GrabfeldDas Heimatblätter für Kultur, Geschichte und Brauchtum im Grabfeld Herausgeber: Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. und Museumspädagogisches Zentrum Bad Königshofen i. Gr. Nummer 25 Nummer 25 Bad Königshofen, November 2017 Seite 1

Geschichte der Reformation und Gegenreformation im Königshöfer Grabfeld „Die Edelfrau lässt auf die Feiertag öffentlich arbeiten!“ Reinhold Albert nehmer in Königshofen geblieben seyn, be- ihren Kampf um Selbständigkeit und Reichs- In diesem Jahr feiern wir das 500jährige Re- sonders da ganz in der Nähe ganze Dörfer freiheit zu unterstützen, weshalb sie zu den formationsjubiläum. Am 31. Oktober 1517 sich beinahe größtentheils zur neuen Lehre Vorkämpfern der Reformation gehörten. schlug Martin Luther (1483-1546) 95 Thesen bekannten“ schreibt Landgerichtsaktuar Jo- Das Landkapitel , dem die Gr- an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg. hann Wilhelm Rost 1832 in der ersten Be- abfelder Gemeinden unterstanden, war das- Die evangelische Kirche sieht diesen Tag als schreibung des Amtsbezirks Königshofen.1 jenige im Bistum Würzburg, in welchem das Geburtsstunde ihrer Konfession. Später wur- In den stillen und entlegenen Tälern der Rhön in Wittenberg gepredigte sog. „reine Evan- de aus diesem Tag der „Reformationsfest- und des Grabfelds fanden die religiösen gelium“ zuerst bekannt wurde und durch den tag“, der noch heute in überwiegend evange- Kämpfe, die Dr. Martin Luther in Deutsch- in der Gegend zahlreich ansässigen Adel Be- lischen Ländern gefeiert wird - in diesem Jahr land hervorrief, schnell ihren Widerhall, zu- förderung fand. In der vom gebürtigen Mell- anlässlich des Jubiläums in ganz Deutsch- mal die Mutter Martin Luthers, Margarethe richstädter Dr. Martin Pollich geleiteten und land. Anlässlich der bedeutsamen Ereignisse Lindemann, aus Neustadt/Saale gebürtig vom ernestinischen Kurfürsten Friedrich den vor 500 Jahren soll in dieser Jubiläumsaus- war. In unserer Heimat bemerkte man in der Weisen gegründeten Universität Wittenberg gabe unseres Heimatblatts „Das Grabfeld“ ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ziemlich die Reformationsgeschichte des Königshöfer frühzeitig die reformatorische Bewegung, Grabfelds ausführlich behandelt werden. wofür insbesondere starke Verbindungen Aus dem Inhalt zu den nahen sächsischen Ländern - den re- Die Anfänge der Reformation formatorischen Ländern der ersten Stunde - Grußwort Landrat Thomas Habermann . 2 im Königshöfer Grabfeld ausschlaggebend waren. Den aufstrebenden Grußwort Bezirksheimatpfleger „Auch die zu jener Zeit ausgehende neue Dorfherren aus niederem Adel erschien zu- Prof. Dr. Klaus Reder ...... 3 Lehre Luthers mag nicht ganz ohne Theil- dem die Reformation als geeignetes Mittel, Grußwort Vorsitzender im Verein für Heimatgeschichte Hanns Friedrich . 4 Christine Uhlein: Der Adventskalender . 6 Otto Schulz: Rauhreif ...... 10 Historischer Erstbeweis für die Existenz Königshofens und des Grabfelds ...... 12 Wieder entdeckte musikalische Kostbarkeiten aus dem Pfarrarchiv von Bad Königshofen ...... 14 Neue Heimat zwischen Rhön und Grabfeld ...... 15 Roland Dittrich: Die Weisheit von oben 15 Eine Reise (in) durch die Römhilder „Wirtschaftsgeschichte“ . . 16 Schriftenreihe der Vereins ...... 21 Der Ölberg der Stadt ...... 22 Literaturschau 2017 ...... 25 Der ehemalige BLLV-Kreisverband Königshofen i. Gr. wird 150 Jahre alt . 26 Lotte Uhlein: Der Drache ...... 28 Schulzeit im Zweiten Weltkrieg . . . 33 Reinhold Albert setzt sich mit Tatkraft und Einsatz für seine Heimat ein . . . 34 Der Künstler Peter Picciani erhielt den 8. Grabfelder Kulturpreis . . . . 36 Dieses Bild aus der Reformationszeit, das im Schloss hängt, zeigt Martin Luther Otto Schulz: Herbstwald ...... 36 mit der Lutherbibel im Kampf gegen die katholischen Würdenträger Seite ­­2 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017

Wittenberg auf. 1523 war auch der Pfarrer von Königshofen bereits lutherisch und auch in Sulzfeld wurde bereits das neue Evangeli- um gepredigt.2 Graf Wilhelm von Henneberg, dem ein großer Teil des Landkapitels Mellrichstadt, zu dem das Königshöfer Grabfeld gehörte, unterstand, wollte zwar anfangs nichts von einer Lösung von der kath. Mutterkirche wis- sen, suchte aber doch die Geistlichen vom Würzburger Bischof immer unabhängiger zu machen. Vom Jahre 1528 an breitete sich die Reformation Martin Luthers insbesondere im hennebergischen Teil des Kapitels Mell- richstadt immer weiter aus. Georg Ernst von Henneberg (1511-1583) führte 1544 in der Grafschaft Henneberg, wo

Dieses Portrait Martin Luthers schmückt die evangelische Pfarrkirche Sulzdorf a.d.L. studierten viele junge Männer aus der obe- ren Gegend Frankens, hörten und sahen dort die von Dr. Martin Luther in der kirchlichen Lehre vorgenommenen Neuerungen. Dies hatte zur Folge, dass bald Geistliche, Nonnen und Laien in ihrem christlich-katholischen Glauben wankend dem „neuen Evangelium“ zuneigten. Der erste Geistliche, der im Landkapitel Mellrichstadt, die neue Lehre predigte, war Paulus Schmidt aus Irmelshausen. Bereits 1519 predigte in der Rhöngegend Pater Jakob Thein, ehemaliger Angehöriger des Eines der bedeutendsten bürgerlichen Re- Karmelitenklosters Neustadt/Saale, die neue Georg Ernst von Henneberg (1511-1583) naissancedenkmale im Grabfeld des Einhardt lutherische Lehre. 1522 verließ, unterstützt führte 1544 in der Grafschaft Henneberg, wo Ferber an der Pfarrkirche Althausen mit dem von Moritz Marschalk von zu Wal- sein Vater Graf Wilhelm dessen Verbreitung Luthertext Johannes 3.16: „Also hat Gott tershausen, der Bildhäuser Mönch Pater Jo- nur toleriert hatte, das neue Evangelium dann die Welt geliebt, das er seinen eingeborenen hann Ruck sein Kloster und suchte Luther in offiziell ein. Sohn gab …!“

Königshofen werden unzählige Beiträge dargestellt, die nicht zuletzt Grußwort die Menschen im Grabfeld und auch im benachbarten Thüringen ge- prägt haben. Heimatblätter haben in Rhön-Grabfeld Erfreulicherweise gibt es im Internet die Möglichkeit, unter https:// eine lange Tradition. Das Heimatblatt www.reinhold-albert.de/heimatblatt/ ein Inhaltsverzeichnis aller bis- „Das Grabfeld“ feiert in diesem Jahr ein her erschienenen Heimatblätter abzurufen. Dies ist auch in Kürze für kleines und schönes Jubiläum. Seit 1995 die Internetseite des Vereins für Heimatgeschichte geplant. erscheint es einmal jährlich und spricht Auch in der 25. Ausgabe hat Schriftleiter Reinhold Albert interessan- mit einer Auflage von tausendfachen Ex- te Themen gesammelt. Die Leserinnen und Leser sind eingeladen, zu emplaren vor allem die Bevölkerung im Schmökern und Neues über das Grabfeld zu erfahren. Das Geschichts- Altlandkreis Königshofen im Grabfeld und bewusstsein des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld und die dem benachbarten Thüringen an. Es hat wirklich gute Idee, im Heimatblatt auf die Vergangenheit aufmerk- in unserer schnelllebigen Zeit, in der viele Informationen im Internet sam zu machen und auch die Gegenwart abzubilden, verdient hohe in Erfahrung gebracht werden, nicht im Geringsten seinen Charme Anerkennung. verloren. Im Gegenteil, die Bürgerinnen und Bürger schätzen das Hei- Ich freue mich für die Bürgerinnen und Bürger im Grabfeld und gra- matblatt, weil es mit vielen interessanten Geschichten und Berichten tuliere zur Jubiläumsausgabe des Heimatblatt sehr herzlich. Mein dem Leben im Grabfeld ein besonderes Gesicht gibt. „Das Grabfeld“ besonderer Dank richtet sich an Reinhold Albert und Hanns Fried- dürfte auch das letzte in Unterfranken erscheinende Heimatblatt sein. rich für das unermüdliche Schaffen, unsere Kultur, Geschichte und Der Verein für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. unter der Führung Brauchtum in Rhön und Grabfeld zu erkunden und literarisch für unseres Kreiskulturreferenten Hanns Friedrich hat es sich zur Aufgabe Generationen vorzuhalten. Auch allen, die die Herausgabe von „Das gemacht, heimatliches Brauchtum zu erhalten und Heimatgeschich- Grabfeld“ finanziell unterstützen, sei herzlich gedankt. Ich wünsche te aufzuarbeiten. Große Unterstützung leistet dabei unser Kreishei- weiterhin gutes Gelingen und viel Freude! matpfleger Reinhold Albert, der als 2. Vorsitzender im Verein fungiert. Wenn man die Inhaltsverzeichnisse der letzten 24 Jahre betrachtet, Herzlichst wird deutlich, welch großes Engagement hinter der Recherchearbeit Ihr Thomas Habermann des Schriftleiters steckt. Angefangen von der Geschichte der Festung Landrat Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­3 sein Vater Graf Wilhelm dessen Verbreitung Der Fürstbischof vollzog damit exakt und alles beim Alten, da Echters gegenreforma- nur toleriert hatte, das neue Evangelium dann konsequent (er war ja studierter Jurist) die torischen Operationen vorerst zumeist nur offiziell ein. Der junge Graf holte dazu 1543 Festlegungen des Augsburger Religionsfrie- vorbereitender Art waren. Sie waren insbe- den Augsburger Professor Johann Forster dens von 1555: Der jeweilige Landesherr sondere darauf gerichtet, zur bestimmten als Hofprediger und Superintendent. Forster hat das „ius reformandi“, d. h. er bestimmt Zeit bei der gewaltsamen Entfernung der wurde zum Reformator der hennebergischen die Konfession seiner Untertanen. Das ta- 3 evangelischen Pfarrer und Beamten eine ge- Lande. Geistliche, welche die neue Religion ten im Übrigen alle (auch die evangelischen nügende Anzahl katholischer Männer zum annahmen, wurden im Amt gelassen, dieje- und calvinistischen) Landesherren in dieser Ersatz derselben bereit zu haben. Nach Errei- nigen, die sich weigerten, abgesetzt und ihre Zeit, die einen strenger, die anderen nach- 4 chung dieses Zieles schritt er in den 1580er Stellen neu besetzt. lässiger. Die Untertanen hatten, und das war Jahren zu einem lange vorbereiteten Gegen- ein Fortschritt, der z. B. Leibsgefahren erst schlag.7 Die Gegenreformation unter einmal ausschloss, das „ius emigrandi“, d. Fürstbischof Julius Echter Alle drei Henneberger Linien starben noch h. sie konnten, wenn sie die Konfession des im Reformations-Jahrhundert aus, als letzte Dies änderte sich jedoch bald nach dem Landesherrn nicht annehmen wollten, weg- 1583 mit Georg Ernst von Henneberg die 1573 erfolgten Regierungsantritt von Fürst- ziehen – unter weitgehender Wahrung ihres Schleusinger Linie. Ihr Land fiel auf Grund bischof Julius Echter von Mespelbrunn Vermögens bei Zahlung eines festgelegten von Erbverträgen zum größten Teil an Sach- (*18.3.1545 in Mespelbrunn). Dieser war (und sich weit unter unseren heutigen Steu- sen, zum anderen nach dem Hauptvertrag seit dem 4.12.1573 bis zu seinem Tod 1617 ersätzen befindlichen) Geldbetrags. Konkret: von Schweinfurt 1585 an das Hochstift Fürstbischof von Würzburg und Herzog von Ein lutherischer Königshöfer Stadtbürger Würzburg. Danach wurden u.a. die ehemals Franken. Er galt als großer Bauherr und Ver- zog in die Reichsstadt Schweinfurt (und wur- hennebergischen Untertanen in den Dörfer waltungsreformer. Vor allem Julius Echter de dort sehr gern aufgenommen, da die Stadt , Großbardorf, Wenkheim, Eib- setzte sich im Rahmen seiner gegenrefor- vom Markgräflerkrieg ausgeblutet war und stadt, Poppenlauer, Stadtlauringen, Nieder- matorischen Bemühungen um eine Wieder- tüchtigen und vermögenden Zuzug brauchen lauer und der vierte Teil von Münnerstadt belebung der marianischen Wallfahrten ein, konnte). Gewissensprobleme hatten eher die so z.B. auf dem Findelberg bei Saal an der armen Leute, die nicht so einfach den Wohn- Saale. ort wechseln konnten.5 Echters wichtigstes Unternehmen war die Bereits am 15. Juni 1576 besuchte Bischof 1 Rost, Johann Wilhelm: Stadt und ehemalige Festung Kö- Durchführung der Gegenreformation im Julius Echter die Rhön. Er eiferte gegen nigshofen, Würzburg 1832, S. 44 2 Müller, Michael: Sacra - Das Landkapitel Mell- Hochstift Würzburg. Es darf trotz seiner die verderbten Sitten, verordnete jährliche richstadt, Würzburg 1901, S. 9 ff. überragenden Verdienste nicht verschwie- Kirchenvisitationen, fand Mängel an Seel- 3 Sörgel, Paul: Reformation und Gegenreformation in den Haßbergen, Haßfurt 1996, S. 153, gen werden, dass seine gegenreformato- sorgern und Lehrern, aber Überfluss an ver- 4 Müller, a.a.O. rischen Maßnahmen dazu führten, dass fallenen Kirchen und Schulen. Die gleiche 5 Anmerkung von Dr. Roland Sauer (Bad Neustadt) am 7.5.2017, dem der Autor diesen Beitrag mit der Bitte um konversionsunwillige Protestanten in groß- Wahrnehmung machte er auf einer zweiten Überarbeitung übersandte. em Umfang auswandern mussten - auch in Reise im Jahre 1582.6 6 Kirchner, Artur: Geschichtliches der Kirche von Oberwei- ßenbrunn, MS 2006/2007, S. 3. unserer Gegend (z.B. in Königshofen und In den ersten Jahren seiner Regierungszeit 7 Schornbaum, Wolfgang: Reformationsgeschichte von Un- Neustadt/Saale). blieb hier wie andernorts im Wesentlichen terfranken, Nördlingen 1880, S. 157.

kommt die 25. Folge des seit 1995 erscheinenden, modernen Heimat- Grußwort für die blatts heraus. Die Kontinuität über fast 120 Jahre basiert heute auf Jubiläumsausgabe drei Säulen: Erstens geht das Konzept der Heimatblätter, auch und gerade im Zeitalter von Google, auf: „Das Grabfeld“ hat eine treue, des Heimatblatts interessierte Leserschaft. Zweitens ist die Finanzierung dankenswer- „Das Grabfeld“ terweise durch den Landkreis, die Städte, Gemeinden und weitere Sponsoren gesichert. Vor allem aber gibt es drittens mit dem Verein „Heimatblatt“ – dieser Begriff mag für für Heimatgeschichte im Grabfeld mit seinem Vorsitzenden, dem Kul- den einen oder anderen zunächst ein we- turreferenten des Landkreises Rhön-Grabfeld Hanns Friedrich, einen nig überholt klingen: Brauchen wir ein Verein, der sich kontinuierlich um das Heimatblatt kümmert und des- Heimatblatt, wo wir es uns doch ange- sen Herausgabe sichert. Besonders hervorzuheben ist der Schriftleiter wöhnt haben, unsere Fragen, eben auch des Vereins, der Polizeibeamte i. R. Reinhold Albert aus Sternberg im zu Themen, welche die Heimat betreffen, mal schnell zu Googeln, uns Grabfeld. Er stellt, bis zu dessen Tod 2014 unterstützt von Schulamts- dann mit dem zufällig gefundenen, oberflächlichen Informationen direktor i. R. Leo W. Hamm, das wissenschaftliche Niveau und die zufrieden zu geben und die Recherche fundierter Informationen auf interessante und lebensnahe Themenwahl des Blattes sicher. Reinhold den Sankt Nimmerleinstag zu verschieben? Albert ist außerdem Autor von zahlreichen im Heimatblatt erschiene- Doch einmal im Jahr geht das Heimatblatt „Das Grabfeld“ gerade- nen Artikeln. Als Kreisheimat- und Kreisarchivpfleger nimmt er so auf zu revolutionär einen Weg, der in unserem von E-Mails und elektro- unaufdringliche Weise seinen Bildungsauftrag wahr. Reinhold Albert nischen Newslettern geprägten Alltag ungewohnt geworden ist: In kennt die Grabfelder, er ist mit ihnen seit Jahrzehnten im fachlichen, einer Auflage von 8.000 Stück liegt es dann in auffallendem Gelb zwi- politischen und persönlichen Austausch. schen Werbeschriften und Rechnungen in den Briefkästen des Grab- Dem Grabfeld gratuliere ich von ganzem Herzen: zu seinem Hei- felds und verkündet in seinem Untertitel selbstbewusst, über „Kultur, matblatt, zu seinem Verein für Heimatgeschichte mit Schriftleiter Geschichte und Brauchtum“ zu informieren. Diesem Anspruch wird Reinhold Albert und ganz besonders zu seinem treuen Interesse an das Blatt gerecht: Auf 28 Seiten finden sich sorgsam von einem Fach- heimatgeschichtlichen Themen. Als Bezirksheimatpfleger, aber auch mann zusammengestellte, leicht lesbare und gut recherchierte Be- ganz persönlich als in Obereßfeld gebürtiger Grabfelder wünsche richte. Sie betreffen unsere unmittelbare Umgebung, weisen uns auf ich mir ein langes Bestehen des Heimatblatts „Das Grabfeld“ auf ge- Alltägliches oder Besonderes hin, auf Veranstaltungen, Gebäude oder wohnt hohem Niveau. landschaftlich Einmaliges. Heimatblätter haben im Grabfeld Tradition: Erstmals erschienen sie Prof. Dr. Klaus Reder M.A. von 1900 bis 1904 als „Archiv für den Amtsbezirk Königshofen“. 2017 Bezirksheimatpfleger von Unterfranken Seite ­­4 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 sowie die Höfe zu Ottelmannshausen und Henneberg oder Reichsritter des Ritterkan- hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, Sambach sofort zum alten Glauben zurück- tons Baunach in Alsleben angehörten gemäß das er die Welt richte, sondern das die Welt gebracht.8 dem 1555 erlassenen sog. Augsburger Reli- durch in selig werde.“ 1585 kam Bischof Julius erneut zu einer Vi- gionsfrieden („Wessen das Land, dessen die Es scheint, dass zu jener Zeit auch noch an- sitation in das „Oberland“. Dem Dechanten Religion“) protestantisch waren. Es ist bis dere Mitbürger in Althausen die neue Lehre wie auch den fürstbischöflichen Kellern zu heute allerdings umstritten, ob zum rechtlich angenommen hatten. In einem 1942 erschie- Königshofen und Rottenstein sowie dem relevanten Teil des Augsburger Religions- nenen Buch zur evangelischen Kirchenge- Vogt zu Sulzfeld gab er Verwaltungsmaß- friedens auch die „declaratio Ferdinandea“ schichte Bayerns ist nachzulesen: „Nach Ab- regeln. Wenn auch weiterhin Beschwerden zu zählen ist. Diese nicht in den offiziellen schluss der Reformation waren evangelisch über das kirchliche Verhalten der Stiftsunter- Reichstagsabschied aufgenommene Erklä- … Althausen, ….“.14 Diese Angaben dürfen tanen laut wurden, kam die Rekatholisierung rung des Kaisers befreite die landsässigen jedoch angezweifelt werden, denn weiter langsam, doch stetig voran.9 Ritter und Städte vom Prinzip „cuius regio, sind u.a., Aub und Gabolshausen sowie Eß- Wie wirkten sich nun Reformation und Ge- eius religio“ – die Reichsritter waren oh- feld angeführt, die nach jetzigen Erkenntnis- genreformation in den einzelnen Ortschaften nehin ausgenommen. Für das Würzburger sen nie evangelisch waren. des Königshöfer Grabfelds aus? Hochstift mit seinen relativ vielen Landstäd- 1590 wird mitgeteilt, dass in Althausen noch ten und Ritterschaften wäre diese Regelung eine Frau lutherisch wäre, und zwar die Ehe- Alsleben extrem problematisch gewesen.12 frau des Dorfadeligen. Aus dem Jahre 1596 Ob Alsleben zumindest einige Jahre prote- 1585/86 verfolgten die bischöflichen Beam- ist überliefert: „Die Edelfrau auf Althausen stantisch war, erscheint zweifelhaft, denn ten überall in den würzburgischen Orten die lässt auf die Feiertag öffentlich arbeiten.“15 im 16. Jahrhundert werden wiederholt sog. Untertanen der reichsfreien Ritterschaft, na- Frühmesser eingesetzt - so z.B. von 1565 mentlich auch die in Alsleben, und bis 1572 ein Augustin Blumm.10 Auf Unge- Eyershausen.13 Pfarrer Alexander lehrte in Königshofen horsam gegenüber dem für Alsleben damals und Aubstadt bereits 1523 in „… lutherisch zuständigen Untereßfelder katholischen Althausen Worten und Werken.“ Da 1530 als erster ge- Pfarrer lässt allerdings folgende Überliefe- Althausen war eine Tochtergemeinde von meinschaftlicher Pfarrer für Höchheim und rung schließen: 1576 beschwerte sich Pfarrer Königshofen. Ein Marschalk von Ostheim Aubstadt der aus Pommern gebürtige Lau- Nikolaus Fuchs, dass sich die Schultheißen hatte in der Haßberggemeinde 1543 und rentius Praetorius bezeugt ist, dürfte mit Ein- von Ober- und Untereßfeld, Alsleben, Ga- 1588 Güter gekauft. 1586 wurde das heu- führung der Reformation auch die Gründung bolshausen und Aub der christkatholischen te in der Kirchenfassade am Westportal der Pfarrei Höchheim mit seiner Filiale Aub- Kirchenordnung ganz ungehorsam erwiesen, befindliche Epitaph (d.i. ein Grabmal mit stadt erfolgt sein. Diese Annahme wird durch an Feiertagen auf den Acker fahren und an- Inschrift) des Einhardt Ferber angebracht, eine Notiz in einem nicht mehr vorhandenen dere Arbeiten ausrichten - und wenn er es das als eines der bedeutendsten bürgerlichen „Pfarrbüchlein von 1636“ bestätigt, die in ihnen untersage, lassen sie hören, es sei nicht Renaissancedenkmale im Grabfeldgau gilt. der Streitsache derer von Bibra zu Höchheim des Fürstbischofs Befehl. Er, der Pfarrer, sei Darauf befindet sich der Luthertext Johannes contra derer von Bibra zu Irmelshausen als sich des Leibs und Lebens nicht sicher.11 3.16: „Also hat Gott die Welt geliebt, das er Beweis für den Vorrang von Höchheim ver- Es kann jedoch davon ausgegangen werden, seinen eingeborenen Sohn gab, auf das alle, wendet wurde. Pfarrer Johann Adling, der dass die Untertanen derjenigen Güter in Als- die an ihn glauben, nicht verloren werden, von 1636-1678 in Aubstadt wirkte, schrieb leben, deren Lehensherren die Grafen von sondern das ewige Leben haben. Denn Gott darin, “... dass schon über hundert Jahr

Bezüge, die den Leserinnen und Lesern deutlich machen, wie reich Geleitwort unserer Gegend an Geschichte ist. zur 25. Ausgabe So sage ich auch in diesem Jahr wieder ein herzliches Vergelt‘s Gott an Reinhold Albert, der sich viel Mühe gibt, Interessantes und Wissens- des Heimatblatts wertes zusammen zu tragen. „Das Grabfeld“ Allgemein gesehen hat unser Verein auch in diesem zu Ende gehen- den Jahr wieder einiges auf die Beine gestellt. Ich denke nur an die verschiedenen Vortragsreihen, an die Informationstafel in Breitensee Das „Grabfeld“ - die wohl beliebteste oder auch die Suche nach einem Unterstellplatz für das „Grabfeldka- Grabfelder Zeitschrift des Jahres - er- mel“, das nun in Bad Königshofen bei Karl-Ernst Ort steht. scheint zum 25. Mal. Grund genug für Wir unterstützen die Bildstock-Sanierungsaktion in Ipthausen und die Schriftleitung, Kreisheimat- und Ar- sind in die künftige Gestaltung des Museums Schranne - Bereich chivpfleger Reinhold Albert, sich darüber zu freuen. Dass sich diese Grabfeld - eingebunden. Der 2. Vorsitzende Reinhold Albert verfasste vereinseigene Ausgabe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld Chroniken über Großbardorf und Alsleben, in Vorbereitung ist eine e.V. so entwickelt und mittlerweile so beliebt ist, war zunächst nicht Chronik von Klein- und Großeibstadt. Wir haben gemeinsam Schul- voraus zu sehen. klassen und Interessierte über die ehemalige deutsch-deutsche Ge- Den Autoren der Anfangszeit, dem mittlerweile verstorbenen Hei- schichte informieren können. matforscher Leo W. Hamm und Reinhold Albert, ging es darum, die Dank sage ich meiner Vorstandschaft, die mitgeholfen hat, verschie- Geschichte und Geschichtchen des Grabfeldes aufzuarbeiten, der dene Ideen und Vorstellungen in die Tat um zu setzen. Wenn im kom- Bevölkerung nahe zu bringen und letztendlich für die Nachwelt zu menden Jahr unser Geschichtsverein auf 40 Jahre zurück blicken kann erhalten. Mittlerweile ist das „Grabfeld“ als jährliche Vereinszeitung ist das sicherlich auch ein kleines Jubiläum, das gefeiert werden soll. weithin bekannt und vor allem sehr begehrt. Die einzelnen Ausgaben Ihnen, unseren Lesern wünsche ich viel Freude beim Durchblättern werden fleißig gesammelt, sind wichtige Nachschlagewerke, aber und Lesen unserer Jubiläumsausgabe. Für 2018 wünsche ich Ihnen auch ein Stück unserer Heimat. alles Gute. Als Vorsitzender des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld sage ich deshalb ein ganz herzliches Dankeschön an unseren Schriftleiter Hanns Friedrich, Reinhold Albert, der mit viel Sorgfalt, Akribie und Herzblut alljähr- Vorsitzender im Verein lich „Das Grabfeld“ erstellt. Immer wieder sind es die geschichtlichen für Heimatgeschichte im Grabfeld e.V. Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­5 die Pfarr Aubstadt ein Filial von der Pfarr würzburgische Neustädter Amtskeller Schil- Höchheim ist.“ Höchheim war also zunächst ling die Bewohner seiner Amtsortschaften Mutter-, Aubstadt Tochtergemeinde. Bereits zur Erklärung ihres Gehorsams auf, d.h., im 17. Jahrhundert wurde dann Aubstadt an- dass sie wieder katholisch werden sollten. stelle von Höchheim Pfarrsitz.16 Er drohte ihnen bei Nichtbefolgung mit der Ausweisung aus dem Stift. Daraufhin ritten Breitensee die Junker Alexander und Valtin Voit von Es scheint, dass ebenso in Breitensee wie im Salzburg vor die Kellerei in Neustadt und gesamten Henneberger Land spätestens 1544 drohten, den Keller zu erschießen. Die Neu- der neue Glaube Martin Luthers Einzug hielt. städter Bürger solidarisierten sich mit den Doch nicht jeder schloss sich der neuen Leh- Aufständischen und bewirteten sie mit Wein. re an, wofür Eugen Hönns Hinweis in seiner Im Herbst des gleichen Jahres kam jedoch 1910 geschriebenen Milzer Chronik spricht: Bischof Julius Echter mit 100 Pferden nach „In einem Visitationsbericht über Milz von Neustadt und nötigte 90 der 450 Neustädter 1556 ist nachzulesen: Der (vermutlich kath. Familien auszuwandern, weil sie sich wei- gebliebene) Edelmann zu Breitensee hat ei- gerten, wieder den alten Glauben anzuneh- nen Bauern in Milz, der ein Verächter ist des men.20 Worts und Sakraments, wird derowegen den Der evangelische Ludwig Gustav Voit von Superintendenten zu sich fordern, ob er mit Salzburg, geboren 1633, lebte zunächst in Gottes Wort zu gewinnen.“ Unterebersbach, bis ihm 1657 nach dem Tod Auf dem aus dem 16. Jahrhundert stammen- seines Vetters, des hochfürstlichen Rats und den Orgelgehäuse in der Breitenseer Kirche Unter dem Würzburger Fürstbischof Julius Oberamtmanns von Neustadt, Mellrichstadt ist der Luthertext „Ehre sey Gott in der Höhe Echter von Mespelbrunn (1573-1617) wurde und Münnerstadt, Caspar Adolph Voit von und Friede auf Erden und den Menschen ein die Gegenreformation durchgeführt. Salzburg, Eichenhausen zufiel.21 Interessant Wohlgefallen“ vermerkt. ist, dass Eichenhausen 1598 der neu gegrün- Unter dem Würzburger Fürstbischof Julius Eichenhausen deten Pfarrei Saal an der Saale zugeteilt wur- Echter von Mespelbrunn (1573 - 1617) setzte Das Rittergut Eichenhausen war nach dem de, vier Jahre später aber wieder, wie zuvor 1585/86 in Breitensee die Gegenreformation Aussterben der Grafen von Henneberg 1583 Filiale der Pfarrei Wülfershausen wurde. ein. 1588 wurde der Ort von den Herren von an Sachsen – Coburg - Meiningen überge- Eyershausen Obernitz an den Bruder des Fürstbischofs gangen. Die hennebergischen Untertanen in Julius, Valentin Echter von Mespelbrunn, Eichenhausen dürften spätestens seit 1544 In Eyershausen, das vor der Reformation verkauft. 1598 stiftete Valentin eine eigene zur Pfarrei gehörte, wurde die 17 ebenfalls evangelisch geworden sein. Die kath. Pfarrei Breitensee. In einem Visitati- Sachsen verliehen Eichenhausen 1606 den Mehrzahl der Einwohner schon um das Jahr onsbericht von Juli 1617 ist jedoch zu Brei- Voiten von Salzburg.19 1524 – also etwa gleichzeitig mit Königs- tensee vermerkt: „.. noch ettlich Pfarrkinder hofen – evangelisch. 20 bis 25 Jahre lang, .18 Diese waren bereits im Sinne der neuen Leh- in der Kommunion ausständig ...“ re 1586 tätig geworden. Damals forderte der also bis 1545/50, gab es dort keinen katho- lischen Gottesdienst. Der Name eines evan- gelischen Pfarrers aus dieser Zeit ist bekannt, und zwar ein Eucharius Eyring (1541-45). Da es in Eyershausen mehrere Dorfherren, wie z.B. Würzburg, die Henneberger oder die Truchseß von Wetzhausen gab, wirkten hier spätestens seit 1557 Vikare neben dem evangelischen Pfarrer – ein Zeichen, dass auch Katholiken in der Gemeinde wohnten. 1575 scheint der evangelische Pfarrer ver- drängt worden zu sein, da aus diesem Jahr berichtet wird, dass durch Melchior Sang der kath. Ritus wieder feierlich eingeführt wurde. Sang versah dann auch die Seel- sorge in Herbstadt.22 1585/86 verfolgten die bischöflichen Beamten überall in den

