Naturschutz und Biologische Vielfalt 59
Artensteckbriefe von See- und Wasservögeln der deutschen Nord- und Ostsee Verbreitung, Ökologie und Empfindlichkeiten gegenüber Eingriffen in ihren marinen Lebensraum
Bettina Mendel, Nicole Sonntag, Johannes Wahl, Philipp Schwemmer, Henriette Dries, Nils Guse, Sabine Müller und Stefan Garthe Naturschutz und Biologische Vielfalt Heft 59
Artensteckbriefe von See- und Wasser- vögeln der deutschen Nord- und Ostsee Verbreitung, Ökologie und Empfindlichkeiten gegenüber Eingriffen in ihren marinen Lebensraum
Bettina Mendel Nicole Sonntag Johannes Wahl Philipp Schwemmer Henriette Dries Nils Guse Sabine Müller Stefan Garthe
Bundesamt für Naturschutz Bonn - Bad Godesberg 2008 Titelgrafik: N. Sonntag Titelbilder: Sterntaucher (J. O. Kriegs), Silbermöwe (N. Sonntag), Basstölpel (N. Sonntag), Eissturmvogel (S. Garthe), Komposition (N. Sonntag), Trottellumme (S. Garthe), Eisente (B. Mendel), Küstenseeschwalbe (S. Garthe), Kormoran (N. Sonntag), Erfassungsmethoden (N. Sonntag).
Adressen der Autorinnen und Autoren: Bettina Mendel E-Mail: [email protected] Forschungs- und Technologiezentrum Nicole Sonntag [email protected] Westküste Dr. Philipp Schwemmer [email protected] Hafentörn 1 Henriette Dries [email protected] 25761 Büsum Nils Guse [email protected] Sabine Müller [email protected] PD Dr. Stefan Garthe [email protected] Johannes Wahl E-Mail: [email protected] Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA) e. V. Steinfurter Str. 55 48149 Münster Fachbetreuung im BfN: Dr. Ingo Narberhaus, Dr. Jochen Krause und Kathrin Heinicke, Fachgebiet I 3.2 "Meeres- und Küstennaturschutz", Bundesamt für Naturschutz, Außenstelle Insel Vilm Diese Veröffentlichung wird aufgenommen in die Literaturdatenbank DNL-online (www.dnl-online.de). Herausgeber : Bundesamt für Naturschutz (BfN) Konstantinstr. 110, 53179 Bonn URL: www.bfn.de Der Herausgeber übernimmt keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und Vollständigkeit der Anga- ben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die in den Beiträgen geäußerten Ansichten und Meinun- gen müssen nicht mit denen des Herausgebers übereinstimmen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Herausgebers unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Nachdruck, auch in Auszügen, nur mit Genehmigung des BfN Druck: LV-Druck GmbH & Co. KG, Münster Bezug über: BfN-Schriftenvertrieb im Landwirtschaftsverlag oder im Internet: 48084 Münster www.lv-h.de/bfn Tel.: 02501/801-300, Fax: 02501/801-351 Preis: 30,-- €
ISBN 978-3-7843-3959-7 Gedruckt auf FSC-Papier
Bonn - Bad Godesberg 2008 Inhaltsverzeichnis
Vorwort ...... 5 I Einleitung ...... 7 II Grundlagen zu den Artensteckbriefen...... 9 III Artensteckbriefe ...... 35 1 Bergente (Aythya marila)...... 37 2 Eiderente (Somateria mollissima)...... 51 3 Eisente (Clangula hyemalis)...... 70 4 Trauerente (Melanitta nigra) ...... 82 5 Samtente (Melanitta fusca)...... 97 6 Mittelsäger (Mergus serrator) ...... 110 7 Haubentaucher (Podiceps cristatus) ...... 123 8 Rothalstaucher (Podiceps grisegena) ...... 137 9 Ohrentaucher (Podiceps auritus) ...... 149 10 Sterntaucher (Gavia stellata)...... 161 11 Prachttaucher (Gavia arctica)...... 174 12 Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) ...... 186 13 Basst lpel (Sula bassana)...... 197 14 Kormoran (Phalacrocorax carbo) ...... 209 15 Tordalk (Alca torda) ...... 228 16 Trottellumme (Uria aalge) ...... 240 17 Gryllteiste (Cepphus grylle)...... 254 18 Dreizehenm we (Rissa tridactyla) ...... 265 19 Zwergm we (Hydrocoloeus minutus)...... 276 20 Lachm we (Larus ridibundus) ...... 287 21 Sturmm we (Larus canus)...... 304 22 Mantelm we (Larus marinus) ...... 320 23 Silberm we (Larus argentatus) ...... 333 24 Heringsm we (Larus fuscus) ...... 350 25 Brandseeschwalbe (Sterna sandvicensis) ...... 364 26 Flussseeschwalbe (Sterna hirundo) ...... 376 27 K stenseeschwalbe (Sterna paradisaea) ...... 388 IV Literaturverzeichnis ...... 400 V Abk rzungsverzeichnis und Glossar ...... 435
3
Vorwort
Im Jahr 2004 meldete die Bundesrepublik Deutschland zehn marine Schutzgebiete in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (12-200 Seemeilen-Zone) als Beitrag zum Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 an die Europäische Kommission. Im Jahr 2005 wurden hiervon die beiden Vogelschutzgebiete „Östliche Deutsche Bucht“ in der Nordsee und „Pommersche Bucht“ in der Ostsee als Naturschutzgebiete national unter Schutz gestellt. Diese insgesamt ber 5.000 km2 großen Flächen sind die geeignetsten Gebiete zum Schutz von ber 25 rastenden, berwinternden und mausernden Seevogelarten in der deutschen Nord- und Ostsee. Die allgemeinen Schutzziele wurden bereits im Jahr 2005 grundsätzlich in den jeweiligen Verordnungen der Naturschutzgebiete festgelegt. F r auf die jeweiligen Seevogelarten bezogene Schutzmaßnahmen im Rahmen der zu entwickelnden Managementpläne ist jedoch eine genaue Kenntnis der biologischen Charakteristika der einzelnen Arten eine essentielle Voraussetzung. Deshalb wird mit dem vorliegenden Werk das aktuelle Fachwissen im Bereich der Seevogelbiologie und - kologie zu den in den Gebieten bedeutsamen Arten als fachliche Grundlage f r Managementpläne f r marine europäische Vogelschutzgebiete zusammengefasst. Aufbauend auf den morphologischen, verhaltensbiologischen und ernährungs kologischen Eigenschaften der Arten werden zum ersten Mal f r die Seev gel des offenen Meeres die konkreten Empfindlichkeiten gegen ber spezifischen menschlichen Aktivitäten herausgearbeitet. Die Artensteckbriefe bilden ferner die fachliche Basis f r die Bewertung von Eingriffen in Lebensräume von Seev geln im Meer und damit auch f r Entscheidungen im Rahmen von Genehmigungsverfahren in marinen Vogelschutzgebieten. Unser Dank gilt den ausgewiesenen Experten, die diese Leistung, die zu einem nicht unerheblichen Teil auf eigenen Forschungsergebnissen beruht, erbracht haben, und den vielen Feldornithologen, die mit ihren Bestandserfassungen und wissenschaftlichen Untersuchungen eine wesentliche Grundlage f r die Erf llung der nationalen und internationalen Aufgaben zum Schutz der Seev gel geliefert haben.
Prof. Dr. Beate Jessel Präsidentin des Bundesamtes f r Naturschutz
5
I Einleitung
Seit vielen Jahrzehnten werden durch eine große Zahl ehrenamtlicher und hauptberuf- licher Ornithologen Informationen ber die heimische Vogelwelt gesammelt. Diese Vielzahl von Daten und Erkenntnissen ist in unterschiedlichsten Quellen zu finden und wurde zuletzt beispielsweise im "Kompendium der V gel Mitteleuropas" (BAUER et al. 2005) zusammengestellt. Im Vergleich zu vielen Landv geln Mitteleuropas ist aller- dings die Kenntnis ber Meeresv gel nach wie vor geringer. Dies gilt vor allem f r ihre Lebensweise auf dem offenen Meer. In den letzten Jahren haben anthropogene Aktivitä- ten im Meer deutlich zugenommen, insbesondere in k stenfernen Meeresgebieten von Nord- und Ostsee wird die Nutzung derzeit intensiviert. Beispiele sind der großflächige Abbau von Sand und Kies, Öl- und Gasexploration, der zunehmende Schiffsverkehr und die geplanten Offshore-Windenergieanlagen. Das Gefährdungspotenzial f r Seev gel nimmt durch diese vielfältigen Nutzungen beträchtlich zu, vor allem durch den daraus resultierenden Verlust von bisher wenig gest rten Lebensräumen.
In der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone der Nord- und Ostsee (12- 200 Seemeilen-Zone) wurde im Jahr 2005 je ein EU-Vogelschutzgebiet zum Schutz der meisten in diesem Buch behandelten Arten als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Die Ein- schätzung der Auswirkungen der bestehenden und der neuen Nutzungsformen auf die Seev gel selbst und die von ihnen ben tigten Habitate sowie wirkungsvolle Schutzmaß- nahmen k nnen aber nur gelingen, wenn gen gend Vorkenntnisse vorhanden sind. Deshalb ist es das Ziel der hier vorgelegten Artensteckbriefe, die wichtigsten Aspekte der gegenwärtigen Kenntnisse zur Biologie und Ökologie der in den Offshore-Bereichen der deutschen Nord- und Ostsee vorkommenden See- und Wasservogelarten zusammen- zutragen. Dies beinhaltet die grundlegenden aktuellen Informationen zur Habitatwahl, Ernährung, Verbreitung und zu den Bestandsgr ßen sowie deren Trends in den Über- winterungs- und Brutgebieten. Hierbei muss aber auch betont werden, dass keine voll- ständige Darstellung aller verf gbaren Informationen m glich ist. Zusätzlich wird eine umfassende Einschätzung der bekannten und anzunehmenden Auswirkungen gegenwär- tiger menschlicher Aktivitäten im Meer auf die behandelten Arten gegeben. Viele der hier verarbeiteten Daten und Erkenntnisse wurden erst in j ngster Zeit gewonnen und werden hier zum ersten Mal publiziert. Das grundlegende Vorgehen bei der Erstellung der Artensteckbriefe ist im nachfolgen- den Kapitel II erläutert. Darauf folgen im Kapitel III die Artensteckbriefe der 27 ausge- wählten Arten. Dabei handelt es sich um fast alle regelmäßig in den k stenfernen Berei- chen der deutschen Nord- und Ostsee vorkommende Arten. Weitere Arten, die in deutschen Meeresgebieten nur vereinzelt oder in Randgebieten vorkommen, wie z.B.
7 einige Sturmvogel-, Raubm wen-, M wen- und Alkenarten, werden in diesem Buch nicht betrachtet. Auf Basis dieses Werkes sollte es nun m glich sein, die realen und potentiellen Gefähr- dungen von Seev geln durch menschliche Aktivitäten im Meer besser einzuschätzen. Es ist somit eine wichtige Grundlage f r die Ableitung von artspezifischen Schutzzielen, die Entwicklung von Managementplänen und die Beurteilung der Auswirkungen anthropogener Eingriffe in zuk nftigen Genehmigungsverfahren auf dem offenen Meer.
Danksagung Das Bundesamt f r Naturschutz gab die Anregung zu dieser Zusammenstellung und finanzierte das Projekt. Ingo Narberhaus, Jochen Krause und Kathrin Heinicke unter- st tzten die Autoren durch umfangreiche Verbesserungsvorschläge in inhaltlicher und konzeptioneller Hinsicht. Der Dachverband Deutscher Avifaunisten und viele Fachkol- legen unterst tzten die Autoren durch Datenzusammenstellungen, Informationen und Beratung.
8 II Grundlagen zu den Artensteckbriefen In diesem Kapitel werden die Angaben in den einzelnen Artensteckbriefen erläutert und dargestellt, wie bei der Zusammenstellung methodisch vorgegangen und Literatur recherchiert wurde und wie neue Daten berechnet oder zusammengestellt wurden. Die Nummerierung innerhalb dieses Grundlagenkapitels entspricht derjenigen in den einzelnen Seevogelsteckbriefen und enthält alle n tigen Informationen zur Auswahl des Inhalts, zu den verwendeten Referenzen sowie Informationen zum Verständnis der Kapitel. Das im Folgenden verwendete X steht als Platzhalter f r die durchlaufende Nummerierung der einzelnen Artensteckbriefe.
Allgemeine Hinweise zu verwendeten Quellen und Zitaten Zur besseren Lesbarkeit wurden die Informationen, die aus den gängigen Standard- werken, Handb chern und Kompendien stammen, nicht in jedem Text mit dem entsprechenden Literaturzitat gekennzeichnet, sondern nur im jeweiligen Kapitel dieses Grundlagenkapitels aufgef hrt. Die f r verschiedene Teilaspekte zu Grunde liegende Literatur ist diesen Standardwerken zu entnehmen. Bei einigen Buchver f- fentlichungen, vor allem Lokalavifaunen und Referenzwerken, wurden der Praktikabi- lität wegen in den meisten Fällen nur die Herausgeber des Gesamtwerkes genannt. Alle anderen Quellen sind in der blichen Form zitiert.
Aufbau und Inhalt der einzelnen Kapitel X. Art Die deutschen und wissenschaftlichen Artbezeichnungen sowie die Reihenfolge der Artbearbeitungen folgen BAUER et al. (2005). Die englischen, niederländischen, dänischen, schwedischen und polnischen Namen wurden ebenfalls BAUER et al. (2005) entnommen.
X.1 EU-Code Der artspezifische Code entspricht der "Richtlinie des Rates vom 2. April 1979 ber die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (79/409/EWG)" (Vogelschutzrichtlinie - VS-RL).
9 X.2 Systematik Angegeben wird hier die taxonomische Einteilung der Arten in die jeweilige Ordnung und Familie nach BAUER et al. (2005).
X.3 Kennzeichen
Die arttypischen Kennzeichen wurden nach den Beschreibungen von SVENSSON et al. (1999), JONSSON (1992) und BEAMAN & MADGE (1998), BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM (1966, 1968, 1969), GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER (1982) sowie BWPI (2004) zusammengestellt und durch eigene Beobachtungen der Autoren ergänzt. Der Fokus dieser Zusammenstellung liegt auf den Merkmalen, die f r eine Bestim- mung auf See vom Schiff bzw. Flugzeug aus relevant sind. M wen wurden hinsichtlich ihrer Jugendkleider wie folgt eingeteilt: Zweijahres-M we: meist kleinere Arten (z.B. Lachm wen), die im zweiten Ka- lenderjahr (etwas älter als ein Jahr) adult werden. Die meiste Zeit des Jahres treten zwei Altersstufen auf: Einjährige und Adulte. Dreijahres-M we: mittelgroße M wen, (z.B. Sturm-, Zwerg- und Dreizehen- m wen), die im dritten Kalenderjahr (etwas älter als zwei Jahre) adult werden. Die meiste Zeit des Jahres treten drei Altersstufen auf: Einjährige, Zweijährige und Adulte. Vierjahres-M we: alle Großm wen, (z.B. Silberm wen), die im vierten Kalen- derjahr (etwas älter als drei Jahre) adult werden. Die meiste Zeit des Jahres tre- ten vier Altersstufen auf: Einjährige, Zweijährige, Dreijährige und Adulte (Er- klärung nach SVENSSON et al. 1999).
X.4 Verbreitung und Bestand X.4.1 Welt / Europa Verbreitung: Die Beschreibung der weltweiten und insbesondere der europäischen Verbreitung beruht in erster Linie auf der Zusammenstellung von BAUER et al. (2005), wurde jedoch durch Angaben und zusätzliche Informationen von BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM (1966, 1968, 1969), GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER (1982) sowie aus BWPI (2004) ergänzt. Informationen, die nicht aus diesen Werken stammen, wurden mit Literaturverweisen versehen.
10 Unterarten: Die Einteilung der Unterarten wurde BAUER et al. (2005) entnommen. Wenn in weiteren gängigen, z.T. neueren Literaturquellen eine andere Unterteilung der Unterarten aufgef hrt war, wurde sie benannt und entsprechend zitiert.
Weltbestand: Der aktuelle Weltbestand wurde durch Summierung der in WETLANDS INTERNATIONAL (2006) angegebenen Bestandszahlen f r jede biogeografische Population einer Art ermittelt. Da in einigen Fällen f r die Populationen nur Angaben in Gr ßenklassen vorliegen (s.u.), konnte der Weltbestand in diesen Fällen nur als grober Schätzwert angegeben werden. Europäischer Brutbestand: Die Angaben zu den Brutbestandsgr ßen der Arten in Europa unter Ber cksichtigung des europäischen Teils von Russlands wurden BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) entnommen. Eine Unterscheidung nach Unterarten oder biogeografischen Populationen geht aus diesem Werk allerdings nicht hervor.
Tabelle zu Verbreitungs- und Bestandsangaben Die Angaben zur Verbreitung der in Europa vorkommenden biogeografischen Populationen wurden auf Grundlage von WETLANDS INTERNATIONAL (2006) erstellt, w rtlich bersetzt und tabellarisch dargestellt. Auf die Auflistung von biogeografischen Populationen, die in Europa weder br ten, rasten oder berwintern, wurde an dieser Stelle verzichtet. Eine Ausnahme bilden die Angaben zu Eissturmvogel, Basst lpel, Trottellumme, Tordalk und Gryllteiste, da f r sie in WETLANDS INTERNATIONAL (2006) keine Informationen vorliegen. Es wurden daher Angaben aus MITCHELL et al. (2004) bzw. f r die drei Alkenarten aus KUBE et al. (2005a) herangezogen. 1. Spalte Art / Unterart: Aus dieser Spalte wird ersichtlich, ob sich die in der Tabelle zusammengetragenen Informationen auf die gesamte Art oder auf eine Unterart beziehen. Es k nnen z.B. mehrere biogeografische Populationen innerhalb einer Art, aber auch innerhalb einer Unterart unterschieden werden. 2. Spalte Biogeografische Population: Unter einer biogeografischen Population werden die Individuen einer Art verstanden, deren Zugbewegungen zwischen Brut- und Überwinterungsgebieten sich zum berwiegenden Teil innerhalb eines bestimmten Raumes abspielen und sich dadurch gegen ber einer anderen Gruppe von Individuen derselben Art im Sinne ihres internationalen Schutzes abgrenzen lassen. Hierbei handelt es sich um keine rein biologische Definition, sondern auch um praktikable Einheiten f r den internationalen Wasservogelschutz. Wenn in WETLANDS INTERNATIONAL (2006) oder anderen
11 Quellen (z.B. MITCHELL et al. 2004) keine Unterteilung der Art oder Unterart in biogeografische Populationen vorgenommen wurden, wurde die entsprechende Art oder Unterart als eine solche biogeografische Unterart aufgefasst und entsprechend in der Tabelle aufgef hrt. Die Angabe in der Spalte „Biogeografische Population“ gibt zudem an, ob die Populationen aufgrund ihres Brutverbreitungsgebietes („Brutzeit“) oder aufgrund ihres Verbreitungsgebietes außerhalb der Brutzeit („außerhalb Brut- zeit“) zusammengefasst bzw. definiert wurden. 3. und 4. Spalte Brutverbreitung und Winterverbreitung: Die Angaben zu den Gebieten und Ländern wurden aus WETLANDS INTERNATIONAL (2006) bernommen. Falls dort keine Angaben zur Winterverbreitung gemacht wurden, wurde dies hier mit „k.A.“ gekennzeichnet. 5. Spalte Bestand: Der Bestand gibt die Anzahl aller Individuen einer jeden biogeografischen Population an und wurde WETLANDS INTERNATIONAL (2006) entnommen. Dies schließt auch immature V gel ein. Die Bestandszahlen von Eissturmvogel, Basst lpel, Trottellum- me, Tordalk und Gryllteiste, die MITCHELL et al. (2004) entnommen wurden (s.o.), beziehen sich nur auf br tende Altv gel und schließen demnach keine immaturen oder nichtbr tenden V gel ein. Diese Information wird in den entsprechenden Fällen in der Tabellen berschrift gegeben. F r einige biogeografische Populationen gibt WETLANDS INTERNATIONAL (2006) nur Gr ßenklassen f r den Bestand an, genauere Informatio- nen zu den Bestandsangaben sind dort erläutert. 6. Spalte Trend: Falls keine Angaben zum Trend vorliegen, wurde dies mit „k.A.“ gekennzeichnet. In seltenen Fällen gibt WETLANDS INTERNATIONAL (2006) ein „?“ an, das hier ebenso bernommen wurde. 7. Spalte 1 %-Kriterium: Anzahl von Individuen, die 1 % der biogeografischen Population entsprechen. Dieser Wert kann vom rechnerischen Wert abweichen, wenn der Bestand einer biogeografi- schen Population > 2 Mio. Individuen ist. Das 1 %-Kriterium beträgt dann grundsätz- lich 20.000 Individuen. Das geschieht in Anlehnung an Kriterium 5 der Ramsar- Konvention, wonach ein Gebiet auch dann von internationaler Bedeutung ist, wenn es regelmäßig mind. 20.000 Individuen beherbergt. Bei biogeografischen Populationen, deren Bestand in einer Gr ßenklasse angegeben ist, wurde kein 1 %-Kriterium festgelegt. Alle Angaben zu den 1 %-Kriterien wurden WETLANDS INTERNATIONAL (2006) entnommen.
12 X.4.2 Deutschland Hier finden sich Informationen zum Status der jeweiligen Art in Deutschland, d.h. ob eine Vogelart z.B. Brut- oder Rastvogel in Deutschland ist. Außerdem werden die in Deutschland vorkommenden V gel einer Art den biogeografischen Populationen zugeordnet. Der in diesem Kapitel genannte Brutbestand f r ganz Deutschland wurde aus der jeweils aktuellsten oder vollständigsten Quelle bernommen und jeweils entsprechend gekennzeichnet. Der Mittwinter-Rastbestand f r Deutschland wurde aus der Summe der Zählungen im Binnenland (DDA unver ffentl., s. unten) und den Bestandsdaten f r Nord- und Ostsee (s. unten) gebildet.
Abbildung: Verbreitungskarte Nordsee und Ostsee Die Daten der Seabirds-at-Sea-Erfassungen auf Nord- und Ostsee wurden auf Rasterbasis 6´Breite x 10´Länge ausgewertet und dargestellt. Die Rastergr ße ist somit in Abhängigkeit von der geografischen Länge und Breite ca. 120 km² groß. Alle Verbreitungskarten basieren auf Dichtewerten, die sich aus der Summe der Individuen pro kartierter Fläche errechnen. In verschiedenen Seegebieten wurde ein unterschiedli- cher Kartieraufwand betrieben. Durch die Berechnung der Dichte geben die Daten daher aufwandsbereinigte Mittelwerte innerhalb eines Rasters wieder. Die Darstellung erfolgt gemeinsam f r Nord- und Ostsee. Mit Ausnahme der Stern- und Prachttaucher auf der Nordsee wurden f r alle Arten Daten auf Basis von Schiffstransektzählungen abgebildet. Die Daten aus der Nordsee stammen aus den Jahren 1990-2006, die Daten aus der Ostsee aus den Jahren 2000- 2006 (Schiff-Datenbank Version 5.07). F r schwimmende V gel wurde ein artspezifi- scher Korrekturfaktor verwendet (GARTHE et al. 2007a), da diese V gel besonders in dem äußeren Bereich des Transektes oder bei hohen Individuendichten m glicherwei- se nicht vollständig erfasst wurden. Fliegende V gel wurden anhand der standardisier- ten „Schnappschuss-Methode“ erfasst (TASKER et al. 1984). Hierbei werden fliegende V gel nur f r die Dichteberechnung herangezogen, wenn diese zu jeder vollen Minute ber die kartierte Transektfläche fliegen. Diese Konvention ist notwendig, da sich fliegende Individuen gegen ber dem Schiff schneller bewegen. Dies w rde zu einer Überschätzung der Dichtewerte f hren. Die Daten f r Seetaucher auf der Nordsee stammen von Flugzeugtransektzählungen in den Jahren 2002-2006 (Flugzeug-Datenbank Version 5.07). F r Stern- und Prachttau- cher wurden auch unbestimmte Seetaucher in die Auswertungen einbezogen. Dabei
13 wurde die Anzahl unbestimmter Seetaucher mit dem prozentualen Anteil der artbe- stimmten Sterntaucher (92 %) und Prachttaucher (8 %) multipliziert. Da V gel aus dem Flugzeug bei bewegter See nur schwer zu entdecken sind, wurden aus den Flugzeugdaten nur die Daten ausgewertet, die bei einem Seegang (Seastate) von 0 bis einschließlich 4 erfasst wurden. Die Einteilung des Seastate erfolgt nach einer in GARTHE et al. (2002) beschriebenen 8 stufigen Skala. 0 steht hierbei f r eine spiegel- glatte Meeresoberfläche und 7 f r aufget rmte, sich brechende Wellen, die sich in Windrichtung in Streifen anordnen. F r Arten, die die deutschen Meeresgebiete vor allem oder ausschließlich im Winter nutzen, wurden die mittleren Dichtewerte f r den Zeitraum von Oktober bis ein- schließlich März dargestellt (Anmerkung: dieser Zeitraum entspricht nicht der artspezifischen Jahreszeit "Winter" die z.B. der Berechnung der Bestandszahlen zu Grunde liegt, s. dazu SONNTAG et al. 2007). Bei Arten, die ein großes Sommervor- kommen in deutschen Nord- und Ostseegewässern aufweisen, oder aber nur in den Sommermonaten dort zu beobachten sind, wurden Verbreitungsdaten aus den Monaten April bis einschließlich September dargestellt.
Abbildung: Verbreitungskarte Deutschland (Wasservogelzählung) In den Karten ist aufgrund des h chsten Abdeckungsgrades aller Zählstrecken die Verbreitung der Arten im Januar als Mittelwert der Zählungen zwischen 2000 und 2005 dargestellt. Quelle ist die bundesweite Wasservogeldatenbank des Dachverban- des Deutscher Avifaunisten (DDA). Zur Vervollständigung des Verbreitungsbildes wurden in Einzelfällen Daten bis 2007 ber cksichtigt. Die Gr ße der Zählgebiete ist teilweise sehr unterschiedlich und variiert von Region zu Region. Das hat vor allem historische Gr nde: Aufgrund sehr begrenzter EDV-Kapazitäten zu Beginn des Erfassungsprogramms und dem Bestreben, funktional eng miteinander in Verbindung stehende Gewässer als kologische Einheiten zu fassen, wurden teilweise lange Fließgewässerabschnitte einschließlich der nahen Stillgewässer zu einem „Zählgebiet“ zusammengefasst und diese Einheiten bis heute aus Gr nden der Vergleichbarkeit beibehalten. Während in vielen Bundesländern diese Einheiten mittlerweile in die tatsächlich erhobenen Teilstrecken der Fl sse oder Einzelgewässer aufgeteilt wurden, ist dies in Hessen, am Oberrhein in Baden-W rttemberg, an der Mosel, am Main und an der Donau in Bayern noch nicht erfolgt. Das ist bei der Interpretation der Karten unbedingt zu beachten. Dargestellt ist grundsätzlich der geografische Mittelpunkt der Zählgebiete. Zu weiteren Details der Wasservogelzählung siehe SUDFELDT et al. (in Vorb.).
14 Abbildung: Karte der M wen-Schlafplatzzählungen Aus Gr nden der Vergleichbarkeit sind f r die Darstellung der Zählungen an den M wen-Schlafplätzen ebenfalls die Mittelwerte der Januarzählungen, errechnet aus den Jahren 2004-2006, dargestellt. Insbesondere im Siedlungsbereich sammeln sich die M wen oft witterungs- oder st rungsabhängig abends vor dem Abflug zum eigentlichen Schlafplatz an mehreren Orten. Diese sind als Schlafplatzkomplexe anzusehen und werden in den Karten zu einem Gebiet zusammengefasst. Es ist zusätzlich zu beachten, dass in einigen Regionen Deutschlands M wen nicht zum Artenspektrum der Wasservogelzählungen geh ren. Grenznahe Gebiete und Schlafplätze (Bodensee, Oberrhein) wurden in die geographischen Darstellungen mit einbezogen, bei den Bestandsschätzungen jedoch nicht oder nur anteilig ber cksich- tigt, wenn sie nicht vollständig Deutschland betrafen.
Abbildung: Jahreszeitliches Auftreten Einteilung der Zählgebiete F r eine regionalisierte Auswertung der Daten der Wasservogelzählung wurden die Zählgebiete sechs Regionen zugeordnet (Abb. II-1): Ostseek ste, Nordseek ste, Binnenland Ost, Nordwest, S dwest und S d. Die Abgrenzung der Regionen erfolgte in erster Linie anhand einer ähnlichen klimatischen Situation im Winter (vgl. WAHL 2002) sowie markanter Landschaftselemente (Wattenmeer, Ostseek ste, Mittelgebir- ge). Vor allem in Schleswig-Holstein wurden Teile des Binnenlandes der Ostseek ste zugerechnet. Im Rahmen einiger Auswertungen wurden die Regionen auch wie folgt zu gr ßeren Einheiten aggregiert:
• Nordostdeutschland: Ostseek ste und Binnenland Ost • Nordwestdeutschland: Nordseek ste und Binnenland NW • S ddeutschland: Binnenland SW und Binnenland S d • Binnenland: Binnenland Ost, NW, SW und S d
15
Abb. II-1 Regionen: Einteilung der Zählgebiete der Wasservogelzählung. Jeder Punkt stellt den geografischen Mittelpunkt eines Zählabschnittes dar, gleiche Farben die Regionen.
16 Berechnung des jahreszeitlichen Auftretens Bei der Darstellung des jahreszeitlichen Auftretens tritt das Problem fehlender Zählungen auf. Deshalb wurden hier mit dem Programm TRIM (TRends and Indices for Monitoring Data, PANNEKOEK & VAN STRIEN 2001; s. Kapitel X.4.3 Bestandsent- wicklung / Trendberechnung) die fehlenden Angaben simuliert. Die Monate von September bis April (der Standardzeitraum der Wasservogelzählungen) gingen dabei als so genannte „Pseudojahre“ in die Berechnungen ein (vgl. TEUNISSEN & GMELIG MEYLING 1999). Die so errechneten monatlichen Indexwerte wurden f r die Winter- halbjahre 2000/01-2004/05 arithmetisch gemittelt. Zur direkten Vergleichbarkeit der Abbildungen wurden die Monatswerte relativ zum Monat, in dem das Rastbestandsmaximum auftritt, indiziert.
