Wien - Der Dritte Sitz Der UNO HARRY SCHLEICHER
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Wien - der dritte Sitz der UNO HARRY SCHLEICHER Dos neutrale Wien als Stätte internationaler Begegnung reichs im GATT, dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkom• Die altehrwürdige, von der Patina der Geschichte überzogene men. Reichs- und Kaisermetropole Wien, die nach dem Zerfall der Im Zuge ihrer aktiven Neutralitätspolitik gelang es der öster• Viel Völkermonarchie gelegentlich als ungesunder > Wasser• reichischen Regierung 1957, die IAEA nach Wien zu holen und kopf« einer geschrumpften Republik verächtlich gemacht hier fest anzusiedeln. Zehn Jahre später wurde von der wurde, war dieser Tage Schauplatz für ein spektakuläres 21. Generalversammlung die Donaumetropole zum Sitz einer internationales Ereignis. Am 23. August wurde dem General• zweiten UN-Organisation gekürt: der UNIDO. Damals ver• sekretär der UNO, Kurt Waldheim, das > Internationale Amts• pflichtete sich auch die allein von der ÖVP gestellte Regie• sitz- und Konferenzzentrum Wien« (IAKW), vom Volksmund rung, für IAEA und UNIDO, die verstreut in verschiedenen längst einfacher >UNO-City< genannt, zur Nutzung für die Gebäuden untergebracht wurden, einen definitiven und re• Vereinten Nationen feierlich übergeben. Zahlreiche Minister präsentativen Amtssitz zu schaffen. Es blieb Aufgabe der 1970 aus allen Herren Länder waren gleichfalls anwesend, da sie an die Macht gelangten sozialistischen Regierung von Bun• zur Teilnahme an der gleichzeitig in Wien stattfindenden UN- deskanzler Bruno Kreisky, dieses Versprechen einzulösen. Konferenz über Wissenschaft und Technologie im Dienste der Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß 1973, als der Entwicklung ohnehin in der österreichischen Hauptstadt weil• Bau der UNO-City begann, auch noch der Wissenschaftliche ten. Daß die politische Prominenz Österreichs praktisch voll• Ausschuß zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer ständig vertreten war, versteht sich am Rande, verspricht Strahlen (UNSCEAR) nach Wien kam. man sich doch von dem Ereignis für die Zukunft eine nicht Das Anliegen, Wien neben New York und Genf zum dritten unerhebliche Aufwertung Wiens. Bereits vor der Übergabe UN-Zentrum auszubauen, war allen österreichischen Regie• des in langjähriger Arbeit und mit großem Kostenaufwand rungen unabhängig von ihrer Pareizusammensetzung ge• fertiggestellten Gebäudekomplexes — eines der größten Hoch• meinsam. Es war ein integraler Bestandteil der Außen- und bauprojekte in der Geschichte des Landes, wenn nicht gar Innenpolitik dieses neutralen Landes. Neben dem unüberseh• das allergrößte — an die UNO hat dieser Akt viele Kommen• baren sicherheitspolitischen Eigeninteresse schwang aber bei tatoren zu der emphatischen Feststellung hingerissen, nun diesen Bemühungen stets auch ein aktiver Zug mit: die Be• sei die österreichische Hauptstadt Wien neben New York und reitschaft, in der Völkergemeinschaft einen Beitrag für mehr Genf endgültig und gleichberechtigt zum dritten Zentrum Verständigung und damit größere Sicherung des Weltfrie• der Vereinten Nationen aufgestiegen. dens im Rahmen der gegebenen bescheidenen Möglichkeiten zu leisten. Uneingestanden mag im Unterbewußtsein hierbei So richtig diese Aussage in ihrem Kern auch ist, haftet ihr auch der Hang mitgespielt haben, den Verlust einstiger Welt• doch eine etwas vordergründige, formale Betrachtungsweise geltung wenigstens dadurch etwas zu kompensieren, daß man an. Denn sicherlich ist Wien nicht erst durch die räumliche die Kulisse für weltpolitische Entscheidungen bereitstellte, Unterbringung der hier schon seit geraumer Zeit existieren• an denen man selbst nicht mehr teilhatte. den Organisationen des Systems der Vereinten Nationen, der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA) und der Dieses aktive Verhältnis zur UNO und die österreichische UN-Organisation für industrielle Entwicklung (UNIDO), in Neutralität wurden 1971 mit der Wahl des einstigen Wiener einem einzigen repräsentativen Gebäudekomplex in den Rang Außenministers Kurt Waldheim zum Generalsekretär der einer UN-Stadt erhoben worden. Fortan manifestiert sich Vereinten Nationen und seiner Wiederwahl 1976 für die ganze aber dieser Anspruch auch architektonisch weithin sichtbar. Welt sichtbar honoriert. In Wien sah man in dieser Wahl Fast noch stärker als der Glaspalast am East River prägt in nicht nur eine Würdigung der persönlichen Verdienste Dr. Anbetracht der hier noch vorhandenen Kontraste das neue Waldheims, sondern auch die Anerkennung für die von Öster• Wiener UN-Gebäude die Skyline am linken Donauufer. Die reich in den Vereinten Nationen erbrachten Leistungen. Ins• UNO-City hat in diesem eher provinziellen Stadtteil neue besondere auf dem Gebiet der Flüchtlingshilfe hatte das im städtebauliche Akzente gesetzt, den auch die >echten< Wiener Schnittpunkt der europäischen Teilung gelegene Land nach auf der rechten Uferseite nicht übersehen können. 