NGALERIE

Dampf- Paradies Rügen

Rasender Roland Im Volksmund wird die Schmalspur- bahn von nach Göhren auch heute noch so bezeichnet. Die 24 km lange Fahrt dauert 75 Minuten, das ist keineswegs rasant. Auch eine zweite Lokomotive, wie hier in Göhren die 99 4631 vor der 99 4802 mit dem Zug nach Putbus, verkürzt die Fahr- zeit nicht. Grund für die Vorspannlok war am 12. Mai 1980 eine Probefahrt der 99 4631 nach einer Hauptunter- suchung in Görlitz.

FOTO: JÜRGEN NELKENBRECHER

6 7 8 Morgenstimmung Am Haltepunkt Posewald sind am 14. Mai 1980 Reisende nach Putbus zugestiegen und die 99 4802 beschleu- nigt nun den Zug wieder. Die Lok wurde 1938 von Henschel gebaut. 25 Jahre lang war sie auf dem Netz der Kleinbahnen des Kreises Jerichow 1 – östlich von Burg (b. Magdeburg) – im Einsatz, seit 1965 bespannt sie Züge zwischen Putbus und Göhren.

FOTO: JÜRGEN NELKENBRECHER

9 10 Dampflok-Pflege In Putbus ergänzen die Lokomotiven den Kohle- und Wasservorrat. Unver- zichtbar ist aber auch die Entfernung der Verbrennungsrückstände vom Rost, aus dem Aschkasten und der Rauch- kammer. Und ein Dampfross will natürlich auch stets mit ausreichend Schmieröl und -fett versorgt sein. Bei der 99 4631 wird am 12. Mai 1980 soeben die Lösche aus der Rauchkammer entfernt.

FOTO: JÜRGEN NELKENBRECHER

11 12 Granitz Auf der höchsten Erhebung des bewal- deten Höhenrückens im Südosten Rügens, dem 107 m ü.NN hohen Tempelberg, wurde Mitte des 19. Jahr- hunderts das Jagdschloss Granitz errich- tet. Das als Naturschutzgebiet ausge- wiesene Waldgebiet verfügt über reiche Bestände an Buchen und Traubenei- chen. Die Lok 53 Mh hat am 15. April 2003 mit ihrem Zug nach Göhren die Steigung von hinauf zum Halte- punkt Jagdschloss fast geschafft.

FOTO: ANDREAS RITZ

13 NGESCHICHTE DER RÜ.K.B.

Eröffnung Rü.K.B.-Südstrecke Putbus – Binz 22. Juli 1895 Binz – Sellin West 20. März 1896 Sellin West – Sellin Ost 23. Mai 1896 Sellin Ost – Göhren 13. Oktober 1899 Altefähr – Putbus 4. Juli 1896

Eröffnung Rü.K.B.-Nordstrecke Bergen – Wittower Fähre 21. Dezember 1896 Fährhof – Altenkirchen 21. Dezember 1896 Buhrkow Abzweig – Starrvitz-Gramtitz 1. November 1918 Starrvitz-Gramtitz – 16. Dezember 1918

Im alten Bahnhof Altefähr wurde die Rü.K.B.-Maschine Nr. 33 porträtiert. Im Hintergrund sind die Gebäude des früheren Lokschuppens zu erkennen, der bei der Umgestaltung des Bahnhofs 1935/36 abgerissen wurde. Lenz-Kleinbahn wird Touristenattraktion

Die Geschichte des Rügener Schmalspurbahnbetriebes ist äußerst interessant. Streckenteile verschwanden und kamen hinzu, Lokomotiven ersetzten betagte Schwestern und nach drohender Stilllegung, sowie heftigen rechtlichen Turbulenzen ist nun die Zukunft der Rügenschen BäderBahn sicher.

ie etappenweise Erschließung Rügens wendigkeit der verkehrstechnischen Erschlie- setzes vom 3. November 1838 ermöglichen. mit der Eisenbahn ab 1883 führte im ßung Preußens ein, somit auch Rügens. Dem Verschiedene Streckenprojekte erhielten nun DKernland der Insel zum Verlangen, auch Landtag wurde am 6. März 1892 der Entwurf eine ganz neue Diskussionsgrundlage. Groß- an den neuen Verkehrsweg angeschlossen zu eines „Gesetzes über die Bahnen unterster grundbesitzer und der Fürst zu Putbus waren werden. Aus staatlichen Mitteln waren Neben- Ordnung“ vorgelegt. Es sollte den Bau von die Fürsprecher neuer Rügener Eisenbahn- strecken ins Rügener Landesinnere nicht zu lokalen Eisenbahnen durch Verzicht auf die linien, die im Endeffekt als Schmalspurbah- finanzieren. In Berlin sah man aber die Not- strengen Anforderungen des Eisenbahnge- nen errichtet werden sollten. Der Staat Preu-

In Wiek ist vor 1897 ein Perso- nenzug aus Fährhof einge- troffen. Die Maschine des Typs „n“ rollt noch Rauchkammer voraus nach Altenkirchen. Neben dem Post-/Gepäckwagen Nr. 13 genügt ein 2.-/3.-Klasse- Abteilwagen für den Betrieb. Fotos: Sammlung Scholz (2)

14 Ein Personenzug mit einer Vulcan-Lokomotive passiert den romantischen Streckenabschnitt, der durch das dichte Waldgebiet der Granitz führt. Die geräumigen vierachsigen Personenwagen haben auf dem Bäderbahnabschnitt Putbus – Göhren schnell die zweiachsigen Vertreter abgelöst.