Verbreitung Nordsee / Ostsee Die Angaben zur Verbreitung von Seev geln auf Nord- und Ostsee basieren fast ausschließlich auf den Erfassungen auf See (Schiffs- und Flugzeugtransekterfassun- gen). Im Gegensatz zu k stennahen Vogelvorkommen werden unter „Offshore“ die Vorkommen verstanden, die sich etwa 3 km und weiter vor der K ste befinden. Bei Arten, die auch in K stennähe verbreitet sind, liefern Beobachtungen von Land aus meist ein besseres Bild ber die Verbreitung in Landnähe als dies durch Erfassun- gen von See aus m glich ist. Änderungen in den Verbreitungen entlang der K ste k nnen häufig durch Verlagerung in k stenfernere Gewässer begr ndet sein (z.B. bei k stennaher Eisbedeckung), wodurch sich die Beschreibungen der Bestandsentwick- lung von Land- bzw. See aus widersprechen k nnen. Das Vorkommen innerhalb der Seevogelschutzgebiete „Östliche Deutsche Bucht“ und „Pommersche Bucht“ wurde anhand von Daten der aktuellen ESAS (European Seabirds at Sea Specialists Group)- Datenbank (Version 5.05) beschrieben.
Bestandstabellen / Berechnungen Die Bestandszahlen f r die deutsche AWZ der Nordsee sowie f r die gesamte deutsche Nordsee entstammen GARTHE et al. (2007a). Die Berechnungen basieren f r Stern- und Prachttaucher auf Flugzeugtransektzählungen der Jahre 2002-2006, f r alle anderen Arten auf Schiffstransektzählungen der Jahre 1993-2003. Die Bestandszahlen f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“ stammen, wenn nicht anders in den Tabellenlegenden vermerkt, aus SONNTAG et al. (2007). Die Berechnun- gen basieren f r Stern- und Prachttaucher auf Flugzeugtransektzählungen der Jahre 2002-2005, f r alle anderen Arten auf Schiffstransektzählungen der Jahre 1996-2005.
17 Die Bestandszahlen f r die deutsche AWZ der Ostsee sowie f r die gesamte deutsche Ostsee wurden speziell f r dieses Buch erstellt. Sie basieren auf der Schiffsdatenbank Version 5.08 (Juli 2007) und betreffen den Zeitraum 2000-2007. F r Stern- und Prachttaucher wurden ergänzend die Flugzeugtransektzählungen 2002-2006 herange- zogen. Die Bestandszahlen f r das SPA „Pommersche Bucht“ stammen, wenn nicht anders in den Tabellenlegenden vermerkt, aus SONNTAG et al. (2006) und basieren f r alle Arten auf Schiffstransektzählungen der Jahre 2000-2005. Die Bestandsberechnungen wurden jeweils anhand von gerasterten Verbreitungskarten (Raster: 3' Breite x 5' Länge; Rastergr ße damit ca. 30 km²) aller V gel einer Art innerhalb des Zähltransektes vorgenommen. Dabei wurden artspezifische Korrektur- faktoren (GARTHE et al. 2007a) eingerechnet. F r jede Art wurden pro artspezifisch definierter Jahreszeit (siehe SONNTAG et al. 2006) verschiedene Konzentrationsberei- che in den Verbreitungskarten abgegrenzt. Innerhalb dieser Konzentrationsbereiche wurde die mittlere Vogeldichte berechnet. Dieser Wert wurde dann mit der Gebiets- gr ße des jeweiligen Konzentrationsbereiches multipliziert. F r die Berechnung der Bestandszahlen in den AWZ-Vogelschutzgebieten wurde die Fläche des jeweiligen SPA als Bezugsfläche verwendet. Bei der Berechnung der Bestandszahlen f r die gesamte deutsche Nordsee wurden als Bezugsflächen die K stenmeere Schleswig-Holsteins und Niedersachsens sowie die AWZ gewählt. Innerhalb dieser Bezugseinheiten wurden alle Bestände in den einzelnen Konzentrationsbereichen zu einem Gesamtbestand addiert, wobei auch die Brutv gel und die bei Hochwasser an der K ste rastenden Arten mit einbezogen wurden (GARTHE et al. 2007a). Bei der Ermittlung der Bestandszahlen f r die gesamte deutsche Ostsee wurden als Bezugsflächen die K stenmeere Schleswig-Holsteins und Mecklenburg-Vorpommerns sowie die AWZ verwendet. F r Arten, bei denen ein nennenswerter Anteil nur durch die K sten-Wasservogelzählung erfasst wird (K ste bzw. sehr k stennahe Bereiche), k nnen f r die gesamte deutsche Ostsee nur Angaben f r den Winter gemacht werden, da die Wasservogelzählungen außerhalb dieses Zeitraums zeitlich und räumlich zu l ckenhaft sind. Im räumlichen Überlappungsbereich beider Erfassungsmethoden wurden die Bestandszahlen durch einen Abgleich zwischen Seabirds-at-Sea- Erfassungen (FTZ) und K sten-Wasservogelzählungen (DDA) ermittelt.
18 F r die Bestandsangaben in den Tabellen (Nordsee bzw. Ostsee) wurden die berechne- ten Zahlen wie folgt zusammen gefasst bzw. gerundet: I: 1-5 Individuen II: 6-10 Individuen III: 11-50 Individuen 50-500: Rundung auf Zehner 500-1.000: Rundung auf F nfziger 1.000-5.000: Rundung auf Hunderter 5.000-20.000: Rundung auf F nfhunderter 20.000-100.000: Rundung auf Tausender ber 100.000: Rundung auf F nftausender k.A. = keine Bestandsangabe m glich
X.4.3 Bestandsentwicklung / Trendberechnungen Bei der Auswertung langjähriger Monitoringprogramme wird man stets mit dem Problem fehlender Zählungen konfrontiert. Die Ermittlung von langfristigen Trends kann somit nicht auf der Basis von jahrweise summierten Zähldaten erfolgen, es sei denn, es werden hierf r ausschließlich Gebiete mit l ckenlosen Zählreihen herangezo- gen. Speziell um dieses Problem zu umgehen und m glichst viele Informationen in die Beschreibung der Populationsdynamik sowie zur Abschätzung der Bestandsgr ßen einbeziehen zu k nnen, wurde das Programm TRIM (TRends and Indices for Monitoring Data, PANNEKOEK & VAN STRIEN 2001) entwickelt. TRIM, das in der Version 3.53 verwendet wurde, bedient sich loglinearer Modelle, mit deren Hilfe fehlende Zählungen auf Grundlage der vorhandenen Zähldaten geschätzt werden (s. unten). Als Berechnungsmodell wurde „Linear Trend“ gewählt, wobei alle Jahre als so genannte Change Points ausgewählt werden (zu Details s. PANNEKOEK & VAN STRIEN 2001). Es gingen alle im betrachteten Zeitraum mindestens einmal erfassten Gebiete in die Auswertung ein. Da nur Gebiete in die Berechnungen einfließen, in denen die Art auch mindestens einmal festgestellt wurde, variiert die Anzahl ber cksichtigter Gebiete von Art zu Art. Als Bezugsjahr (Indexwert = 1) wurde in Anlehnung an Wetlands International das Jahr 1990 gewählt. Die Bestandsentwicklung wird somit relativ zum Jahr 1990 dargestellt. TRIM errechnet f r jeden Indexwert den Standardfehler, der ebenfalls als Fehlerbalken im Bestandsdiagramm dargestellt ist.
19 Die relative Darstellungsform wurde gewählt, da ber die Wasservogelzählung nicht alle Rastgebiete abgedeckt werden k nnen. Eine Abbildung absoluter Bestandszahlen w rde somit zu falschen Schl ssen f hren. Die ab der Version 3.5 in TRIM bereits enthaltene Klassifikation der Trends wurde an das Kriterienschema der Roten Liste der Brutv gel Deutschlands (SÜDBECK et al. 2005) angelehnt: • Sehr starke Zu- bzw. Abnahme: Der Bestand verdoppelt bzw. halbiert sich innerhalb von 25 Jahren signifikant. Dies entspricht etwa einer mittleren jähr- lichen Änderung von > 3 %. • Starke Zu- bzw. Abnahme: Der Bestand nimmt innerhalb von 25 Jahren signifikant um 20 bis 50 % ab (bzw. um mehr als 25 % und weniger als 100 % zu). Dies entspricht etwa einer mittleren jährlichen Änderung zwischen 1 und 3 %. • Leichte Zu- bzw. Abnahme: Der Bestand nimmt innerhalb von 25 Jahren signifikant um weniger als 20 % ab (bzw. um weniger als 25 % zu). Dies ent- spricht etwa einer mittleren jährlichen Änderung von < 1 %. • Stabil: Der Bestand nimmt nicht signifikant zu oder ab, aber das Konfidenz- intervall ist klein (< 20 % Ab- bzw. < 25 % Zunahme in 25 Jahren). • Fluktuierend: Der Bestand nimmt nicht signifikant zu oder ab, das Konfidenz- intervall ist groß (> 20 % Ab- bzw. > 25 % Zunahme in 25 Jahren). Ein signifikanter Trend liegt immer dann vor, wenn das 95 %-Konfidenzintervall der mittleren jährlichen Änderung den Wert „1“ f r „stabil“ nicht einschließt. Problematisch bei Trendberechnungen sind jegliche methodische Änderungen bei der Bestandserfassung, da dann errechnete Bestandsveränderungen nicht mehr ohne Weiteres als solche interpretiert werden k nnen. Vor allem das in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich weit gefasste Artenspektrum sowie die optionale Erfassung der M wen schränkten die Auswertungsm glichkeiten f r diese stark ein: Ist eine Art bei einer Zählung nicht aufgef hrt (es werden grundsätzlich keine „0“- Bestände in die Datenbanken eingetragen), so wurde bei der Trendberechnungen davon ausgegangen, dass diese Art nicht anwesend war und eine „0“ als Bestand temporär ergänzt. Wurde die betreffende Art tatsächlich nur nicht erfasst, so wird deren Hinzunahme bei den Zählungen ab einem bestimmten Zeitpunkt als pl tzliche extreme Bestandszunahme interpretiert. Trifft dies auf mehrere Gebiete zu, so wirkt sich dies erheblich auf die Indexwerte aus. Bei allen M wenarten f hrte dies zu einer
20 deutlichen Reduzierung der Datenreihe, bei Lach- und Sturmm we sogar dazu, dass mehrjährige Trendberechnungen nur f r die Nordseek ste m glich waren.
X.5 Biologie / Ökologie
Die Informationen zu allen Unterkapiteln wurden vorwiegend aus BAUER et al. (2005) zusammengestellt. Ergänzend wurden auch Aspekte aus BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM (1966, 1968, 1969) und GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER (1982) sowie aus BWPI (2004) eingef gt. Die aus diesen Werken entnommenen Angaben wurden im Text nicht mit Literaturverweisen versehen (siehe Vorbemerkung). Alle weiteren verwendeten Quellen wurden wie blich zitiert. X.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie In diesem Abschnitt wurden nur Aspekte zur Geschlechtsreife, Paarbildung, Brutzeit, zum Gelege und zu K ken zusammengetragen, die f r eine Einschätzung der artspezifischen Empfindlichkeit wesentlich sind. X.5.2 Alter / Sterblichkeit
Generationslänge: Definition nach BAUER et al. (2005): „Die angegebene mittlere Generationslänge wurde von IUCN definiert als Durchschnittsalter aller Individuen einer Kohorte (betrachtete Population). Da letzteres selten bekannt ist, wurde die Generationslänge von BirdLife International näherungsweise aus der Summe der mittleren Sterblichkeit der Altv gel in einer stabilen Population und dem mittleren Erstbrutalter berechnet. Lagen auch keine Daten zur mittleren Sterblichkeit der Altv gel vor, musste diese aus mittlerer Gelegegr ße und Erstbrutalter grob abge- schätzt werden (vgl. BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004)“ . F r viele Arten fehlen verlässliche Angaben „zum Alter sowie zur Sterblichkeit, die oft auf Wiederfang /-fund-Daten beringter V gel basieren (aber nur bei einigermaßen großen Stichproben wirklich zuverlässig sind)“ (BAUER et al. 2005). Ältester Ringvogel: Das durch Beringungen nachgewiesene H chstalter eines Individuums der Art. Sterblichkeit: Dieser Wert gibt an, wie viel Prozent der individuell markierten Individuen von Jahr zu Jahr sterben. Oft handelt es sich um Einzelstudien, die in verschiedenen Regionen der Welt durchgef hrt wurden. Detailliertere Informationen k nnen BAUER et al. (2005) entnommen werden. Informationen, die nicht aus den oben genannten Quellen stammen, wurden in der blichen Form zitiert.
21 X.5.3 Mauser
Die Erklärungen zu den verschiedenen Mauserphasen wurden aus BAUER et al. (2005) entnommen und ergänzt durch die Angaben aus BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM (1966, 1968, 1969), GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER (1982). Die Darstellung wurde stark vereinfacht, da das Hauptaugenmerk auf der Phase der synchronen Schwingen- mauser liegt, während der die V gel flugunfähig sind. Bei den betroffenen Arten wurde zur besseren visuellen Erfassung eine Abbildung eingef gt, welche die wesentlichen Phasen der Mauser darstellt. F r Arten, die keine synchrone Schwin- genmauser durchf hren und daher in dieser Zeit weder flugunfähig noch besonders sensibel sind, wurde auf die grafische Darstellung verzichtet. Bei der Beschreibung der Mauser wird der Umfang des Federwechsels (Teil- und Vollmauser) und die jahreszeitliche Lage der Mauser (Postjuvenile Mauser, Prä- und Postnuptialmauser; vgl. BAUER et al. 2005) unterschieden: Teilmauser: Es wird nur das Kleingefieder gewechselt (manchmal auch zusätzli- che Federpartien). Vollmauser: Schwung- und Steuerfedern werden gleichzeitig mit dem K rperge- fieder oder direkt im Anschluss daran gewechselt. Nicht selten kann die Vollmau- ser, z.B. bei Zugv geln, unterbrochen sein. Staffelmauser: Der Mauserzyklus einer Federreihe beginnt, bevor der der alten abgeschlossen ist. Mauserzentren: Die Schwingenmauser setzt an mehreren Stellen konzentriert ein. Postjuvenile Mauser: Die erste Mauser eines Jungvogels vom Jugendkleid ins nächstfolgende Kleid. Postnuptialmauser: (fr her als Brutmauser bezeichnet): Nachbrutzeitliche Mau- ser vom Pracht- ins Schlichtkleid. Pränuptialmauser: Vorbrutzeitliche Mauser vom Schlicht- ins Prachtkleid. Bei einigen Arten werden zudem noch die 1. Postnuptialmauser und die 1. Pränup- tialmauser unterschieden. Diese werden zwar im Text erwähnt, doch werden in der grafischen Darstellung alle genannten Mauserzyklen unter den Begriffen „Teilmauser“ oder „Vollmauser“ zusammengefasst. Während der Zeit der Vollmauser wird die „sensible Phase“, in der die V gel einige Zeit flugunfähig sind, extra gekennzeichnet. Aus der Literatur bekannte Unterschiede zwischen Mauserzeiten von Männchen und Weibchen werden dargestellt. In der Regel wird bei den Weibchen von br tenden
22 V geln ausgegangen. Nicht br tende Weibchen einiger Arten (z.B. bei Meeresenten) k nnen einen ähnlichen Mauserablauf wie Männchen zeigen. Zusätzlich wird in der grafischen Darstellung das 1. und 2. Kalenderjahr (KJ) (da sich die postjuvenile Mauser oft noch bis ins 2. KJ hinzieht) unterschieden. X.5.4 Wanderungen In diesem Kapitel werden die wichtigsten Zugwege und -zeiten genannt. Es handelt sich hierbei um eine kurze Darstellung, die hauptsächlich aus den oben genannten Quellen zusammengefasst wurde (siehe Einleitung zu X.5). X.5.5 Habitat Während im Kapitel „Verbreitung Welt / Europa“ die geografischen Regionen und Landstriche genannt werden, in denen die Arten prinzipiell vorkommen, werden in diesem Kapitel die f r die Lebensweise der Art relevanten Brut- und Winterhabitate beschrieben. X.5.6 Ernährungs kologie
Auf Grundlage des BWPI (2004) erfolgt nach einer allgemeinen Einf hrung in die Ernährungsweisen ein Überblick ber die wichtigsten Beutetiere der Seevogelarten. Diese Informationen werden ergänzt durch die Auswertung spezifischer Studien zum Nahrungsspektrum der Arten in der Nord- und Ostsee und, falls relevant, auch im k stennahen Binnenland. Bei der Bedeutung der Fischerei f r die Ernährung der Seev gel wird oft die Rolle von Discard beschrieben. Darunter versteht man die ungenutzten Fische und andere Meerestiere, die nicht angelandet und noch auf See ber Bord gegeben werden. Im Gegensatz dazu bezeichnet der Begriff Beifang diejenigen gefangenen Meerestiere, die nicht das Fangziel darstellen, aber teilweise dennoch angelandet werden. Discard ist somit der auf See ber Bord gegebene Teil des Beifanges. X.5.7 Sonstige Verhaltensweisen In diesem Kapitel werden – soweit verf gbar – verschiedene allgemeine Informationen (z.B. Flugh he, Verhalten auf See, sonstige f r die Art charakteristische Verhaltens- weisen, die nicht mit der Verbreitung und Ernährungs kologie zusammenhängen) aufgef hrt.
23 X.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten X.6.1 Gefährdungsursachen Die Gefährdungen, denen Seev gel im K sten- und Offshore-Bereich von Nord- und Ostsee ausgesetzt sind, wurden hauptsächlich aus folgenden Quellen zusammengetra- gen: TUCKER & HEATH (1994), BAUER & BERTHOLD (1997), GARTHE (2003a), GARTHE et al. (2003a), BAUER et al. (2005), KUBE et al. (2005a) und SONNTAG et al. (2007). Sie werden in den Artkapiteln ohne Quellenangabe zusammengestellt. Weitere Quellen werden im Text zitiert. Der Fokus liegt auf den Hauptgefährdungsursachen f r die jeweilige Art. Grundsätzlich f r alle Arten geltende Gefährdungen, wie z.B. die Verschmutzung der Meere durch Schadstoffe oder M lleintrag, werden nur noch einmal genannt, wenn sie von besonderer Relevanz sind (z.B. Verschlucken von Plastikm ll beim Eissturmvogel oder Verfangen in Netzresten beim Basst lpel). Ansonsten ist davon auszugehen, dass eine Verschlechterung der Meeresumwelt durch Einträge von Land und Meer theoretisch alle See- und Wasserv gel betreffen kann und direkt oder indirekt (z.B. durch Verschlechterung der Nahrungssituation) zu Konditi- onsminderung oder erh hter Sterblichkeit f hren kann. Desgleichen f hrt auch die Jagd bei allen Arten zu einer erh hten Mortalität, wird aber nur bei denjenigen Arten explizit genannt, bei denen eine besondere Gefährdung durch Jagd (mit m glichen Auswirkungen auf die gesamte Population) bekannt ist oder vermutet wird. Dies ist z.B. bei denjenigen Arten der Fall, die insgesamt stark gefährdet sind oder eine geringe Populationsgr ße aufweisen. Eine Verschlechterung des Nahrungsangebotes ist ebenfalls f r alle Arten nachteilig, wird aber nur dann explizit bei den Gefährdungen genannt, wenn die jeweiligen Ursachen dieser Nahrungsreduktion bekannt sind oder vermutet werden k nnen. Ergänzend zu den Gefährdungen auf dem Meer wurden bei einigen Arten, je nach verf gbaren Informationen, auch Gefährdungen im Brut- oder Rastgebiet außerhalb von Nord- und Ostsee aufgef hrt. Prädation durch andere Tierarten wird dabei nur dann aufgef hrt, wenn Informationen ber eine Erh hung der Prädation aufgrund von anthropogenen Aktivitäten vorliegen. Generell gilt, dass durch vielfältige Eingriffe in die Landschaft oder durch touristische Aktivitäten nat rliche oder naturnahe Lebens- räume europaweit stark zur ckgegangen sind. Daraus resultierte eine Reduktion der Bruthabitate f r K stenv gel, die z.B. gut f r die schleswig-holsteinische Ostseek ste dokumentiert ist (z.B. HÄLTERLEIN et al. 2000). Bei vielen Arten br tet heute der Großteil des Bestandes innerhalb von Schutzgebieten, bei manchen Arten sogar der gesamte Bestand (z.B. GARTHE et al. 2003a). Zudem m ssen Brutv gel häufig in weniger geeignete Bruthabitate ausweichen. Dadurch kommt es in manchen Gebieten zu einer Konzentration der Brutbestände, die dann wiederum besonders anfällig
24 gegen ber Prädation oder anderen nat rlichen oder anthropogenen Gefährdungsfakto- ren sind. X.6.2 Besondere Empfindlichkeiten Auf Grundlage der vorhergehenden Kapitel zu Biologie, Ökologie und Verhalten (und der daf r verwendeten Literatur) wurden die Empfindlichkeiten der einzelnen Arten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren abgeleitet. Sie entsprechen der gegenwärtigen Kenntnislage und der fachlichen Einschätzung der Autoren. Sofern m glich, wurden die Aussagen durch Literaturzitate unterst tzt, dabei wurden jedoch nur exemplarische Studien genannt. Es erfolgte keine Angabe der vollständigen Literatur zu den betrachteten Aspekten. Alle Aussagen zur Man vrierfähigkeit, Flugh he, Flugaktivität und Flexibilität in der Habitatnutzung und somit zur Einschät- zung der Empfindlichkeit gegen ber Offshore-Windenergieanlagen wurden, wenn nicht durch andere Quellenangaben gekennzeichnet, der Einteilung nach GARTHE & HÜPPOP (2004) entnommen. Zur Beurteilung der Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr wurden die Fluchtdis- tanzen in die Kategorien gering, mäßig, hoch und sehr hoch eingeteilt. Alle betrachteten Arten wurden relativ zueinander bewertet. Die Beurteilung erfolgte auf Basis von Daten der Schiffstransekterfassungen des FTZ sowie aus artspezifischen Literaturangaben zum Fluchtverhalten (v.a. GARTHE et al. 2004, BELLEBAUM et al. 2006).
Tabelle: Rote-Liste- und Schutzstatus Rote Liste Erläutert werden hier nur die in den Artensteckbriefen vorkommenden Kategorien. F r eine Übersicht ber alle in den einzelnen Roten Listen existierenden Kategorien sei hier auf die unten zitierte Originalliteratur verwiesen. Bei allen hier aufgef hrten Roten Listen (Europa, Deutschland, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Wattenmeer / Nordsee, Ostsee) kennzeichnet das Symbol „+“, dass die Art in dem entsprechenden Gebiet vorkommt, aber nicht in der Roten Liste gef hrt wird, d. h. zu dieser Zeit nicht als gefährdet eingestuft wurde. Kommt eine Art in dem entsprechenden Bezugsgebiet der Roten Listen nicht vor, ist dies durch den Begriff „entfällt“ gekennzeichnet.
25 ● Rote Liste Europa Abgeleitet von der Roten Liste IUCN (2001), zusammengestellt in BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004): Kategorien: CR (Critically Endangered): vom Aussterben bedroht EN (Endangered): stark gefährdet VU (Vulnerable): gefährdet R (Rare): selten, geografische Restriktion NT (Near Threatened): (bedroht oder empfindlich), Vorwarnliste
● Regionale Rote Listen Rote Liste Deutschland: BAUER et al. (2002) Rote Liste SH: Schleswig-Holstein: KNIEF et al. (1995) Rote Liste Nds: Niedersachsen: SÜDBECK & WENDT (2002) Rote Liste MV: Mecklenburg-Vorpommern: EICHSTÄDT et al. (2003) Rote Liste Dt. Ostsee: BRENNING et al. (1996) Rote Liste Dt. Wattenmeer / Dt. Nordsee: HÄLTERLEIN et al. (1995) Kategorien: 1: Vom Aussterben bedroht 2: Stark gefährdet 3: Gefährdet R: Extrem selten P: Potentiell gefährdet V: Vorwarnliste I: Vermehrungsgäste IntV: Internationale Verantwortung: 1. Arten, f r die die deutsche Ostseek ste / der deutsche Teil des Wat- tenmeeres eine besondere Bedeutung als Rast-, Durchzugs- und Über- winterungsgebiet hat (> 1 % der nordwesteuropäischen Population) 2. Brutvogelarten, die im Wattenmeer derzeit nicht gefährdet sind, f r die aber eine besondere Verantwortung besteht, da sie hier einen euro- päischen Verbreitungsschwerpunkt haben (> 5 % der NW- europäischen Vorkommen) +: im Gebiet vorkommend, aber nicht gefährdet
26 Gesetze und Konventionen ● EU-Vogelschutzrichtlinie Die EU-Vogelschutzrichtlinie (Richtlinie 79/409/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaft ber die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten vom 02.04.1979) stellt alle europäischen Vogelarten unter besonderen Schutz und regelt f r bestimmte Arten die jagdliche Nutzung. Außerdem nennt sie im Anhang I diejenigen gefährdeten Arten, f r die EU-weit Lebensräume erhalten werden m ssen. Daneben ber cksichtigt die EU-Vogelschutzrichtlinie auch „regelmäßig auftretende Zugvogelarten“. Eine Forderung der EU-Vogelschutzrichtlinie ist es, f r die Arten des Anhang I und die Zugvogelarten die zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete als europäische Vogelschutzgebiete auszuweisen („special protection areas” SPA), um ihr Überleben zu sichern. Kategorien: Die Listung der einzelnen Vogelarten in den entsprechenden Anhängen der Richtlinie wird in der Tabelle zur Roten Liste- und zum Schutzstatus in der Spalte EU-Vogelschutzrichtlinie durch Angabe der r mischen Ziffern darge- stellt. Das Symbol „-“ bedeutet, dass die Art auf keinem Anhang gelistet ist. Anhang I: besonders zu sch tzende Arten Anhang II: Jagd in einzelnen Hoheitsgebieten zulässig Anhang III: Vermarktung erlaubt ● SPEC (Species of European Conservation Concern) Einstufung der Vogelarten Europas nach dem Bestandsanteil in Europa und dem Gefährdungsgrad durch BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004). Kategorien: SPEC 2: Art auf Europa konzentriert (> 50 % des Weltbestandes) und mit ung nstigem Erhaltungszustand SPEC 3: Art nicht auf Europa konzentriert, aber in Europa mit ung ns- tigem Erhaltungszustand Non-SPEC: Art nicht auf Europa konzentriert, und in Europa mit g nsti- gem Erhaltungszustand Non-SPECE: Art auf Europa konzentriert, aber in Europa mit g nstigem Erhaltungszustand W: in Europa nur im Winter
27 ● Bonner Konvention (Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden Tierarten, 1979) Die Bonner Konvention dient dem Schutz wandernder Arten in deren gesamtem Vorkommensgebiet. Die Mitgliedsstaaten sind dazu zur internationalen Kooperation verpflichtet. In der Konvention werden Nutzungseinschränkungen f r bedrohte Arten und der Schutz ihrer Lebensräume und Nahrungsquellen geregelt. Im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit sollen Gefährdungen abgebaut bzw. beseitigt werden, um die Arten zu erhalten. Die Bonner Konvention ist ein Rahmenabkommen, auf das Regionalabkommen folgen sollen (z.B. AEWA, siehe unten). Kategorien: Anhang II: wandernde Vogelarten, f r die Abkommen zu schließen sind Das Symbol „-“ bedeutet, dass die Art in keinem Anhang gelistet ist. Nur einige der in den Artensteckbriefen behandelten Arten sind die im Anhang II der Bonner Konvention erfasst (gefährdete Arten; Arten, die nicht vom Aus- sterben bedroht sind, aber ohne international abgestimmte Schutzmaßnahmen bald zu den bedrohten Arten geh ren k nnten). ● Berner Konvention (Übereinkommen ber die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer nat rlichen Lebensräume, 1979) Dieses Übereinkommen regelt den Schutz von Pflanzen- und Tierarten und verbietet bestimmte Fang- und T tungsmethoden sowie bestimmte Formen der Nutzung. Die Vertragsparteien werden zur Erhaltung der Populationen und ihrer Lebensräume verpflichtet. Die Berner Konvention unterscheidet dabei zwischen gesch tzten und besonders gesch tzten Tierarten. Nur wenige Arten mit angenommenem Schadwir- kungspotential sind dabei ausgenommen. Die EU hat die Berner Konvention zum Anlass genommen, die FFH-Richtlinie zu vereinbaren, deren Umsetzung nun gleichzeitig die Anforderungen der Berner Konvention erf llt. Kategorien: Anhang II: streng gesch tzte Tierarten Anhang III: gesch tzte Tierarten Das Symbol „-“ bedeutet, dass die Art in keinem Anhang gelistet ist. Die Berner Konvention erlangt in Deutschland durch das EuLRaumÜbkG „Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. September 1979 ber die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer nat rlichen Le- bensräume“ vom 17. Juli 1984 (BGBl II 1984, 618) auch in der AWZ G ltig- keit.