8 Sörgel, a.a.O., S. 153/154. 9 Sörgel, ebd., S. 154. 10 Albert, Reinhold: Alsleben – 1150 Jahre Geschichte, Mell- richstadt 2017, S. 174 ff. 11 Benkert, Johann Georg: Pfarreigeschichtliche Sammlung des Hist. Verein für Ufr und AB im Staatsarchiv Würzburg. 12 Angaben von Dr. Roland Sauer am 7.5.2017 13 Zeitel, Karl in Dekanat Bad Neustadt an der Saale – Ur- sprung und Leben evangelischer Gemeinden in Rhön und Grabfeld, Erlangen 1984, S. 92 f. 14 Simon, Matthias: Evangelische Kirchengeschichte Bayerns, München 1942, 2. Auflage Nürnberg 1952,S. 280. 15 Albert, Reinhold: 200 Jahre Pfarrei Althausen im Grabfeld, Untereßfeld 2011. 16 Albert, Reinhold: Die Kirche in Aubstadt – Johanneskirche, Untereßfeld 2008. 17 Albert, Reinhold: Chronik von Herbstadt mit den OT Ottel- mannshausen und Breitensee. Kleineibstadt 2001. 18 Faber, Annette: St. Michael in Breitensee – Ein Beitrag zur Echter-Gotik in Unterfranken. Renovatio No. 1 im Auftrag der Diözese Würzburg, herausgegeben von Jürgen Lenssen, Würzburg, 1995 19 Pfister, Elmar: Eichenhausen Ortsgeschichte 822-1992, Festschrift 1992. Auf dem aus dem 16. Jahrhundert stammenden Orgelgehäuse in der Breitenseer Kirche ist der 20 Benkert, Ludwig: Stadtchronik von Bad Neustadt/Saale, 1986, S. 105. Luthertext „Ehre sey Gott in der Höhe und Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlge- 21 Albert, Reinhold: Chronik von Ober- und Unterebersbach. fallen“ vermerkt. 22 Zeitel, a.a.O., S. 92 f. Seite ­­6 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 würzburgischen Orten die Untertanen der zurückgefallen war. Auf dem Kapiteltag des ren Pfarrer Rathgeber zu lassen, da er mit sei- reichsfreien Ritterschaft, namentlich auch in Landkapitels Mellrichstadt 1585 berichtete nem geringen Einkommen zufrieden sei. Der Eyershausen.23 Pfarrer Heinrich Hottenius aus Untereßfeld, lutherische Bibra wollte diesen aber aus dem es gehe das Gerücht, Pfarrer Koch zu Groß- Amt entfernen, woraufhin ihn der Bischof Gollmuthhausen bardorf wolle heiraten oder habe dies schon unmissverständlich aufforderte, sich künftig Die Reformation hielt erst spät in Gollmuth- heimlich getan, ferner gehe er „... mit luthe- nicht mehr mit geistlichen Angelegenheiten hausen Einzug, und zwar von Römhild aus- rischen Edelleuten vertraut.“ zu befassen. gehend spätestens 1544. Sie wurde aber erst 1590 berichtete der Dekan des Landkapitels Bischof Julius Echter gründete 1575 die 1549/1550 vollendet und gefestigt.24 Im Kir- Mellrichstadt, Melchior Sang - er war Pfarrer Pfarrei Eyershausen mit Filialen in Herbstadt chenvisitationsprotokoll von 1556 heißt es: in Eyershausen -, dass des Pfarrers Konku- und Ottelmannshausen und berief den Bru- „Dies Dorf pfarrt seit Alters gen Behringen, bine zum zweiten Mal schwanger sei. Kurz der seines Weihbischofs Euchar Sang, Mel- ist diesselbige Pfarr der Herrn von Henne- darauf sperrte man den Pfarrer für kurze Zeit chior, als ersten Pfarrer in diese Pfarrei. Die berg zu Schleusingen.“ im „Plattenthurm“ in Großbardorf ein. 1591 Herbstädter Valtin Schmidt und Peter Geiß, Über die Einführung der Reformation in wird mitgeteilt, dass außer sechs Personen die dem Amtmann von Römhild unterstan- Gollmuthhausen ist darin vermerkt: „Klag- auf dem Unterhof, niemand in Großbardorf den, gingen 1588 lieber ins Gefängnis, als ten, dass sie nicht einen eigenen rechten mehr lutherisch sei. So ganz war die Gegen- dass sie katholisch wurden. Aus dem Jahre evangelischen Prediger haben könnten…“ reformation in Großbardorf aber noch nicht 1604 ist überliefert, dass der aus Trappstadt Der Bescheid an die Gemeinde lautete: „Sie vollzogen, denn Pfarrer Roßbach berichtete gebürtige Herbstädter Schulmeister nach sollen sich des Worts zu Irmelshausen und 1603, dass noch „...30 Kommunikanten aus- wie vor lutherisch sei.33 1613 wurde auch in der Nähe bei reinen Lehrern erholen mit ständig“ wären.27 Herbstadt wieder selbständige kath. Pfarrei den Ihren und fleißiger beten lernen …“.25 1560 wurde Gollmuthhausen kirchlich mit Großeibstadt Höchheim Rothausen vereinigt.26 Großeibstadt gelangte 1583 nach dem Aus- 1402 kam Höchheim in den Besitz der Fa- sterben der Henneberger an Sachsen und mit milie von Bibra. 1511 erfolgte die Erhebung Großbardorf Tauschvertrag vom 10.6.1585 mit vielen Höchheims zur selbständigen Pfarrei durch Dass die Reformation auch in Großbardorf anderen Orten an Würzburg.28 Da die Hen- Lostrennung von Mendhausen. Ziemlich Einzug hielt, unterstreicht der Inhalt einer neberger im 16. Jahrhundert frühzeitig zur frühzeitig setzte im Milzgrund und somit Sandsteintafel an der Großbardorfer Kirche, neuen Lehre übertraten, wurde Großeibstadt, auch in Höchheim die reformatorische Be- die an die Erbauung von Schule und Kir- in dem diese bedeutende Besitzungen hatten, wegung ein. Eifrige Förderer waren Georg che in Großbardorf 1615 erinnert. Auf dieser zum größten Teil protestantisch. In einem von Bibra (+ 1549) und dessen Sohn Hans heißt es u.a., dass Fürstbischof Julius Echter Matrikeleintrag hielt der Großeibstädter von Bibra (+ 1581). Dieser bekannte sich von Mespelbrunn „... mit grossem eyfer hat Pfarrer Hartwig 1610 fest, dass das Einkom- öffentlich zur evangelischen Religion und bekertt zum alten glauben seine Herdt...“. men der Pfarrei von „… denen lutherischen führte sie auch in der Kirche zu Höchheim Die Gegenreformation wurde in Großbardorf Prädicanten ziemlich geschwächt …“ wor- ein. In Höchheim, zu welchem damals Aub- durchgeführt, nachdem es 1583 an das Stift den sei. Schon vor Echters Regierungsantritt stadt als Filialgemeinde gehörte, wirken seit 1573 soll der Ort jedoch wieder katholisch 1530 ununterbrochen evangelische Pfarrer.34 geworden sein.29 Dies darf jedoch bezweifelt Christine Uhlein werden, denn erst 1622 kam der Weihbischof Ipthausen Jodok Wagenhäuser nach Bildhausen, weih- Es scheint, dass es auch in Ipthausen An- Der Adventskalender te die entheiligt gewesene Kirche zu Groß- hänger der lutherischen Lehre gab. So sind Emol im Joahr komm ich aus en Kahler eibstadt neu ein.30 Als die Schweden 1631 aus der Zeit um 1600 einige Evangelische raus, on kriech en schönste Platz im Haus. im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges das bezeugt. Die Herren von Truchseß hatten Doa häng ich jetzt on fröh mich nu, wer Grabfeld eroberten, wurde der evangelische dort einen Hofbauern, der bereits 1588 „der 35 macht denn nu meu Türlich zu? Ower Geistliche Laurentius Praetorius als Pfarrer Religion halber“ gefangen gesetzt wurde. wart, erscht muß noch Schokolode neu, in der Gemeinde eingesetzt. Er blieb bis etwa Um 1600 wird berichtet, dass sich der Bauer die Modder käfft extra doswache eu. Nu 1636. Dann blieb die Pfarrei für etwa zwei Barthel Schlichtig zu Ipthausen im Beisein Jahrzehnte unbesetzt, bevor wieder ein ka- des Dekans im Amt Königshofen innerhalb bin ich voll, die Türlich gehen kaum zu. tholischer Priester einzog.31 14 Tagen zu der „ ... katholischen Religion Vier Woche, lang hob ich nu kee Ruh. Meu zu begeben und mit der Communion gehor- Geheimnisse, die verroat ich net, ner ich Herbstadt samlich einzustellen“ habe.36 wäß bos henner jedes Türle steckt. Im ritterschaftlichen Pfarrerbuch von Fran- Och, bos ho ich scho Kennerache gsaän, ken wird mitgeteilt, die katholische Pfarrei Irmelshausen gieriche on ach monchmol verflennt.Nu Herbstadt sei während der Reformations- 1526 berichtete der Dechant von Mellrich- hob ich eh Türle gons weit vo mir auf- zeit Mitte des 16. Jahrhunderts eingegan- stadt an den Würzburger Bischof, dass in sei- gemacht on die Glee hot gleich widder gen. Herbstadt sei um das Jahr 1550 evan- nem Landkapitel alle Pfarrer, mit Ausnahme gelacht. Plötzlich Stern, Eiseboh alles aus gelisch geworden.32 Herbstadt wurde vom des Vikars Schmid in Irmelshausen, der kath. Schoklode bei mir is gut beroade. Doch lutherischen Pfarrer Steinmüller aus Trapp- Kirche zugetan seien, d.h. also, dass dieser bos is denn dos? stadt versehen. 1568 schrieb die Gemeinde dort schon evangelisch predigte. Schon vor Doa schläicht em Dunkeln enner her zu Herbstadt an die vier Lehensträger in der 1526 musste der Priester Paul Faber deshalb mir, on werkelt doch römm oh meu gons Gemeinde (Jörg Marschalk von Ostheim, seine Stelle im Irmelshausen verlassen. gruße Tür. Die Hond un dos Gsicht, dos Hans von Bibra zu Irmelshausen, Hans Wil- Um 1530 wurde der Pfarrer von Milz und kenn ich nett, ich halt meu Türle zu on helm von Rumrod und Hektor von Heßberg): Irmelshausen, Eucharius Nun, „gefänglich schrei: „Wer du ach bist, mach geäh neu „Dass wir eines Priesters wohl vonnöten, eingezogen“, da er lutherisch war. Weder die deu Bett!“ Ja, ach solche Üwerfäll in der der uns vom Luthertum zur Zeit mit der gött- Arrestierung des Pfarrers noch das Entsen- Nocht muß ich ohne Schode üwersteäh bis lichen Lehre, auch mit Prüfung der hl. Sa- den eines anderen Predigers aus Bildhausen, es endlich Heiligoawed koo gewähr. Nu kramente und Kindstaufen versehen möchte, der „nit lutherisch sei“, konnten verhindern, damit wir nicht so gar ähnlich als unvernünf- sen meu Türlich offe, ausgeräubert on leer dass sich die neue Lehre durchsetzte, zumal tige Tiere durcheinander gehen und leben.“ der damalige Irmelshäuser Schlossherr Ge- on känner guckt mer zu mir her. Bereits um 1570 scheint in Herbstadt wie- org von Bibra (besser bekannt unter den Na- Doch ich bin zefriede, wär wieder wag- der ein katholischer Pfarrer tätig gewesen zu men Junker Jörg) die Reformation begünsti- geremmt, debei fröh ich mich scho off en sein, denn mit Schreiben vom 9.11. bat der gte. 1550 besetzte Hans von Bibra die Pfarrei nächste Adventd Amtmann von Königshofen den Hans von Irmelshausen mit einem evangelischen Pfar- Bibra zu Irmelshausen den Herbstädtern ih- rer namens Severus.37 Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­7

Kleinbardorf Die meisten Einwohner Kleinbardorfs wur- den während der Reformationszeit evange- lisch und die 1453 gegründete Pfarrei wurde evangelisch besetzt. So heißt es von Klein- bardorf: „Steffen von Bibra (der Dorfherr) hat einen lutherischen (Pfarrer) allda.“ Der protestantische Patronatsherr Heinrich von Bibra (1527-1602), ließ 1595 die gotische Kirche renovieren, wie auf einem heute noch vorhandenen Gedenkstein zu lesen ist. Der Sulzfelder Pfarrer Spies beklagte sich um 1589 u.a. über seine lutherisch orientierte Filiale Kleinbardorf und erwähnte, dass die Merkershäuser „in des Prädikaten Predigt“ nach Kleinbardorf laufen. Nachdem das Geschlecht von Bibra in Klein- bardorf 1602 ausstarb, setzte Bischofs Julius Echter einen kath. Priester ein und gewann die Gemeinde für den alten Glauben zurück. 1614 berichtete der Sulzfelder Vogt, dass nur noch in Kleinbardorf „zwei luth. Wei- Im sog. Schullershof in Kleinbardorf befindet sich ein im 16. Jahrhundert entstandenes Wand- ber“ seien.38 gemälde eines lutherischen Predigers. Im Schulershof von Wilhelm und Ingrid Her- mann befindet sich übrigens noch ein Wand- dere Kirche als die zu Großbardorf oder zu schaft stehenden Ort bis ins 19. Jahrhundert gemälde aus dem 16. Jahrhundert, das einen Großeibstadt zu besuchen. Die Einwohner hinübergerettet wurde.43 protestantischen Pfarrer in Amtstracht zeigt. aber missachteten das Mandat und gingen weiterhin zum evangelischen Pfarrer nach Königshofen i. Gr. Kleineibstadt Waltershausen. Der Bischof reagierte da- Wie in vielen Dörfern hielt die Reformation 1554 kauften die Herren von Münster Klein- raufhin mit Gefängnisstrafen. Schließlich auch in Königshofen sehr früh Einzug. Be- eibstadt von Bischof Melchior von Zobel. einigten sich der Bischof und der Dorfherr reits im Sommer Jahres 1523 kam es zu ei- Die neuen Dorfherren waren der Lehre Lu- Lorenz von Münster zu Niederwerrn auf ner anonymen Anzeige wegen einer Prügelei thers zugeneigt. „In den früheren Zeiten der die Auswanderung der nichtkatholischen auf offener Straße zwischen dem „lutherisch Reformation soll nach der Erzählung alter Untertanen. Als diese dem Vergleich nicht in Worten und Werken“ gesinnten Pfarrer Leute beinahe ganz Kleineibstadt der evan- nachkamen, drang der würzburgische Cent- Alexander und seinem katholischen Kaplan gelischen Religion zugetan gewesen sein“, graf zu Sulzfeld mit 100 Bewaffneten in das wegen des Luther- und Papsttums „… bis auf berichtete Dekan Nenninger aus Waltershau- Dorf Kleineibstadt ein und nahmen 13 Mün- Vergießung des Bluts“.44 sen 1784. 1596 schrieb Ludwig von Mün- sterische Untertanen gefangen. Daraufhin Weitere Nachrichten über Evangelische in ster: „ … Man habe neulich den Untertanen erwirkte Münster vor dem Reichskammer- Königshofen in den nächsten zwei Jahr- verboten, die evangelische Kirche in Klein- gericht ein Pönalmandat gegen den Bischof zehnten fließen, wie fast überall, spärlich. bardorf und anderswo zu besuchen und an- auf Freilassung der Gefangenen und Wieder- Die Evangelischen scheinen in der Grabfeld- gefangen, sie mit Gewalt in die papistischen erstattung einer evtl. verhängten Geldstrafe Metropole jedoch einen schweren Stand ge- Kirche zu Kleineibstadt zu nötigen.“ und entrichteter Haftkosten.40 1597 fielen fürstbischöfliche Soldaten in 1628 berichtete der würzburgische Vogt 23 Zeitel, a.a.O., S. 92 f. Compelius zu Kleinbardorf, er habe 13 unka- 24 Pfarrbuch Rothausen, S. 154 ff. das Dorf ein, durchsuchten die Häuser, zer- 25 Gutzeit, Winfried: Rothausen und Gollmuthhausen. In: De- störten und beschlagnahmten Mobiliar und tholische münsterische Untertanen in Klein- kanat Bad Neustadt an der Saale, Erlangen 1984, S. 113 ff. nahmen acht Männer gefangen, weil sie sich eibstadt eingefangen und in Großbardorf ein- 26 deutsch, Detlef, Köhler, Eugen, Härter, Martin, Kraus, Hei- ke: Geschichtliches über Gollmuthhausen zur 800 Jahrfeier weigerten, den alten Glauben anzunehmen. gesperrt. Sie wurden erst entlassen, nachdem 1992., Das Reichskammergericht erwirkte Freilas- sie 71 Gulden Strafe gezahlt hatten. Der von 27 Albert, Reinhold: Chronik von Großbardorf, Mellrichstadt 39 2016. sung und Schadensersatz. Münster sei dem Pfarrer von Großbardorf 28 Zeitel, a.a.O., S. 97. 1609 wurde bemerkt: „Schulmeister ist lu- spinnefeind, weil seine „unbändigen Unter- 29 Kügler, Karl: Großeibstadt. In: Blätter für Heimatkunde, Beilage zum Bote vom Grabfeld, Folge 19/1932. therisch, doziert den luth. Katechismus“. tanen“ katholisch werden müssten. 30 Rost, Johann Wilhelm: Geschichte der fränkischen Cisterzi- 1612 vermerkte die Dekanatsrelation: „Ein 1629 teilte der Dechant des für Kleineibstadt enser-Abtei Bildhausen, Würzburg 1832, S.99 zuständigen Dekanats Mellrichstadt mit: 31 Pfarrarchiv Großeibstadt, um 1600 begonnenes Pfarrbuch luther. Schulmeister, wird von der Gemeinde 32 Kuhr, Georg: Ritterschaftliches Pfarrerbuch von Franken, allein angenommen, ohne Wissen und Willen „Filiale Kleineibstadt ist lutherisch, was Neustadt/A. 1979, S. 423 des Pfarrers, informiert die Kinder luthe- Münsterisch, was Würzburgisch katholisch, 33 Albert, Reinhold: Chronik von Herbstadt und seinen Orts- teilen Breitensee und Ottelmannshausen, Kleineibstadt risch durch Heißen des Vogtes und Schult- sind Heiligenmeister und Kirchner luthe- 2001. heißen.“ 1616 heißt es: „Münsterische alle risch.“41 34 Vierzigmann, Hans Jürgen: Irmelshausen und Höchheim. In: Dekanat Bad Neustadt an der Saale, Erlangen 1984, S. lutherisch, auch Schulmeister ist lutherisch, 1655 starb mit Ritter Lorenz von Münster auf 105 ff. sitzt in der Gemeinde, lehrt den luth. Kate- Kleineibstadt der evangelische Zweig derer 35 Schübel, Albrecht: Das Evangelium in Mainfranken – Ge- schichte einer Diaspora, München 1958, S. 94. chismus.“ von Münster aus. Das Gut übernahm nun 36 dAW, Amt Königshofen, Fasz 1 Seite 167. 1620 beklagte sich der Großbardorfer Pfarrer ein katholischer Zweig der Familie. In der 37 Seifert, Volker / Hey, Karl-Georg: Irmelshausen 799-1999, zweiten Hälfte des 17. Jh. „… hat man einen Kleineibstadt 199. Wolfgang Kneuer, dass die Kleineibstädter Breier, Horst: Irmelshausen – Adelssitz, Kirchengemeinde, weder in die Kirche, noch zum Wallen und katholischen Schulmeister dahin gesetzt und Bauerndorf, Zulassungsarbeit, Würzburg 1975. ihm große Zulag gethan.“ Dadurch konnte 38 Heusinger, Reinhold/Solf, Gerwin: Kleinbardorf – Beiträge zum Pfingstflurritt kämen. Der Gotteshaus- zur Heimatgeschichte, Mellrichstadt 1989 meister und der Kirchner seien nach wie vor die bisherige evangelische Schule nicht fort- Faber, Annette: St. Ägidius in Kleinbardorf, Renovatio No. lutherisch. geführt werden. 2, Würzburg 1995. 39 Reichskammergerichtsakten, Bände bis 50/19, Nr. 1268. 1624 ließ der Würzburger Bischof Adolf ein Noch 1729 waren drei Viertel Kleineibstäd- 40 ebd. Nr. 7248 Mandat publizieren, worin er den Einwoh- ter protestantisch und nur ein Viertel katho- 41 Staatsarchiv Würzburg, Hist Verein MSf 1418 42 42 Senger, Emil: Ortsbeschreibung von Kleineibstadt, MS nern zu Kleineibstadt unter Androhung einer lisch. Bis 1769 hatte sich dies umgekehrt. 1925-1938, im Gemeindearchiv. Strafe gebot, innerhalb von zwei Monaten Kleineibstadt blieb das einzige Beispiel im 43 Zeitel, a.a.O., S. 97/98 44 Keller, Karl-Heinz: Aubstadt. In: Dekanat Bad Neustadt an zur katholischen Religion zurückzukehren, Umkreis, in der eine kleine evangelische der Saale – Ursprung und Leben evangelischer Gemeinden die neuen Feiertage zu halten und keine an- Gemeinde an einem unter katholischer Herr- in Rhön und Grabfeld, Erlangen 1984, S. 122 Seite ­­8 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 habt zu haben, denn 1534 zog der Barbier die Transferierung des Spitals in die Stadt Episode in Merkershausen beendet. Der Wittmann „… wegen der Lehrer“, d.h. wohl, und beauftragte um 1580 die Stadtverwal- Sulzfelder Pfarrer Spies beklagte sich jedoch weil es dort keinen evangelischen Prediger tung auf ihre Kosten ein neues Spital nächst um 1589 u.a. über seine lutherisch orientierte gab, von Königshofen weg. der Pfarrkirche zu erbauen.“ Filiale Kleinbardorf und erwähnte, dass Um die Mitte des 16. Jahrhunderts nahm der Bei der Durchführung der Gegenreformation die Merkershäuser „… in des Prädikaten evangelische Einfluss jedoch bedeutend zu. ab 1585 in Königshofen mussten zwischen Predigt“ nach Kleinbardorf laufen.52 In Königshofen bestand eine Verbindung mit 12 und 20 Familien auswandern, weil sie Wittenberg. Von 1527 bis 1559 waren dort dem evangelischen Glauben treu blieben. Obereßfeld/Aub/Gabolshausen immerhin 17 Studierende aus Königshofen 1586 baten acht Bürger um Gewährung ei- Die einzigen Orte im südöstlichen Grabfeld, immatrikuliert. Aus der hier ansässigen Fa- ner längeren Frist vor ihrer Ausweisung. Die die dem alten Glauben treu blieben, waren milie Höflich gingen eine ganze Reihe evan- Bitte wurde nicht gewährt. Der Druck des Obereßfeld, Aub und Gabolshausen. Für die gelischer Pfarrer und Lehrer hervor. Bischofs war zu stark.45 1600 meldete der 1942 behauptete Feststellung, dass „… Ga- Evangelisch waren auch der von 1567 bis kath. Stadtpfarrer schließlich, dass in der bolshausen, Eßfeld und Aub nach Abschluss 1587 amtierende Königshöfer Oberamtmann Stadt kein Bürger mehr ein „Häretiker“ (das der Reformation protestantisch waren …“.53 Georg Marschalk von Ostheim sowie der ist jemand, der von der offiziellen Kirchen- fand sich, wie bereits erwähnt, nirgends ein Türmer und seine Familie. lehre abweicht) sei.46 Hinweis. In einer im Juliusspitalarchiv von Bad In Obereßfeld war die Treue zum alten Glau- Königshofen vorhandenen Manuskript der Leinach ben wohl dadurch bedingt, dass bis auf den Geschichte dieser Einrichtung ist vermerkt: Schon 1544 gab es in Leinach einige Pro- Schlossherren alle Untertanen dem Würz- „Da nun z.Z. der Reformation durch Ab- testanten.47 Das Dorf war in der Reformati- burger Bischof unterstanden. Diese Anhäng- fall vom katholischen Glauben ein großer onszeit lutherisch geworden und wurde von lichkeit wurde natürlich durch den Fürst- Mangel an geistl. Personen bestand, die einem „Prädikanten“48 aus Oberlauringen bischof Julius Echter belohnt, galt es doch Stelle des Spitalgeistlichen lange Zeit un- betreut 49. 1608 berichtete der würzburgische gegenüber den benachbarten truchsessischen besetzt blieb, die alten und gebrechlichen Amtskeller Kraus aus Rottenstein: „Im Dörf- Orten rund um die Lederhecke, die prote- Pfründinsassen den weiten Weg zur Pfarr- lein Leinach hat Philipp Fuchs zu Schweins- stantisch geworden waren, ein besonderes kirche machen mussten und die Spitalgebäu- haupten 13 Mann, Hans Eitel Truchseß zu Zeichen zu setzen. So ließ Echter 1608 in der de schadhaft geworden sei, die Verwaltung Wetzhausen 5, Jörg Ludwig v. Hutten zu Ortsmitte ein stattliches Rathaus errichten und Pflege des Spitals nicht die beste gewe- Oberlauringen 4, die Pfarrei Stadtlauringen und mit seinem Wappen verzieren. Von Ech- sen sein mag, beschloss der 1573 erwählte 10, das Stift Würzburg 1 Mann. Er habe auch ters Wirken in Obereßfeld gab eine steinerne Fürstbischof Julius Echter von Mespelbrunn der Pfarrei Lauringen Untertanen auferlegt Tafel, die einmal an der Kirche vorhanden und bei Straf geboten, nicht allein die neu- war, ein weiteres Zeugnis, denn unter ihm en Feiertage zu halten (Kalenderreform von erhielt der Kirchturm der St. Nikolauskirche Erika Jeger 1582!), sondern auch ihre alte kath. Pfarr- 1612 die bekannte Juliusspitze.54 kirche zu Großenbardorf auf dieselben zu So war es früher besuchen.“50 Seine Bitte verhallte ungehört. Ottelmannshausen Schlafkultur 1620 beschwerte sich der Sulzfelder Pfar- Auch in Ottelmannshausen, wo dieselben rer Georg Eibig über seine Filialgemeinde verwickelten politischen Verhältnisse wie Zwischen 1944 und 1952 in Eyershausen, Leinach: „… sie hat einen Kelch“, hält also in zahlreichen Grabfeldortschaften herrsch- einem „Kuhdorf“ in Nordost-Unterfran- evangelischen Gottesdienst. Der Prädikant ten und ein hennebergisch-sächsisches Gut ken. Es gab fast nur Bauersfamilien mit von Oberlauringen komme und „..commu- erst 1585 von Würzburg eingetauscht wur- viel Arbeit, vielen Kindern und sehr bes- niciert omnes; Häretici (die Abtrünnigen) de, dürfte es Evangelische gegeben haben.55 cheidener Lebensweise. Es waren auch ei- arbeiten den Katholiken zu Hohn an der So war die Familie Fritz Marcks, die einen nige Handwerker und 3 kleine Kaufläden Festen.“ 1623 berichtete er abermals, dass Bibra’schen Hof in der Gemeinde (Dörfles- für das nötigste da. in Leinach viele lutherisch seien, „… ge- hof) bewirtschaftete, 1591 noch lutherisch, Zur Schlafkultur: Die Betten bestanden hen nach Oberlauringen zum Prädikanten in ebenso 1612. 1594 heißt es in den Visitati- aus Holzgestellen, die vom hiesigen Sch- die lutherische Kirche.“51 1629 ging Lein- onsprotokoll: „… zu Ottelmannshausen ein reiner gemacht worden waren. Natürlich ach schließlich in den Besitz des Hochstifts bibrischer Hofbauer.“56 aus heimischem Holz (Fichte, Eiche, Bu- Würzburg über und damit war die Genrefor- Nachdem in Herbstadt die Reformation Ein- che). Lattenroste waren nicht. Nur Bretter mation besiegelt. zug gehalten hatte und die kath. Pfarrei, zu oder ein Metall-Federrahmen. Darauf der Ottelmannhausen gehörte, einging, blie- kam dann ein sog. Strohsack. Dieser war Merkershausen ben die Ottelmannshäuser, wie es scheint, so groß wie das Bett. Damals meist 180 x Die Reformation spielte in Merkershausen dem alten Glauben treu. Der Ort bildete nun 90 cm. Der Sack wurde aus grobem Lein- zunächst kaum eine Rolle. Das Kloster Lang- neben anderen Ortschaften bis 1575 eine Fi- en gewebt; hatte in der Mitte einen großen heim war anscheinend sehr darauf bedacht, liale von Trappstadt, das allerdings ebenfalls Schlitz oder Loch, wo man das Stroh aus dass die angestammte Lehre erhalten blieb. lutherisch geworden war. Von 1575 – 1614 der Scheune reinstopfen konnte. 1539 musste ein Streit zwischen den kath. war Ottelmannshausen Filiale der unter Verwendet wurde hauptsächlich Hafer- Merkershäusern und den luth. Kleinbar- Fürstbischof Julius Echter neu gegründeten oder Roggenstroh (kein Gerstenstroh, weil dorfern wegen des Hutrechts auf den Ellern katholischen Pfarrei Eyershausen. das gestochen hat). Fertig war die Matra- an der Sulzfelder Gemarkungsgrenze ge- tze. (Ohne Klebestoff und Chemie!) Über schlichtet werden. Daran erinnert heute noch Rothausen das Loch im Strohsack kam noch ein Stück der Flurname „Hadereller“. Seit 1194 war das Besetzungsrecht des Klo- Stoff oder er wurde mit großen Stichen Mitte des 16. Jahrhunderts fand das Luther- sters Bildhausen für Rothausen unumstritten. zugenäht. Darüber kam ein Biber- oder tum auch Sympathie im Merkershäuser Pfarr- Als 1544 durch Johann Forster in henneber- Leinenbetttuch. Reiche Leute oder Bauern haus. 1563 hatte der vom Kloster Langheim gischen Landen evangelische Kirchenvisi- konnten sich auch schon Matratzen aus bestellte Pfarrer Heinspeck (1559-1563) „… tationen gehalten worden waren, hielt die festem Stoff, die mit Seegras, Roßhaar wegen verbrachter ungöttlicher Werke und Reformation auch im Meininger Gebiet, zu oder Kapokfasern (Samenfasern des Ka- böser geübter Streiche“ die Pfarrei abgeben dem Rothausen gehörte, Einzug. Da in dieser pokbaumes) gefüllt waren, kaufen. und sich „… des Landes entäußern müssen.“ Zeit die Äbte des Klosters Bildhausen für Heute, im Jahr 2016/17 kann man wieder Auch sein Nachfolger Simon Halbig (1563- kurze Zeit selbst der Lehre Martin Luthers solche „biologischen“ Matratzen aus 1573) aus Königshofen betrieb die Seelsorge zuneigten und evangelisches Wesen in ihren Naturmaterial (meist Seegras, Schilf etc.) in „unkatholischem Sinne“. Gemeinden tolerierten, predigte Pater Franz für sehr teures Geld kaufen. Mit dem ab 1573 eingesetzten Pfarrer Johann Fischer – seit 1548 in Rothausen – in evange- Precheisen war die kurze reformatorische lischer Weise und verehelichte sich. Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­9

