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Z 6796 C • 17. NOV. 1961 NR. 46 • 15. JAHRGANG UNION M „ INFORMATIONSDIENST der Christlich-Demokratischen und Christlich-Sozialen Union

Das neue Kabinett Die Vereidigung der 21 Mitglieder - Was die SPD unter Opposition versteht

or dem Plenum des Bundestages wurden am 14. November 1961 die Mit- Die Antwort der beiden Regierungs- glieder der neuen Bundesregierung vorgestellt und durch Bundestagspräsident parteien zeigt, daß sie nicht gewillt sind, Dr. Gerstenmaier vereidigt. Einen heftigen Mißklang brachte die SPD in die ihre zukünftige Arbeit unter solcher Tak- tik leiden zu lassen. feierliche Handlung, als sie wegen eines nichtigen Anlasses geschlossen das Im Namen der CDU/CSU-Fraktion Plenum verließ und die Vereidigung in ihrer Abwesenheit stattfand. sagte Abgeordneter Rasner nur zwei knappe Sätze: Dr. Gerstenmaier gab den Text eines Herrn Dr. Hans-Joachim von Merkatz „Unsere Fraktion hatte die Absicht, Briefes bekannt, mit dem der Bundes- sich mit dem Antrag der sozialdemokra- kanzler das neue Kabinett vorstellte. zum Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder, tischen Fraktion auseinanderzusetzen. Das Schreiben hatte folgenden Wort- Das angesichts der Bedeutung und der laut: Herrn Dr. Franz-Joseph Wuermeling Heiligkeit des Eides iür uns vollständig zum Bundesminister für Familien- und unverständliche Verhalten der sozial- „Der Herr Bundespräsident hat auf Jugendfragen. demokratischen Fraktion enthebt uns meinen Vorschlag gemäß Artikel 64 Ab- jeder Antwort." satz 1 des Grundgesetzes zu Bundes- Herrn Prof. Dr. zum ministern ernannt: Bundesminister für Atomkernenergie, Als Sprecher der FDP erklärte der Ab- geordnete Dr. Bucher: Herrn Dr. Gerhard Schröder zum Bun- Herrn Hans Lenz zum Bundesschatz- „Auch die Fraktion der Freien Demo- desminister des Auswärtigen, minister, kratischen Partei ist der Ansicht, daß die Regierungserklärung vor diesem Hause Herrn Hermann Höcherl zum Bundes- Herrn zum Bundesmini- ster für wirtschaftliche Zusammenarbeit, möglichst bald abgegeben werden sollte. minister des Innern, Wenn das heute noch nicht geschehen Herrn Dr. zum Frau Dr. zum ist, so haben wir datür nicht nur Ver- Bundesminister der Justiz, Bundesminister für Gesundheitswesen, ständnis, sondern liegt das durchaus in unserem Sinne; denn die Regierung, die •Merrn Dr. zum Bundes- Herrn Dr. zum Bundes- minister für besondere Aufgaben." wir heute vor uns sehen, unterscheidet iister der Finanzen, sich in ihrer Zusammensetzung wesent- Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. Der Auszug der SPD lich von der der vorherigen zwei Legis- zum Bundesminister für Wirtschaft, laturperioden, und es wäre geradezu un- Noch bevor Bundestagspräsident Dr. denkbar für uns, daß eine Regierungs- Herrn Werner Schwarz zum Bundes- Gerstenmaier die Vereidigung des Bun- erklärung heute bereits vorliegen würde, minister für Ernährung, Landwirtschaft deskanzlers vornehmen konnte, hatte wo das Kabinett ja erst ernannt worden und Forsten, sich der SPD-Abgeordnete Dr. Mommer ist. Im übrigen bedauern auch wir, daß Herrn zum Bundes- gemeldet und um das Wort zur Tages- sich die Fraktion der SPD bei der Ver- minister für Arbeit und Sozialordnung, ordnung gebeten. Dr. Gerstenmaier be- eidigung der Bundesregierung aus dem deutete ihm, daß der Präsident nach § 34 Hause entiernt hat. Man kann zu der Herrn Franz-Josef Strauß zum Bundes- der Geschäftsordnung des Bundestages Bundesregierung stehen wie man will, minister der Verteidigung, nach freiem Ermessen das Wort zur Ge- aber ich meine, ihre Vereidigung ist ein Herrn Dr. Hans-Christoph Seebohm schäftsordnung erteile. Dr. Mommer so wesentlicher Akt auch innerhalb die- zum Bundesminister für Verkehr, könne nach der Vereidigung der Bundes- ses Hauses, daß man ihm nicht fernblei- regierung sprechen. ben sollte." Herrn Richard Stücklen zum Bundes- minister für das Post- und Fernmelde- Die SPD wollte sich damit nicht zufrie- Mit diesen, dem Sinne nach gleichlau- tenden Erklärungen von CDU/CSU und wesen, den geben und verließ aus nichtigem An- laß das Plenum des Bundestages in einem FDP war die Einheit der Koalition zum Herrn Paul Lücke zum Bundesminister Augenblick, in dem im besonderen Maße ersten Mal deutlich in Erscheinung ge- für Wohnungswesen, Städtebau und die Würde des Hauses hätte gewahrt treten. Raumordnung, werden müssen. Herrn Wolfgang Mischnick zum Bun- Der Umfang des Kabinetts Soll das etwa Auftakt und Richtschnur desminister für Vertriebene, Flüchtlinge für das weitere Verhalten der SPD sein? Die zurückliegenden Koalitionsverhand- und Kriegsgeschädigte, Das Echo in der Öffentlichkeit bedeutet lungen erforderten, wie immer in einem Herrn zum Bundesmini- eine glatte Ablehnung dieses unwürdigen solchen Fall, die Abstimmung sachlicher ster für .gesamtdeutsche Fragen, Schauspiels. Fortsetzung Seite 2 Das neue Kabinett Die Arbeit des Bundestages Fortsetzung von Seite 1 mußte die Frage nach der Kontinuität der und personeller Wünsche der Koalitions- Politik aufwerfen. Es war deshalb sehr Nach der Ernennung und Vereidi- partner. Als bekannt geworden war, daß wichtig, daß in den Personen des Bundes- gung des neuen Bundeskabinetts ist eine von den Aufgaben her durchaus ver- kanzlers, des neuen Bundesaußenmini- die neue Bundesregierung, die vierte tretbare Erweiterung des Kabinetts um sters und des Bundesverteidigungsmini- Regierung unter , drei Sitze notwendig werden würde, ist sters Garanten für diese Kontinuität, vor- arbeitsfähig geworden. teilweise in der Öffentlichkeit in einer nehmlich im Außenministerium nach dem Durch den Eintritt Dr. Krones in das Ausscheiden Dr. von Brentanos, vorhan- Weise Kritik geübt worden, als sei damit neue Bundeskabinett sieht sich die eine dem demokratischen Leben unzu- den sind. Für die Stabilität der Wirt- Fraktion der CDU/CSU vor die Frage schaftspolitik steht Prof. Dr. Erhard, für trägliche Entscheidung getroffen worden. gestellt, einen neuen Vorsitzenden die ungeschmälerte Wohnungsbaupolitik Bundeskanzler Dr. Adenauer hat vor wählen zu müssen. Die Wahl des Minister Lücke. neuen Fraktionschefs erfolgt am 24. der CDU/CSU-Fraktion zu dieser unsach- Von der CDU/CSU sind neu in das lichen Kritik mit dem Hinweis Stellung November. Erste Beratungen über die Ministeramt gekommen der bisherige Person des neuen Fraktionsführers genommen, daß z. B. Großbritannien über Vorsitzende der Bundestagsfraktion Dr. 36 Minister verfügt (21 davon sind stimm- sind in diesen Tagen aufgenommen Krone, die stellvertretende Fraktionsvor- worden. berechtigt), Italien über 24 Minister (alle sitzende Frau Dr. Schwarzhaupt und der stimmberechtigt) und Frankreich unter Bei den Abgeordneten der CDU Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im CSU wird das Ausscheiden Dr. Krones de Gaulle über 28 Minister (ebenfalls alle Höcherl. Insbesondere in stimmberechtigt). CDU/CSU-Bundestags- als Fraktionsvorsitzender lebhaft be- der Persönlichkeit Dr. Krones, der als dauert, wenn man auch durchaus Ver- abgeordnster Dr. von Brentano hatte er- Fraktionsvorsitzender so maßgebenden gänzend dazu darauf hingewiesen, daß ständnis dafür hat, daß Dr. Krone ins Anteil an den politischen Entscheidungen neuen Kabinett eine Reihe wichtiger die Vereinigte Arabische Republik sogar der letzten Jahre hatte, tritt vor dem In- über 48 Minister verfüge. Aufgaben übernehmen soll. Dr. Krone und Ausland ein weiterer Bürge für die hatte sich in den sechs Jahren, in Gegenüber diesen