28 ● AEWA (Abkommen zur Erhaltung der afrikanisch-eurasischen wandernden Wasserv gel, unter der Bonner Konvention, 1995) Mit dem AEWA besteht ein Regionalabkommen, welches die Bonner Konvention f r die Artengruppe der Wasserv gel (wozu auch Seev gel, Limikolen und andere namentlich aufgelisteten Arten gezählt werden) konkretisiert. F r den afrikanisch- eurasischen Raum werden u.a. Schutzmaßnahmen f r besonders wichtige Wasservo- gelhabitate und die Errichtung eines Netzes von geeigneten Lebensräumen f r wandernde Arten gefordert. F r eine Artenauswahl enthält das AEWA einen Aktions- plan (Anlage 3), der vor allem die jagdliche Nutzung und anderweitige Entnahme aus der Natur weitgehend untersagt sowie einen umfassenden, artbezogenen Habitatschutz, die Ausweisung von Schutzgebieten und ein ausf hrliches Bestandsmonitoring beinhaltet (ADAMS 2000, LENTEN 2000). Dieser Aktionsplan gilt f r Arten, die entweder weltweit bedroht sind oder eine geringe Bestandsgr ße aufweisen, oder deren Bestände sich auf wenige Gebiete konzentrieren, oder f r die langanhaltende Bestandsr ckgänge dokumentiert sind, oder deren Bestände in sehr starkem Maße schwanken. Daneben gibt es einen weiteren Anhang (C) mit Arten, die durch internationale Zusammenarbeit sehr profitieren k nnten. Ein großer Teil der an der deutschen Nord- und Ostseek ste br tenden bzw. auf der deutschen Nord- und Ostsee vorkommenden See- und Wasservogelarten sind in das AEWA aufgenommen worden und sind in der Spalte AEWA in der Tabelle zum Rote- Liste- und Schutzstatus mit einem „+“ gekennzeichnet.
X.7 Erfassung In dem Kapitel „Erfassung“ werden die jeweils relevanten Methoden zur Erfassung der in den Artensteckbriefen behandelten Seevogelarten aufgef hrt. Neben der Erfassung auf See wird in Hinblick auf k stennah vorkommende Arten die Methode der landbasierten Wasservogelzählung erläutert. Um diese Methode deutlich von der „Auf-See-Erfassung“ abzugrenzen, wird sie im Folgenden als K sten- Wasservogelzählung benannt. Außerdem wird f r M wen die „M wen- Schlafplatzzählung“ aufgef hrt, die auch von Land aus stattfindet. Schiffstransektzählungen Erfassung aller schwimmenden und fliegenden V gel vom Schiff aus, innerhalb eines 300 m breiten Transektstreifens, der sich parallel zur Kiellinie des Schiffes auf einer oder beiden Seiten des Schiffes erstreckt. V gel außerhalb des Transektes werden zwar mit erfasst, gehen aber nicht in die Dichteberechnungen mit ein. Zwei Beobach- ter bzw. drei (in Gebieten mit Vorkommen von Meeresenten, Seetauchern oder
29 Lappentauchern) f hren die Zählung von der Nock oder dem Peildeck des Schiffes aus durch. Im Rahmen des deutschen Zählprogramms beträgt das Zählintervall 1 Minute. Um schnell oder häufig fliegende V gel mengenmäßig nicht zu berschätzen, wird die sogenannte Schnappschussmethodik angewendet. Parallel zu der Beobachtung wird automatisch mit einem GPS die Position im 1-Minuten Intervall aufgezeichnet.
F r eine ausf hrliche Beschreibung der Methodik siehe GARTHE & SONNTAG (im Druck). Flugzeugtransektzählungen Erfassung aller schwimmenden und fliegenden V gel von einem zweimotorigen Flugzeug aus, welches mit sogenannten bubble-windows ausgestattet ist und in 78 m H he mit einer Geschwindigkeit von 180 km/h entlang festgelegter Transekte fliegt. Zur Erfassung wird das Transekt in mehrere Transektbänder unterteilt, die vor dem Start mit einem Winkelmesser eingemessen werden: Band A: 60° bis 26°, Band B: 25° bis 11°, Band C: 10° bis 3°, Band D (nur bei stark nach außen gew lbten „bubble windows“ m glich): 85° bis 60°. Band A ist somit 122 m breit, Band B 275 m, Band C 1057 m. Nur Band A und B gehen in die Dichteberechnung mit ein, die Bänder C und D geben nur ergänzende Informationen. Je ein Zähler auf jeder Seite des Flugzeuges erfasst sekundengenau alle V gel in den Transektbändern. Mit einem GPS wird parallel die Position automatisch aufgezeichnet.
F r eine ausf hrliche Beschreibung der Methodik siehe DIERSCHKE et al. (im Druck). Sowohl Schiffs- als auch Flugzeugtransektzählungen haben Vor- und Nachteile bzw. sind f r verschiedene Arten unterschiedlich gut geeignet. Eine Zusammenfassung befindet sich in CAMPHUYSEN et al. (2004). Flächendeckende Flugzeugzählungen Einige Meeresentenarten, insbesondere Eiderenten, sind häufig auf Flachgr nden oder in Prielsystemen in dichten Schwärmen konzentriert. Zur Erfassung dieser Arten werden in Schleswig-Holstein seit 1986 jährlich im Winter spezielle Erfassungsfl ge durchgef hrt. Dabei werden mit dem Flugzeug gezielt die bekannten Konzentrations- bereiche angeflogen und die dabei entdeckten Schwärme umrundet, geschätzt und fotografiert. Auf diese Weise lassen sich Arten mit geklumpter Verteilung gut abschätzen. Es ist mit dieser Zählmethode jedoch nicht m glich, Aussagen ber die Zahl der V gel zu treffen, die nicht in diesen Schwärmen konzentriert sind.
F r detailliertere Beschreibungen siehe z.B. BRÄGER et al. (1995) oder NEHLS (1991).
30 Schiffstruppzählungen Methodisch ist diese Erfassung an die Schiffstransektzählung angelehnt, wurde jedoch im Wattenmeer und dem vorgelagerten Bereich angewandt, um die schwer zu kartierenden Trauerenten zu erfassen. Die Schiffstruppzählung erfolgt allerdings nicht innerhalb eines 300 m-Transekts, sondern innerhalb der witterungsbedingten Sichtwei- te nach allen Seiten des Schiffes. Hierzu sind mindestens zwei Zähler und ein Protokollant n tig. F r die Positionsbestimmung gesichteter Trauerenten wird die Entfernung zum Schiff sowie die Peilrichtung angegeben. Nähere Informationen zu dieser Methode siehe DEPPE (2005).
Nach Angaben von OFFRINGA & LEOPOLD (1991) gelingt die Erfassung von Trauer- entenschwärmen besonders gut, wenn man mit dem Schiff durch die Trupps hindurch fährt und die auffliegenden Tiere dann auszählt, wenn sie entgegen der Fahrtrichtung des Schiffes fliegen. Radarerfassungen Mit dieser Methode wurden Austauschbewegungen zwischen Tagesrastplätzen und Nahrungsgebieten speziell bei der Bergente in der Wismarbucht vom Institut f r Angewandte Ökologie GmbH untersucht (KUBE et al. 2005a). Diese Methode kommt zum Einsatz, da Bergenten in den meisten Fällen auf See nur nachts verweilen, v.a. zur Nahrungssuche, und dann aufgrund der Dunkelheit nicht mit den blichen Seevogel- zählmethoden erfassbar sind. Landbasierte Zählungen Arten, die ausschließlich oder teilweise in den sehr k stennahen Gebieten vorkommen, sind mit den Schiff- oder Flugzeugzählungen von See aus nicht vollständig erfassbar. Ergänzend m ssen f r diese Arten auch Zählungen von Land aus ber cksichtigt werden. K sten-Wasservogelzählungen Systematische Erfassungen von Wasserv geln haben in Deutschland eine lange Tradition und reichen bis in die 50er Jahre zur ck (REQUATE 1954). Die hier darge- stellten Ergebnisse der Berechnungen zur Bestandsentwicklung beginnen mit dem Winter 1967 / 68 und reichen bis 2004 / 05 (f r die nachfolgenden Jahre lagen die Zähldaten aus einigen Bundesländern noch nicht vor). Es stehen somit Zähldaten aus 38 Wintern f r die Auswertung zur Verf gung (zu Einschränkungen bei einigen Arten s. Kapitel Bestandsentwicklung / Trendberechnungen). Vorrangige Ziele von Wetlands International sind Informationen zur Bestandsgr ße und -entwicklung auf Populationsebene. Der Schwerpunkt liegt also auf der Erfassung einer m glichst großen Anzahl an Gebieten im Mittwinter (Mitte Januar), wenn die Zugbewegungen minimal sind. Während dieser Januarzählung wird daher auch in 31 Deutschland der gr ßte Abdeckungsgrad an Zählgebieten erreicht: Im Durchschnitt werden in Deutschland etwa 1.500 Zählgebiete im Mittwinter erfasst. Von Beginn an wurden in Deutschland monatliche Zählungen im gesamten Winter- halbjahr von Oktober bis März, vielfach von September bis April, propagiert, um das jahreszeitliche Auftreten der Arten sowie die Bestandsentwicklung zuverlässig zu beschreiben und die Bedeutung der Rastgebiete während der Zugzeiten im Herbst und Fr hjahr bewerten zu k nnen. In den vergangenen Jahren wurden die monatlichen Zählungen aufgrund internationaler Berichtspflichten (v.a. EU-Vogelschutz-Richtlinie) im Winterhalbjahr vor allem in den stlichen Bundesländern auf zahlreiche weitere Gebiete ausgedehnt. Die nach der Mittwinterzählung h chsten Abdeckungsgrade werden aufgrund der internationalen Synchronzähltermine der Gänse im November und März erreicht, in den Randmonaten September und April finden – bezogen auf das Winterhalbjahr – die wenigsten Zählungen statt (durchschnittlich etwa 800). Die Erfassungen erfolgen im Rahmen synchroner Stichtagszählungen, die jeweils am zur Monatsmitte nächstgelegenen Wochenende durchgef hrt werden (im K stenbe- reich teilweise tidenbedingt um maximal eine Woche verschoben). Gezählt wird während des Tages nach dem „Look-See-Prinzip“, d.h. die Zähler kommen ans Gewässer und erfassen die zu diesem Zeitpunkt anwesenden Wasserv gel. Überflie- gende V gel werden – im Gegensatz zu auffliegenden oder landenden – nicht zum Bestand gerechnet. Einfl sse von Schlafplatzfl gen sollten vermieden werden. Schlafplatzerfassungen einiger Arten erfolgen im Rahmen spezieller Programme (s.u.). Die Zählungen im deutschen Wattenmeer erfolgen ebenfalls als Synchronzählungen, die Zähltermine richten sich jedoch nach den Hochwasserzeiten, da die Wasserv gel an den Hochwasserrastplätzen erfasst werden. Die Erfassungen werden zum berwiegenden Teil von Ehrenamtlichen durchgef hrt. Die Zähldaten werden auf Landesebene digitalisiert und anschließend bundesweit in der Datenbank des DDA zusammengef hrt. Die bundesweite Wasservogeldatenbank umfasste Ende April 2007 rund 220.000 Zählungen mit 1,75 Mio. Datensätzen aus 3.557 Gebieten und bildet die Grundlage f r die dargestellten Auswertungen. Detaillierte Informationen zur Organisation, Methode und Zählgebietskulisse finden sich bei SUDFELDT et al. (2000), WAHL et al. (2003a) sowie BLEW et al. (2005). M wen-Schlafplatzzählungen Zuverlässige Gesamtbestände von M wen lassen sich vor allem im Binnenland während des Tages nicht ermitteln, da Äcker, Häfen oder M lldeponien, wo sich ein großer Teil der V gel tags ber aufhält, im Rahmen der Wasservogelzählungen kaum erfasst werden. Zwar lassen sich bei einer systematischen Erfassung während der
32 Wasservogelzählungen langfristige Bestandsveränderungen darstellen, belastbare Gesamtbestandsangaben k nnen jedoch nur durch die Erfassung an abendlichen Sammelplätzen gewonnen werden, an denen sich die M wen einfinden und die teilweise aus großer Entfernung angeflogen werden (z.B. SELL & VOGT 1986). Mit dem Winter 2003 / 04 wurden die in einigen Bundesländern (v.a. Nordrhein- Westfalen; AG M wen 1996) bereits seit vielen Jahren laufenden M wen- Schlafplatzzählungen auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt. Vorrangige Ziele sind verlässliche Gesamtbestandsschätzungen und die Dokumentation von langfristi- gen Bestandsveränderungen im Winter. Pro Winterhalbjahr finden zwei Erfassungen statt: im Dezember eine Woche vor sowie im Januar eine Woche nach der Mittmonats- zählung der Wasserv gel. Gezählt wird jeweils abends bis zur v lligen Dunkelheit.
X.8 Forschungsbedarf Der hier aufgef hrte Forschungsbedarf gilt vorrangig f r deutsche Gewässer, die als Brut-, Rast- und Mausergewässer genutzt werden. Grundsätzlich ist es sinnvoll, in den Brutgebieten der bei uns nicht heimischen Vogelarten die Brutverbreitung, Bestands- gr ße, Überlebensrate, Ernährungs kologie, Habitatwahl und den Bruterfolg zu untersuchen. In diesem Kapitel wurden grundlegende, bereits bestehende Forschungsprogramme nicht mehr aufgef hrt, wie beispielsweise die Seabirds-at-Sea-Erfassungen, die Wasservogelzählung oder Monitoringprogramme. Ebenfalls nicht aufgef hrt ist die Weiterf hrung ernährungs kologischer Untersuchungen, die idealerweise verbunden mit einem gleichzeitigen Monitoring des Bruterfolgs durchgef hrt werden sollten. Aus derartigen Daten erarbeitete Befunde sind gute Indikatoren f r den gegenwärtigen Ökosystemzustand und m gliche Änderungen.
33
III Artensteckbriefe
35
1 Bergente
Aythya marila (Linnaeus 1761)
GB: Greater Scaup NL: Toppereend DK: Bjergand Foto: N. Sonntag S: Bergand PL: Ogorzalka Abb. 1-1: Männchen im PK
1.1 EU-Code A062
1.2 Systematik Ordnung: Anseriformes - Entenv gel Familie: Anatidae - Entenverwandte
1.3 Kennzeichen Mittelgroße Tauchente mit recht großem, rundem Kopf und sanft ins Wasser abfallen- dem Heck; im Flug breiter weißer Fl gelhinterrand deutlich sichtbar. Männchen PK: Schwarzer Kopf mit gr nem Glanz, Brust und Heck schwarz, kontrastiert mit grau melierter Oberseite und weißen Flanken und Unterseite; im Flug helle Oberseite und mittelgrau wirkende Vorderfl gel meist auffällig. SK: Kontrast- ärmer als im PK, mit Braunschimmer auf Kopf, Brust und Oberseite sowie manchmal etwas Weiß am Schnabelgrund. Weibchen: Matt braun mit graubraunen Flanken und etwas dunklerer Oberseite mit grauer Maserung; breit weiße Befiederung am Schnabelansatz; zur Brutzeit brauner, oft mit rostbraunen Flanken und meist mit hellem Ohrdeckenfleck. JK: Ähnlich Weibchen, aber weniger oder manchmal fehlendes Weiß am Schnabel- grund, K rper brauner als bei adulten Weibchen. Verwechslungsm glichkeiten: mit Reiherente; Bergenten-Männchen mit hellem, grau gemasertem R cken; im Flug mit grauer (nicht schwarzer) Oberseite und Vorderfl gel, kontrastreich von schwärzlicher Färbung von B rzel und Schwanzende abgesetzt; Weibchen im Winter mit hellerem Rumpf als Reiherente, mit grau gemaserten Flanken und breit weißer Befiederung am Schnabelansatz. Reiherente gelegentlich mit weißem
37 Ring um Schnabelbasis, aber niemals so ausgeprägt wie bei Bergente. Zu beachten: Hybridisierung mit anderen nahverwandten Arten m glich.
1.4 Verbreitung / Bestand 1.4.1 Welt / Europa
Bergenten sind holarktisch verbreitet und br ten in Gebieten der n rdlichen Tundra, von NW-Europa (Island) bis O-Sibirien, aber auch in Nordamerika. Man differenziert zwei Unterarten, die sich nur gering unterscheiden: A. m. marila (Europa - Zentral- sibirien) und A. m. mariloides (O-Sibirien, Nordamerika). Der Weltbestand der Bergenten wird nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) auf 1,17-1,37 Mio. Individuen geschätzt. Die Verbreitung in Europa beschränkt sich weitgehend auf das n rdliche Fennoskandien, das Baltikum und Russland. Neuerdings gibt es auch Ausläufer nach Schweden, Dänemark und Deutschland (Schleswig-Holstein), in die Ukraine und nach Großbritannien. Es br ten insgesamt etwa 180.000-190.000 Bergenten in Europa (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Im Winterhalbjahr treten Bergenten dagegen im n rdlichen Mitteleuropa sehr zahlreich auf. Neben der s dlichen Ostseek ste ist das IJsselmeer mit etwa 60.000 Individuen das zweitbedeutendste Überwinterungsgebiet f r Bergenten in Europa (GILISSEN et al. 2002, VAN ROOMEN et al. 2006). Weitere Überwinterungsquartiere liegen an der Nordseek ste und im Nordatlantik, aber auch im Bereich des Schwarzen Meeres. Die in Europa vorkommenden Bergenten werden in zwei biogeografische Popula- tionen aufgeteilt (Tab. 1-1).
Tab. 1-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeo- grafischen Populationen der Bergenten (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium W-Europa A. m. W-Sibirien, (außerhalb W-Europa 310.000 stabil 3.100 marila N-Europa Brutzeit) Schwarzes Meer, Kasp. Schwarzes A. m. 100.000 - Meer W-Sibirien Meer, Kasp. k.A. 1.500 marila 200.000 (außerhalb Meer Brutzeit)
38 1.4.2 Deutschland Status: regelmäßiger, aber seltener Brutvogel in SH, häufiger Durchz gler und Wintergast Die in Deutschland vorkommenden Bergenten geh ren zur biogeografischen Population „W-Europa“. Das Brutgebiet der Bergenten ist in Deutschland berwiegend auf den Norden Schleswig-Holsteins beschränkt, Einzelbruten sind aber auch aus Niedersachsen bekannt. Seit 1989 br ten Bergenten dort regelmäßig, seit Mitte der 1990er hält sich ein konstanter Brutbestand von ca. 5 Paaren (BOSCHERT 2005). Die deutschen Brutv gel bilden die S dwestgrenze der Brutverbreitung der Art. Bergenten nutzen die K stengewässer Deutschlands zum Überwintern. Während sich auf der Nordsee nur vereinzelte Individuen aufhalten, kommen sie entlang der Ostseek ste in z.T. hohen Anzahlen vor. Die Verbreitung beschränkt sich dabei fast ausschließlich auf gesch tzte Buchten, vor allem auf den Greifswalder Bodden, die Wismarbucht, die Untere Trave und den Dassower See (Abb. 1-3). In k stenfernen Bereichen halten sich nur geringe Anzahlen auf (Abb. 1-2). Im Mittwinter beträgt der Rastbestand an der deutschen Ostseek ste rund 66.000 Individuen (Tab. 1-2; Zeitraum: 2000-2005). Im Binnenland sowie an der Nordseek ste berwintern lediglich etwa 90 Individuen. Bergenten verhalten sich außerhalb der Brutzeit nomadisch, die Rastbestände in den Wintergebieten fluktuieren daher stark zwischen einzelnen Jahren (SNOW & PERRINS 1998, SCHÜTT 2001, BERNDT et al. 2005). Das wird auch anhand der Ergebnisse der Wasservogelzählung deutlich (Abb. 1-4). Nordsee In den deutschen Nordseegewässern kommen Bergenten nur selten als Rastv gel vor. Bisher wurden nur k stennah einzelne schwimmende Individuen beobachtet. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurden bislang keine Bergenten nachgewiesen. F r Bergenten wurden bislang keine Bestandszahlen berechnet. Ostsee Mit regelmäßig bis zu 40.000 rastenden Bergenten ist der Greifswalder Bodden der wichtigste Rastplatz im deutschen Ostseeraum (HELBIG et al. 2001). Weitere sehr bedeutende Rastgebiete sind die Boddengewässer westlich von R gen, die Wismar- bucht sowie die Untere Trave einschließlich des Dassower Sees. Gr ßere Ansamm- lungen werden regelmäßig auch um Fehmarn und auf der Kieler F rde sowie in der Eckernf rder Bucht angetroffen.
39
Abb. 1-2: Verbreitung der Bergenten in der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 1-3: Verbreitung der Bergenten in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
40 Da sich Bergenten tags ber auf Rastplätzen in den inneren K stengewässern aufhalten und erst nachts zur Nahrungssuche in die äußeren K stengebiete fliegen, sind sie durch Schiffstransektzählungen nur unzureichend zu erfassen. Nur ber die Wasservogel- zählung an den Tagesrastplätzen ergibt sich somit ein realistisches Bild der Verbrei- tung entlang der deutschen Ostseek ste (Abb. 1-2). Im Sommerhalbjahr werden nur wenige Bergenten beobachtet, v.a. auf dem Dassower See (SCHÜTT 2001). Im SPA „Pommersche Bucht“ konnten erst einmal am westlichen Rand des Gebietes Bergenten beobachtet werden.
Tab. 1-2: Rastbestandszahlen der Bergenten f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransekt- zählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop (%) Ostsee Pop (%) Bucht Pop (%) Fr hjahr k.A. k.A. 0 0 0 0 Sommer k.A. k.A. 0 0 0 0 Herbst k.A. k.A. 0 0 0 0 Winter 66.000 21,3 0 0 0 0
1.4.3 Bestandsentwicklung Nach den Daten der Wasservogelzählung zeigt die Rastbestandsentwicklung im Januar keinen eindeutigen Trend ber den Gesamtzeitraum: Zwischen Mitte der 1980er und Anfang der 1990er Jahre stiegen die Winterbestände kurzfristig deutlich an. In diesen Jahren betrugen die Summen im Januar mehrmals ber 70.000 Individuen und im Maximum (1993) wurde der Bestand auf 110.000 Bergenten geschätzt (NEHLS & STRUWE-JUHL 1998). In den Folgejahren brachen die Bestände an der deutschen Ostseek ste ein und fluktuieren seitdem auf niedrigerem Niveau (Abb. 1-4). Neben tatsächlichen Bestandsveränderungen bedingen auch regelmäßige Austauschbewe- gungen zwischen benachbarten Gebieten (SCHÜTT 2001) sowie großräumigere Verlagerungen (NEHLS & STRUWE-JUHL 1998, BERNDT 2005) die starken jährlichen Schwankungen.
41
Abb. 1-4: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Bergenten in Deutschland im Januar 1968-2005 nach den Daten der Wasservogelzählung relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung siehe Kapitel II).
Ein sehr ähnlicher Bestandsverlauf kann in den Niederlanden beobachtet werden (VAN ROOMEN et al. 2005). Auch in S dschweden wurden Anfang der 1990er Jahre die h chsten Bestände der vergangenen 30 Jahre ermittelt (die allerdings unter 1.000 Ind. lagen; NILSSON 2005). In Dänemark wurden dagegen in diesem Zeitraum keine deutlich h heren Rastbestände festgestellt, im Gegenteil: gegen ber der Periode 1967- 1973 wurden deutlich weniger Bergenten gezählt. Ebenso fielen ab Mitte der 1990er Jahre keine deutlichen Zunahmen auf (PETERSEN et al. 2006). Es ist somit unklar, inwiefern die deutlichen Zu- und Abnahmen tatsächliche Bestandsveränderungen der Gesamtpopulation in dieser Gr ßenordnung widerspiegeln oder ob es sich um großräumige Verlagerungen der Überwinterungsgebiete handelt. Anders stellt sich die Situation bei den Abnahmen seit Mitte der 1990er Jahre dar: In Norwegen wurden bislang keine gr ßeren Überwinterungsbestände gefunden (SVORMKO-LUNDBERG et al. 2006), auch bei BZOMA & MEISSNER (2005) finden sich keine Hinweise auf Veränderungen in stlich gelegenen Überwinterungsgebieten. Falls die derzeit „fehlenden“ Bergenten nicht an einem anderen, m glicherweise bisher unbekannten Überwinterungsplatz in NW-Europa wiedergefunden werden, m sste die derzeitige Bestandsschätzung von 310.000 Individuen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006) deutlich nach unten korrigiert werden.
42 1.5 Biologie / Ökologie 1.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: wahrscheinlich erst im 2. Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn im Norden von Schneeschmelze abhängig, meist Mai / Juni, Brutdauer 26-28 Tage, Weibchen br ten Gelege: 6-11 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege m glich K ken: Weibchen f hrt die Jungen, Männchen oft noch anwesend, K ken nach 40-45 Tagen fl gge und selbständig 1.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: > 3,3 Jahre Ältester Ringvogel: 13 Jahre 11 Monate Sterblichkeit: Adulte: jährlich durchschnittlich 52 % (Beringungsergebnisse Island) 1.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser setzt bei Bergenten ab September ein und geht in die 1. Pränuptialmauser (Teilmauser) ber, die bei Männchen im April und bei Weibchen etwas fr her beendet ist. Die Postnuptialmauser (Vollmauser) setzt bei adulten Weibchen schon im März / April ein, bei den Erpeln erst ab Ende Mai. Erfolgreich br tende Weibchen mausern ihre Schwingen erst im September und Oktober im Winterquartier, während Männchen und nicht br tende Weibchen ihre Vollmauser schon vor Erreichen des Winterquartiers abgeschlossen haben (der genaue Zeitpunkt ist bisher nicht bekannt). Die synchrone Schwingenmauser, während der Bergenten flugunfähig sind, dauert ca. 3-4 Wochen (Abb. 1-5). Einzelne bersommernde Individuen wechseln ihr Großgefieder auf schleswig-holsteinischen Gewässern, v.a. auf dem Dassower See (SCHÜTT 2001).
43 1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 1-5: Mauserzyklus der Bergenten. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
1.5.4 Wanderungen Bergenten sind Zugv gel, in wenigen Regionen evtl. auch Teilzieher. Ab Juni / Juli beginnt der Zug in die Mausergebiete (wahrscheinlich ziehen zunächst Männchen und nicht br tende Weibchen). Ab Mitte August ziehen die Bergenten aus den Brutge- bieten ab und ab September (Maximum: Oktober) erscheint die Art in nennenswerter Anzahl an den K sten Mecklenburg-Vorpommerns (KLAFS & STÜBS 1987), im Oktober dann auch in den westlicher gelegenen Rastgebieten (SCHÜTT 2001, BERNDT 2005). Die Brutv gel Finnlands und NW-Russlands ziehen berwiegend in WSW- Richtung mit den Zielen s dwestliche Ostsee und Niederlande sowie Großbritannien und N-Frankreich. Der R ckzug in die Brutgebiete setzt im Februar ein und zieht sich bis in den April. Ab Mitte Mai findet die Ankunft in den n rdlichsten Brutgebieten statt. Immature Nichtbr ter ziehen z.T. nicht zu den Brutplätzen zur ck, sondern bleiben in den Winterquartieren oder in den Durchzugsrastgebieten.
1.5.5 Habitat Bergenten br ten an stehenden Gewässern in der subarktischen Wald- und Strauch- tundrenzone und auf Hochmoorseen sowie auf den Schären der Ostsee (Verbreitung s. Kapitel 1.4.1). Zum Überwintern kommen Bergenten in die K stengebiete und k nnen dort in z.T. großen Ansammlungen beobachtet werden. Sie bevorzugen dort gesch tzte Ästuare, Wattgebiete und Buchten. Untersuchungen in der Hohwachter Bucht in den Wintern 1977 / 78 und 1978 / 79 zeigten, dass sich Bergenten berwiegend in Gewässerbereichen ber sandigem Schlick und Sand sowie ber Restsedimenten aufhielten. 40 % der Enten hielten sich zudem in Bereichen mit Wassertiefen unter 7 m auf. Mehr als die Hälfte der Bergenten nutzten Gebiete mit Tiefen von 7-13 m (BERNDT & BUSCHE 1993). Außerdem sind sie dichter an der K ste anzutreffen als z.B. Eider-, Eis- und Trauer- enten. So beobachtete KIRCHHOFF (1979), dass sich fast die Hälfte eines Rastbestandes der Bergenten in einer Entfernung bis zu 250 m von der K ste aufhielt, während sich 26 % in 250-500 m, 8 % in 500-700 m und 20 % in 750-1000 m Entfernung zur K ste
44 befanden. Auch im Binnenland werden berwinternde Bergenten beobachtet, dort kommen sie auf großen und tiefen Seen vor.
1.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Ähnlich wie Reiher- und Tafelenten (Aythya fuligula und A. ferina) suchen auch Bergenten vorwiegend nachts nach Nahrung (LEIPE 1986). Erst bei einsetzendem Frost und zunehmender Vereisung der Tagesschlafplätze auf Binnengewässern gehen Bergenten auf der Ostsee zu verstärkter Tagaktivität ber (STRUWE 1993, SCHÜTT 2001). KUBE et al. (2005a) wiesen Nahrungsgr nde in der Wismarbucht nach, die etwa 50 km von den Schlafplätzen entfernt waren. Beim Nahrungserwerb k nnen Bergenten bis zu 7 m tauchen, die von ihnen bevorzugte Tauchtiefe beträgt aber meist weniger als 3,5 m. (BERNDT & BUSCHE 1993).
POULTON et al. (2002) fanden in der Bucht von San Francisco heraus, dass weibliche Bergenten häufiger Tauchgänge durchf hrten als Männchen. Generell fressen Bergenten hauptsächlich unterschiedliche Arten von Muscheln. Am häufigsten werden Sandklaffmuscheln (Mya arenaria), Miesmuscheln (Mytilus edulis) und Baltische Plattmuscheln (Macoma balthica) erbeutet. Im Fr hjahr wird regelmäßig Fischlaich aufgenommen. Ostsee NILSSON (1972) analysierte die Mageninhalte von geschossenen Bergenten in der schwedischen Ostsee in der Region Öresund. In 87 % aller Mägen wurden Mies- muscheln (Mytilus edulis) gefunden. Am zweithäufigsten war die Baltische Plattmuschel (29 %). In geringeren Mengen wurden Herzmuscheln (Cardium spec.), Sandklaffmuscheln und Schnecken der Gattung Littorina nachgewiesen, in sehr wenigen Fällen auch Polychaeten.