Das Herzogshaus Sachsen-Römhild, seit Kirchhof wieder konsekriert.60 Um die ge- evangelische Pfarrei.“65 Als erster evange- 1555 Rechtsnachfolger für Henneberg- genreformatorischen Bestrebungen weiter zu lischer Geistlicher in der Pfarrei Sternberg Römhild, trat mit dem Anspruch auf, als In- forcieren, trennte Bischof Julius Echter am ist 1595 ein Simon Rathgeber bezeugt.66 Aus haber der Landeshoheit seine „Untertanen 12.7.1598 die Filiale Saal von der Mutterkir- einer handschriftlichen Notiz im Pfarrarchiv mit frommen und geschickten Seelsorgern zu che Wülfershausen und erhob die Gemeinde Sternberg geht hervor, dass die Kapelle in versehen“. Das Kloster Bildhausen suchte zur eigenen Pfarrei.61 der Sternberger Burg zur Pfarrkirche erho- jedoch seine Patronatsrechte zu wahren, in- ben worden war.67 dem es 1557 Pater Nicolaus Ambling nach Schwanhausen 1632 wurde die evangelische Pfarrei Zim- Rothausen schickte. Dieser war jedoch nach Sehr früh hielt auch in Schwanhausen ebenso merau mit Sternberg vereinigt und Johann Meinung der Sachsen-Römhilder Dorfherren wie in den benachbarten Orten die Reformati- Trautschel erhielt die Pfarrstelle.68 1670 „… unwissend, unkeusch und ganz ungeeig- on Einzug und das im Dreißigjährigen Krieg schrieb der neue Sulzdorfer Pfarrer Johann net“, weshalb sie auf ihrem Besetzungsrecht zerstörte, dem hl. Vitus geweihte Kirchlein Volkhammer:69 „… ist mir Johann Volkham- als Folge des Augsburger Religionsfriedens wurde Filialkirche der protestantischen Pfar- mern aus Römhild, Pfarrer zu Sternberg und von 1555 (Wessen das Land, dessen der rei Sulzdorf.62 Bereits vor 1550 erfolgte auf Zimmerau, welche beide Pfarr ich neun Jahr Glaube!) bestanden und Ambling nicht an- Veranlassung des Sternberger Burgherren verschiedentlich mit Nutzen versehen, von erkannten. Truchseß von Wetzhausen die Annahme der Herrn Johann Hanßen, Sternberg im Namen Die Römhilder schickten vielmehr einen lutherischen Lehre in dem kleinen Dorf in Sr. hochfürstlichen Wolff Dietrich Truch- evangelischen Prediger, und zwar Andreas der Lederhecke. Im April 1629 fielen der seß von Wetzhausen zu Sternberg befohlen May, vorher Schullehrer in Römhild. Er gilt Stadthauptmann und der Stadtschreiber von worden, obernannten Pfarr zu Sternberg zu als der erste evangelische Pfarrer in der Ge- Königshofen sowie der Untereßfelder Pfarr- verlassen und an dessen statt hiesige Pfarr meinde. Als dieser 1562 starb, versah der herr in Begleitung von 150 Musketieren in Sulzdorf zu beziehen, auch solche nebst Zim- protestantische Pfarrer von Milz die Pfarrei Schwanhausen ein, um die Bewohner zu merau zu versehen ..., wiewohl ich die Pfarr Rothausen mit. Allein bald räumte er diese zwingen, dem neuen Glauben abzuschwö- Sternberg sehr ungern verlasse.“ Der Grund wieder, worauf das Kloster Bildhausen Pater ren. Spätestens 1631 beim Einmarsch der war, dass der neue Sternberger Dorfherr, Franz Schleußinger schickte, der eineinhalb Schweden im Verlauf des Dreißigjährigen Wolff Dietrich Truchseß von Wetzhausen, Jahre blieb. Sein Nachfolger war 1563 Pa- Krieges wurde zumindest der größte Teil der unter dem 1666 - 1669 das neue Sternberger ter Michael Rink; aber schon um Michaeli Schwanhäuser wieder evangelisch. Schloss gebaut wurde, wieder katholisch (29.9.) dieses Jahres wurde er von den Röm- geworden war. Seine Untertanen hatten laut hildern verjagt und der „Prädikant“ Möller Serrfeld Augsburger Religionsfrieden von 1555 sei- an seine Stelle gesetzt. Sehr schnell fand auch in Serrfeld die Re- nem Beispiel zu folgen. Da dieser nach zwei Jahren abzog, ordnete formation Einzug. Bereits 1528 wurde nach das Kloster sofort Pater Gottfried Wehner ab, Würzburg berichtet: „Serrfeld hat einen Sulzdorf a.d.L. aber auch diesen vertrieben die Römhilder lutherischen Prädikanten, so gar nit ge- Die neue Lehre hielt schon sehr früh in den alsbald und beriefen Nikolaus Eger aus Milz. weiht…!“ In Serrfeld und dem benachbarten Orten rund um die Lederhecke Einzug.70 Die Dieser betrieb zugleich eine Wirtschaft im Neuses wirkten u.a. 33 Jahre lang als luthe- evangelische Pfarrei Sulzdorf a.d.L., zwi- Ort und erstach einen Viehtreiber, mit dem er rische Prediger der ehemalige Mönch An- schen 1550 und 1560 gegründet, gilt als eine beim Spiel in Streit geriet und flüchtete. Nun dreas Jüngling sowie Georg Reulen aus Aub. der ältesten im Grabfeld. Als erster evange- kam erneut wieder ein Pater aus Bildhausen In der Gegenreformationszeit war beabsich- lisch predigender Geistlicher in der Gemein- - und wurde wieder vertrieben. tigt, den lutherischen Prediger aus Serrfeld de wird ein Johann Hofmann aufgeführt, der Es gab also ein Hin und Her, das sage und zu vertreiben. Der Ort wurde 1582 der katho- hier 1537 verstarb. Erster Pfarrer der eigen- schreibe fast ein Jahrhundert währte.57 lischen Pfarrei Bundorf zugeteilt. Doch die 1628 schließlich rückte ein bischöflicher Serrfelder leisteten Widerstand und bestan- Kommissar mit 50 Reitern und 1300 Mann den unbeugsam darauf, ihren lutherischen 45 Schübel, Albrecht: Das Evangelium in Mainfranken, Mün- chen 1958, S. 93. Fußvolk an. Nun wurde ein kath. Pater als Prediger zu behalten. 1590 wurde niederge- 46 Zeitel, a.a.O., S. 92 f.; Schornbaum, a.a.O., S. 171 Pfarrer in Rothausen eingesetzt und dem schrieben: „Serrfeld durchaus lutherisch!“ 47 Lehnert, Ewald, Chronik von Leinach, MS 1988. 48 Eangelische Prediger wurden von den Chronisten oftmals evangelischen Pfarrer befohlen, bis Mittag Der Glaubenskampf um Serrfeld wurde un- geringschätzig Prädikanten genannt. den Pfarrhof und binnen drei Tagen den Ort vermindert fortgesetzt. 1602 meldete der 49 Schornbaum, a.a.O., S 170. 50 StAWü, Rentamt Königshofen, 86. zu räumen. Erst als die Schweden 1631 im Bundorfer Pfarrer an das Hochstift, nach wie 51 Heusinger/Solf: Sulzfeld, a.a.O., S. 49/50. Verlauf des Dreißigjährigen Krieges das Gr- vor seien die Serrfelder „… widerwärtiger 52 Hamm, Leo W.: Handschriftliche Aufzeichnungen zur Ge- schichte von Merkershausen. abfeld eroberten, wurde wieder ein evange- Religion.“ 1608 wurde berichtet: „Serrfeld 53 Simon, Matthias: Evangelische Kirchengeschichte Bayerns, lischer Pfarrer in Rothausen eingesetzt.58 ganz lutherisch, auch die 9 Würzburger Un- München 1942, 2. Auflage Nürnberg 1952,S. 280 tertanen.“63 Ende 1628 erfolgte in Serrfeld 54 Albert, Chronik von Sulzdorf, S. 157 f. 55 Zeitel, a.a.O., S. 92 f. Saal an der Saale dann eine gewaltsame fürstbischöfliche Ge- 56 Diözesanarchiv Würzburg, Dekanat Mellrichstadt VR 1594 Um 1580 wohnte ein lutherischer Prediger genreformation durch den Keller von Stadt- fol. 1. 57 Schornbaum, a.a.O., S. 165 auf dem Findelberg. Der aus Saal gebürtige lauringen und den katholischen Bundorfer 58 Gutzeit, Winfried: Rothausen und Gollmuthhausen. In: De- Simon Lurtz war Buchdrucker bei Georg Pfarrer. Deren Eingreifen war aber wenig kanat Bad Neustadt an der Saale, Erlangen 1984, S. 113 ff. 59 Nenninger, Ernst: Saale an der Saale. In: Loreck, Klaus: Rhaw in Wittenberg, der Martin Luthers Erfolg beschieden. Bis in unsere Tage blie- Dekanat Bad Neustadt an der Saale - Ursprung und Leben Schriften verlegte. Lurtz wurde dort am ben die Serrfelder bis auf wenige Familien evangelischer Gemeinden in Rhön und Grabfeld, Bad Kö- nigshofen 1984, S. 133. 1.11.1542 ordiniert und ins evangelisch- evangelisch. Das Kirchlein im Dorf gehört 60 Weckesser, Angelika: Die Wallfahrtskirche Mariä Heim- lutherische Pfarramt nach Poltersleben allerdings zur kath. Pfarrei Bundorf/Neuses. suchung auf dem Findelberg bei Saal a.d. Saale - Beschrei- 59 bung des Wallfahrtswesens und der Kunstdenkmäler. Semi- berufen. Um 1580 wurde in Saal die Ge- nararbeit 1984, S. 53. genreformation durchgeführt, was die 1582 Sternberg 61 Stiftungsbrief vom 4.7.1598. Archiv des historischen Ver- ausgestellt älteste Rechnung der Findelberg- Bereits vor 1550 erfolgte auf Veranlassung eins Handschrift fol. 380 62 Röder, Ludwig: III. Pfarrbeschreibung von Sulzdorf a.d.L., stiftung beweist. Sie befand sich im Bischöf- des Sternberger Burgherren Truchseß von S. 6; lichen Ordinariat und verbrannte 1945. Sie Wetzhausen die Annahme der lutherischen 63 StAWü, Müller a.a.O. 64 Albert, Reinhold: Geschichte der Pfarrei Sternberg i. Gr. In: trug den Titel: „Heiligenregister Unserer Lehre in Sternberg, Zimmerau und Schwan- Heimatblätter Rhön-Grabfeld, Nr. 1/1985. lieben Frauen in Saal. So anno 1582 auch hausen. Gerade innerhalb des Ritterkantons 65 Kuhr, Georg: Ritterschaftliches Pfarrerbuch von Franken, 1979. aus den alten Kirchenregister renovirt, itzt Baunach gehörte das in mehreren Linien blü- 66 Sperl, Josef: Chronik des Marktes Trappstadt, Bad Königs- wiederum erneuert worden am Sonntag Pal- hende Wetzhäuser Geschlecht zu den Vor- hofen 1978, S. 63. 64 67 Pfarrarchiv Sternberg, handschriftliche Notiz zu einer Kla- marum 1609“. Ein Hinweis auf die Gegen- kämpfern des Protestantismus. geerkenntnis von 1869. reformation ist ebenfalls, dass in einem Be- In einem ritterschaftlichen Pfarrerbuch ist 68 Kuhr, a.a.O., S. 484. richt der Gemeinde Saal von 1607 mitgeteilt über Sternberg vermerkt: „Evangelisch, um 69 Röder, a.a.O., S. 73. 70 Wohlleben, Karl: Dorfbuch von Sulzdorf (Maschinen- wird: „… Als vor 30 Jahren die Kirche und 1550 von Untereßfeld abgetrennt als eigene schriftlich), um 1935, S. 11. Seite ­­10 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 ständigen Pfarrei Sulzdorf war dann ein ge- dass zu ihm der Lorenz Volck aus Münner- und aufgefordert, ihr Leben nur nach katho- wisser Hermanus.71 stadt zum Heiligen Abendmahl ging, um es lischen Sakramenten auszurichten. Die evan- 1614 waren unter den 44 Haushalten 33 sich unter beiderlei Gestalt reichen zu lassen. gelischen Fürsten in Sachsen wurden von Sternbergische Untertanen. Alle seien luthe- Auf Volck folgte von 1548 bis 1552 Pfarrer den Trappstädtern um Beistand gebeten und risch, auch die Würzburger Untertanen, ist Franz Hagen. Er war zuvor von 1540 bis zu guter Letzt erschien der Würzburger Amt- überliefert.72 Im April 1629 fielen der Stadt- 1548 evangelischer Pfarrer in Großwenk- mann Johann von Dorfelten mit acht Reitern hauptmann und der Stadtschreiber von Kö- heim und wurde dann von 1552 bis 1569 und 500 Mann zu Fuß in der Gemeinde und nigshofen sowie der Untereßfelder Pfarrherr evangelischer Pfarrer in Münnerstadt. Auf nötigte den lutherischen Prädikanten die Kir- in Begleitung von 150 Musketieren in Sulz- Hagen folgte in Sulzfeld Wilhelm Schad, chenschlüssel herauszugeben.79 dorf ein. Die Fürstbischöflichen öffneten mit von dem es bei einer um 1555 erfolgten Vi- Danach wurde den sächsischen Untertanen Gewalt das Pfarrhaus und schlugen an die sitation heißt: „… hatte ein gutes Zeugniß von ihrer Obrigkeit die Kirche zu Trappstadt Kirche ein Reformationsmandat. Anschlie- in Lehre und Leben.“75 Pfarrer Georg Gryff verboten. Ihre Toten mussten nun in Eicha ßend wurden die Einwohner mittels Läuten wurde 1556 von Philipp Melanchthon auf begraben, die Kinder dort getauft und Ehen der Kirchenglocken aufgefordert, sich um- die Pfarre „Sulzfeld am Wildberg“ ordiniert, geschlossen werden. Nach ca. zwei Jahren gehend am Versammlungsplatz einzufinden, wurde jedoch bereits Ende November 1556 gingen die Gläubigen aber wieder in die was diese jedoch ignorierten. Daraufhin ver- Pfarrer in Vachdorf bei Meiningen. An seine Kirche nach Trappstadt, um die Predigt zu brachten die Besetzer die Bürger, derer sie Stelle trat Johann Holland. hören. Zur Kommunion gingen sie aber nach habhaft wurden, zum Versammlungsplatz. Von 1557 bis 1583 wirkte Magister Kaspar wie vor ins Sächsische. Sie mussten geloben, sich bei der nächsten Engelhaupt in Sulzfeld. Während seiner Zeit 1592 wurde der evangelische Pfarrer Simon Beichte einzufinden und dem lutherischen wurde Sulzfeld dem evangelischen Dekanat Ratgeber von Trappstadt unter einem faden- Gedankengut abzuschwören. Hendungen zugewiesen. Er schuf die noch scheinigen Vorwand – in seinem Beisein Der Gewaltaktion war nur wenig Erfolg vorhandene evangelische Kirchenordnung hatte sich ein Jagdunfall ereignet, bei dem beschieden, denn schon 1630 musste der von Sulzfeld und Kleinbardorf. ein Junge versehentlich erschossen wurde – Untereßfelder Pfarrer nach Würzburg be- Obwohl Sulzfeld 1583 als erledigtes Lehen von Würzburg verhaftet und ein kath. Pfarrer richten: „Die Sulzdorfer laufen sehr nach nach dem Tod des letzten Grafen von Henne- eingesetzt.80 Rathgeber war dann ab 1595 lutherischer Ort.“73 Aus dem Jahre 1631 ist berg an das Hochstift Würzburg gekommen evangelischer Pfarrer in Sternberg.81 überliefert: Der Widerstand gegen die Re- war, war es 1584 noch evangelisch. Aus ei- Katholisierung in den Lederheckengemein- ner Eingabe der Gemeinde an die fürstliche Untereßfeld den hält an. Die Sulzdorfer stellen sich zur Regierung in Meiningen vom 5.3.1584 geht Über Untereßfeld Gabolshausen und Aub, Osterkommunion ebenso wenig ein wie die hervor, dass sich die Gemeinde weigere, den drei würzburgische Orte, liegen keine re- Sternberger und Schwanhäuser.74 Offen- alten Glauben anzunehmen. Ein evange- formationsgeschichtlichen Nachrichten vor, sichtlich schlossen sich auch die Brennhäu- lischer „Prädikant“ wohnte noch bis 1588 in wurde 1984 geschrieben.82 Jedoch konver- ser Burgbesitzer der Reformation an, ja sie Sulzfeld. Ihm wurden vom Vogt nach Einset- tierte ein katholischer Pfarrer in Untereßfeld, boten in unruhigen Zeiten dem Sulzdorfer zung des kath. Pfarrers nur noch ein Viertel und zwar Heinrich Hirschenfikel. Er war bis Pfarrer sogar Asyl. der Pfarrbezüge zugeteilt. 1572 26 Jahre Pfarrer in der Gemeinde und Am 1.2.1589 schrieb Amtskeller Boxberger fand schließlich am neuen Glauben Gefal- Sulzfeld aus Königshofen an Weihbischof Euchar len, weshalb er abgesetzt wurde. Er forderte Bereits 1523 erhielt Sulzfeld einen evange- Sang, in Sulzfeld seien 65 Personen „… un- die Dorfleute auf, seinen Nachfolger Dionys lischen Prediger mit Namen Andreas. Dieser genötigter Ding zu parieren gewilligt, nur 21 Rost nicht anzuerkennen und wurde deshalb war als Anhänger Luthers aus Haßfurt ins hätten solches abgeschlagen.“ Sie wollten nach Würzburg zitiert. Doch Hirschenfikel Grabfeld geflüchtet. 1548 ist Wilhelm- Er eher verkaufen und hinwegziehen, ehe sie dachte nicht daran, der Vorladung Folge zu hard Pfarrer in Sulzfeld. Es ist überliefert, von ihrem Glauben, darin sie erzogen, ab- leisten und suchte vielmehr den Schutz des wichen. 1614 scheint die Gegenreformation in Sternberg residierenden Bastian Truchseß erfolgreich abgeschlossen zu sein, denn der von Wetzhausen, der auch in Untereßfeld Otto Schulz Sulzfelder Vogt berichtete, dass der Besuch Besitz hatte. Bastian hatte bereits zuvor dem des kath. Gottesdienstes fleißig sei und nur kath. Untereßfelder Pfarrer den Zehnt aus Rauhreif noch in Kleinbardorf „zwei luth. Weiber“ Sternberg, Zimmerau und Sulzdorf entzogen Nebel fegt durch‘s hohe Tann, wären.76 und diesem verboten, die Kirchen in den ge- Schatten drängen sich heran, nannten Orten zu betreten. späte Herbsteszeit. Trappstadt Hirschenfikel erbaute sich in der Folgezeit Welke Blätter sinken hin, Trappstadt, wo eine Ganerbschaft77 un- auf dem Pfarrgrundstück ein Haus. Wie es klagend graue Vögel flieh‘n ter hennebergisch-sächsischer Leitung die scheint, verehelichte er sich, denn zu Be- in die Dunkelheit. Dorfherrschaft innehatte, war schon 1526 ginn des 17. Jahrhundert erscheinen einige Rauhreif hüllet Strauch und Baum, selbständige Pfarrei. Die Henneberger hat- Hirschenfikel in den Matrikellisten. Seinen wiegt des Sommers lichten Traum ten zwar keine Hoheitsrechte, vertraten aber Nachfolger Rost wollten die Untereßfelder in des Schlafes Bann. unter den zwölf Ganerben, außer ihrem eige- aber nicht anerkennen, hauptsächlich wegen Klarer Frost mit Künstlerhand nen Anteil noch weitere Ganerben. So entwi- seiner bösartigen Köchin. Der fürstbischöf- schenkt dem welken Blütenstand ckelte sich unter ihrem Schutz evangelisches liche Keller in Königshofen ersuchte Rost sie zartes Filigran. Leben.78 zu entlassen, weil sie „… ein Lasterschand- Zagend schwingt in jedem Schritt 1551 war Caspar Schöning aus Gabolshau- fleck und ein richtiger Hausdrachen“wäre. Kümmernis und Zweifel mit, sen lutherischer Schulmeister in Trappstadt. Da sich Rost jedoch weigerte, wurde Ni- kaum verdecktes Leid, Damit ist belegt, dass es auch einen luthe- kolaus Fuchs 1575 sein Nachfolger. Dieser bis die Seele leis erklingt, rischen Prediger gegeben haben muss. 1582 lebte in ärmlichen Verhältnissen, zumal ihm sanft ein heller Strahl eindringt wurde das Kloster Bildhausen vom Würz- die evangelisch gewordenen umliegenden in die Einsamkeit. burger Bischof aufgefordert, einen Pater als Ortschaften den zustehenden Zehnt verwei- Und durch Nebel, Nacht und Frost katholischen Priester in Trappstadt einzu- gerten. Bereits elf Jahre später wurde Hein- sehn erleichtert und getrost setzen. Bildhausen konnte diesen Auftrag rich Hottenius sein Nachfolger. Seine Amts- wir des Lichtes Schein. nicht erfüllen, da ein evangelischer Priester führung ließ jedoch sehr zu wünschen übrig. Mögen auch in dunkler Zeit, unter dem Schutz der sächsischen Fürsten in Es ist überliefert: „Die Leute kommen von für die anderen bereit, Trappstadt wirkte. vier Gemeinden (Aub, Gabolshausen, Ober- wir ein Leuchtturm sein! 1592 eskalierte der Streit zwischen den Reli- und Untereßfeld) teilweise weit her, dann Aus: Otto Schulz: Aus der Ernte eines Lebens gionen. Die Einwohner Trappstadts wurden schimpft sie der Pfarrer Schelme und alte vom Würzburger Amtmann eingeschüchtert Hünd, und wenn er genug geschimpft hat, Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­11 kommt er mit einer Bibel, zieht etliche Sprü- in Zimmerau.87 Rauschert verstarb um 1630. che an, die er nachher nit find … weshalb die Sein Grabstein wurde 1997 bei Straßenbau- Leut fortgehen.“ Schließlich wurde er von arbeiten entdeckt. den Untereßfeldern verjagt, nachdem er auch Der Untereßfelder Pfarrer hatte einen schwe- noch gegen Ortsnachbarn handgreiflich wur- ren Stand an der Lederhecke. Und so berich- de und den Königshöfer Keller mit dem Mes- tete er 1617 an die bischöfliche Regierung in ser bedroht hatte. Erst mit Pfarrer Wolfang Würzburg: „Die Zimmerauer sind ungehor- Löhr, der 1595 in Untereßfeld aufzog, kam sam und wollen mich nicht mehr anerkennen die Pfarrei wieder in ruhigere Gewässer.83 und aufnehmen. Halten ebenso wie Stern- berg einen Prädicanten!“ Waltershausen 1632 wurde die evangelische Pfarrei Zim- 1522 trat mit Moritz I. Marschalk von Ost- merau mit Sternberg vereinigt und Johann heim auf Waltershausen einer der ersten Trautschel erhielt die Pfarrstelle.88 Nach der fränkischen Adelsgeschlechter der luthe- Erbteilung zwischen den Brüdern Truchseß rischen Reformation bei. Weil er die Deut- von Wetzhausen - dem protestantisch geblie- sche Messe nach Luthers „formula missae“ benen Joachim Ernst und dem zum Katho- gehalten hatte, war sein Kaplan Johann Bei Straßenbauarbeiten in den 1990er Jahren liken übergetretenen Wolff Dietrich Truch- Völcker Anfang November 1523 verhaftet fand man in Zimmerau den Grabstein des Jo- seß 1665 - war die Hälfte der Einwohner worden und 20 Wochen in der Festung Mari- hann Rauschert, der als evangelischer Pfar- Zimmerau katholisch und die andere Hälfte nberg in Würzburg eingesperrt worden. rer in Zimmerau von 1612 - 1620 bezeugt ist. evangelisch. Völckers Nachfolger in Waltershausen war dann Jakob Thein aus , ein ehema- liger Karmelitermönch. In seinem Lebens- Wülfershausen 71 Röder, Ludwig: III. Pfarrbereschreibung von Sulzdorf a.d.L., 1915. lauf schreibt er: „Anno domini 1523 bin ich Wülfershausen gehörte seit alter Zeit zum 72 Pleiss, Detlef Heinrich: Kirchliche Verhältnisse im Gab- zum Ritter Moritz Marschalk kommen, durch Kloster St. Stephan in Würzburg, weshalb feld z.Zt. der schwedischen und sächsischen Besatzung. In: Würzburger Diözesangeschichtsblätter, 55. Band, 1993, Anstiftung zweier Männer zu Wülfershausen, die Reformation hier keinerlei Auswir- S. 310. hab ich angefangen das Evangelium zu pre- kungen hatte. Es ist lediglich überliefert, 73 StAWü, Nachlass Müller a.a.O.; 74 Pleiss, a.a.O., S. 310. digen ein Jahr zu Waltershausen…“ Zwei dass der ehemalige Karmelitermönch Jakob 75 Schübel, a.a.O., S. 94. Laien aus Wülfershausen hatten Thein also Thein aus Hollstadt von zwei Laien aus Wül- 76 Heusinger Reinhold / Solf, Gerwin: Sulzfeld – Beiträge zur bewegt, evangelisch zu predigen. fershausen dazu überredet wurde, ab 1523 in Heimatgeschichte, Mellrichstadt 1987, S. 34 f. 77 Eine Ganerbschaft war nach altdeutschem Erbrecht das 85 Waltershausen gehörte damals zur Pfarrei Waltershausen evangelisch zu predigen. gemeinsame Familienvermögen, vorwiegend Grundbesitz, Wülfershausen. Nach einem Jahr muss- über das die Ganerben nur gemeinsam verfügen konnten. Nach heutigen Rechtsbegriffen entspricht dies einer Ge- te auch Thein aus Waltershausen weichen, Zimmerau samthandsgemeinschaft (beziehungsweise Gemeinschaft vmtl. wie bei Völcker auf würzburgische In- Zimmerau bildete zu Beginn des 17. Jahrhun- zur gesamten Hand). 78 Schübel, a.a.O., S. 94. tervention. Nach der Vertreibung der beiden derts ebenso wie Sternberg eine eigene evan- 79 Böckler, Michael: Trappstädter Bürger zwischen den Schlosskapläne gingen die Waltershäuser gelische Pfarrei. Ein Johann Rauschert ist als Fronten der Religionen. In: Heimatjahrbuch Rhön-Grabfeld 2010, S. 159 f. ein dreiviertel Jahrhundert lang in die um- evangelischer Pfarrer in Zimmerau von 1612 80 Zeitel, a.a.O., S. 92 f. liegenden evangelischen Orte zum Gottes- - 1620 bezeugt.86 1620 wurden dem ältesten 81 Sperl, Josef: Markt Trappstadt, Bad Königshofen 1980, S. 63. dienst, immer wieder angefochten vom Klo- Sulzdorfer Kirchenbuch zufolge bei einem 82 Zeitel, a.a.O., S. 92 f. ster St. Stephan zu Würzburg, das die Pfar- Todesfall in der Familie des damaligen Sulz- 83 Stöger, Josef: Pfarreigeschichte von Untereßfeld im Grab- rei Wülfershausen besaß. 1600 stifteten die dorfer Pfarrers Kimmel drei evangelische feld, Königshofen 1952, S. 43 f. 84 Merkl, Herbert: Waltershausen. In: Dekanat … S.127 ff. Herren Marschalk von Ostheim unter dem Pfarrer im Amt Sternberg aufgeführt, näm- 85 Merkl, ebd. lich Johann Kimmel in Sulzdorf, Matthäus 86 Kuhr, a.a.O., S. 513. Protest Würzburgs eine eigene evangelische 87 84 Röder, a.a.O., S. 61. Pfarrei Waltershausen Heubel in Sternberg und Johann Rauschert 88 Kuhr, a.a.O., S. 484.

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Die Urkunde des Hausmeiers Karlmann von 742 Der historische Erstbeweis für die Existenz Königshofens und des Grabfelds

Manfred Firnkes Gebiet der damaligen Toringia/Thüringen Graphfel, Graphelde, Grapheldia, Graphel- zwischen , thüringischer = sächsischer dun in den Urkunden) in sog. Traditionsur- Im Jahr 738, das ist jetzt 1279 Jahre her, Saale, Unstrut und Vor-Harzgebirge an der kunden = Übergabe-/Schenkungsurkunden fällt zum allerersten Mal ein geschichtlicher Grenze zu den Sachsen sowie in den nord- an das Kloster Fulda historisch greifbar, Lichtstrahl auf das Grabfeld, ein historischer und südhessischen Raum auf seiner Wande- auch wenn der Fluss dieser dokumenta- wohlgemerkt, kein archäologischer. Zum rung in der Nachfolge Jesu, der peregrinatio rischen Quellen insgesamt bescheiden bleibt ersten Mal tauchen in der Geschichte Men- Christi, kam. und keine zusammenhängende Erzählung schen mit ihrem Namen als Graffelti auf. Man kann nur erraten, welche außergewöhn- der Geschichte des Grabfeldes erlaubt – und Es muss folglich schon 738 auch eine da- liche Persönlichkeit in Thüringen wirkte und je erlauben wird. Die isolierten, aber objek- zugehörige Siedlungslandschaft Graffelt/ speziell im Grabfeld, das zu dieser Zeit über tiv zutreffenden, zuverlässigen Nachrichten Grabfeld gegeben haben. Die Graffelti wer- den ursprünglich kleinen Landschaftsraum, wirken wie verloren, wie einsame, ganz sel- den zusammen mit den Bewohnern von fünf in einem Umfang wie etwa auch heute wie- ten ineinander greifende Teile eines großen anderen Gauen Hessens und Thüringens von der, weit hinausgewachsen war. Im Westen Puzzles. keinem Geringeren als Papst Gregor II. per- begrenzte es der Saalegau, dann der Fluss- Mit größtem Respekt und Dankbarkeit dür- sönlich in einem Brief angesprochen. Dieses lauf der Fulda bis in die Gegend von Hers- fen wir Bonifatius, auch wenn er später zum Papstschreiben ist die früheste Verbindung feld, im Norden die mittlere zwischen Erzbischof in Mainz berufen wurde und am zwischen dem „Vatikan“ und dem Grabfeld, Vacha und Breitungen, weiter der Rennsteig Anfang und Ende seines missionarischen Le- dessen natürlicher Vorort Königshofen im mit einem offenen Grenzgebiet, das sich im bens bei den Friesen wirkte (und von ihnen Brief allerdings nicht erwähnt wird. Osten an der Itz und am oberen Main verlor. 754 umgebracht wurde) vor allem als „Apo- Die Grabfelder können also mächtig stolz Im Süden zog es sich rechtsmainisch den stel des Grabfeldes“ bezeichnen, weil hier sein: Sogar der Papst in Rom kennt Grab- Haßgau entlang bis Schweinfurt-Gelders- sein eigentlicher Wirkungsbereich lag, zen- felder-Graffelti im fernen Germanien, noch heim- Obbach. triert im geistlich-geistigen Mittelpunkt des bevor der Name Königshofen zum ersten In diesem Großgau Grabfeld errichtete der Grabfeldes, dem von ihm gegründeten Klo- Mal vier Jahre später in zwei Urkunden angelsächsich - englische Missionar sein ster Fulda, wo er auch begraben sein wollte. auftaucht. Die diesbezügliche Kenntnis des kirchlich – spirituell über ganz Ostfranken, Diese Landschaft, die heutzutage in einem Papstes muss man allerdings relativieren. die Francia orientalis, ausstrahlendes Zen- regional viel engeren Sinne als im 8. Jh. mit Der Papst hatte natürlich keinerlei geogra- trum, das königlichem Schutz anvertraute Bad Königshofen als der natürlichen Mitte phische Vorstellungen, wo genau dieses Kloster Fulda. Dessen Geschichte beginnt das Gebiet um Haubach und Milz, um den Grabfeld lag, welche Nachbarn und Nach- 744, also knapp nach der urkundlichen Erst- Ober- und Mittellauf der Saale ausmacht, bargaue angrenzten, welche Siedlungen in nennung des Königshofes Königshofen. Uns sich bis zur Haßberglinie zieht, über Sulz- ihm lagen, wie groß sein Umfang war. Um- ist die Tatsache kaum mehr bewusst und erst feld, Wenkheim, Münnerstadt, , so genauer wusste der Mann Bescheid, der recht nicht tief in unserem regionalen Ge- Wülfershausen, Hendungen, Queienfeld, dem Papst dieses geographische Wissen für schichtswissen verankert, dass das Grabfeld Jüchsen, Henfstadt, Reurieth bis Hildburg- sein Schreiben vermittelt haben musste. Und als ein Teilgebiet der Toringia, also Thürin- hausen und von dort nach Südwesten bis zur auch das erstaunt, denn der Mann war kein gens, in allererster Linie diesem „Apostel Haßberglinie reicht, insgesamt das südthü- Grabfelder Insider, kein Grabfelder Kardinal der Deutschen“, dem Benediktinermönch ringische Grabfeld diesseits des Rennsteig- an der Kurie – den gibt es bis heute nicht Bonifatius, den christlichen und kulturellen kamms also wieder miteinbezieht, trug mit – oder ein vorgymnasialer Grabfelder Erd- Aufbruch in eine neue Zeit verdankte. Sicherheit nicht immer schon den Namen kundelehrer in Rom, sondern ein Mann, der Indirekt, als Folge seiner Klostergründung, Grabfeld, genau so wenig wie die Saale von sozusagen den Brexit unserer Tage umkehrte wird zum ersten Mal speziell der pagus den wechselnden Siedlern immer schon Sa- und aus England in das überwiegend heid- Graffelti (das Grabfelt, Craffelt, Craphelt, la, Saale, genannt wurde. Aber mit Sicher- nische, nur an der Oberfläche christianisierte Graffelt, Grafeldun, Grapfelt, Grapfelden, heit, das zeigen die archäologischen Funde, war das Grabfeld seit dem 5./4. Jahrhundert durchgehend mit wechselnder Siedlungs- dichte von einer bäuerlichen Bevölkerung verschiedener Ethnien (Stämme, Völker, Völkerschaften) bewohnt. Vom Papstschreiben 738 nach rückwärts, in die Vergangenheit hinein, blicken wir nur 200 Jahren zurück, also in die Phase um 538. In diesem Zeitraum von 538 - 738 war die gewaltsame Einbeziehung der Thüringer in den expansiven Reichsverband der Fran- ken abgeschlossen und in der kolonisato- rischen Expansion die „perfrancatio“, die fränkische Durchdringung („Frankisierung/ Verfrankung“) gelungen mit der Folge einer weitgehend fränkischen, später fränkisch- thüringischen adeligen Amtsoberschicht und zunehmend thüringisch-fränkischer Bevöl- kerungsvermischung, die auch für Königs- hofen anzunehmen ist. In dieser 200-jährigen Zeitspanne können wir über den Umfang, die Bedeutung, den Ersterwähnungurkunde Königshofens von 741. Namen und die Siedlungen des jedenfalls Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­13

738 so bezeichneten Grabfelds nur spekulie- Festzustellen bleibt, dass Thüringen vom dunklen Loch der Geschichte verschwunden ren. Warum? Kenntnis über Vergangenheit Südharz-Unstrutgebiet bis zum Main seit ist. Die Gründe bleiben bis heute rätselhaft. lässt sich nur gewinnen, 1. durch archäo- 531 der Oberherrschaft der merowingischen Auf jeden Fall fand nach 716 ein politischer logische Grabungen, deren Fundhinterlas- Frankenkönige unterstand. Folglich war Machtwechsel statt. Das beweisen die näch- senschaften in der Geschichtswissenschaft das Grabfeld ein Teilgebiet des fränkischen sten beiden Quellen, die erhaltenen Urkun- als Überreste bezeichnet werden, 2. durch Thüringen oder des thüringischen Franken. den wohl aus dem Jahr 742. Sie sind nicht mündliche Weitergabe, die allerdings ganz Die politische Verantwortung für diesen mehr von dem Herzog Thüringens, sondern selten über drei Generationen zurückreicht Landstrich trug der von den fränkischen Kö- von dem karolingischen Hausmeier KARL- und 3. durch schriftliche Überlieferung, nigen eingesetzte Amtsherzog (dux). Auch MANN ausgestellt worden und betreffen di- schriftliche Quellen, von den Historikern als wenn die Ereignisdarstellung in den wenigen rekt auch das grabfeldische Thüringen, exakt Tradition zusammengefasst. Quellen oft vage und eher allgemein bleibt, ausgedrückt, das Grabfeld im von Karlmann Von der Archäologie erfahren wir aus dem und zwar gerade dort, wo man sich eindeu- (wie schon von seinem Vater) unmittelbar eben angesprochenen Zeitraum zwischen tigere Aussagen über Personen und Zusam- selbst beherrschten Thüringen. Diese Urkun- 538-738 nichts, was zusätzlich durch paral- menhänge wünscht, so spricht doch einiges den sind nicht im Original erhalten, sondern lele schriftliche Überlieferung erhellt wer- dafür, dass, wenigstens zeitweise, sogar nur in bestätigenden Kopien/Abschriften den könnte. Das liegt daran, dass es bisher zwei Amtsträger in der Toringia amtierten, und nennen zum ersten Mal Königshofen. in unserem Gebiet keine systematischen, einer im Nordteil jenseits des Thüringer Nimmt man das gesamte historische Umfeld großflächigen Ausgrabungen gegeben hat Waldes bis in den Südlichen Vorharz, der in den Blick, sind sie meiner Meinung nach und vermutlich nicht geben wird. Aber auch andere, der dann auch für das Grabfeld zu- im Jahr 742 ausgestellt worden. Einen 100% die schriftlichen Quellen aus dieser Zeit ständig war, diesseits des Rennsteigs bis zum igen Beweis für 742 wird es allerdings genau sind äußerst spärlich und geben sich nur mit Main. so wenig geben wie für das Jahr 741.Wesent- wichtigen Ereignissen der Reichsgeschichte Dass in diesem Bereich ganz sicher ein Her- lich ist der Inhalt, und der bleibt unberührt in grober Rasterung ab. Das Grabfeld wird zog mit Regierungssitz an der Südgrenze der von der Jahreszahl. in ihnen nicht erwähnt. Den Wahrheitsgehalt fränkischen Provinz Thüringen, im castel- Wer war dieser Karlmann? Wer waren und dieser wenigen, eher zusammenhanglosen lum Wirtziburg, in Würzburg, amtierte, kön- welche Rolle spielten die Karolinger im Einzelnachrichten können wir nicht überprü- nen wir urkundlich für das Jahr 704 sicher Reich trotz der Existenz der merowingischen fen, weil er nicht durch weitere Parallelquel- belegen. Die labile Situation in der Torin- Könige? Spätestens hier ist ein kurzer Blick len kontrollierbar ist. gia nach der fränkischen Eroberung, ables- auf die Beziehungen der Karolinger zu den Umso wertvoller sind daher für das Grabfeld bar an wiederholten Aufständen im Inneren herrschenden Merowingerkönigen nötig. Ich die ersten drei schriftlichen Zeugnisse, die und oftmaligen massiven Einfällen der sla- beschränke mich auf das Entscheidende in zeitlich nur durch vier Jahre getrennt, absolut wischen Wenden/Sorben an der unsicheren der Genealogie (Folie) dieser beiden Sippen. vertrauenswürdig in ihren Aussagen sind. 1. Saalegrenze im Osten seit etwa 600, lassen Karlmann, der Sohn Karl Martells, hat also die eingangs genannte Quelle zum Jahr 738 den sicher richtigen Schluss zu, dass die Ver- 741/742 zwei Urkunden ausstellen lassen. mit der Nennung der Graffelti. 2. die wesent- trauensstellung eines Herzogs als Vertreter Sie enthalten seine Schenkungen an die von lich informativere Quelle zweier zusammen- des fränkischen Königs an einen loyalen, Bonifatius 741/742 neu errichtete und für gehöriger, aber inhaltlich unterschiedlicher hochadeligen Franken und nicht an einen den Südteil Thüringens zuständige Diözese Urkunden mit ebenfalls hochoffizieller Aus- einheimischen Fürsten vergeben worden ist. Wirtziburg/Würzburg. Eine der beiden Ur- sagekraft, die mit größerer Wahrscheinlich- Nach der folgenden Herausbildung eines kunden umfasst die kirchliche Erstausstat- keit nicht in das Jahr 741, sondern in das fränkisch-thüringischen Mischadels hat sich tung des Bistums mit 25 Kirchen und einem Jahr 742 gehören. In diesen beiden Urkunden das geändert. Sicher ist auch, und damit be- Kloster aus dem Privat- oder Amtsbesitz (Diplomata) ist zum allerersten Mal Königs- wegen wir uns wieder vorwärts in die Nähe Karlmanns. Bei jedem Antritt eines neuen hofen direkt aufgeführt, jeweils als Chunin- des Ausgangsjahres 738, dass der letzte, im Herrschers musste der Beschenkte, hier der geshaoba in pago Graffelti, „Königshofen fränkischen Thüringen und somit auch im jeweilige Bischof von Würzburg, seine Ur- im Gau Grabfeld“. Königshofen erfährt also Grabfeld sehr eigenmächtig und selbstbe- kunden mit den Privilegien/Sonderrechten eine doppelte Ersterwähnung im Gegensatz wusst regierende Herzog in Hammelburg, dem König vorlegen und um erneute Bestä- etwa zu Essfeld und Mellrichstadt. das im Saalegau liegt, im Jahre 716 eine Ur- tigung bitten. Der erste Würzburger Bischof Um noch einmal auf den Anfangshinweis kunde für den hl. Willibrord ausgestellt hat. Burchard/Burkhard musste sich also Karl- der zeitlichen Einordnung und Bezeichnung Es war wohl eine der letzten oder sogar die manns Urkunde von dessen Bruder, König Graffelti und Graffelt zurückzukommen: letzte Amtshandlung, denn der Herzog ist Pippin, bestätigen lassen, dann die Bischofs- Beide Namen existieren sicher schon vor quasi von einem Tag auf den anderen im nachfolger Burchards die Urkunden Karl- 742 und vor 738. Das Grabfeld kann, spe- kulieren wir einmal, 1. entweder als Teilge- biet des über den Main in den Tauber- und oberen Altmühlbereich hinausgreifenden thüringischen Königreiches schon vor der fränkischen Eroberung 531/537 diesen Na- men getragen haben, und „Königshofen“ existierte schon unter einem anderen, einem thüringischen Namen oder 2. ebenso wenig belegbar: Nachdem die Franken 531/ 537 das thüringische Königreich erobert und un- ter ihrer Verwaltung neu strukturiert haben, wurde die Thüringersiedlung, wie immer sie hieß, umbenannt oder neu mit neuem Namen angelegt und die umgebende Landschaft erst jetzt Grabfeld genannt. Wenn ein hochangesehener Namensfor- scher wie von Polenz davon ausgeht, dass die Endsilbe (Suffix) – feld vorfränkisch ist, spräche alles dafür, dass das Grabfeld schon unter den thüringischen Königen so hieß und „Königshofen“ schon zu Thüringerzeiten bestand. Urkunde von 822. Seite ­­14 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 manns und Pippins von Karl dem Großen, Freitag, 19. Dezember 822 in Frankfurt, 2. urkunde wurde am Freitag, 19. Dezem- dann von Ludwig dem Frommen, Ludwig LdD, ausgestellt am Sonntag, 5. Juli 845 in ber 822, in Frankfurt ausgestellt. Sie ist dem Deutschen usw. Frankfurt und König Arnolfs, ausgestellt in der Amts- und Kanzleisprache Latein ab- Diese Bestätigungen sind bis auf kleine am Freitag, 21.November 889, ebenfalls in gefasst. Sie misst 36,5 x 66 cm, ist angesichts Änderungen deckungsgleich. Im Origi- Frankfurt. des Textumfanges in der Wortfolge relativ nal erhalten ist das Diplom der kirchlichen Ich habe das erste erhaltene Original, die eng geschrieben und daher in der Buch- Erstausstattung Würzburgs 1. in der Be- Urkunde LdF von 822 ausgewählt. Diese stabenbestimmung nicht immer einfach zu stätigungsurkunde LdF, ausgestellt am erste im Original erhaltene Bestätigungs- lesen.