Zahlen nimmt sich ungeschwächte Fortführung unserer Poli- denen er die Fraktion führte, bei al- der Umfang des Kabinetts der Bundes- tik in Erscheinung. Man wird es in der len Abgeordneten größte Sympathie republik bescheiden aus. Die Zahl von 21 alten deutschen Hauptstadt in dieser erworben. Seine Autorität in der Frj^-. Kabinettsmitgliedern bietet wirklich kei- schwierigen Situation begrüßen, daß mit tion ermöglichte in manchen Ausjr nen Anlaß zu jener Aufregung, die von Dr. Krone noch ein Berliner Abgeord- andersetzungen immer wieder eirfön interessierter Seite in den letzten Wo- neter Sitz und Stimme im Kabinett hat. Kompromiß. Die Arbeit Dr. Krones für chen hier und da entfacht worden ist. Das Opfer, das die Bundestagsfraktion Partei und Fraktion soll nun in einem der CDU/CSU mit dem Weggang ihres anderen aber gleich gewichtigen Räu- Neu in der Regierung Vorsitzenden gebracht hat, wird sich auf men fortgesetzt werden. Die Tatsache, daß die FDP seit sechs die Arbeit der neuen Regierung segens- Als Minister für besondere Aufga- Jahren in Opposition zur Bundesregie- reich auswirken. ben wird Dr. Krone vor allem dafür zu rung stand, brachte es mit sich, daß die Nicht nur in der CDU/CSU wird es be- sorgen haben, daß ein reibungsloser von ihr gestellten fünf Minister (Dr. grüßt, daß nun auch eine Frau dem neuen Kontakt zwischen der Bundesregie- Stammberger, Dr. Starke, Mischnick, Lenz Kabinett angehört. Damit ist ein berech- rung und den Fraktionen des Bundes- und Scheel) neu in das Amt des Bundes- tigter Wunsch erfüllt, der schon seit Jah- tages, besonders auch denen der Koa- ministers kommen. ren ausgesprochen worden ist. Als Bun- lition gewährleistet ist. Seine Erfah- In der Vertretung der Unionsparteien desminister für Gesundheitswesen hat rungen, die er als Parlamentarier und gab es einen nur geringen Wechsel. Bun- Frau Dr. Schwarzhaupt einen Ressortauf- Fraktionsvorsitzender gesammelt hat, desaußenminister Dr. von Brentano, Bun- trag von großer Verantwortung und werden ihm dabei besonders zugute desjustizminister Schäffer, Bundesfinanz- Dringlichkeit. Sie bringt dafür langjährige kommen. Dabei dürfte das ihm oft minister Etzel und Bundesschatzminister politische Erfahrung in der Fraktions- nachgerühmte Talent, stets ausglei- Dr. Wilhelmi kehrten in ihr Amt nicht arbeit und im Fraktionsvorstand der chend zu wirken, besonders wichtig mehr zurück. Ihnen sind nicht nur die CDU/CSU mit. sein. Unionsparteien Dank für ihre hervor- In der Umbenennung eines Ministe- Gerade in den kommenden Ausein- ragende Arbeit schuldig. Diesen Dank riums spiegelt sich der weite Weg wieder, andersetzungen zwischen Ost und sprach ihnen der Bundeskanzler u. a. vor der im Aufbau unseres Landes von 1949 West um das Schicksal der deutschen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter bis heute gegangen worden ist: Aus dem Hauptstadt ist eine Persönlich- starkem Beifall aus. Wohnungsbauministerium mit seiner ur- keit wie Dr. Krone, der über 40 Jahre sprünglich begrenzten Zielsetzung, ist lang mit Berlin eng verbunden ist, in In den vergangenen zwölf Jahren der einer entscheidenden Position im ~d drei ersten Kabinette Adenauer hat sich ohne Vernachlässigung der großen Be- deutung, die der Wohnungsbau auch binett von großer Bedeutung. Die sf& die Bundesrepublik ein hohes Maß von gen der Berliner können nun neben Ansehen und Vertrauen in der freien heute noch für uns hat, ein Bundesmini- sterium für Wohnungswesen, Städtebau Ernst Lemmer auch von Dr. Krone bei Welt erworben. Jeder Wechsel, vor allem den Beratungen der Bundesregierung in der Leitung des Auswärtigen Amtes, und Raumordnung geworden. Schon der Name drückt aus, wie vielschichtig die entsprechend zu Gehör gebracht wer- Arbeit ist, die diesem Ministerium in Zu- den. Das ist ein nicht zu unterschät- kunft zufällt. Das „Kölner Manifest", das zender Faktor für die kommende Ent- wicklung. Mindesterfordernis während des 10. Bundesparteitages der CDU vom 24. bis 27. April 1961 in Köln Die neue Tätigkeit Dr. Krones wird Der Hauptvorstand der Exil-CDU er- verabschiedet worden war, hatte schon sich für Partei und Fraktion der CDU/ örterte auf einer Tagung in Berlin die ge- vor den Wahlen den Blick auf das Ge- CSU sicher ebenso erfolgreich auswir- samtdeutsche Situation. Nach Referaten wicht der neuen Ziele gelenkt, als es ken wie die bisherige Tätigkeit Dr. von Bundesminister Lemmer und Dr. Gradl „umfassende Raumordnung, Erneuerung Krones als Fraktionsvorsitzender. und einer eingehenden Aussprache rich- unserer Städte und Dörfer, Entlastung der tete der Hauptvorstand an die Bundes- Ballungsgebiete, Herabsetzung der Wohn- Nachfolger Höcherls regierung insbesondere die Aufforderung, dichte und mehr Grünflächen in unseren bei kommenden Verhandlungen mit der Städten" gefordert hatte. Die Landesgruppe der bayerischen CSU Sowjetregierung auf dem Grundrecht der Mit dem 14. November 1961 hat ein wählte am 14. 11. 1961 den CSU-Abge- Freizügigkeit zu bestehen. Bis zur Ge- neuer Abschnitt in der Nachkriegsge- ordneten Dr. zu ihrem währung des uneingeschränkten Selbst- schichte der Bundesrepublik Deutschland Vorsitzenden. Dr. Dollinger tritt damit bestimmungsrechts, die das entscheidende begonnen. Die personellen Voraussetzun- die Nachfolge des CSU-Abgeordneten Ziel deutscher Politik sein muß, ist die gen dafür sind geschaffen. Es ist zu unser Höcherl an, der dieses Amt vier Jahre sofortige Sicherung freien Verkehrs zwi- aller Nutzen und Heil, daß der neuen hindurch innegehabt hatte. Dem Abge- schen allen deutschen Landesteilen und Regierung Erfolg beschieden ist. Er hängt ordneten Höcherl, der nun Innenminister innerhalb Gesamtberlins ein Mindest- ab von einer reibungslosen und vertrau- geworden ist, gingen in der Leitung der erfordernis der Befriedung und Entspan- ensvollen Zusammenarbeit in der Koa- CSU-Landesgruppe die Minister Schäffer, nung im deutschen Bereich. lition. Stücklen und Strauß voraus. Die Wahl in Hamburg K%u{ ein ^CJ Ott Gewinn der SPD - Geringe Veränderung in der Bürgerschaft Liebe Freunde, Am 12. November wählten die Stimmberechtigten des Landes und der Stadt Hamburg die neue Bürgerschaft, die zugleich Landesparlament und das neue Kabinett hat sich dem Bun- Stadtvertretung darstellt. destag vorgestellt. Sie kennen die Liste der 21 Namen und wissen, Ein beachtlicher Rückgang der Wahlbe- Land beachtliche Stimmengewinne erzie- welche Mitgilt an Erfahrung und er- teiligung gegenüber der Bürgerschafts- len konnte. Den Freien Demokraten blieb folgreicher Bewährung in der Regie- wahl 1957 und der Bundestagswahl 1961 ein ähnlicher Erfolg bei der diesjährigen rungsverantwortung die führenden und die weitere Festigung der absoluten Bürgerschaftswahl verwehrt. Ihr Stim- Köpfe, die die Unionsparteien in diese Parlamentsmehrheit der Sozialdemokra- menanteil verringerte sich von 15,7% bei Regierung entsandt haben, darstellen. tie kennzeichnen das Ergebnis der Bür- der Bundestagswahl 1961 auf 9,6% bei gerschaftswahl vom 12. November in der Wahlentscheidung des 12. November. In den letzten Wochen hatte die Hamburg. 