STEMPNIEWICZ & MEISSNER (1999) untersuchten die Nahrung von in Fischernetzen ertrunkenen Bergenten (September-April der Jahre 1987-1997) in der Danziger Bucht (Polen). Während andere Entenarten zumindest während bestimmter Zeiten des Jahres neben Mollusken auch Fisch und Fischlaich fraßen, konzentrierten sich die Bergenten während der Untersuchungsperiode fast ausschließlich auf Mollusken. In jedem untersuchten Magen befanden sich Muscheln. Hier dominierten die Sandklaffmuscheln (in 100 % der Proben), gefolgt von Herzmuscheln (Cerastoderma glaucum) (98 %), Baltischen Plattmuscheln (71 %) und Miesmuscheln (Mytilus trossulus). In 98 % der Proben kam außerdem die Bauchige Wattschnecke Hydrobia ventrosa vor. Die gefressenen Muscheln hatten meist eine Gr ße von 7-10 mm.
45 SELLIN (1990) beobachtete im Fr hjahr der Jahre 1984 und 1989, dass einige Individuen im Greifswalder Bodden Fischlaich als Nahrung nutzten, andere dagegen tauchten berwiegend nach Muscheln. Auch im Bereich des Unterlaufes der Trave konnten Bergenten im Fr hjahr bei der Aufnahme von Fischlaich beobachtet werden, in anderen Jahreszeiten wurden jedoch am häufigsten Mollusken gefressen (SCHÜTT 2001). Im Gegensatz zur Ostsee, wo die Baltische Plattmuschel eine wichtige Nahrungsquelle f r Bergenten darstellt, ignorierten Bergenten diese Art in der Bucht von San Francisco vollständig und erbeuteten hauptsächlich Asiatische Muscheln (Potamocorbula amurensis, POULTON et al. 2002).
1.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Bergenten sind sowohl tag- als auch nachtaktiv. Überwinternde V gel in nordeuro- päischen Gebieten fressen hauptsächlich nachts (NILSSON 1970), in s dlicheren Gebieten tags ber. Der Aktivitätsrhythmus von Bergenten an K stengewässern wird hauptsächlich durch die Gezeiten bestimmt. Beobachtungen zur Zugaktivität am Feuerschiff „Fehmarnbelt“ zeigten, dass diese in den fr hen Morgenstunden bis in den Vormittag hinein am gr ßten war. Zudem zogen die Bergenten durchweg niedrig, 25 % der V gel flogen bis zu 5 m ber der Wasseroberfläche, 60 % flogen in H hen zwischen 5 und 15 m und nur 16 % zogen in H hen ber 15 m (BERNDT & BUSCHE 1993).
1.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 1.6.1 Gefährdungsursachen Bergenten sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Reduktion des Nahrungsangebotes z.B. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Fischerei, Sedimentabbau, Ausbau von Fahrwassern - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - St rungen an den Schlafgewässern durch Tourismus und Freizeitaktivitäten - Jagd
46 1.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Bergenten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Bergenten weisen eine hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffsverkehr auf und fliegen vor sich nähernden Schiffen meist auf (z.B. GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsver- kehr zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes f r Bergenten f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekter Mortalität f hren. In den Überwinterungsgebieten fressen Bergenten nachts, der Flug von den Tagesrast- plätzen zu den Nahrungsgebieten erfolgt in der Regel bei Dunkelheit. Auch der Zug findet offenbar hauptsächlich nachts statt. Bergenten sind daher sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Ein Wert f r den Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) wurde nicht berechnet. Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraum- zerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgeru- fener Mortalität f hren. Bergenten ernähren sich im Winterquartier berwiegend von benthischen Invertebra- ten (vgl. Kapitel 1.5.6). Da die Nahrung tauchend erbeutet wird, sind Bergenten besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung des Vogelvorkommens mit Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten kommen, zumal Bergenten häufig in großen Konzentrationen vorkommen. Die d nnen Monofilament-Netze sind f r tauchende V gel nahezu unsichtbar. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfischerei mit weit- maschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere im Greifswalder Bodden und in den K stengewässern bis zur 10 m-Tiefenlinie. In diesen Gebieten kommen im Winterhalbjahr auch Bergenten in z.T. großer Anzahl vor. Bergenten ernähren sich berwiegend von Mollusken und konkurrieren deshalb nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Bergenten allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. In der Wismarbucht zählen sie zu den häufigsten Opfern in der Stellnetzfischerei, wodurch
47 die jährliche Mortalität des dortigen Winterbestandes um 8 % gesteigert wird (GRIMM 1985). An der schleswig-holsteinischen Ostseek ste kommen nach Berechnungen von KIRCHHOFF (1982) jährlich ca. 300 Bergenten durch Verfangen und Ertrinken in Stell- netzen um. Extrem hohe Verluste gibt es auch im IJsselmeer (Niederlande), wo der jährliche Verlust auf ber 11.000 Tiere beziffert wird (VAN EERDEN et al. 1999), was ca. 10 % des dortigen Maximalbestandes im Winter und fast 4 % der biogeografischen Population „W-Europa“ entspricht. Auch in weiteren Ländern gibt es hohe Verluste (z.B. Polen: STEMPNIEWICZ 1994), so dass ein erheblicher negativer Einfluss der Stellnetzfischerei auf die Population vermutet wird. Das Vorkommen in teilweise sehr großer Anzahl macht Bergenten sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitun- gen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). In den dänischen Ostseebereichen wird Ver lung als eine Hauptbedrohung f r die Winterrastbestände eingestuft (TUCKER & HEATH 1994). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufge- nommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsun- fälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Bergenten sind aufgrund ihrer Nahrungsspezialisierung auf Gebiete mit ausreichenden Vorkommen an f r sie verwertbaren Muscheln angewiesen. Bergenten tauchen beim Nahrungserwerb bis zum Grund. Ihre Tauchtiefe ist variabel und abhängig von der Nahrungsverf gbarkeit und -qualität. Ihre Tauchphysiologie limitiert jedoch die energetisch rentabel nutzbaren Wassertiefenbereiche. Dies schränkt Bergenten in ihrer Habitatwahl ein. Umso entscheidender ist der Erhalt und Schutz der geeigneten Nahrungsgebiete. Muschelfischerei und Sedimentabbau k nnen große Muschelvor- kommen innerhalb von kurzer Zeit stark reduzieren oder sogar ganz entfernen. Die Verluste k nnen nicht durch stärkeres Muschelwachstum ausgeglichen, sondern erst durch Neuansiedlung kompensiert werden. Neben Sedimentabbau kann es auch durch weitere Eingriffe in den Meeresboden, wie dem Ausbau von Fahrrinnen oder Materialverklappung, zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Makrozoobenthos kommen. Derartige Eingriffe k nnen daher zu einem Verlust von Nahrungs- und Rastgebieten und damit zu Nahrungsengpässen f hren, insbesondere dann, wenn durch strenge Winter die Muschelbestände schon nat rlicherweise reduziert sind. Eine
48 nachhaltige Sicherung kologisch intakter Nahrungsgebiete ist daher dringend erforderlich (KUBE et al. 2005a). Bergenten k nnen ab dem 2. Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen und besitzen meist eine sehr hohe Anzahl an Jungv geln. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher vermutlich bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, sofern der Schutz in den Brutgebieten gewährleistet ist. Aufgrund einer starken Abnahme der Winterbestände in NW-Europa im Zeitraum 1990-2000 und einer vermuteten Abnahme von ber 50 % der gesamten europäischen Population (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004) werden Bergenten auf der Roten Liste Europas derzeit als „stark gefährdet“ gef hrt. Die Einstufung in die SPEC-Kategorie 3W verdeutlicht den ung nstigen Erhaltungszustand des europäischen Winterbe- standes (Tab. 1-3). Neben den oben genannten Gefährdungen wie Stellnetzfischerei, Ver lung oder Nahrungsverknappung sind Bergenten zudem an ihren tags ber genutzten Schlafplätzen, die meist in den inneren K stengewässern oder auf k sten- nahen Seen liegen, sehr empfindlich gegen ber St rungen durch Freizeitaktivitäten, z.B. durch Angler, Spaziergänger oder Bootsverkehr. Zudem geh ren Bergenten gemäß Anhang II der EU-Vogelschutzrichtlinie in einigen EU-Staaten, u.a. in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden, zu den jagdbaren Arten. Über die jährliche Jagdstrecke in Deutschland liegen keine Angaben vor, in Dänemark wurden zwischen 1999 und 2004 jährlich ca. 300-500 Bergenten erlegt, doch auch hier sind die Angaben ungenau (BREGNBALLE et al. 2006). In N-Deutschland, das am Rand des nat rlichen Verbreitungsgebietes liegt, br ten alljährlich einzelne Bergentenpaare (siehe BOSCHERT 2005). Bergenten werden in der Roten Liste Deutschlands als „selten, mit geografischer Restriktion“ gef hrt (Tab. 1-3). Mit gr ßeren Veränderungen des Brutbestandes ist in den nächsten Jahren nicht zu rechnen (BOSCHERT 2005).
Tab. 1-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Bergenten in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) EN R entfällt R entfällt entfällt I Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II, III 3W II III +
49 1.7 Erfassung K sten-Wasservogelzählungen Zählung tags ber am Schlafplatz Radarerfassungen Quantifizierung von Austauschbeziehungen zwischen Tagesrastplätzen und Nahrungs- gebieten. Mit Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen kann die Art nur ungen gend erfasst werden, da Bergenten tags ber in gesch tzten Buchten und auf Seen in K stennähe schlafen und erst nachts zur Nahrungssuche in die äußeren K stengewässer fliegen.
1.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in der Ostsee - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
50 2 Eiderente
Somateria mollissima (Linnaeus 1758)
GB: Common Eider NL: Eidereend
DK: Ederfugl Foto: N. Sonntag S: Ejder Abb. 2-1: Männchen im PK und PL: Edredon Weibchen
2.1 EU-Code A063
2.2 Systematik Ordnung: Anseriformes - Entenv gel Familie: Anatidae - Entenverwandte
2.3 Kennzeichen Kräftige Meeresente mit kurzem Hals und großem Kopf, der flachstirnig in den langen, keilf rmigen Schnabel bergeht. Breite, relativ kurze Fl gel. Männchen im Prachtkleid berwiegend weiß; Bauch, Steiß, Flanken und Scheitel schwarz; Halsseiten lindgr n. Im Schlichtkleid sehr dunkel, ungebändert, Oberfl geldecken und lange Schirmfedern weiß. Weibchen beigegrau bis kräftig rotbraun mit kräftiger, dunkler Bänderung; dunkler Spiegel mit weißer Begrenzung. JK: dunkler braun und mit schwächerer Bänderung; keine weiße Begrenzung des dunklen Spiegels. Immature Männchen schwarzbraun, mit je nach Mauserstadium variablem Weißanteil.
51 2.4 Verbreitung / Bestand 2.4.1 Welt / Europa Eiderenten br ten berwiegend an den arktischen und borealen K sten mit l cken- hafter zirkumpolarer Verbreitung von NW-Europa bis Nordamerika. Die n rdlichsten Brutgebiete liegen auf Spitzbergen und Franz-Joseph-Land. Im S den reicht die Brutverbreitung bis in die Bretagne. Eiderenten kommen zudem isoliert am Schwarzen Meer vor. Weltweit unterscheidet man sechs Unterarten: S. m. mollissima: Europa außer Island und N-Norwegen, entlang der K sten NW-Europas von Frankreich nach Großbritannien bis zur Ost- see S. m. islandica: N-Norwegen, Spitzbergen, Island, Gr nland S. m. faeroensis: Fär er, kaum von S. m. islandica verschieden S. m. borealis: Gr nland, arktisches Kanada nach Westen bis Southampton, Island S. m. dresseri: Nord stliche Gebiete von Nordamerika, von Zentral-Labrador nach S den S. m. sedentaria: Hudson Bay
In WETLANDS INTERNATIONAL (2006) wird die Unterart islandica unter der Unterart borealis eingeordnet. Zudem gibt es noch die Unterart v-nigra mit der Brutverbreitung NO-Sibirien, Alaska, W-Kanada. Der Weltbestand der Eiderenten wird auf > 3 Mio. Individuen geschätzt (WETLANDS INTERNATIONAL 2006).
In Europa br ten 840.000-1,2 Mio. Eiderenten-Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004) mit einem Schwerpunkt in Skandinavien. In Mitteleuropa br ten sie hauptsäch- lich im Nordseeraum, kommen aber auch im Atlantik bis nach Frankreich vor. Im Wattenmeer gibt es sehr hohe Nichtbr terbestände von meist immaturen V geln mit einem hohen Ausbreitungspotential. Das gesamte Wattenmeer ist eines der Haupt- berwinterungsgebiete f r Brutv gel aus Finnland, Schweden und der ehemaligen Sowjetunion (BRÄGER & NEHLS 1987, SKOV et al. 1995). Im Binnenland kommen Eiderenten nur sporadisch vor, es gab allerdings vereinzelte Bruten bzw. Mauser- und Überwinterungsvorkommen an großen Voralpenseen. Die in Europa vorkommenden Eiderenten werden in mehrere biogeografische Populationen aufgeteilt (Tab. 2-1).
52 Tab. 2-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeo- grafischen Populationen der Eiderenten (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium S. m. Großbritan- Großbritan- k.A. 73.000 k.A. 750 mollissima nien, Irland nien, Irland S. m. Ostsee, Ostsee, abneh- k.A. 760.000 7.600 mollissima Wattenmeer Wattenmeer mend Norwegen, Russland Norwegen, S. m. Norwegen, 300.000- ostwärts bis NW- stabil 4.250 mollissima NW-Russland 550.000 Novaya Russland Zemlya S. m. 20.000- Weißes Meer Weißes Meer k.A. k.A. 250 mollissima 30.000 S. m. Schwarzes Schwarzes zuneh- k.A. 5.400 55 mollissima Meer Meer mend S. m. 6.000- Fär er Inseln Fär er Inseln k.A. stabil 90 faeroeensis 12.000 S. m. Shetland, Shetland, 12.000- k.A. stabil 130 faeroeensis Orkney Inseln Orkney Inseln 13.500 Svalbard, Svalbard, S. m. 40.000- Franz Franz unbekannt stabil 600 borealis 80.000 Joseph-Land Joseph-Land S. m. 600.000- zuneh- Island Island k.A. 7.500 borealis 900.000 mend S. m. <10.000- NO-Gr nland NO-Gr nland Island stabil 250 borealis 25.000 Atlantik- k ste S. m. Arktis, NO- Arktis, NO- abneh- Kanadas, 600.000 6.000 borealis Kanada Kanada mend SW- Gr nland
2.4.2 Deutschland Status: Wintergast, Durchz gler, Mausergast und Brutvogel an Nord- und Ostsee; selten und in geringer Zahl im Binnenland. Die in Deutschland vorkommenden Eiderenten geh ren zur biogeografischen Population „Ostsee, Wattenmeer“. In Deutschland br ten 1.400-1.500 Eiderenten-Paare (Bezugszeitraum: 1995-1999, BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Der Großteil br tet in den niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Bereichen des Wattenmeeres (1.376 Paare, Bezugszeitraum 2001, KOFFIJBERG et al. 2006). Die Eiderente ist die einzige Entenart, die sowohl auf der Nord- als auch auf der Ostsee mit großen Beständen und weit verbreitet vorkommt. Außerhalb der Brutzeit halten sich Eiderenten berwiegend auf Sanden und Flachgr nden auf.
53 Die Schwerpunkte der Verbreitung im Winter liegen auf den Ostfriesischen Inseln und im schleswig-holsteinischen Wattenmeer sowie an der Ostseek ste von der dänischen Grenze bis zur Wismarbucht (Abb. 2-2 und 2-3). Auf der Ostsee ist eine deutliche Abnahme der Mittwinterbestände von West nach Ost zu erkennen. Östlich der Halbinsel Wustrow sinken die Bestandszahlen deutlich, im Bereich des Greifswalder Boddens werden nur noch einzelne Individuen beobachtet. Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 320.000 Tiere (DDA unver- ffentl., Tab. 2-2 und 2-3). Dies entspricht ca. 42 % der biogeografischen Population „Ostsee, Wattenmeer“. Die Auswertungen von Befliegungen zeigten, dass der Bestand der Eiderenten im deutschen Wattenmeer im Winter in den 1990er Jahren zwischen 100.000 und 150.000 Individuen schwankte. Ab dem Jahr 2000 lagen die jährlichen Zählsummen jedoch stets unter 100.000 Individuen ( BLEW et al. 2005, SCHEIFFARTH & FRANK 2005). F r einen ähnlichen Zeitraum (1987-2003) schätzten GARTHE et al. (2003a) die Bestände auf der Ostsee auf mindestens 240.000 Eiderenten. Nordsee An der deutschen Nordseek ste halten sich Eiderenten ganzjährig auf (Tab. 2-2). F r Brutv gel aus dem Ostseeraum und dem Nordwesten Russlands ist das Wattenmeer eines der Haupt berwinterungsgebiete (BRÄGER & NEHLS 1987; SKOV et al. 1995). Die h chsten Rastbestände der Eiderenten werden im deutschen Teil der Nordsee nach der Brutzeit, also in den Spätsommer-, Herbst- und fr hen Wintermonaten erreicht. Im Fr hjahr sinkt die Anzahl der V gel auf ein Minimum. Die Abnahme der Bestände erfolgt vor allem im niedersächsischen Teil des Wattenmeeres von November bis März mehr oder weniger kontinuierlich. Im schleswig-holsteinischen Teil bleiben die Rastbestände dagegen in dieser Zeit etwa stabil (SCHEIFFARTH & FRANK 2005). Der Sommerbestand setzt sich aus Brutv geln des Wattenmeeres, bersommernden Nichtbr tern sowie Mauserv geln aus der Ostsee zusammen (SWENNEN 1976 in NEHLS et al. 1988). Die Brutv gel der Ostsee (Hauptbrutgebiete sind die schwedischen und finnischen Schärengebiete) nutzen neben der westlichen Ostsee (Beltsee) das Wattenmeer als Mauser- und Überwinterungsgebiet (BERNDT & BUSCHE 1993). Nach NEHLS (1991) ist das schleswig-holsteinische Wattenmeer das bedeutendste zusammenhängende Mausergebiet f r die Ostseepopulation der Eiderenten. Wichtigste Mauserplätze sind bei Trischen, im Wesselburener Loch, stlich von Sylt sowie die Bereiche der Außensände im schleswig-holsteinischen Wattenmeer (NEHLS 1991).
54
Abb. 2-2: Verbreitung der Eiderenten auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 2-3: Verbreitung der Eiderenten in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
55 Die Herbstverbreitung im Wattenmeer ist vom Zuggeschehen entlang der K sten geprägt. Die großen Mauserplätze werden verlassen und die Winterquartiere aufgesucht. Die Mausergebiete werden im Winter nur gelegentlich genutzt (NEHLS 1991, BERNDT & BUSCHE 1993). Die Winterquartiere der Eiderenten beschränken sich fast ausschließlich auf die k stennahen Flachwasserbereiche bis zur 5 m-Tiefenlinie. Entsprechend kommen sie nahezu im gesamten äußeren Wattenbereich vor den Inseln und Halligen in hohen Dichten vor. In den Wintermonaten scheinen Eiderenten im Gegensatz zur Mauserzeit eher die sublitoralen Bereiche des Wattenmeeres zu bevorzugen. Diese erm glichen auch während des Niedrigwassers das Tauchen nach Nahrung. Somit kann die Zeit zur Nahrungssuche ausgedehnt werden, um den hohen Energiebedarf im Winter decken zu k nnen (NEHLS 1991). Auch im Fr hjahr ziehen Eiderenten vor allem entlang der K sten. Hohe Konzentrationen finden sich dabei vor den ostfriesischen Inseln, im Elbe-Weser-Dreieck sowie vor der Meldorfer Bucht und der Eiderm ndung, von wo aus Eiderenten flussaufwärts zur Ostsee ziehen (BERNDT & BUSCHE 1993). K stenfern auf dem Meer kommen Eiderenten im gesamten Jahresverlauf nur in geringen Anzahlen vor, insbesondere halten sie sich im Bereich um Helgoland auf. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Eiderenten nur unregelmäßig und in geringer Anzahl vor. Einzelne Nachweise stammen bisher aus den Monaten Oktober, November und Januar.
Tab. 2-2: Rastbestandszahlen der Eiderenten f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeitraum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 1996-2005). Gr ßen- klassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 62.000 8,2 0 0,0 0 0 Sommer 115.000 15,1 0 0,0 0 0 Herbst 180.000 23,7 III <0,1 0 0 Winter 130.000 17,1 III <0,1 0 0
Ostsee Auswertungen der Wasservogelzählung zeigen, dass die Rastbestände auf der deutschen Ostsee zwischen November und März am h chsten sind und sie in diesen Monaten im langjährigen Mittel wenig Veränderungen zeigen (DDA unver ffentl.). In diesen Monaten erfolgt ein Zuzug vor allem aus den Brutgebieten der n rdlichen Ostsee (BØNLØKKE et al. 2006).
56 Der Schwerpunkt der Verbreitung der Eiderenten liegt in der s dwestlichen Ostsee. Dort treten sie vom Herbst bis zum Fr hjahr v.a. in der Kieler Bucht, der Hohwachter Bucht und um Fehmarn in hohen Dichten auf. Das Vorkommen setzt sich k stennah durch die Mecklenburger Bucht bis zum Darß fort, weiter stlich tritt die Art aber nur noch vereinzelt und in meist geringen Dichten auf. Ein solcher West-Ost-Gradient wurde auch in Schweden beobachtet (NILSSON 2005). NEHLS & STRUWE-JUHL (1998) vermuten f r die deutsche Ostsee einen Zusammenhang mit der Nahrungsverf gbar- keit, speziell der abnehmenden Gr ße der Miesmuscheln (Mytilus edulis) entlang des Salzgehaltsgradienten von West nach Ost. Im Winter kann zumindest zeitweise ein kleiner Bestand der Eiderenten im Greifswalder Bodden sowie stlich davon beobachtet werden. Auch im Herbst und Fr hjahr wurden einzelne Eiderenten in der Pommerschen Bucht und im Greifswalder Bodden nachgewiesen. Im Sommer halten sich nur sehr wenige Eiderenten auf deutschen Ostseegewässern auf. Auch in dieser Jahreszeit werden sie meist in der Kieler Bucht und in den Bereichen westlich von Fehmarn beobachtet. Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Eiderenten nur im Winter mit einem geringen Rastbestand vor (Tab. 2-3).
Tab. 2-3: Rastbestandszahlen der Eiderenten f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransekt- zählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum 2000-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 5.000 0,7 0 0,0 Sommer k.A. k.A. 0 0,0 0 0,0 Herbst k.A. k.A. 8.000 1,1 0 0,0 Winter 190.000 25 9.000 1,2 130 <0,1
2.4.3 Bestandsentwicklung Eiderenten begannen zwischen 1785 und 1805 im Wattenmeer (Sylt) zu br ten (BERNDT & BUSCHE 1993). Eine erhebliche Ausweitung des Brutareals fand zwischen 1900 und 1910 statt. In den folgenden Jahren schwankten die Brutbestände in Schleswig-Holstein, bis sie ab 1950 ber mehrere Jahre in Folge anstiegen. 1973 wurde das bisherige Maximum mit 2.250 Brutpaaren erreicht (BERNDT & BUSCHE 1993). Seit Anfang der 1980er Jahre geht die Zahl der Bruten im wichtigsten Gebiet, Amrum, kontinuierlich zur ck (BERNDT et al. 2002). Obgleich die Brutpaarzahlen an kleineren Brutplätzen steigen, k nnen die Verluste auf Amrum nicht ausgeglichen werden.
57 Seit 1986 br ten Eiderenten auch an der schleswig-holsteinischen Ostseek ste. 1999 konnten 30 Paare gezählt werden (BERNDT et al. 2002). Der erste Brutversuch in Mecklenburg-Vorpommern fand 1985 statt. F r den Zeitraum von 1994-1998 wird ein Brutbestand von 0-7 Paaren angegeben (EICHSTÄDT et al. 2006), f r 2000 nennen GARTHE et al. (2003a) 9 Paare. Im Rahmen der landgest tzten Wasservogelzählung werden Eiderenten nur zu geringen, variierenden Anteilen erfasst, vermutlich in Abhängigkeit von den Witterungsverhältnissen an den Zähltagen (vgl. Eisente). Entsprechend muss zur Erfassung der Bestandsentwicklung auf die Befliegungsdaten zur ckgegriffen werden. Die Befliegungsdaten von KEMPF et al. (2005) zeigen, dass nach einem Bestandsmaximum 1997 im folgenden Winter ein enormer Einbruch stattgefunden hat. Die Rastbestände erholten sich in den folgenden Jahren etwas, fielen dann aber im Jahr 2003 wieder stark ab (Abb. 2-4). Im Winter 1999 / 00 kam es im Wattenmeer zu einem Massensterben von Eiderenten. Im niederländischen Wattenmeer verhungerten 21.000 Eiderenten, im deutschen Teil etwa 10.000 (CAMPHUYSEN 2001, FLEET 2001). Als eine der m glichen Ursachen f r dieses Massensterben und den R ckgang der Brutpaare wird die mit der intensiven Muschelfischerei m glicherweise einhergehende Nahrungsverknappung diskutiert (SCHEIFFARTH & FRANK 2005). Auf Grundlage einer umfassenden Analyse vermuten CAMPHUYSEN et al. (2002), dass eine Kombination der Faktoren (a) starker Fischereidruck auf Herzmuscheln, (b) geringe Bestände in Miesmuschel-Kulturen, (c) milde Winter mit geringem Larvenfall und verringerter Muschel-Qualität und (d) die nach intensiver Befischung fast vollständig entfernte alternative Nahrungsquelle Spisula f r den Bestandsr ckgang verantwortlich sind. Deutliche Bestandsr ckgänge wurden auch bei den in dänischen Gewässern berwinternden Eiderenten beobachtet (DESHOLM et al. 2002). Die Bestände nahmen um ber die Hälfte von ca. 800.000 Ind. im Jahr 1990 auf ca. 370.000 Ind. im Jahr 2000 ab. Auch hier werden eine Reihe von Faktoren diskutiert, u.a. verringerte Überlebensrate, Bejagung und durch Krankheiten ausgel ste Massensterben.
58
Abb. 2-4: Entwicklung der Mittwinterbestände der Eiderenten im schleswig-holsteinischen Teil der Ostsee von 1988 bis 2005. Die Daten sind Zählsummen und basieren auf Flugzeugzählungen von N. KEMPF, J. MEIßNER, W. PIPER u.a. (zuletzt: KEMPF et al. 2005). Es wurde jeweils die Zählung verwendet, die dem Mittmonatstermin des Januars am nächsten liegt. 1990 erfolgte keine Zählung.
2.5 Biologie / Ökologie 2.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: Männchen im 3. Lebensjahr, Weibchen oft im 3., aber auch im 2. und 4. Lebensjahr Paarbildung: meist monogame Saisonehen, Wiederverpaarung nicht selten Brutzeit: Legebeginn im S den ab Mitte April, im Norden ab Mitte Mai, Brutdauer 25-28 Tage, Weibchen br tet, Männchen an- fangs anwesend Gelege: 4-6 Eier; 1 Jahresbrut, Nachgelege m glich K ken: Weibchen f hrt die Jungen, oft Kindergartenbildung unter F hrung weniger Weibchen, K ken nach 55-60 Tagen fl gge, nach 65-75 Tagen selbständig
59 2.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 5 Jahre Ältester Ringvogel: 37 Jahre 10 Monate Sterblichkeit: Adulte: 20-40 % pro Jahr; 70 % sterben im 1. Jahr, später dann 25 % pro Jahr (nach Ringfunden in Schweden berechnet) 2.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser beginnt im September und geht in die 1. Pränuptialmauser (Teilmauser) ber, die vom Umfang sehr variabel ist und sich bis in den Mai des 2. KJs hinziehen kann. Daran schließt sich die 1. Postnuptialmauser (Vollmauser) an, die zeitlich nur schwer zur 2. Pränuptialmauser (ebenfalls Vollmauser) abgegrenzt werden kann. Die Postnuptialmauser (Vollmauser) der zwei- und mehrjährigen Männchen beginnt je nach geografischer Lage schon im Juni. Während die Weibchen mit der Brut beginnen, versammeln sich die Männchen der mittleren und n rdlichen Ostsee in den äußeren Schärengebieten zu großen Vormausergesellschaften. Ab Mitte Mai fliegen sie zusammen in ihre Mausergebiete, z.B. ins Wattenmeer. Das Großgefieder wird synchron gemausert, so dass die Eiderenten f r 3-4 Wochen flugunfähig sind (Abb. 2-5). Flugfähig sind die meisten Erpel dann wieder ab Ende August / Anfang September. Die großen Mausergruppen im Wattenmeer bestehen meist zu ber 90 % aus adulten Männchen (Juli / August). Zählergebnisse von NEHLS (1991) deuten ebenfalls darauf hin, dass Weibchen in der Nähe ihrer Brutgebiete mausern. Im Anschluss daran vollzieht sich die Pränuptialmauser (Teilmauser), bei der die V gel ins Prachtkleid mausern. Die ersten Männchen im Prachtkleid kann man meist ab September beobachten.