Wieder entdeckte musikalische Kostbarkeiten aus dem Pfarrarchiv von Bad Königshofen

Werner Jaksch J.G. Naumann im Kloster Ebrach einsehen Messen des Amorbacher Benediktiner- und für seine Königshofener Sammlung mönchs Roman Hoffstetter, die er 1799, Im Zusammenhang mit musikwissen- abschreiben können und so der Nachwelt 1800 und 1801 (also noch vor der durch schaftlichen Forschungsarbeiten wurden überliefern können. die Säkularisation bedingten Auflösung kürzlich in den Musikbeständen des ehe- Heute wird dieses Werk im Diözesanarchiv des Klosters Amorbach) komponiert hatte. maligen Pfarrarchivs von Bad Königshofen Würzburg (DAW) verwahrt und stellt je- Allerdings existiert von diesem Werk noch im Grabfeld, die jedoch heute im Diözesa- denfalls durch seine singuläre Existenz ei- eine Abschrift im Archiv der Fürsten von narchiv Würzburg aufbewahrt werden, drei ne besondere Rolle für die Musikforschung Oettingen-Wallerstein. Dort wird die Mes- außergewöhnliche Messen entdeckt. Bei dar. se jedoch J.G. Naumann zugeschrieben, den Quellen handelt es sich um großartige Messe in C-Dur so dass das Königshofener Exemplar eine Messkompositionen bedeutender Musiker- wichtige Quelle für die musikgeschicht- Bei dem zweiten Werk handelt es sich persönlichkeiten aus der zweiten Hälfte des liche Zuordnung darstellt. um die Messe in C-Dur von Johann Franz 18. Jahrhunderts. Aus der Datenbank des Internationalen Xaver Sterkel (1750-1817), die um 1797 Das erste Werk aus dem Pfarrarchiv ist ein Quellenlexikons der Musik erfährt man für die Würzburger Dommusik kompo- Requiem des Dresdener Hofkapellmeisters schließlich, dass sich neben diesen genann- niert wurde. Johann Franz Xaver Sterkel Johann Gottlieb Naumann (1741-1801), ten Messen im Pfarrarchiv von Königs- stand zunächst in den Diensten des Erz- das wohl um 1770 entstanden ist und in- hofen im Grabfeld auch Abschriften von bischofs Friedrich Karl Joseph von Erthal teressanterweise nur in dieser Quelle exi- Werken W.A. Mozarts (Requiem), Joseph in Mainz. Nachdem jedoch Mainz 1796 stiert. Aus der Aufschrift des Titelblattes Haydns und Antonio Salieris befanden, die von der französischen Armee besetzt wor- erfährt man, dass dieses Werk aus der allerdings inzwischen alle veröffentlicht den war, wurde die Hofkapelle beurlaubt. Sammlung eines gewissen Gregor Joseph sind. Johann Franz Xaver Sterkel hielt sich in Rosshirt (Ex re musica Gregorii Josephi Ob die beschriebenen Kompositionen je- dieser Zeit in Würzburg auf. Nach der Er- Rosshirt Ludi Chorique Rectoris Regiscu- mals in Bad Königshofen zur Aufführung richtung des Großherzogtums Frankfurt für riae in arvis) stammt. Wer dieser Chor- gelangten, muss mit einigen Vorbehalten Carl Theodor von Dalberg wurde J. F. X. leiter Rosshirt gewesen ist und wie er an offen bleiben. Allein der Schwierigkeits- Sterkel 1810-14 dessen Hofkapellmeister dieses groß besetzte Werk gelangen konnte grad und der Besetzungsaufwand einiger in Aschaffenburg. musste bisher offen bleiben. dieser Werke gibt zu dieser Überlegung Seine Messe in C-Dur muss seinerzeit be- Eine Vermutung führt jedoch zu einer mög- Anlass. Jedenfalls spiegeln die für Kö- kannt gewesen sein, denn sie existiert in lichen Lösung: in den ehemaligen Musik- nigshofen angeschafften Messen ein hohes zahlreichen Abschriften: u.a. in einer Ko- beständen des Klosters Ebrach lassen sich Interesse an großer zeitgenössischer Mu- pie, die ein Professor J. G. Häckner für große Werke bedeutender Komponisten, sik und darüber hinaus auch an einer aus- das Pfarrarchiv von Königshofen anfertigte u.a. auch Werke von Johann Gottlieb Nau- geprägten Musikpflege in der ehemaligen (heute ebenfalls im Diözesanarchiv Würz- mann, nachweisen, die heute mittlerwei- Festungsstadt. burg verwahrt). Interessanterweise gibt es le z.T. verschollen sind. Einer der letzten noch zwei weitere Abschriften im Königs- Äbte von Ebrach war Wilhelm II. Roßhirt hofener Umfeld: Stimmenabschriften des Inzwischen hat der in Bad Königshofen (1714-91). Der aus Neustadt a. d. Saale Lehrers Johann Walter aus Saal a.d. Saale lebende Musikhistoriker Dr. Werner Jak- stammende Geistliche war ein besonderer (um 1828) und eine Partiturabschrift eines sch zwei dieser Werke bei dem Musikpor- Förderer der Kunst und Bildung im Kloster Kaspar Schmitt aus Neustadt a.d. Saale (um tal IMSLP publiziert. Die Messe c-Moll Ebrach. Ihm wäre auch die Beschaffung 1830). von Roman Hoffstetter befindet sich in eines großen Requiems aus Dresden mög- 1814 hat Johann Franz Xaver Sterkel Vorbereitung für eine Veröffentlichung. lich gewesen, denn in Ebrach war aufwän- schließlich diese Messe Friedrich August Das International Music Score Library dige Musikpflege ein wesentlicher Bestand II. (seit 1806 König) von Sachsen, gewid- Project (IMSLP, deutsch Internationales des Klosterlebens, insbesondere der Got- met. Somit ist dieses Werk zusätzlich in Notenbibliothek-Projekt), ist ein Projekt tesdienste. einer autographen Version in der Säch- zur Schaffung einer virtuellen Online-Bi- Die Verbindung zu Königshofen wäre sischen Universitätsbibliothek erhalten. bliothek für gemeinfreie (public domain) vielleicht über verwandtschaftliche Bezie- Musiknoten (Free Sheet Music). Das Pro- hungen aus der Roßhirt-Familie zu erklä- Komposition von Hoffstetter jekt ist die größte Online-Sammlung frei- ren: der genannte Gregor Joseph Rosshirt Die dritte Messe stammt von Roman Hoff- er und kostenloser Musiknoten. hätte über diese Bande das Requiem von stetter. Sie ist nachweislich eine der zehn Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­15 Neue Heimat zwischen Rhön und Grabfeld

Detlev Pleiss Das Heimischwerden in der Fremde gelang - Carl, Georg. Pfarrer in Westhausen und nicht im Handumdrehen, auch wenn es mit Schlechtsart. Schon gut hundert Jahre vor dem Zug der den Österreichern und Ungarndeutschen Im ersten Jahrzehnt nach dem 30-jährigen Salzburger durch Bayern, Franken, Nie- keine ernsthaften Sprachschwierigkeiten Krieg waren die Glaubensemigranten der er- dersachsen und Anhalt nach Brandenburg gegeben haben dürfte. Doch waren die Un- sten Generation dann aber doch schon so gut und Preußen, über den in DAS GRABFELD terschiede in Mundart und Lebensweise situiert, dass sie den herumirrenden Bettlern 2015 ein Artikel zu lesen stand, kamen ihres zwischen Enns und Saale sicher größer als aus ihrer alten Heimat zumindest mit Almo- Glaubens wegen Vertriebene aus den habs- zwischen Main und Saale. Auch innerhalb sen helfen konnten.7 burgischen Landen hier an und ließen sich Frankens gab es ja gerade in diesen Jahr- nieder. Mindestens drei von ihnen waren zehnten der Gegenreformation eine Binnen- Pfarrer, und die Nachkommen mindestens wanderung um des Glaubens willen. Die 1 Die folgenden Angaben sind, wo nicht anders ange- eines von ihnen, Sebastian Lefflers aus Bevölkerung der evangelisch-lutherischen geben, der Leichenpredigt für seine Tochter Regina entnommen (Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, ‘Reidt’ in Oberösterreich, leben bis heute Reichsstadt Schweinfurt wuchs in drei Jahr- Leichenpredigtensammlung Stolberg Nr.14983). unter uns.1 zehnten um über vierzig Prozent. Staffelstei- 2 Kirchenarchiv Schmalkalden, Kirchenbuch K 1 von Leffler verließ seine Pfarrstelle in ‘Stein bei ner Lutheraner zogen nach Königsberg, die Herrenbreitungen, Einträge vom Januar 1634 (Mül- Steyr im Erzherzogtum ob der Enns’ 1627 Hammelburger zerstreuten sich, und zuletzt ler) und vom Juni 1636 (Leffler); ebd., Kirchenbuch Schmalkalden-Stadt, Traumatrikeleinträge vom 27.No- und zog mit Frau und Kindern ‘durch Stern- verließen noch 1629/30 fast fünfzig Fami- vember 1643, 4.Juni 1645 und 15.November 1647 sowie berg, Alsleben, Trappstadt auf Römhild’. lien Kitzingen, weil die Stadt wieder an das Totenmatrikel vom 25.Juni 1648. Im Schmalkaldischen fand er Anstellung. römisch-katholische Fürstbistum Würzburg 3 ein Bittbrief seiner Witwe an den schwedischen Reichs- 1636 hatte er die Pfarrersstelle in Herren- zurückgefallen war.6 kanzler Axel Oxenstierna aus dem Jahr 1649, in dem sie auf die Laufbahn ihres Mannes in schwedischen Dien- breitungen inne als Nachfolger des aus Hier nun soll am Beispiel der Familie Leff- sten eingeht, ist erhalten (Riksarkiv Stockholm, E 788). ‘Leutscha’ in Ungarn vertriebenen Georg ler gezeigt werden, wie sich als Folge von 4 Pfarrarchiv Sulzdorf a.d.L., ältestes Kirchenbuch S.25 Müller. Beide bekleideten später das Amt Zuwanderung und Einheirat in weniger als und Taufeintrag vom 12.September 1647. eines Diakons bzw. Archidiakons in der dreißig Jahren ein Netz bilden konnte, das 5 Pfarrarchiv Westhausen im Heldburger Unterland, Ein- träge im ältesten Kirchenbuch. Stadt Schmalkalden, und beide beschlossen an der Oberfläche von Kaltenwestheim in 6 Uwe Müller: Aufnahme von Exulanten in der Gegenre- dort ihr Leben Anno 1648 noch vor dem der Rhön bis Gompertshausen am Grabfeld formation. - In: Peter Kolb & Ernst-Günter Krenig (Hg.): Westfälischen Frieden.2 reichte. Bedenkt man die Hierarchie der Unterfränkische Geschichte, Band 3. - Würzburg 1995, Der Dritte im Bunde hieß Jeremias Slovacius. kirchlichen Verwaltung, muss dieses Netz S.497-499. 7 die Heiligenrechnungen von Westenfeld etwa enthalten Er fand Anstellung zunächst in Marisfeld und im Hintergrund anfangs in Schmalkalden, von 1650 bis 1664 insgesamt 701 Ausgaben für Almo- nach dem Einmarsch der Schweden 1631 in nach dem Krieg dann von Meiningen nach sen. 65 Empfänger kamen aus den habsburgischen Län- Mellrichstadt. Später stieg er auf zum Senior Coburg gesponnen worden sein. Während dern ob der Enns, Kärnten, Ungarn, Böhmen, Schlesien. des schwedischen Feldkonsistoriums mit Sitz des Krieges stand die Existenz mehrfach auf Zehn von ihnen gaben an, vertriebene Pfarrer oder deren 3 Witwen zu sein (PfarrA Westenfeld im Grabfeld, Heili- in Leipzig. Ein Sohn und ein Enkel Sebastian Messers Schneide. genrechnungen 1650 bis 1664, Stichtag Petri Cathedra). Lefflers amtieren zwischen 1660 und 1718 Sebastian Lefflers Ehefrau wurde in Schmal- als Pfarrer in Kaltenwestheim. Zwei seiner kalden ‘im Croatischen Einfall ... geprügelt Töchter heiraten ein in Pfarrhäuser der Regi- und gemartert’. Tochter Regina wurde nach on: Regina 1645 in Gompertshausen, Maria ihrer Einheirat 1645 in Gompertshausen drei- Roland Dittrich Margarethe 1647 in Barchfeld. Die dritte, mal von Soldaten der kaiserlichen Schwein- Die Weisheit Potentiana, ehelichte einen Schmalkaldener furter Besatzung geplündert, ihr erstes Kind Messerschmied schon 1643. brachte sie 1646 in Heldburg ‘im Elend’ zur von oben Der Name ‘Österreicher’ kommt in dieser Welt. Kurz vor Pfingsten 1648 flüchtete sie Wer von euch ist weise und verständig? Zeit sowohl als Familienname wie als Bei- vor ‘schwedischen Freireutern’ noch einmal Er präsentiere in Bescheidenheit name in mehreren Dörfern vor. ‘Hans Wolff nach Schmalkalden. All diese Details be- rechtschaffen seine guten Taten. Österreicher’ war Gemeindeschmied in Sulz- nennt Pfarrer Georg Carl von Schlechtsart, Ist aber euer Herz voll Eifersucht dorf a.d.L. und wird es wohl schon längere teils aus eigenem Erleben, bei der Beerdi- und Ehrgeiz, prahlet nicht, Zeit gewesen sein, als sein Sohn Johannes gung der Regina Rau, geborener Leffler, am sonst nimmt die Wahrheit in euch 4 1647 zum Taufpaten gebeten wurde. In 31. Dezember 1648 in Gompertshausen und schweren Schaden. Westhausen im Heldburger Unterland tritt lässt sie in der Leichenpredigt drucken. Die Dies ist nicht Weisheit, ‘Matthäus Berger, der Österreicher genannt’, Kosten des Drucks teilen sich zwölf geistli- die von oben kommt, am 1. Februar 1650 als Gevatter in Erschei- che ‘Beiträger’: jedoch nur irdisch, eigennützig nung. Auch er kam aber schon vor 1630 an, bös Verlangen, denn bei seinem Sterbeeintrag am 28. De- - Leffler, Johann Wolfgang. Bruder. Studiert wo schlimme Taten aller Art regieren, zember 1680 findet sich der Zusatz: ‘so vor noch in Königsberg. Später Pfarrer in Kal- da halten sie des Menschen Herz 54 Jahren aus Österreich wegen der Religion tenwestheim; umfangen. 5 vertrieben’. - Rau, Johann Christoph. Ehemann. Pfarrer Die Weisheit, die von oben kommt, Als die Bevölkerung während des 30-jäh- von Gompertshausen und Rieth; ist erstens heilig, rigen Krieges mehrmals in Waldverstecke - Werner, Reinhard. Schwager. Pfarrer in dann friedlich, freundlich, voll Erbarmen, flüchtete, zeichnete er sich durch Hilfsbe- Herrenbreitungen und Barchfeld; ist unparteiisch und sie heuchelt nicht. reitschaft aus. Ebenfalls in Westhausen wird - Franck, Johann Caspar und Francus, Jo- Gott sendet sie aus seinen übervollen 1680 ‘Marx Frantzen, einem Teichgräber aus hann Caspar, Pfarrer in Hellingen; Armen, dem Stift Salzburg’, ein Sohn getauft. Die - Buchenröder, Michael. Pfarrer und Super- kein Hauch von Dunkel, Steinmetze und Baufacharbeiter aus Tirol intendent in Heldburg; nur das reine Licht. hingegen, die in der zweiten Hälfte des 17. - Bischoff, Abraham. Diakon in Coburg; Besonders denen, Jahrhunderts zwischen Rhön und Grabfeld - Weinmann, Nicolaus. Diakon ‘ecclesiae die auf Erden stiften Frieden zahlreich in den Kirchenbüchern auftauchen patriae’ in Coburg; wird sie zuteil, der Herr kennt ihre Namen – so z.B. in Sternberg beim Schlossbau – - Faber, Georg. Pfarrer in Gellershausen; und er wird weise sie behüten waren keine Glaubensflüchtlinge, sondern - Hermann, Christoph. Pfarrer in Ummer- bis er spricht einst das große Amen. eben Facharbeiter, die zeitweise gebraucht stadt; wurden, und von denen natürlich auch einige - Happach, Johann Casimir. Pfarrer in Wat- Aus: Roland Dittrich: Die Bibel im Vers II, 2001 hängen blieben. zendorf; Seite ­­16 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 Eine Reise (in) durch die Römhilder „Wirtschaftsgeschichte“

Gert Stoi gastronomischen Einrichtungen der Stadt haber dieses Lokals. In den Stadtprospekten Römhild zu zählen ist, sollte doch erwähnt von 1907 und 1912 wird der Gasthof noch Schon seit eh und je gehörten Herbergen werden, dass hier zu den Stadtfesten wie dem erwähnt. 1932 war das neu renovierte Gast- zur Unterbringung von Reisenden sowie „Bischof“ zu Pfingsten und dem „Vogel- haus „Zum Goldenen Schwan“ der Stolz des Schankwirtschaften und Wirtshäuser, zum schießen“ Speisen und Getränke angeboten jungen tüchtigen Herrn Jauch, dessen Vater Verpflegen der Gäste mit Speisen und Ge- wurden. An jeden Montag im Sommer wur- dort eine eigene Metzgerei betrieb. Ange- tränken, zum Bild einer jeden Stadt. Und den hier von der 1702 gegründeten Schüt- boten wurden hier freundliche, preiswerte auch jedes Dorf hatte neben der Kirche auch zengilde Schießübungen abgehalten. Dann Fremdenzimmer. Zu den frischen Speisen sein Wirtshaus. In Römhild gab es seit dem war es geöffnet und es wurde Wernersgrüner aus der Metzgerei wurde Riebeck-Heßberg- Mittelalter, als die Stadt gegründet wurde, Bier ausgeschenkt. Dann konnte man auch Bier ausgeschenkt. ein reges „Gastwirtschaftswesen“. Anfang die vielen alten Scheiben bewundern, wel- Einige Jahre später wurde auch hier der Gast- des 16. Jahrhunderts wird Petrus Beuther: che die Wände des Schießhauses zierten. Das wirtschaftsbetrieb eingestellt. „… seiner Geburt ein Franke, ein Bürger Schießhaus gibt es nicht mehr und zahlreiche 03 Gastwirtschaft „Zur Erholung“ - und Gastwirt zu Römhild, welche Stadt in der der wertvollen Schützenscheiben fanden den Grafschaft Henneberg gelegen, daselbst er Weg in den Ofen. Gartenwirtschaft an der Mauer geboren und 1513 sich verehelicht hat“, er- Noch vor der Stadtmauer, linker Hand am wähnt. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts 01 Gasthof „Stadt Römhild“ Unteren Turm, gleich an den Gartenlauben wird Sebastian May, aus der einflussreichen Vom Schießhaus Richtung Stadt kommen und bunten Schirmen zu erkennen, lag die Römhilder Ratsherrenfamilie May, als Gast- wir an der Straßengabelung nach Milz und Gartenwirtschaft an der Mauer, später Gast- wirt genannt. 1799 berichtet der Historiker Mendhausen, noch vor dem unteren Stadt- wirtschaft „Zur Erholung“. Noch vor 1900 Johann Adolf v. Schultes in seiner Histo- turm, zum Gasthof und der Gartenwirtschaft hatte Richard Schwabe dort eine Wirtschaft risch-statistischen Beschreibung des Amtes „Stadt Römhild“. Angeschlossen an den eingerichtet. Er muss gute Geschäfte ge- Römhild: „Die Stadt besitzt ein, mit dem Gasthof war ein großer Saal, der auch als macht haben, denn 1896 baute er nicht weit Braurecht privilegiertes Ratswirtshaus. Üb- Turnhalle genutzt wurde. Der Saal war um entfernt eine weitere Gaststätte. 1912 führte rigens befinden sich hier 6 Gasthöfe wovon die Jahrhundertwende beliebter Treffpunkt der Gastwirt E. Frank das Gartenlokal. 1932 nur einer in der Stadt, die anderen in den des Römhilder Liederkranzes. Vor dem Saal warb die Gastwirtschaft „Zur Erholung“ mit Vorstädten liegen“. zur Straße zu lud eine überdachte Terras- staubfreiem Garten mit Lauben und einer an Auf einem Gang durch die Stadt sollen hier se zum Verweilen im Freien ein. Hinter der die Stadtmauer angelehnten Kegelbahn. Eine einmal die Einkehrmöglichkeiten vergange- Gaststätte befand sich eine gepflegte Parkan- Attraktion war damals die Besichtigung der ner Zeiten bis heute vorgestellt werden. Eine lage mit einem Pavillon. Seidenraupenzucht von Heinz Ruppel. Diese vollständige und umfangreiche Darstellung Um 1900 war Gustav Schindhelm Wirt des Gastwirtschaft gibt es auch schon lange nicht der Geschichte der Gasthäuser ist dabei nicht Gasthofs. 1907/1912 wird die Gartenwirt- mehr. In der Kegelbahn war 1971 ein Teil beabsichtigt und bedürfte im Grunde genom- schaft und der Gasthof Stadt Römhild noch der Gerätschaften der „Hönnschen Samm- men umfangreicher archivalischer Forschun- erwähnt. 1932 befand sich in dem Anwesen lung“ des Stadtmuseums, das damals im Un- gen. Wir beschränken uns deshalb auf die die Schiefertafelfabrik K. & A. Bauer aus teren Turm untergebracht war, ausgestellt. Aufzählung der einzelnen früheren und heu- Gräfenthal, die hier Schiefertafeln für den tigen Lokalitäten und geben Hinweise auf Schulunterricht herstellte. Eine kleine Remi- 04 Gaststätte „Glücksburg“ ihre Besonderheiten. niszenz an die Gastwirtschaft war der nach Direkt am unteren Turm liegt ein roter Zie- Wir beginnen mit unserer Vorstellung in der 1990 eingerichtete Getränkemarkt Bauer, gelbau mit Fachwerkobergeschoss - die südlichen Vorstadt von Römhild. der bis zur Eröffnung des Grabfeldcenters Gaststätte „Zur Glücksburg“. Der Gasthof hier sein Domizil hatte. wurde 1896 vom Besitzer der Gartenwirt- 0 Schießhaus schaft an der Mauer, Richard Schwabe, er- Im Südwesten vor der Stadt auf dem ehe- 02 Gasthof „Zum Goldenen Schwan“ baut. Unten befanden sich die Gaststube, ein maligen Zehntplatz, umrahmt von schat- Gleich anschließend an den Gasthof „Stadt Vereinszimmer und die Küche, im Oberge- tenspendenden Kastanienbäumen, lag das Römhild“ lag der Gasthof „Zum goldenen schoß ein kleiner Saal für Festlichkeiten und Schießhaus. Obwohl es nicht direkt zu den Schwan“. Um 1900 war Karl Köhler der In- fünf Zimmer für Übernachtungsgäste. Hinter dem Wirtshaus stand eine Kegelbahn. Dazu gab es einen großen Biergarten mit einem Pa- villon. Die Kegelbahn wurde 1919 zu Wohn- zwecken umgebaut und wahrscheinlich auch zeitweise als Jugendherberge genutzt. 1907/1912 wird im Stadtprospekt das An- wesen als Gasthof Glücksburg erwähnt und 1936 als Hotel und Jugendherberge. 1949 war Armin Graf Gastwirt in der Glücksburg. 1966 übernahm der Metzger Hubert Götz mit seiner Frau Irmgard die Gastwirtschaft. Nach seinem Tod führte sie das Lokal bis 1989 allein weiter. Irmgard Götz „die Götze“ ist noch vielen Älteren für ihre derben Sprüche und Späße bekannt – ein richtiges Römhilder Original. Ihr Sohn Hardy führte mit seiner Frau die Gastwirtschaft weiter. Angeboten wurde deftige Hausmannskost, dazu Traditi- onsbiere aus der Familienbrauerei Schwarz- bach und Hiernickel. 2009 musste das Paar die Gaststätte veräußern. Sie wurde zu einem Wohnhaus umgebaut. Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­17

05 Bierstübchen in der Kegelbahn 08 „Café Christine“ am Marktbrunnen Franken auf die „Schlundhäuser“. Von Mei- Sportlerheim In unmittelbarer Nähe des ehemaligen Cafés ningen über Römhild bis nach Bad Königsho- Wir machen jetzt einen Abstecher zum Röm- Rommel, direkt am Marktbrunnen, eröffnete fen sind sie noch heute anzutreffen. Die La- hilder Sportplatz. Dort wurde 1989 eine neue im September 1990 Christine Hayungs in ih- ge neben dem Rathaus ist ein Hinweis, dass Mehrbahnen-Kegelanlage für die Römhilder rem Elternhaus, einem ehemaligen Kurzwa- hier das Stammlokal der Ratsherren war. Im Kegler geschaffen. Mit Funktionsgebäude renladen, ihr „Café Christine“. Es hat einen Dreißigjährigen Krieg quartierten sich hier und Sanitäreinrichtungen für den Sport- Gastraum mit 30 Plätzen, ebenso einen Raum schwedische Soldaten ein. Nach der damali- verein TSV 1860 Römhild. Im November für Festlichkeiten mit ebenfalls 30 Plätzen. gen Wirtshausrechnung machten sie binnen 1989 erfolgte die Einweihung der neuen Ke- Der Außenbereich direkt am plätschernden 2 ½ Monaten eine Zeche von 1.739 Gulden, gelbahn. Im Erdgeschoss befindet sich ein Marktbrunnen bietet 26 Gästen Platz. Das wobei das städtische Schlundhaus und sein kleiner Gastraum mit Theke und Küche, im Café warb mit Kaffee- und Eisspezialitäten, Wirt Johann Hummel damals einen Gewinn Obergeschoss ein größerer Raum für Ver- hausgemachten Kuchen und Gebäck, dazu von 500 Gulden einstrichen. Laut dem Hi- sammlungen und Feierlichkeiten. Wirtsleute handfestes für den kleinen Hunger, gepflegte storiker J. A. v. Schultes besaß die Stadt um des Bierstübchens waren die Damen u. Her- Getränke, Weine und Biere. Im August 2016 1800 hier ein mit dem Braurecht privilegier- ren Will, Scheerschmidt, Eisold sowie Giese. übergab Hayungs ihr Café an eine jüngere tes Ratswirtshaus. Die Gastwirtschaft befand Seit 2010 betreut Hardy Götz mit seiner Frau Generation von Gastwirten. Das neue Café sich im Erdgeschoss des Gebäudes, darüber die Sportler und Gäste. wird jetzt „CaRe“ genannt und bietet vom lag ein großer Saal für Veranstaltungen und Elsässer Flammkuchen über hausgemachte Tanz. In den Stadtprospekten von 1907/1912 06 Gastwirtschaft „Zur Steinsburg“ Torten und Kuchen bis hin zu Spezialitäten wird das Schlundhaus am Marktplatz, als Ho- Begeben wir uns nun vom Unteren Turm in vom Grill und aus dem Weinkeller ein rei- tel und Gasthof sowie als Jugendherberge des die Altstadt Richtung Markt und Rathaus. ches Angebot. Thüringer Waldvereins genannt. Unterwegs lag linker Hand die Wirtschaft 1932 warb der damalige Besitzer M. Schleen- „Zur Steinsburg“. Diese kleine Schankwirt- 09 Café am Markt - Altfränkischer Hof voigt: „Nicht weit vom Rathaus ist das Hotel schaft bestand nur aus einem Gastraum mit Ebenfalls auf dem Markt liegend, eröffnete „Schlundhaus“, in dem schon unsere Väter angeschlossener Metzgerei. In den Stadtpro- im Oktober 1990 Willy Siebert sein „Ca- verkehrten. Jetzt steht eine Tankstelle davor spekten von 1907/1912 wird sie als Restau- fé am Markt“ das er bald erweiterte und für die Autos, die Betriebsstoffe benötigen. rant Steinsburg erwähnt. 1932/1934 lesen in „Altfränkischer Hof“ umbenannte. In Die Fahrer und Fahrerinnen erhalten den wir in einem Werbeprospekt: „In der best- seinem großen Gastraum hatten 50 bis 60 Betriebsstoff im Schlundhaus. Es gibt bay- bekannten Gastwirtschaft „Zur Steinsburg“, Gäste Platz. Der „Altfränkische Hof“ warb erische Biere und gute Weine.“ Bis 1951 in der Hugo Six waltet, gibt es Meininger mit einer alten, gemütlichen und gepflegten betrieb die Familie Köhler das Schlundhaus. Exportbier. Die eigene Schlachterei bürgt Umgebung. Angeboten wurden fränkisch- Im Oktober 1952 wurde es als HO-Gaststät- dafür, dass man eine gut bürgerliche Küche thüringische Küche, Kaffee, Kuchen, Eis te „Friedenseck“ neu eröffnet, seit 1974 als mit kalten und warmen Speisen zu jeder Ta- sowie weitere Spezialitäten. Das Haus bot Lehrlingswohnheim von der LPG Römhild geszeit und zu soliden Preisen erhält.“ Nach auch zeitweise jungen Musikern eine Klein- genutzt und später noch als Bekleidungsge- 1945 wurde die Gaststätte aufgegeben. Es kunstbühne. Daraus erwuchs mit der Zeit schäft. verblieb nur die Konsum-Fleischerei, betrie- der „Römhilder Musikerstammtisch“. Jeden ben von Alfred Schunk. Als 1972 in Römhild letzten Donnerstag im Monat trafen sich hier 11 Zur guten Quelle eine zentrale Kaufhalle gebaut wurde, zogen Musik- und Gesangsfreudige aus Römhild Direkt gegenüber dem Rathaus befindet sich viele kleine Geschäfte in das neue Domizil und der Umgebung um hier in fröhlicher die „Bierwirthschaft zur guten Quelle“. Wie um, so auch die Fleischerei. Nach 1990 war Runde ihrem Hobby nachzugehen. Seit Mitte der Name schon zeigt war dieses Lokal eine für kurze Zeit die ehemalige Gaststätte Ge- 2016 ist der „Altfränkische Hof“ krankheits- Schankwirtschaft, 1907/1912 als Restaurant schäftsstelle des Meininger Tageblattes. bedingt geschlossen. Gute Quelle genannt. Über eine nach oben führende steile Treppe erreicht man die Ga- 07 Kaffee Rommel am Markt 10 Hotel „Schlundhaus“ sträume mit 28 und 18 Plätzen sowie ein Ver- Gegenüber dem Restaurant „Zur Steinsburg“ Direkt neben dem Rathaus liegt das wohl einszimmer mit 24 Plätzen. Angeschlossen lag das erste Kaffee am Platz. Im Erdge- älteste Haus am Platz - das „Schlundhaus“. ist auch eine Küche. Schon 1926 war Albin schoss hatte die Bäckerei Rommel ihren Interessant allein schon der Name. So wie Jucht Besitzer dieser Wirtschaft. 1934 warb Verkaufsraum. Von dort führte eine Wen- es im Norden Deutschlands die „Dorfkrü- er mit „ff. Speisen und Getränken“ für sein deltreppe in das Obergeschoss. Hier hatte das ge“ und in der Oberlausitz die „Kretscham“ Lokal. 1950 erhielt Kurt Bischoff die Geneh- Café Rommel seinen Gastraum. Wie in vie- gibt, treffen wir nur hier im hennebergischen migung zur Eröffnung der Quelle. len Gaststätten der damaligen Zeit, wo noch keine musikalische Berieselung durch Ra- dio oder Fernseher möglich war, stand auch hier ein Klavier zur Unterhaltung der Gäste. 1908 übernahm Karl Rommel die Bäckerei am Markt und baute sie zur „Konditorei und Café Rommel“ aus. 1932 war es das erste Kaffee am Platz. „Einen guten Bohnenkaf- fee gab es, dazu jeden Tag frisches Kaf- fee- und Teegebäck. Eis und Torten locken die Damen, die Schoppenweine die Herren dazu eine große Auswahl an alkoholfreien Getränken.“ Als Besonderheit gab es hier damals schon „Steinmetzbrot“. Nach dem Krieg erhielten Frieda und Karl Rommel die staatliche Genehmigung neben der Bäcke- rei ein Café zu eröffnen. Ihre Nachkommen Karl und Käthe führten die Geschäfte weiter, bis 1977 das Café und 2001 die Bäckerei geschlossen wurden. Seine Kindheitserin- nerungen an das Kaffee Rommel hat Herr Fleischer in der Nr. 22 von 2014 in dieser Zeitschrift vorgestellt. Seite ­­18 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017