72,3% der Wahlberechtigten Gegenüber der vorangegangenen Bürger- Kritik mancher Kommentare eine Form nutzten bei der Bürgerschaftswahl des schaftswahl verbesserten allerdings die angenommen, die keine Beziehung vergangenen Sonntag ihr Stimmrecht, da- Freien Demokraten ihre Werte gering- mehr zu den wirklichen Gegeben- gegen 77,3 %> bei den Wahlen zum Lan- fügig (+ 1,0%). heiten hatte, sondern vom deutschen desparlament vor vier Jahren und sogar 88,6 % bei der Bundestagswahl des Weit abgeschlagen auf der Strecke Standpunkt aus nur mit dem Wort 17. September. blieben dagegen alle übrigen Parteien. „selbstmörderisch" richtig gekenn- Die „Deutsche Friedensunion" erreichte zeichnet ist. Selbst wenn hier eine nur 2,9% der gültigen Stimmen, die Regierung schwacher, unbekannter Die Mandatsverteilung in der Hamburger „Deutsche Reichspartei" 0,9% und die Bürgerschaft „Deutsche Gemeinschaft" sogar nur 0,1 %. und unbewährter Leute zusammen- Auch im künftigen Landesparlament wer- gekommen wäre, hätten die Unken- 1961 tei 1957 den also nur SPD, CDU und FDP vertre- rufe das an die Wand gemalte düstere ten sein. Gemälde nicht ändern können, und die CDU 36 41 Vernunft hätte gebieten sollen, die SPD 72 69 Wahlbeteiligung und Stimmenanteile bei Kritik an die Taten zu knüpfen und den Bürgerschaftswahlen 1961 und 1957 nicht zu versuchen, den Kredit der FDP 12 10 und der Bundestagswahl 1961 in Hamburg neuen Regierung im In- und Ausland insgesamt 120 120 Bü. 1961 Bü. 1957 B 1961 von vornherein zu erschüttern. Nun kann aber keine Rede davon Klare Mehrheit der SPD Wähler 72,3 77,3 88,6 sein, daß hier ein „schwaches" Kabi- nett gebildet wurde. Die Namen ste-

Die Sozialdemokraten werden auch in CDU 29,1 32,2 31,9 hen dagegen. Wer von der Opposition der künftigen Bürgerschaft über eine SPD 57,4 53,9 46,9 den Unionsparteien seit Jahren als klare absolute Mehrheit verfügen. 72 der 120 Parlamentssitze fielen an die Ham- FDP 9,6 8,6 15,7 Vertreter eines unbeirrten und klaren Kurses angerechnet worden ist — sei burger SPD. Die CDU blieb dagegen rund GDP 4,1 1,0 3 o/0 unter ihren entsprechenden Werten es Adenauer selbst, seien es Schröder der Bürgerschaftswahl 1957. Sie wird DRP 0,9 0,4 0,9 und Strauß — ist in Kanzlerschaft, künftig über 36 Mandate im Landesparla- Sonstige 3,0') 0,7 3,6 Außenpolitik und Verteidigungspoli- ment verfügen. tik am Steuer. Gerade angesichts des Von besonderem Interesse war in Ham- 1) Davon DG 0,1 %, DFU 2,9 °/o Ausscheidens des Ministers von Bren- burg das Abschneiden der FDP, die bei Bü. >• Bürgerschaftswahl tano, dem in dieser Stunde die dank- der Bundestagswahl 1961 auch in diesem B = Bundestagswahl bare Würdigung der CDU gewiß ist, muß man auf diese die Kontinuität verbürgende Tatsache hinweisen. Mit Vizekanzler Erhard verbindet sich die Garantie für die erfolgreiche Fort- setzung einer Wirtschaftspolitik, die Bremer CDU kritisiert sich weltweite Anerkennung errungen hat, mit Lücke's Namen die große Besorgnisse über den parlamentarischen Stil der SPD Bilanz der Wohnungsbaupolitik. Nein, dieses Kabinett ist kein Der Kreisverband Bremen der CDU hat auf seiner Mitgliederversammlung schwaches Kabinett. Es steht vor sehr in der vergangenen Woche in einer Entschließung seiner ernsten Besorgnis schweren Aufgaben, aber es vereint über den parlamentarischen Stil in der freien Hansestadt Ausdruck gegeben. erprobte Persönlichkeiten unter einer Führung, der man ganz gewiß nicht In der Entschließung, in der auf zwei der bremischen Bürgerschaft in der letz- Mangel an Entschlossenheit und Zäh- Beispiele hingewiesen wird, heißt es: ten .Bürgerschaftssitzung im Zusammen- igkeit nachsagen kann. Selbstver- „Der Kreisverband Bremen der CDU hang mit der Marktplatzbebauung gegen ständlich ist der neuen Regierung in bedauert, daß die Bürgerschaftsmehrheit die bremischen Tageszeitungen gerichtet der Verwirklichung der Koalitions- es abgelehnt hat, einen parlamentarischen hat und die den Eindruck hervorrufen arbeit eine besondere Aufgabe ge- Ausschuß zur Untersuchung der Vorgänge müssen, als solle das demokratische stellt, die über Erfolg und Mißerfolg einzusetzen, die zum Konkurs der Borg- Grundrecht der Pressefreiheit eingeengt auch eines guten Kabinetts entschei- ward-Werke geführt haben. Der Öffent- werden. Ebenso verdienen die Angriffe den kann. Der Verzicht der CDU/ lichkeit wird damit ihr unbestreitbares entschiedene Zurückweisung, die der Prä- CSU-Fraktion auf ihren Vorsitzenden Recht vorenthalten, über wichtige die All- sident der bremischen Bürgerschaft gegen gemeinheit stark berührende wirtschafts- eine Vereinigung von Bürgern gerichtet Dr. Krone und die Entsendung dieses politische Angelegenheiten und über die hat, die lediglich in angemessener Weise Mannes in die Regierung zeigt, mit Verwendung von Steuergeldern unter- und ohne Widerspruch zur Verfassung welcher Sorgfalt sich der Bundeskanz- richtet zu werden. von dem verbürgten Recht der freien ler gerade dieser Frage zugewandt hat. Der Kreisverband bedauert gleichfalls Meinungsäußerung Gebrauch gemacht die scharfen Vorwürfe, die der Präsident hat."' Ihr Konrad Kraske Begleitmusik zum „Schweyk" schrieb die „Es war absolut unnötig.. •,* Zeitung u. a.: „Ihr Komponist ist Hanns Eisler, ein Mann, der nicht die Originalität seines Soll man Brecht spielen? Klare Antwort aus Berlin Vorgängers Weill besitzt und sich bei seinem Trommeln auf zwei Klavieren Nicht jedermann mag die Entscheidung des Intendanten vom Sender Freies fleißig aufs Zitieren und Parodieren ver- Berlin gefallen haben, als er sich entschloß, für sein Sendegebiet Brechts legt. Seine Musik wird mit dem Stück „Schweyk im zweiten Weltkrieg" aus dem Programm zu streichen. Der Süd- verkauft, ist also .unersetzlich'. Das führt dazu, daß das Deutsche Fernsehen hier deutsche Rundfunk, von dem dieses umstrittene Stück ausgestrahlt wurde, nun einen der gehässigsten Propagan- hatte offenbar keine Bedenken. Wenn man jedoch das Für und Wider abwägt, disten der Zone zu honorieren hat — muß man nach unserer Ansicht mit dem Berliner Intendanten in der Meinung einen, der, anders als der tote Brecht, nicht als Widerstandskämpfer schlechthin übereinstimmen: „Ausschlaggebend ist die Rücksichtnahme auf unsere Freunde zu interpretieren ist, sondern einen, der in der Zone". jetzt in der Zone wirkt, für das Regime, gegen das man auch mit seiner Musik zu SFB-Intendant Steigner erläuterte sei- Es gab aber auch keinen zwingenden demonstrieren meinte. Das Deutsche Fern- nen Hörern den von ihm vertretenen politischen Grund, dieses Stück aufzufüh- sehen nahm ihn stillschweigend neben Standpunkt am 7. November. Er sagte ren. Lassen wir den 13. August und die Brecht ,in Kauf, als ein vielleicht nicht u. a.: Mauer einmal beiseite. Brechts .Schweyk' notwendiges, aber unumgängliches Übel. „Im Sender Freies Berlin haben wir uns ist keineswegs, wie das Fernsehen die Soll einem bei soviel Kompromißbereit- nach reiflicher Überlegung, nach vielen Sendung rechtfertigte, ein Stück gegen schaft nicht übel werden?" Gesprächen dafür entschieden, nein zu die Diktatur überhaupt (da gibt es bei Die „Bild-Zeitung" schrieb am 9. 11. 1961 sagen. Wir werden uns an Aufführungen Brecht andere Stücke, die sich längst zur Brecht-Aufführung durch das Deut- von Bert Brecht nicht beteiligen, so un- selbständig gemacht haben). Es ist nichts sche Fernsehen u. a.: gern wir uns auch aus dem Gemein- weiter als ein Anti-Hitler^Stück. „Wenigstens ein deutscher Fernseh- schaftsprogramm des Deutschen Fern- Es kommt hinzu, daß die Inszenierung intendant beweist politischen Instinkt sehens herauslösen, ungern, weil wir Rainer Wolffhardts ziemlich danebenging. ein Bestandteil dieser Arbeitsgemein- Walter Steigner, Intendant des SendW Den Schweyk kann man nur spielen, Freies Berlin, schaltet heute abend ab, schaft sind, bleiben wollen und bleiben wenn man einen Schweyk hat und einige müssen. wenn im Deutschen Fernsehen Bertolt Schauspieler, die den Dialekt beherr- Brechts Schauspiel .Schweyk im zweiten Ausschlaggebend ist die Rücksicht- schen. Beides fehlte." Weltkrieg' gezeigt wird, mit der Musik nahme auf unsere Freunde in der Zone. des Zonen-Starkomponisten Eisler. Sie können sich nicht über einen Mangel Honorar für Eisler an Brecht beklagen, der ihnen überall Gestern begründete Steigner diesen angeboten wird. Wenn sie das westliche Auf einen anderen Punkt der Darbie- Entschluß. .Erst mit dem Tage, an dem Fernsehen einstellen, und wir kennen die tung des Süddeutschen Fernsehens ging alle deutschen Zeitungen, Zeitschriften, Schwierigkeiten und Gefahren, die damit die „Rheinische Post" am 11. 