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 2-5: Mauserzyklus der Eiderenten. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
2.5.4 Wanderungen Mitteleuropäische Eiderenten sind Teilzieher, häufig kommt es zu Streuungswande- rungen der immaturen V gel. Mehr als bei anderen Entenarten ist bei Eiderenten der
60 Tagzug ausgeprägt. Sie orientieren sich an landschaftlichen Leitlinien und ziehen oft entlang der K ste. Je nach Herkunftsgebiet k nnen Eiderenten im Winter in ihren Brutgebieten ausharren oder unterschiedlich ausgeprägte Zugmuster zeigen: Brutv gel aus Großbritannien und Irland wandern regelmäßig bis zu 200 km. Brutv gel aus den Niederlanden sind eher Teilzieher und wandern bis nach NW-Frankreich und Großbritannien. Brutv gel Spitzbergens wandern bis Norwegen und Nordschottland, die Brutv gel aus dem Ostseeraum berwintern berwiegend in der westlichen Ostsee. Männchen aus der s dlichen Ostsee beginnen den Mauserzug in die dänische Ostsee und ins Wattenmeer im Mai. Im Juni und Juli folgen dann V gel aus den n rdlicheren Gebieten, darunter auch Weibchen. Der Anteil adulter Männchen beträgt im Juli / August meist ber 90 % (NEHLS 1991). Ab September erscheinen mehr Weibchen und Jungv gel in den Winterquartieren des Wattenmeeres bzw. der westlichen Ostsee. Gleichzeitig erfolgt eine Abwanderung von V geln aus den Mausergebieten im deutschen Wattenmeer in die Überwinterungsgebiete im niederländischen und dänischen K stenbereich (BERNDT & BUSCHE 1993). Ab Oktober kehren die ersten Eiderenten aus den Mausergebieten im Wattenmeer auf die Ostsee zur ck (NEHLS 1991). Vor der niederländischen K ste werden ab Januar Zugbewegungen in n rdliche Richtung beobachtet, deutlicher Heimzug aus dem Wattenmeer in die Brutgebiete setzt im Februar ein (CAMPHUYSEN & VAN DIJK 1983, BERNDT & BUSCHE 1993). Im März erreicht der Heimzug in die Brutgebiete seinen H hepunkt und ist im April weitgehend abgeschlossen (NEHLS et al. 1988, BERNDT & BUSCHE 1993).
Beobachtungen von ALERSTAM et al. (1974) weisen darauf hin, dass zumindest im Herbst ein Austausch zwischen Ostsee und Wattenmeer stattfinden kann. NEHLS (1991) deutet diese Zugbewegungen als kurzfristige Anpassung an sich verändernde Bedingungen in der Ost- oder der Nordsee.
2.5.5 Habitat Eiderenten br ten entlang der K ste und auf vorgelagerten Inseln und Halligen, seltener an Binnenseen. Die Wahl des Nistplatzes richtet sich nach den rtlichen Gegebenheiten, so br teten Eiderenten fr her meist ausschließlich in D nen- und Heidegebieten. Heute br ten sie jedoch auf einigen Inseln auch auf Wiesen, am Boden von Nadelwald-Kulturen, in Getreidefeldern, im Sp lsaum und an Grabenrändern (BERNDT & BUSCHE 1993; zur Verbreitung s. Kapitel 2.4.1). Somit bed rfen sie keines besonderen Brutsubstrates, sondern die Nähe zum Nahrungshabitat d rfte f r die Wahl des Brutplatzes eine wichtigere Rolle spielen.
61 F r die Wahl der Mauserplätze auf der Nordsee ist die Nähe zu trockenfallenden Sandbänken wichtig, auf denen die V gel bei Niedrigwasser rasten k nnen (NEHLS 1991). Daneben wird die räumliche Verteilung der mausernden Eiderenten stark durch das Auftreten von St rungen wie Schiffsverkehr und Tourismus geprägt (THIEL et al. 1991, NEHLS 1991). Da sich die Fluchtdistanz der Eiderenten während der Mauserzeit erh ht, halten sich die flugunfähigen V gel oft fern von besiedelten Gebieten oder von regelmäßig befahrenen Prielsystemen auf. Daraus resultieren die z.T. großen Verbreitungsl cken im niedersächsischen Wattenmeer (NEHLS 1991). Die Verbreitungsmuster auf See im Winter unterliegen jährlichen Schwankungen, vermutlich bedingt durch das Nahrungsangebot. Vereisungen im Wattenmeer scheinen nur geringe Auswirkungen auf die Verteilung der Bestände zu haben, da durch die Tiden stets gr ßere Gebiete eisfrei bleiben (BERNDT & BUSCHE 1993). Während im Wattenmeer gew hnlich sublitorale und eulitorale Gebiete gleichmäßig genutzt werden, gibt es Tendenzen, dass Eiderenten im Winter zumindest in manchen Jahren sublitorale Gebiete bevorzugen (s. Kapitel 2.4.2 Nordseeverbreitung). Auf der westlichen Ostsee halten sich Eiderenten bevorzugt in Gebieten mit einer Wassertiefe zwischen 6-10 m auf, meist ber kiesigen und steinigen Substraten (MENDEL et al. 2007). Auf diesen Hartsubstraten findet ihre Hauptbeuteart, die Miesmuschel, optimale Lebensbedingungen. Mit dem nach Osten abnehmenden Salzgehalt in der Ostsee nimmt die Gr ße der Miesmuscheln ab. Um ihren hohen Energiebedarf effizient decken zu k nnen, sollten Eiderenten im Winter aber große Beuteorganismen fressen (NEHLS 1995). Diese Zusammenhänge k nnen erklären, dass Eiderenten nur in ganz geringer Zahl stlich von der Darßer Schwelle vorkommen, weil ihnen dort die geeignete Nahrungsgrundlage in Form von ausreichend großen Miesmuscheln fehlt (KUBE et al. 2005a).
2.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Die Nahrungssuche im Wattenmeer ist zeitlich eng mit den Tiden korreliert, da viele Nahrungsgr nde im Eulitoral nur bei Hochwasser zugänglich sind (NEHLS 1991). Bei auflaufendem Wasser lassen sich Eiderenten auf Wattflächen verdriften und suchen dort hauptsächlich durch Gr ndeln, aber auch tauchend und durch Anlegen von Trampelkuhlen nach Nahrung. Bei der Nahrungssuche ber Muschelbänken werden gezielt passende Muschelgr ßen ausgewählt. Die bevorzugte Beutegr ße liegt bei 7-40 mm. Insgesamt reicht die Gr ße der erbeuteten Muscheln von 1-80 mm. Muscheln werden mit der Schale verschlungen. Die Nahrung ändert sich im Jahresverlauf und zwischen verschiedenen
62 Gebieten in Abhängigkeit von der lokalen Fauna. Generell ernähren sich Eiderenten hauptsächlich von Mollusken (z.B. Cardium, Mytilus, Littorina, im S ßwasser auch Dreissena) und Crustaceen (z.B. Krabben, Flohkrebse) sowie zu einem geringeren Anteil von Echinodermen. Eiderentenk ken leben zunächst von kleinen Mollusken und k nnen erst später schnell bewegliche Crustaceen (z.B. Gammarus) fangen (auch kleine Fische, Wasserinsekten oder Hohltiere). Pflanzliche Nahrung ist generell unbedeutend. Nordsee Im schleswig-holsteinischen Wattenmeer sind Herzmuscheln (Cerastoderma edule) und Miesmuscheln (Mytilus edulis) die Hauptbeutearten von Eiderenten. Die Auswahl bevorzugter Längen erfolgt gr ßtenteils ber die Wahl der Nahrungsgebiete, in denen dann relativ unselektiv gefressen wird. Saisonale Bestandsverlagerungen sind vermutlich auf eine Ausnutzung des Nahrungsangebotes hinsichtlich der bevorzugten Flächen und Muschelgr ßen zur ckzuf hren (NEHLS 1991).
Eiderenten geh ren zusammen mit Austernfischern und Silberm wen zu den wichtigsten Konsumenten von Mies- und Herzmuscheln im gesamten Wattenmeerbe- reich. In einem direkten Vergleich dieser drei Arten hatten Eiderenten wattenmeerweit einen durchschnittlichen Anteil von 69 % an dieser Konsumtion (1993-1999; SCHEIFFARTH & FRANK 2005). Ostsee In der Ostsee bilden Miesmuscheln, Islandmuscheln (Arctica islandica) und Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) die wichtigsten Beuteorganismen f r Eiderenten:
KIRCHHOFF (1979) untersuchte die Nahrung einer großen Anzahl von in Stellnetzen in der Hohwachter Bucht ertrunkenen Eiderenten. Miesmuscheln machten den gr ßten Anteil der Nahrung aus (63 %), Sandklaffmuscheln 6 %. Seesterne bildeten einen Anteil von 12 %. Die Nahrung variierte mit der Wassertiefe, in der die Enten nach Nahrung suchten. Der Anteil der Miesmuscheln sank mit zunehmender Wassertiefe.
MEISSNER & BRÄGER (1990) untersuchten die Nahrungszusammensetzung von Eiderenten, die an verschiedenen Stellen der Kieler Bucht in Stellnetzen ertrunken waren. Bezogen auf die Frischmasse bildeten in den Wintern 1987 / 88 und 1988 / 89 Islandmuscheln 54 % der Nahrung, gefolgt von Miesmuscheln (18 %) und Sandklaffmuscheln (10 %). Neben weiteren Muscheln und einzelnen Crustaceen und Polychaeten entfielen 7 % auf Seesterne. Auch hier veränderte sich die Nahrungszusammensetzung mit der Tauchtiefe.
63 BÖHME (1993) untersuchte 24 Eiderenten aus der Wismarbucht. Als Nahrung stellte er nahezu ausschließlich Miesmuscheln (87 % nach Masse) und Sandklaffmuscheln (12 %) fest.
KALLENBORN et al. (1994) untersuchten ebenfalls in Stellnetzen in der westlichen Kieler Bucht ertrunkene Eiderenten nahe Oehe-Schleim nde. Miesmuscheln bildeten auch hier die Hauptnahrung von Eiderenten. Untersuchungen von Stellnetzopfern im Golf von Danzig zeigten, dass hier Sandklaffmuscheln mit 51 % den Hauptteil (pro Volumen) der Nahrung ausmachten, gefolgt von der Miesmuschelart Mytilus trossulus (29 %) und Fischeiern (4 %; STEMPNIEWICZ & MEISSNER 1999).
2.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Eiderenten werden nach verschiedenen Literaturangaben als berwiegend tagaktiv eingestuft (zusammengestellt in NEHLS 1991). Es ist jedoch naheliegend, dass im Wattenmeer die Nahrungssuche stark durch den Gezeitenrhythmus geprägt ist, da viele Nahrungsgebiete bei Niedrigwasser nicht erreichbar sind. Der Zug findet meist tags ber statt. Kein anderer Wasservogel erreicht tags ber ähnlich hohe Zugintensitäten wie Eiderenten (BERNDT & BUSCHE 1993). Während des Zuges hängt die Flugh he sowohl von der Windstärke als auch von der Windrichtung ab. Bei Gegenwind ziehen Eiderenten bevorzugt flach ber das Meer, der Anteil steigt noch mit zunehmendem Gegenwind. Auch bei leichtem R ckenwind fliegen Eiderenten hauptsächlich flach ber das Meer, jedoch nimmt der Anteil von h her fliegenden Eiderenten mit zunehmendem R ckenwind zu (KRÜGER & GARTHE 2001). Eiderenten sind während des gesamten Jahres sehr gesellig.
2.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 2.6.1 Gefährdungsursachen Eiderenten sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche)
64 - Reduzierung des Nahrungsangebotes z.B. durch Muschelfischerei bzw. durch Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Sedimentabbau, Ausbau von Fahr- wassern etc. - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - Schadstoffe in der Nahrung - Jagd, z.B. in Dänemark (zwischen 1999 und 2004 wurden in Dänemark jährlich ca. 75.000-95.000 Eiderenten erlegt; BREGNBALLE et al. 2006) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Verhinderung der Brutansiedlung durch touristische Aktivitäten und Flächenerschließungen
2.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Eiderenten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Eiderenten weisen eine mäßig hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf und fliegen vor sich nähernden Schiffen fast immer auf (z.B. GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). In intensiv befahrenen Gebieten kann dies zu einer Einschränkung der nat rlichen Verhaltensweisen, aber auch zu einer temporären oder v lligen Meidung häufig befahrener Strecken f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann eine Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität zur Folge haben. Da Eiderenten bevorzugt in k stennahen Gebieten vorkommen, gehen neben der kommerziellen auch von der in den K stengebieten intensiveren Freizeit- und Sportbootschifffahrt große St rungen aus. F r den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer beschreiben NEHLS et al. (1991; zitiert in KETZENBERG 1993), dass sich Eiderenten nicht in Gebieten mit Bootsverkehr aufhalten. Im K nigshafen auf Sylt beobachtete KETZENBERG (1993), dass Eiderenten sowohl von Motorbooten als auch von Surfern und Fußgängern von ihren urspr nglichen Nahrungsplätzen vertrieben wurden und in ungest rtere Gebiete auswichen. Derartige Ausweichreaktionen k nnen zwar die mit zusätzlichem Energieaufwand verbundenen unmittelbaren Reaktionen auf St rung verringern, zwingen aber die Tiere oftmals auch in weniger attraktive Nahrungsgebiete, während der urspr nglich genutzte Lebensraum verloren geht. Vor allem während der sehr energieaufwändigen Vollmauser reagieren Eiderenten besonders empfindlich auf St rungen durch Schiffsverkehr oder Tourismus (NEHLS 1991). Häufige Fluchtreaktionen k nnen in dieser Phase schnell zu Energieengpässen und damit zu Konditionsminderung f hren, so dass Eiderenten besonders stark auf ungest rte
65 Meeresgebiete mit guten Nahrungsbedingungen angewiesen sind. Eiderenten ben tigen während der Mauser zudem auch trockenfallende Sandbänke zur Rast bei Niedrigwasser. Dadurch ist die Anzahl geeigneter Mauserhabitate begrenzt. Eiderenten wechseln häufig zwischen verschiedenen Rastplätzen, zeigen insbesondere während des Zuges auch nächtliche Flugaktivität und k nnen aufgrund ihrer relativ kleinen Fl gel schlecht man vrieren. Deshalb sind sie auf ihren Flugrouten ber dem Meer sehr empfindlich gegen ber Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im oberen Bereich aller untersuchten Arten. Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminde- rung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. Bei Untersuchungen an f nf Offshore-Windparks in Nord- und Ostsee konnte insbesondere bei den schwedischen Standorten Utgrunden, Yttre Stengrund und Nysted ein Barriereeffekt auf ziehende Eiderenten beobachtet werden. Bei einigen Anlagen konnten zudem Verluste durch Kollision beobachtet werden (zusammengestellt in DIERSCHKE & GARTHE 2006). Eiderenten ernähren sich berwiegend von benthischen Mollusken (vgl. Kapitel 2.5.6). Sie sind somit auf Gebiete mit ausreichenden Vorkommen f r sie verwertbarer Muscheln angewiesen. Eiderenten tauchen beim Nahrungserwerb bis zum Grund. Die Tauchtiefe ist variabel und abhängig von der Nahrungsverf gbarkeit und -qualität. Die Tauchphysiologie der Eiderenten limitiert jedoch die energetisch rentabel nutzbaren Wassertiefenbereiche. Dies schränkt Eiderenten in ihrer Habitatwahl ein. Muschelfischerei und Sedimentabbau k nnen große Muschelvorkommen innerhalb von kurzer Zeit stark reduzieren oder sogar ganz entfernen. Die Verluste k nnen nicht durch stärkeres Muschelwachstum ausgeglichen, sondern erst durch Neuansiedlung kompensiert werden. Die Effekte dieser Eingriffe k nnen daher zu Nahrungsengpässen und damit zum Verlust von Nahrungs- und Rastgebieten f hren, insbesondere dann, wenn durch strenge Winter oder geringen Brutfall die Muschelbestände oder ihre Qualität schon nat rlicherweise reduziert sind. SCHEIFFARTH & FRANK (2005) fanden f r das gesamte Wattenmeer eine negative Korrelation zwischen den Muschelanlan- dungen durch die Fischerei einerseits und der Konsumtion durch Eiderenten andererseits, was auf eine Nahrungsreduzierung durch die Fischerei hinweist. Die Zahl der im gesamten Wattenmeer berwinternden Eiderenten geht seit dem Jahr 2000 stark zur ck (s. Abb. 2-4). Dies f hren die Autoren auf eine Nahrungsverknappung zur ck,
66 verbunden mit einer hohen Mortalität. Ein hoher Fischereidruck auf die Hauptbeutearten, kombiniert mit einer Reihe milder Winter mit reduziertem Brutfall und dadurch verringerter Qualität der Mies- und Herzmuscheln, sowie die nahezu vollständige Abfischung der Ausweichbeuteorganismen (Trogmuscheln) f hrten vermutlich zu einem Massensterben der Eiderenten in den Niederlanden im Winter 1999 / 00 (CAMPHUYSEN et al. 2002). Reduktion oder Ausbleiben des Brutfalls und Verringerung des Energiegehaltes bei Miesmuscheln sind m glicherweise Auswirkungen h herer Wintertemperaturen und gelten neben der Fischerei als eine Hauptursache f r die Abnahme der Eiderentenbe- stände im deutschen Wattenmeer (NEHLS et al. 2006). Somit kann auch die zunehmende Klimaveränderung einen negativen Einfluss auf die Nahrungssituation f r Eiderenten haben. Auch die Pazifische Auster (Crassostrea gigas) hat durch ihre Ausbreitung im Wattenmeer, bedingt durch die immer h heren Wassertemperaturen im Sommer, das Potenzial, die Nahrungsgebiete der Eiderenten zusätzlich zu reduzieren oder zu verschlechtern, da die Miesmuschelbänke z.T. massiv berwachsen werden, während die kräftige Schale der Auster von muschelfressenden Vogelarten nicht geknackt werden kann (NEHLS et al. 2006). Eine weitere Gefährdung der Eiderenten besteht in der Kontamination mit Schadstoffen. Bei der Untersuchung von f nf Strandfunden auf Neuwerk (Nordsee) wurden hohe Konzentrationen chlorierter Kohlenwasserstoffe gefunden, die vermutlich auch zum Tod der Tiere beigetragen hatten (KALLENBORN & HÜHNERFUSS 1993). Erh hte Mortalität von Eiderenten durch chlorierte Kohlenwasserstoffe wurde auch von SWENNEN (1991) f r die niederländische K ste beschrieben. Da die Nahrung ausschließlich tauchend erbeutet wird, sind Eiderenten besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). KIRCHHOFF (1982) schätzte den jährlichen Verlust in der schleswig-holsteinischen Ostsee auf 9.400 Tiere, womit Eiderenten in der s dwestlichen Ostsee zu den häufigsten Stellnetzopfern zählen. Da sich Eiderenten berwiegend von Mollusken ernähren, konkurrieren sie nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Eiderenten allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Da Eiderenten meist in hohen Konzentrationen vorkommen und einen hohen Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser verbringen, sind sie sehr empfindlich gegen ber
67 Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Eiderenten beginnen meist ab dem 3. Lebensjahr mit der Fortpflanzung und besitzen eine vergleichsweise hohe Anzahl von Jungv geln und eine geringe Altvogelmortali- tät. Da die Sterblichkeit bei den Jungv geln jedoch vergleichsweise hoch ist, k nnen Eiderenten Mortalitätsverluste eher schlecht ausgleichen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die gesamte Populationsdynamik.
Der Status der Eiderenten in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. Die Konzentration auf Europa mit ber 50 % des Weltbestandes bedingt jedoch eine besondere, länder bergreifende Schutzverantwor- tung. Als Brutvogel steht die Art auf der „Vorwarnliste“ der Roten Listen Deutschlands und Niedersachsens, das Brutvorkommen in Schleswig-Holstein gilt als „gefährdet“ (Tab. 2-4). Gemäß dem Anhang II der EU-Vogelschutzrichtlinie geh ren Eiderenten in einigen EU-Staaten, jedoch nicht in Deutschland, zu den jagdbaren Arten. In Dänemark wurden zwischen 1999 und 2004 jährlich ca. 75.000-95.000 Eiderenten erlegt, der Bestandstrend der Eiderenten in Dänemark wird als abnehmend eingestuft (BREGNBALLE et al. 2006). WETLANDS INTERNATIONAL (2006) geben f r die biogeografische Population „Ostsee, Wattenmeer“ ebenfalls einen abnehmenden Trend an (siehe auch Tab. 2-1).
Tab. 2-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Eiderenten in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + V V 3 entfällt P P Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II, III Non-SPECE II III +
68 2.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: teils hohe Fluchtdistanz vor sich näherndem Schiff Flächendeckende Flugzeugzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zu den Schiffstransektzählungen werden bei den flächendeckenden Flugzeugzählungen V gel die abseits der K stenlinie und den Flachgr nden vorkommen, nur unzureichend erfasst K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
2.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Zusammenhang zwischen Mausergebieten in Nord- und Ostsee - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
69 3 Eisente
Clangula hyemalis (Linnaeus 1758)
GB: Long-tailed Duck NL: Ijseend DK: Havlit S: Alfågel Foto: B. Mendel PL: Lod wka Abb. 3-1: Männchen im PK
3.1 EU-Code A064
3.2 Systematik Ordnung: Anseriformes - Entenv gel Familie: Anatidae - Entenverwandte
3.3 Kennzeichen Kleine Meeresente mit rundem Kopf und kurzem, stumpfem Schnabel. Fl gel einfarbig dunkel, recht schmal und zugespitzt. Mittlere Steuerfedern des Männchens stark verlängert. Männchen im PK kontrastreich gefärbt, mit weißem Scheitel und Hals, Kopfseiten hell graubraun mit dunklerem Halsseitenfleck. Flanken und Schulterfedern hellgrau. Im Flug mit einfarbig dunklen Fl geln, auf dem ansonsten dunklen Mantel bilden die hellen Schulterfedern zwei große ovale Felder. Schnabel schwarz mit rosa Binde. Im SK berwiegend schwarzbraun mit weißer Unterseite und Kopfseitenfleck. Schulterfe- dern dunkel und rostbraun umrandet. Zeichnung des Weibchens sehr variabel; im PK mit weißem Kopf und schwarzem Scheitel und Kopfseitenfleck, rotbraunem R cken und hellbraunem Halsband. Im SK mit sehr dunklem Kopf und nur schmalem, weißem Kopfseitenfleck, der in ein weißes Querband an den Halsseiten bergeht; R cken und Brust matt grau-braun.
70 3.4 Verbreitung / Bestand 3.4.1 Welt / Europa Die Eisente ist die häufigste Entenart der Tundrazone. Sie br tet im arktischen Eurasien und Nordamerika. Das Brutgebiet erstreckt sich zirkumpolar von der Hocharktis s dwärts bis in die subarktische Waldtundra. Nach BAUER et al. (2005) werden keine Unterarten unterschieden. Der Weltbestand beträgt 6,2-6,75 Mio. Individuen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). In Europa reicht die Brutverbreitung von Island und Zentralnorwegen ber N-Finnland, die finnische Ostseek ste, die Kola-Halbinsel bis in das arktische Russland, wo der berwiegende Teil der europäischen Eisenten br tet. Der Brutbe- stand in Europa beträgt 690.000-750.000 Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004 ). Eisenten sind regelmäßige und häufige Wintergäste und Durchz gler an der Ostsee- k ste. Die Ostsee beherbergt 90 % der europäischen Überwinterer, die von den Mauserplätzen im Weißen Meer ab Ende Oktober eintreffen und bis in den Mai bleiben. In der Ostsee gibt es drei Regionen mit jeweils bis zu einer Million Eisenten: Irbe-Straße / Golf von Riga, Hoburgs Bank s dlich von Gotland und Pommersche Bucht (DURINCK et al. 1994b). Die fennoskandischen V gel berwintern wahrschein- lich vor allem im Atlantik vor der K ste Norwegens. Die berwinternden V gel auf der Ostsee br ten berwiegend in Nordrussland (BERNDT & BUSCHE 1993). Auf der Nordsee halten sich Eisenten in sehr geringer Anzahl im k stennahen Bereich von Deutschland und den Niederlanden auf, entlang der K ste Großbritanniens gibt es ein kleines Wintervorkommen im Moray Firth und im Firth of Forth (STONE et al. 1995). Die in Europa vorkommenden Eisenten werden in zwei verschiedene biogeografische Populationen unterteilt (Tab. 3-1).
Tab. 3-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeo- grafischen Populationen der Eisenten (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Island, Island, 100.000 - C. hyemalis Gr nland N-Atlantik stabil 1.300 Gr nland 150.000 (Brutzeit) N-Atlantik, W-Sibirien, W-Sibirien, Ostsee, n rdl. C. hyemalis N-Europa 4,6 Mio. stabil 20.000 N-Europa Meere, Seen (Brutzeit) in Mitteleuropa
71 3.4.2 Deutschland Status: Wintergast, Durchz gler, seltener Sommergast auf Nord- und Ostsee; nur ausnahmsweise im Binnenland. Die in Deutschland vorkommenden Eisenten geh ren zur biogeografischen Populati- on „W-Sibirien, N-Europa (Brutzeit)“. Eisenten br ten nicht in Deutschland, sondern halten sich während des Zuges und im Winter sowie selten und unregelmäßig im Sommer auf Nord- und Ostsee auf. Die Ergebnisse der Wasservogelzählung zeigen, dass Eisenten entlang der deutschen Ostseek ste im Januar in nahezu allen Zählabschnitten anwesend sind (Abb. 3-3). Die Schwerpunkte liegen im Greifswalder Bodden, im Bereich der Außenk sten von Hiddensee und Darß sowie von Fehmarn westwärts bis zur Eckernf rder Bucht. Sehr individuenstarke, k stenferne Vorkommen befinden sich vor allem in der Pommer- schen Bucht sowie n rdlich des Darß (Abb. 3-2). Im Binnenland werden ebenso wie auf der Nordsee nur wenige Eisenten festgestellt (Abb. 3-3). Der Rastbestand in Deutschland, der aufgrund der zahlenschwachen Vorkommen auf der Nordsee durch die Ostseebestände bestimmt wird, beträgt im Mittwinter 315.000 Individuen (Tab. 3-2). Dies entspricht ca. 7 % der biogeografischen Population „W-Sibirien, N-Europa (Brutzeit)“. Nordsee Auf der deutschen Nordsee rasten Eisenten selten und mit nur wenigen Individuen. Einzelne Tiere halten sich im Winter regelmäßig in den k stennahen Flachwasserbe- reichen auf, insbesondere zwischen Amrum und Sylt. Im k stenfernen Bereich fehlen rastende Eisenten dagegen v llig. Vor Helgoland wurde bisher kein nennenswerter Eisentenzug beobachtet (DIERSCHKE 2003). Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurde bisher nur einmal eine fliegende Eisente beobachtet. F r Eisenten wurden keine Bestandszahlen berechnet. Ostsee Auf der deutschen Ostsee kommen Eisenten von allen Entenarten mit den h chsten Individuenzahlen vor und sind dar ber hinaus am weiträumigsten verbreitet. Sie halten sich sowohl in großer Anzahl in den k stennahen Flachwassergebieten sowie auf k stenfernen Flachgr nden auf. Ab November findet ein starker Zug von den Brutgebieten in die deutschen Ostseegebiete statt, und im Laufe des Herbstes bilden sich hohe Konzentrationen in der Kieler Bucht sowie in der Pommerschen Bucht, dort v.a. im Bereich der Oderbank und auf dem Adlergrund. Auch im Greifswalder Bodden halten sich im Herbst zahlreiche Eisenten auf.
72
Abb. 3-2: Verbreitung der Eisenten auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ost- see: 2000-2006).
Abb. 3-3: Verbreitung der Eisenten in Deutschland im Januar, basierend auf Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000- 2005.
73 Im Winter weist die Art ein weiträumiges Vorkommen mit hohen Dichten in weiten Teilen der Pommerschen Bucht inklusive Greifswalder Bodden und bis zum Adler- grund auf. Weitere Konzentrationsgebiete befinden sich n rdlich vom Darß sowie in der Kieler Bucht. In geringeren Dichten sind Eisenten auch in den k stennahen Bereichen entlang der Mecklenburger Bucht verbreitet. Im Fr hjahr verändert sich die Verteilung kaum. Die hohen Dichten im K stenbereich der westlichen Ostsee, n rdlich vom Darß sowie in der Pommerschen Bucht bis zum Adlergrund bleiben bestehen. Im Greifswalder Bodden profitieren die Eisenten im Fr hjahr von den einwandernden Heringsschwärmen (Clupea harengus), deren Laich eine besonders proteinhaltige Nahrungsquelle darstellt (LEIPE 1985). Im Sommer halten sich nur sehr wenige Eisenten auf der deutschen Ostsee auf. Der Rastbestand der Eisenten im SPA „Pommersche Bucht“ baut sich ab November auf und erreicht im Winter seine h chsten Werte (Tab. 3-2). Das Vorkommen nimmt mit dem Wegzug in die Brutgebiete ab April stark ab. Die Nachweise im Sommer betreffen meist späte Wegz gler, in den Hochsommermonaten halten sich gew hnlich keine Eisenten im SPA auf.
Tab. 3-2: Rastbestandszahlen der Eisenten f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransekt- zählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 170.000 3,7 77.000 1,7 Sommer k.A. k.A. 410 <0,1 270 <0,1 Herbst k.A. k.A. 57.000 1,2 46.000 1,0 Winter 315.000 6,8 150.000 3,3 130.000 2,8
Die auf der Ostsee berwinternden Eisenten stammen berwiegend aus Brutgebieten in N-Russland. Vereinzelt k nnen auch Brutv gel aus Fennoskandien oder sogar Gr nland und Island auf der Ostsee vorkommen (BERNDT & BUSCHE 1993).
3.4.3 Bestandsentwicklung Die sibirischen und gr nländischen Populationen weisen einen langfristig stabilen Brutbestandstrend auf. Aufgrund von Verlusten in Fischernetzen und Ölpest war der Bestand auf Island zwischenzeitlich r ckläufig. Inzwischen ist er jedoch wieder stabil. F r die europäischen Brutbestände nennt BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) einen stabilen Trend ber den Zeitraum 1970-2000. Informationen ber die Rastbestände in
74 deutschen Meeresgebieten liegen bislang nicht vor, da die Offshore-Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
3.5 Biologie / Ökologie 3.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: im 2.-3. Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn ab Mai, weiter n rdlich ab Juni (Juli); Brutdauer 24-29 Tage Gelege: 5-9 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege nur im S den des Brutareals K ken: Weibchen f hrt die Jungen, oft Zusammenlegen von Kindergärten, K ken nach 35-40 Tagen fl gge und selbstän- dig
3.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 4 Jahre Ältester Ringvogel: 21 Jahre 2 Monate Sterblichkeit: keine Angabe
3.5.3 Mauser Der Mauserzyklus der Eisenten unterscheidet sich von dem anderer Meeresentenarten: Pro Jahr treten Eisenten in vier verschiedenen Kleidern auf, die durch eine viermalige Teilmauser entstehen. Während der Sommermauser werden die Schwingen synchron erneuert, was dazu f hrt, dass Eisenten ca. 3-4 Wochen im Jahr flugunfähig sind (Abb. 3-4; FLINT et al. 2004). In dieser Zeit sind Eisenten besonders empfindlich gegen ber St rungen.