Es folgten die Wirtsleute Knaut, Tischen- Eine Besonderheit des Familienbetriebs war dann einige Meter weiter an das ehemali- dorf, Scheerschmidt und Wagner. Seit Juni noch bemerkenswert: Während der jüngere ge Häuschen der Römhilder Alten Waage, 1988 führt Familie Berghold die „Gute Quel- Sohn sich der Kochkunst verschrieben hatte, wo sie noch heute ihren Besuchern Kaffee, le“. In diesem Jahr feierte die Tochter Mona betrieb der ältere direkt an das Restaurant Getränke und einen Imbiss reicht. „Haikes ihr 25 jähriges Jubiläum als „Quellewirtin“. anschließend eine kleine „Krugbäckerei“ - Pommes Eck“ ist bekannt als der erste Platz Die Wirtschaft kann einige Besonderheiten eine Schautöpferei. Spezialitäten waren hier für die neuesten Nachrichten aus Römhild. aufweisen. Da wäre zuerst das „Feuchte die „Kelten-Keramiken“ nach Vorbildern Eck“ zu erwähnen. Ein Stammtischverein von 2000 Jahre alten Fundstücken aus dem 17 Hotel „Deutsches Haus“, aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, der Gleichberggebiet. Vor wenigen Jahren wur- Am Viehmarkt vor dem Schloss Glücksburg sich mit einer geschnitzten Holztäfelung und de das Lokal wieder aufgegeben. und dem Oberen Stadttor lag das „Erste Haus den jeweiligen „Spitznamen“ der Mitglieder am Platz“ - das Hotel „Deutsches Haus“. Im in ihrer Ecke verewigte. Diese Spitznamen 14 Restaurant „Zur fröhlichen Einkehr“ Erdgeschoss befanden sich der Gastraum für wurden zum Teil von Generation zu Gene- Am Oberen Tor der Stadt, welches schon 60 Gäste und der sog. Schlauch, ein schma- ration bis heute weitergetragen. Seit kurzem 1840 eingelegt wurde, lag die Gastwirtschaft les kleines Vereinszimmer, dazu noch ein befindet sich eine zweite Namenstafel der „Zur fröhlichen Einkehr“. Das Lokal warb großes Vereinszimmer mit 40 Plätzen, das heutigen Stammtischbesucher in einen der mit vorzüglich gepflegten Bieren und einer zeitweise als Café genutzt wurde. Dahinter Gasträume. gut bürgerlichen Küche. Es bestand nur aus lag ein großer Saal mit Bühne und im Ober- Seit der Schließung des „Altfränkischen einem kleinen Schankraum mit anschließen- geschoss waren etwa 20 Fremdenzimmer Hofes“ hat die Quelle ihr Speiseangebot er- der Küche. 1912 führte die Witwe Beßner vorhanden. weitert um diese Angebotslücke zu füllen. das Restaurant. 1934 war es als Gastwirt- Diese Gaststätte kann auf eine lange Ge- Seit diesem Jahr wird die Wirtin dabei durch schaft „Zur fröhlichen Einkehr“ im Besitz schichte zurückblicken. Zur Zeit Herzog ihren Sohn Paul Berghold unterstützt, der in der Familie Adolf und Helene Witter. Diese Heinrichs von Sachsen-Römhild 1680-1710 dem Gebäude eine Metzgerei eröffnete, wel- wird 1949 noch als Wirtin genannt. Ob die war der Türke Soliman Wirt im Gasthaus che die Küche der Wirtschaft mit frischen Gaststätte damals noch existierte, ist aber „Zum Roten Ochsen“. Nachdem die Türken Fleisch- und Wurstwaren versorgen kann. In fraglich. Die „Fröhliche Einkehr“ war das die von ihnen besetzte Stadt Ofen in Ungarn dem 2001 erweiterten Vereinszimmer fand Stammlokal der städtischen Brucharbei- 1686 geräumt hatten, wurden viele von ihnen auch der Römhilder Musikerstammtisch eine ter und Flaschenbierhandlung der Brauerei nach Deutschland abgeführt. Ein Türke na- neue Heimat. Heßberg. Bei den Kindern war die selbst ge- mens Soliman, aus Urfa dem antiken Edes- machte Limonade beliebt. sa in Kleinasien stammend, fand Aufnahme 12 Kaffee Stäbe, Café am Hof von Herzog Heinrich von Sachsen- und Weinstube Weyher 15 Spartenheim des VKSK Römhild, der diesen zum christlichen Glau- Zwischen Rathaus und Apotheke lag an der Beim äußeren Vorhof des Schlosses Glücks- ben bekehren ließ. Durch persönliche Tüch- Weyhersgasse die Weinstube und das Café burg richtete in einem Teil der dort stehen- tigkeit und die Unterstützung des Herzogs Weyher, später als Kaffee Stäbe bekannt. den Baracken 1974 der Verband der Klein- gelangte der Türke zu Wohlstand, so dass Mitte des 18. Jahrhunderts war hier die gärtner, Siedler und Kleintierzüchter ihr er die Gastwirtschaft „Zum roten Ochsen“ Metzgerei und Gaststätte Weyher, wie wir Spartenheim ein. Es bestand aus einem gro- erwerben konnte. von einer alten Grabstele auf dem Römhilder ßen Vereinsraum mit anschließender Küche. Der aus Coburg stammende Baderlehrling B. Friedhof erfahren. „Sanft ruhn hier die irdi- Hier wirkten Kurt und Heide Kleipetschus C. Hermann fertigte 1752 zeichnerische An- schen Überreste des weiland ehrgeachteten mit ihren fleißigen Helfer/innen. Neben den sichten und einen Grundriss der Stadt Röm- Metzgermeisters, wie auch in der Kochkunst Vereinsveranstaltungen fanden hier zahlrei- hild. Auf diesem Plan ist die Lage des Roten erfahrnen Caspar Adam Weyher, geb. d. 30. che Familienfeiern und andere Feste statt. Ochsen als „Goldener Ochse“ eingezeich- Jul. 1745 gest. d. 26. März 1812.“ kann man Auch der Römhilder Volkschor hatte hier net. Im Jahre 1776 wurde die Poststation von hier lesen. 1907 betrieb Wilhelm Weyher ei- sein Domizil. Besonders erwähnenswert der Milz nach Römhild in den Roten Ochsen ver- ne Konditorei, in der man auch gut gepfleg- alljährliche Chorfasching am Faschings- legt. Bis 1893 führte die Postvorsteherfami- te Weine erhalten konnte. Später übernahm dienstag. Nach Beginn des neuen Jahrtau- lie Schober das Lokal. Durch die Poststation Max Stäbe die Konditorei und betrieb dort sends wurde der Betrieb des Spartenheims wurde der Rote Ochse in „Gasthof zur Post“ bis in die 1950er Jahre eine Süß- und Back- eingestellt. und später in „Deutsches Haus“ umbenannt. warenhandlung. Um 1910 ist auf einer alten Postkarte das 16 Haikes Pommes Eck Deutsche Haus mit einer Laube und davor- 13 Weinstube und Restaurant Aus der Altstadt kommend finden wir am stehendem Kastanienbaum zu sehen. Besit- „Am Schloss“ Viehmarkt „Haikes Pommes Eck“. 1991 hat- zer war damals Conrad Möller. Zwischen dem Schloss „Glücksburg“ und te Haike Mähr vor der damaligen Kaufhalle 1928 wurde im Hinterhof des Deutschen der alten Stadtmauer befand sich dieses von der Stadt einen Kiosk eröffnet. 1993 zog sie Hauses ein großer Saal mit Bühne für 200 Marion Martin 1996 gemüt- Personen errichtet. 1932 wur- lich eingerichtete Restaurant. de der Gasthof aufgestockt. 20 Die Einrichtung verfügte über neue Fremdenzimmer wurden 45 Sitzplätze im Restaurantbe- eingerichtet. Wirt Karl Schult- reich, einem separaten Raum heiß warb damals mit freund- für kleine Gesellschaften mit lichen Fremdenzimmern mit ca. 10 Sitzplätzen, einem ru- Zentralheizung, einer vorzüg- stikalen Weinkeller mit etwa lichen Küche, dazu ff. Weinen 20 Plätzen und in historischer und Bieren bei mäßigen Prei- Kulisse, im Hinterhof an der sen und tadelloser Bedienung. Stadtmauer, einem Biergarten Einem angenehmen Aufent- mit 35 Plätzen. Man konnte halt für Vereine, einen großen hier einen gepflegten Mittags- Saal mit Vereinszimmer und tisch mit Tagesempfehlungen, einer großen Autogarage. Kaffee und hausgemachten 1949 war Sohn Albrecht Kuchen sowie Abendessen „a Schultheiß Geschäftsführer la Carte“, genießen. Die kuli- des Deutschen Hauses. Da narischen Spezialitäten wur- er sich anderweitig beruflich den ergänzt durch eine Aus- orientierte verpachtete er das wahl an erlesenen Weinen. Haus an die HO, die hier 1956 Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­19 die Gaststätte „Stadt Römhild“ eröffnete. Der große Saal diente damals neben zahl- reichen Tanzveranstaltungen und Auftritten des Römhilder Karnevalvereins, auch als „Lichtspiele Römhild“ dem Landfilmkino. Mit dem Bau des neuen großen Kulturhau- ses am ehemaligen Bahnhof Römhild zog Gaststätte und Kino 1978 nach dort hin um. Nach der Wende 1990/91 kaufte Ismail Kōysūrenbars aus Bingl in der Nähe von Ur- fa das stillgelegte „Deutsche Haus“ von Al- brecht Schultheiß. 300 Jahre nach dem Tür- ken Soliman ist somit das „Deutsche Haus“ wieder in türkischer Hand. Das Restaurant „Vulkan-Bistro-Grill“ bietet in seinem Ga- straum für 30 Personen türkisch-italienisch- deutsche Küche. Im ehemaligen Café ist eine Spielhalle untergebracht. 18 Gastwirtschaft „Zum weißen Lamm“ Außerhalb der Altstadt, linker Hand des Viehmarktes, am ehemaligen Domänengut „Zum Goldenen Stern“. Es zählt zu den ganz 23 Gasthof und Brauerei „Zum Hirsch“ „Schabhof“, lag der Gasthof „Zum Wei- alten Wirtshäusern Römhilds. Ein Gastraum ßen Lamm“. Der aus Coburg stammende im Erdgeschoss, dazu ein Vereinszimmer, An dem Hirschkopf mit seinem Geweih zu Baderlehrling B. C. Hermann fertigte 1752 darüber eine großer Saal mit Bühne, auf der erkennen, lag an der Straße in Richtung Hai- zeichnerische Ansichten und einen Grund- die Römhilder Vereine gerne Theaterstücke na am Mühlgraben und „Judentor“ gegen- riss der Stadt Römhild. Auf diesem Plan ist aufführten und Konzerte veranstalteten. Das über der Postauto-Haltestelle und 5 Minuten die Lage des „Weißen Lammes“ eingezeich- Hotel „Zum goldenen Stern“ warb mit drei vom Bahnhof entfernt, der Gasthof und die net. 1740 war Johann Christoph Freund Wirt netten Fremdenzimmern, eigener Fleische- Brauerei „Zum Hirsch“. Im Erdgeschoss be- im Weißen Lamm. 1854 übernahm Caspar rei und gut bürgerlicher Verpflegung. Dazu fanden sich die gemütlichen Gasträume und Heurich, der Vater des später recht erfolg- löschten bayerische Biere und fränkische eine Diele, in der Musiker zum Tanz auf- reichen Bierbrauers Christian Heurich, die Weine den Durst der Gäste. spielten. Darüber lagen die Fremdenzimmer Wirtschaft. 1870 wurde sie abgerissen, An- Neben dem „Stern“ lagen Stallungen, Auto- mit Zentralheizung. Dazu gab es einen schö- fang der 1970er Jahre folgte ein Teil des garagen und dazu eine Reparaturwerkstatt. nen Garten. Gleich hinter der Gastwirtschaft Domänengutes. An seiner Stelle entstanden 1716 war Johann Meffert Metzgermeister stand die hauseigene Brauerei. eine Kaufhalle und der Platz der DSF. In und Wirt im Goldenen Stern. Am 24. Juni Erste Erwähnung fand der Gasthof „Zum den 1990er Jahren wurde an deren Stelle die 1838 kehrte der Vorstand des Henneber- güldenen Hirsch“ schon im Jahr 1648. Im 18. neue Raiffeisenbank erbaut. In einem groß- gischen Altertumsforschenden Vereins zu Jahrhundert führte die Familie Lindörfer die zügigen Anbau wurde 2017 das „Café am Meiningen nach seinem Ausflug auf die Wirtschaft. 1907/1912 werden Brauerei und Schabhof“ eröffnet. Steinsburg im Stern ein. Dieses Datum gilt Gartenwirtschaft „Zum Hirschen“ erwähnt. als Beginn der bis heute andauernden Steins- 1932/1934 wirbt der Gasthof: „Am Post- 19 Schlegels Vesperstübchen burgforschung. amt ist die Brauerei und der Gasthof „Zum Hinter der Römhilder Kaufhalle am Her- Weitere Gastwirte waren im Laufe der Zeit Hirsch“. Der Wirt E. Harreß hat einen schat- rensee beim heutigen Bushalteplatz richtete die Herren Rauch, Räder, Lauser, Bandrock tigen Garten mit Veranda, in dem man an im Oktober 1990 Ralf Schlegel ein Vesper- und Grünewald. In den 1950er Jahren wurde lauen Sommerabenden herrlich sitzt. Gemüt- stübchen ein. Das Lokal bestand aus einem die Gaststätte aufgegeben. 1955 übernahm lich sind die Innenräume. Die Fremdenzim- Gastraum für 30 Personen und einer an- O. Jadamowitz die Garagen des Stern und mer werden zentral geheizt. „Hirsch-Bier“ schließenden Küche. Vor dem Eingang lud die KFZ- Werkstatt Grünewald. Nach um- hat einen guten Ruf in weitem Umkreis. Ge- eine überdachte Terrasse zum Verweilen ein. fangreichen Renovierungsarbeiten in den boten werden gut bürgerlicher Küche, mäßi- Sie war mit ihren Weinlaubranken und Blu- letzten Jahren durch Jörg Töpfer befinden ge Preise und ein 1a Helles Exportbier aus menampeln ein wahrer Hingucker und ein sich heute in dem Gebäude ein Reiseladen eigener Brauerei.“ Weitere Wirtsleute im gemütliches Plätzchen für 25 Gäste. 1990 sowie Wohnungen. Hirsch waren die Familien Trütschenbach, warb er mit einen umfassenden Speise- und Lindörfer, Weyher, Schmidt, Bandrock und Imbissangebot, Pizza, Grillgerichten und ita- 22 Vereinsheim der RKG Harreß. 1949 ist Hermann Harreß Besitzer lienischen Eisspezialitäten. Im Oktober 2005 Mit dem Verkauf des Kulturhauses und der der Brauerei zum Hirsch. 1952 verlässt er die gab Ralf Schlegel nach 15 Jahren sein Ves- Umgestaltung zu einer Disco verlor der DDR, die Brauerei wird demontiert und die perstübchen auf und betreibt heute in Haina Römhilder Karnevalsverein die Bühne für Gaststätte aufgelöst. 1954 wird in der ehema- einen Partyservice. seine Auftritte. Nach wechselnden Auftritts- ligen Gastwirtschaft eine Kinderkrippe - ein möglichkeiten in Haina und Römhild, fasste Kindergarten für die Kleinsten eingerichtet. 20 Heitschels Garten der RKG den Entschluss sich ein eigenes Mitte der 1990er Jahre erwerben Rolf und Zwischen Heugasse und Lohgerberei im Vereinsheim zu schaffen. Hinterm „Lidl“, Gabi Prediger aus Römhild das Objekt. Die Kugelrasen lag ein kleines Gartenlokal. Es wurden Gebäuden des ehemaligen Möbel- alten Gebäude werden abgerissen und an bestand aus einem größeren Gartenhaus, in werks Römhild umgebaut. Es entstand ein ihrer Stelle entsteht ein komplexer Hotel-, dem an sonnigen Tagen Bier ausgeschenkt Saal mit 300 Sitzplätzen, dazu Bühne und Geschäfts- und Wohnbereich. Im Dezember und Bratwürste angeboten wurden. Diese Garderoben, ein Eingangsbereich mit Theke, 1999 erfolgt die Eröffnung. Und wie Phönix Tradition wird heute noch in abgewandel- Toiletten und der Küchenbereich. Im No- aus der Asche ist der „Hirsch“ wieder auf- ter Form in bestimmten Kleingartenanlagen vember 2009 war zum 55. Jubiläum der RKG erstanden. Römhilds gepflegt. die feierliche Eröffnung und seit 2013 finden Das Hotel und Restaurant „Zum Hirsch“ alle Veranstaltungen hier im eigenen Ver- wirbt mit seiner ruhigen und idyllischen La- 21 Hotel „Zum goldenen Stern“ einsheim statt. Die Räumlichkeiten können ge in Zentrumsnähe. Insgesamt stehen Zim- Vor der Abzweigung der Straße nach Hild- während des Jahres auch für andere Feiern mer mit 50 Betten zur Verfügung. Das Hotel burghausen liegt rechter Hand das Gasthaus und Ausstellungen genutzt werden. ist behindertengerecht eingerichtet. Veran- Seite ­­20 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 staltungsräume mit einer Kapazität bis zu Gaststätte gibt es ausreichend Möglichkeiten „Rotlicht“ zur Erfüllung ihrer Aufgaben. Für 100 Personen, bieten moderne Technik und sich im Freien bewirten zu lassen. die Öffentlichkeit blieb“ ihr“ Waldhaus ge- variable Raumgestaltung. Regionale Spezia- schlossen. litäten und Feinheiten der Thüringer Küche 26 Café Mauer Mit der friedlichen Revolution in der DDR finden sich auf der Speisekarte im Restau- Nach Eröffnung des Grabfeldcenters am 1989 und der Auflösung des Bezirkes Suhl rant mit Bar und rustikaler Bierstube, mit nördlichen Ortsrand von Römhild im Jah- wurde auch die Schulungsstätte geschlossen. hauseigenem Bier. Bei schönem Wetter lädt re 1991 eröffnete die Bäckerei Mauer aus Der Wunsch der Bevölkerung wieder in ihr ein Biergarten oder die gegenüberliegende Bad Königshofen hier eine Filiale. Neben Waldhaus einkehren zu können, erfüllte sich italienische Eisbar Rosso ein. dem Kauf von Backwaren aus Königshofen erst 1994. Horst Graf hatte das Waldhaus als konnte hier ein Imbiss oder ein gemütlicher sein Eigentum zurückerhalten und verkaufte 24 Restaurant „Zur Eisenbahn“ Kaffee eingenommen werden. 2016 wurde es an die Römhilder Familie Hänisch. Die- Stadtauswärts Richtung ehemaliger Bahnhof das Café Mauer geschlossen. se führten notwendige Umbaumaßnahmen liegt am Hirschhügel die „Gastwirtschaft zur durch und am 25. 12. 1993 öffnete das Wald- Eisenbahn“. 1893 erhielt Römhild einen 27 Bistro Kirsche haus wieder seine Pforten. Eisenbahnanschluss und somit eine Ver- Ebenfalls im Grabfeldcenter eröffnete um Das Waldhaus bietet einen Gastraum mit 55 bindung mit der großen weiten Welt. Das 2010 Susanne Kirsch aus Römhild in den Plätzen, ein Nebenzimmer mit 35 Plätzen, war sicher der Grund, nicht weit vom Bahn- ehemaligen Räumen eines Pizzadienstes ihr dazu einen Saal mit ebenfalls 55 Plätzen. hof entfernt die Gaststätte „Zur Eisenbahn“ Bistro Kirsche. 2016 gab sie das Geschäft Bei schönem Wetter bietet ein Biergarten einzurichten. In den Stadtprospekten von wieder auf. reichlich Platz. Für Übernachtungen stehen 1907/1912 ist dieses Restaurant schon er- 15 Zimmer und eine Suite zur Verfügung. wähnt. In den 1930er Jahren übernahm die 28 Hartenburg Im Waldhaus kocht der Chef selbst. Olaf Hä- Familie Wagner die Gaststätte mit Pension. Auswärts der Stadt, an der Straße nach Hild- nisch bietet deftige thüringisch-fränkische 1949 wird Wilhelm Wagner als Gast- und burghausen, liegen die Hartenburg-Häuser. Spezialitäten, dazu Sternberger Pils und ein Landwirt genannt. In dem großen roten Backsteingebäude war Waldhausbier aus dem Schwarzwald. Das Diese Wirtschaft bestand nur aus einem Ga- vor 100 Jahren ein Gartenlokal mit Bieraus- Waldhaus ist mit seiner Lage der ideale Aus- straum und war eine einfache Schankwirt- schank eingerichtet. Daran erinnern heute gangspunkt für ausgedehnte Wanderungen schaft mit einem kleinen Speiseangebot. noch die dort stehenden großen Kastanien- im Gleichberggebiet. 1954 wurde an die Gaststätte eine Kegel- bäume. 1907/1912 warb das Logierhaus A. bahn angebaut, die bis zum Bau der moder- Georgii an der Hildburghäuser Straße mit 30 Höhensiedlung nen Mehrbahnen-Kegelanlage am Sportplatz längeren Aufenthalten in frischer Luft. Auch Außerhalb der Stadt in Richtung ehemaliger 1989 zum Domizil der Römhilder Kegler diese Lokalität existiert schon seit langem Lungenheilstätte liegt die Höhensiedlung. wurde. Nach dem Tode ihres Mannes führte nicht mehr. In den 1930er Jahren errichtete der Reichs- Gertrud Wagner die „Gertrud oder Wagne- arbeitsdienst südöstlich der Stadt auf einer re“ die Schankwirtschaft weiter. Auch sie 29 Gasthaus „Waldhaus Weidmanns- kleinen Anhöhe ein Barackenlager. Nach war ein echtes Römhilder Original und „Tag ruh am Sandbrunnen“ Ende des Zweiten Weltkriegs fanden hier und Nacht“ für ihre Gäste mit ihren Sorgen An der Straße von Römhild nach Hildburg- Flüchtlinge aus Schlesien und anderen Ge- und Anliegen da. Selbst nach dem Abbau der hausen entstand, genau im Sattel der beiden bieten eine erste neue Heimat. In den 1960er Bahnverbindung 1968 und dem Abriss des Gleichberge, im Jahre 1898 das „Waldhaus und beginnenden 1970er Jahren entstand in Bahnhofs behielt die Wirtschaft ihren Na- Weidmannsruh am Sandbrunnen“. Der Ma- den Baracken ein beliebtes Ausflugslokal der men. Anfang der 1980er Jahre übernahm der schinenfabrikant Georg Göpel aus Merse- Römhilder. Es wurde von Frau Christoph Schwiegersohn H. Welsch die Wirtschaft bis burg griff dabei eine Idee des Steinsburg- und ihren Helfer/Innen betrieben. Eine Auf- sie in den 1990er Jahren geschlossen wurde. forschers C. Kümpel auf, hier für Touristen wertung erfuhr dieser Platz durch die Anlage eine Unterkunft zu schaffen. 1908 wurde einer Freitanzfläche und eines Freilichtkinos. 25 Gaststätte „Stadt Römhild“ deswegen noch ein Logierhaus angebaut. In lauen Sommerabenden konnten hier die am Kulturhaus Wirt war damals August Bäzel. 1907/1912 Römhilder gemütlich feiern. 1972 wurde die Auf dem Platz des ehemaligen Römhilder warb er mit Sommerfrische, gesunder Lage seit 1961 für Römhild bestehende Sperrzone Bahnhofs entstand 1978 das Römhilder Kul- mitten im Wald zwischen den Gleichbergen, aufgehoben. Dem nun neuen „Grenzregime“ turhaus. Anlass dazu waren die 17. Arbei- 430 m über dem Meer. Ein eigenes Pferde- fiel auch die Höhensiedlung zum Opfer. Der terfestspiele der DDR, die 1978 im Bezirk geschirr fuhr damals die Gäste vom Bahnhof Festplatz wurde von der Höhensiedlung in Suhl stattfanden. Römhild war Festspielort zum Waldhaus. die Stadt auf den Schlossvorplatz verlegt, der Kulturtage der sozialistischen Landwirt- 1913 kaufte der aus Linden stammende Otto wo heute noch die Schlossfeste und andere schaft. Eine als Produktionshalle gedachte Graf das Anwesen und baute es großzügig Veranstaltungen stattfinden. Die Baracken Anlage für den Töpferhof Römhild wurde aus. 1932/1934 warb das Hotel und Pension auf der Höhensiedlung wurden abgerissen. umfunktioniert und die Römhilder hatten ein „Waldhaus“ mit Wandern-Jagen-Angeln- Heute befindet sich hier die Grüngutannah- großes Kulturhaus mit angeschlossener Ga- Wintersport. Tadellos eingerichtete großen mestelle für Römhild und Umgebung. stronomie. 1978 wurde der Bau eingeweiht. Gesellschafts- und Konferenzzimmer, in de- Die Kulturhausgaststätte bestand von 1978 nen man preiswert, vorzüglich und reichlich 31 Kantinenwirtschaft bis 1992. Viele Großveranstaltungen wurden verpflegt werde, Zimmer mit 30 Betten, elek- Großer Gleichberg in dem bis zu 700 Gästen fassenden Saal trischem Licht, Zentralheizung und Bad mit Um 1900 eröffnete die Stadt Römhild auf durchgeführt. Die Gaststätte bot in ihren Warmwasserversorgung. Dazu einer Auto- der Nordseite des Großen Gleichbergs ei- Räumen zahlreichen Gästen Platz. 1992 ver- halle, Parkplatz, Postauto-Verbindung oder nen Basaltsteinbruch. Für die Brucharbeiter kaufte die Stadt ihr Kulturhaus. Die Gaststät- auf Wunsch Abholung durch eigenes Auto. wurde bald eine Kantinenwirtschaft einge- te „Stadt Römhild“ wurde von 1996-1998 1949 wurde Otto Graf noch als Gastwirt richtet. Betreiber war H. Schunk. Von 1943 von einem Türken, der hier „italienisch“ genannt. Später übernahm Sohn Horst Graf bis 1945 errichtete die Gestapo Weimar ein kochte betrieben. Später waren hier von 1998 die Wirtschaft. Sie fungierte damals als HO- Arbeitserziehungslager für Zwangsarbeiter bis 2013 zwei chinesische Restaurants ein- Gaststätte. Von Oktober 1949 bis 1958 war im Römhilder Steinbruch. Das Kantinenge- gerichtet. Seit 2010 betreibt die Römhilder im Waldhaus neben der Gastwirtschaft auch bäude wurde Unterkunft des Lagerleiters, Gastronomin Doreen Giese die Gaststätte eine Landwirtschaftliche Fachschule unter- SS- Untersturmführer Wilhelm Schneider. unter der einfallsreichen Bezeichnung „Ohne gebracht. Als 1961 die Grenze geschlossen Im April 1945 wurde ein Großteil der Barac- Namen“. In den bis zu 120 Gästen fassen- wurde, verließ Horst Graf die DDR. Das ken niedergebrannt. Nach Wiederaufnahme den Gasträumen werden neben preiswerten Waldhaus wurde 1963 Schulungsstätte des des Steinbruchbetriebs übernahm die Fami- Tagesgerichten internationale und klassische Rates des Bezirkes Suhl. Hier erhielten Bür- lie Seitz die Kantine des Steinbruchs. Die thüringische Gerichte angeboten. Vor der germeister und Verwaltungsangestellte ihr Torten und Kuchen von Alma Seitz waren Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­21 bis nach Römhild begehrt. Die Wanderer auf Zur Eisenbahn. Je nach Speisenangebot war ben oder während des Krieges aufgegeben den Großen Gleichberg konnten hier an den der Unterschied zu den Gasthöfen fließend. worden waren. Nach dem Ende der DDR Wochenenden Bier und Bratwurst erhalten. Gemeinsam war aber allen, dass sie noch 1989 wurden HO und Konsum aufgelöst und Mit der Stilllegung des Steinbruchs 1968 ein zweites Standbein hatten. Der Goldene die Gaststätten wieder privatwirtschaftlich wurde auch die Kantine geschlossen. Schwan, die Steinsburg, der Goldene Stern betrieben. Jetzt versuchte eine ganze Reihe betrieben eine Metzgerei und jetzt neu, die von Quereinsteigern sich in der Gastrono- Fazit: Gute Quelle. Café Rommel und Kaffee Stä- mie. Einige gaben auf andere wiederum eta- Aus dem späten Mittelalter und der frühen be jeweils eine Bäckerei. Das Schlundhaus blierten sich. Neuzeit sind uns einige Namen von Röm- und der Hirsch eine Brauerei und das Wald- Hoffen wir für die Zukunft dass der bittere hilder Gastwirten überliefert. Um 1700 gab haus und die Eisenbahn eine Landwirtschaft. Kelch des Wirtshaussterbens, wie er auch es hier sechs Gasthöfe. In der folgenden Zeit Stadt Römhild, Zur Erholung Glücksburg schon rings auf dem Land um sich greift, an sind vier Gasthöfe in der südlichen Vorstadt und Hirsch betrieben Gartenlokale. Schieß- unserer kleinen Stadt vorübergeht. bekannt. Der Gasthof Stadt Römhild, Zum haus, Heitschels Garten, Hartenburg und Zum Schluss meines Beitrags möchte ich Goldenen Schwan, das Gasthaus Zur Erho- Höhensiedlung waren reine Gartenlokale. mich bei Walter Härter und vielen anderen lung und die Glücksburg, in der Stadt selbst Einen großen Saal besaßen Stadt Römhild, Römhildern für wertvolle Hinweise zu den das Schlundhaus und in der nördlichen Vor- Schlundhaus, Deutsches Haus und Golde- Römhilder Gaststätten bedanken. Ein Dank stadt der Rote Ochse, das Weiße Lamm, der ner Stern, später das Kulturhaus und jetzt gilt auch Achim Schütz, Römhild, für die Goldene Stern und der Gasthof Zum Hirsch. das RKG Vereinsheim. Eine Kegelbahn fand Bereitstellung von Bildmaterial aus seinem Diese Wirtschaften waren große Gasthöfe sich Zur Erholung, Glücksburg und Eisen- umfangreichen Archiv. Weitere Bilder zu mit Übernachtungsmöglichkeiten. Dane- bahn, jetzt am Sportlerheim. Mit der Grün- Römhilder Gaststätten finden sich in dem ben entstanden sog. Schankwirtschaften, dung der DDR 1949 übernahmen die großen Katalog „Essen, Trinken und Feiern in Röm- wie die Wirtschaften Zur Steinsburg, Zur Handelsorganisationen HO und Konsum vie- hild“ herausgegeben vom Stadtmuseum und guten Quelle, Zur fröhlichen Einkehr und le bestehende Restaurants, die privat betrie- dort auch erhältlich.

Schriftenreihe des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld: Band 1: Sabine Hansen, „Die Römhilder Reimchro- Band 17: Gerhard Schätzlein, Barbara Rösch, Reinhold Band 36: Hanns Friedrich/Andrea Friedrich-Rückert: nik“, (z.Zt. nicht lieferbar) Albert: „Grenzerfahrungen 1945 bis 1971“, ISBN Bildschöne Heimat - Wülfershausen - Eichenhausen, Druck: Holl-Druck GmbH, Hofheim i. Ufr, 1989. 3-86180-089-6, Verlag Frankenschwelle KG, 98646 Wülfershausen 2014 Band 2: Reinhold Albert, „Geschichte der Juden im . Band 37: Reinhold Albert: Der Grenzsteingarten im Grabfeld“, Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt, Band 18: Reinhold Albert: Chronik von Herbstadt Kurpark in Bad Königshofen - Initiative von Bür- 1990. mit seinen Gemeindeteilen Ottelmannshausen und germeister i.R.‚ Clemens Behr, Untereßfeld 2015 Breitensee, Kleineibstadt 2001. Band 3: Leo W. Hamm, „Der Königshof im Grab- Band 38: Hanns Friedrich: Autobahnkirche Thüringer feld“, Druck: Schunk Druck- und Verlags-GmbH, Band 19: Gerhard Schätzlein/Reinhold Albert: Gren- Tor an der A 71 - Ein Gedenkstein für das Wunder Bad Königshofen, 1991. zerfahrungen II 1972 – 1988, Bayern, Hessen/Bezirk des Friedens Suhl, Hildburghausen 2001. Band 4: Reinhold Albert, „Geschichte der Wüstung Band 39: Reinhold Albert: Geschichte der Wallfahrts- Eschelhorn (Urselhorn) und der St.-Ursula-Kapelle Band 20: Michael Böckler: Die Schott von Schotten- stein im Grabfeld, Trappstadt 2003. kirche Maria, Trösterin der Betrübten, auf dem Fin- bei Alsleben“. Druck: Druckerei Schedel, Kleineib- delberg bei Saal an der Saale, Mellrichstadt 2015 stadt, 1992. Band 21: Reinhold Albert: Ipthausen – eine Chronik, Band 40: Hanns Friedrich: 65 Jahre Städtepartnerschaft Band 5: Barbara Rösch/Gerhard Schätzlein/Hanns erschienen zum 250. Jubiläum der Wallfahrtskirche Bad Königshofen im Grabfeld und Arlington/Texas, Friedrich/Reinhold Albert, „Grenzerfahrungen 1945- Mariä Geburt, Kleineibstadt 2004. Bad Königshofen 2016. 1990“, /Mellrichstadt, 1993. Band 22: Gerhard Schätzlein/Reinhold Albert/Hans- Band 6: Leo W. Hamm, „Sagen, Geschichten und Le- Jürgen Salier: Grenzerfahrungen III 1989/90 Bezirk Band 41: Reinhold Albert: Chronik von Großbardorf, genden aus dem Land“, Druck: Druckerei Schedel, Suhl – Bayern/Hessen, Hildburghausen 2005. Mellrichstadt 2016 Kleineibstadt, 1994. Band 23: Hanns Friedrich/Andrea Rückert: Bild- Band 42: Reinhold Albert: Alsleben – 1150 Jahre Ge- Band 7: Reinhold Albert, „Kriegsende 1945 und Nach- schönes Bad Königshofen, Kleineibstadt, 2006. schichte – Vom Wandel einer lebendigen Gemeinde, kriegszeit im Königshöfer Grabfeld“, Druck: Schunk Band 24: Michael Böckler: Die Truchsesse von Trapp- Mellrichstadt 2017 Druck- u.Verlags-GmbH, 1995. stadt 1317-1520, 2006; Glockentaufe in Königshofen Band 8: Klaus Reder/Reinhold Albert, „Rhön und 1514, 2002. Grabfeld im Spiegel der Beschreibungen der Be- Band 25: Andrea Rückert: Engel – Himmlische Boten Videoreihe Hanns Friedrich: zirksärzte Mitte des 19. Jahrhunderts“, Druckerei auf Erden, Kleineibstadt, 2006. Schedel, Kleineibstadt, 1995. Band 26: Reinhold Albert – Chronik von Rappershau- Video 1: 1250 Jahre Bad Königshofen; 1991. Band 9: Michael Böckler, „Unbekanntes Ganerbendorf sen, Bad Neustadt 2007 Video 2: 550 Jahre Stadtpfarrkirche Bad Königs- Trappstadt“ Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt Band 27: Reinhold Albert – 300 Jahre Kath. Pfarrkirche hofen. 1993. 1997. Untereßfeld, Bad Königshofen-Untereßfeld, 2008 Video 3: Der Todeszaun; 1994. Band 10: Detlev H. Pleiss/Leo W. Hamm: „Der Drei- Band 28: Reinhold Albert/Hans-Jürgen Salier: Gren- Video 4: Beim frühen Morgenlicht - ßigjährige Krieg im Königshöfer Land - Königshofen zerfahrungen kompakt – Das Grenzregime zwischen 50 Jahre Männerwallfahrt; 1995. unter der schwedischen Besatzung 1631 - 1634“ Südthüringen und Bayern/Hessen 1945 – 1990, Salier Video 5: Rhöner Advents- u. Weihnachtszeit; 1996 Druck: Druckerei Schedel, Kleineibstadt,1997. Verlag; ISBN: 978-3-939611-35-6; 2009. Video 6: Das Geheimnis des Steinplattengrabes 1998 Band 11: Fritz Köth, „Künstler aus dem Grabfeld - Band 29: Clemens Behr – Heimatlieder aus dem frän- Erich Mutze, Willi Pflüger, Theo Dreher, Ludwig kischen und thüringischen Grabfeldgau, Untereßfeld Video 7: Das Gelübde – Männerwallfahrt 2000. Stolarski, Willy Ruß“ Druck: Druckerei Alfons Sche- 2010. Video 8: Als Zaun und Minen Menschen trennten 1999 del, Kleineibstadt, 1997. Band 30: Reinhold Albert – Althausen im Grabfeld – Video 9: Die 12 Heiligen Nächte 2000 Band 12: Reinhold Albert: „Geschichte des Kapuzi- erschienen anlässlich der 200-Jahrfeier der Gründung Video10: Ratschen und Osterstorch 2001 nerklosters und der Klosterkirche Bad Königshofen der Pfarrei Althausen, Untereßfeld 2011. Video11: Plantanz Eyershausen 2002 i. Gr.“ Druck: Druckerei Alfons Schedel, Kleineib- Band 31: Reinhold Albert - Chronik von Unter- und stadt, 1997. Oberebersbach, Herausgeber Gemeinde , Video 12: Johann Peter Herrlein 2003 Band 13: Reinhold W.F. Heusinger und Gerwin K. Bad Neustadt, 2012. Video 13: Plantanz Obereßfeld, 2004 Solf: „Die Grafen von Wildberg und ihre Wappenge- Band 32: Clemens Behr - ‚s Brünnle und ‚s Kreuzle in Video 14: 110 Jahre , 1999 nossen, sowie die Dynasten von Thundorf und Tann- Breitensee, 2013. Video 15: 500 Jahre Schmalwasser, 2006 roda.“ Eigenverlag des Vereins für Heimatgeschichte. Band 33: Reinhold Albert: 50 Jahre neue Pfarrkirche St. Video 16: 960 Jahre , 2007 Band 14: Otto Schulz: „Wenn’s weihnachtet im Gr- Vitus in Wülfershausen/Saale, Wülfershausen 2013. Video 18: 750 Jahre Reyersbach, 2008 abfeld“ – Weihnachtliche Geschichten und Spiele, Band 34: Reinhold Albert: Das Grauen in der Hölle Kleineibstadt 1998. von Dachau - Die Leidenszeit des Pfarrers August Video 19: In Gottes Namen (Wallfahrt Hollstadt), 2004 Band 15: Archäologische Arbeitsgruppe Rhön-Grab- Eisenmann aus Alsleben im KZ Dachau von 1941 - Video 20: Mit den Füßen beten feld, Walter Jahn (Hg.): VORZEIT - SPUREN in 1945, Untereßfeld 2014. (Wallfahrt Eyershausen), 2003 Rhön und Grabfeld, Kleineibstadt, 1998. Band 35: Reinhold Albert: Burgen, Schlösser und Video 21: Es war einmal - die deutsch-deutsche Band 16: Otto Schulz: „...Wallt‘ ich den Birkenpfad“, Kirchenburgen im Landkreis Rhön-Grabfeld, Bad Grenze – Filmdokumentation Bad Königshofen 1999. Neustadt 2014. der Jahre 1989 bis 2014 Seite ­­22 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 Der Ölberg an der Stadtpfarrkirche Bad Königshofen

Gustav Tschochner um die der Gehsteig und damit der Verkehr auch heute noch so, nicht einmal die Flächen herumgeleitet werden muss. zwischen den Strebepfeilern sind Eigentum Ist Bad Königshofen eine reiche Stadt? „Na- Zwischen diesen Treppen und dem, zu- der Pfarrei, sondern städtischer Grund – mit türlich nicht!“ werden die meisten Bürger nächst geplanten, Ölberg scheint es keinen Ausnahme des Treppenturms zur Vierzehn- antworten, wenn sie an den Schuldenstand Zusammenhang zu geben, doch wurde er heiligenkapelle.) denken oder an die Bauwerke, die zu erhalten vom Stadtrat selbst hergestellt, wie im Pro- Schließlich wandte sich die Kirchenverwal- bzw. zu restaurieren sind oder waren, wie die tokollbuch(1) von 1884 nachzulesen ist, aus tung an die Stadt, ihr die für einen Ölberg Darre, die alte Volksschule (das ehemalige dem hierzu weiter unten noch zitiert wird. erforderliche Fläche zu überlassen. In der Rentamt), das Rathaus, und den Haushalt der Neben den Bürgern, die zwar nicht zu Wort Sitzung am 20. März 1884 befasste sich der Kleinstadt über Jahre hinweg belasten. Nicht kommen, deren Verhalten aber der Begrün- Stadtrat unter Punkt 3 der Tagesordnung alle Baumaßnahmen finden die ungeteilte dung der Beschlüsse des Stadtrats dient, und mit jenem Gesuch und beantwortete es mit Zustimmung der Bürgerschaft, wie die Re- letzterem spielen bei diesem nicht alltägli- einem Satz: „Auf Antrag der Kirchenver- staurierung des Turms der Stadtpfarrkirche chen Vorgang die Kirchenverwaltung, vor waltung wird beschlossen, es sei der zur Er- vor etwas mehr als dreißig Jahren, als Stadt- allem Josef Krug, Pfarrer von 1879 bis 1886, richtung einer Oelbergsgruppe nöthige Platz rat und Bürgermeister die Baupflicht für den und das Bezirksamt (heute das Landratsamt) zwischen zwei Kirchenpfeilern unentgeltlich Kirchturm anerkennen und den größten Teil wichtige Rollen. abzulassen.“(6) Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kosten der Stadt aufbürden mussten. Der Grund, weshalb sich mehrere Institutio- die Kirchenverwaltung die Firma „Schunk Ein schwacher Trost mag es da sein, dass nen mit dem Thema „Ölberg“ beschäftig- und Trott“ schon mit ersten Bauarbeiten be- auch andere Gemeinden im Grabfeld in ähn- ten, lag darin, dass man, als eine der Folgen ginnen lassen, ohne Genehmigung des Be- licher Weise für kirchliche Baulichkeiten verschiedener Baumaßnahmen an und in der zirksamtes, auch das Bischöfliche Ordinariat zuständig sind, wobei es sich meistens um Stadtpfarrkirche ab 1868, den „alten“ Ölberg hatte verschiedene Einwände vorgebracht. das Pfarrhaus oder, wie in Königshofen, um 1870/71 abgerissen hatte und dessen Reste Jedenfalls erklärte das Bezirksamt als die den Kirchturm handelt. Dabei ist zu beach- anscheinend nicht mehr zu verwenden wa- zuständige „Curatelbehörde“ (Aufsicht für ten, dass die Baupflicht nicht mit dem Eigen- ren(2), so dass die Kirchenverwaltung offen- kirchliche Angelegenheiten) den Beschluss tumsrecht verwechselt werden darf, Eigentü- sichtlich bald einem neuen Ölberg errichten des Stadtrats für ungültig, verlangte von mer des Turmes ist die Pfarrei Königshofen. wollte. Der alte Ölberg und die über ihm als Stadt und Kirchenverwaltung die Einhaltung Ganz anders verhält es sich mit einem im Zugang zur Vierzehnheiligenkapelle dienen- des Behördenweges, was offensichtlich nicht Vergleich zum Turm kleinen, unauffällig de Steintreppe hatten für die Wendeltreppe geschehen war, die Beendigung der Bauar- zwischen zwei Strebepfeilern der Nordsei- Platz machen müssen, die wohl zwischen beiten und die notarielle Beglaubigung der te dem großen Kirchengebäude angepassten 1870 und 1874 erbaut wurde - ein genau- Grundabtretung.(7) Teil der gesamten Anlage, dem Ölberg. Er es Datum für Beginn und Ende der Bauzeit Schon am 25. März 1884 antwortete der gehört allein der Stadt, und damit dürfte fehlt. Bis zum heutigen Tag führt(3) sie in Stadtrat dem Bezirksamt und verteidigte Königshofen etwas vorzuweisen haben, was einer Art Turm außen zur Vierzehnheiligen- seine Entscheidung und auch das Vorhaben wohl kaum eine andere Gemeinde, wenig- kapelle empor. Die Schaffung eines neuen der Kirchenverwaltung: Einmal sei der neue stens in der näheren Umgebung, im Grabfeld Ölbergs stellte die Pfarrei aber vor finanziel- Ölberg nur ein Ersatz für den abgerissenen und der unterfränkischen Nachbarschaft, ihr le Probleme, denn obwohl die schon erwähn- alten, und der “war [...] seit unvordenklichen eigen nennen kann. ten Baumaßnahmen - aber eben nur die das Zeiten“ in einer Nische „aufgestellt“, wes- Gebäude betreffenden - vom Staat Bayern halb der Kirchenverwaltung das Recht zu- 1. Wie kam es dazu, dass die Stadt finanziert worden waren(4), hatte die Pfarrei stehe, „die Kirchennischen zu fragl. Zwecke Besitzerin dieses Ölbergs wurde? für Änderungen bzw. Anschaffungen in der zu benützen“. Königshöfer Bürger bzw. Hausbesitzer setz- Inneneinrichtung, u.a. für eine neue Orgel Zweitens sei es das Recht der Stadtverwal- ten von alters her ihre Haustreppe als äuße- und einen neuen Haupt- und zwei Seitenal- tung, einen Platz, der „für alle Zeiten ren- ren Zugang zu ihrem Anwesen schlicht und täre, aufkommen müssen, wobei die Stadt ten- und nutzlos“ sei, sinnvoll zu verwenden, einfach vor dem Haus auf – normalerwei- Königshofen erhebliche finanzielle Unter- zumal für die „Aufstellung eines öffentlichen se – städtischen Grund, ohne viel zu fragen stützung leistete, vor allem bei der Anschaf- Kunstdenkmals“; „wird ja auch immer an die oder zu beantragen, ein Verhalten, das seit fung einer neuen Orgel, für die sie 3.912 hiesigen Einwohner jener Raum vom Grund- undenklichen Zeiten bis in unsere Tage von f in drei Raten, 1872-1874, aufbrachte und eigenthum der Stadtgemeinde ohne Vergü- der Stadtverwaltung geduldet wird. Manche vermutlich alleine bezahlte, da in den Rech- tung und ohne notarielle Verbriefung über- Treppen bestehen nur aus einer Stufe, ande- nungsbüchern ein Anteil der Kirchenverwal- lassen, der zu den Hausstiegen nothwendig re präsentieren sich als wuchtige Bauwerke, tung nicht zu erkennen ist. ist!“(8) Vereinfacht ausgedrückt: wenn die Die oben erwähnte Wendeltreppe galt an- Bürger ihre Treppen („Hausstiegen“), ohne scheinend auch nicht als Teil des Kirchenge- zu fragen und ohne etwas zu bezahlen, auf bäudes, so dass der Staat Bayern von den 634 städtischen Grund stellen, dann darf das die Gulden und 24 Kreuzern Baukosten nichts Kirche mit ihrem Ölberg auch. übernahm. Letztendlich entschloss sich der Um rechtliche Schwierigkeiten zu vermei- Stadtrat zu einem Beitrag von 263 Gulden den, beschloss der Stadtrat an diesem 25. und 59 Kreuzern, den anderen Teil konnte März noch einstimmig, die „Errichtung die Kirchenverwaltung beitragen.(5) einer Oelberggruppe“ als städtisches Pro- Nicht nur die Finanzierung des Ölbergs jekt „zu acceptiren und das Eigenthum an bereitete der Kirchenverwaltung Sorgen, demselben für die Stadtgemeinde zu über- sondern sicherlich auch die Wahl des Stand- nehmen“. Der Stadt würden auch „keinerlei orts. Es war ja in den meisten Orten üblich, Ausgaben“ und „keinerlei Haftungsverbind- einen Ölberg mit dem Kirchengebäude zu lichkeiten erwachsen.“ verbinden, indem man ihn an die Außen- Trotz der Zusicherungen der Stadt gingen die mauer der Kirche anlehnte. In Königshofen Auseinandersetzungen mit den Behörden aus besetzte aber den Platz, an dem der alte Öl- verschiedenen Gründen, deren Darlegung berg gestanden hatte, seit 1874 der Treppen- hier zu weit führen würde, bis Ende Febru- Die Stadtpfarrkirche Königshofen mit dem turm zur Vierzehnheiligenkapelle, und sonst ar 1885 weiter. Erst als der Stadtrat am 21. Ölberg auf einer zu Beginn des 20. Jahrhun- gehörte der Pfarrei außerhalb der Kirchen- Februar 1885 beschloss, dass auch die „Un- derts aufgelegten Ansichtskarte. mauern kein Quadratmeter Boden. (Das ist terhaltungspflicht von dem zu errichtenden Nr. 19 · November 2011 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­23