11. 1961 in Bücher, Filme, Rundfunk und Fernseh- verbunden sind, und dann kommt im ihrer Kritik ein. Bei der Betrachtung der Fortsetzung Seite 5 Westfernsehen auch Bert Brecht, dann könnte das Gefühle der Bitterkeit hervor- rufen, das Gefühl bestärken, die Pro- grammgestalter im Westen dächten nicht genügend an Hörer und Seher im Osten. Funktionen eingeschränkt 1 Das Gewicht Bert Brechts wird nicht ge- ringer, wenn wir in diesen Wochen und SPD-Senatorin darf nicht mehr städtische Bühnen verwalten Monaten seine Stücke nicht aufführen, weil wir einer falschen Deutung auswei- In Zukunft wird die Kultussenatorin der Stadt Lübeck nicht mehr die chen wollen. Wir haben die Willkürmaß- nahmen, diese unerhörten Vorgänge in Möglichkeit haben, offizielle Kontakte zu anderen Bühnen aufzunehmen. Die unserer Stadt miterlebt. Wir haben von wiederholt eigenwillige Auslegung ihres Amtes hat sie zwar nicht ihre der sicheren Seite aus ohnmächtig zu- Position gekostet, das Kultusreferat wurde jedoch entscheidend eingeschränkt. sehen müssen, wie die Mauer wuchs, und wer will es uns verwehren, wenn wir Wie bereits in Nr. 43/61 von „Union in trag des Intendanten verlängert wcni, jede Möglichkeit der Demonstration nut- Deutschland" berichtet, erregte Kultus- sollte. Im Mai 1960 hielt sie es mit ihrem zen, die uns geblieben ist." senatorin Frau Dr. Klinsmann (SPD) zu- Amt durchaus für vertretbar, eine Reise Intendant Steigner hat vor allem eine letzt den Unmut der Senatsmitglieder da- nach Schwerin anzukündigen, obwohl je- politische Entscheidung getroffen, als er durch, daß sie einen Beschluß des Senats dem politisch denkenden Beobachter da- Brecht aus dem Programm nehmen ließ. zurückhielt und damit, wie es die CDU- mals klar sein mußte, daß Ulbricht und Hatte die „Schweyk"-Inszenierung aus Fraktion der Bürgerschaft formulierte, seinen Helfershelfern durch solche Besuche Stuttgart wenigstens einen künstlerischen nicht nur inkorrekt gehandelt, sondern eine Anerkennung zuteil wurde, die der Wert? Nach Ansicht zahlreicher Beobach- auch dem Ansehen des Senats geschadet SED-Propaganda dringend erwünscht war. ter war noch nicht einmal das der Fall. habe. Die CDU-Fraktion hatte kurz dar- Ähnliches politisches Unverständnis be- auf die Abwahl der Senatorin erwogen wies sie nun erneut mit ihrer Haltung zu Kein zwingender Grund und diesen Vorschlag der Bürgerschaft „Pauken und Trompeten". , zur Entscheidung gestellt. Frau Dr. Klins- „Die Welt" z.B. schrieb am 13. 11. 1961 In einer der letzten Sitzungen beschloß mann hatte gegen sich selbst ein Dienst- nun der Senat mit neun gegen acht Stim- u. a.: strafverfahren beantragt, das noch nicht „Gleich vorweg: es war absolut un- men (und damit auch gegen die CDU- entschieden ist. Stimmen) das Brecht-Stück am 11. Ja- nötig, diesen Brecht zu spielen. B. B. hat nuar 1962 aufführen zu lassen. Bürger- keine mittelmäßigen Stücke geschrieben, Die Verzögerung eines Senatsbeschlus- meister Wartemann (parteilos) hatte in das heißt: sie wurden entweder ausge- ses, durch den die Aufführung des Brecht- Verhandlungen mit den Fraktionen dar- zeichnet oder schlecht. Sein ,Schweyk' ge- schen Theaterstücks „Mit Pauken und um ersucht, die Abwahlbestrebungen ge- hört zu den letzteren. Trompeten" vorerst verschoben werden gen Frau Dr. Klinsmann nicht weiterzu- Brechts .Schweyk' gehört zu seinen sollte, war nicht der erste Alleingang der treiben, sondern mit einem Kompromiß schnell geschriebenen Versuchen, aktuel- Senatorin. Frau Dr. Klinsmann hatte einverstanden zu sein: Frau Dr. Klins- les Theater zu machen. Er schrieb es so schon 1954 den Senat in eine schwierige man bleibt weiter tätig, ihrem Einfluß aktuell, daß es heute nicht mehr stimmt. Lage gebracht, als er durch ihre Mitschuld wird aber das Referat „Verwaltung der ... Damit aber fällt das einzige drama- die „Störung der freundschaftlichen Be- Städtischen Bühnen" genommen und dem tische Motiv des Stückes. Was bleibt, ist ziehungen der Hansestadt zu Norwegen" Bürgermeister direkt unterstellt. Die CDU- reines Agitprop-Theater mit spärlichen bedauern mußte. Inkorrekt war ihr Ver- Fraktion war mit dieser Regelung ein- Blitzen Brechtschen Geistes. halten auch 1958, als in Lübeck der Ver- verstanden.

4 Teil des Publikums: .Der Irrtum, daß es „Es war absolut unnötig ..." keine prominente Schwachköpfe gibt, er- freut sich sowohl unter den Prominenten Forlsetzung von Seite 4 nal 22, aber es könnte auch die Devise wie unter den Schwachköpfen großer Be- Sendungen frei in der Zone allen Bürgern der deutschen Fernsehgewaltigen im An- liebtheit, und am meisten freuen sich sei- offen zugänglich sind, wollen wir im SFB gesicht der Mauer sein. Sie haben also ner die Kommunisten.' den ganzen Brecht bringen, von A bis Z, Brecht doch gespielt, den ,Schweyk im Mehr politischer Instinkt das kommunistische Bekenntnis wie sei- zweiten Weltkrieg'. Was politisch dazu nen Protest gegen die Unfreiheit', ver- zu sagen war, hat der Berliner SFB-Inten- Torberg wandte sich gegen die Ver- sprach Steigner." dant Walter Steigner bereits getan. Einen suche, Brecht gegen Brecht zu inszenie- besseren Kommentar findst du nit . . . ren oder in gewissen Äußerungen des „Ich habe keine Einstellung" Dramatikers prowestliche Nuancen aufzu- Die „Kölnische Rundschau" kommen- Das Programm geht weiter. Aber nach- stöbern. Seine drei oder vier großen tierte am 11. 11. 1961 ebenfalls die politi- dem Brecht doch für jeden ein Stück zum Stücke gehören diskutiert, aber leiden- sche Instinktlosigkeit des Deutschen Fern- Abschneiden bereithält, mag man auch schaftslos, nicht hysterisch, nicht irratio- sehens u. a. mit den Worten: den Fernsehgewaltigen ein Zitat in den nal, nicht unter dem Baldachin eines hek- Tournister packen. ,Ich habe keine Ein- tischen Brecht-Kults. Torberg polemisierte „Das Programm geht weiter. Das war stellung, ich habe ein Wirtshaus'. Das gegen die wackere Erklärung der ,66 tap- zwar nur der Unterhaltungstitel im Ka- sagte die Frau Kopecka". feren Intendanten', denen er mehr politi- schen Instinkt wünscht. Ein Kompromiß: Man lese ihn. Man Brecht als Propagandawert diskutiere ihn durch. Nicht aber feiere Der Westdeutsche Rundfunk veranstal- gime. Zuvor, wenn ich nicht irre, war es man ,ein ödes Machwerk' wie die .Simone tete am 14. November eine neue Sendung die brutale Niederwerfung des ungari- Machard', einen mißglückten Kabarett- im Rahmen seiner Reihe „Umstrittene Sa- schen Aufstandes vom Oktober 1956, der scherz wie den ,Arturo Ur', eine dubiose chen". Das Thema lautete: „Sollen wir die bundesdeutschen Theaterintendanten Nazi-Verniedlichung wie das Schwejk- heute Brecht spielen?". Professor Fried- zu ähnlich spontanen Reaktionen veran- Plagiat als Glanzstücke des deutschen -ich Torberg aus Wien, u. a. Herausgeber laßt hatte. Und noch weiter zuvor war es Theaters". jiner kulturpolitischen Monatszeitschrift, der schon erwähnte 17. Juni 1953, der uns Auch die „Bild-Zeitung" beurteilte das kam in seinem Diskussionsbeitrag zu Österreichern, bescheiden wie wir sind, Streitgespräch des Westdeutschen Rund- einer Verneinung dieser Frage. bis heute genügt.' funks in gleicher Weise. In der Ausgabe Nach einem Bericht in der „Welt" vom Nach einem ganz unerfindlichen Schlüs- vom 15. 