren), Für das Neolithikum nehmen die Autoren einen saisonal (Schneeschmelze) oder vom Wetter ähnlich hohen Wasserpegel an wie heute: 405,5 (Stürme) bedingt sein. Aufgrund des minimal bis 406,0 müM (Abb. 2). Damit läge der mittlere nötigen Volumens einer Sedimentprobe und Jahrespegel um 1,5 m bis 2 m über dem Baugrund, in Unkenntnis ihrer zeitlichen Tiefe und Da- der also fast ganzjährig etwa hüfttief überflutet tierung muss ich also vor voreiligen Schlüssen war (vgl. auch BLEICHER, 2015a, Abb. 207). Wenn warnen. Je nach Hypothese sind Hundeverbiss wir aber eine Setzung und Pressung der nacheis- und Nagerspuren von Mäusen an den Kno- zeitlichen und neolithischen Schichten um 2 m chenabfällen (SCHIBLER & SCHÄFER, 2017, 123) annehmen, dürfte der Baugrund in den landsei- auf der Siedlungsplattform oder doch eher auf tigen Siedlungsbereichen einst auf 406 müM und trockenem Terrain unter und zwischen den damit deutlich über der oben erwähnten Abfluss- Häusern entstanden. schwelle des Zürichsees gelegen haben. Die heu- tige Mächtigkeit der organischen Kulturschichten ist für die Feststellung der einstigen Ausdehnung Kulturschichten, Lehmlinsen und eines Dorfes weniger entscheidend als das Vor- Baustrukturen im Seefeld handensein von Pfählen und Lehmlinsen. Die verfärbten Seekreidehorizonte reichen hingegen Die Befundvorlage der Ufersiedlungen im Zürcher oft weit über die Überbauungsfläche hinaus. Seefeld folgt im Wesentlichen den für die Befund- Die Lehmlinsen bestehen aus einem Gemisch vorlage Opéra erarbeiteten Kriterien: Zusammen- hauptsächlich anorganischer Materialien (Silt, setzung und Ausdehnung der Kulturschichten, Sand, Lehm, Kies) und werden mit Hausböden Umfang und Beschreibung der Lehmstellen, und/oder Feuerstellen (offene Herdstellen, Kup- Analyse der Bauhölzer (Holzart und Dendrochro- pelöfen) gleichgesetzt. Übereinander liegende nologie) sowie Synthese. Da die Ergebnisse der Lehmstellen können auf eine Erneuerung des verschiedenen Grabungen und anderer Untersu- Lehm estrichs und Feuerstellen hinweisen. Möglich chungen südlich des Opernhauses getrennt vor- ist aber auch, dass mehrphasige Lehmstellen eine gelegt werden, ergeben sich unweigerlich Wieder- schrittweise Ruinierung eines Hauses aufzeigen. holungen, die – je nach Bedeutung – im Kapitel Für die Baustrukturen (Häuser, Palisaden VIII: Synthese nochmals aufgeführt werden. und Wege) wurden unterschiedliche Holzarten Die Kulturschichten der jungsteinzeitlichen genutzt. Für die First- und Wandpfosten eines Siedlungsreste liegen über einer bis zu 8 m mäch- Hauses wurden im ersten Viertel des 4. Jahrtau- tigen Seekreide, die ihrerseits auf basalem Faul- sends v. Chr. oft gerade gewachsene Weisstannen schlamm und eiszeitlichen Seeablagerungen ruht verwendet. Im Dorf AKAD/Pressehaus/KanSan, (Abb. 2). Ihre Mächtigkeit nimmt von der Halde das um 3700 v. Chr. datiert, wurden neben Tan- zum Land ab. Sowohl die Seekreide als auch die nen vor allem Eichen verbaut, die in der Folge das organisch-mineralischen