ßen und die Provinz Pommern einigten sich, im Jahr 1900 rund 10.000 Gäste, 1905 schon chen bezeichnete, über den Rassower Strom. sich zu gleichen Teilen an den Baukosten der 18.000 und 1925 beachtliche 27.000. Reisezugwagen wurden nach der Übernahme Bahnen zu beteiligen. Die bauausführende durch die DR 1949 nicht mehr trajektiert. Firma Lenz & Co. GmbH wurde zwei Tage Optimaler Brückenschlag zur Die Firma Lenz & Co. übernahm zu Be- nach der Verkündung des preußischen Klein- ginn die Betriebsführung. Ab 1. April 1910 bahngesetzes am 30. Juli 1892 in Stettin ge- Halbinsel wechselte diese zum Provinzialverband der gründet. Sie entwickelte sich in der Folgezeit Von Bergen aus verlegten im Auftrag der Rü- Provinz Pommern über. zum bedeutendsten Neben- und Kleinbahn- genschen Kleinbahnen AG (Rü.K.B.) Lenz & Mit den beiden Linien Altefähr – Put- Konzern in Deutschland. Mehr als 12.000 km Co in sparsamer Bauweise mit Holzschwel- bus – Göhren und Bergen – Altenkirchen der Eisenbahnstrecke sind in den ersten 20 Jahren len, Kiesbettung und 9-m-Vignolschienen eine Rü.K.B. war das Kernland erschlossen. Ver- entstanden. Auf Rügen baute das Unterneh- zweite Schmalspurstrecke in den Nordteil der schiedene Projekte und Visionen rückten zur men 97,3 km Schmalspurstrecke. Insel. Somit konnte das Kernland erschlossen weiteren verkehrstechnischen Erschließung in Ein wesentlicher Erfolgsfaktor des lenz- und ein Schienenweg zur Halbinsel Wittow die Öffentlichkeit und verschwanden mitun- schen Konzepts war der minimalste Aufwand realisiert werden. Oberhalb von Trent stoppte ter recht schnell. Ein Projekt hat dagegen bis mit der Gewährleistung einer sicheren Be- eine Meerenge, der Rassower Strom, den Ei- heute seine Spuren hinterlassen – die geplan- triebsführung. Für den Bau schmalspuriger senbahnbau. Eine rund 400 Meter breite Was- te Kreidebahn nach Arkona. Unterhalb des Nebenbahnen im norddeutschen Raum schien serstraße trennt seit langer Zeit den Weg nach Kaps sollte das weiße Gold der Insel abgebaut mit diesem System die Ideallösung gefunden Norden. Um Wittow auf dem Landweg zu er- werden. Vor Altenkirchen sollte eine Schmal- worden zu sein. Minimal zu bauen, heißt, in reichen, muss man auch heute noch über Ber- spurstrecke zu dem Tagebaugebiet abzweigen. erster Linie eine kostengünstige Bauweise zu gen, Lietzow, Sagard den weiten Weg durch Die Kreide über die See per Schiff zu trans- verfolgen. Diesem effektiven Prinzip folgend die Schaabe nehmen. Dieser Landstreifen hat portieren, verlangte nach einem Tiefwasserha- wurden Gleisanlagen, Fahrzeuge und Bauten als eine Nehrung Wittow mit Jasmund vereint fen. Die Idee einer Nordbahn tendierte schon nach möglichst gleichen Plänen erstellt. Jene und den Jasmunder Bodden entstehen lassen. 1880 zum Bau eines Hafens Arkona. Die kos- ersten von dem Eisenbahnbauunternehmen Erste Gedanken zur Überwindung der Meer- tengünstigere Lösung war, die Verladung im aufgestellten Kennziffern eines standardisier- enge galten zu nächst einem Brückenbau. Hafen von Wiek zu organisieren. Eine große ten Eisenbahnbaus wurden unter den Lenz- Die Fischer sahen sich damit allerdings ihrer Brücke baute man in Vorbereitung des Stre- Normalien bekannt. Existenzgrundlage beraubt. Man argwöhnte, ckenbaus 1914/15 an den Rand des Wieker Ab dem 22. Juli 1895 dampften die Schmal- dass die Pfeilerkonstruktion die Fischströme Hafenbeckens. Die Güterzüge mit den Krei- spurbahnzüge zwischen Putbus und Binz. In zwischen Bodden und offener See behindern deladungen sollten hier hinaufgelangen und drei Etappen wurde dann die weitere Strecke könnte. Ferner war die Schiffbarkeit der Meer- die Kreide in Kähne gekippt werden. Lade- eröffnet. Der Endbahnhof in Göhren ging am enge sicherzustellen. Getreu den lenzschen kähne hätte man unter den Bogen geschleppt. 13. Oktober 1899 in Betrieb. Damit war die Berechnungen erzielte man den wirtschaft- Öffnungen in der Brückenkrone hätten die Südstrecke komplett eröffnet, denn am 4. Juli lich optimalen „Brückenschlag“ mit einer Kreide dann in den Laderaum fallen lassen. 1896 erfolgte die Betriebsfreigabe von Putbus Trajektlösung. Die beiden Fährschiffe „Jas- Nachkriegszeit, schwierige Finanzlage und nach Altefähr. Schon zu Beginn wurde die mund“ (1912 verkauft und ersetzt durch „Jas- Inflation beendeten den weiteren Aufbau der Bahnlinie zweierlei Anforderungen gerecht: per von Maltzahn“, 1949 umbenannt in „Ber- Kreidebahn. Die Einstufung von Arkona als einmal als Meilenstein der wirtschaftlichen gen“) und „Wittow“ brachten Güterwagen und Landschaftsschutzgebiet um 1927 schob dem Entwicklung, aber auch vorrangig ab Putbus Reisende während der gesamten Betriebszeit Bahnbau endgültig einen Riegel vor. Arkona als Zubringer zu den aufblühenden Ostseebä- der Nordstrecke, wie man den Abschnitt Ber- mit seinem Kap ist einer ökologischen Kata- dern Südostrügens. In Zahlen: Binz verbuchte gen – (Wittower Fähre – Fährhof) – Altenkir- strophe entgangen.