11. 1961 heißt es u. a.: 15. 11. 1961 spielte sich die Diskussion sel also wird in Abständen an der mo- „Das Streitgespräch endete mit einem folgendermaßen ab: mentanen Spielbarkeit Brechts gezwei- klaren Sieg des Brecht-Gegners Torberg. felt. Aber nach jeder .mörderischen Seine Beweisführung: „Keine drei Minuten waren vergangen, Selbstentlarvung des roten Faschismus' als der brillante Redner Friedrich Tor- Der Kommunismus ist der Todfeind der fallen Linksintellektuelle wie bundes- Demokratie. berg sein Publikum im Griff hatte. Er deutsche Theaterintendanten in den alten Also können wir Brecht nicht spielen, formulierte faszinierend. Seine rhetori- Mitläufertrott zurück, — ,aus dem sie erst schen Winkelzüge bestachen. Sein wieder ein nächster Zonenaufstand, ein so leid es uns tut. Charme war sieghaft: ,Ich komme aus nächstes Budapest, eine nächste Schand- Jede Brecht-Aufführung ist — gewollt einer Stadt, die — zu Recht oder Unrecht mauer mit schießenden Vopos für kurze oder nicht — eine politische Demonstra- — in dem hartnäckigen Ruf steht, eine Zeit aufschrecken wird.' Torberg machte tion. Theaterstadt zu sein. In dieser Theater- eine winzige Pause und fügte hinzu: ,Ich Im Saal saßen viele prominente Brecht- stadt Wien ist seit dem 17. Juni 1953 kein habe mich oft gefragt, wie anspruchsvoll Freunde. Sie hatten Torberg kaum etwas Stück von Bertolt Brecht mehr aufgeführt die Herrschaften denn eigentlich sind und zu entgegnen. worden, und ich will Ihnen gleich ein- wie viele Leichen sie eigentlich brauchen, Im Saal saßen aber auch viele Inten- gangs bekennen, daß dies nicht ganz um endgültig dahinterzukommen, daß die ohne mein Zutun geschehen ist.' danten, Dramaturgen, Regisseure. Ver- kommunistische Diktatur vom Übel ist.' geblich forderte sie der Diskussionsleiter Torberg fuhr fort: ,Ich habe als Thea- Brechts Weltgeltung ist ein Propa- des WDR, Roland H. Wiegenstein, auf, terkritiker, als Herausgeber einer kultur- gandawert. Er dient als künstlerisches den Mund aufzumachen. Keiner von ihnen politischen Zeitschrift und auf joder an- Aushängeschild, so wie Albert Schweitzer halle den Mut, die Resolution der 66 In- deren mir zugänglichen Plattform nach und Thomas Mann als Alibis benutzt tendanten, die sich für Brecht stark ge- "•"yesten Kräften darauf hingewirkt, daß werden — einwirkend auf den naiven macht hatten, öffentlich zu vertreten." brecht in Wien nicht gespielt wird . . .' Die Fronten waren damit schon abge- steckt. Torberg war gleich zur Sache ge- kommen, mit einem Selbstbekenntnis, das polemisch war. Verleumdungen gesühnt ,Die These, die ich vor Ihnen, meine Dr. Merten in Griechenland verurteilt Damen und Herren, zu verfechten ge- denke, lautet dahin, daß ich dem An- Das Amtsgericht in Athen hat in der vergangenen Woche den Berliner spruch Bertolt Brechts, ernst und wichtig Rechtsanwalt Dr. Merten und zwei Hamburger Redakteure wegen Verleum- genommen zu werden, viel besser ge- dung eines griechischen Ministers zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Ange- recht werde, indem ich dagegen bin, daß man Brecht im Westen spielt, ja, daß ich klagten waren zu dem Prozeß nicht erschienen. ihn gerade dadurch wirklich und richtig respektiere.' Dr. Merten war in Griechenland wegen wurde dem Staatssekretär im Bundes- Kriegsverbrechen zu 25 Jahren Gefäng- kanzleramt, Dr. Globke, vorgeworfen, er „Bestimmter Anlaß" nis verurteilt, jedoch sehr bald aus der hätte einen Plan, 20 000 griechische Juden Haft entlassen worden. Nach seiner Rück- während des Krieges nach dem heutigen Natürlich wäre es schöner, wenn es die kehr nach Deutschland war er zeitweise Israel abzuschieben, sabotiert. Diese Ver- Frage, ob Brecht im Westen gespielt wer- Funktionär der linksstehenden Gesamt- öffentlichungen gingen auf Beschuldigun- den solle, gar nicht erst gäbe. Es gibt sie deutschen Volkspartei, deren Vorsitzen- gen Dr. Mertens zurück. aber, und es ist offenbar unmöglich, eine der der jetzige SPD-Bundestagsabgeord- Soweit sie Dr. Globke betrafen, sind haltbare Antwort zu finden. .Sonst würde nete Dr. Heinemann war. In einem Ar- sie inzwischen durch den Eichmann-Pro- sie nicht auch in Deutschland immer wie- tikel in der SPD-Zeitung „Hamburger zeß und durch ein Ermittlungsverfahren der auftauchen, und immer wieder aus Echo", für den Klaus Menzel, der Sohn deutscher Gerichte völlig widerlegt wor- bestimmten politischen Anlässen. Ein sol- eines SPD-Bundestagsabgeordneten ver- den (siehe UiD Nr. 23/61). Die gegen cher (Anlaß) hat sich erst vor kurzem er- antwortlich zeichnete, wurde behauptet, griechische Politiker ausgesprochenen geben und hat seine Aktualität noch un- daß griechische Politiker während der Verdächtigungen wurden nunmehr durch vermindert beibehalten: die gewaltsame deutschen Besetzung sich an jüdischen das Urteil eines griechischen Amtsgerichts Teilung durch das Ulbricht-Re- Vermögen bereichert hätten. Gleichzeitig gesühnt. ständnis aufbringen, um so weniger, als die SPD nach der Vereidigung Gelegen- Vereidigung und Ausmarsch heit hatte, ihre Bedenken und Forderun- gen vorzubringen. Stimmen zum neuen Kabinett - Der SPD-„Beitrag" Der Wahlkampf war von der Oppo- sition im Zeichen eines politischen Aus- dem eine entschlossene Fortführung der gleichs geführt worden. Noch bei der Politik des Westbündnisses und des har- Wahl des von der SPD bekämpften Kon- In zahlreichen Kommentaren wird ten Widerstandes gegen die Angriffe des rad Adenauer zum neuen Regierungschef der neuen Bundesregierung be- Ostens zuzutrauen ist. Gerade dem Leiter folgten die Spitzenvertreter der SPD vor scheinigt, sie verdiene Vertrauen. dieses schwierigen und umfangreichen wenigen Tagen dem Gesetz der weichen Ressorts muß eine Zeit der Einarbeitung Dagegen wird einhellig die Taktik politischen Welle und gehörten zu den der SPD verurteilt, aus dem Anlaß zugebilligt werden. Gleiches trifft zu für ersten Gratulanten im Bundestag. Wenn der Meinungsverschiedenheit über die fünf FDP-Minister, die zum ersten aber der gestrige Boykott der feierlichen die Geschäftsordnung die Recht- Male in eine Bundesregierung berufen Vereidigung als Auftakt für die vier- fertigung zum Auszug aus dem wurden. jährige Parlamentstätigkeit angesehen Plenarsaal herzuleiten. Es kommt jetzt darauf an, daß die ge- werden müßte, so wäre das kaum als meinsamen Ziele in enger Zusammen- gutes Vorzeichen für den Erfolg einer arbeit der Partner und mit Fairneß ver- vernünftigen . Zusammenarbeit zwischen „Mit neunzehn Ressorts ist das neue folgt werden." Koalition und Opposition zu werten." Kabinett Adenauer nun komplett. Nach „Deutsche Zeitung" 15. 11. 1961 „Bonner Generalzeiger", 15. 11. 