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 3-4: Mauserzyklus der Eisenten. Teilmauser (hell schraffiert); rot: sensible Phase während der Mauser (Flugunfähigkeit).
3.5.4 Wanderungen Eisenten sind berwiegend Kurzstrecken- und Teilzieher und recht ausgeprägte Nachtzieher. Jedoch konnten am Feuerschiff „Fehmarnbelt“ auch Zugaktivitäten in
75 den Vormittagsstunden beobachtet werden (BERNDT & BUSCHE 1993). Bei den vor Hiddensee durchziehenden Eisenten fällt auf, dass oft zur gleichen Jahreszeit Zug Richtung Westen und Osten stattfindet. Dies k nnte mit häufigen Wechseln zwischen den Rastplätzen westlich und stlich von R gen erklärt werden. Solche Wechsel k nnen insbesondere durch harte Winter, in denen große Gebiete durch Eis f r Eisenten unzugänglich sind, hervorgerufen werden (GARTHE et al. 2003a). Während die Weibchen noch br ten, sammeln sich die Männchen an den K sten der n rdlichen und stlichen Ostsee zu Mausertrupps. Im August und September stoßen die Weibchen und Jungv gel hinzu. Der Wegzug in die Winterquartiere, also auch in die deutschen Gewässer, erfolgt etwa zu dieser Zeit; in der Ostsee erreicht der Zuzug seinen Gipfel im November / Dezember. In Abhängigkeit vom Tauwetter beginnt der Heimzug in die Brutgebiete im Februar / März.
3.5.5 Habitat Eisenten br ten berwiegend an S ßgewässern. Sie bevorzugen dabei kleine, seichte Teiche in der Tundra und meiden bewaldete Tundra- und Taigabereiche (zur Verbrei- tung s. Kapitel 3.4.1). In Bereichen mit tundraähnlichen Bedingungen br tet die Art auch an der K ste und auf vorgelagerten, k stennahen Inseln. Außerhalb der Brutzeit halten sich Eisenten berwiegend auf k stennahen Brack- und Salzgewässern auf. Dabei suchen sie zur Nahrungssuche Flachgr nde bzw. flachere K stengebiete mit meist bis 20 m Wassertiefe auf. Auswertungen zur Habitatwahl in der deutschen Ostsee machten deutlich, dass Eisenten Wassertiefen zwischen 6-15 m bevorzugen und sich außerdem verstärkt in Meeresgewässern ber Grob- und Feinsänden aufhalten (MENDEL et al. 2007). In der deutschen Ostsee finden sich die gr ßten zusammenhängenden Bereiche mit Feinsand in der Pommerschen Bucht und westlich von R gen, wo Eisenten in den h chsten Dichten auftreten.
3.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Eisenten erbeuten ihre Nahrung indem sie bis zum Grund tauchen. Die Tauchtiefe ist abhängig vom jeweiligen Nahrungsgebiet. Meist bleiben die Tiere 15-40 Sekunden unter Wasser. Die Tauchgänge werden mit einem charakteristischen, nach vorne gerichteten Sprung eingeleitet. Zur Brutzeit haben Eisenten ein vielseitiges Nahrungs- spektrum, das v.a. Insektenlarven, aber auch Fischlaich, Crustaceen und Mollusken umfasst. In den Winterquartieren der Ostsee besteht die Nahrung berwiegend aus Muscheln. Insgesamt ist die Nahrung durch Anteile von Polychaeten, Echinodermen, Crustaceen und Fischen vielfältig (MADSEN 1954).
76 Ostsee KIRCHHOFF (1979) fand in 13 Mägen aus Stellnetzopfern in der Hohwachter Bucht nahezu ausschließlich Herzmuscheln Cerastoderma spec. LEIPE (1985) untersuchte Eisenten, die im März und April in Stellnetzen im Greifswalder Bodden ertrunken sind. Die Mageninhalte umfassten folgende Masseanteile: Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) 50 %, Heringslaich 18 %, Herzmuscheln (Cerastoderma edule) 10 %, Miesmuscheln (Mytilus edulis) 9 %, weitere Mollusken 5 %, sonstige Nahrungsreste 8 %. Heringslaich konnte als ausschließliche Nahrung in 18 von 115 Mägen nachge- wiesen werden (LEIPE 1985). Ausf hrliche Nahrungsuntersuchungen, ebenfalls an in Stellnetzen umgekommenen Eisenten, f hrte STEMPNIEWICZ (1995) im Golf von Danzig durch. In allen 423 Proben aus den Jahren 1972-1990 machten Muscheln mit 77 Volumen-% die Hauptnahrung aus, gefolgt von Fischen (14 %) und Crustaceen (5 %). Unter den Muscheln dominier- ten Baltische Plattmuscheln (Macoma baltica, 26 % des gesamten Mageninhalts), Sandklaffmuscheln (21 %) und Miesmuscheln (20 %). Unter den Fischen machten Fischeier (5 %) und Stichlinge (Gasterosteus aculeatus) (4 %) die Hauptmengen aus. Die Nahrungswahl zeigte Unterschiede zwischen verschiedenen Jahreszeiten. Dabei wurde zum Beispiel deutlich, dass Mies- und Herzmuscheln proportional häufiger im Dezember und Januar und Crustaceen, Polychaeten und vor allem Fisch(eier) proportional häufiger im Fr hjahr zu finden waren. Auch gab es Hinweise auf geringf gig unterschiedliche Nahrungswahl zwischen männlichen und weiblichen Eisenten.
EVERT (2004) untersuchte die Nahrung von 132 Eisenten, die im Winter 2001 und im Fr hjahr 2001 und 2003 in Stellnetzen in der Pommerschen Bucht verendet waren. Auch diese Untersuchung zeigte, dass Muscheln die Hauptnahrung von Eisenten sind. Sandklaffmuscheln stellten 65 %, Baltische Tellmuscheln 13 %, Lagunen-Herz- muscheln (Cerastoderma glaucum) 12 % und Miesmuscheln 11 % aller gefressenen Muscheln. In 15 Eisentenmägen, die im Fr hjahr 2001 gefunden wurden, konnte ausschließlich Heringslaich nachgewiesen werden.
3.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Eisenten ziehen hauptsächlich nachts. Am Feuerschiff „Fehmarnbelt“ wurden berwiegend Zugh hen bis 10 m ber der Meeresoberfläche ermittelt (BERNDT & BUSCHE 1993), selten konnten Zugh hen ber 20 m beobachtet werden. Eisenten ziehen meist in kleinen Trupps, jedoch schließen sie sich an starken Zugtagen zu gr ßeren Scharen zusammen. Außerhalb der Brutzeit sind Eisenten in den marinen Überwinterungsgebieten, in denen bereits die Balz stattfindet, gesellig. Im Binnenland kommen sie eher einzeln vor.
77 3.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 3.6.1 Gefährdungsursachen Eisenten sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen (Ostsee) - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Reduzierung des Nahrungsangebotes (u.a. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Muschelfischerei bzw. Kies- und Sandabbau) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes)
3.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Eisenten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Eisenten weisen eine hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf und fliegen vor sich nähernden Schiffen meist auf (GARTHE et al. 2004, BELLEBAUM et al. 2006, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren, wie z.B. von KUBE & SKOV (1996) f r die Pommersche Bucht beschrieben. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsverkehr zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes f r Eisenten f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energie- verbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Eisenten wechseln vermutlich häufig zwischen verschiedenen Rastplätzen und zeigen insbesondere während des Zuges auch nächtliche Flugaktivität. Sie sind daher sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Ein Wert im Windenergie- Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) wurde nicht berechnet. Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zum weiträumigen Umfliegen kommen, was zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren kann. Bei den Windparks in Utgrunden (Schweden) und Nysted
78 (Dänemark) konnten Barriereeffekte und Habitatverlust f r Eisenten nachgewiesen werden (zusammengestellt in DIERSCHKE & GARTHE 2006). Eisenten ernähren sich v.a. von benthischen Mollusken (vgl. Kapitel 3.5.6). Sie sind somit auf Gebiete mit ausreichenden Vorkommen f r sie verwertbarer Muscheln angewiesen. Eisenten tauchen beim Nahrungserwerb bis zum Grund. Ihre Tauchtiefe ist variabel und abhängig von der Nahrungsverf gbarkeit und -qualität. Die Tauchphy- siologie limitiert jedoch die energetisch rentabel nutzbaren Wassertiefenbereiche. Dies schränkt Eisenten in ihrer Habitatwahl ein. Umso entscheidender ist der Erhalt und Schutz der geeigneten Nahrungsgebiete. Muschelfischerei und Sedimentabbau k nnen große Muschelvorkommen innerhalb von kurzer Zeit stark reduzieren oder sogar vollständig entfernen. Die Verluste k nnen in diesen Fällen nicht durch stärkeres Muschelwachstum ausgeglichen, sondern erst durch Neuansiedlung kompensiert werden. Solche Eingriffe k nnen daher schnell zu Nahrungsengpässen und zum Verlust von Nahrungs- und Rastgebieten f r Eisenten f hren, insbesondere dann, wenn durch strenge Winter die Muschelbestände bereits nat rlicherweise reduziert sind. Da Eisenten ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie besonders anfällig daf r sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelvorkommen mit Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetz- fischerei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie, Gebiete, in denen im Winterhalbjahr auch Eisenten in z.T. großer Anzahl vorkommen. Allein vor der Insel Usedom (Ostsee) zählte SCHIRMEISTER (2003) bei einem nur kleinen Teil der dort tätigen Stellnetz- fischer in 12 Wintern 6.600 ertrunkene Eisenten. F r die schleswig-holsteinische Ostseek ste berechnete KIRCHHOFF (1982) einen jährlichen Verlust von etwa 750 Eisenten. Eisenten ernähren sich berwiegend von Mollusken und konkurrieren deshalb nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Eisenten allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Zu einer starken räumlichen Überlappung zwischen Stellnetz- und Eisentenverbreitung kann es insbesondere im Fr hjahr kommen, wenn Eisenten auch Heringslaich als Nahrung nutzen und – wie die Stellnetzfischerei – gezielt Bereiche im Greifswalder Bodden mit großen einwandernden Heringsschwärmen aufsuchen.
79 Da Eisenten meist in hohen Konzentrationen vorkommen und einen hohen Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser verbringen, sind sie sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Eisenten beginnen ab dem 2. oder 3. Lebensjahr mit der Fortpflanzung und haben meist eine hohe Anzahl an Jungv geln. Da keine detaillierten Angaben zur Überle- bensrate von Jungv geln und zur Altvogelmortalität vorliegen, k nnen keine Aussagen getroffen werden, in wie weit Mortalitätsverluste ausgeglichen werden k nnen.
Der Status der Eisenten in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft, sie ist keiner SPEC-Kategorie zugeordnet (Tab. 3-3).
Tab. 3-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Eisenten in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + entfällt entfällt entfällt entfällt entfällt IntV Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II Non-SPEC II III +
3.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: hohe Fluchtdistanz vor sich näherndem Schiff, mäßige Fluchtdistanz vor sich näherndem Flugzeug K sten- Wasservogelzählungen (bei k stennahem Vorkommen)
80 3.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in der Ostsee - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
81 4 Trauerente
Melanitta nigra (Linnaeus 1758)
GB: Common Scoter NL: Zwarte Zee-eend
DK: Sortand Foto: H.G. Arndt S: Sj orre Abb. 4-1: Männchen im PK PL: Markaczka
4.1 EU-Code A065
4.2 Systematik Ordnung: Anseriformes - Entenv gel Familie: Anatidae - Entenverwandte
4.3 Kennzeichen Mittelgroße Meeresente mit plumpem K rper und recht langem Schwanz. Gefieder ganz dunkel, braun bzw. schwarz, Handschwingen etwas heller, Fl gel k nnen daher im Flug zweifarbig wirken. F ße dunkel. Männchen im PK ganz schwarz, Schnabel mit H cker und gelbem First. Weibchen rußbraun mit hellen Kopfseiten und dunklem Schnabel. Im JK wie Weibchen, aber mit hellem Bauch und Gefieder mit stärkerem Braunton. Verwechslungsm glichkeiten: mit Samtente, Trauerente aber ohne weißes Fl gelfeld und ohne weißen Fleck im Augenbereich. Kopf- und Schnabelprofil erscheinen beim Schwimmen bei Trauerenten eher waagerecht, bei Samtenten eher schräg nach unten gerichtet.
82 4.4 Verbreitung / Bestand 4.4.1 Welt / Europa Trauerenten sind von Island und Großbritannien / Irland ber das n rdliche Eurasien bis hin nach Ostsibirien verbreitet. Zusammen mit der Pazifiktrauerente (M. america- na), die weiter stlich und in Nordamerika beheimatet ist und die in WETLANDS INTERNATIONAL (2006) noch als Unterart bezeichnet wird, bildet M. nigra eine Superspezies. Von der Britischen Ornithologen-Gesellschaft wurde inzwischen die Trennung von nigra und americana in zwei Arten akzeptiert. Der hier genannte Weltbestand von M. nigra entspricht deswegen dem in WETLANDS INTERNATIONAL (2006) angegebenen Bestand der Unterart M. n. nigra (1,6 Mio. Individuen). In Mitteleuropa sind Trauerenten häufige Durchz gler, Winter- und vielerorts auch Sommer- und Mausergäste an den K sten der Nord- und Ostsee. Die Haupt ber- winterungsgebiete von M. nigra liegen in der Ostsee, im Wattenmeer und entlang der Atlantikk ste bis N-Afrika. International bedeutsame Winter- und Mauservorkommen werden f r den nordwestlichen Kattegat beschrieben, das vermutlich wichtigste Gebiet f r Trauerenten weltweit (SKOV et al. 1995). Kleinere Bestände berwintern entlang der Atlantikk ste Frankreichs und Portugals s dlich bis nach Mauretanien. Als Brutbestand f r Europa werden 100.000-130.000 Paare angegeben (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Bei den in Europa vorkommenden Trauerenten werden keine biogeografischen Populationen unterschieden, daher beziehen sich die Angaben in Tabelle 4-1 auf die Art M. nigra.
Tab. 4-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden Trauerenten (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium W-Sibirien, Ostsee, O- M.n. Skandinavien, - Atlantik bis 1,6 Mio. stabil 16.000 nigra Island, Mauretanien Schottland, Irland
4.4.2 Deutschland Status: Wintergast, Durchz gler, Sommer- und Mausergast auf Nord- und Ostsee. F r die in Deutschland vorkommenden Trauerenten werden keine biogeografischen Populationen unterschieden.
83 Trauerenten br ten nicht in Deutschland, halten sich aber ganzjährig auf Nord- und Ostsee auf (Abb. 4-2 und 4-3). Da sich die Vorkommen sowohl auf der Nord- als auch auf der Ostsee berwiegend k stenfern befinden, kann ber die Wasservogelzählung nur ein sehr geringer Teil erfasst werden. Daher sind detaillierte Aussagen zum jahreszeitlichen Auftreten und zur Rastbestandsentwicklung auf internationaler Ebene derzeit kaum m glich. Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 365.000 Individuen (Tab. 4-2 und 4-3). Dies entspricht rund 23 % des Weltbestandes (s. oben). Nordsee Trauerenten halten sich ganzjährig auf der deutschen Nordsee auf (Tab. 4-2). Das Vorkommen ist dabei gr ßtenteils auf die K sten- und flacheren Offshore-Gebiete beschränkt. Im k stenfernen Bereich kommen Trauerenten nur selten und in sehr geringen Anzahlen vor. Im Herbst und Fr hjahr sind die Vorkommen stark vom Zuggeschehen beeinflusst. Hohe Konzentrationen treten v.a. entlang der Ostfriesischen Inseln bzw. am Westrand des nordfriesischen Wattenmeeres auf. Geringe Dichten befinden sich auch von Eiderstedt s dwärts ber das Elbe-Weser-Dreieck bis Wangerooge. Im Winter treten sehr große Rastbestände von Trauerenten auf der deutschen Nordsee auf. Deutliche Konzentrationen mit hohen Dichten befinden sich entlang der schles- wig-holsteinischen Westk ste. Im Elbe-Weser-Bereich und entlang der Ostfriesischen Inseln kommen Trauerenten in geringen bis mittleren Dichten vor. Die äußeren Bereiche des n rdlichen Wattenmeeres sowie das Gebiet von Terschelling bis Juist gelten als international bedeutende Überwinterungsgebiete f r Trauerenten (SKOV et al. 1995, NEHLS 1998). Im Sommer findet ein starker Mauserzug von Trauerenten der n rdlichen und stlichen Brutgebiete in die Mausergebiete der s d stlichen Nordsee statt. In niedrigen und mittleren Dichten halten sich Trauerenten nahezu im gesamten k stennahen Offshore-Bereich von Sylt bis zu den Ostfriesischen Inseln auf. Eine hohe Konzentra- tion befindet sich auch vor der Halbinsel Eiderstedt. Dieser Bereich wurde vielfach als wichtiges Mausergebiet f r Trauerenten beschrieben (BERNDT & BUSCHE 1993, NEHLS 1998, DEPPE 2003). Hohe Dichten wurden ebenfalls am n rdlichen Ende von Sylt beobachtet. M glicherweise handelt es sich dabei um einen Ausläufer des gr ßeren Mauservorkommens vor dem dänischen Wattenmeer (LAURSEN et al. 1997). SKOV et al. (1995) bezeichnen das n rdliche Wattenmeer als international bedeutsa- mes Mausergebiet f r diese Art. Kleine Vorkommen halten sich auch vor den Ostfriesischen Inseln auf (siehe auch MITSCHKE et al. 2001).
84
Abb. 4-2: Verbreitung der Trauerenten auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990- 2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 4-3: Verbreitung der Trauerenten in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
85 Im k stenfern gelegenen SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Trauerenten im Vergleich zum Nordsee-Gesamtbestand nur in sehr geringer Anzahl vor (Tab. 4-2). Während sich im Winter nur wenige und im Fr hjahr keine Trauerenten dort aufhalten, liegt der Rastbestand im Sommer und Herbst bei jeweils etwa 500 Tieren.
Tab. 4-2: Rastbestandszahlen der Trauerenten f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeitraum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“ basierend auf Schiffstran- sektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum: 1996-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Der Anteil an der biogeogra- fischen Population bezieht sich auf den Weltbestand. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 56.000 3,5 III <0,1 0 0,0 Sommer 66.000 4,1 III <0,1 550 <0,1 Herbst 18.500 1,3 110 <0,1 480 <0,1 Winter 135.000 8,4 III <0,1 III <0,1
Ostsee Trauerenten halten sich ganzjährig auf der deutschen Ostsee auf und sind dabei gr ßtenteils auf k stennahe Flachwassergebiete oder Flachgr nde im Offshore-Bereich beschränkt. Im Herbst, Winter und Fr hjahr liegt ihr Verbreitungsschwerpunkt in der Pommerschen Bucht, insbesondere im Bereich der Oderbank innerhalb des Seevogel- schutzgebietes. Große Anzahlen halten sich zudem in der Kieler Bucht auf, kleinere Vorkommen in der Mecklenburger Bucht, im Bereich von Darß / Zingst und auf dem Plantagenetgrund. Die gr ßten Anzahlen erreicht das Vorkommen im Fr hjahr. Im Sommer treten Trauerenten fast ausschließlich in der Pommerschen Bucht im Bereich der Oderbank auf. Hier erreichen sie zeitweise ein weiträumiges Vorkommen mit hohen Dichten, doch scheint der Sommerbestand in verschiedenen Jahren zahlenmäßig stark zu schwanken (SONNTAG et al. 2004). M glicherweise besteht ein Zusammen- hang mit dem Mausergebiet in der Nordsee vor der Westk ste Schleswig-Holsteins (HENNIG 2001, DEPPE 2005). Der Sommerbestand der Trauerenten in der Pommerschen Bucht schwankt jahrweise stark. F r den August 2003 wurde eine Anzahl von 110.000 Tieren mit einem Anteil mausernder V gel von 32 % ermittelt (SONNTAG et al. 2004). Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Trauerenten ganzjährig vor (Tab. 4-3). Auf den vergleichsweise geringen Winterbestand folgt ein Maximum im Fr hjahr. Offensichtlich ziehen vor dem Abzug in die Brutgebiete V gel aus westlich gelegenen Überwinterungsgebieten zu. Der Heimzug in die Brutgebiete kann sich bis in den Mai
86 erstrecken, doch k nnen die Bestände im Sommer zumindest in einigen Jahren die gleiche Gr ßenklasse wie im Fr hjahr erreichen. Zum Herbst hin nehmen die Zahlen wieder ab.
Tab. 4-3: Rastbestandszahlen der Trauerenten f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzäh- lungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum 2000-2005). Der Anteil an der bio- geografischen Population bezieht sich auf den Weltbestand. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 185.000 11,6 170.000 10,6 Sommer k.A. k.A. 130.000 8,1 160.000 10,0 Herbst k.A. k.A. 51.000 3,2 54.000 3,4 Winter 230.000 14,4 57.000 3,6 47.000 2,9
4.4.3 Bestandsentwicklung Aufgrund von klimatisch bedingten Arealausweitungen zwischen 1850 und 1950 weitete sich das Brutgebiet der Trauerenten bis nach Schottland und Irland aus. Der Gesamtbestand ist seit den 1960er Jahren weitgehend stabil. An der s dlichen Verbreitungsgrenze kam es in einigen Regionen jedoch zu leichten Verlusten in Großbritannien, Irland und Finnland. F r die Niederlande, Belgien, Frankreich und Portugal liegen Winterdaten vor, die Zunahmen in den fr hen 1990er Jahren erkennen lassen, gefolgt von R ckgängen zur nachfolgenden Jahrhundertwende. Die Abnahme in den Niederlanden und Belgien ging mit einem R ckgang der Hauptnahrung Trogmuschel einher (ICES 2005). Generell sind stark schwankende Bestände charakteristisch f r die Rast- und Winter- vorkommen und erschweren langfristige Trendanalysen. Über die Rastbestände in deutschen Meeresgebieten liegen berwiegend Daten von der K ste vor, während die Offshore-Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden. Bei den K sten-Wasservogelzählungen wird allerdings nur ein kleiner Teil der Trauerenten registriert, so dass daraus keine repräsentativen Trends ableitbar sind. Zudem ist die Art schwierig zu erfassen, was Vergleiche zwischen verschiedenen Datensätzen erschwert (HENNIG & HÄLTERLEIN 2000).
87 4.5 Biologie / Ökologie 4.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: fr hestens im 2. Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn ab Mitte Mai / Anfang Juni, weiter n rdlich ab Juni / Juli; Brutdauer 28-31 Tage Gelege: 6-9 Eier; 1 Jahresbrut; Nachgelege m glich K ken: Weibchen f hrt die Jungen, z.T. Zusammenlegung von K ken verschiedener Weibchen zu Kindergärten. K ken mit 45-50 Tagen fl gge und selbständig
4.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 4 Jahre Ältester Ringvogel: 16 Jahre 9 Monate Sterblichkeit: Adulte: 23 % bzw. 22 % pro Jahr
4.5.3 Mauser Die Mauser der Trauerenten ist komplex. Unterschiede gibt es sowohl zwischen den beiden Geschlechtern als auch zwischen adulten und immaturen V geln. Die postjuvenile Mauser geht direkt in die 1. Pränuptialmauser (Teilmauser) ber und ist in der Regel im April / Mai des 2. KJs abgeschlossen. Trauerenten beginnen ihre erste Vollmauser in den Mausergebieten, z.B. in seewärtigen Bereichen des Watten- meeres schon ab Mai (die Phase der sensiblen Schwingenmauser wurde nach Literaturangaben abgeschätzt, z.B. BERNDT & BUSCHE 1993). Adulte Männchen, die fr her als die Weibchen die Brutgebiete in Richtung Mauserquartiere verlassen, erneuern ihre Schwingen gr ßtenteils im Juli / August. Erfolgreich br tende Weibchen folgen später in die Mausergebiete und mausern berwiegend im September / Oktober (Abb. 4-4). Da Trauerenten ihre Schwingen synchron abwerfen, sind sie f r 2-3 Wochen flugunfähig und in dieser Zeit besonders st ranfällig.
88 1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 4-4: Mauserzyklus der Trauerenten. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
4.5.4 Wanderungen Trauerenten sind Zugv gel, in manchen Gebieten auch Teilzieher. Ihr Jahresrhythmus ist durch Wanderungen zwischen Brut-, Mauser- und Überwinterungsgebieten geprägt. Im Sommer findet ein starker Zug von Trauerenten der n rdlichen und stlichen Brutgebiete in die Mausergebiete statt, der im Juli / August mit den Männchen beginnt und sich je nach Fl ggewerden der Jungtiere im September / Oktober mit den Weibchen fortsetzt. Zu dieser Zeit passieren tausende Traurenten die Ostseek ste und den Fehmarnbelt, fliegen aber auch entlang der Eckernf rder Bucht und ber die Flensburger F rde, um ihre Mausergebiete, vor allem im dänischen Wattenmeer, zu erreichen (BERNDT & BUSCHE 1993). An Nord- und Ostsee erfährt der Wegzug seinen H hepunkt im November / Dezember, wenn sich die Trauerenten in verschiedene Überwinterungsgebiete begeben. Zum Überwintern suchen sie hauptsächlich Gebiete in der westlichen Ostsee, an der Nordsee- und an der n rdlichen Altlantikk ste auf, ziehen aber auch bis zur NW-K ste Afrikas. Der R ckzug in die Brutgebiete beginnt im Atlantik und in der Nordsee Ende Februar bis April, in den stlicheren Überwinte- rungsquartieren dagegen einige Wochen später im April und Mai. Trauerenten nutzen auf dem Weg- bzw. Heimzug unterschiedliche Zugstrecken in der s dlichen Ostsee (NEHLS & ZÖLLICK 1990), so dass der Wegzug nach SW vor Hiddensee in viel geringerem Maße feststellbar ist als der Heimzug nach NO (GARTHE et al. 2003a). Vermehrte Zugaktivität vor Hiddensee wurde in der zweiten Julihälfte und im September registriert. Zugbewegungen nach NO werden fast in der gesamten ersten Jahreshälfte beobachtet. Die starke Zugaktivität im März / April korreliert mit der Verlagerung der Hauptrastgebiete von West nach Ost (GARTHE et al. 2003a). In Schleswig-Holstein wird der Zug der Trauerenten ber Land von Juli bis August an den F rden der Ostk ste während des Fluges in die Mauserquartiere besonders gut sichtbar. Während des Heimzuges liegen berwiegend Beobachtungen von der Westk ste und der Schlei vor (BERNDT & BUSCHE 1993).
89 4.5.5 Habitat Während der Brutzeit besiedeln Trauerenten vielfältige Habitate von der Tundra bis ins Hochgebirge (zur Verbreitung s. Kapitel 4.4.1). Sie br ten an S ßgewässern, an Wald- und Hochmoorseen und an langsamen Fließgewässern. Ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl von geeigneten Brutplätzen ist eine ppige Strauch- und Staudenvegetation, die f r ausreichend Deckung am Ufer sorgt. Nichtbr tende Trauerenten und Brutv gel außerhalb der Brutzeit halten sich aus- schließlich auf dem Meer auf. Dort kommen sie in k stennahen Flachwasserbereichen sowie auf Flachgr nden im Offshore-Bereich vor. KIRCHHOFF (1979) beobachtete in der Hohwachter Bucht, dass dort – im Gegensatz zu Eider- und Eisenten – 85 % der Trauerenten ber Sand bis sandigem Schlick vorkamen und sich nur 15 % ber anderen Sedimenten aufhielten. Die meisten V gel befanden sich ber Wassertiefen von 5-13 m in 500-1.000 m Entfernung zur K ste. Untersuchungen in der Pommer- schen Bucht zeigten dort eine deutliche Präferenz der Trauerenten f r Wassertiefen von weniger als 20 m, die h chsten Anzahlen wurden in Gebieten mit Wassertiefen zwischen 5 und 10 m beobachtet (SONNTAG et al. 2007). Entscheidend f r die Verbreitung der Trauerenten während der Mauser ist die Wassertiefe. Dabei werden ausgedehnte, st rungsarme Bereiche mit Wassertiefen zwischen 3 und 5 m bevorzugt (HENNIG 2001, DEPPE 2003).
4.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Zum Tauchen setzen Trauerenten v.a. die F ße, teilweise auch die Fl gel ein. Oftmals tauchen die Tiere gemeinsam in dichten Gruppen. Dabei kann sich die durchschnittli- che Tauchtiefe gebietsabhängig deutlich unterscheiden, was vor allem von der gegebenen Wassertiefe im Nahrungsgebiet abhängt. Die maximal festgestellte Tauchtiefe liegt bei 30 m (MADSEN 1954). Die Hauptnahrung von Trauerenten in den Winterquartieren besteht fast ausschließlich aus marinen Muscheln, die tauchend erbeutet werden. Dabei werden vor allem Exemplare bis zu 4 cm Länge genutzt, die auf der Oberfläche oder innerhalb der obersten 3 cm von reinen, grobk rnigen und sandigen Substraten in Wassertiefen bis zu 20 m vorkommen (FOX 2003). Bisher konnten ber 30 verschiedene Muschelarten als Nahrung nachgewiesen werden, daher ist es sehr wahrscheinlich, dass die Nahrungswahl eher von der Häufigkeit, Verf gbar- keit, Morphologie und dem Energiegehalt der Beute beeinflusst wird, als dass Trauerenten auf bestimmte Muschelarten festgelegt sind (FOX 2003, KAISER et al. 2006). Allgemein wurden in marinen und brackigen Habitaten v.a. Miesmuscheln (Mytilus edulis; bis 4 cm Länge) und Herzmuscheln (Cerastoderma spec.; bis zu 4 cm Länge) nachgewiesen.