Oelberg [...] auf die Stadtgemeinde über- Antwortschreiben im April 1885 bezieht, an nommen werden soll“(9) war anscheinend das der Gestaltung von zweien der fünf Figuren letzte Hindernis beseitigt: am 25. Februar Kritik geübt. Einmal bemängelte Krug „das 1885 genehmigte das Bezirksamt den Bau s[!]chlafen des hl. Petrus mit offenem Mun- des Ölbergs(10). de“, zum anderen „daß der hl. Jakobus zu le- Schon am 29. März, dem Palmsonntag, ver- ger liege[n]“. Zu beiden Vorwürfen äußerte kündete Pfarrer Krug, dass „in diesen Tagen Metzger, dass er sich bei der Darstellung der hoffentlich der Oelberg vollendet werde“ schlafenden Apostel nach „dem Altmeister und am Gründonnerstag „zuerst Predigt kirchlicher Kunst [,] Ritter Joseph v. Füh- gehalten, dann der Oelberg eingeweiht und rich [,] Professor an der Academie in Wien“ die erste Andacht vor demselben um vier ge- gerichtet habe. Zur Schlafstellung des Jako- halten“(11) werde. Diese ungewöhnlich kurze bus ergänzte er: „daß es das Bestreben jedes (offizielle) Bauzeit lässt sich nur so erklären, Schlafenden ist [,] so bequem als möglich dass, wie erwähnt, trotz fehlender Genehmi- zu liegen, [...] dieser Vorwurf schmeichelt gung mit dem Bau begonnen worden war, mir, denn ich bin dadurch der Natur nahe wahrscheinlich im Frühjahr 1884, denn im gekommen.“ (17) Mai 1884 erhielt die Firma „Schunk & Trott“ Anscheinend änderte der Bildhauer an den 500 Mark Abschlagszahlung, die sie im Juni Statuen nichts, erklärte sich aber in dem an den Haßfurter Bildhauer Joseph Metzger Brief vom April 1886 bereit, die Figuren weitergab.(12) anders zu gruppieren; ob und wie das durch- Die Königshöfer Baufirma hatte im August geführt wurde, wissen wir aber nicht. Über 1882 einen Kostenvoranschlag eingereicht etwaige spätere Änderungen erfahren wir und den Auftrag erhalten, der auch die Be- aus den Akten nichts, so dass anzunehmen stellung eines Bildhauers für die Anferti- ist, dass der Ölberg so erhalten ist, wie er von gung von fünf Statuen einschloss. Dieser bat seinen Erbauern 1885/86 hinterlassen wurde. im Oktober 1884 in einem Brief an Pfarrer Josef Krug war Pfarrer in Königshofen von An der Gestaltung des Gesamtwerkes übte Krug, man solle doch die fertige Ölberggrup- 1879 bis 1886 und initiierte den Ölberg an der Joseph Metzger deutlich Kritik, und zwar in pe, die fünf Figuren, abholen, da er keinen Stadtpfarrkirche. dem schon erwähnten Brief vom April 1885. Platz mehr habe.13) Er gab zu, die Arbeit ursprünglich wegen des Die Stadtverwaltung war also auf recht un- Stadtpfarrkirche“ ließ Spenden sammeln ungeeigneten Stellplatzes abgelehnt, später bürokratische Weise Eigentümerin eines Öl- und brachte 295 Mark zusammen, außerdem aber nachgegeben und sie übernommen zu bergs geworden - und ist es bis zum heutigen sorgte er dafür, dass „..das sämtliche Fuhr- haben. Er habe dies aber „bitter bereut“, denn Tag. Bezirksamt und Ordinariat begnügten werk [vom Alslebener Steinbruch nach Kö- „die Anlage [...] ist [...] die verfehlteste, die sich mit den verschiedenen Zusicherungen nigshofen – GT] mit Ausnahme der 4 Fuh- ich mir denken kann“.(18) Dafür nennt er zwei aus den Stadtratsbeschlüssen, ein Notar wur- ren Sand [...] von Gutthätern unentgeltlich Gründe: bei etwa 1 m Abstand zur Kirchen- de nicht eingeschaltet. In den seither vergan- gefahren [wurde].“(15) Zur Gesamtsumme mauer und 5 m zwischen den Strebepfeilern genen 132 Jahren entstanden der Stadt aus von 2441,73 Mark, die die Firma „Schunk & fehle der für 5 Figuren nötige Platz zu einer diesem Besitz auch tatsächlich keine finan- Trott“ in ihrer Abschlussrechnung im Okto- sinnvollen Gruppierung, und als zweiten und ziellen Belastungen, jedenfalls weist in den ber 1885 benannte, womit sie ihren Kosten- Kernpunkt seiner Kritik bemängelte er das Archiven von Stadt und kath. Pfarrei nichts voranschlag um rund 80 Mark überschritten von der Firma Schunk & Trott errichtete Ge- darauf hin. Das dürfte sich aber schon bald hatte, fehlten aber 1885 noch 401,73 Mark. häuse, vor allem die beiden vor dem Ölberg ändern. Denn erstens ist das Gehäuse aus Schließlich übernahm doch die Stadtpfarrei stehenden Pfeiler, die das „Gesichtsfeld“ des Sandstein (aus dem Alslebener Steinbruch), die Bezahlung, wie im Rechnungsbuch 1886 Betrachters dreiteilten, so dass er den Ölberg das den Ölberg umgibt, baufällig, wogegen verzeichnet ist: „401,73 [M] Restzahlung nie als Ganzes vor Augen habe, und die über- die Figuren offensichtlich recht gut erhalten für die Herstellung des monumentalen Oel- haupt nur „Dekoration[s]zwecken“ dienten, sind, was an dem Material, französischem bergs.“(16) Der Anteil des Bildhauers Metz- keine statische Aufgabe hätten und folglich Kalkstein, liegen mag; und zweitens wird ger an der genannten Gesamtsumme betrug „vollständig überflüssig“ seien. in absehbarer(?) Zeit die Außenmauer, d.h. 800 Mark, die ihm von der Firma Schunk & Dass der Königshöfer Ölberg auch später die südliche und die nördliche, des Kirchen- Trott bezahlt wurden, für Material, Arbeit nicht unumstritten war, zeigt ein weiterer gebäudes stabilisiert – ein Millionenprojekt und Nebenkosten. Blick in die Geschichte. - und je nachdem, wie dies geschieht, wird auch der Ölberg davon betroffen sein. Die 3. Wie schliefen Apostel? 4a. Adam Pfeuffer und der Ölberg Stadt wird zunächst einmal abwarten, welche Die Einweihung am Gründonnerstag 1885 Adam Pfeuffer, von 1918 bis 1950 Stadt- Baumaßnahmen am Kirchengebäude durch- war keinesfalls der Schlusspunkt der etwa pfarrer, eine eigenwillige, aber kunstsinnige geführt werden, und dann entscheiden, was 7-8 Jahre dauernden Geschichte und Vorge- mit dem Ölberg geschieht. schichte der Errichtung des Ölbergs im 19. Jahrhundert. 1) Stadtarchiv (=StA) Bad Königshofen, I/09/Band 27, 2. Wer bezahlte den Ölberg? Sitzungsprotokolle, Anscheinend war man in der Kirchenver- 2) StA, I/09/Band 26, 20. August 1871 Die Kirchenverwaltung war anscheinend waltung mit einigen Ergebnissen nicht zu- 3) StA, II/52/Rechnungsbuch und Belege 1874 von Anfang an entschlossen, die Stadtpfarrei frieden. Das betraf die verantwortliche Bau- 4) Diese Art der Finanzierung von kirchlichen Gebäuden wurde nach der Reichsgründung wieder abgeschafft nicht mit den Kosten des Ölbergs zu belasten firma und den Bildhauer. Die Firma Schunk 5) Wie 3) und die Bürger zum Spenden zu animieren. & Trott hatte zum Zeitpunkt der Einweihung 6) StA, I/09/Band 27, 20. März 1884 7) Pfarrarchiv (=PfA) Bad Königshofen, K4/73, Aktenz. Zunächst gründete man zur Verwaltung der noch Geld zu bekommen, weigerte sich 81.580 Gelder eine „Ölbergstiftung“, über die uns aber, von der Kirchenverwaltung gewünsch- 8) StA, I/09/Band 27, 25. März 1884 9) StA, I/09/Band 27, 21. Februar 1885 leider nur die Rechnung des Jahres 1883/84 te Kürzungen vorzunehmen. Letzten Endes 10) StA, Akten nach 1900, Box 26, Aktenz. 324, Errichtung informiert. Immerhin lesen wir darin, dass bezahlte man dann doch entsprechend den eines Ölbergs, 1885; PfA Bad Kön., K 4/73, Aktenz. eine Frau Dorothea Glaser einmal 350 und vorgelegten Rechnungen, die letzte Rate im 81.520, Ölberg, 1881-1941 11) PfA Bad Kön., K4/12, Aktenz. 20.01, Verkündbuch kurz darauf 650 Mark spendete, in einer wei- Januar 1886. 1876-1890 teren Liste aus dem Jahr 1885 ist sie mit Mit Bildhauer Metzger gab es, ebenfalls 12) PfA Bad Kön., K4/73, Aktenz. 81.520 13) PfA Bad Kön., K4/73, Aktenz. 81.520 100 Mark eingetragen, womit sie mehr als erst nach der Einweihung, Differenzen, aber 14) PfA Bad Kön., K1/33, S.17, Belege Nr. 68 die Hälfte des Spendenaufkommens geleistet nicht aus finanziellen Gründen. Pfarrer Krug 15) PfA Bad Kön., K4/73, Aktenz. 81.520 14) 16) PfA Bad Kön., K1/33, Rechnungsbuch 1886, S.17 hatte. hatte in einem Brief, der uns nicht erhalten 17) PfA Bad Kön., K4/73, Aktenz. 81.520 Der „Marienverein zur Verschönerung der ist, auf den sich aber der Bildhauer in seinem 18) Wie 17) Seite ­­24 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017

weshalb für den Ölberg an jener Stelle kein Platz mehr war, wie oben schon ausgeführt, und ein neuer in einer anderen Nische errich- tet wurde. Pfarrer Krug begründete in einem Brief an das Bezirksamt vom 1. Juli 1884, warum die Kirchenverwaltung für einen neuen Ölberg eintrete: „Die hiesige Pfarrkirche hatte [...] seit unvordenklichen Zeiten einen Ölberg. [...]. Vor diesem Ölberg war alle Donners- tage im Sommersemester eine Andacht ge- halten worden.“(29) Ob das auch noch zu Pfarrer Krugs Zeiten galt, ist ungewiss, in seinem Verkündbuch(30) gibt er leider mei- stens nur bekannt, ob eine Andacht bzw. eine andere kirchliche Feier in Ipthausen oder in Königshofen stattfinde, ohne weitere Einzel- heiten zu nennen. In dem Zusammenhang wäre auch die Frage zu beantworten, ob der Ölberg nach und nach im Lauf der Zeit an Bedeutung verlor und mehr oder weniger aus 1895 ließen sich die Kommunikanten von Königshofen mit dem Stadtpfarrer und den Lehrern dem kirchlichen Alltag ausschied, oder ob am Ölberg fotografieren. einer der Nachfolger des Josef Krug für ein plötzliches Ende der Verwendung für reli- giös-liturgische Zwecke sorgte. Wir dürfen Persönlichkeit, „[...] der sich die Aufgabe te, nicht nur auf dem großen Hauptdach: Ein jedenfalls gespannt sein, welches Schicksal [stellte], seine Pfarrkirche in künstlerischer „Zimmerman“ wurde „von den 2 Dechlein die Zukunft dem Ölberg bringen wird. Hinsicht aufs beste auszugestalten“(19), ver- ob dem Öhlberg undt Kirchenthür zu machen suchte zweimal, den Ölberg von der Kirche bezahlt“, ein „Schiffer Decker“ dafür, dass 19) Josef Sperl, Stadt und Festung Königshofen i. Grabfeld, zu entfernen und einer anderen Verwendung er die zwei Dächlein „uberhaubt zu decken“ 1974, S. 140f zuzuführen. Er war der Meinung, wie er 1941 unternahm. 20) PfA Bad Kön., K4/73, Aktenz. 81.520 21), 22) , 23): Wie 20) äußerte, dass der Ölberg „kein Kunstwerk ist, Im Rechnungsbuch der Stadt aus dem Jahr 24) StA, III/ 79/ Baurechnung über das Kirchendach wennschon ihm Adel frommen Empfindens 1698(25) heißt es: „Dächlein über dem Öl- 25) StA II, Rechnungsbuch 1698, S. 57, 4 Gulden, 4 Pfund, nicht abzusprechen ist.“(20) berg wurde erneuert“ und „verschiedene[r] 4 Pfennige 26) StA III, Königshöfer Heiligen Amts Rechnung 1777 S. Als 1919 die beiden Königshöfer Krieger- Arbeit am Öhlberg“ durchgeführt. Ähnlich 83f bzw. Soldatenvereine eine Denkmal für die wird 1777 vermerkt: „3[f] , 5[pf]3[d] [dem 27) PfA Bad Kön., K4/01, Aktenz. 01.11, Pfr. Gays, Kon- zepte, Notizen ... im ersten Weltkrieg Gefallenen zu planen Dachdecker] für 7tägige Kirchendachs Ar- 28) PfA Bad Kön., K1/22, Rechnugsbuch 1835/36, Rech- begannen, schlug Pfeuffer vor, den Ölberg beit, dann den Öhlberg zu tecken.“ Auch ein nung des Maurermeisters Georg Büttner 29) PfA Bad Kön., K4/73, Aktenz. 01. 81.520 auf den Friedhof zu verlegen und zu einem Maurer wurde für „Arbeit im Pfarrhof und 30) PfA Bad Kön., K4/12, Aktenz. 20.01, Verkündbuch Kriegerdenkmal umzuändern. Die beiden Öhlberg“ bezahlt, ebenso eine nicht genann- 1876-1890 Vereine lehnten den Vorschlag aber, aus te Person „für 1 Fuhr Sand zum Öhlberg.“(26) 31) Seelmanns Lexikon der Ikonografie, Leipzig 2007, S. 309f verschiedenen Gründen, ab, unter anderem Die nächste Restaurierung war 1821 fällig, 32) Wie 31) brachte man vor, dass „… sich unter den im wie uns Pfarrer Kaspar Weltkriege gefallenen bzw. an den Folgen Gays in seinen tage- dieses Krieges seither gestorbenen 42 Söh- buchartigen Aufzeich- nen der Stadt Königshofen i/Gr. auch 3 Is- nungen berichtet: „Eben- raeliten befinden“(21). - ohne diesen Gesichts- so [Gays hatte für ver- punkt näher zu begründen. Für den Stadtrat schiedene Anschaffungen war dann die Ablehnung der beiden Vereine sammeln lassen – GT] der Grund, den Antrag Pfeuffers ebenfalls ward mit dem Gesammel- nicht anzunehmen, so dass der Ölberg an ten, wobei sich Barbara seinem alten Standort blieb, wobei der Pfar- Knauerin viel Mühe gab, rer darauf aufmerksam gemacht wurde, „daß der sogenannte Ölberg der Ölberg städtisches Eigentum ist.“(22) 1821 hergestellt.“ (27 22 Jahre später entdeckte der Stadtpfarrer, Wenig später, 1835 oder wie er in einem Brief an das Landesamt für 1836, war wieder eine Denkmalpflege mitteilte, eine „verlockende Reparatur erforderlich, Verwendbarkeit“ für den Ölberg, „nämlich zwar nicht am Ölberg zu einem gemeinsamen Priestergrab auf dem selbst, aber sie war zu Friedhof.“23) Aber auch dieses Vorhaben dessen Erhaltung notwen- scheiterte, aus uns nicht bekannten Gründen, dig: „An dem Öhlberche, doch Adam Pfeuffer schaffte es, 1943 ein war die steinern[e] Staf- Priestergrab errichten zu lassen, wie es heute fell [,] welche darüber noch im Friedhof steht, und der Ölberg be- zur Kapelle führt [,] dem hauptete bis in die Gegenwart seinen Platz Einsturz nahe, es muste an der Stadtpfarrkirche. daher solche eingelegt, neu aufgeführt werden 4b. Zur Vorgeschichte des Ölbergs [...]“(28) 35 Jahre danach Die, wahrscheinlich, älteste Nachricht über wurden Ölberg und Trep- einen Ölberg in Königshofen findet sich in pe beseitigt, um, in erster der „Königshouer Bau Rechnung uber das Linie, einen Treppenturm Kirchdach“(24) aus dem Jahr 1618, als man zur Vierzehnheiligenka- Dringend sanierungsbedürftig ist der Ölberg an der Stadtpfarr- die Dachziegel durch Schieferplatten ersetz- pelle erbauen zu können, kirche Bad Königshofen in unseren Tagen. Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­25

Literaturschau 2017

Peter Kolb: gemeinde angelegt hat, dieses für die Orts- Der Bezirk Unterfranken chronik zur Verfügung stellte. Theo Albert fertigte mit großem Engagement den Satz. 1852 – 1918 „Alsleben liegt an einem schönen sonnigen (Mainfränkische Studien 87) Bergrangen und hat eine sehr freundliche 340 Seiten, Hardcover mit farbigem Bildteil, Umgebung, besonders ist der Anblick des ISBN 978-3-88778-485-0, 24,00 Euro Dorfes von Süden aus majestätisch…“. So Der Bezirk Unter- beginnt der Alslebener Melchior Kast vor franken, der sich nunmehr 150 Jahren die Beschreibung sei- bis 1918 „Landrat ner Heimatgemeinde. Die erste urkundliche von Unterfranken Erwähnung im Jahre 866 verdankt der Ort und Aschaffen- der Übertragung von Gütern in Eyershausen, burg“ nannte, hat Herbstadt und Alsleben (in villa Adalolfes- das Land um den leiba) an das Kloster Fulda durch den Saale- Main in vielen Be- gaugraf Hessi. reichen geprägt. Einen interessanten Gang durch die Ge- Das betrifft vor schichte Alslebens, die eng verbunden ist mit allem das Schul- der Ursulakapelle, bietet die Chronik, in der und Ausbildungs- unter anderem den Kirchen, den Vereinen, wesen einschließ- der Schule, den Sagen und Legenden eigene lich des gewerblichen und landwirtschaft- Kapitel eingeräumt sind. lichen Sektors. Zwanzig Leitz-Ordner prall Seiten aufweisen, so viele Beiträge gingen in gefüllt mit Protokollen und zudem die Akten Hans-Jürgen Salier: den zurückliegenden Monaten bei Reinhold der unterfränkischen Regierung für die Zeit Auf dem Weg zum Erfolg. Albert ein, der zum elften Mal die Schrift- von 1852 bis 1918, das sind die Quellen, die Die Privatbrauerei Metzler in Dingsleben. leitung dieses beliebten Nachschlagewerks der ehemalige Kulturreferent des Bezirks Un- Eine Familien- und Firmengeschichte, IS- inne hatte. Aus den zur Verfügung stehenden terfranken, Dr. Peter Kolb, für sein neuestes BN: 978-3-943539-78 3, Preis: 24,90 EUR Beiträgen ein abwechslungsreiches und inter- Buch mit dem Titel „Der Bezirk Unterfran- Im Jahre 1895 essantes Jahrbuch zusammen zu stellen, war ken 1852 – 1918“ verarbeitet hat. Kolb lässt begann August trotz der Fülle der eingegangenen Beiträge seine Untersuchung im Jahr 1918 ausklingen, Metzler in sei- nicht einfach. weil die politischen Umwälzungen nach dem nem Thürin- Zahlreiche Beiträge aus dem Königshö- Ersten Weltkrieg eine gravierende Zäsur in ger Heimat- fer Grabfeld sind auch wieder im Jahrbuch der Geschichte des Landraths, der ab 1919 dorf Dingsleben 2018 enthalten. So u.a. Beiträge über die Fe- Kreistag hieß, darstellten. In diesem Buch (Lkrs. Hildburg- stung Königshofen, die Findelbergkirche, die werden eine Vielzahl von Aktivitäten vorge- hausen) erstmals Werke von Johann Joseph Keßler und vieles stellt, so dass zahlreiche Aspekte der unter- Bier zu brauen. mehr. Schnell wird das Jahrbuch 2018 sicher fränkischen Regionalgeschichte zur Sprache Dies war der Be- auch heuer wieder, wie in den zurückliegen- kommen. Vieles davon war bisher im Buch ginn einer außer- den Jahren, vergriffen sein. der Geschichte ein weitgehend leeres Blatt ordentlichen Erfolgsgeschichte. Die Privat- gewesen. Peter Kolbs Publikation zeigt, wie brauerei Metzler wird heute in fünfter Gene- Reinhold Albert sich unterfränkische Bürger zwischen 1851 ration geführt. Alle Irrungen und Wirrungen und 1918 an kommunalen Entscheidungspro- Schweickershausen der Geschichte hat die Familie mit großem Grenzenlos schön – Eine Chronik zessen beteiligten. Fleiß und Zusammenhalt, einer guten Portion Wagemut und Erfindergeist gemeistert. 260 Seiten, Gemeinde Schweickershausen Reinhold Albert 2017, Preis 19,80 Euro Alsleben – 1150 Jahre Geschichte Die Dingslebener Bierspezialitäten und ein großes Sortiment an alkoholfreien Getränken Eng mit der Vom Wandel einer lebendigen Gemeinde, sind weit über die Landesgrenzen hinaus be- Geschichte der 448 Seiten, ISBN: 978-3-942112-29-1, liebt. Hans-Jürgen Salier schlägt mit seinem Heimatgemein- Mellrichstadt 2017, 27,50 € Buch eine Brücke von den Anfängen des Un- de Sternberg Die urkundli- ternehmens über unglaubliche Geschichten des Autors ist che Ersterwäh- aus einem versunkenen Land bis hin zu dem die Geschichte nung Alslebens heute hochmodernen Betrieb der Privatbraue- von Schweic- vor 1150 Jah- rei Metzler GmbH & Co. KG in Dingsleben. kershausen im ren wurde im Heldburger Un- Juni 2017 ge- Heimatjahrbuch terland, gehörte feiert, aus die- Rhön-Grabfeld 2018, Folge 40 es doch über sem Anlass be- viele hundert Jahre zusammen mit Sulzdorf, schloss der Ge- Mellrichstadt 2017, Preis 19,10 € Schwanhausen und Zimmerau zur Truchseß meinderat, eine „Dass das Heimatjahrbuch von Jahr zu Jahr von Wetzhausen`schen Herrschaft Sternberg Chronik in Auf- umfangreicher wird, weist auf die Vielfalt im Grabfeld. In dem anlässlich der 700-Jahr- trag zu geben. Als bewährter Chronist erhielt hin, die unser Landkreis Rhön-Grabfeld in feier Schweickershausens, das im Sommer Reinhold Albert den Auftrag, der als Stern- den Bereichen Heimatgeschichte, Kunst und 2017 mit einem großartigen Fest gefeiert berger mit der Geschichte der Ursulakapelle Kultur, Musik und Mundart zu bieten hat, wurde, erschienenen Buch, wird ausführ- und des Nachbarortes Alsleben auch persön- der sich viele Menschen verbunden fühlen“, lich und kenntnisreich über Land und Leute lich eng verbunden ist. Der Autor sammelt schreibt Landrat Thomas Habermann im Vor- berichtet. Das Buch gliedert sich in die Kapi- schon seit 40 Jahren historische Unterlagen wort des Heimatjahrbuchs Rhön-Grabfeld tel Land und Leute, Geschichte, Historische über Alsleben und konnte „aus dem Vollen 2018, das nunmehr seit vier Jahrzehnten er- Orte, Schweickershäuser Persönlichkeiten, schöpfen“, zumal der Alslebener Manfred scheint. Gemeinsam, Kulinarisches und Brauchtum. Albert, der im Lauf der letzten Jahre ein groß- Eigentlich müsste das Heimatjahrbuch 2018 Es kann bei der Gemeinde Schweickers- artiges Bildarchiv (40 Ordner) seiner Heimat- statt des Rekordumfangs von 512 rund 750 hausen erworben werden. Seite ­­26 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 Der ehemalige BLLV-Kreisverband Bad Königshofen wird 150 Jahre alt

Hubertus Schneider Ordnungen, wecken das Forschen, beleben de hatten Max I. Joseph und sein Staatsmini- die Wissenschaften, führen zu einem neuen ster Montgelas (1759–1838) das Schulwesen Vor 150 Jahren, am 13.8.1867, schlug die Menschenbild, zu dem Emanzipation und zur staatlichen Sache erklärt. Wie ernst es Geburtsstunde des „Bezirksschullehrer Ver- Bildung gehören. dem Landesherrn damit war, wird dadurch eins“, des ehemaligen Bayerischen Lehrer- belegt: Eine öffentliche Abschlussprüfung und Lehrerinnenverbands (BLLV) Königs- Der Schulmeister wird mit Entlassungsschein ist Voraussetzung für hofen. Dies ist das Ergebnis der Nachfor- vom Seminarlehrer abgelöst behördliche Genehmigungen zur späteren schungen, die durch Fusion mit dem grö- Die „Deutsche Schule“, als Gegensatz zur Verheiratung, für Lehrverträge bei Hand- ßeren BLLV Zweigverein Bad Neustadt am Lateinschule, wird nach der Reformation ab werkern, zur Besitznahme eines Gutes oder 22.3.2017 ausgelöst worden waren. ca. 1560 oft nur in Städten eingeführt, das Hauses. Dass die Entdeckung der Gründungsurkunde deutsche Kirchenlied braucht kein Latein 1804 wird ein „Neuer Lehrplan für die chur- eben dadurch ins Rollen kam, mutet schon et- mehr. Hier sollen die 9 bis 12jährigen Buben pfalz-baierischen Elementar-Schulen“ von was grotesk an. Für die Schlussveranstaltung und erstmals auch Mädchen, um 1650 wieder Staatsrat Joseph Wismayr an allen öffentli- waren gerade die Protokollbücher der Jahre untersagt, der ärmeren Bürgerschicht deutsch chen Schulen eingeführt, der bis 1926 Be- 1951 bis 1975 archiviert und auszugsweise lesen und schreiben lernen. Laien, stellungs- stand hat. Mit straff organisierter Verwaltung, als Präsentation zusammengestellt worden, lose Geistliche, fahrende Leute oder ver- dem planmäßigen Bau von Schulhäusern, da förderten die Aufräumarbeiten den Akten- krachte Existenzen werden hier als Deutsche dem Druck von Schulbüchern und der Vor- umschlag mit den historischen Dokumenten Schulmeister zum Minimallohn beauftragt. schrift einer eigenen Lehrerbildung (Amberg, zutage. Und das kam so: Helmut Funk, Kas- Selber lesen und schreiben zu können reichen Altdorf, Eichstätt, …) schafft Max IV. die sier der letzten 33 Jahre, war 1992 bei seiner aus, um ein Handwerk, das sich hauptsäch- Bedingungen für einen beständigen Schulbe- Arbeit in der Bad Königshöfer Volksschule lich im Einüben von Gehorsam und der Züch- such, ohne Rücksicht auf die Konfessionen aufgefallen, dass in einem Gruppenraum ein tigung verstand, auszuüben. In Königshofen, der Kinder (Toleranzedikt von 1804). schmaler Metallschrank aufgebrochen wor- das 1597 unter Julius Echter (1545–1617) ein den war. Sein Inhalt, u.a. eben jene 63 Blät- neues Schulgebäude nahe der Kirche erhält, Erstes Lehrerseminar in Würz- ter, lag verstreut und beschädigt herum. Als ist das 1620 Georg Ullrich. Ihm folgen noch burg mit Königshöfer Lehrer er sah, worum es sich handelte, rettete er die- etliche Schulmeister und Kantoren als jeweils Im Hochstift Würzburg, grob betrachtet heute se Papiere, ordnete sie zuhause, registrierte zweite Lehrer, wie bei Sperl zu lesen ist. in etwa Unterfranken, schaffen in „vorbayri- den „Fund“, verwahrte das Bündel in einem scher Zeit“ drei Fürstbischöfe die Grundla- BLLV Karton und vergaß es – eben bis zu je- Schule auf Befehl, gen für die mainfränkische Schule: nen Tagen im März 2017. doch ohne Wirkung Adam Friedrich von Seinsheim (1755–1779) Doch zunächst einige allgemeine Ausfüh- 1682 erlässt Kurfürst Maximilian II. Emanuel führt bereits 1762 die Allgemeine Schul- rungen zur Entwicklung des „bairisch-main- (1679–1726) eine „Schul- und Zuchtordnung pflicht mit Lehrplänen, ganzjährigem Unter- fränkischen Schulwesens von 1700 – 1920“ im Chur-Fürstentum Bayern“. Jedes Viertel- richt und Schulzwang ein. Er gründet 1770 im Hinblick auf die Gründung des Lehrer- jahr ist eine Liste der Schüler zu erstellen, in Würzburg das erste Lehrerseminar im süd- verbandes. Die Beschäftigung mit der Ent- diese dem Schulherrn bzw. dem Pfarrer zu deutschen Raum, das noch im selben Jahr stehung unseres Bayerischen Lehrer- und übergeben, der auch über die Aufnahme neu- die Arbeit aufnimmt. Unter den ersten Semi- Lehrerinnenverbandes (BLLV), Kreisver- er Schüler unterrichtet werden muss. Ohne naristen 1770/71 ist auch Jörg Joseph Roß- band Bad Königshofen, führt zwangsläufig Vorwissen des Schulmeisters darf kein Kind hirt (1751–1820), der bereits im September zur Geschichte des Hauptvereins und damit von der Schule fernbleiben. Den Schul- und 1771 (in Königshofen?) angestellt wird und unabwendbar in die Schulgeschichte Bayerns Jungmeistern sind Nebenverdienste unter- von 1811 (?) bis zu seinem Tod 1820 Rek- bzw. Mainfrankens. In ihr liegen die Wurzeln sagt, das Gehalt (ohne Angabe) und das vor- tor in Königshofen ist. Ebenfalls 1770 richtet für das Werden und das Wesen dieses heu- geschriebene Schulgeld vermögender Kinder Adam Friedrich eine fürstbischöfliche Schul- te gewichtigen pädagogischen Verbandes im müssen reichen. kommission ein. Sie allein entscheidet über bayerischen Bildungsbereich. 1770 erfolgt unter Kurfürst Max II. Joseph die Besetzung der Schulstellen, so dass nur (1745–1777), der als Förderer von Kunst und noch Seminaristen eingesetzt werden. 1774 Das Zeitalter der Aufklärung Wissenschaft die Bildung als Aufgabe des erlässt er eine Stadt- und Landschulordnung, Mit der Epoche der Aufklärung (18. Jh.) Staates versteht, eine erneute Verordnung die den Betrieb für die untere Schulebene kommen gravierende soziale und politische der Schulpflicht. Allerdings fehlt es zur Um- regelt und auch die Lehrgegenstände, die Fä- Veränderungen auf Europa zu. Die industriel- setzung an den dafür nötigen Lehrern und cher und ihre Inhalte vorschreibt. le Revolution leitet den Wandel der agrarisch Schulräumen. Franz Ludwig von Erthal (1779–1795) führt geprägten Gesellschaft ein, die Unabhängig- diese Entwicklung fort: Wegen der miserab- keitserklärung der Vereinigten Staaten 1776 Allgemeine Schulpflicht len Bezahlung erlässt er 1783 eine Verord- schreibt zum ersten Mal grundlegende Men- mit Nachdruck nung über die Gehälter der Lehrer, von 40 schenrechte (wie das Recht auf Leben, Frei- Schließlich setzt Herzog Max IV. Joseph Gulden für die Kantoren (zweite Lehrer am heit …) verbindlich fest, die Französische (1799– 1805), der spätere König Max I. Jose- Ort mit Kirchendienst), 80 als Mindestein- Revolution 1789 beginnt mit der Befreiung ph von Bayern (1806–1825) am 23.12.1802 kommen für Lehrer des Seminars, gestaffelt aus der Bevormundung durch Adel und Kir- eine Allgemeine Schulpflicht ein „… alle in 40er Schritten bis zu 200 Gulden für gut che, fordert Bürgerrechte und den Staat für Kinder vom 6ten bis wenigst ins vollstreckte dotierte Schulstellen. Dies ist quasi eine Ge- das Gemeinwohl. 12te Jahr“ und „… das ganze Jahr hindurch, haltsverdoppelung, und macht wirtschaftlich Die zahllosen Kriege und Besatzungszei- von Mitte des Julius bis 8. September als der unabhängiger, doch wie in jener Zeit üblich, ten, die wechselnden Bündnisse und Lan- gewöhnlichen Aerntezeit ausgenommen“. reicht das nicht aus. 1785 ordnet er den Bau desherren machen Land und Leute arm und Diese Werktagsschule wird 1803 um die Fei- bzw. die Instandhaltung von Schulhäusern unsicher. Der Wiener Kongress schafft zwar ertagsschule mit Christenlehre erweitert. Sie an. Bücher für Schüler und Lehrer kommen wieder territoriale Ordnung, bremst jedoch beginnt direkt im Anschluss an die Werktags- heraus, Mädchenschulen mit weltlichen Leh- durch die Restauration mit Verboten und schule und muss bis zum Beginn des 18. Le- rerinnen und die sog. Industrieschulen wer- Zensur die Freiheitsbestrebungen erheblich bensjahres (ab 1856 bis zum Beginn des 16. den eingerichtet. Die Ausbildungszeit im aus. Verstand und Vernunft hinterfragen die Lj.) besucht werden. Mit der Auflösung des Lehrerseminar Würzburg wird auf ein ganzes tradierten, unveränderbaren, gottgewollten Geistlichen Rates seit 1573 als Zentralbehör- Jahr verdoppelt, es werden von ca. 100 Prüf- Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­27 lingen nur 16 bis 18 aufgenommen, das soll die Qualität sichern. Bereits 1784 stellt die Schulkommission fest, dass „… die Zahl der tüchtigen Lehrer größer sei, die der unfähi- gen erheblich geringer als man angenommen habe.“ Franz Ludwig von Erthal krönt sein Werk, indem er eine Professur für Pädagogik an der Universität Würzburg einrichtet. Auch sein Nachfolger, Karl Georg von Fe- chenbach (1795–1808), fördert die Quali- tät der Schule: So muss ein erst ausgebil- deter Lehrer, das war mit 19 bis 20 Jahren bereits möglich, fünf Jahre lang an einer Kantoren- oder geringer dotierten Schulstel- le Dienst tun, bevor er sich auf eine bessere Stelle bewerben kann. Dazu ist ein „Gene- ralkonkurs“ (Fortbildung) erforderlich, alle sechs Jahre ist für jeden Lehrer eine neue Prüfung bestimmt. Ab 1840 unterrichten an unterfränkischen Schulen nur noch Semi- narlehrer aus Würzburg, Bamberg oder Alt- dorf bei Nürnberg (evang. Lehrerseminar).

