SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

86

3. Juni 1964: Fraktionssitzung

AdsD, SPD-BT-Fraktion 4. WP, Ord. 8. 1. 1964 – 9. 6. 1964 (alt 1035, neu 14). Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung am Mittwoch, d. 3. Juni 1964. Beginn: 15.15 Uhr«. An- wesend: 164 Abgeordnete; Fraktionsassistenten: Bartholomäi, E. Heinrich, Jäger, List, Niemeyer, Scheele, P. Schmidt, Schubart, Selbmann, Wedel, Winkel, Winninger; PV: Nelke, Ritter; Vorwärts: v. Puttkamer, Stallberg. Prot.: Laabs. Zeit: 15.15 – 18.20 Uhr.

Tagesordnung: 1. Politischer Bericht 2. Vorbereitung der Plenarsitzungen am 4. und 5. Juni 3. Vorlagen aus den Arbeitskreisen 4. Die nächsten Termine 5. Verschiedenes

Fritz Erler eröffnet die Sitzung und berichtet über ein Gespräch, das er am Vormittag mit dem Abgeordneten Dr. Wolfgang Stammberger gehabt hat.1 Stammberger habe den Wunsch geäußert, Mitglied der SPD und ihrer Bundestagsfraktion zu werden. Die Motive, die er dabei genannt habe, seien einleuchtend und ehrenvoll gewesen. In diesem Zusammenhang müsse er sich gegen einen Angriff wenden, den die CSU heute gegen Stammberger geführt habe, indem sie behauptete, manchen FDP-Politikern gehe es nicht um die Durchsetzung sachlicher politischer Ziele, sondern sie strebten nach Äm- tern und Positionen. weist darauf hin, daß Stammberger vor kurzem das Amt eines Geschäftsführers der Kernreaktor-Gesellschaft in Karlsruhe angeboten wor- den sei. Er habe dieses sehr lukrative Amt ausgeschlagen, weil er sich bereits mit dem Gedanken getragen habe, zur SPD überzutreten.2 Er stellt zur Entscheidung, daß Stammberger mit seinem Übertritt in die SPD zugleich Mitglied der Fraktion wird. Es wird einstimmig beschlossen, daß die SPD-Bundestagsfraktion Bundesminister a. D. Dr. Stammberger in ihren Reihen willkommen heißt.3 Fritz Erler berichtet über die Beratungen des Parteivorstandes im Anschluß an die Reise Willy Brandts nach Amerika.4 Er begründet, weshalb die Vereinigten Staaten die

1 Stammberger (1920-1982), MdB seit 1953 für die FDP, BMJ 1961-11. 12. 1962. Stammberger trat am 3. 6 aus der FDP-Fraktion aus. Vgl. BT Sten. Ber. 55, S. 6255. 2 In »Die SPD-Fraktion teilt mit« Nr. 178/64 vom 3. 6. 1964 heißt es ergänzend über Stammbergers Motive, er habe »nicht den Eindruck erwecken« wollen, »er lasse sich in eine solche Position von ei- ner Partei bringen, die er anschließend verlasse«. 3 Vgl. Nr. 87. 4 Brandt hatte vom 13.-21. 5. 1964 die USA besucht und am 15. 5. 1964 vor der »Foreign Policy Association« in New York eine Rede gehalten, in der er die Frage nach einem künftigen eigenständi- gen Kurs der Bundesrepublik aufwarf und die viel Aufsehen erregte. Voller Wortlaut der Rede in SPD-Pressemitteilungen Nr. 206/64 vom 19. 5. 1964; Auszüge in BRANDT, Wille zum Frieden, S. 112-114. Vgl. GRABBE, S. 565 f.; ferner die Erklärung Brandts vom 21. 5. und sein Rundfunkinter- view vom 25. 5. 1964 zu seiner USA-Reise in: DOKUMENTE ZUR DEUTSCHLANDPOLITIK IV/10, 1. Hbd., S. 585-587 und 588-593. In der Sitzung des Parteivorstandes am 29. 5. 1964, AdsD, Parteivor- stand, Parteirat vom 28. Aug. 1963-6. Juni 1964, wurde unter dem TOP »außenpolitische Fragen« darüber debattiert. Brandt berichtete einleitend über seine Eindrücke aus den Gesprächen mit Rusk, Bundy, Rostow und Präsident Johnson, der »als brennendste Frage z. Z. die Südost-Asien-Politik an-

Copyright © 2017 KGParl Berlin 1 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

