3. Dezember 1968: Fraktionssitzung
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SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 03. 12. 1968 [67] 3. Dezember 1968: Fraktionssitzung AdsD, SPD-BT-Fraktion 5. WP, 111 Überschrift: »Protokoll der Fraktionssitzung vom 3. Dezember 1968«. Dauer: 16.10– 20.40 Uhr. Anwesend: 179. Vorsitz: Schmidt. Bundesregierung: Brandt, Eppler, Heine- mann, Leber, Schmid, Wehner; StS: Ehmke. PStS: Arndt, Börner, Jahn. Protokoll: Hofer. Datum der Niederschrift: 4. 12. 1968. Sitzungsverlauf: A. Informationen B. Vorbereitung der Plenarsitzungen Aussprache über die Regierungserklärung C. Äußerungen des Vizepräsidenten Jaeger in der Münchner Abendzeitung D. BSHG-Novelle E. Städtebauförderungsgesetz F. Ausbildungsförderung G. Sonstige Tagesordnungspunkte H. Lohnfortzahlung I. Hilfskräfte für Abgeordnete J. Konstituierung der Abhörkommission K. Verschiedenes […]1 Helmut Schmidt beglückwünscht Carlo Schmid zu seinem heutigen Geburtstag. Der Bericht der Agrarkommission2 soll erst nächsten Dienstag3 behandelt werden, ebenso das Ergebnis der Arbeitskreise zur Frage »Mitbestimmung«.4 Auf Wunsch von Elinor Hubert wird Punkt 11 der Tagesordnung als Punkt 8 vorgezogen. Zu Pkt. 1. der TO: Gerhard Koch fragt nach der Stellungnahme Wilsons zu den Veröffentlichungen in Bonn über die Währungsverhandlungen.5 Willy Brandt antwortet, daß Wilsons Äuße- 1 Die im Original hier eingefügte TO entspricht bis auf kleine Änderungen (siehe folgenden Absatz) dem Sitzungsverlauf. 2 Der Bericht der Ad-hoc-Arbeitsgruppe Agrarpolitik »Agrarpolitische Bestandsaufnahme und Re- formvorschläge« vom 22. November 1968, der eigentlich als TOP 8 vorgesehen war, liegt dem Proto- koll bei. 3 Die Grundsatzdiskussion über das Agrarpapier fand erst am 14. Januar 1969 statt, vgl. SPD-Fraktions- sitzung am 14. Januar 1969, TOP 13. 4 Liegt dem Protokoll vom 10. Dezember 1969 bei. 5 Bei der kurzfristig von Karl Schiller nach Bonn einberufenen Sitzung der Finanzminister und Noten- bankpräsidenten der Zehnergruppe vom 20. bis 22. November war über die internationale Wäh- rungskrise beraten worden. Der britische Ministerpräsident Wilson erhob einige Tage später im Un- terhaus den Vorwurf, offizielle deutsche Sprecher hätten Einzelheiten seines Gesprächs mit Botschaf- ter Blankenhorn öffentlich gemacht. Vgl. HANSARD, Bd. 774, S. 299 ff. und »Wilson wütend über Bonn«, FAZ vom 27. November 1968. Copyright © 2016 KGParl Berlin 1 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 03. 12. 1968 rungen nicht in Beziehung zu den Unterlagen von Diehl und Ahlers stehen würden. Die damit verbundenen Spekulationen würden sich auch nicht mit dem Inhalt des Ge- sprächs zwischen Wilson und Blankenhorn decken.6 Georg Kahn-Ackermann bittet um Auskunft über evtl. Entwicklungshilfe-Zusagen des Bundeskanzlers während seines Besuchs in Spanien.7 Erhard Eppler erklärt, es gäbe keinen finanziellen Versprechungen, sondern nur die Zusage auf wohlwollende Prüfung der spanischen Wünsche. Hinzu komme, daß Spanien wegen seines Entwicklungsstan- des keine Entwicklungshilfe erhalten könnte. Generell erfolge die Planung der Kapital- hilfen nach einer Übereinkunft gemeinsam zwischen dem Bundeswirtschaftsminister8 und dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit9, wobei die Grundsätze der Kapitalhilfe vom BMZ bearbeitet, zuständig jedoch das BMWi sei. Helmut Schmidt stellt fest, daß keine weiteren Wortmeldungen vorliegen. Vorbereitung der Plenarsitzungen Zu Pkt. 3. der TO: Willi Berkhan unterrichtet die Fraktion über den wesentlichen Inhalt seiner vorgesehe- nen Rede in der Aussprache über die Regierungserklärung.10 Er beabsichtigt, insbeson- dere darzustellen, daß die NATO ein politisches und militärisches Bündnis sei. Ein weiterer Teil seiner Rede würden Folgerungen sein, die sich mit der Verteidigungspoli- tik beschäftigen. Helmut Schmidt kritisiert die starke Unruhe in der Fraktion. Er werde künftig Frakti- onsmitglieder namentlich auffordern, ihr Gespräch vor dem Fraktionssaal fortzusetzen. Willi Berkhan geht in seinen weiteren Ausführungen insbesondere noch auf folgende Fragen ein: Zahlenmäßiges Verhältnis in der Bundeswehr zwischen längerdienenden und wehrpflichtigen Soldaten, Einführung einer Laufbahn für Fachoffiziere, Eingliede- rung längerdienender Soldaten in den öffentlichen Dienst, die haushaltsmäßige Reali- sierbarkeit der finanziellen Anforderungen für die Bundeswehr. Als weitere Sprecher sollen sich Karl Herold und Detlef Haase bereithalten, ggf. auch Karl Mommer und Kurt Mattick. Manfred Schulte unterrichtet die Fraktion von dem Wunsch der CDU/CSU-Fraktion, die Redezeit des ersten Sprechers auf eine halbe Stunde und für jeden zusätzlichen Red- ner auf eine Viertelstunde zu begrenzen. Auf Anregung von Helmut Schmidt wird der CDU/CSU-Fraktion mitgeteilt, daß die SPD ohnehin diese Zeitspannen einhalten wol- le und sich daher ein Antrag im Bundestag erübrige. In der Aussprache fragt Heinz Westphal nach den finanziellen Auswirkungen. Helmut Lenders will die Erhöhung des Verteidigungshaushalts von der Vorlage des Weißbu- ches abhängig machen. Franz Marx will der Übernahme von Offizieren der Bundes- 6 Botschafter Blankenhorn hatte am 20. November 1968 in einem Gespräch mit Premierminister Wil- son die Konsequenzen des deutschen Verzichts auf eine Aufwertung der D-Mark besprochen. Vgl. AAPD 1968, Dok. 385, S. 1498 ff. 7 Bundeskanzler Kiesinger hielt sich vom 28. bis 30. Oktober 1968 zu einem Besuch in Spanien auf. Zu den Gesprächen Kiesingers mit Außenminister Castiella und Staatschef Franco vgl. AAPD 1968, Dok. 355, 357, 358; vgl. ebenfalls BULLETIN, Nr. 139 vom 31. Oktober 1968, S. 1217 f. 8 Karl Schiller. 9 Erhard Eppler. 10 BT STEN. BER. 68, S. 10844–10902. Zum Beitrag Berkhans ebd., S. 10851. Anlaß der Aussprache waren die Erklärungen des Außen- und des Verteidigungsministers zur NATO-Ministerratstagung am 15./16. November und zur deutschen Außen- und Verteidigungspolitik in der Plenarsitzung vom 29. November 1968, ebd., S. 10772–10785. Copyright © 2016 KGParl Berlin 2 SPD – 05. WP Fraktionssitzung: 03. 12. 1968 wehr in den kommunalen Dienst ohne entsprechende Prüfung nicht zustimmen. Au- gust Berlin erinnert an die Forderungen der Kriegsopfer.11 Willy Brandt erläutert das Ergebnis der Empfehlungen des NATO-Rates.12 Das Parlament sei frei in seinen Ent- schlüssen. Trotzdem gebe es ernste politische Zusammenhänge zwischen den Empfeh- lungen des Ministerrates in Brüssel und den Entscheidungen des Bundestages. Er erin- 13 nert an die Haltung der Fraktion nach den Ereignissen vom 21. 