1961 wie vor bilden die Minister Erhard, „Es gibt so schöne Ausreden, wenn es „Drohung und Ausmarsch erinnern an Strauß, Schröder, Blank, Lücke die für die darum geht, einer Frau den Weg in die politische Zielsetzung ausschlaggebende schlechteste Weimarer Zeiten. Solche Politik oder eine leitende Position zu ver- Taktik verhöhnt jeden Takt. Aber nicht Mannschaft. Der Weggang Brentanos und bauen oder zu vergraulen. Nun, die CDU/ der Hinzutritt Höcherls als neuer Innen- nur das. Rüde Methoden dieser Art CSU-Fraktion ist diesmal hart geblieben unterminieren das noch nicht sehr feste minister können wohl in Nuancen, aber (es war auch an der Zeit), und Frau Dr. keineswegs im Grundsätzlichen die bis- Gebäude unserer Demokratie, an deren Schwarzhaupt kann mi"t ihrer Arbeit be- herigen Akzente verändern. Nach wie Aufbau auch die SPD gut mitgearbeitet! ginnen. Die Sorge um die Volksgesund- vor ist in den wichtigsten Ressorts die hat. Wer der feierlichsten Handlung de" CDU maßgebend. Wenn die FDP so nach- heit ist eine große Aufgabe, und man Legislaturperiode den Rücken kehrt, be- kann nur wünschen, daß sie sich gerade drücklich Brentano beseitigt wissen weist, wie allerwertest ihm das Parlament auf diesem Gebiet, das schwieriger ist, wollte, so wird sie höchstwahrscheinlich ist. nach kurzer Zeit schon herausfinden, daß als der Außenstehende denken mag, auch durchsetzt. Es entspräche wohl nicht Das ist eigentlich unbegreiflich nach Gerhard Schröder, der neue Mann im ihrem Sinne, wollte man an die Kavaliers- dem Kurswechsel in der SPD, die sich Außenamt, keineswegs biegsamer, eher eigenschaften ihrer Ministerkollegen ap- doch in den letzten Wochen in Bonn sehr noch kälter und härter als der alte ist. pellieren, sie nicht im Stiche zu lassen, würdig verhalten hat, fast bürgerlich, je- Die stärkste Konstante bleibt der Bun- aber die Frauen im Parlament und vor denfalls godesbergisch. Soll das alles nur deskanzler, den das Grundgesetz als allem in der eigenen Partei wären gut Schein gewesen sein? Den wechselt ihr Dreh- und Angelpunkt der Regierung ein- beraten, wenn sie ihr den Rücken stärk- niemand mehr." gerichtet hat. Er ist nicht nur der Vorste- ten, wo es nur möglich ist." „Rheinische Post", 15. 11. 1961 her, sondern auch der Inspirator. Das „Rhein-Zeitung", 15. 11. 1961 Vertrauen, das er findet, und das Ver- „In der Form muß das Verhalten der trauen, das er sich schaffen kann, werden „Während die Regierungsmitglieder, die SPD kleinlich erscheinen, weil sie ihr letztlich ausschlaaqebend für den Erfolg nicht nur ihrer Partei, sondern dem Gan- Mißfallen an der Verschiebung der Re- und das Ansehen der Regierungsarbeit zen verantwortlich sind, ihre Hand zum gierungserklärung Adenauers ebensogut «ein." Schwur erhoben, verließen die Sozial- nach wie vor der Vereidigung der neuen „Ruhr-Nachrichten", 15. 11. 1961 demokraten aus Protest den Saal. Der Minister hätte bekunden können. Und in Ausmarsch traf die Regierung, obwohl der Sache ist es doch immerhin fraglich, „Die vierte Regierung Adenauer ist diese Demonstration an sich aus Verärge- ob nicht Adenauers Regierungsprogramm von der deutschen öffentlichen Meinung rung über den Bundestagspräsidenten ge- nach seiner Rückkehr von den Bespre- nicht gerade mit Vorschußlorbeer ver- boren wurde und sich gegen ihn richtete. chungen mit Präsident Kennedy inhalts- wöhnt worden. Mit dem Übereifer solcher Mit einem Paukenschlag wurde die reicher sein wird, weswegen eine Ver- Feststellungen geraten die Kritiker je- Kampfstellung der Opposition bezogen. tagung also durchaus sinnvoll wäre." doch in die Gefahr, sich von der Wirk- lichkeit immer mehr zu entfernen. Da der Und das, weil die Sozialdemokraten „Süddeutsche Zeitung", 15. 11. 196 Grad der Festigkeit der Koalition auch nicht vor der Vereidigung, sondern erst den Grad der Handlungsfähigkeit der Re- nachher Gelegenheit haben sollten, die „Mit ihrem Auszug aus dem Bundestag gierung bestimmt, besteht unter solchen Vertagung der Regierungserklärung zu bei der Eidesleistung der neuen Minister Umständen gar kein Anlaß, der neuen beklagen. Sie hätten diese Erklärung hat die SPD gestern jedoch gezeigt, daß Regierung im voraus eine besondere gern vor der Amerikareise des Kanzlers ihr ein Mindestmaß an politischem Stil Schwäche anzudichten. Eher Stärke als entgegengenommen, weil sie glaubten, noch fehlt. Die feierliche Zeremonie eines Schwäche läßt sie auch auf Grund der auf diese Weise die Gemeinsamkeit in Minister-Eids wurde zu einer politischen Kontinuität erwarten, die der Kanzler der deutschen Frage vor dem Besuch bei Demonstration mißbraucht, einer zudem zum Leitsatz bei der Auswahl der Perso- Kennedy hervorheben und damit die völlig überflüssigen Kundgebung. Der nen für sein Kabinett gemacht hat. Drei- deutsche Verhandlungsposition stärken Bundestagspräsident, der sich schon immer zehn seiner Mitglieder gehörten schon zu können. um ein gutes Verständnis zur Opposi- der letzten Regierung Adenauer an. Die Was ist nun aus diesem Bemühen um tion bemühte, hat den Unwillen der SPD meisten wurden nicht etwa deshalb wie- Gemeinsamkeit geworden? Ein peinlicher erregt, weil er einem ihrer Abgeordneten der in die Regierung berufen, weil sie Vorgang, ein Protest zur falschen Zeit in nicht vor der Eidesleistung, sondern erst sich zu Fachministern entwickelt hätten. verfehlter Form." hinterher das Wort erteilen wollte. Selbst Dies mag vielleicht für den Verkehrs- „Die Welt", 15. 11. 1961 wenn Herr Gerstenmaier nicht im Recht minister Seebohm gelten. Minister aus gewesen wäre, so wäre das noch lange rein fachlichen Gründen von Regierung „Es ist schwer zu begreifen, daß wegen kein Grund gewesen, eine Szene vor der zu Regierung weiterzuschleppen wäre eines so nichtigen Anlasses die Oppo- Öffentlichkeit zu machen. zweifellos nicht unbedenklich, weil dies sitionspartei den Raum verließ, während •der Parlamentspräsident Regierungschef Die SPD hat damit gezeigt, wie viel ihre Ressorts schließlich entpolitisieren Verantwortungsbewußtsein trotz mancher müßte. Die wichtigsten Ministerien sind und Regierung feierlich vereidigte. Es guter Ansätze ihr immer noch fehlt. Das aber nicht aus fachlichen, sondern aus handelt sich um die Regierung des gan- politischen Erwägungen mit führenden zen deutschen Volkes und nicht nur um ist gerade im Hinblick auf die Notwen- Persönlichkeiten besetzt geblieben oder die der CDU/CSU- und FDP-Wähler. digkeit einer Allparteien-Regierung für den Fall eines Notstands nur zu be- Viele Beobachter des innerpolitischen neu besetzt worden. So insbesondere das dauern." Auswärtige Amt, wo nach dem Abgang deutschen Geschehens werden für die Brentanos ein Mann gebraucht wurde, spontane Haltung der SPD kaum Ver- „Kölnische Rundschau", 15. 11. 1961 VERTRIEBENE Rückkehr ohne Gewalt Sinn und Aufgaben der Landsmannschaften