Zeit für eine weltpolitische Offensive in der deutschen Frage im Augenblick nicht für gekommen halten. Das liege in erster Linie an der größeren Bewertung der amerikani- schen Innenpolitik durch Johnson5 und in zweiter Linie an der amerikanischen Außen- politik, die nicht Europa, sondern Südostasien in den Vordergrund stelle. Die USA sei bemüht, das Verhältnis zur Sowjetunion zu entspannen und zu spektakulären Unter- nehmungen in der deutschen Frage nicht bereit. Das bedeute kein Einfrieren der deut- schen Frage auf der Basis des status quo, sondern eine Politik langfristiger Hoffnungen. Diese Linie sei jedoch nur durchzuhalten, wenn die Deutschen sich nicht selbst entmu- tigen ließen. Deshalb müsse alles getan werden, um die menschlichen Probleme, die durch die Spaltung aufgeworfen seien, etwas zu lindern. Fritz Erler verliest dann einige Kernpunkte der Rede, die in Amerika gehalten hat. Er stellt fest, daß die Absätze über [die] Politik des französischen Staats- präsidenten de Gaulle eine »respectful warning«, nicht aber eine Aufforderung zur Nachahmung gewesen sei. Die Interpretationen der Presse würden weder durch den Text gedeckt, noch lägen sie im Sinne des Vorsitzenden Willy Brandt.6 Fritz Erler befaßte sich dann mit den gestrigen Beschlüssen des Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa.7 Er berichtete, daß alle Beteiligten sich für ein neues Gespräch mit Großbritannien und für ein faires Verhältnis der Zusammenarbeit mit den europäischen neutralen Staaten ausgesprochen haben. Hinsichtlich der atoma-

sehe«. Er faßte seine Eindrücke dahin zusammen, daß »1. Die Aufmerksamkeit ihm gegenüber nicht geringer gewesen sei als bei der früheren Administration; vielleicht sogar noch einen Grad herzlicher als bei Kennedy. 2. Für Berlin bestehe nach wie vor großes Interesse, vor allem in Fragen der Erleich- terungen, so daß auch die Passierscheinfrage eine große Rolle gespielt habe«. 5 Lyndon Baines Johnson (1908-1973), 1961-63 Vizepräsident, 1963-69 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. – Zu Erlers Reaktion auf Brandts New Yorker Rede vgl. »Süddeutsche Zei- tung« vom 1. 6. 1964: »Erler über Brandt verstimmt«. 6 Brandt hatte u. a. über de Gaulle gesagt, »manche seiner ›Entscheidungen‹ seien nicht leicht zu ver- stehen«, aber »wir« hätten auch Grund, uns »bewußt zu werden, daß de Gaulle mit Kühnheit und Eigenwilligkeit auf seine Weise das Undenkbare denkt und begonnen hat, daraus Schlußfolgerungen zu ziehen. Das Gleichgewicht des Schreckens, ausbalanciert von den beiden Supermächten, gibt ei- nen Spielraum, die starren Fronten in Bewegung zu setzen. Der französische Präsident macht hier- von auf seine Weise Gebrauch. Und manchmal frage ich mich als Deutscher: warum eigentlich nur er?« BRANDT, Wille zum Frieden, S. 113 f. – Über Erlers Ausführungen zu diesem Punkt heißt es in »Die SPD-Fraktion teilt mit« – vgl. Anm. 2 – noch: »Die Verfolgung nationaler Sonderinteressen im Rahmen der westlichen Bündnissysteme sei nicht der richtige Weg. Was die SPD in der Europapoli- tik erarbeitet habe, sei in den USA vom Parteivorsitzenden vertreten worden. Andere Interpretatio- nen, die in der Vergangenheit zu lesen waren, würden weder durch den Text gedeckt, noch lägen sie im Sinne des Vorsitzenden Willy Brandt.« In der Parteivorstandssitzung vom 29. 5. 1964 – vgl. Anm. 4 – hatten vor allem Brauer und Metzger kritisiert, daß Brandt in der Rede »de Gaulle so gelobt« und »aufgewertet« habe und unterstellten ihm, gestützt vor allem auf Veröffentlichungen der »Stutt- garter Zeitung« eine »Änderung der Politik«. Gegen den Vorwurf, Brandt habe vor der Rede die »Zustimmung der Vorstandsgremien herbeiführen müssen, verwahrte sich dieser. Ein solches Ver- fahren sei »grotesk«; er halte sich »bei seinen Reden im Rahmen der allgemeinen vom Vorstand fest- gelegten Politik«. Im übrigen habe Wehner sein Redekonzept, wenn auch nicht die Endfassung, ge- kannt, allerdings nicht Erler, der zur Kur gewesen sei. 7 Die Vier-Punkte-Erklärung des Aktionskomitees vom 1. 6. 1964 – u. a. abgedr. in AdG 1964, S. 11248-11250 – befaßte sich mit: »I. Fortsetzung der Einigung Europas«, »II. Schrittweise Verwirkli- chung einer Partnerschaft zwischen dem Vereinigten Europa und den Vereinigten Staaten von Ame- rika auf der Grundlage der Gleichberechtigung«, »III. Beginn einer gemeinschaftlichen Politik auf dem Gebiet der atomaren Probleme« und »IV. Schrittweiser Abschluß einer Reihe von Abkommen zur Entwicklung einer friedlichen Koexistenz zwischen dem Westen und der Sowjetunion, durch die die europäischen Probleme und insbesondere die Vereinigung der heute getrennten Deutschen in der europäischen Gemeinschaft geregelt wird.«