90 Ostsee In den Mägen von Tieren die in Stellnetzen in der Hohwachter Bucht ertranken, stellten Herzmuscheln (Cerastoderma spec.; 59 %) und Miesmuscheln (35 %) die gr ßten Biomasse-Anteile (KIRCHHOFF 1979). Stellnetzopfer in der Kieler Bucht aus den Wintern 1987 / 88 und 1988 / 89 wurden von MEISSNER & BRÄGER (1990) untersucht. In allen Proben machten Herzmuscheln (Cerastoderma spec.) mit 35 % und Miesmuscheln mit 34 % der Frischmasse die Hauptanteile der Nahrung aus. Auf die Islandmuschel (Arctica islandica) entfielen 19 %. Der Anteil anderer Muscheln war gering. MEISSNER (1992) fand in der Kieler Bucht einen Anteil von Miesmuscheln zwischen 1 % und 83 %, je nach Standort und Jahreszeit. Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) und Herzmuscheln waren dort ebenfalls wichtige Nahrungsobjekte.
EVERT (2004) untersuchte die Nahrung von insgesamt 274 Trauerenten aus den Jahren 2001 bis 2003, die in Stellnetzen in der Pommerschen Bucht ertrunken waren. Die Baltische Plattmuschel (Macoma balthica) stellte insgesamt 68 % aller gefressenen Muscheln, gefolgt von der Sandklaffmuschel (30 %) und der Lagunen-Herzmuschel (Cerastoderma glaucum) (2 %). Bei in Stellnetzen im Golf von Danzig in den Jahren 1986-1990 ertrunkenen Trauer- enten dominierten nach Frischvolumen in der Nahrung die Muschelarten Lagunen- Herzmuschel (35 %), Sandklaffmuschel (34 %) und Baltische Plattmuschel (25 %), 6 % entfielen auf Fische (Sandaale; STEMPNIEWICZ & MEISSNER 1999). Nordsee DURINCK et al. (1993) untersuchten die Mageninhalte von 144 Trauerenten, die im März 1987 bei Hanstholm (dänische Nordseek ste) in Fischernetzen ertrunken waren. Sie fanden in 100 % der gef llten Mägen Reste von Trogmuscheln (Spisula subtrunca- ta) und in 11,2 % der Mägen Herzmuscheln (Cerastoderma edule). Zudem wurden geringe Mengen an Scheidenmuscheln (Solenidae) und K cherw rmern (Pectinaria spec.) gefunden. Bei 26 Trauerenten, die im März 2005 bei Horns Rev (dänische Nordsee) gefunden wurden, wurde die Amerikanische Scheidenmuschel (Ensis americanus) als einzige Nahrung nachgewiesen (I.K. PETERSEN pers. Mitt.). Die durchschnittliche Gr ße der Muscheln lag bei 6 cm, wobei Exemplare bis 8 cm Länge nachgewiesen werden konnten.
LEOPOLD et al. (1995) bezeichnen Trogmuscheln als die wichtigste Nahrung f r die Trauerenten vor der niederländischen K ste. In den Jahren 1992-1994 wurde dort intensive Spisula-Fischerei betrieben, woraufhin die Trauerentenbestände drastisch zur ckgegangen sind.
91 4.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Trauerenten sind hauptsächlich tagaktiv, das Zuggeschehen findet jedoch meist in der Dämmerung oder nachts statt (BERNDT & BUSCHE 1993). Untersuchungen auf Wangerooge ergaben, dass Trauerenten meist sehr niedrig ziehen (unter 1,5 m ber der Wasseroberfläche), bei stärkerem R ckenwind jedoch nimmt die Zahl der bis in 12 m H he fliegenden Trauerenten zu (KRÜGER & GARTHE 2001). Beobachtungen des Fr hjahrzuges an der s dfinnischen K ste zeigten hingegen, dass große Trupps (z.T. bis mehrere hundert Individuen) meist ber See in 100-250 m H he fliegen. Über Land werden auch Flugh hen von 500-2000 m H he beobachtet.
4.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 4.6.1 Gefährdungsursachen Trauerenten sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Reduzierung des Nahrungsangebotes (u.a. durch Beeinträchtigung und / oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Muschelfischerei oder Sedimentab- bau) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - Jagd (außerhalb Deutschlands); die jährliche Jagdstrecke in Dänemark beträgt etwa 8.000 V gel (ANON. 2000)
4.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Trauerenten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Trauerenten weisen eine sehr hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffsverkehr auf und fliegen meist in sehr großer Entfernung vor sich nähernden Schiffen auf (GARTHE et al. 2004, KAISER et al. 2006, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren (z.B. HÜPPOP et al. 1994). Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsverkehr zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes f r Trauerenten f hren, häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Insbesondere während der sehr energieaufwändigen, synchronen Schwingenmauser mit zeitweiliger Flugunfähig-
92 keit von Juni / Juli bis Oktober / November (vgl. Abb. 4-4) sind Trauerenten auf st rungsarme Meeresgebiete angewiesen. Besonders St rungen in dieser Phase k nnen zu Energieengpässen und Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. In den deutschen Meeresgebieten gibt es einige wenige, relativ gut abgrenzbare Gebiete mit großen Mauservorkommen. Auf der Nordsee befinden sie sich gr ßtenteils innerhalb des SPA „Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Watten- meer“, auf der Ostsee innerhalb des SPA „Pommersche Bucht“. Diese Konzentratio- nen bedingen zwar einerseits eine gewisse Empfindlichkeit gegen ber Gefahren wie Stellnetzfischerei und Ver lung (s.u.), bieten andererseits aber auch die M glichkeit f r einen umfassenden Schutz der Art in einem begrenzten Gebiet. Trauerenten f hren häufig Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Rastplätzen durch, zeigen insbesondere während des Zuges auch nächtliche Flugaktivität und sind nur mäßig gut man vrierfähig. Sie sind daher sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore- Windenergieanlagen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im mittleren Bereich aller untersuchten Arten. Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren (s. auch DIERSCHKE et al. 2006b). Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu weiträumigen Umfliegungen kommen, die zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekter hervorgerufener Mortalität f hren. Beim dänischen Windpark Horns Rev konnte während der Betriebsphase eine sehr starke Meidung durch Trauerenten im Umkreis von 2 km und eine starke Meidung im Umkreis von 4 km um die Anlagen beobachtet werden. Beim Zug kam es zu aktiven Ausweichbewegungen (zusammengefasst in DIERSCHKE & GARTHE 2006). Trauerenten ernähren sich v.a. von benthischen Mollusken (vgl. Kapitel 4.5.6). Sie sind somit auf Gebiete mit ausreichenden Vorkommen verwertbarer Muscheln angewiesen. Trauerenten tauchen beim Nahrungserwerb bis zum Grund. Ihre Tauchtiefe ist variabel und abhängig von der Nahrungsverf gbarkeit und -qualität. Die Tauchphysiologie limitiert jedoch die energetisch rentabel nutzbaren Wassertiefen- bereiche. Dies schränkt Trauerenten in ihrer Habitatwahl ein. Umso entscheidender ist der Erhalt und Schutz der geeigneten Nahrungsgebiete. Muschelfischerei und Sedimentabbau k nnen große Muschelvorkommen innerhalb kurzer Zeit stark reduzieren oder sogar ganz entfernen. Die Verluste k nnen nicht durch stärkeres Muschelwachstum ausgeglichen, sondern erst durch Neuansiedlung kompensiert werden. Diese Eingriffe k nnen daher schnell zu Nahrungsengpässen und dem Verlust von Nahrungs- und Rastgebieten f hren, insbesondere dann, wenn durch strenge
93 Winter die Muschelbestände schon nat rlicherweise reduziert sind. Vor den westfriesi- schen Inseln haben Trauerenten nach Einsetzen einer intensiven Trogmuschel- Fischerei drastische Bestandseinbußen erlitten (LEOPOLD 1993, LEOPOLD et al. 1995). Da sie ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind Trauerenten besonders anfällig daf r, sich zufällig in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung des Vogelvorkommens mit Stellnetzfischerei kommt es zu hohen Verlusten, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfi- scherei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie. Allein vor der Insel Usedom (Ostsee) zählte SCHIRMEISTER (2003) bei einem nur kleinen Teil der dort tätigen Stellnetzfi- scher in 12 Wintern 555 ertrunkene Trauerenten, obwohl die unmittelbaren K stenge- wässer nicht zu ihren Hauptrastgebieten in der Pommerschen Bucht geh ren. F r die Ostseek ste Schleswig-Holsteins schätzte KIRCHHOFF (1982) einen jährlichen Verlust von 2.600 Tieren. Da auch innerhalb des Hauptkonzentrationsgebietes der Trauerenten im Bereich der Oderbank Stellnetzfischerei betrieben wird, ist dort mit noch deutlich h heren Verlusten pro Netz zu rechnen. Insbesondere im Mai 2005 waren auf der Oderbank zahlreiche Stellnetze ausgebracht, bei gleichzeitiger Anwesenheit einer großen Anzahl von Trauerenten (SONNTAG et al. 2007). Trauerenten ernähren sich berwiegend von Mollusken und konkurrieren deshalb nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Trauerenten allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Da Trauerenten meist in hohen Konzentrationen vorkommen und einen hohen Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser verbringen, sind sie sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitun- gen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Nach der Haverie des Frachters „Pallas“ 1998 vor Amrum gab es hohe Verluste von Trauerenten, obwohl nur vergleichsweise geringe Mengen Öl ausgetreten waren (H.-U. RÖSNER pers. Mitt.). An der deutschen Nordseek ste wiesen Trauerenten in den Wintern 2000 / 01 und 2001 / 02 eine der h chsten Ver lungsraten aller erfassen Vogelarten auf (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwick-
94 lungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Trauerenten k nnen ab dem 2. Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen und haben eine vergleichsweise hohe Jungvogelanzahl und eine geringe Altvogelmortalität. Da die Sterblichkeit bei den Jungv geln jedoch vergleichsweise hoch ist, k nnen Trauerenten Mortalitätsverluste eher schlecht ausgleichen. Negative Bestandstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die gesamte Populationsdynamik.
Der Erhaltungszustand der Trauerenten in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft, die Art ist keiner SPEC- Kategorie zugeordnet (Tab. 4-4).
Tab. 4-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Trauerenten in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + entfällt entfällt entfällt entfällt IntV IntV Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II, III Non-SPEC II III +
4.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: hohe Fluchtdistanz vor sich näherndem Schiff und Flugzeug; im Gegensatz zu den Schiffstransektzählungen sind schwimmende Trauer- und Samtenten vom Flugzeug aus oft schwer bis zur Art bestimmbar Flächendeckende Flugzeugzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zu den Schiffstransektzählungen werden bei den flächen- deckenden Flugzeugzählungen V gel, die nicht in den Schwärmen konzentriert sind, nur unzureichend erfasst Schiffstruppzählung Zu beachten: keine Dichteberechnungen m glich K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
95 4.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Identifizierung von Mauservorkommen der Weibchen auf See - Zusammenhang zwischen Mausergebieten in Nord- und Ostsee - Populationszugeh rigkeit der verschiedenen Rast-, Mauser- und Wintervor- kommen in Nord- und Ostsee - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Nordsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
96 5 Samtente
Melanitta fusca (Linnaeus 1758)
GB: Velvet Scoter NL: Grote Zee-eend
DK: Fl jlsand Foto: F. Jachmann S: Svärta Abb. 5-1: Männchen im PK PL: Uhla
5.1 EU-Code A066
5.2 Systematik Ordnung: Anseriformes - Entenv gel Familie: Anatidae - Entenverwandte
5.3 Kennzeichen Mittelgroße und kräftige Meeresente mit kräftigem, keilf rmigem Schnabel. Dunkles Gefieder mit weißen Armschwingen, diese im Schwimmen meist als weißer Fleck erkennbar. F ße orangerot. Männchen im PK mit schwarzem Gefieder, nur Armschwingen und kleiner Halbmond unter dem Auge weiß, Schnabelseiten orangegelb. Weibchen schwarzbraun mit weißen Armschwingen, zur Brutzeit oft heller Z gel- und Ohrenfleck. JK ähnlich Weibchen, aber Bauch und Kopfflecke heller weißlich. Verwechslungsm glichkeiten: mit Trauerente; Samtente aber mit weißem Fl gelfeld und weißem Fleck im Augenbereich. Kopf- und Schnabelprofil erscheinen beim Schwimmen bei Samtenten eher schräg nach unten gerichtet, bei Trauerenten eher waagrecht.
97 5.4 Verbreitung / Bestand 5.4.1 Welt / Europa Samtenten br ten disjunkt in holarktischen Brutgebiete. Sie br ten in der borealen Zone Nordamerikas und Eurasiens von Norwegen bis Zentral-Sibirien. Eine kleine isolierte Population ist im Kaukasus beheimatet. Im Vergleich zur Trauerente ist die Art weniger stark auf arktische Brutgebiete beschränkt. Es werden bei Samtenten keine Unterarten unterschieden (BAUER et al. 2005). Nach der dort verwendeten Systematik bildet M. fusca mit M. deglandi (H ckersamtente) eine Superspezies. Nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) jedoch werden folgende Unterarten unterschie- den: fusca, deglandi und stejnegeri. Der hier genannte Weltbestand von M. fusca entspricht deswegen dem in WETLANDS INTERNATIONAL (2006) angegebenen Bestand der Unterart fusca (1 Mio. Individuen). In Nordeuropa br ten Samtenten an den Ostseek sten von Schweden, Finnland und Estland sowie seltener im Binnenland N-Skandinaviens und in der Taiga und dem bewaldeten Teil der Tundra Russlands. In Mitteleuropa sind Samtenten als häufige Durchz gler und Wintergäste auf Nord- und Ostsee bekannt. Die wichtigsten Überwinterungsgebiete befinden sich auf der Ostsee. Fast 95 % der in W-Sibirien und N-Europa br tenden Samtenten berwintern dort mit drei Konzentrationsgebieten: Irbe / Rigaer Bucht, Pommersche Bucht und Kattegat. Weitere wichtige Überwinte- rungsgebiete sind die K stengebiete des N-Atlantik von Norwegen und Groß- britannien / Irland bis zur Bretagne. Somit ziehen Samtenten im Vergleich zur Trauerente weniger weit nach S den. Samtenten berwintern zudem an der Nordsee- k ste von Dänemark bis zum Ärmelkanal, aber auch im Schwarzen Meer und NO- Mitteleuropa. In den K stenbereichen kann man z.T. auch Übersommerer beobachten. Im Binnenland sind Samtenten regelmäßig und häufiger als Trauerenten anzutreffen, meist handelt es sich dabei um juvenile V gel. Der europäische Brutbestand nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) beträgt 85.000-100.000 Paare. Die in Europa vorkommenden Samtenten werden in zwei biogeografische Popula- tionen aufgeteilt (Tab. 5-1).
98 Tab. 5-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeo- grafischen Populationen der Samtenten (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Ostsee, M. f. W-Europa W-Sibirien, Ostsee, 1 Mio. stabil 10.000 fusca (außerhalb N-Europa W-Europa Brutzeit) Schwarzes Meer Schwarzes M. f. Schwarzes (außerhalb Meer, 1.500 k.A. 15 fusca Meer Brutzeit) Kaukasus
5.4.2 Deutschland Status: Wintergast, Durchz gler, seltener Sommergast auf Nord- und Ostsee. Im Binnenland regelmäßig in kleiner Zahl (zu Einfl gen s. AUBRECHT et al. 1990). Die in Deutschland vorkommenden Samtenten geh ren zur biogeografischen Population "Ostsee, W-Europa (außerhalb Brutzeit)". Samtenten br ten nicht in Deutschland, sondern halten sich lediglich während der Zugzeiten, im Winter und selten im Sommer auf Nord- und Ostsee auf. Sie konzentrie- ren sich im Winter fast ausnahmslos auf den Bereich der Pommerschen Bucht (Abb. 5-2), westlich von R gen werden sie sowohl im Rahmen der Wasservogelzäh- lung als auch der SAS-Erfassungen nur vereinzelt angetroffen, ebenso auf der Nordsee und im Binnenland (Abb. 5-3). Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 38.000 Tiere (Tab. 5-2). Dies entspricht ca. 4 % der biogeografischen Population "Ostsee, W-Europa" (nach WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Nordsee In der s d stlichen Nordsee treten Samtenten in geringer Anzahl im Winter und während der Zugzeiten auf. Die Verbreitung beschränkt sich dabei durchgängig auf die K stenzone und den k stennahen Offshore-Bereich innerhalb der 20 Meter- Tiefenlinie. Im Herbst sind Samtenten in geringer Anzahl k stennah entlang der Ost- und Westfriesischen Inseln verbreitet. Im Winter fällt ein Schwerpunkt mit geringen Dichten westlich von Amrum auf. Vor der dänischen K ste liegt zwischen Sylt und Blåvands Huk ein wichtiges Überwinterungsgebiet dieser Art (SKOV et al. 1995, LAURSEN et al. 1997). Im Fr hjahr befindet sich eine kleine Konzentration vor den Westfriesischen Inseln. Daneben sind Samtenten vereinzelt entlang der schleswig- holsteinischen K ste anzutreffen.
99
Abb. 5-2: Verbreitung der Samtenten auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 5-3: Verbreitung der Samtenten in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
100 Im Sommer wurden bisher keine Samtenten in der deutschen Nordsee beobachtet. Es gibt jedoch zumindest aus einigen Jahren Angaben zu kleinen Sommer- und Mauser- vorkommen von Samtenten vor der K ste Schleswig-Holsteins (DRENCKHAHN 1969, BERNDT & BUSCHE 1993). Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Samtenten nur unregelmäßig und in geringer Zahl vor. Bisher gelangen einzelne Nachweise im Januar und Februar.
Tab. 4-2: Rastbestandszahlen der Samtenten f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeitraum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“ basierend auf Schiffstran- sektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 1996-2005). Der Anteil an der biogeografischen Population bezieht sich auf den Weltbestand. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 480 <0,1 0 0 0 0 Sommer 0 0,0 0 0 0 0 Herbst 70 <0,1 0 0 0 0 Winter 210 <0,1 0 0 0 0
Ostsee Auf der deutschen Ostsee konzentrieren sich Samtenten fast ausschließlich im stlichen Bereich, wo sie nahezu ganzjährig in k stenfernen Gebieten der Pommer- schen Bucht anzutreffen sind. Im Herbst bildet sich ein weiträumiges Vorkommen mit hohen Dichten auf der Oderbank. Dieser Konzentrationsschwerpunkt dehnt sich im Winter noch weiter nach Norden in Richtung Adlergrund aus und bleibt bis ins Fr hjahr mit hohen Anzahlen bestehen. Zu dieser Jahreszeit halten sich Samtenten auch stark konzentriert in den tieferen Bereichen zwischen Oderbank und Adlergrund auf. In geringer Anzahl treten Samtenten auch in k stennäheren Gewässern auf, insbesondere im Winter und Fr hjahr am Eingang zum Greifswalder Bodden. Westlich von R gen kommt die Art nur vereinzelt und in geringen Dichten vor. Im Jahr 2003 wurde erstmals ein kleines Sommervorkommen mit einzelnen mausernden Tieren auf und nordwestlich der Oderbank beobachtet (SONNTAG et al. 2004). Die Individuenzahl dieses Vorkommens schwankt zwischen einzelnen Jahren erheblich. Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Samtenten meist ganzjährig vor (Tab. 5-2), wobei das Sommervorkommen sehr gering und zwischen den Jahren unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Der Winterrastbestand baut sich ab Oktober auf, im April verlassen die Samtenten das SPA in Richtung Brutgebiete.
101 Tab. 5-2: Rastbestandszahlen der Samtenten f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“ basierend auf Schiffstransektzählun- gen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Pomm. Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 34.000 3,4 43.000 4,3 Sommer k.A. k.A. 470 <0,1 360 <0,1 Herbst k.A. k.A. 16.500 1,7 22.000 2,2 Winter 38.000 3,8 37.000 3,7 30.000 3,0
5.4.3 Bestandsentwicklung Die Brut- und Winterbestände der Samtenten weisen insgesamt einen relativ stabilen Trend auf. Die europäischen Bestände waren BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) zufolge im Zeitraum 1970-1990 stabil, durch Abnahmen in Russland und Norwegen im darauffolgenden Zehnjahreszeitraum kam es aber zu einer Abnahme um insgesamt ber 10 %. Informationen ber die Rastbestände in deutschen Meeresgebieten liegen bislang nicht vor, da die Offshore-Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
5.5. Biologie / Ökologie 5.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: im 2. (3.) Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen, oft nur Brutehen Brutzeit: Legebeginn im S den ab Mitte Mai, weiter n rdlich ab Juni; Brutdauer 26-29 Tage Gelege: 7-9 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege m glich K ken: Weibchen f hrt die Jungen, aber Bindung schwach, K ken schon nach 30-40 Tagen auf sich allein gestellt, hohe Verlust- rate weil K ken auch erst nach 50-55 Tagen fl gge sind
5.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 4 Jahre Ältester Ringvogel: 21 Jahre 5 Monate Sterblichkeit: 22 % bei adulten Weibchen (Kanada); 23 % bei adulten Tieren (KREMENTZ et al. 1997)
102 5.5.3 Mauser Der postjuvenilen Mauser der Samtenten, die ab Oktober einsetzt, folgt die 1. Pränuptialmauser, die im Fr hjahr des 2. KJs abgeschlossen wird (die Zeit der Vollmauser der V gel im 2. KJ wurde dem Zyklus der Trauerenten entnommen, da sich deren Mauserablauf mit dem der Samtenten deckt; BAUER & GLUTZ VON BLOTZHEIM 1969). Demnach erneuern adulte Männchen ihre Schwingen im Juli / August, die Weibchen erst nach der Brut von Ende August bis Anfang Oktober (Abb. 5-4). Da die Schwingen synchron abgeworfen werden, sind die Samtenten f r einige Wochen flugunfähig und in dieser Zeit besonders st ranfällig.
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 5-4: Mauserzyklus der Samtenten. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
5.5.4 Wanderungen Samtenten sind meist Kurzstreckenzieher. Es wird vermutet, dass der Zug sich berwiegend nachts abspielt (BERNDT & BUSCHE 1993). Der Zug in die Mausergebie- te zur Ostk ste Dänemarks beginnt im Juni mit den Männchen, die Weibchen folgen ab August. Die meisten dieser Mauserv gel kommen aus Fennoskandien. Brutv gel aus Russland wandern zum Überwintern vermutlich nach NW-Europa, die Brutv gel Schwedens hauptsächlich nach Dänemark, seltener auch weiter nach Westen und in die s dliche Ostsee, die Brutv gel Fennoskandiens erreichen Großbritannien. Der Wegzug in die Winterquartiere erfolgt ab September. Den Heimzug in die Brutgebiete beginnen Samtenten oft schon im März, insgesamt erstreckt sich der Heimzug bis Mai. An den n rdlichsten Brutplätzen kommen Samtenten meist erst im Juni an. Samtenten zeigen von September bis Mai anhaltende Zugaktivitäten vor Hiddensee. Dabei deuten Bewegungen in beide Richtungen auf häufigen Rastplatzwechsel und kälteabhängige Wanderungen hin (GARTHE et al. 2003a).
5.5.5 Habitat Die Brutbiotope der Samtenten k nnen regional sehr verschieden sein (zur Verbrei- tung s. Kapitel 5.4.1). Im Hauptverbreitungsgebiet br ten sie meist an kleinen S ßgewässern der Taiga und der Waldtundra. In anderen Brutarealen k nnen
103 Samtenten auch an Waldsteppenseen oder sogar in h heren Lagen an Bergseen br ten. Die Ostseek sten-Population hingegen br tet in Bereichen der bewaldeten Schären, aber stellenweise auch auf vegetationslosen Klippen. Außerhalb der Brutzeit halten sich Samtenten in k stennahen Flachwasserzonen sowie in k stenfernen Gebieten auf Flachgr nden und in Bereichen bis 30 m Wassertiefe auf (BERNDT & BUSCHE 1993). Untersuchungen in der Pommerschen Bucht zeigten eine deutliche Präferenz von Samtenten f r Wassertiefen kleiner 20 m. Die h chsten Anzahlen wurden in Gebieten mit Wassertiefen zwischen 5 und 10 m beobachtet, in Bereichen mit 20-30 m Tiefe waren Samtenten häufiger als die beiden anderen untersuchten Arten Eis- und Trauerente (SONNTAG et al. 2007). Sowohl auf der Nord- als auch auf der Ostsee teilen Samtenten ihr Winterhabitat mit Trauerenten und bilden gemischte und benachbarte Gruppen. Im Binnenland halten sie sich meist auf gr ßeren, tieferen Seen, gr ßeren Fl ssen oder auf Stauseen auf.
5.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Samtenten erbeuten ihre Nahrung berwiegend tags ber. Die Tauchgänge erfolgen mit abgespreizten Fl geln bis zum Grund, oft in Tiefen bis > 10 m und dauern bis zu 50 Sekunden. Die Tauchtiefe ist jedoch abhängig von den Nahrungsgebieten. Samtenten ernähren sich hauptsächlich von Mollusken. In den Überwinterungsgebie- ten besteht ihre Nahrung berwiegend aus marinen Muscheln bis 4 cm Gr ße, die auf oder in den oberen drei Zentimetern von reinen, grobk rnigen und sandigen Substraten in Bereichen von bis zu 20 m Wassertiefe vorkommen (FOX 2003). Ostsee KIRCHHOFF (1979) fand in den Mägen von zw lf in der Hohwachter Bucht in Stellnetzen ertrunkenen Samtenten ausschließlich Muscheln. Herzmuscheln (Cerasto- derma spec.; fr her Cardium) machten 79 % der berechneten Masse aus, Islandmu- scheln (Arctica islandica) 6 % und Miesmuscheln (Mytilus edulis) 5 %.
STEMPNIEWICZ & MEISSNER (1999) untersuchten 241 Samtenten, die von November bis April in den Jahren 1986-1990 in Stellnetzen im Golf von Danzig ertranken. Muscheln kamen in 98,5 % der Mägen vor, Fische in 44 %, Polychaeten in 23,9 %, Schnecken in 13 % und Crustaceen in 4,5 %. Bezogen auf die Frischvolumina verteilte sich die Nahrung wie folgt: Muscheln 75,9 %, Fische 23,4 %, sonstige Gruppen 0,7 %. Unter den Muscheln hatten Sandklaffmuscheln (Mya arenaria) mit 41,0 % den h chsten Anteil, gefolgt von Baltischen Plattmuscheln (Macoma baltica; 22,5 %) und Lagunen-Herzmuscheln (Cerastoderma glaucum; 10,2 %) sowie Mytilus trossulus (2,2 %).
104 Nordsee DURINCK et al. (1993) bestimmten die Mageninhalte von 35 Samtenten, die im März 1987 bei Hanstholm (dänische Nordseek ste) in Fischernetzen ertrunken waren. Sie wiesen in 100 % der gef llten Mägen Gedrungene Trogmuscheln (Spisula subtrunca- ta) nach und in 12,8 % der Mägen Herzmuscheln.
5.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Die Nahrungsaufnahme findet bei Samtenten in der Regel tags ber und nur selten nachts statt (LEWIS et al. 2005), der Zug hingegen wahrscheinlich berwiegend nachts. Nach BERNDT & BUSCHE (1993) entsprechen die bevorzugten Zugh hen und die beobachteten Truppgr ßen weitgehend denen der Trauerenten. Diese ziehen vor Wangerooge meist relativ flach ber die Wasseroberfläche (< 1,5 m), bei stärkerem R ckenwind jedoch bis in 12 m H he (KRÜGER & GARTHE 2001). Beobachtungen des Fr hjahrzuges an der s dfinnischen K ste zeigten hingegen, dass große Trupps von Trauerenten meist ber See in 100-250 m H he fliegen. Über Land werden bei Trauerenten auch Flugh hen von 500-2000 m H he beobachtet. Während Trauerenten ber See oft in Trupps mit z.T. bis zu mehreren hundert Individuen ziehen, umfassen die Trupps von Samtenten meist weniger als 100 Individuen.