Wechselnde Landesherrschaft Unter Napoleons Machteinfluss endet im Zu- ge der Säkularisation am 27.11.1802 die Lan- desherrschaft des Fürstbischofs, das Gebiet des Hochstifts Würzburg kommt durch die Pariser Mediationsakte (03.06.1802) und den Reichsdeputationshauptschluss (25.02.1803) zu Bayern, das von Max IV Joseph regiert wird. Bereits am 26.12.1805 wechseln (durch Ge- bietsabtretung des Kurfürstentums Salzburg an Österreich und im Tausch gegen Tirol) die Besitzverhältnisse erneut: Ferdinand III., ehemaliger Großherzog von Toskana, wird Landesherr, Würzburg wird Kurfürstentum und 1806 Großherzogtum. Im Mai 1814 er- hält Ferdinand nach dem Sturz Napoleons das Großherzogtum Toskana zurück und durch den bayerisch-österreichischen Staatsver- trag vom 3.6.1814 geht das Großherzogtum Würzburg nach achteinhalb Jahren an das Hubertus Schneider, Autor dieses Beitrags, hält den Auszug aus der Urkunde mit den Namen Königreich Bayern, wird dort zum späteren der Gründungsmitglieder in seinen Händen. Untermainkreis (1811). Wie zahlreiche Verordnungen jener Jah- Zum Leben zu wenig, Die Jahreseinkünfte des Mädchenlehrers re zeigen, sind beide Landesherren um das zum Sterben zu viel Thomas Stephan belaufen sich 1818 auf 217 mainfränkische Schulwesen bemüht. König Ein Stadt- und Marktschullehrer sollte nach Gulden, abzüglich 3 Gulden 39 Kreuzer Be- Max I. Joseph wendet sich bereits wieder am ministerieller Empfehlung von 1804 etwa soldungssteuer. Bleibt noch der Knabenlehrer 14.7.1814 mit einem Schreiben an die De- 400 Gulden, ein Lehrer am Dorf wenigstens und Kantor Kaspar Wirsching, der insgesamt chantpfarrer, die für eine einfachere Weiter- 300 Gulden jährlich von der Gemeinde erhal- 133 Gulden bekommt. So wie Roßhirt bereits gabe seiner Schul-Weisungen über die Ge- ten. Ein Stadtschreiber bekommt seinerzeit 1770/71 das Seminar in Würzburg absolvier- meindeboten sorgen sollen. bereits um die 500 Gulden im Jahr. Weiterhin te, waren auch Stephan 1809/1810 und Wir- Während eines knappen halben Jahrhunderts bezeichnend ist die Musterrechnung über den sching 1814/15 dort ausgebildet worden. ist trotz kriegerischer Zeiten, Geldknappheit Bedarf zum Lebensunterhalt einer sechsköp- Da ist es den dreien nicht besser gegangen als und manchen Widerstands aus der Landbe- figen Schullehrerfamilie in Bayern 1846, sie den meisten ihrer Leidensgenossen. Fraglich völkerung, es fehlte die Arbeitskraft der Kin- kommt auf 600 Gulden Minimum. auch, ob immer alle Naturalien verfügbar wa- der, Schule zu einem festen, verbindlichen In Königshofen ist im „Protokollenbuch“, das ren. Der folgende Beitrag treibt damit seinen Bestandteil des Alltags geworden. von Dechantpfarrer Gays geführt wird, der Spott: „Neuester Menschentarif“, aus den in auch Lokalschulinspektor ist, zu lesen: Jörg München erscheinenden „Fliegenden Blät- Joseph Roßhirt erhält 1818 als Lehrer an der tern“ (Bd. IV Nr. 94, 1845, S. 184): (https:// Nöte der Lehrer lateinischen Schule und Rektor an Geld und www.pressglas-korrespondenz.de/aktuelles/ Auch das Bild des Lehrers hat durch die Se- an „Geld angeschlagenen Naturalien“ (Wei- pdf/pk-2011-3w-klose-preise-1800-1900. minarpflicht, die später bis auf zwei Jahre zen, Korn, Hafer, Holz) 257 Gulden, wovon pdf) (ab 1814) ausgedehnt und mit drei Präparan- 170 Gulden „des Dienstes Ertrages an Geld“ „An der Spitze des „Menschentarifs“ steht diejahren als Vorbereitung erweitert wurde, sind, abzüglich 4 Gulden 12 Kreuzer Besol- die Sängerin, die 1.000 Gulden pro Abend be- zwar einen merklichen Wandel erfahren, aber dungssteuer. Berücksichtigt sind freie Woh- kommt, während sich der Bankier und selbst das Ansehen der Lehrer in der Gesellschaft, nung im Schulhaus mit einem Keller, Holzle- der Fürst mit 1.000 Gulden pro Woche be- ihre rechtliche und soziale Stellung und ihre ge, nebst einer verschlossenen Holzkammer, gnügen müssen. Minister und Feldmarschall wirtschaftliche Situation waren hinter dieser Schweineställen, einem Getreideboden und können monatlich über 1.000 Gulden verfü- Entwicklung weit zurück geblieben. einem Hausgärtchen. gen, Advokat und Arzt über 1.000 Gulden Seite ­­28 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 im Vierteljahr. Richter und Pfarrer kommen damit entsteht eine noch größere Abhängig- te, wenn man um seine Gesundheit fürchtete jährlich auf 600 Gulden, Nachtwächter und keit von den Geistlichen, die die Lokalschul- oder zu viele minderjährige Kinder da waren. Viehhirte bekommen 5 Sechser (Münzen zu aufsicht hatten. So waren auch die Volks- 1848 beschrieb ein Abgeordneter in den Ver- 6 Kreuzer) pro Nacht bzw. Tag. Ganz unten schullehrer arme Leute. Für eine Familie mit handlungen der Nationalversammlung die stehen der Dichter, er „verachtet das Irdi- mehreren Kindern reichte das Einkommen Lage so: „Es gibt ein deutsches Land, Bay- sche und speist an Jupiters Tisch“, und der selten aus, an Vorsorge für den Ruhestand ern, wo der arme Volksschullehrer kein ande- Schullehrer, der sich die Haare rauft, denn er und im Todesfall für die Witwe und Waisen res Heimatrecht besitzt als das des Grabes.“ „hat zu viel zum Sterben und zu wenig zum war gar nicht zu denken. Erst am 24.12.1849 unter Maximilian II. än- Leben. ….Das Einkommen der Schullehrer, derte sich das: „Jeder ... Schullehrer, der .. d.h. insbesondere der Volksschullehrer, war Vom Staat bestellt, drei Dienstjahre zurückgelegt hat, erwirbt extrem niedrig; 1835 lag das Jahreseinkom- doch keine Staatsdiener kraft des Gesetzes die Ansässigkeit …. in je- men bei über der Hälfte der Lehrer unter 200 Auch der Staat ließ sie damit im Regen ste- ner Gemeinde, in welcher er bei Ablauf jener Gulden.“ hen. Ernannt wurden Lehrer im Kurfürsten- Frist angestellt ist.“ An anderer Stelle heißt es: „Schullehrer tum Baiern ab 1799 vom Kurfürsten bzw. 1835: von den bayerischen Lehrern bekamen seinem Ministerium, ab 1815 wurden alle Selbsthilfe fordert Maßnahmen pro Jahr: 451 Lehrer über 400 fl.; 852 Lehrer Lehrerstellen durch die Kreisregierungen be- des Staates 300-400 fl.; 2.090 Lehrer 200-300 fl.; 3.943 setzt. Laut Verfassung von 1818, in der die Angesichts dieser Miseren gab es frühzei- Lehrer unter 200 fl.“ Lehrer nicht als Stand berücksichtigt waren, tig zahlreiche Initiativen für Hilfskassen für Die Stadtschullehrer sind besser dran, da sie war das Schulwesen „Gegenstand der Staats- Witwen und Waisen der Schullehrer – für die zumeist ein festes Bareinkommen in doppel- polizei“, also der Staatsverwaltung, was sich meisten Beamtenklassen gab es bereits staat- ter bis dreifacher Höhe bekamen, sich des- auch auf den Status des Lehrers hätte auswir- liche – wobei das Anfangskapital stets das halb nicht oder nur selten um Lohn in Natu- ken müssen. So empfahlen auch die Abgeord- große Problem darstellte. 1728 bestand eine ralien zu bemühen hatten. neten der beiden Kammern der Ständever- Hilfskasse der evangelischen Lehrer in Augs- Für den Dorfschullehrer sind Nebeneinkünfte sammlung im April 1819: „Für die Witwen burg, 1729 eine der Lehrer in Frankfurt/Main, unabdingbar. 1810 wird den Lehrern zur Ver- und Waisen der Lehrer muß gesorgt werden, 1788 in mainzischen Gebietsteilen und 1813 besserung der Einkommensverhältnisse der weil es die Noth derselben und die Verdienst- im Department Aschaffenburg. Mesner- und Organistendienst „verliehen“, lichkeit dieses Standes schreiend verlangt.“ Im Protokollbuch der Königshöfer Schulen Es galt auch die Ansicht, dass ein durch eine vermerkt Pfarrer Gays als Lokalschulinspek- Witwenkasse versorgter Lehrer der gebilde- tor im Mai 1818 eine Vorausberechnung für ten Schicht angehöre, so auch bei den reichen ein geplantes Schullehrer-Witwen-Pensions- Lotte Uhlein Mädchen als gute Partie gelten würde, was Institut, je 25 Gulden Verdienst werden 15 Der Drache ihn wiederum besser versorgte und er sich Kreuzer berechnet. dem Unterricht mehr widmen könne. Es folgte das Dekret vom 10.5.1821 für alle Der Herbst ist nu doa. Moalt gons forbich Diesen parlamentarischen Antrag sowie An- Regierungsbezirke, mit dem das „Institut für die Wälder on tüchtich blößt der Wend fragen der Lehrer zu ihren Dienstverhältnis- Witwen und Waisen der Schullehrer des Un- üwer die ohgeärnte Felder. Dos ist grod sen lehnte der König ab, da ihnen die wesent- termainkreises“ gegründet wurde. Alle defi- es richtige Waader heut. Däß mer läßt lichen Merkmale des Staatsdieners fehlten, nitiven Lehrer, alle Aushilfslehrer zahlten 10 seun Drache steich. Onde die Melz off „.. indem sie dem Staat nur mittelbar, unmit- % des Gehalts der ersten Anstellung, 10 % dere Wiese welle mir’s probier. Sicher is telbar aber den Gemeinden dienten und weil einer Erhöhung und 1,33 % des Jahresein- dos der richtich Platz defür. Der Wend sie ihren Unterhalt nicht aus der Staatskasse, kommens als Beitrag, auch Lehrerinnen, die lässt sich nu net long bitt, derwescht on- sondern meistens aus Gemeindemitteln bezö- sich nicht verehelichen durften. 1864 betrug nern Drache on nimmt en ach gleich mit. gen.“ Damit bestand für sie kein Recht auf das Witwengeld daraus 80 Gulden, Waisen Gons gschponnt gucke mir nauf ‚s Fir- Ruhestandsbezüge, ihre Witwen und Waisen bis zum 16. Lebensjahr erhielten 10, Doppel- mament boe die Herbstsonne ner noch hatten keinen Anspruch auf Versorgung. waisen 16 ½ Gulden. schpoarsom brönnt. Mir zwee sen nun Stattdessen wurde diese Aufgabe auf die Ge- Für 1871 werden für den Untermainkreis gons närrisch vor Glöck. Denn mir halte meinden abgewälzt, aber nur dann, wenn die 1386 Lehrer angegeben. Auszahlungen wie vo dere Dracheschnur scho es letzte Stöck. Hinterbliebenen der Lehrer „… der Klasse 1864 erfolgen an 380 Witwen, 161 Waisen, Die Klee fängt oh on höpft on schreit: der eigentlich armen und erwerbsunfähigen 29 Doppelwaisen. Für dasselbe Jahr wer- „Meu Drache sieht sächer es Christkenelä Gemeindegenossen angehören; ..“, was bei den bayernweit 9852 Lehrer gezählt, im Jahr heut, schpätzt jetzt neu en don himmlisch- den dargestellten Einkommensverhältnissen darauf 2198 Lehrerwitwen.1844 mussten in en Saal. Oma, wenn ich dos ner ach könnt, ja stets zutraf. allen Regierungsbezirken „Schullehrer-Wit- nur ein einziges Mal!“ wen-und Waisen-Pensionsvereine mit Öffent- Behutsam ich ihr nu erklär, des es noch Nicht nur mittellos, lichkeitscharakter“ gebildet werden, in die eh Welle dauert bis Woihnochte wär. Der sondern auch heimatlos alle Lehrer einzuzahlen hatten. Herrschekloes is jo ach noch net so weit, Dabei spielte das Heimatrecht eine wesentli- Doch angesichts der bedenklich hohen Sterb- denn der kömmt erscht en der Adventszeit. che Rolle. Heimatrecht, damit ein Recht auf lichkeitsrate auch bei Lehrern, der vielen Doch doamit git sie sich net zefriede, will Armenunterstützung, hatte zunächst jeder Witwen und der großen Zahl an Waisen, war gleich wess: „Oma, is denn scho bepackt Untertan nur in seinem Geburtsort. Wer an- es auch für den BLV ein Muss, für seine Mit- der himmlische Schliede?“ dernorts sesshaft werden wollte, musste vom glieder Hilfsfonds einzurichten. Das Bayeri- „Doe mösse doch doe obe noch allerhand Magistrat in die Gemeinde aufgenommen sche Lehrerwaisenstift des BLV wurde 1864 richt, die Wohnochtsengelich helfe debei, werden. Heimatrecht erwarb man sich auch aus der Taufe gehoben. Es besteht noch heute, es sen scho vielle an der Zahl!“ On die durch Verehelichung, der jedoch der Magi- kämpft wie viele andere Stiftungen in Folge Klee batteld mich oh: „Och Oma, strat, mit Blick auf eine möglichst gesicherte der Finanzpolitik ums Überleben, auch wenn wär ich ner ä Drache - nur ein einziges Versorgung, zustimmen musste. Witwen und es, zum Glück, nur wenig gefordert wird. Mal!“ Gons fest nos Herz dröck ich meu Waisen waren damit ein Fall der Verordnung Enkelä schnell o n denk: „Gern wer ich über das Armenwesen, der die Gemeinde, Erste Lehrervereine entstanden ach oh don Drache seu Stell, ja es wär auch wenn sie es wollte, kaum nachkommen Aus diesen und weiteren Nöten heraus bilde- monchmol gons schöe, könnt mer wie so konnte, zählten doch auch die Hinterbliebe- ten sich nicht nur besagte Unterstützungsver- ä Drache vielmoals hoach üwer Allem nen der im Krieg gefallenen Soldaten und eine. An mehreren Stellen erschienen erste gschtehä, lies don gonse unnötiche Ballast Gesellen, die keine Meister werden konnten Zeitschriften. In Nürnberg war am 1.10.1821 onde lieche, tät läicht wie ä Drache flieche dazu (noch bis 1867). Das hatte zur Folge, der „Nürnberger Lehrerverein“ mit 170 Mit- – flieche!“ dass die Gemeinde einem zugewiesenen Leh- gliedern und einer eigenen Zeitschrift ent- rer die Ansässigmachung verweigern konn- standen. Sie widmete sich in ihren Ausgaben Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­29 den Fragen des Lehrerseins und der Berufs- wieder die Oberhand, in Unterfranken kam es Faktors“. Religiös, königstreu, schlicht und ausübung, machte erste schulpolitische For- zu zahlreichen Strafversetzungen in der Leh- bescheiden, sozial untergeordnet – so sah das derungen deutlich: Volksschule muss Staats- rerschaft. Die aufgehobene Zensur und das Wunschbild des Lehrers aus. angelegenheit, die Volksschullehrer müssen verbesserte Heimatrecht für die Lehrer wa- Das mag sehr verwundern, denn mit König Staatsdiener werden. Trotz der 345 Mitglie- ren minimale Zugeständnisse der Obrigkeit. Maximilian II. war seit 21.3.1848 ein studier- der, z.T. auch aus Unterfranken, wurde der In dieser Abwehrhaltung des Staates wurde ter, weltgewandter Liberaler, wissenschafts- Verein aufgelöst, bestand aber formlos weiter. am 20.10.1842 der zweite Nürnberger Leh- orientierter und reformfreudiger Regent an Gewachsenes Nationalbewusstsein und die rerverein gegründet. Ihm werden bereits 37 der Macht. Er schaffte die völlige Bauernbe- Freiheitsbestrebungen, insbesondere in der Zweigvereine zugeschrieben, darunter fünf freiung, die Aufhebung der Privilegien des Studentenschaft, führten im Wartburgfest am unterfränkische: Aschaffenburg, Baunach- Adels, Vereinsfreiheit und ein neues Wahl- 18.10.1817 zu einer erster Großdemonstra- Ebern, Haßfurt, Kitzingen, Schweinfurt. Er recht, das die Ständeordnung beseitigte und tion gegen die Beschlüsse des Wiener Kon- sollte als Zentralverein in Nordbayern, wo- 1849 eine Volksvertretung aus zwei Kam- gresses, die die Macht der Fürsten wieder möglich auch für ganz Bayern, alle Kreis- mern einsetzte. Womöglich konzentrierte stärkten und einen Nationalstaat verhinder- und Zweiglehrervereine in sich aufnehmen. sich seine Energie zu sehr auf die Königs- ten. Das Attentat auf August von Kotzebue In eigener Regie waren auch fünf Bezirksver- stadt mit Museen, Maximilianeum und seinen im März 1819 bewirkte die Karlsbader Be- eine entstanden in: Bad Kissingen, Eltmann, Künstlertreffen in der Residenz. schlüssen, womit liberale Tendenzen durch Lohr, Rothenfels und Würzburg. Sie schlos- Pressezensur und Einschränkung der Mei- sen sich noch 1848 zum ersten Unterfrän- 1861 wird ein Bayerischer nungsfreiheit überwacht und bekämpft wur- kischen Kreislehrerverein zusammen. Auch Lehrerverein gegründet den. So kam es unter dem anfänglich liberal hier kam ein Rückschlag durch die Reaktion: Eine neue Initiative, die Volksschullehrer und eingestellten König Ludwig I. von Bayern Im September 1849 löste die Regierung von spontane Vereine in einer Organisation zu- (1825–1848) und dem streng konservativen Unterfranken die Kreisvereine Aschaffen- sammenzuführen soll, ging erst wieder 1861 Innenminister Carl August von Abel (1788- burg und Schweinfurt auf, sie bestanden aber von dem Lehrer Karl Heiß (1827–1911) aus 1859) eher zu Rückschritten in der Volks- und wie andere formlos ohne Satzung weiter. Nur Achdorf bei Landshut aus. Als Redakteur in der Lehrerbildung. wenig später, im Juni 1850, wird auch der der Bayerischen Lehrerzeitung schrieb er im Auch der private Bereich wurde einge- zweite Nürnberger Lehrerverein von der Re- August 1861 einen Aufruf „.. daß nur mit schränkt: Lehrern war ein ganzes Jahrzehnt gierung Mittelfranken durch das neu geschaf- vereinter Kraft Großes erreicht …. werden ausdrücklich der Besuch von Wirtshäusern fene Vereinsgesetz vom 16.2.1850 aufgelöst: könne“ zur Gründung des Bayerischen Leh- und Tanzveranstaltungen, die Jagd und das „…politischen Vereinen nicht gestattet ist, mit rervereins auf, der großen Widerhall fand. Tragen von Bärten verboten. Das Hambacher anderen in der Art in Verbindung zu treten, An Weihnachten kamen rund 200 Lehrer aus Fest 1832 beflügelte erneut die Freidenker daß mehrere Vereine unter einem gemeinsa- ganz Bayern in Regensburg zusammen und des Vormärz, was verschärfte Zensur, Verur- men Organ vereinigt werden.“ (Art. 17). gründeten am 27.12.1861 im Reichstagssaal teilungen und Rettung durch Flucht zur Folge Auch das nächste Jahrzehnt stand noch im des Rathauses den Bayerischen Lehrerver- hatte. Die Märzrevolution 1848, deren Ge- Zeichen der Restauration. 1853 verbot man ein (BLV). Sie wählten einstimmig den In- danken durch die Volksschullehrer stark ver- den Lehrern, die Schriften führender Pädago- itiator Karl Heiß zum Vorsitzenden. Wirk- treten wurden, nährte neue Hoffnung. Damit gen zu lesen. Zwar wurde die Schulpflicht te dabei auch sein Freund Georg Nikolaus waren auch ihre Hauptforderungen sehr deut- 1857 um ein siebtes Schuljahr verlängert, Marschall aus Unterfranken (Bieberehren) lich geworden: Die Volksschule wird Staats- doch das „Normativ von 1857“ senkte das mit, so dauerte es hier noch drei Jahre, bis angelegenheit, unabhängig von Gemeinde Niveau des Lehrplans, stufte wesentliche am 29.9.1864 der „Unterfränkisch-aschaffen- und Kirche, alle Lehrer werden Beamte, glei- Fächer wie Geschichte, Geographie, Natur- burgische Lehrerverein“ – später Unterfrän- ches und gerechtes Einkommen und Wechsel lehre zu Nebenfächern ab, dafür hob es in kischer Kreislehrerverband und heute ULLV von der kirchlichen Schulaufsicht zur staatli- allen Bereichen die religiösen Anteile. Es – in Würzburg gegründet wurde. 38 Einzel- chen. Diese Postulate wurden auch von un- griff in die Seminararbeit ein, sorgte für vereine mit bereits 884 Mitgliedern wurden terfränkischen Lehrern in der Nationalver- ständige Beaufsichtigung der Seminari- hier zusammengeführt, deren 1. Vorsitzender sammlung vorgebracht. Doch nach geschei- sten, beabsichtigte die „Ausschaltung des Lehrer Georg Rupert Benz (1800 – 1879) aus tertem Umsturz gewannen die Konservativen (Lehrer)Standes als eines kulturpolitischen Versbach wurde.

Eines der ältesten Schuldbilder im Königshöfer Grabfeld entstand 1887 in Alsleben. Seite ­­30 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017

II., der die Staatsgeschäfte im Prinzip seinen Rudolf Belz (+ 05.12.2008), Vorsitzender Beamten überlassen hatte und in der Zeit des von 1971 bis 1975, beging mit dem Kreis- Prinzregenten Luitpold (1886 -1912) sowie verband am 8.7.1971 die Hundertjahrfeier. des letzten Königs von Bayern Ludwig III. Zum Festakt kamen der damalige, erst kürz- (1913–1918) wurde die gängige Lern- und lich verstorbene BLLV-Präsident Wilhelm Stoffschule durch die Reformpädagogik, Ebert, zahlreiche Ehrengäste der Region aus Landerziehungsbewegung und die Arbeits- Politik, Schule und Kirche und etliche Busse schule nach Kerschensteiner zur „moder- mit Mitgliedern der umliegenden Kreisverei- nen“ Volkschule. Von den Vorstellungen und ne. Vor dem Festakt wurde am Geburtshaus Forderungen des BLV wurden derzeit noch des Pädagogen Dr. Ernst Weber (1873) eine realisiert: Ab 1907 kam ein achtes Schuljahr Gedenktafel zu dessen Ehren vom damali- dazu (auf dem Land meist erst nach dem 2. gen Kreisheimatpfleger Rektor Otto Schulz Weltkrieg), die Sonntagsschule wurde ersetzt (1914 – 2001) enthüllt. Die Presse titelte durch den Besuch einer Berufsfortbildungs- damals: „Mekka der Pädagogen für einen schule, aus der ab 1930 die Berufsschule her- Tag“. Es war schwer zu verstehen, dass die vorging. vmtl. 40 Lehrer des einstigen Bezirks Kö- Die Bildung einer eigenen Besoldungsgruppe nigshofen in dieser Zeit des Aufbruchs erst für Lehrer wurde seit 1908 jahrelang betrie- sechs Jahre später als ihre Kollegen im Be- ben, doch der Ausbruch des 1. Weltkrieges zirk Neustadt in einem eigenen Zweigverein ließ keinen Beschluss des Landtags mehr zu. zusammen fanden, obwohl ihnen genau die Dafür wurde am 14.08.1918 das Volkschul- gleichen Probleme das Leben beruflich und Aktendeckel von 1867 gesetz beschlossen, das festschrieb: „Die privat schwer machten. Zudem ließ sich in Lehrer sind Beamte des Staates.“, was auch den Unterlagen nirgends ein Beleg für dieses den langen Besoldungsstreit zugunsten der Gründungsdatum finden. Erfolge trotz Widerstand Lehrer beendete. Die geistliche Schulauf- Mit den Kernforderungen nach einer Volks- sicht wurde am 16.12.1918 abgeschafft, die Kreisarchivpfleger Reinhold Albert weiß Rat: schule als Institution des Staates und der Auf- ausschließliche Kontrolle, festgeschrieben hebung der kirchlichen Schulaufsicht rief der in Art. 144 der Weimarer Verfassung vom Staatsarchiv Würzburg BLV einen massiven Streit um die Rolle von 11.8.1919, lag nun in Händen des Staates. In einem von Reinhold Albert in vielen Jah- Staat und Kirche in der Schule wach. Dies Für den Durchbruch der jahrzehntelangen ren verwahrten, gut gegliederten Quellen- und ebenso seine religionsoffene Denkart kri- Forderungen war der Volksschullehrer Jo- bzw. Archivalienverzeichnis fand sich in den tisierten die Kirchen als zutiefst verletzend, hannes Hoffmann (1867-1930) maßgeblich, ca. 500 Seiten ziemlich rasch folgender Ein- ja als Schmach, und führten, auch über die allerdings als Kultusminister der Regierung trag: „Ortspolizei und öffentliche Sicherheit Presse, einen erbitterten Kampf gegen viele Eisner (1867–1919). Das Eheverbot für Leh- – Vereine politischen und nichtpolitischen BLV-Funktionäre. rerinnen fiel jedoch erst 1921. Charakters - Vereinsgründungen ältere Serie Dazu gründete Ludwig Auer am 1.7.1867 in – Bezirkslehrerverein zu Königshofen 1867“. Berching den „Katholisch-pädagogischen In Bad Königshofen Wie jede Vereinsgründung in jener Zeit mus- Verein in Bayern“ (KPV), der mit 17 Leh- aufgefundene Unterlagen sten auch die Lehrer ihren Verein am König- rern und 13 Geistlichen bewusst kein Leh- 63 Blätter, teilweise Doppelbögen in zwei lichen Bezirksamt anmelden, was, gottlob, rerverein war. Ein Zweigverein davon wur- Bündeln, meist in Deutscher Kurrentschrift, schriftlich nach Vorschrift festgehalten wor- de am 19.10.1869 auch in Königshofen ge- teils in Deutscher Schrift, zeitlich lücken- den war. Und wer in öffentlichen Angelegen- gründet, der den KPV finanziell unterstützte. haft, zum Teil beschädigt bzw. fragmenta- heiten mitreden wollte, wie in Sachen der Ebenso wurde ein „Evangelischer Schulver- risch. Davon 33 Dokumente in Fadenbindung Schule, wurde als politischer Verein einge- ein in Bayern“ ins Leben gerufen, der Ziele (Bündel 1): Mitgliederlisten, Schriftwechsel stuft und mit Skepsis betrachtet. und Mandatsträger des BLV verunglimpfte, mit dem übergeordneten Kreiskassier und mit doch dessen Spaltung nicht bewirken konnte. verzogenen Mitgliedern und 30 lose Blätter Zwölf Lehrer als Vereinsgründer Allerdings verhinderte die kirchlich-konser- (Bündel 2): weitere Mitgliederlisten und Ab- Im Staatsarchiv in Würzburg war die acht vative Mehrheit im Landtag 1869 das neue schriften als Arbeitsvorlagen, 13 Kurzbiogra- Seiten umfassende Urkunde einzusehen. Sie Schulgesetz, das zentrale Forderungen des phien über Kriegsteilnehmer im 1. Weltkrieg. brachte es endlich an den Tag: 12 mutige Leh- BLV enthielt. Auch die konfessionell ge- Verbleiben werden die BLLV-Dokumente im rer (siehe Bild Seite 27) hoben den hiesigen trennten Bekenntnisschulen wurden 1883 Stadtarchiv, wo sie sachgerecht verwahrt „Bezirksschullehrer Verein“ am 13.8.1867 wieder als Regelschule festgeschrieben. werden, Stadt- und Kreisgeschichte ergän- mit einer Satzung ganz im Sinn des 1861 ge- Unter König Ludwig II. (1864–1886) ging es zen und für weitere Arbeiten verfügbar sind. gründeten Bayerischen Lehrervereins BLV dennoch aufwärts. Im „Normativ von 1866“ Von dem Fund versprachen wir uns viel, aus der Taufe. Die Gründungsmitglieder und wurden 35 staatliche Präparandenschulen als auch die Klärung unserer BLLV-Gründung, die drei Gewählten wurden in der Urkunde dreijährige Vorbereitung auf das Lehrersemi- was sich leider nicht erfüllte. Nach Aufarbei- notiert. nar, das jetzt zwei Jahre dauerte, geschaffen. tung des Materials – digitalisieren, archivie- Zwei Tage später reichte der gewählte Mäd- Sein aus Münnerstadt stammender Kultus- ren, Schrift übertragen – zeichnete sich we- chenlehrer Joseph Diflo seine „Gehorsamste minister (ab 1869), Johann von Lutz (1826 nigstens ein Teilerfolg ab: Die älteste Liste Anzeige des Bezirkslehrervereins“ beim Kö- – 1890), war den Lehrern gesonnen und för- stammt von 1870 und weist 27 Mitglieder niglichen Bezirksamt ein. „Gehorsamst Un- derte, wegen des verhinderten Schulgesetzes, aus. Und in einem Briefwechsel berichtet der terzeichneter beehrt sich hiermit anzuzeigen, das Volksschulwesen durch Verordnungen. Kassier der übergeordneten Stelle von einer daß sich im diesseitigen Bezirke ein Lehrer- Er führte die Fachaufsicht wieder ein, ließ Einzahlung aus Königshofen in Höhe von 7 verein gebildet hat unter Annahme beifol- konfessionell gemischte Schulen erneut zu, Gulden 30 Kreuzern bereits im Jahr 1868. gender Satzungen, mit den dort unterzeich- gab das Heimatrecht am Dienstsitz zurück, neten Mitgliedern und der dort genannten führte eine fünfstufige Dienstalterszulage zu Berechtigte Jubiläumszweifel Vorstandschaft.“ je 50 Gulden ein. Nachdem der BLLV-Landesverband 2011, der Unterfränkische Bezirksverband ULLV Der Mädchenlehrer Joseph Diflo Wesentliche Ziele 2014 und neben zahlreichen anderen auch in Königshofen nach Jahrzehnten erreicht der BLLV-Kreisverband Bad Neustadt 2015 Eine Mädchenschule gibt es in Königshofen Mit der Reichsgründung 1870/71 verlor Bay- jeweils ihr 150jähriges Bestehen feiern konn- nach Sperl seit 1782, die allem Anschein nach ern zwar seine Souveränität, behielt aber u. ten, hätte der Kreisverband Bad Königshofen ohne Zeitlücke bestand. Herkunft und Alter a. die Kultushoheit. Nach dem Tod Ludwigs bis zum 8.7.2021 warten müssen. Der Grund: des Lehrers Diflo sind bis heute nicht be- Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­31 kannt. Mit Unterstützung von Stadtarchivar sowie ein gebührendes öffentliches Ansehen Dekanates nach Belieben Beiträge jährlich Gustav Tschochner ließen sich im Stadt- und wurden erst Schritt für Schritt in oft zähen, zahlen, welche vom Unterzeichneten an den im Pfarrarchiv einige Belege über den Mäd- jahrelangen Auseinandersetzungen des im- Ort ihrer Bestimmung, katholischer Erzie- chenlehrer finden: Vom April 1864 und vom mer stärker werdenden BLLV mit dem Bay- hungsvereinsvorstand A u e r in Donauwörth Dezember 1866 existieren zwei Listen über erischen Staat errungen. Diese Haltung, und gesendet werden, Laien waren bis jetzt nicht „Versäumnisse des Besuchs der Werktags- nur diese, zählt, auch in Zukunft. dabei.“ Mit Brief vom 26.5.1882 informiert und der Sonntagsschule, dann des öffentli- Pfarrer Krug, inzwischen Dekan, das Amt chen Religions-Unterrichts“, die von J. Diflo Gegenwind von der Auflösung des Zweigvereins. unterschrieben wurden. Die Namen seiner Es war nicht so, dass der BLV keine Wider- vier Kinder, Andreas, Joseph, Lilana und Kla- sacher gehabt hätte. Dem erstarkten, religiös Vorstandschaften ra finden sich für 1867 und 1868 in Listen für liberalen Verein setzten vor allem die Presse Joseph Diflo, Mädchenlehrer in Königsho- Preisverteilungen wieder. Außerdem quittier- und die Kirche zu, die ihre Schulaufsicht über fen, Lehrer Johann Hess von Eyershausen te er im Dezember 1868 den Einbau von zwei die Lehrer hart verteidigte. Der Wegzug des und Aquilin Illig, Hilfslehrer in Königshofen Winterfenstern in seiner Wohnung zu sechs vermutlichen Gründungsinitiators könnte im bilden die erste Vorstandschaft (Ausschuss). Gulden, die zu Lasten der Stadtkasse gingen. Zusammenhang mit dem Lehrer Georg Adam In den Statuten des BLV ist die jährliche Wahl Und auf der Mitgliederliste von 1870 ver- Englert stehen, der „besonderer Hindernisse des Ausschusses festgelegt. 1870 wird Ge- merkte der Kassier bei Diflo, Joseph: „… wegen heute (am Gründungstag) noch nicht org Full, Lehrer in Großbardorf von bereits scheidet aus (dem Verein), in Neustadt ein- beitreten könne“. In jenen Jahren war er Or- 26 Mitstreitern zum Vorstand gewählt, des- getreten“. In einem weiteren, amtlichen Brief ganist und stand vmtl. der Kolpinggemein- sen Amtszeit bis 1881 mit dann 38 Mitglie- wird bestätigt, dass die Familie Diflo wohl schaft nahe. Schon am 22.10.1867 wird sein dern belegt ist. Die Schriftführer wechseln schon 1869 nach Neustadt/S. verzogen war. Gesuch von der Knaben- in die Mädchen- häufiger, fünf Jahre ist das Max Emmanuel Die Spur führt weiter nach Sandberg/Rhön, schule zu wechseln, im Protokoll des Stadt- Fuchs, Schulverweser in Kleinbardorf, dann von wo, in einer alt eingesessenen Lehrers- rats beraten und beschlossen. Jedoch erhält Karl Balling, Schulverweser in Großbardorf. familie geboren, Alfred Diflo (1897–1976), er weiterhin die – wohl geringeren – Bezüge Als Kassier fungiert 1870 Barthelmäus Kie- der erste Schulleiter der Jakob-Preh-Berufs- als Knabenlehrer. Der bisherige, spekulativ sel, Schullehrer in Königshofen. Durch die schule in Bad Neustadt (1929-1962) stamm- unerwünschte Mädchenlehrer Diflo, weil Ver- schlechte Zahlungsmoral etlicher Mitglieder te. Weitere Belege für die Lehrerfamilie Diflo einsgründer, wird damit überflüssig, muss um oder durch andere Missgeschicke hat er den fanden sich in Schulanzeigern von 1896 und eine andere Stelle als Mädchenlehrer nach- Schuldenstand von 7 Gulden 30 Kreuzern ge- 1914. Die Kinder Andreas und Joseph so- suchen. Zudem will man für Englerts Schul- genüber dem Kreis zu verantworten. Damit wie ein (vmtl. weiterer Sohn) Johann-August stelle den bereits bekannten Lehrer Konrad hat sein Nachfolger ab 1872 Andreas Zieroff, Diflo waren Lehrer geworden, ebenfalls vier Schmitt empfehlen. sieben Jahre lang der Kassier, Lehrer in Mer- weitere Söhne aus einer dieser Familien, dar- Von Pfarrer Krug (noch in Saal?) wurde am kershausen, lange zu kämpfen. unter Alfred Diflo, als Schulleiter der Berufs- 22.10.1869 am Königlichen Bezirksamt ge- Weitere aus den verfügbaren Listen ersichtli- schule in Bad Neustadt/S. meldet: „…daß sich am 19. dss. Monats im che Vorstände waren: Dekanat Königshofen ein Zweigverein des Johann Kilian Münz, Königshofen (1882– Statt Feierlichkeiten - Katholisch-pädagogischen Vereins in Bayern 1884) Jubiläumsgedenken unter Annahme der Statuten desselben gebil- Heinrich Seubert, Großbardorf (1886–1887) Ein Jubiläumsgedenken wurde der Fusions- det hat, von dessen Mitgliedern der Unter- Schäfer Georg, Waltershausen (1919–1924), Situation gerechter als eine Feier. Schule fand zeichnete (J. Krug, Pfr.) zum Vorstand gewählt 1920 und 1912 sind die höchsten Mitglieder- damals noch immer in einfachen und schwie- wurde.“ Unterzeichnet von 13 Geistlichen zahlen mit jeweils 45 verzeichnet. rigen Verhältnissen statt, ein dürftiges Ein- des Dekanats, schlossen sich noch mehrere kommen und eine unsichere Versorgung im (Laien?) an. Auf eine Anfrage schreibt Pfar- Verbandsleben Alter bzw. der Witwen und Waisen gehör- rer Krug, mittlerweile Dechant in Königsho- Im Mittelpunkt darf der Gedanken- und Er- ten zum Dasein des Lehrers. Fundierte Aus- fen, am 9.7.1880: „Dieser Verein besteht in fahrungsaustausch vermutet werden. Dazu bildung, Lehrerfortbildungen, angemessene zwangloser Weise und ohne Unterzeichnung gab es in den sog. „Conferenzen“ Vorträge. Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit in der Art fort, daß die Herren Geistlichen des Von anfangs 30, später 36 Kreuzern Jahres-