Copyright © 2017 KGParl Berlin 2 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

ren Zusammenarbeit hätten sich zwei Alternativen herausgestellt: Entweder komme es zu einer Zusammenarbeit zwischen Europa und USA oder zu einem nationalen bzw. europäischen Alleingang. Gegen einen solchen Alleingang habe sich das Komitee mit großer Mehrheit ausgesprochen.8 Fritz Erler berichtet über die Vorbesprechungen zur Wahl des Bundespräsidenten, die er zusammen mit Willy Brandt, und Adenauer sowie Abgeordneten aus dem FDP-Vorstand geführt habe.9 Bei diesen Besprechungen sei eindeutig darauf hingewiesen worden, daß dem Beschluß des Parteirates nicht vorgegriffen werden kön- ne.10 Aus der von der FDP abgegebenen Erklärung zur Präsidentenwahl gehe hervor, daß die FDP nicht bereit sei, einen SPD-Kandidaten zu unterstützen, wohl aber jeden anderen CDU/CSU-Kandidaten zu akzeptieren.11 In einem persönlichen Brief sei klargestellt worden, daß Weizsäcker es abgelehnt habe, eine Kandidatur anzunehmen.12 Fritz Erler berichtet über die Besprechung über das Notstandsproblem, die er beim Bundeskanzler unter Anwesenheit von Höcherl, Westrick, Krone und Hopf13 geführt habe und in der klargestellt worden sei, daß die SPD keinen Blankoscheck nach Art des Art. 48 der Weimarer Reichsverfassung ausstellen könne.14 Die SPD bestehe aber auf einer Gesetzgebung durch den Bundestag ebenso wie auf den anderen Punkten der

8 Bezieht sich auf Punkt III. der Erklärung, in der sich das Komitee für eine »gemeinschaftliche Poli- tik« der USA und Europas »auf dem Gebiet der atomaren Probleme« und gegen nationale Atom- streitkräfte und -potentiale aussprach. Bei diesem Punkt hatten sich mehrere Teilnehmer der Stimme enthalten und einer dagegen gestimmt. Vgl. AdG 1964, S. 11250. 9 Zu den ersten Vorgesprächen siehe Nr. 73, Anm. 21. Am 29. 5. 1964 hatte das letzte Gespräch der Parteispitzen von CDU, SPD und FDP, an dem Adenauer, Barzel, Brandt, Erler, Wehner, Mende, von Kühlmann-Stumm und Weyer teilnahmen, über die Wahl des Bundespräsidenten stattgefunden. Vgl. bes. die Berichte in Sitzung des Parteivorstandes am 29. 5. 1964 und am 5. 6. 1964 sowie Parteirat 6. 6. 1964 (bes. S. 4 f.), AdsD, Parteivorstand. Parteirat vom 28. Aug. 1963 bis 6. Juni 1964; Sitzung des Präsidiums am 5. 6. 1964, AdsD, Präsidium vom 22. Juli 1963 bis 22. Juni 1964. Zum Zusammen- hang ferner HILDEBRAND, Erhard, S. 137-141; KLOTZBACH, S. 530-532; MENDE, Wende, S. 129 f., SOELL, Erler II, S. 779 f. 10 Vgl. Anm. 9. – In der Sitzung von Parteivorstand, Parteirat und Kontrollkommission am 6. 6. 1964 wurde nach einer eingehenden Diskussion schließlich mit 56 zu 26 Stimmen eine Empfehlung an die SPD-Vertreter in der Bundesversammlung beschlossen, Lübke schon im ersten Wahlgang zu wählen. Parteirat 6. 6. 1964 (S. 1-76), AdsD, Parteivorstand. Parteirat vom 28. Aug. 1963 bis 6. Juni 1964. 11 Gemeint war eine Erklärung von Mende in dem Dreiergespräch am 29. 5. – vgl. Anm. 9 – die in »freie demokratische Korrespondenz« vom 29. 5. 1965 veröffentlicht wurde. Danach sei die FDP bereit, »jeden anderen Vorschlag der CDU [außer Lübke] für die Wahl des Bundespräsidenten ernsthaft zu prüfen«. In der SPD wurde das als eine Absage an jede mögliche Unterstützung eines SPD- Kandidaten verstanden. Vgl. die in Anm. 9 zitierten Sitzungen von Parteivorstand und Parteirat. Zu Erlers Haltung in der Bundespräsidentenfrage vgl. auch das Spiegel-Gespräch mit ihm in »Der Spie- gel« Nr. 25 vom 17. 6. 1964, S. 27-30; ferner SOELL, Erler II, S. 778-782. 12 Der Physiker und Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker – um ihn hatte sich Erler bemüht – hatte es schon in einem Schreiben an Erler vom 7. 2. 1964 abgelehnt, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren; vgl. SOELL, Erler II, S. 779. 13 Hopf nahm in seiner Eigenschaft als Staatssekretär im BMVtdg an der Besprechung teil. Hopf schied im Juni 1964 aus diesem Amt und wurde Präsident des Bundesrechnungshofes. Vgl. AdG 1964, S. 11262; Bulletin Nr. 108 vom 9. 7. 1964, S. 1022. 14 Zu dieser Besprechung am 1. 6. 1964, an der für die SPD-Fraktion Erler, Schäfer und Schmitt- Vockenhausen teilgenommen hatten, vgl. SOELL, Erler II, S. 812 und 1067, Anm. 632; »Die SPD- Fraktion teilt mit« Nr. 177/64 vom 3. 6. 1964 und den Bericht von Schäfer in der Fraktionssitzung am 3. 11. 1964, Nr. 94, TOP 1.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 3 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