In einem Rundfunkgespräch verteidigte Staatssekretär Nahm vom Bundes- vertriebenenministerium die ost- und mitteldeutschen Landsmannschaften FLÜCHTLINGE gegen die ständigen Vorwürfe, sie seien ein Hort der Revanchisten. In dem Rundfunkgespräch „über Sinn wirtschaftliche Eingliederung vertriebener und Aufgaben der Landsmannschaften" oder geflüchteter Personen keinen Ein- Gleichstellung fast erreicht führte der Staatssekretär aus: fluß auf das Bestehen ihrer Ansprüche Die Forderung der Sowjetzonenflücht- „Selbst wohlwollende Ausländer haben auf Heimkehr und Wiedergutmachung mit linge den Vertriebenen gleichgestellt zu Sorge wegen der Vertriebenenverbände sich bringt. werden, hat bei der Bundesregierung Ver- geäußert. Sie meinten, diese widersprä- Selbstverständlich bekennt sich die ständnis gefunden. Zu dieser Feststellung chen nicht nur der Eingliederung, sondern Bundesregierung zu den Landsmannschaf- kam der Sozialausschuß und der Wirt- sie erschwerten auch die Verständigung ten, weil sie an dem föderativen Prinzip schaftsausschuß des Gesamtverbandes der mit den östlichen Nachbarn. Dieser Sorge des Staatsaufbaus festhält. Der lands- Sowjetzonenflüchtlinge bei einer Prüfung wird auch im Bereich der Bundesrepublik mannschaftliche Grundsatz kann nicht be- der Flüchtlingsgesetzgebung in der Bun- Ausdruck gegeben. Allerdings sind diese schränkt werden auf jene Teile der Be- desrepublik. Es wurde in diesem Zusam- Befürchtungen völlig grundlos. Denn schon völkerung, die vor den Schrecken und menhang auf die Bedeutung des 14. La- längst haben die Vertriebenenverbände Nötigungen der Nachkriegszeit bewahrt stenausgleichsnovelle hingewiesen, die in einer Charta ein Bekenntnis zur fried- geblieben sind. lichen Regelung der Grenzstreitigkeiten einen weiteren Schritt zur Gleichstellung Da hören wir vorn Osten, die Vertrie- der nach den Bundesvertriebenen- und mit den östlichen Nachbarn abgelegt. Kaum ein Dokument ist in seiner Bedeu- benenverbände züchteten Revanchisten. Flüchtlingsgesetz anerkannten Sowjetzo- Die Vertreibung der Deutschen aus ihren nenflüchtlinge mit den übrigen geschädig- tung so wenig erkannt worden, wie diese Heimatgebieten war ein typischer Akt der Charta der Vertriebenen. Sie verzichtet ten Gruppen bedeutete. Insbesondere sei Revanche, der Revanche für die Verbre- nicht auf die Heimat, wohl aber auf Haß, dem Wunsch des Gesamtverbandes der chen der Nationalsozialisten. Wir alle Sowjetzonenflüchtlinge nach Beseitigung Rache und Krieg. Dieser Verzicht umfaßt auch wirtschaftliche Erpressung und die wünschen, daß diese 1945 vollzogene Re- der Unterschiede bei den sozialen Hilfs- vanche an Nichtschuldigen der letzte bar- maßnahmen fast vollständig entsprochen Diffamierung der Vertreiber. Es blieb also kein Hintertürchen offen. barische Akt der Menschheitsgeschichte worden. Kritisiert wurde die nach Ansicht gewesen sein möge. Die Charta schließt des Gesamtverbandes nicht genügende Es wäre aber fürwahr traurig, wenn die Revanche aus, aber nicht die Revision. Betreuung der nichtanerkannten Sowjet- der Verzicht auf Gewalt automatisch auch Die Revision gehört zum Rechtsleben. Re- zonenflüchtlinge. Der vierte Bundestag den Verzicht auf Recht bedeutete, denn vision ist die Absage an Revanche und wurde ersucht, bei dem Gesetz zur Fest- damit begrübe die Welt jedes Bestreben Gewalt. Wer erwartet, daß eine im Sie- stellung von Schäden, in der Zone auch nach einer Zukunft, die ihre Normen nicht gestaumel vollzogene Tat einer rechtlichen die Flüchtlinge zu berücksichtigen. aus barbarischem Denken bezöge. Auch Nachprüfung unterzogen werde, kann sich in unserem Privatleben ist das Faustrecht auf den Vater der Tschechoslowakei, Ohne C-Ausweis ausgemerzt, ohne daß damit dem Recht Thomas Masaryk, berufen, der gesagt hat, Abbruch geschehen werde . . . Realitäten sind aus sich allein nicht Rech- In Baden-Württemberg stehen im Haus- Zur Frage, ob nicht zwischen der Ein- tens. Was aber nicht Rechtens ist, weil haltsjahr 1961 erstmals aus Landesmitteln gliederung der Vertriebenen und derem es nicht rechtmäßig zustande kam, ist re- Kredite für Flüchtlinge ohne C-Ausweis Wunsch nach Rückkehr ein Widerspruch visionsfähig." zur Verfügung, die vor ihrer Flucht in der besteht, möchte ich sagen, daß Integra- Sowjetzone in der gewerblichen Wirt- tion nicht Assimilierung bedeutet. Und schaft oder im freien Beruf tätig waren zwar wird niemand an der Assimilierung, und durch die Flucht ihre selbständige also an dem völligen Aufgehen in der 7,5 Millionen Ausweise Existenz verloren haben. Zum Aufbau neuen Umgebung und an der Preisgabe Nach einer Statistik des Bundesvertrie- einer neuen Existenz werden Kredite in seines heimatlichen Sprach- und Kultur- Höhe bis zu 30 000 DM, in Ausnahme- benenministeriums hatten bis zum 30. Juni erbes gehindert. Die Entscheidung dar- 1961 insgesamt 8 428 681 Vertriebene und fällen bis zu 35 000 DM gewährt. Die An- über ist dem einzelnen überlassen. Es träge sind bei den Regierungspräsidien Flüchtlinge die Ausstellung von Auswei- wird auch niemand zur Assimilierung sen nach dem Bundesvertriebenengesetz inzureichen. ermuntert oder gar veranlaßt. Wer die In Bayern hat man davon abgesehen, beantragt. Für 7 509 395, also 89,1 v. H. ist idellen Werte und die ethischen Pflichten bereits ein Ausweis A, B oder C ausge- ein eigenes Kreditprogramm für Flücht- des Heimatbewußtseins erkennt und geben worden. 7 052 325 erhielten den linge ohne C-Ausweis anlaufen zu lassen. ihnen verbunden bleiben will, sollte all- Ausweis A oder B und 457 000 den Aus- Kredite können aber aus den sonstigen gemeiner Sympathie sicher sein, denn er weis C. Landesprogrammen für Aufbaufinanzie- tut weder Unerlaubtes, noch etwas, was rungen gewährt werden. Anträge sind der Allgemeinheit schädlich sein könnte. bei der Hausbank des Antragstellers ein- Das Vertriebenengesetz bejaht die Hei- Wohnungen für Flüchtlinge zureichen. matorientierung ausdrücklich und ver- Der Wohnungsbau für Sowjetzonen- In Hessen können Flüchtlinge ohne C- pflichtet die Behörden, sie in ihren Schutz flüchtlinge und Aussiedler wird von der zu nehmen. Das Recht auf Selbstbestim- Ausweis Finanzierungshilfen des Landes Bundesregierung weiterhin stark geför- mung, zu dem das Recht auf die Heimat zur wirtschaftlichen Eingliederung erhal- dert. Bundeswohnungsbauminister Lücke ten, wie in einem besonderen Erlaß be- gehört, kann weder durch eine augen- blickliche politische Machtlage gelöscht, hat den Ländern im Anschluß an die bis- stimmt ist. Anträge sind bei dem zustän- her bewilligten 700 Millionen DM wei- digen Magistrat oder Kreisausschuß noch durch eine vollzogene Eingliederung geschmälert werden. Ein Gewaltakt wird tere 131,3 Millionen DM für den Woh- einzureichen. nungsbau für Flüchtlinge und Aussiedler nicht dadurch Rechtens, daß der Betrof- zur Verfügung gestellt. fene überlebt und wieder zu Arbeit, Woh- 13,7 Millionen flohen nung und Vermögen kommt. 13,7 Millionen Vertriebene und Flücht- Die Bundesregierung steht mit dieser Herausgeber: Bundesgeschäftsstelle der CDU Deutschlands, verantwortlich für die Redaktion: linge haben bis 1960 Zuflucht in der Bun- Auffassung nicht allein da. Auf der am Dr. Heinz Pettenberg, Bonn, Nassestraße 2, Telefon desrepublik gefunden, wie das Bundes- 22. Oktober zu Ende gegangenen Jahres- 5 29 31 — Verlag: Presse- und Informationsdienst vertriebenenministerium mitteilt. Aus den hauptversammlung der europäischen For- der CDU Deutschlands Verlagsgesellschaft mbH. Gebieten jenseits des Eisernen Vorhangs • Bonn, Argelanderstraße 173, Telefon 2 3140 — schungsgruppe für Flüchtlingsfragen haben Bezugspreis: monatlich 1,— DM — Banken: Presse- kamen 9,9 Millionen vertriebener Deut- Wissenschaftler europäischer Länder ein- und Informationsdienst der CDU Deutschlands Ver- scher, 3,7 Millionen flüchteten aus der mütig einer das Recht auf die Heimat lagsgesellschaft mbH. Bonn, Argelanderstraße 173, Sowjetzone und Ost-Berlin in das Bundes- Postscheck-Konto Köln 1937 95, Commerzbank- betreffenden Entschließung zugestimmt Bankverein, Bonn Nr. 12 493. — Druck: Bonner gebiet. und erklärt, daß die gesellschaftliche und Universitäts-Buchdrudcerei. die Landesverteidigung" auf, weil ein bis- her brachliegender Flugplatz wieder be- Das „Ohne-mich" von Rehbach nutzt werden soll. Diese Agitation gegen die Landesverteidigung in einer Krisen- MdB Droescher (SPD) macht erneut von sich reden zeit zeige die „schizophrene politische Haltung" bestimmter Personen und Min- „Wenn Ministerpräsident Altmeier hier wohnte oder der Bundesverteidi- derheiten, die angeblich im Namen der Öffentlichkeit sprächen, „in Wirklichkeit gungsminister, dann würde das Problem bestimmt schnellstens gelöst". Mit jedoch nur die politischen Geschäfte des diesem Argument versuchte der SPD-Bundestagsabgeordnete Droescher anläß- Ostens besorgen". lich der Übernahme des NATO-Flugplatzes Pferdsfeld unter der Bevölkerung Es ist in diesem Zusammenhang er- der Nachbargemeinde Rehbach Stimmung gegen die notwendige Verteidi- wähnenswert, daß sich Kreistagsabgeord- gungsmaßnahme zu machen. neter Nicolay nach vorliegenden Infor- mationen u. a. mit dem Großimport von Eigelb aus Rotchina sowie dem Import Bundestagsabgeordneter Droescher, des- Seine Reise hatte u. a. die „Fränkische kaukasischer Teppiche beschäftigt und sen umstrittene Reise in das Gebiet der Landeszeitung" mit den Worten kommen- wiederholt in Moskau gewesen ist. tiert: „Man kann die Betrachtung über sowjetischen Besatzungszone vom März „Die Welt" nahm am 11. 