8. 1968 in der ÈSSR. Bei der Erarbeitung der mittelfristigen Finanzplanung sei noch die Hoffnung berechtigt gewesen, daß die deutschen Verteidigungsausgaben nur unproportional zu den übrigen Ausgaben des Bundes anzusteigen brauchen. Heute könne man sich keinen Personalab- bau in der Bundeswehr leisten. Probleme der Materialbeschaffung kämen hinzu. Willy Brandt weist auf die Anstrengungen der übrigen Nordatlantikpaktstaaten hin und erin- nert an die bevorstehenden Verhandlungen über einen Devisenausgleich mit den USA.14 Philipp Seibert gibt zu überlegen, daß in den zusätzlichen 2,5 Mrd. DM Verteidigungs- ausgaben in den nächsten vier Jahren auch die Mittel für Besoldungsverbesserungen enthalten seien. Die SPD müsse ihre Haltung in dieser Frage der Öffentlichkeit verdeut- lichen. Karl Mommer geht auf die Kossygin-Doktrin von dem Interventionsrecht der UdSSR ein.15 Die Entspannungspolitik könne nur erfolgreich sein, wenn die Bundesre- publik als unangreifbar gelte. Die Abschreckung müsse glaubhaft bleiben. Gerhard Koch weist auf die Verpflichtungen hin, die andere Staaten nicht haben, wie z. B. die Versorgung der Kriegsopfer, das Problem der Flüchtlinge und Vertriebenen sowie den Status von Berlin. Die Folge sei eine zusätzliche Staatsverschuldung. Heinz Westphal regt an, das Schwergewicht der Debatte auf den außenpolitischen Teil zu legen und die Verteidigungspolitik kritisch zu behandeln. Außerdem sollen die haus- haltspolitischen Fragen (Reste im Verteidigungshaushalt) angesprochen und die Vorlage des Weißbuches gefordert werden. Er beziffert die Reste im Einzelplan 1416 auf 600 Mio. bis 1 Mrd. DM. Hans Matthöfer kritisiert die Ausführungen von Karl Mommer. Der Frieden werde durch die Situation in den Entwicklungsländern bedroht, deren 11 Die Kriegsopferverbände protestierten in Kundgebungen und Kongressen gegen den Beschluß des Bundestages, die Beratungen über ein Gesetz zur Anpassung der Kriegsopferrenten erst 1970 wieder- aufzunehmen. Vgl. »Kriegsopferkongreß nach Bonn einberufen«, FAZ vom 2. Dezember 1968. Vgl. auch SPD-Fraktionssitzung am 14. Januar 1969, TOP 5. 12 Der Ministerrat hatte auf seiner Tagung, die turnusgemäß erst im Dezember hätte stattfinden sollen, aufgrund der Ereignisse in der ÈSSR aber auf den 15./16. November vorverlegt worden war, den Einmarsch der Warschauer Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei verurteilt. AdG 1968, S. 14327. 13 Vgl. dazu SPD-Fraktionssitzung am 24. September 1968; SPD-Fraktionssitzung am 25. September 1968. 14 Die Verhandlungen über ein neues Abkommen zum Devisenausgleich begannen am 1./2. Mai 1969 in Washington. Im Juli 1969 gaben beide Staaten den Abschluß des neuen Abkommens bekannt. Vgl. AAPD 1969, Dok. 142, 158, 201 u. 224 sowie BULLETIN, Nr. 92 vom 11. Juli 1969, S. 792. 15 Gemeint ist vermutlich die Breschnew-Doktrin von der beschränkten Souveränität der sozialistischen Staaten, mit der nachträglich die Militärintervention in der ÈSSR rechtfertigt wurde. Leonid Bre- schnew hatte am 12. November 1968 erklärt: »Und wenn die inneren und äußeren, dem Sozialismus feindlichen Kräfte die Entwicklung irgendeines sozialistischen Landes auf die Restauration