Beschlüsse des Kölner Parteitages.15 Seine Ausführungen seien insbesondere bei Hopf nicht ohne Eindruck geblieben. Bundesminister Höcherl habe den Auftrag erhalten, auf Grund der Stellungnahmen in den Bundestagsausschüssen eine Liste derjenigen Gesetze aufzustellen, deren Verab- schiedung auch im Zusammenhang mit der Erfüllung der Vertragspflichten der Bun- desrepublik Deutschland möglich und notwendig sei. Über dieses Problem sollen wei- tere Gespräche stattfinden.16 In der sich anschließenden Generaldebatte sagte Marx, daß er zwar dem Parteirat nicht vorgreifen wolle, daß es aber unmöglich sei, wenn kein eigener Kandidat zur Bundes- präsidentenwahl aufgestellt werde. In diesem Sinne spreche er für den Bezirk Südbay- ern. Gerhard Koch begrüßt die Unterrichtung über die Notstandsgespräche durch Fritz Erler und bittet, unbedingt am Notparlament17 festzuhalten, aber auch dort die Grenze zu ziehen und nicht hinter dieses Notparlament noch eine weitere Institution aufkom- men zu lassen. Außerdem sei es wichtig, den inneren Notstand bei den Gesprächen in Erwägung zu ziehen und die Gesamtregelung davon abhängig zu machen, daß die westlichen Alliier- ten verbindlich erklären, daß Art. 5, Abs. 2 des Deutschlandvertrages in Fortfall kom- me.18 Fritz Erler bestätigt, daß das Notparlament die äußerste Grenze sei und daß man selbstverständlich verlange, daß die westlichen Alliierten eine schriftliche Erklärung zum Deutschlandvertrag abgeben. Er werde die Fraktion von den weiteren Gesprächen immer dann unterrichten, wenn eine Marke erreicht sei, die ein besonderes Ergebnis kennzeichnet. berichtet, daß sie mit Lübke im damaligen Preußischen Landtag zu- sammen gewesen sei19, und bezeichnet ihn als einen integren Mann, zu dem man Ver- trauen haben kann, und empfiehlt ihn als Kandidaten, im Gegensatz zu Krone als einem absoluten Adenauer-Mann.20 Die Überlegungen bei der Wahl müßten im Hinblick auf die politische Entwicklung 1965 vorgenommen werden. Es bestehe kein Grund für die FDP als einer so kleinen Partei, den Posten mit einem eigenen Kandidaten zu beset- zen.21

15 Zu der Grundsatzposition der Fraktion in der Notstandsgesetzgebung und den Beschlüssen des Kölner Parteitages vom Mai 1962 vgl. Nr. 35, TOP 2 sowie PARTEITAG SPD 1962, S. 562. Eine ein- gehende Aussprache über den Stand der Beratungen, in der auch über das Gespräch beim Bundes- kanzler berichtet wurde, fand in der Fraktionssitzung am 3. 11. 1964 statt; siehe Nr. 94, TOP 1 a. 16 Siehe im Einzelnen Nr. 94, TOP 1 a. 17 Zu dem von der SPD kommenden Vorschlag, für den Notstandsfall ein Notstandsparlament als eigenes Verfassungsorgan einzurichten, vgl. SCHÄFER, Notstandsgesetze, S. 71 f. In den Beratungen des Rechtsausschusses zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt eine Verständigung auf ein Notstandspar- lament ab. Siehe Nr. 94, TOP 1 a. 18 Vgl. Nr. 35, Anm. 18 sowie SCHÄFER, Notstandsgesetze, S. 19-25. 19 Helene Wessel gehörte dem Preußischen Landtag von 1928-1933, Lübke ihm von 1932-1933, beide für das Zentrum, an. 20 Krone wurde als einer der Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten genannt und auch von der FDP in Vorschlag gebracht; vgl. HILDEBRAND, Erhard, S. 139 und 141; MENDE, Wende, S. 129; fer- ner Erlers Ausführungen in »Der Spiegel« Nr. 25 vom 17. 6. 1964, S. 27 sowie die in Anm. 9 zitierten Sitzungen der Führungsgremien der SPD. 21 Der Bundesvorstand der FDP hatte am 28. 5. 1964 BMJ Bucher (FDP) als Kandidaten nominiert; vgl. HILDEBRAND, Erhard, S. 140.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 4 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