11. 1961 eben- 1961 auch in seiner eigenen Partei kei- das ruhmlose Abenteuer des Herrn Drö- scher nicht beenden, ohne des SPD-Ab- falls zu diesen Fragen Stellung und schrieb neswegs vergessen ist, sprach offenbar u. a.: in bekannter Objektivität, als er die oben geordneten Mommer zu gedenken, der erwähnte Erklärung abgab. Denn was seinerzeit das Wort von den Trojanischen „Wenn am heutigen Sonnabendvormit- SPD-Abgeordneter Droescher von der Ver- Eseln erfand ..." tag der NATO-Flugplatz Pferdsfeld vom teidigung hält, das hatte er schon 1958 Verteidigungsminister Strauß seiner Be- während des Parteitages der Sozialdemo- Neben dem SPD-Abgeordneten Droe- stimmung übergeben wird, werden dem kraten in Stuttgart zu erkennen gegeben. scher trat auch der parteilose Kreistags- Kreis der geladenen Gäste drei Männer Das offizielle Protokoll vermerkte fol- abgeordnete Rudolf Nicolay als Sprecher ostentativ fernbleiben. Der Bürgermeister genden Ausspruch Droeschers: „Sicher ist der Bevölkerung auf. Er hatte seinerzeit der Gemeinde Rehbach, Bohr, der Kreis- es klar, daß die Aufrüstungspolitik ä la die Rehbacher zum Hungerstreik aufge- tagsabgeordnete Nicolay, und der sozial- Adenauer die Wiedervereinigung prak- rufen, um auf das Bundesverteidigungs- demokratische Bundestagsabgeordnete ministerium einen Druck auszuüben und tisch unmöglich gemacht hat." Droescher aus dem nahen Kreuznach ha:j die Benutzung des Flugplatzes zu verhin- ben es abgelehnt, zu der kurzen Eröfff Droescher war es auch, der seiner Par- dern. Die Form des Protestes war vom nungsfeierlichkeit zu kommen. Sie mei- tei einen Bärendienst erwies, als er im Verteidigungsministerium Anfang Okto- nen, dies sei ein ,Tag der Trauer'. März 1961 nach Fürstenwalde an der Oder ber scharf kritisiert worden. In seiner Er- fuhr und dort in ein Gespräch mit Funk- klärung wurde gesagt, während Chruscht- Niemand wird den Dorfbewohnern, nie- tionären der SED verwickelt wurde. SPD- schow die Freiheit Berlins ersticken wolle mand auch wird den Abgeordneten ver- Politiker nannten diese Reise töricht; und in der sowjetischen Besatzungszone wehren wollen, mit allem Nachdruck die Droescher selbst habe sich in ein schiefes eine schleichende Mobilmachung zu be- Auffassung der Gemeinde zu vertreten. Licht gerückt. Erschwerend kommt hinzu, obachten sei, rufe „ein gewisser Rudolf Und doch wird man das Gefühl nicht los, daß Droescher Mitglied des Verteidi- Nicolay" in Rehbach als Sprecher der Be- daß sich in den Protesten der Gemeinde gungsausschusses im Bundestag war. völkerung zu einem „Hungerstreik gegen etwas von jener weit verbreiteten An- sicht widerspiegelt, daß Opfer und Rück- sichtnahme nur solange bejaht werden, wie man sie anderen abverlangt. Die NATO-Maschinen, die nun über Viel Geld für wenige Rehbach donnern werden, haben auch das Leben dieser Dorfgemeinde zu schützen. Unverhältnismäßig hohe Zuschüsse für Berliner Freidenker Daß es notwendig ist, mag bedauerlich sein. Aber daß ein ,Tag der Trauer' ver- anstaltet wird, läßt ahnen, wie sehr das Bei den Beratungen des Berliner Haushaltsplanes im Abgeordnetenhaus ,Ohne-mich' noch immer wirksam ist, so- und in den Ausschüssen kam es wieder an den Tag, wem die besonderen bald der einzelne zu persönlichen Opfern Sympathien der SPD gehören. In jedem Jahr versucht nämlich die SPD den aufgerufen wird." wenigen Freidenkern unverhältnismäßig hohe Zuschüsse zu geben, während man sich den Kirchen gegenüber recht sparsam zeigt. Zur CDU übergetreten ,. Wie bisher, so mußten auch im Etat genug getan. Die Sozialdemokraten wol- Wie der Kreisverband der CDU in^- 1962 die Zuschüsse für den Religions- len außerdem noch unter dem unverfäng- Celle mitteilte, sind sechs DP-Ratsherren und Freidenkeruntericht der Kinder an lichen Haushaltstitel „Volksbildung" wei- von Hermannsburg, Landkreis Celle, dar- Berliner Schulen eingesetzt werden. Für tere 55 000 DM den Freidenkern zur Ver- unter der Bürgermeister, geschlossen zur den Religionsunterricht der 152 000 evan- fügung stellen, Hiervon sind 5000 DM für CDU übergetreten. Die Gemeinderatsfrak- gelischen Kinder wurden 4,4 Millionen die Vorbereitung des Freidenkerunter- tion der Deutschen Partei, die seit 1946 in DM und für die 19 000 katholischen Kin- richts an Schulen vorgesehen, so daß Hermannsburg über die absolute Mehr- der 675 000 DM bewilligt. Dies entspricht nach allem zwischen den Zuschüssen für heit verfügte, hat sich in der vergange- einem Satz von 28 DM für jedes evan- den Religions- und den Freidenkerunter- nen Woche aufgelöst. Jetzt hat die CDU gelische und von 35 DM für jedes katho- richt die Differenz noch erheblich ver- mit ihren bisherigen zwei Ratsherren und lische Kind. Demgegenüber wollen die größert wird. Man kann das Verhalten den sechs übergetretenen die absolute Sozialdemokraten für den Freidenker- der SPD nur dadurch erklären, daß die Mehrheit. Die letzten beiden DP-Rats- unterricht der 300 religionslosen Kinder alte marxistische Grundauffassung hier herren haben sich noch nicht entschieden, 50 000 DM einsetzen, womit auf jedes wieder zum Ausdruck kommt. welcher Partei sie beitreten wollen. dieser Kinder ein Betrag von 166 DM entfällt. Ursprünglich hatte die SPD- Die CDU in Berlin hat sich aus Ach- Fraktion sogar beabsichtigt, für diese tung vor jeder Überzeugung nicht grund- Atome für den Frieden Zwecke 90 000 DM einzusetzen. Nur der sätzlich gegen die Unterstützung der Frei- Umstand, daß die Freidenkerjugend, wie denker ausgesprochen. Sie will aber Die Bundesrepublik hat als einer der den Freidenkern nicht größere Zuschüsse die Erfahrung zeigte, nicht in der Lage ersten Mitgliedstaaten der Internationa- war, für die außergewöhnlich hohen Bei- gewähren, als sie überhaupt verbrauchen len Atomenergiebehörde ihren freiwilli- können. Deshalb haben die Vertreter der hilfen eine ordnungsmäßige Verwendung gen Beitrag für 1962 um 60 000 DM auf nachzuweisen, erklärte sich die SPD be- CDU beantragt, im Berliner Haushalt für insgesamt 260 000 DM erhöht. Außerdem den Freidenkerunterricht an Schulen nur reit, sich mit 50 000 DM zufrieden zu ge- will die Bundesregierung weitere 80 000 ben (siehe UiD Nr. 25 und 28/61). 3000 DM einzusetzen, einen Betrag, für DM für Stipendien zur Verfügung stellen. die die Freidenker im letzten Jahr eine Die Vereinigten Staaten tragen mit rund Aber damit ist nach Meinung der SPD ordnungsgemäße Verwendung nachwei- 3 Millionen DM die finanzielle Hauptlast in Berlin für die Freidenker noch nicht sen konnten. der Atomenergiebehörde.