Die Schülerinnen und Schüler von Großeibstadt im Jahre 1900 an der Kirche. Seite ­­32 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 beitrag, die voll an den Kreisverband gingen, als Hilfslehrer in Rieden eingestellt war. Doch lingslehrer. Die Schreiben von Franz Krapf, gab es keine Referenten, so hielt man die bereits am 1.10.1913 rückte er als „Einjährig eines auch an den Staatsminister für Unter- Referate selbst aus gelesener Literatur, aus Freiwilliger“ ins 5. Infanterie Regiment in richt und Kultus Alois Hundhammer, machen eigener Erfahrung, um darüber diskutieren Bamberg ein, ins Feld am 1.8.1914. Mehr- die große Solidarität der BLV Mitglieder mit zu können. Aus Meldungen (1869–1872) an mals verwundet verstarb er am 20.10.1915 den Flüchtlingskollegen deutlich, die in einer den übergeordneten Kreis ist zu sehen, dass im Lazarett in Bonn. „Seine Leiche wurde in Resolution (beim Verfasser) vom 18.5.1949 man sich jährlich ca. zwanzigmal traf und seine Heimath nach Königshofen i. G. über- zum Ausdruck gebracht wurde, jedoch auch zu Themen des Lehrerberufs, der Rolle des führt und dort beerdigt“, schließt der lange im BLV ein Streitthema war. Ein neues Be- Lehrers in der Gesellschaft, zur Methodik des Brief eines Unbekannten auf der Rückseite amtengesetz vom 1.8.1949 schaffte dann kla- Unterrichts und zu einzelnen Fächern refe- des amtlichen Vordrucks, ohne Datum und re und gleiche Verhältnisse. rierte, z. B.: ohne Unterschrift. In Ambros Teubert fand Franz Krapf einen „Der Lehrerstand früher und jetzt – seine langjährigen Nachfolger. 38 BLV Mitstreiter Aufgabe. Lehrer Heuler, Leinach“ wählten Teubert am 28.2.1951 zum 1. Vor- „Aufgabe des Lehrers auf ihrer intellek- Schwere Zeiten im Dritten Reich sitzenden, Franz Vogel, Merkershausen zum tuellen und auf ihrer sozialen Seite. Leh- Der BLV kann sich lange der Gleichschaltung Stellvertreter, Wilhelm Großmann zum Kas- rer Full, Großbardorf“ bzw. der Auflösung erwehren. Weltanschau- sier und Wilhelm Krill zum Führer des Pro- „Ueber gegenseitige Unterstützung in der lich bereits durchsetzt, wird er unter Ein- tokollbuchs. Fortbildung. Lehrer Fuchs, Herbstadt“ zug seines Vermögens zum 1.1.1938 in den Nach 12 Jahren Vereinsführung übernahm ab „Ueber die Lehrmethode der Geographie. Nationalsozialistischer Lehrerbund (NSLB) 27.2.1963 Raimund Hennig die Leitung des Referent: Illig, Lehrer in Althausen“ übergeführt. Die Bekenntnisschule wird zu- BLLV Kreisverbandes Königshofen, unter- „Der Realienunterricht im Allgemeinen. gunsten der „deutschen Schule“ abgeschafft. stützt von Leo Walter Hamm als Stellvertre- Lehrer Münz, Königshofen“ Juden wird der Besuch deutscher Schulen ge- ter, Kassier Pertram und Schriftführer Dieter Das Problem der Lehrerwitwen und-waisen nerell verboten. Zwei Einhebehefte von 1936 Hermann. war wohl ein massives, denn der jahrelan- und 1943 sind die einzigen Dokumente jener Den auf 80 Mitglieder angewachsenen Kreis- ge Beitrag von 1 Mark (1876 -1885) wurde Jahre. Auch letzteres trägt noch den Aufdruck verband übergab Hennig am 3.2.1971 an Mar- ab 1886 verdoppelt, wovon 1 Mark ins Wai- „Bayerischer Lehrerverein e.V. – Einhebeheft tin Katzer als 2. Vorsitzenden, Frieda Keller senstift floss. Die hiesigen Vereinsmitglieder – Jahresbeiträge pro 1943 im Bezirkslehrer- als Protokollführerin und Raimund Hennig nahmen sich das sehr zu Herzen. Bereits in verein Königshofen“ und weist die eingeho- als Kassier. Den Vorsitz übernahm Rudolf den ersten Jahren veranstaltete man deshalb benen Beträge der Mitglieder aus, wofür seit Belz (1914–2008), Rektor in Kleinbardorf, Konzerte, zumeist in der Adventszeit, deren 1933 Valentin Pfister, Lehrer in Untereßfeld, der 1971 die eingangs erwähnte 100-Jahrfei- beachtliche Erträge der Bezirksverein für das zuständig war. er mit den BLLV Mitgliedern – nicht ganz Lehrerwaisenstift spendete. Ein Dankschrei- termingerecht – beging. Die 70 Jahre, von ben vom November 1876 für die alljährli- der Wiedergründung 1947 bis zur Fusion chen Spenden stammt vom Vorsitzenden des Wiedergründung des BLV 2017 mit dem Kreisverband Bad Neustadt Kreislehrervereins Unterfranken, Gustav am 26.8.1946 sollen in einem späteren Beitrag dargestellt Adolf Keßelring, der von 197 Waisen in Un- Noch im August 1945 ging ein Antrag ehe- werden. terfranken berichtet, die mit 5.028 Mark aus maliger BLV Mitarbeiter an die ameri- dem Fond bedacht wurden. Für Bayern er- kanische Militärregierung, die diesen am wähnt er 964 Waisen, denen 22.912 Mark 20.3.1946 genehmigte. So konnte bereits am Spendengelder zugutekamen 26.8.1946 der BLV in Nürnberg unter dem Ein Beispiel von 1872: „Die Verwaltung des Vorsitz von Franz Xaver Hartmann wieder Verwendete Literatur: bayerischen Lehrer-Waisenstifts gegründet werden. Auf örtlicher Ebene dau- BLLV (Hrsg.), Aufbrechen! 150 Jahre für an Herrn Zieroff, Kassier des Bezirkslehrer- erte es jedoch länger. Bildung als Menschenrecht, 2. erw. Aufl., vereins Königshofen. Namens der Waisen Leo Walter Hamm schreibt in einem Brief München o.J. danken wir für Übersendung der ansehnli- vom 8.5.2003: „1947/48 trafen sich die da- Dollinger Hans, Bayern – 2000 Jahre in chen Summe von 49 fl 39 Kr maligen Volksschullehrer des Kreises Kö- Bildern und Dokumenten, Prisma Verlag, neunundvierzig Gulden neununddreißig nigshofen immer wieder zu inoffiziellen Zu- Gütersloh 1982 Kreuzer für Verwendung und Mühewaltung, sammenkünften in der Gaststätte „Rose- …. Das Waisenstift Ihrem frommen Wohlwol- nau“, bis dann vor der Währungsreform (Ju- Guthmann Johannes, Zur Standes- und len dringend empfehlend, zeichnet achtungs- ni 1948) die Militärregierung die Genehmi- Vereinsgeschichte der unterfränkischen voll Gebhardt.“ gung für die Bildung von Vereinen erteilte. So Volksschullehrerschaft, Unterfränkischer An noch bekannten Namen tauchte im Mit- kam es auch zur Gründung unseres BL(L)V.“ Lehrer- und Lehrerinnenverband e. V., gliederverzeichnis von 1919 auf: Mölter Ot- Franz Krapf berichtet mit Brief vom Würzburg 1972 to (1893–1967), Seminarabschluss 1913 in 05.04.1948 ganz konkret an den BLV in Mün- Schaller Ernst, Die Gründungsgeschichte Würzburg, erste Stelle 1914 als Hilfslehrer chen: „…Im Oktober (1947) meldete ich Ih- des Bayerischen Lehrervereins, Bayeri- in Schmalwasser/Rhön, ab 1917 Lehrer in nen die vollzogene Gründung (des BLV Kö- scher Lehrer- und Lehrerinnenverband Kleinbardorf, Mitglied im BLV seit 1917, nigshofen und vmtl. auch seine Wahl zum 1. e. V., München 2007 zeit Lebens Heimatforscher, ausgezeichnet Vorsitzenden, Anm. d. Verf.) und inzwischen Schäffer Fritz, Brüder reicht die Hand zum 1957 mit dem Verdienstkreuz am Bande der geschah nichts. Da ich selbst vom Gesetz be- Bunde, Unterfränkischer Lehrer- und Bundesrepublik Deutschland. Eine der 13 troffen bin (Mitläufer), ….. stellte ich auf un- Lehrerinnenverband (Hrsg.), Würzburg Kurzbiographien zum 1. Weltkrieg betrifft serer Tagung am 17.12.1947 meinen Posten 1989 ihn: eingerückt am 05.10.1914 ins 8. Infan- (1. Vorsitzender) zur Verfügung. Ich habe nun Schulmeister Otto u. a., Imago Bavariae, Her- terie Regiment Metz, Gefreiter, Heimkehr am dem erneuten Drängen nachgegeben und der, Freiburg im Breisgau 1972 02.11.1915. sende Ihnen deshalb ... Vertrauenserklärung, Eine weitere Angabe betrifft Hans Magold, Abschrift des Spruchkammerbescheides so- Unterfränkischer Lehrer- und Lehrerinnen- Jahrgang 1885, zu Beginn des Krieges Lehrer wie der Genehmigung der Mil. Reg. Kassier: verband (Hrsg.), 150 Jahre ULLV, Fest- in Untereßfeld, musste bereits am 18.8.1914 Wilhem Großmann, Volksschule Königshofen schrift 1864 -2014 Sonderausgabe Unter- in die Garnison in Würzburg einrücken, vier i. Gr., Schriftführer: Lehrer (Ludwig) Wolf, fränkische Schule 28, September 2014, Wochen später ins Feld nach Frankreich, dann Obereßfeld i/Grabf.“ 8. Jg. nach Russland, kehrte am 30.12.1918 heim. Die ersten Nachkriegsjahre waren geprägt Weinlein Christian, Geschichte des Bayeri- Das Schicksal unzähliger Soldaten erlitt auch von Problemen der verwaisten Lehrerfamili- schen Volksschullehrer-Vereins, Verlag Josef Herrmann Weigand, Jg. 1895, der wie en, der Wiedereinstellung der Lehrer und von der Korn`schen Buchhandlung in Nürn- Mölter 1913 das Lehrerseminar beendete und der beruflichen Eingliederung der Flücht- berg 1911 Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­33

Irmgard Werner aus Herbstadt organisierte 1986 in ihrem Geburtsort Untereßfeld erstmals ein Klassentreffen und trug bei dieser Gelegenheit die Erinnerungen an die gemeinsame Schulzeit in der Kriegs- und Nachkriegszeit vor. Diese Aufzeichnungen stellte sie der Schriftleitung zur Verfügung. Schulzeit im Zweiten Weltkrieg

Irmgard Werner die ganze Situation war damals sehr widrig. Langsam näherte sich das Kriegsende. Auch Es ist eine Sehnsucht allerseits, uns nach vie- die Glocken wurden wieder ebenso wie im len Jahren wieder einmal in froher Runde zu 1. Weltkrieg abgenommen und für Kriegs- treffen. In unserem Alter sieht man die Schul- zwecke eingeschmolzen. Häufig flogen Flie- zeit von der anderen Seite. Damals wünschte gerschwärme über uns hinweg. Bei einem mancher ihrer zu entrinnen und heute denkt Angriff auf Nürnberg im März 1944 überflog man an die schöne Zeit zurück, trotz der ein brennendes Flugzeug nachts unser Dorf damaligen politischen Schwierigkeiten im und stürzte im Anger ab. Keiner der Insassen Dritten Reich. überlebte, weit und breit waren Flugzeugtei- Irmgard Werner besuchte 1971 Lehrer Pfister Unsere schulische „Laufbahn“ begannen wir le verstreut. Wir sind nach dieser schaurigen und seine Frau in Mühlbach, wo sie im Haus im wahrsten Sinn des Wortes zwischen Un- Nacht gegen Morgen runter in den Wiesen- ihrer Tochter Rita ihren Ruhestand verlebten. ter- und Obereßfeld, wo sich neben der Pfarr- grund. Die Polizei hat uns aber in die Schule kirche das Schulhaus befindet. Es war bereits beordert. verhärmten Menschen zwischen ihren weni- Krieg und eine Zeit voller Sorgen und Nöte. Aus Sicherheitsgründen hat uns in der letzten gen Habseligkeiten. Ich sehe heute noch Frau Unser erster Lehrer war Lehrer Preißinger. Phase des Krieges unsere damalige Lehre- Schmieger mit ihren Kindern stehen, ebenso Täglich, auch in der grimmigsten Kälte, sind rin gleich nach Schulbeginn wieder mit der die Familie Tepper, deren Gepäck lediglich wir, nachdem wir die Frühmesse in Untereß- Anweisung nach Hause geschickt, in kleinen eine Handtasche war. Sie mussten warten, feld besucht hatten, flott in Richtung Ober- Gruppen im Straßengraben zu laufen. bis der Bürgermeister die nötige Unterkunft eßfeld gelaufen, um pünktlich zu sein. Doch Dann kam auch schon der 8. April 1945. Es gefunden hatte. So bekamen wir durch die das klappte nicht immer, da zwischen Got- war unser Erstkommuniontag. Während der Umsiedlung bzw. Vertreibung Zuwachs in tesdienstende und Schulbeginn die Zeit zu Mittagsandacht kam der Jevs-Anton in die der Schule. Wir wurden bald zu Freunden. knapp war, um pünktlich zu sein. Verließen Kirche und rief laut: „Walter geh raus, die Durch eine Hilfsaktion gab es dann später wir etwas früher den Gottesdienst, so sprach Ami kömme!“ Ganz schnell leerte sich die Schulspeisung. Frau Pfister kochte in großen uns daraufhin unser Pfarrer Josef Stöger an, Kirche. Draußen lief die Herberts Blanka Töpfen Kakao oder Nudelsuppe, was ihr eben kamen wir in der Schule später an, bekamen mit aufgepacktem Kinderwagen in Richtung vorgegeben wurde. wir einen Rüffel von Lehrer Preißinger. Eiskeller. Nach Kriegsende hatten wir in Untereßfeld Im Winter und bei schlechtem Wetter war Wir haben das Kommen der Amerikaner im Schulunterricht. Unser Lehrer Pfister, der ja es nicht selten, dass wir mit nassem Schuh- Keller bei der Dorfmühle abgewartet. Vor- einberufen worden war, kam am Valentinstag zeug und Kleidung ankamen. Natürlich sind rat an Kleidung und Lebensmitteln, ja so- 1947 aus der Gefangenschaft zurück. Er wur- wir auch am Straßenrand durch den hohen gar Betten waren in aller Eile in den Keller de mit einem Reisewagen abgeholt und wir Schnee gestapft. In der Schule durfte man- gebracht worden, um im schlimmsten Fall begrüßten ihn herzlich. cher dann Schuhe und Kleidung ausziehen das Nötigste zu haben. Daheim blieben mein Nach der Entnazifizierung konnte es dann und am Ofen trocknen. Vater und mein Bruder Alfons, um im rech- endlich wieder Unterricht geben. Unser ge- In unserer Schulzeit hatten wir folgende ten Moment die weiße Fahne zu hissen. An schätzter Lehrer Pfister war dem politischen Lehrkräfte: Preißinger, Schmitt, Engelke, unserer Pforte wurde noch ein deutscher Sol- Zeitgeist in der Nazi-Zeit nicht gewogen. Mötzing, Wolf und Pfister. Bei Pfarrer Stöger dat angeschossen. Er wurde in den dahinter Als Pfarrer Stöger sich 1948 in Untereßfeld hatten wir den Eindruck, wenn er den Friseur liegenden Gärten gefunden und zum Roten verabschiedete und nach versetzt aufgesucht hatte, war er etwas säuerlich. Eine Kreuz in den Pfarrhof gebracht. Dort ist er wurde, betont er in seiner Abschiedspredigt, persönliche Eigenart von Lehrer Pfister war, leider verstorben. dass er in Lehrer Valentin Pfister und seiner dass man ihn nie zum Lachen bringen konnte. Nun kamen US-Jeeps, große Panzer und Frau Emma immer Rückhalt und gemeinsa- Als Pfister zum Heer einberufen wurde, ver- Schiffswägen kolonnenweise durchs Dorf. me Gesinnung hatte. abschiedete er sich und ermahnte den einen Jeder von uns kann sich an diese Ereignisse So konnten wir dann ohne politische Bevor- oder anderen be- erinnern. Dann war eine monatelange schul- mundung die Schulzeit bis zu unserer Entlas- sonders. freie Zeit, bis sich wieder alles einer allmäh- sung absolvieren und sind in ein demokra- Papier war lichen Ordnung zuwandte. Die Not war in tisches Staatswesen hineingewachsen. Dann damals eben- allen Dingen groß. blies uns der Wind aus mancherlei Gründen so knapp wie Viele Durchreisende zu Fuß, mit Fahrrädern, früher oder später auseinander. Schultafeln und kleinen Wägelchen Griffel. Wir ha- oder Kinderwägen ben einmal auf suchten für die Nacht „Widikindta- ein Notquartier. Eben- feln“ geschrie- so kam die Zeit, in der ben. Alles war viele Deutsche aus ih- Pfarrer Josef Stöger war auf Rüstung und rer Heimat ausgewie- lange Jahre Pfarrer in Kriegführung sen oder vertrieben Untereßfeld und ging ausgerichtet. wurden. So kamen 1949 nach Oberstreu. Statt Hausaufga- in Abständen immer ben zu machen, Lastautos an, die uns durften wir Kräuter für Tee, wie z.B. Kamil- die heimatvertriebene len sammeln und in die Schule mitbringen. Menschen ins Dorf Die etwas älteren Schüler führten ein Kriegs- brachten. Vor der Lau- tagebuch. Schade, dass diese nicht erhalten bender-Gastwirtschaft geblieben sind. Viele Schülerinnen und Schü- war der Absteigeplatz. ler hatten das Zeug zu etwas Besseren, aber Dort standen dann die Klassentreffen der Jahrgänge 1934-38 in Untereßfeld 1986. Seite ­­34 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 Reinhold Albert setzt sich mit Tatkraft und persönlichen Einsatz für seine Heimat ein Am 21.7.2017 erhielt Reinhold Albert im Fürstensaal der Würzburger Residenz aus den Hän- zu jüdischen Friedhöfen im Landkreis Rhön- den des Staatssekretärs im bayer. Innenministerium Gerhard Eck und des unterfränkischen Grabfeld. Regierungspräsidenten Dr. Paul Beinhofer im Beisein von Landrat Thomas Habermann, Bür- Bei aller wissenschaftlichen Sorgfalt ist germeisterin Angelika Götz und Kreiskulturreferent Hanns Friedrich sowie seiner Familie Reinhold Albert in Gesprächen und bei Vor- das Bundesverdienstkreuz. Die von Bundespräsident Joachim Gauck im März 2017 in Berlin trägen seine Leidenschaft für die Heimat ausgestellte Verleihungsurkunde lautet: „In Anerkennung der um Volk und Staat erworbenen stets anzumerken. Er geht mit wachen Au- besonderen Verdienste verleihe ich Herrn Reinhold Albert, Sulzdorf a. d. Lederhecke, das gen durch seinen Landkreis und lässt nicht Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.“ locker, wo es ihm notwendig scheint. Ein In der in München erscheinenden Zeitschrift des Bayer. Landesvereins für Heimatpflege Beispiel ist die vom Künstler Johann Joseph „Schönere Heimat“, Ausgabe 1/2017, stellte Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Klaus Reder Keßler (1711–1759) geschaffene Madonna. den Rhön-Grabfelder Kreisheimat- und Kreisarchivpfleger, der auch Schriftleiter dieses Diese befand sich in Privatbesitz und war, Heimatblatts ist, wie folgt vor. trotz Denkmalschutz, dem Verfall preisgege- ben. Reinhold Albert erreichte in jahrelan- gem Bemühen, dass die Figur vom Verein Klaus Reder dass die Erstellung einer Chronik für eine Ge- für Heimatgeschichte im Grabfeld erworben meinde in diesem Gebiet ohne das Zutun von und restauriert werden konnte. Sie steht nun, Ein Polizeibeamter und Heimatforschung? Reinhold Albert mittlerweile undenkbar ist. geweiht, an einem würdigen Platz neben der Reinhold Albert aus Sternberg im Grabfeld Reinhold Alberts Schriften berichten von re- Pfarrkirche in Untereßfeld. (Lkr. Rhön-Grabfeld), seit 2014 im Unruhe- gionalen, geographischen oder volkskundli- In meiner Eigenschaft als Bezirksheimatpfle- stand, zeigt seit Jahrzehnten, dass das hervor- chen Besonderheiten und von lokalen Künst- ger habe ich bei der Causa „Keßler-Madonna“ ragend funktioniert. Mit Tatkraft und über- lern aus Geschichte und Gegenwart. Bereits gerne geholfen, wie auch in vielen anderen zeugenden persönlichem Einsatz setzt er sich seit 1982 liefert er regelmäßig Beiträge für Fällen. Denn Reinhold Albert pflegt über die für die Belange der Heimat- und Archivpflege das Heimatjahrbuch des Landkreises Rhön- Landkreisgrenzen hinaus gute Kontakte und ein. Reinhold Albert, geboren 1953, ist mir Grabfeld. Nach dem Tod des Kulturreferenten nutzt diese, wo immer es notwendig ist. Es von Kind auf bekannt, denn wir stammen aus Josef Kuhn 2005 übernahm Reinhold Albert vergeht kaum ein Monat, in dem nicht einer benachbarten Orten im Grabfeld, Reinhold ab 2006 die Schriftleitung für das jährlich er- oder mehrere Anrufe von ihm bei der Bezirk- Albert aus Sternberg, ich aus Obereßfeld. scheinende Heimatjahrbuch. Außerdem ist er sheimatpflege eingehen: Bitten um Rat und Seither verbinden uns eine enge Freundschaft Schriftleiter des wohl letzten in Unterfranken Hilfe, Vorschläge zur Zusammenarbeit oder und die Liebe zum Grabfeld. erscheinenden Heimatblattes „Das Grabfeld“ zur aktiven Unterstützung bei Forschungs- Seit 1983 ist Reinhold Albert Kreisarchiv- und zusammen mit seiner Ehefrau Marian- projekten. Ebenso gerne ist Reinhold Albert pfleger des Landkreises Rhön-Grabfeld. 1991 ne schreibt er das in seiner Heimatgemeinde zur Hilfestellung bei den wissenschaftlichen übernahm er zusätzlich das Amt des Kreis- Sulzdorf erscheinende gemeindliche Mittei- Projekten der Bezirksheimatpflege bereit. heimatpflegers für den Bereich des Altland- lungsblatt „Echo der Lederhecke“. Gerade Als Archivpfleger schloss Reinhold Albert kreises Königshofen, wenig später für den diese Arbeiten vernetzen ihn intensiv mit zahlreiche Ordnungsmaßnahmen in den Ge- gesamten Landkreis. Mit Verantwortungs- sämtlichen an Heimatgeschichte interessier- meinde- bzw. Stadtarchiven ab. Er entdeckte bewusstsein und aktiv gelebter Heimatver- ten Personen im Landkreis. interessantes Material, das durch sein Enga- bundenheit eignete sich Reinhold Albert in Seit seinem 15. Lebensjahr baut Reinhold gement der Nachwelt erhalten bleibt. Außer- Jahrzehnten ein umfassendes Wissen über Albert eine heimatkundliche Sammlung auf, dem wurden Fotosammlungen und Heimatli- die Geschichte und über aktuelle heimatpfle- insbesondere zur Thematik der innerdeut- teratur archiviert. Archivoberrätin Dr. Ingrid gerische Herausforderungen ‚seines‘ Land- schen Grenze. Er bietet Führungen an, hält Heeg-Engelhart vom Staatsarchiv Würzburg kreises an: Seine Einsatzgebiete reichen ent- Vorträge und gestaltet Ausstellungen mit. würdigte ihn als „Herrn der Archive“, nach- sprechend von der Denkmalpflege über die Die Grenzöffnung war für ihn eines seiner Museumsarbeit bis hin zur Erforschung der schönsten Erlebnisse, nachdem sein Heimat- regionalen Mundart. ort Sternberg direkt an der innerdeutschen Reinhold Alberts großes Anliegen ist es, sein Grenze lag und er damit die Teilung Deutsch- Impressum Wissen zu dokumentieren und damit weiter lands stets vor Augen hatte. Deshalb arbei- zu geben. Bis heute geschieht dies in zahl- tete Reinhold Albert mit großem Einsatz an reichen Vorträgen und Beratungsgesprächen. den drei Bänden Grenzerfahrungen Bayern/ Herausgeber: Er ist immer bereit, der Schülerschaft und Thüringen mit. Wertvolle Unterstützung lei- Verein für Heimatgeschichte im Studierenden bei der Quellenbeschaffung stete er beim Aufbau und bei der Konzeption Grabfeld e.V. und Museumspädago- für Facharbeiten behilflich zu sein. In Zah- des Unterfränkischen Museums für Grenz- gisches Zentrum Bad Königshofen len ausgedrückt beantwortet Reinhold Albert gänger in Bad Königshofen, das 1993 eröff- Redaktion: jährlich ca. 150 Anfragen zu heimatkundli- net wurde. Reinhold Albert (Sternberg); chen Themen. Als Jurymitglied stellt er sich Dem Heimatpfleger Albert ist es ein beson- zudem für den alle drei Jahre stattfindenden deres Anliegen, problematische Themen wie Fotos: Reinhold Albert Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden die beiden Weltkriege und den Umgang mit und Privat – Unser Dorf hat Zukunft“ zur Verfügung. jüdischen Mitbürgern oder Sinti und Roma Besonders hervorzuheben sind Reinhold Al- ins öffentliche Interesse zu rücken. Dafür Satz und Gestaltung: berts rund 600 Publikationen. Sie zeichnen erschließt er archivalische Quellen und kom- dta-mediadesign (Alsleben) sich allesamt durch saubere Recherche auf biniert diese, wo möglich, mit der aktuellen Druck: breiter Quellenbasis, reiches Bildmaterial Lebenswirklichkeit. Auf seiner Agenda Druckerei Seifert (Untereßfeld) und durch gute Lesbarkeit aus. Bekannt wur- stehen Einzelschicksale wie dasjenige der de Albert durch die Chroniken zahlreicher deportierten Sinteza und Musikerin Marie Auflage: Orte im Landkreis Rhön-Grabfeld und im Reinhard, genannt „Schwarz-Marie“, aus 7.500 Exemplare angrenzenden Thüringen. Man kann sagen, Königshofen ebenso wie eine Publikation Nr. 25 · November 2017 Das Grabfeld Seite ­­­­­­­35

Staatssekretär Gerhard Eck (links) und Regierungspräsident Dr. Paul Beinhofer (rechts) überreichten im Juli 2017 im Beisein von Landrat Thomas Habermann und Sulzdorfs Bürgermeisterin Angelika Götz Reinhold Albert (mit Ehefrau Marianne) im Fürstensaal der Residenz Würzburg ob seiner großen Verdienste das Bundesverdienstkauz am Bande dem in drei Jahrzehnten unter seiner Anlei- tung nahezu alle Gemeindearchive in seinem „Das Grabfeld“ erscheint einmal jährlich Bereich neu geordnet wurden. Sie stellte sein mit finanzieller Unterstützung folgender weit überdurchschnittliches Engagement her- Institutionen Firmen und Verbände: aus und dass er zu Recht als „aktivster Archiv- pfleger Bayerns“ bezeichnet werde. Reinhold Albert ist in der Politik und im Vereinsleben aktiv. Er war zwölf Jahre als Gemeinderat von Sulzdorf a. d. Lederhec- ke tätig und ist seit Mai 2002 Mitglied des Kreistages Rhön-Grabfeld. Aktuell bringt er sich als 2. Vorsitzender des Vereins für Hei- matgeschichte im Grabfeld ein. Volksbank Raiffeisenbank In seiner Arbeit hat sich Reinhold Albert in Rhön-Grabfeld eG hohem Maß um die Allgemeinheit verdient gemacht. Dafür wurde er unter anderem mit dem Ehrenzeichen des Bayerischen Minister- präsidenten für Verdienste von im Ehrenamt tätigen Männern und Frauen ausgezeich- net (2001), mit dem Grabfeld-Kulturpreis (2001), der Medaille des Bayerischen Staats- ministeriums für Wissenschaft und Kunst für besondere Verdienste um den Denkmalschutz (2002), mit dem Haßberge-Kulturpreis (2003) Raiffeisenbank und nun mit dem Bundesverdienstkreuz. im Grabfeld eG Zeit seines Lebens erforscht und dokumen- Kompetent-Zuverlässig-Regional-Persönlich tiert Reinhold Albert die Geschichte und Ge- genwart seiner Heimat. Ich wünsche ihm in seinem Unruhestand noch viele interessante neue Themen. Ich bin mir sicher, er wird im- Sparkasse mer wieder Fragen an die Geschichte stellen Bad Neustadt a. d. Saale und Antworten darauf finden, die uns alle weiterbringen. Seite ­­36 Das Grabfeld Nr. 25 · November 2017 Der Künstler Peter Picciani erhielt den 8. Grabfelder Kulturpreis Regina Vossenkaul

„Ich bin nicht nur angekommen, ich fühle mich auch angenommen“, sagte Peter Pic- ciani in seiner Dankesrede anlässlich der Ver- leihung des 8. Grabfelder Kulturpreises des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld im November 2017. Er steht damit in einer Reihe mit dem Heimatforscher Leo Walter Hamm (1995), dem Gesangverein Harmo- nia (1998), Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert (2001), Bezirksheimatpfle- ger Dr. Klaus Reder (2004), Künstler Fritz Toennieshen (2007), Altlandrat Dr. Fritz Steigerwald (2010) und dem ehemaligen Bürgermeister von Bad Königshofen, Cle- mens Behr (2013). Als „Grabfelder“ stellte Vereinsvorsitzender Hanns Friedrich den Künstler aus Ipthausen vor. Die Bezeichnung erinnert nicht nur an seine Installationen, Kunstwerke und Büh- nenbilder, mit denen er sich über den Land- kreis hinaus bekannt gemacht hat, sondern auch an sein Engagement zum Regionalgeld „Grabfelder“. Das sei nicht so angenommen worden, wie gewünscht. Piccianis künstlerische Laufbahn führte ihn unter anderem auch nach Japan und nach Der Vorsitzendes des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld, Hanns Friedrich und Bad Texas in die Partnerstadt Bad Königshofens, Königshofens Altbürgermeister Clemens Behr überreichten dem Ipthäuser Künstler Peter Arlington. Die Laudatio hielt die Künstle- Picciani den zum achten Mal vergebenen Grabfelder Kulturpreis. rin Eva Warmuth, die einfühlsam und mit warmen Worten die Höhen und Tiefen des la Picciani kennen, deren Namen er bei der ten, die öffentliche Anerkennung sporne ihn Lebens von Peter Kähler, wie Picciani ur- Heirat annahm. Als „grandioses Scheitern“ an, sich weiterhin einzusetzen. „Jetzt kann sprünglich hieß, beleuchtete. Menschen, die habe Peter Picciani seine Zeit in Osterbü bei ich sagen, ich bin hier daheim“, reagierte der eine Region nachhaltig prägen, die Spuren Flensburg beschrieben, wo er sich als Aus- Preisträger auf die Erwähnung des „Ankom- hinterlassen, Projekte anschieben, das Wohl steiger auf einem gepachteten Bauernhof sei- mens“ in der neuen Heimat. der Gemeinschaft im Blick haben, Kultur- nen Lebensunterhalt verdienen wollte. Am schaffende, bewusstseinsprägende und po- Ende stand die Erkenntnis, dass der karge litische Menschen – „sie haben den Preis Boden nicht viel hergab und er Gesellschaft Otto Schulz verdient und Picciani gehört dazu“, urteilte braucht, unter anderem, um nicht kulturell Eva Warmuth. zu verarmen. Die nächste Station, die Schule Herbstwald Ein „wildes Leben“, das in der neuen Hei- für Holzbildhauer in Bischofsheim brachte Stiller ward es nun im Laube, mat Ipthausen ein „happy end“ oder vielmehr ihn Rhön-Grabfeld näher, wo er mit Gleich- nur die scheue wilde Taube eine „happy Gegenwart“ gefunden hat, liege gesinnten einen alten Hof in Ipthausen fand, gurrt für sich verträumt. zwischen der Geburt Peter Kählers im Jahr dort wollten sie ein künstlerisches Zentrum Südwärts zog‘s die kleinen Sänger; 1957 in Hagenow in der DDR und heute. entwickeln. denn die Nacht wird kühl und länger Beim VEB Carl-Zeiss-Jena wurde er zum Die Begeisterung für Land und Leute teilten und der Tisch geräumt. Feinmechaniker und Elektroniker ausgebil- die anderen nur kurz und so fand sich Piccia- det, dann kam der Wehrdienst 1976 bis 1978 ni plötzlich allein in seinem neuen Zuhause Eichhorn huscht mit flinken Füßen bei der Marine und eine Zeit des Erwachens, wieder, das er aber seit 2005 mit Ehefrau Jut- zu den herbstlichen Genüssen des Nachdenkens über eine gute Idee, die sich ta Tholen teilt. Piccianis jüngstes Kunstwerk unter Strauch und Baum, in eine Diktatur verwandelt hat. Für Frieden „Neuronales Netzwerk“ steht in der Neuro. hört entsetzt der Hasen Klagen und Freiheit setzte er sich in der Jenaer Frie- Heute arbeitet er zuhause in seiner Werkstatt von Verfolgung, Angst und Jagen, densgemeinschaft ein, schrieb Protestlieder. und beim Theater Schloss Maßbach. Letztes Leben sei nur Traum. Kassetten davon wurden in den Westen ge- großes Kunstwerk ist das „Neuronale Netz- Waldwart bunt, der Eichelhäher, schmuggelt, das war eine Art Lebensversi- werk“ in der Neurologischen Klinik in Bad flieget kreuz und quer als Späher, cherung, wie Warmuth berichtete, denn so Neustadt. Das äußere Zeichen des Preises, warnt und protestiert, wurde er zu einer „öffentlichen Person“, die eine Nachbildung des Kornsteins vom Markt- wenn Reinecke lüstern schleichet, die Stasi nicht einfach verschwinden lassen platz Bad Königshofens, überreichte Vorgän- und das kranke Reh entweichet, konnte. Drei Monate lang war er in Haft, ger Clemens Behr an Picciani, dazu gibt es eh‘ er‘s aufgespürt. dann wurde er entlassen, nicht nur aus dem eine Urkunde. Dunkelblaue Waldesglocken Gefängnis, sondern auch aus der DDR. Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert und wur- wollen noch ein Bienchen locken. 1983 in die BRD abgeschoben, verlor er sei- de gesponsert von den Möbelwerken Ress, Nebel zieht durch‘s Tann, ne Wurzeln und seine Heimat, die er eigent- „Foto-Engele“ und der „hf-Filmproduktion“ schläfert Blätter ein und Blüten, lich verbessern und nicht verlassen wollte. sowie vom Verein für Heimatgeschichte. Pic- und sie fühlen im Ermüden Der damals 26-Jährige musste sich neu ori- ciani bedankte sich für die „unglaublich schö- schon des Todes Nah‘n. entieren, hatte zahlreiche Wohnorte und Jobs ne Anerkennung“. Es sei eine große Ehre, als Aus: Otto Schulz: Aus der Ernte eines Lebens und lernte dann seine zweite Frau Gabriel- Kulturschaffender einen Kulturpreis zu erhal-