Hans Hermsdorf bedauert zunächst die verspätete Unterrichtung über die Haltung der Fraktion.22 Er wendet sich dagegen, daß die Entwicklung von 1965 bei der Präsiden- tenwahl entscheidend sei und ist ebenfalls der Auffassung, daß das Integre der Person Lübkes unsere politische Entscheidung nicht beeinflussen dürfe. Er bedauert, daß uns der Beschluß der FDP unter einen gewissen Druck setzt und sieht darin eine schlechte Position für unsere Vorschläge. Fritz Erler hebt hervor, daß es keine Fraktionsmeinung gäbe, sondern nur Meinungen der einzelnen Abgeordneten. Max Seidel sieht in dem Kandidaten Lübke für den ersten Wahlgang die beste Lösung. Die Aufstellung eines eigenen Kandidaten sei nur eine Demonstration. 1959 hatte man eine Neuwahl des Bundespräsidenten, so daß die eige- ne Kandidatur daher zwingend war.23 Ulrich Lohmar spricht sich für Bucher als Kandidaten aus. Er ist auch der Meinung, daß ein eigener Kandidat nur eine Demonstration sei. Gegen Lübke wandte er ein, daß zwar seine Person untadelig sei, daß er aber nur die traditionellen und konservativen Elemente verkörpere und kein Mann der Zukunft sei. Außerdem müsse die Partei das Wählerreservoir berücksichtigen, das in diesem Fall von den FDP-Wählern bestimmt politisch honoriert werden würde. sieht in dem Abwarten bis zu den Empfehlungen des Parteirates ein Versäumnis. Die Fraktion sollte deutlichen Abstand von dem halten, was die politische Meinung der Bevölkerung bewegt. Einen politisch nicht gebundenen Mann könne man nicht finden. Mit der FDP gäbe es keine Absprache. Die CDU habe unsere Vorschläge früher erwartet, um dann Krone herauszustellen. CDU und FDP wollen ihre politi- schen Strukturen auch personell zum Ausdruck bringen, um gemeinsam gegen die SPD zu regieren. Die Unterstützung des von der FDP aufgestellten Kandidaten sei politisch äußerst gefährlich, weil damit dargetan werde, daß eine dritte Partei erforderlich sei, weil die beiden großen Parteien untereinander keine Einigung erzielen konnten. Im übrigen dürfe die Entscheidung nicht unter dem Motto vorgenommen werden, Lübke muß weg. Heinz Wegener stellt in seinen Ausführungen heraus, daß man den Rütlischwur der FDP erzwingen müsse, indem man ihren Kandidaten unterstützt und die Koalition damit auf eine harte Probe stelle. Hans Müller spricht sich für eine Verfassungsänderung, die die Wahl des Bundespräsi- denten auf sieben Jahre erweitert, aus. Der FDP-Abgeordnete Dehler24 habe ihm ge- sagt, daß es ausgeschlossen sei, daß die FDP einen SPD-Kandidaten unterstütze. Karl Mommer hält unter den zur Auswahl stehenden Kandidaten Lübke als am we- nigsten geeignet, für den Staat zu repräsentieren. Er verweist auf die Zahl von 42,5%

22 Die Bundespräsidentenwahl war in der Fraktion nur am 8. 1. 1964 angesprochen worden; vgl. Nr. 73, TOP 5; zur Bewertung auch SOELL, Erler II, S. 780, der u. a. als Grund nennt, die SPD habe die Bundespräsidentenwahl aus dem Parteistreit heraushalten wollen. Dagegen war seit Ende Januar 1964 in einer Reihe von Präsidiumssitzungen und in mehreren Parteivorstandssitzungen und im Par- teirat über die Bundespräsidentenwahl gesprochen worden. Nach den Vorstellungen der Führungs- spitze der SPD lag die Zuständigkeit nicht bei der Bundestagsfraktion, sondern bei den SPD- Mitgliedern der Bundesversammlung. Die Vorklärung fand in den Parteigremien statt, wobei eine Empfehlung bewußt der gemeinsamen Sitzung von Parteivorstand, Parteirat und Kontrollkommissi- on am 6. 6. 1964 überlassen wurde. 23 Vgl. zu Erlers Argumentation auch »Der Spiegel« Nr. 25 vom 17. 6. 1964, S. 27. Für die SPD hatte Carlo Schmid kandidiert. 24 (1897-1967), MdB (FDP) 1949-1967, BMJ 1949-1957, Vors. der FDP-Fraktion 1953- 1957, FDP-Parteivors. 1954-1957, Bundestagsvizepräsident 1960-1967.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 5 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