15 Rangiergeschäft in Fährhof: 99 4603 ist eine Lenz-Type „m“, auf die man 1964 noch nicht verzichten konnte. Mit Schutzwagen werden hier Güterwagen vom Fährschiff gezogen und aufgefahren. Erst nachdem das Rangier- geschäft beendet ist ,wird das Schiff für den Personen- und Straßenverkehr freigegeben. Foto: H. Pochadt

1940 übernahmen die als Körperschaft des öffentlichen Rechts neu gegründeten Pom- merschen Landesbahnen die Rü.K.B. in ihr Eigentum. Mit der Indienststellung des Triebwagens T 1 ab 1937 und zwei zu Beiwagen umla- ckierten Personenwagen sollte die Fahrzeit auf der Nordstrecke verringert werden. Nur gut sechs Jahre war der Triebwagen bei der Rü.K.B. im Einsatz, dann war das „Moder- nisierungsprojekt“ Geschichte. In den Jahren des Zweiten Weltkrieges ging der Ausflugs- und Urlauberverkehr gravierend zurück. Mit den Betriebseinschränkungen ging ein Perso- nalmangel einher. Nach 1945 wurden die beiden Rü.K.B.- Strecken dem Landesbahnamt un- terstellt. 1949 gelangten sie dann zur Deut- schen Reichsbahn. Die 50er-Jahre gingen ohne betriebliche Besonderheiten in die Geschichtsbücher ein. Den Betriebsmaschinendienst prägten noch die alten Lenz-Maschinen der Typen „n“ und „m“, die Mallets des Typs „nn“ und Vulcan- D-Kuppler des Typs „M“. Der Bäderverkehr dominierte auf dem Streckenabschnitt Put- bus – Binz – Göhren. Auf der Nordstrecke nach Wittow bevölkerten in der Feriensaison mehr Kinder die Züge bis Wiek zur Anreise ins Sächsische Kinderheim. Die Bäderbahn im Süden gelangte im Zuge des auflebenden Tourismus, maßgeb- lich auch durch den FDGB, bald an ihre Ka- pazitätsgrenze. Glieder-Doppelstockzüge InIn PosewaldPosewald KreuzungsstelleKreuzungsstelle aus den südlichen Bezirken erreichten Put- wurdewurde diesesdieses PostkartenmotivPostkartenmotiv mit derder bus, wo die Sonnenhungrigen zu Hunderten 99 4633 aufgenommen. f Foto:FS Sammlung Scholz S mit Reisegepäck auf die Weiterreise mit der Schmalspurbahn angewiesen waren. Den nötigen Laderaum haben eingestellte Gw als Stück- und Expressgutwagen geboten. Ohne „Kleinbahn“ „Rasenden Roland“ wären diese Urlauberströme nicht in ihre Quartiere zu bringen gewesen. In den frühen 1960er- Jahren bildete sich der Kosename der Bä- derbahn aus. Die gestiegenen Transportleistungen, da- mit einhergehender enormer Verschleiß der alten Maschinen und deren Überforderung bedeuteten: Es musste gehandelt werden. Von Schmalspurbahnen aus Sachsen und Bran- denburg wurden ab Mitte der 1950er-Jahre bis 1963 dort freigewordene Lokomotiven und Fahrzeuge auf den beiden Schmalspur-

Gleich zwei Maschinen befördern diesen um 1955 in Sellin Ost stehenden Bäderzug nach Göhren. Der Zuglok 99 4631 ist die 99 4522 vorgespannt. Foto: G. Paul

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