1945 eine beträchtliche Bilanz vorzuweisen. Tausenden von Daß die Ubergabe des neuen Wiener UN-Komplexes durch Flüchtlingen war Asyl und eine neue Heimat gewährt oder Österreich an einen Österreicher (in der Person von UN-Ge• diese in Österreich vor ihrer Weiterreise betreut worden. neralsekretär Kurt Waldheim) erfolgte, symbolisiert ein• Folgerichtig etablierte sich auch das Amt des Flüchtlingskom• dringlich die Geschichte der immer intensiveren Beziehungen missars (UNHCR) mit einem Vertreter in Wien, der noch zwischen der Alpenrepublik und den Vereinten Nationen. Fast heute hier residiert. Österreich beteiligte sich auch wiederholt unmittelbar nach Abschluß des österreichischen Staatsver• an verschiedenen friedenssichernden Operationen der Ver• trages am 15. Mai 1955, der dem Land die volle Souveränität einten Nationen. So wurde während der Kongokrise zu Be• zurückgab und den Abzug der Besatzungstruppen bedeutete, ginn der sechziger Jahre ein Sanitätskontingent nach Afrika und der kurz darauf folgenden Erklärung der immerwähren• entsandt. 1964 wurde ein Feldspital auf Zypern errichtet. Seit den Neutralität ging die damals noch von den beiden großen 1973 sind österreichische Militäreinheiten im Nahen Osten — Parteien, der bürgerlichen Österreichischen Volkspartei (ÖVP), auf dem Sinai bzw. später auf den Golanhöhen — im Einsatz. die seinerzeit mit Julius Raab den Bundeskanzler stellte, und Die UN-Truppen auf dem Golan unterstanden außerdem dem der Sozialistischen Partei östereichs (SPÖ) getragene Koali• Kommando eines österreichischen Generals. tionsregierung daran, Wien zum Sitz internationaler Organi• Österreichs Anziehungskraft als Stätte internationaler Be• sationen zu machen. Am 14. Dezember 1955 war Österreich gegnungen wirkte aber auch in von der UNO unabhängige mit einstimmigem Votum aller damals 56 Mitgliedstaaten in bilaterale und multilaterale Bereich hinein. Zweimal war die Weltorganisation aufgenommen worden. Aber schon Jahre Wien Treffpunkt eines amerikanisch-sowjetischen Gipfeltref• vorher hatte Österreich in einigen UN-Organisationen tat• fens, dem zwischen Kennedy und Chruschtschow im Jahre 1961, kräftig mitarbeitet, so in der Ernährungs- und Landwirt• das wegen seiner Erfolglosigkeit den politischen Ruf Wiens schaftsorganisation (FAO) seit 1947, ein Jahr später in der aber eher belastete, und dem zwischen Carter und Breschnew Weltbank, im Internationalen Währungsfonds, in der Welt• im Juni 1979. Wien und Salzburg bildeten auch die Szenerie gesundheitsorganisation und in der Internationalen Zivilluft• für einige Nahostkontakte. Immer wieder war die Donau• fahrtorganisation (ICAO). 1951 folgte die Mitgliedschaft Öster• metropole Gastgeberin großer UN-Kongresse (Konferenzen Vereinte Nationen 4/79 125 über diplomatische und konsularische Beziehungen, Vertrags• und das Projekt als »Gigantomanie, Verschwendung und recht, friedliche Nutzung des Weltraums, internationalen Größenwahnsinn«. Ganz unschuldig an all dem waren aber Straßenverkehr). Hier fanden auch mehrere Runden der Zy• die sich nun sparsam-redlich gebenden einheimischen Kriti• perngespräche statt, wurde bzw. wird noch immer über SALT ker der Regierung Kreisky keineswegs. Es ging zu Lasten der sowie das Problem der Reduzierung von Truppen und Rü• vorhergehenden ÖVP-Regierung, daß sie der UNO die Er• stungen in Mitteleuropa (MBFR) zwischen West und Ost ver• richtung eines größenmäßig nicht von vornherein begrenzten handelt. Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständig• Büro- und Konferenzzentrums kostenlos zugesichert hatte. keit. Sie demonstriert aber hinreichend, welch hohen Stellen• Bei Planungsbeginn sprach man noch von 1050 bis maximal wert Österreich und in erster Linie seine Hauptstadt Wien 1300 Büroräumen. Auf dem Höhepunkt des Wunschdenkens als internationaler Treffpunkt errungen haben. Der jetzt er• verlangte man hingegen bereits einen Amtssitz für 7000 Be• folgende Ausbau der UNO-Präsenz ist also bestenfalls die amte. Die Regierung Kreisky wies solche Forderungen, zu Krönung eines Prozesses, den die österreichischen Regie• Recht wie sich bald bestätigen sollte, als überhöht zurück. rungen durch ihre aktive Neutralitätspolitik stets tatkräftig Beide Seiten kamen schließlich 1972 überein, das Projekt auf gefördert haben. 4500 Personen zu begrenzen. Nach der ersten Ölkrise und dem darauf folgenden Dollarschock erwies sich selbst diese redu• Baukosten — Baufinanzierung zierte Schätzung des künftigen Personalbestandes von IAEA So sehr sich UNO und Österreich in dem Bestreben entge• und UNIDO als zu hoch. Die österreichische Regierung blieb genkamen, Wien in den Rang des dritten UN-Sitzes zu er• aber trotzdem bei ihrem ursprünglichen Konzept. Umgekehrt heben, so ging die Verwirklichung