der von der SPD gestellten Mandate in der Bundesversammlung, die verpflichtend sei. Die täglichen Zuschriften an die Fraktion sprechen sich beinahe übereinstimmend für einen eigenen Kandidaten aus. Er selbst hält diese Entscheidung für den ersten Wahl- gang auch für berechtigt. Aber auch Krone wird politisch nicht so kurzsichtig sein, gegen 40% der SPD-Mandate im Bundestag politisch zu agieren. Von Bucher wisse man genau, wie er zur SPD-Fraktion stehe. Er sei außerdem ein Mann der Zukunft. Es sei jedoch nicht gut, wenn die Fraktion sich zu früh die Hände binde, sie sollte zumin- dest den ersten Wahlgang abwarten. Hermann Schmitt-Vockenhausen stellt dar, daß auf die FDP bei der Präsidentenwahl kein Verlaß sei. Heinrich Ritzel erklärt, daß Lübke als Bundespräsident standfester sei als sein Vorgän- ger Heuss. Er warnt davor, die FDP aufzuwerten. Hans Wellmann habe gehört, daß die FDP den Kandidaten zurückziehe, der von der SPD unterstützt werde. Herbert Wehner führt aus, daß die FDP mit ihrem Vorschlag nur erreichen möchte, daß die CDU Lübke als Kandidaten zurückziehe. Er habe es, obwohl der Wunsch von Lübke geäußert wurde, seit dem Parteitag25 vermieden, mit Lübke zu sprechen. Bei der Entscheidung müsse man bedenken, daß unsere Mandate für einen eigenen Kandidaten nicht ausreichen. Er selbst habe nie gesagt, daß die SPD für Lübke sei, weil er für eine Große Koalition eingetreten sei.26 Er verstehe nun nicht, weshalb man eine Grundge- setzänderung genau an der Stelle vornehmen wolle, die doch wohl am schwächsten sei und nicht an der Omnipotenz des Bundeskanzlers. Fritz Erler berichtet über den Geburtstagsbesuch des erkrankten Genossen Walter Harm27 und richtet der Fraktion die Freude und den Dank des Genossen aus. Punkt 2: Vorbereitung der Plenarsitzungen vom 4. und 5.௔6. Karl Mommer berichtet über den Beginn der Sitzungen und über die zusätzlich in die Tagesordnung aufgenommenen Punkte. Ernst Zühlke berichtet über die Anträge zur 17. Novelle LAG und hebt besonders den interfraktionellen Antrag hervor, über den die Fraktion ebenfalls beschließen muß.28 Er geht auf die Empfehlungen des Haushaltsausschusses zurück. Die Anträge werden von den Genossen Lemper, Zühlke und Rehs vertreten.29 Sollten die Anträge zurückgewie- sen werden, dann soll trotzdem in der Schlußabstimmung die Zustimmung gegeben werden.30

25 Der letzte Parteitag der SPD hatte am 15./16. 2. 1964 stattgefunden. Den Delegierten war dabei eine Entschließung zur Bundespräsidentenwahl vorgelegt worden. Vgl. Nr. 77, Anm. 4. 26 Zu Wehners Position vgl. seine Ausführungen in Sitzung des Parteivorstandes am 5. 6. 1964 und Parteirat am 6. 6. 1964 (S. 24-31, bes. S. 28), AdsD, Parteivorstand, Parteirat vom 28. Aug. 1963 bis 6. Juni 1964. 27 Harm war am 9. 5. 1897 geboren; er starb am 11. 8. 1964. 28 Zur 2. und 3. Beratung der LAG-Novelle am 4. 6. 1964 brachte die SPD-Fraktion am 3. 6. acht Ände- rungsanträge ein; BT Sten. Ber. 55, S. 6250-6252 (Anl. 7-14). Der interfraktionelle Änderungsantrag vom 3. 6. sah u. a. eine Erhöhung der Leistungen des Bundes und der Länder für Unterhaltshilfe vor. Dieser Antrag wurde angenommen. Ebd., S. 6232 und 6250 (Anl. 6). 29 Neben Zühlke, Lemper und Rehs sprach für die SPD-Fraktion dazu noch Korspeter; vgl. ebd., S. 6224-6228. 30 Die Änderungsanträge der SPD-Fraktion wurden ausnahmslos abgelehnt und der Gesetzentwurf in der Schlußabstimmung einstimmig angenommen; ebd., S. 6232 und 6236.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 6 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

Fritz Erler stellt fest, daß die Fraktion einstimmig die Einbringung der Anträge be- schließt. berichtet zur zweiten und dritten Beratung des Vereinsgesetzes. Er be- gründet, weshalb die jetzige Neufassung des § 128 STGB, die mit einer hochtrabenden Ausdrucksweise den Zustand nicht ändere, gestrichen werden müsse.31 Er will eine eigene Formulierung des § 128 einbringen. Adolf Müller-Emmert wendet sich gegen den Vorschlag von Gerhard Jahn und stellt die ersatzlose Streichung der Neuformulierung als auch der alten Fassung des § 128 STGB32 zur Abstimmung. Die Genossen Jahn und Schmitt-Vockenhausen haben gegen die ersatzlose Streichung Bedenken wegen der ausländischen Organisationen in der Bundesrepublik. ist der Auffassung, lieber eine alte schlechte Fassung beizubehal- ten, als eine neue schlechte Fassung einzuführen. Gerhard Jahn schlägt vor, sodann die Neufassung zu streichen, die alte Fassung des § 128 zu belassen und in der 3. Beratung eine Entschließung einzubringen, wonach die Bundesregierung berichten solle, ob auch die alte Fassung gestrichen werden könne oder ob eine neue Fassung eingeführt werden müsse. Nach der Abstimmung ist beschlossen, daß dieser letztere Antrag von Gerhard Jahn eingebracht werden solle.33 Hermann Schmitt-Vockenhausen erklärt, daß Oskar Matzner zum Gesetz Art. 131 sprechen soll und bittet die Fraktion, den zusätzlichen Antrag zu billigen.34 Es wird so beschlossen. Karl Mommer verliest die Tagesordnung und berichtet, über welche Punkte eine De- batte erfolgen solle und welche Haltung die Fraktion zu den einzelnen TO-Punkten beziehen soll. erklärt zum TO-Punkt 25, daß das Gesetz zur Änderung des Einkom- mensteuergesetzes ein Wahlschlager sei und eine Debatte nur dann geführt werden soll, wenn die CDU sie einleite.35

31 Die vom Ausschuß für Inneres beschlossene und am 28. 5. 1964 vorgelegte Neufassung eines »Geset- zes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz)« sah auch eine Neufassung des § 128 des Strafgesetzbuches vor. Danach konnten Gründer, Mitglieder und Unterstützer einer Vereini- gung, »die auf öffentliche Angelegenheiten einwirken, jedoch ihr Dasein oder ihre eigentliche Aufga- be vor den Behörden geheimhalten soll«, mit Gefängnis oder Geldstrafen bestraft werden. Ausge- nommen sollten davon politische Parteien sein, »die das Bundesverfassungsgericht nicht für verfas- sungswidrig erklärt hat«. BT Anl. 90, Drs. IV/2145 (neu), bes. S. 25. 32 Zur Problematik des alten § 128 StGB im Zusammenhang mit der vorgesehenen Neuregelung des Vereinsrechts vgl. aus dem Ausschußbericht die Ausführungen auf S. 7 »Zu Nummer 4 (§ 128 StGB)«; zur offiziellen Position der SPD-Fraktion vgl. die Rede von Müller-Emmert am 4. 6. 1964 im Plenum; BT Sten. Ber. 55, S. 6237 f. 33 Die SPD-Fraktion forderte in einem Änderungsantrag vom 3. 6. 1964, die betreffende Nr. 4 in § 22 a des Vereinsgesetzentwurfs zu streichen, in der die Neufassung des § 128 StGB enthalten war. In ih- rem Entschließungsantrag vom gleichen Tag hieß es, die BReg solle dem Bundestag bis zum 15. 10. 1964 berichten, ob der § 128 nach ihrer Auffassung gestrichen werden könne. Falls sie das nicht für zweckmäßig halte, möge sie eine Neufassung vorlegen. Zur Begründung sprach Müller-Emmert. Der Änderungsantrag wurde abgelehnt, der Entschließungsantrag angenommen; BT Sten. Ber. 55, S. 6237-6240 und 6254 (Anl. 17 und 18). 34 Ein vom AK Innenpolitik ausgearbeiteter Antrag wurde jedoch nicht eingebracht. Zur Rede von Matzner zur 1. Lesung der Gesetzentwürfe zu den unter Art. 131 fallenden Personen am 4. 6. 1964 vgl. BT Sten. Ber. 55, S. 6194-6196. Vgl. auch Nr. 81, Anm. 54.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 7 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

Friedrich Schäfer berichtet über den Beschluß des Vermittlungsausschusses zum frei- willigen sozialen Jahr und bittet, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zuzu- stimmen.36 Karl Mommer berichtet, daß die zusätzlichen Tagesordnungspunkte ohne Debatte gehen und ihnen zugestimmt werden soll. Punkt 3 der TO: Vorlagen aus den Arbeitskreisen. a) Entwurf eines zweiten Ausführungsgesetzes zu Art. 26 GG. Gerhard Jahn begründet diesen Antrag und bittet die Fraktion, ihm eine Ermächtigung für evt. kleine Änderungen zu geben, die ohne Fraktionsbeschluß vorgenommen wer- den sollen. Die Fraktion stimmt diesem Antrag zu.37 b) Kleine Anfrage betr. Vorlage von Berichten der Bundesregierung. Alex Möller begründet, daß einige Berichte der Bundesregierung noch ausstehen, wes- halb diese Kleine Anfrage eingebracht werden soll. Die Fraktion stimmt dem Vorschlag zu.38 c) Antrag betr. Argoud. Karl Mommer begründet, daß durch den Briefwechsel zwischen de Gaulle und dem Bundeskanzler die Angelegenheit Argoud beigelegt werden soll. Deshalb bittet er, dem Antrag zuzustimmen.39 Die Fraktion schließt sich der Auffassung an. Fritz Erler berichtet zum zurückgestellten Punkt 16 der TO der Plenarsitzung am 4. und 5. Juni.40

35 Die unter TOP 26 am 4. 6. 1964 vorgesehene 2. Lesung wurde ausgesetzt und der Gesetzentwurf, der sich auf Steuerfreiheit von Lohnzuschlägen bezog, an den Finanzausschuß zurücküberwiesen; einge- bracht worden war der Entwurf von FDP-Abgeordneten; BT Sten. Ber. 55, S. 6244. 36 Der Antrag des Vermittlungsausschusses vom 3. 6. 1964 zum »Gesetz zur Förderung eines sozialen Jahres« sah vor, einen Zusatzparagraphen 14 a einzufügen, wonach Arbeitsschutzbestimmungen und das Bundesurlaubsgesetz für Tätigkeiten »im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres« galten. Der Antrag wurde vom Plenum am 4. 6. 1964 einstimmig angenommen; BT Anl. 90, Drs. IV/2296 und BT Sten. Ber. 55, S. 6170. 37 Zum Vorlauf vgl. Nr. 83, Anm. 56 und Nr. 84, TOP 5. Im Ältestenrat hatte die SPD schon morgens mitgeteilt, daß sie »heute ein Ausführungsgesetz zu dem Artikel 26 beschließen und den anderen Fraktionen zuleiten werde«. Mit dem Antrag, die 1. Lesung »für die letzte Juni-Woche vorzusehen«, erklärten sich die »Fraktionen der CDU/CSU und der FDP« einverstanden. Prot. der Sitzung des Ältestenrates am 3. 6. 1964, Parl. A., 4. WP, Ältestenrat, Bd. 2. Zur weiteren Beratung in der Fraktion und zur Einbringung siehe Nr. 87, TOP 2 c. 38 In der am 4. 6. 1964 eingereichten Kleinen Anfrage »betr. ausstehende Berichte« wurde die BReg gefragt, warum sie den vom Bundestag am 17. 4. 1964 angeforderten Bericht über Wettbewerbsver- fälschungen und den am 15. 5. 1963 verlangten Überblick über die voraussichtliche Haushaltsent- wicklung »für den Dreijahreszeitraum 1964 bis 1966« noch nicht vorgelegt habe; BT Anl. 90, Drs. IV/2299. 39 Der Antrag vom 4. 6. 1964 – ebd., Drs. IV/2300 – forderte einen Zwischenbericht über den Antrag der SPD-Fraktion vom 16. 10. 1963 betr. »Rückführung von Argoud«. Am 15. 5. 1964 hatte PPP be- richtet, die Angelegenheit Argoud sei durch einen bisher geheim gehaltenen Briefwechsel zwischen de Gaulle und Erhard nach Auffassung der französischen Regierung endgültig erledigt. In dem Schreiben habe de Gaulle erklärt, Argoud sei inzwischen rechtskräftig verurteilt und durch die Ent- führung, an der keine französischen Behörden beteiligt gewesen seien, sei die deutsche Souveränität nur unerheblich verletzt worden. Vgl. AdG 1964, S. 11223, ferner ebd., S. 11003 die Darstellung über die vorausgegangene Auseinandersetzung zwischen der Bundesrepublik und Frankreich über den Fall Argoud. 40 In der TO vom 26. 5. 1964, gez. Dehler, für die Plenarsitzungen am 4. und 5. 6. 1964 war unter TOP 16 die 2. und 3. Beratung des von der BReg eingebrachten Entwurfs eines »Gesetzes zu dem Vertrag

Copyright © 2017 KGParl Berlin 8 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 03. 06. 1964

Herbert Wehner wird zum Teststopp-Abkommen unsere politische Haltung begrün- den, da befürchtet werden muß, daß die CDU diese Frage in ein unserer Haltung nicht entsprechendes Bild ziehen wird. Insgesamt soll die Notwendigkeit der Entspannungs- politik in den Vordergrund gestellt werden.41 Die Fraktion stimmt den Ausführungen zu. Nachdem keine Wortmeldung zu Punkt 5: Verschiedenes mehr erfolgt, schließt die Fraktionssitzung um 18.20 Uhr. Für das Protokoll: gez. Herbert Laabs

vom 5. August 1963 über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser« vorgesehen. Parl. A., 4. WP, Ältestenrat, Bd. 2. 41 Der Gesetzentwurf – vgl. Anm. 40 – wurde am 5. 6. 1964 in 2. und 3. Lesung beraten. Für die CDU/CSU-Fraktion begründete Gradl die Zustimmung, gab aber zugleich zu verstehen, daß davon keine positive Wirkung für die Entspannung zwischen Ost und West ausgehe; BT Sten. Ber. 55, S. 6261-6264. Wehner betonte in seiner Rede zum einen den »humanitären Eigenwert« des Teststopp- abkommens, zum zweiten seine »Nützlichkeit für die Entspannung«. Er begrüßte die von den drei Atommächten – USA, UdSSR und Großbritannien – angekündigte Bereitschaft zur Einschränkung der »Produktion nuklearer Sprengstoffe« und forderte eine positive Beteiligung der Bundesrepublik an den »Entspannungsbemühungen«; ebd., S. 6265-6268. – In der Schlußabstimmung wurde das Ra- tifikationsgesetz einstimmig angenommen; ebd., S. 6273.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 9