5.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 5.6.1 Gefährdungsursachen Samtenten sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Reduzierung des Nahrungsangebotes (u.a. durch Beeinträchtigung und / oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Muschelfischerei oder Sedimentab- bau) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken wie Br cken oder Wind- energieanlagen (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuch- tung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - Jagd (außerhalb Deutschlands): Bestandsabnahmen zu Beginn des 20. Jahrhunderts in N-Skandinavien wurden durch Jagd und illegalen Abschuss bedingt. Jagd von Männchen ist auf den Ålandinseln immer noch erlaubt, wo die Jahresstrecke bis zu 25.000 V gel erreicht (HAGEMEIJER & BLAIR 1997)
105 Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Anthropogene St rungen am Brutplatz: Aufgrund ihrer späten Brutperiode ist die Art gegen ber menschlichen St rungen im Brutgebiet besonders anfällig, da diese im Hochsommer häufiger sind (HAGEMEIJER & BLAIR 1997)
5.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Samtenten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Samtenten weisen eine hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf und fliegen vor sich nähernden Schiffen fast immer auf (GARTHE et al. 2004, BELLEBAUM et al. 2006, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsverkehr zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes von Samtenten f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Samtenten f hren Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Rastplätzen durch, zeigen insbesondere während des Zuges auch nächtliche Flugaktivität und sind nur mäßig gut man vrierfähig. Sie sind daher sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore- Windenergieanlagen. Nach den Seetauchern weisen Samtenten den h chsten Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) auf. Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energie- verbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. Bei den Windparks Horns Rev (Dänemark), Utgrunden und Yttre Stengrund (beide Schweden) konnte ein Barriereeffekt der Anlagen auf ziehende Samtenten beobachtet werden (zusammengestellt in DIERSCHKE & GARTHE 2006). Samtenten ernähren sich benthisch v.a. von Mollusken. Sie sind somit auf Gebiete mit ausreichenden Vorkommen verwertbarer Muscheln angewiesen. Samtenten tauchen beim Nahrungserwerb bis zum Grund. Ihre Tauchtiefe ist variabel und abhängig von der Nahrungsverf gbarkeit und -qualität. Die Tauchphysiologie limitiert jedoch die energetisch rentabel nutzbaren Wassertiefenbereiche. Dies macht Samtenten unflexibel in ihrer Habitatwahl. Umso entscheidender ist der Erhalt und Schutz der geeigneten
106 Nahrungsgebiete. Muschelfischerei und Sedimentabbau k nnen große Muschelvor- kommen innerhalb von kurzer Zeit stark reduzieren oder sogar ganz entfernen, die Verluste k nnen nicht durch stärkeres Muschelwachstum ausgeglichen, sondern erst durch Neuansiedlung kompensiert werden. Derartige Eingriffe k nnen daher schnell zu Nahrungsengpässen und dem Verlust von Nahrungs- und Rastgebieten f r Samtenten f hren, insbesondere dann, wenn durch strenge Winter die Muschelbestän- de schon nat rlicherweise reduziert sind. Da Samtenten ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung des Vogelvorkommens mit Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfi- scherei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie. SCHIRMEISTER (2003) zählte vor Usedom bei einem nur kleinen Teil der dort tätigen Stellnetzfischer bis zu 78 ertrunkene Samtenten pro Jahr, obwohl die K stengewässer nicht zu den Hauptvorkommensge- bieten von Samtenten in der Pommerschen Bucht geh ren. F r die Ostseek ste Schleswig-Holsteins schätzte KIRCHHOFF (1982) einen jährlichen Verlust von etwa 200 Samtenten, obwohl diese in der westlichen Ostsee nur in geringer Anzahl vorkommen. Da auch innerhalb des Konzentrationsgebietes der Samtenten im Bereich der Oderbank Stellnetzfischerei betrieben wird, ist dort mit deutlich h heren Verlusten pro Netz zu rechnen. Samtenten ernähren sich berwiegend von Mollusken und konkurrieren deshalb nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssu- chenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Samtenten allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Da Samtenten meist konzentriert vorkommen und einen hohen Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser verbringen, sind sie sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Nach einem Tankerunfall im Kattegatt im März 1972 wurden vom Flugzeug aus insgesamt 7.200 ver lte Samtenten gezählt (JOENSEN & HANSEN 1977). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachs-
107 tums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsun- fälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Samtenten k nnen ab dem 2. Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen und haben meist eine vergleichsweise hohe Anzahl von Jungv geln und eine vergleichsweise geringe Altvogelmortalität. Da die Sterblichkeit bei den Jungv geln jedoch hoch ist, k nnen Samtenten Mortalitätsverluste eher schlecht ausgleichen. Die K ken sind schon fr h auf sich alleine gestellt, so dass es zu hohen nat rlichen Verlustraten kommt. Anthropogene Effekte k nnen diese Verluste noch verstärken: In Finnland wurde eine Reduktion von Gelegegr ße und Bruterfolg durch Bootsverkehr festge- stellt, der zu deutlich erh hter Prädation durch Großm wen f hrte (MIKOLA et al. 1994). Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraus- setzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die gesamte Populationsdynamik.
Der Status der Samtenten in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „abnehmend“ eingestuft. Samtenten sind in die SPEC-Kategorie 3 als Art mit ung nstigem Erhaltungszustand in Europa eingestuft (Tab. 5-3). Der Rastbestand in der Pommerschen Bucht ist aufgrund des konzentrierten Vorkommens einerseits sehr empfindlich gegen ber Gefahren wie Stellnetzfischerei und Ver lung, da er jedoch gr ßtenteils innerhalb des SPAs „Pommersche Bucht“ liegt, besteht hier andererseits auch die Chance, durch entsprechende Maßnahmen einen umfassenden Schutz f r Samtenten zu gewährleisten. In diesem Bereich liegt zudem das wahr- scheinlich s dlichste Mausergebiet von Samtenten, die Bestände schwanken allerdings zwischen den Jahren (SONNTAG et al. 2004). Während der energieaufwändigen, synchronen Schwingenmauser sind Samtenten besonders stark auf st rungsarme Gebiete angewiesen, St rungen in dieser Phase k nnen schnell zu Energieengpässen und Konditionsminderung f hren.
Tab. 5-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Samtenten in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + entfällt entfällt entfällt entfällt entfällt IntV Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II 3 II III +
108 5.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: hohe Fluchtdistanz vor sich näherndem Schiff und Flugzeug; im Gegensatz zu den Schiffstransektzählungen sind schwimmende Samt- und Trauerenten vom Flugzeug aus oft schwer auf Art bestimmbar. K sten-Wasservogelzählungen (bei k stennahen Vorkommen)
5.8 Forschungsbedarf - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
109 6 Mittelsäger
Mergus serrator Linnaeus 1758
GB: Red-breasted Merganser NL: Middelste Zaagbek
DK: Toppet Skallesluger Foto: F. Jachmann S: Småskrake Abb. 6-1: Mittelsäger, Weibchen PL: Szlachar
6.1 EU-Code A069
6.2 Systematik Ordnung: Anseriformes - Entenv gel Familie: Anatidae - Entenverwandte
6.3 Kennzeichen Langer, schlanker Tauchvogel mit langem, d nnem, rotem Hakenschnabel und struppigem Schopf am Hinterkopf. Im Flug mit weißem Armfl gelfeld. Männchen im PK mit schwarzem, gr n schimmerndem Kopf und weißem Halsring ber brauner, schwarz gestrichelter Brust; Oberseite berwiegend schwarz, weißes Fl gelfeld mit schwarzer Querbänderung; Flanken grau. Im SK wie Weibchen (s.u.), aber gr ßeres weißes Fl gelfeld. Weibchen: zimtbrauner Kopf, Oberseite grau-braun, Flanken schmutzig braun. Diffuse Grenze zwischen Kopf, grau-bräunlichem Hals und hellerer Brust. Weißes Fl gelfeld durch schwarze Linie zweigeteilt. JK: wie Weib- chen, aber Schnabel blasser rot und Schopf k rzer. Verwechslungsm glichkeiten: mit Gänsesäger; Mittelsäger schlanker und kontrastär- mer; im Flug mit dunkleren Armdecken und feiner, schwarzer Querbänderung des sonst weißen Fl gelspiegels; bei Weibchen verwaschener Übergang zwischen Kopf-, Hals- und Brustfärbung.
110 6.4 Verbreitung 6.4.1 Welt / Europa Mittelsäger br ten zirkumpolar in der Holarktis hauptsächlich in der borealen Zone, aber auch in der Tundra und der gemäßigten Zone. Das Brutgebiet erstreckt sich von Gr nland und Island bis O-Sibirien und Nordamerika. Die s dlichsten Brutgebiete liegen im n rdlichen Mitteleuropa, im S d-Ural und im Transbaikal.
Der globale Bestand wird auf mind. 500.000 Individuen geschätzt (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). In Mitteleuropa sind Mittelsäger seltene Brutv gel. Sie sind aber dort ganzjährig berwiegend an den K sten anzutreffen, im Binnenland dagegen nur in geringer Zahl. Wichtige Überwinterungsgebiete sind die westliche Ostsee (Deutschland und W- Polen; NILSSON 2005, PETERSEN et al. 2006), die norwegische Atlantikk ste (SVORKMO-LUNDBERG et al. 2006), das Rheindelta in den Niederlanden (VAN ROOMEN et al. 2004) sowie die franz sische Atlantikk ste (GILISSEN et al. 2002). Vor allem in milden Wintern berwintern auch bis ins Baltikum (Ostsee) gr ßere Anzahlen (SVAZAS et al. 2001, GILISSEN et al. 2002). F r Europa wird der Brutbestand auf 73.000-120.000 Paare geschätzt (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die in Europa vorkommenden Mittelsäger sind in drei biogeografische Populationen unterteilt (Tab. 6-1).
Tab. 6-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeogra- fischen Populationen der Mittelsäger (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium NW-Europa, Island, O- M. Mitteleuropa Gr nland, N- Island, N-, NW- serrator (außerhalb 170.000 k.A. 1.700 & NW-Europa & Mitteleuropa Brutzeit) Schwarzes Meer, Schwarzes M. Mittelmeer NO-Europa Meer, stl. 50.000 k.A. 500 serrator (außerhalb Mittelmeer Brutzeit) M. W- & SO- W- & SO- SW-K ste 10.000- stabil 250 serrator Gr nland Gr nland Gr nlands 25.000
6.4.2 Deutschland Status: seltener Brutvogel bzw. Sommervogel, regelmäßiger Wintergast. Die in Deutschland vorkommenden Mittelsäger geh ren zur biogeografischen Population „NW-Europa, Mitteleuropa“.
111 Der Brutbestand der Mittelsäger in Deutschland beträgt knapp 391-420 Paare (Bezugszeitraum 2003, BOSCHERT 2005). 273 Paare br ten in Schleswig-Holstein (Bezugszeitraum 1999, BERNDT et al. 2003) und etwa 110-120 Paare in Mecklenburg- Vorpommern (Bezugszeitraum 2001-2003, KUBE 2006). Bruten in SH, NS und den Niederlanden bilden die s dlichsten Brutplätze in Europa. Die Vorkommen der Mittelsäger beschränken sich im gesamten Jahresverlauf in Deutschland fast aus- schließlich auf die Ostseek ste. Besonders in den Wintermonaten liegt ein deutlicher Schwerpunkt im Raum R gen und Greifswalder Bodden (Abb.6-2 und 6-3). Der Mittwinter-Rastbestand in Deutschland wird auf 10.600 Individuen geschätzt; neben der Ostsee (Tab. 6-2) gibt es nur geringe Bestände im Binnenland (80 Individuen) und an der Nordseek ste (60 Individuen; DDA unver ffentl.). Nach den Daten der Wasservogelzählung werden in k stennahen Gebieten die h chsten Rastbestände in der ersten Hälfte des Winters erreicht; auch der Fr hjahrszug im April tritt deutlich hervor (Abb. 6-4). In kalten Wintern kommt es auch im Mittwinter zu h heren Gipfeln, wenn Winterflucht aus n rdlichen Gebieten stattfindet (KLAFS & STÜBS 1987). Aus den Ergebnissen einer dänischen Ringfundanalyse (BØNLØKKE et al. 2006) lässt sich schließen, dass der berwiegende Teil der deutschen Brutv gel auf der s dlichen Ostsee berwintert. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Durchzugsgipfel vor allem auf Brutv gel aus n rdlicheren Breiten zur ckge- hen, die in den Niederlanden sowie an der franz sischen Kanal- und Atlantikk ste berwintern. Nordsee Mittelsäger werden nur selten als Rastv gel auf der deutschen Nordsee angetroffen. Regelmäßige Nachweise gibt es vor allem aus dem K stengebiet der nordfriesischen Inseln. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurden bisher keine Mittelsäger nachgewiesen. F r Mittelsäger wurden keine Bestandszahlen berechnet.
112
Abb. 6-2: Verbreitung der Mittelsäger auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nordsee: 1990-2006, Ost- see: 2000-2006).
Abb. 6-3: Verbreitung der Mittelsäger in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
113
Abb. 6-4: Auftreten der Mittelsäger in Deutschland im Winterhalbjahr, basierend auf den Daten der monatlichen Wasservogelzählungen (ermittelt berwiegend aus Daten aus dem schleswig-holsteinischen Teil der deutschen Ostsee). Dargestellt ist der monat- liche Mittelwert (September-April) f r 2000 / 01 bis 2004 / 05 sowie deren Standard- fehler.
Ostsee Mittelsäger kommen auf der deutschen Ostsee fast ausschließlich k stennah vor. Im Winter erreichen sie sehr hohe Dichten im Greifswalder Bodden, n rdlich von R gen und bei Hiddensee. Konzentrationen befinden sich außerdem entlang der K ste Usedoms, sowie auf der s dwestlichen Ostsee am Ausgang der Flensburger F rde. Im Fr hjahr liegen die Verbreitungsschwerpunkte im Greifswalder Bodden und entlang der K ste R gens sowie in der Wismarbucht. Auch um Fehmarn kommen Mittelsäger im Fr hjahr in geringer bis mittlerer Dichte vor. Während im Sommer bisher nur ein Mittelsäger vom Schiff aus bei R gen beobachtet wurde, ist im Herbst wieder eine starke Konzentration im Greifswalder Bodden und vor Usedom erkennbar. Im SPA „Pommersche Bucht“ werden Mittelsäger in geringer Anzahl beobachtet.
Tab. 6-2: Rastbestandszahlen der Mittelsäger f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzäh- lungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anleh- nung an Standarddatenbogen): I: 1-5 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. I <0,1 I <0,1 Sommer k.A. k.A. 0 0,0 0 0,0 Herbst k.A. k.A. 0 0,0 0 0,0 Winter 10.500 6,2 0 0,0 0 0,0
114 6.4.3 Bestandsentwicklung Ein großer Anteil des europäischen Brutbestandes br tet in Finnland, Norwegen und Schweden (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Während die Bestände in Finnland im Zeitraum 1990-2000 eine positive Entwicklung zeigten, gingen sie in Schweden und Norwegen zur ck (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Deutschland stieg der Brutbestand bis Mitte der 1990er Jahre an (1994 ca. 590 Brutpaare), in den Folgejah- ren gingen die Bestände wieder deutlich zur ck und stabilisierten sich bei etwa 400 Brutpaaren (BOSCHERT 2005). Im Zeitraum 1968-2005 haben die Mittwinterbestände nach den Daten der Wasser- vogelzählung durchschnittlich um 4,5 % pro Jahr zugenommen (Abb. 6-5). Die deutliche Zunahme hielt bis Anfang der 1990er Jahre an – unterbrochen von den drei kalten Wintern Mitte der 1980er Jahre. Seither sind die Mittwinterbestände r ckläufig. Eine ähnliche Entwicklung beschreibt BOSCHERT (2005) f r die deutschen Brutbe- stände. Die Winter von 1996, 1997 und 2003 mit großflächigen Vereisungen spiegeln sich in Abbildung 6-5 deutlich wider. In diesen Wintern waren die Rastbestände in den Niederlanden teilweise berdurchschnittlich hoch (VAN ROOMEN et al. 2005). Entgegen den Entwicklungen an der deutschen Ostseek ste haben die Januarbestände an der schwedischen S dk ste seit Mitte der 1990er Jahre deutlich zugenommen (NILSSON 2005).
Abb. 6-5: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Mittelsäger in Deutschland im Januar 1968-2005 nach den Daten der Wasservogelzählungen relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II).
115 6.5 Biologie / Ökologie 6.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: im 2. Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen, gelegentlich Polygamie Brutzeit: Legebeginn ist Ende April bis Mai, oft auch Juni, im Norden bis Juli; Brutdauer 31-32 Tage Gelege: 8-10 Eier; 1 Jahresbrut, Nachgelege sind häufig K ken: Weibchen f hrt die Jungen, nicht selten Zusammenlegung von K ken verschiedener Weibchen zu Kindergärten (bis 100 Ju- venile werden von einem Weibchen gef hrt); K ken sind mit 60-65 Tagen fl gge, selbständig schon mit 50 Tagen 6.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 4 Jahre Ältester Ringvogel: 21 Jahre 3 Monate Sterblichkeit: unbekannt
6.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser (Teilmauser) der Mittelsäger vollzieht sich von Oktober bis Januar. Zeitgleich ab Dezember setzt die 1. Pränuptialmauser ein, ber die Dauer ist wenig bekannt. Adulte Männchen beginnen mit der Vollmauser (Postnuptialmauser) ab Ende Mai, in n rdlichen Brutgebieten teilweise erst ab August, Weibchen beginnen einige Wochen später. Die synchrone Schwingenmauser setzt bei Männchen Mitte Juli ein, bei den Weibchen etwa einen Monat später (Abb. 6-6). Während der Erneuerung der Schwingen sind Mittelsäger etwa einen Monat flugunfähig und daher besonders anfällig gegen ber St rungen. In Dänemark befinden sich in den Fjord-Gebieten bedeutende Mauserplätze, an denen sich bis zu 12.000 Mittelsäger (hauptsächlich Männchen) einfinden. Weibchen mausern nicht in diesen Fjord-Gebieten, sondern entlang der gesamten K ste. Insgesamt mausern ca. 20.000 Mittelsäger in dänischen Gewässern, darunter m gli- cherweise auch die Brutv gel Schleswig-Holsteins (BERNDT & BUSCHE 1993).
116 1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 6-6: Mauserzyklus der Mittelsäger. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
6.5.4 Wanderungen Mittelsäger sind sowohl Zugv gel und Teilzieher als auch Standv gel. Einige Brutv gel aus Island, Gr nland, Großbritannien und Irland vollziehen nach der Brut im Binnenland keine Zugbewegungen, sondern nur kleinräumige Streuungswanderun- gen. Generell verlassen Männchen und nichtbr tende immature V gel ab Anfang Juni die Brutgebiete und sammeln sich in Mausergebieten, z.B. in den dänischen K stengewäs- sern (s. Kapitel 6.5.3). Der Wegzug in die Winterquartiere beginnt schon ab Septem- ber, in der Ostsee erfolgt der Hauptdurchzug im Oktober und November. Wie auch bei einigen Tauchenten scheinen Weibchen und Jungv gel weiter im S den zu berwin- tern als Männchen. Daher ist im Binnenland Mitteleuropas ein gr ßerer Anteil an Weibchen und immaturen V geln zu beobachten. Der Heimzug in die Brutgebiete beginnt im Februar. Die Brutgebiete im baltischen Raum werden im April erreicht. Je weiter n rdlich sie liegen, desto später werden sie besetzt.
6.5.5 Habitat Mittelsäger nutzen viele verschiedene Brutbiotope (zur Verbreitung s. Kapitel 6.4.1). Sie br ten an K sten und auf vorgelagerten Inseln sowie in Flachwasserzonen. Außerdem k nnen sie an Flussm ndungen, Fließgewässern und Binnengewässern br ten. Außerhalb der Brutzeit bevorzugen Mittelsäger marine Flachwasserzonen, auf der Ostsee z.B. in großen, m glichst brandungs- und windgesch tzten F rden oder Bodden. An K stenabschnitten, die nicht so windgesch tzt liegen, dominieren adulte Männchen, während sich Weibchen und Jungv gel eher in den gesch tzten F rden aufhalten. Über den tieferen Bereichen der Ostsee oder auch auf den k stenfernen Flachgr nden gibt es keine nennenswerten Bestände (BERNDT & BUSCHE 1993). Auf der Nordsee meiden die (wenigen) Mittelsäger hingegen die sehr flachen Bereiche des Wattenmeeres und halten sich bevorzugt auf den Seeseiten der äußeren Inseln sowie in großen Wattstr men bis zu einer Tiefe von 5 m auf (BERNDT & BUSCHE 1993). Daneben kann man Mittelsäger auch zahlreich an Flussm ndungen und in
117 Brackwasserlagunen beobachten, stark ausges ßte Brackwasserbereiche werden allerdings gemieden.
6.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Mittelsäger sind hauptsächlich tagaktiv, k nnen aber ihre Aktivitätsphasen auch an die Verf gbarkeit ihrer Beuteorganismen anpassen. So stellte SJÖBERG (1985) eine gesteigerte Jagdaktivität der Mittelsäger in Schweden während der Nachtstunden fest, als ihre Hauptbeute, Flussneunaugen (Lampetra fluviatilis), am besten erreichbar waren. Mittelsäger jagen oft auch in Gruppen. Generell besteht die Nahrung der Mittelsäger berwiegend aus verschiedenen kleinen Fischarten. Polychaeten und Crustaceen werden in kleineren Anteilen gefressen. Über die Ernährungs kologie der Mittelsäger auf See existiert lediglich eine ältere Studie. Nordsee / Ostsee MADSEN (1957) untersuchte die Mageninhalte von 158 Mittelsägern aus Dänemark (davon acht aus der Nordsee, die brigen aus der dänischen Ostsee). Fische waren die häufigste Beute, sie wurden in 92 % aller Mägen gefunden. Unter den Fischen kommt Stichlingen (Gasterosteus spec.) die h chste Bedeutung zu. Sie wurden in 61 % der Mägen gefunden. Als zweithäufigste Fischart wurden Grundeln (Gobius spec.) gefressen (43 %). In einem Magen konnten 210 Grundelotolithen nachgewiesen werden. Als Fische mit geringerer Bedeutung konnten Aalmuttern (Zoarces viviparus; 13 %) und Butterfische (Pholis gunellus; 10 %) nachgewiesen werden. In weniger als 10 % der Proben waren Klippenbarsche (Ctenolabrus rupestris), Plattfische (Pleuro- nectidae), Groppen (Cottidae), Sandaale (Ammodytidae), Aale (Anguilla vulgaris), Seestichlinge (Spinachia spinachia) und Heringe (Clupea harengus) enthalten. Neben Fischen kamen in 20 % der Proben Polychaeten der Gattung Nereis vor, Crustaceen traten in 37 % der Proben auf. Hier spielten Garnelen (Crangonidae) die wichtigste Rolle (23 %). Kleinere Crustaceen, wie Amphipoden oder Isopoden, sowie Mollusken wurden nur selten gefunden. Binnenland Mittelsäger kommen häufig auch auf stehenden oder fließenden Gewässern im Binnenland vor. F r ein Gebiet im Harzvorland wurden in den Jahren 1978-1983 bei Elektrobefischungen als potentielle Beute hauptsächlich Elritzen (Phoxinus phoxinus) sowie Bachforellen (Salmo trutta) festgestellt (REHFELDT 1986).
118 6.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Mittelsäger sind hauptsächlich tagaktiv. Sie sind sehr gute Schwimmer und Taucher. Flugbewegungen finden meist in geringer H he ber dem Meeresspiegel statt. DIERSCHKE & DANIELS (2003) beobachteten, dass fast 95 % der bei Helgoland beobachteten ziehenden Mittelsäger in einer H he < 50 m flogen. Mittelsäger sind gesellige V gel und jagen deshalb auch häufiger in Gruppen.
6.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 6.6.1 Gefährdungsursachen Mittelsäger sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung) - Reduktion des Nahrungsangebotes (u.a. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden) - Schadstoff-Akkumulation im K rper (Sterblichkeit; Konditionsminderung) - Verfangen in M llteilen, z.B. Resten von Fischereinetzen Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - St rungen durch Tourismus, Freizeitaktivitäten (Sportbootverkehr, Spazier- gänger) - Gewässerverschmutzung; Kontamination mit Bioziden
6.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Mittelsäger gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Mittelsäger weisen eine mäßig hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf und fliegen vor sich nähernden Schiffen fast immer auf (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsver- kehr zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes der Mittelsäger f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren.
119 Mittelsäger f hren vermutlich Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Rastplätzen durch und sind dann empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hinder- nissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Ein Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) wurde nicht berechnet. Offshore-Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatver- lust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. Da die Nahrung ausschließlich tauchend erbeutet wird, sind Mittelsäger besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung des Vogelvorkommens mit Stellnetzfischerei kann es zu hoher Mortalität kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. F r das IJsselmeer (Niederlande) schätzten VAN EERDEN et al. (1999) einen jährlichen Verlust von 8.500 Mittelsägern durch Stellnetzfischerei. Die Netze sind f r Seev gel umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfischerei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie. Da in diesen Gebieten im Winterhalbjahr, insbesondere bei Eisbedeckung der inneren K stengewässer, Mittelsäger in z.T. großer Anzahl vorkommen, k nnte es zu hohen Verlusten durch Verfangen und Ertrinken kommen. SCHIRMEISTER (2003) zählte bei einem nur kleinen Teil der vor der K ste Usedoms tätigen Stellnetzfischer bis zu 38 ertrunkene Mittelsäger pro Jahr, obwohl dieser K stenbereich nicht zum Hauptvorkommensgebiet des Mittelsägers in der Pommer- schen Bucht geh rt. Nach derzeitigem Kenntnisstand ernähren sich Mittelsäger auf der Ostsee berwiegend von kommerziell ungenutzten Fischarten und Invertebraten (s. Kapitel 6.5.6). Sie konkurrieren daher nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Mittelsäger allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Da Mittelsäger einen hohen Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser verbringen und z.T. auch in gr ßeren Gruppen vorkommen, sind sie sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen
120 Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Mittelsäger k nnen ab dem zweiten Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen und besitzen meist eine hohe Anzahl von Jungv geln. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher vermutlich bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Während der Brutzeit sind Mittelsäger sehr st rungsempfindlich, daher kann es durch Tourismus und Freizeitaktivitäten f r die in K stennähe unter Geb sch br tende Art schnell zu Beeinträchtigungen am Brutplatz und dadurch verringertem Bruterfolg kommen. Zudem kann es durch den vor allem in K stennähe intensiven Sportbootverkehr zu St rungen und negativen Effekten f r Mittelsäger kommen, insbesondere wenn die Altv gel nach dem Schl pfen der Jungen diese in die K sten- gewässer f hren. St rungen am Brutplatz k nnen dazu f hren, dass die Brutgebiete in suboptimale Bereiche mit m glicherweise schlechterer Nahrungssituation verlagert werden.
Der Status der Mittelsäger in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft. Das Brutvorkommen in Deutschland wird in der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestuft (Tab. 6-3). Gemäß dem Anhang II der EU- Vogelschutzrichtlinie geh ren Mittelsäger in einigen EU-Staaten, allerdings nicht in Deutschland, zu den jagdbaren Arten. In Dänemark wurden zwischen 1999 und 2004 – grob geschätzt – jährlich ca. 2.000-3.700 Mittelsäger erlegt (BREGNBALLE et al. 2006).
Tab. 6-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Mittelsäger in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + 2 2 3 1 entfällt 3 Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II Non-SPEC II III +
121 6.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Vom Flugzeug aus nicht immer gut bestimmbar K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
6.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in der Ostsee - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Nord- und Ostsee berwinternden Individuen - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Identifizierung von Mauservorkommen auf See - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
122 7 Haubentaucher
Podiceps cristatus (Linnaeus 1758)
GB: Great Crested Grebe NL: Fuut
DK: Toppet Lappedykker Foto: J. O. Kriegs S: Skäggdopping Abb. 7-1: Adulter Haubentaucher PL: Perkoz dwuczuby
7.1 EU-Code A005
7.2 Systematik Ordnung: Podicipediformes - Lappentaucher Familie: Podicipedidae - Lappentaucher
7.3 Kennzeichen Gr ßter Lappentaucher Europas mit schlankem, d nnem Hals und langem, geradem und schlankem Schnabel. Im Flug langgestreckt und sehr schlank, mit großem weißem Schulterfeld, weißen Armschwingen und weißem Fl gelansatz; F ße berstehend. Im PK mit braunroter und schwarzer Haube. Im SK Kopf, Vorderhals und Halsseiten ausgedehnt weiß, relativ deutlich von schwarzer Färbung des Scheitels und des hinteren Halsbereiches abgesetzt. Schwarzer Z gelstreif. JK ähnlich SK, Wangen schwarz gestreift. Verwechslungsm glichkeiten: mit Rothalstaucher im SK; Haubentaucher mit längerem Hals, wirkt mit mehr Weiß an Kopf und Halsseiten deutlich heller. Im Flug mit ausgedehnterer Weißzeichnung auf Fl geln (weiße Schulter- und Armschwingen- felder wirken durch weiße Fl gelbasis verbunden).
123 7.4 Verbreitung / Bestand 7.4.1 Welt / Europa Haubentaucher sind mit drei verschiedenen Unterarten nahezu weltweit verbreitet. Die Nominatform P. c. cristatus br tet sowohl in den mittleren Breiten von SW-Europa als auch in den Subtropen von Nordafrika bis nach China. P. c. infuscatus kommt in Ost- und S dafrika vor, P. c. australis ist in S- und O-Australien sowie in Neuseeland beheimatet. Nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) wird der Weltbestand der Haubentaucher auf 900.000-1,4 Mio. Individuen geschätzt. Haubentaucher sind in Mitteleuropa weit verbreitete Brut- und Jahresv gel. Zusätzlich kommen V gel aus N- und NO-Europa als Durchz gler und Wintergäste hinzu. Haubentaucher verbringen den Winter in Mitteleuropa berwiegend auf großen Binnenseen sowie in den k stennahen Bereichen von Nord- und Ostsee. In der s dlichen Nordsee befindet sich von Nieuwpoort in Belgien bis Terschelling in den Niederlanden ein Rastgebiet internationaler Bedeutung (SKOV et al. 1995). In der Ostsee berwintern Haubentaucher in großer Anzahl insbesondere im deutschen K stenbereich (Verbreitungsschwerpunkte in der Mecklenburger Bucht und im Greifswalder Bodden) sowie im Golf von Danzig (DURINCK et al. 1994b, GARTHE et al. 2003a). Der europäische Brutbestand wird auf 300.000-450.000 Brutpaare geschätzt (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Europa werden drei biogeografische Populatio- nen unterschieden (Tab. 7-1).
Tab. 7-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Haubentaucher (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium N & W-Europa N- & W- (einschl. P. c. Europa Skandinavien, 290.000 - abneh- k.A. 3.600 cristatus (außerhalb Deutschland, 420.000 mend Brutzeit) Schweiz, Italien) Schwarzes Meer, Schwarzes P .c. Mittel- & 580.000 - abneh- Mittelmeer Meer, 7.250 cristatus O-Europa 870.000 mend (außerhalb Mittelmeer Brutzeit) Kasp. Meer P. c. (außerhalb W-Asien Kasp. Meer 10.000 k.A. 100 cristatus Brutzeit)
124 7.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, Jahresvogel, Durchz gler, Wintergast. Die in Deutschland vorkommenden Haubentaucher geh ren zur biogeografischen Population "N- & W- Europa (außerhalb Brutzeit)". Der Brutbestand der Haubentaucher in Deutschland beträgt nach den Ergebnissen einer bundesweiten Zählung im Jahr 2001 zwischen 19.500 und 21.000 Paare (WAHL et al. 2003b). Nach der Brutzeit kommt es zu einem teilweisen Abzug der heimischen Brutv gel, gleichzeitig findet eine Verlagerung auf die großen Binnengewässer zur Mauser sowie an die Ostseek ste statt. Daneben ziehen Haubentaucher aus den skandinavischen und finnischen Brutgebieten zum Überwintern nach Deutschland (BERNDT & DRENCKHAHN 1990). Der Mittwinterbestand lag im Zeitraum 2000-2005 bei durchschnittlich 35.000 Individuen (DDA unver ffentl., Tab. 7-2 und 7-3). Das sind etwa 10 % der nord- und westeuropäischen biogeografischen Population. Rund 60 % der deutschen Winterrast- bestände halten sich auf der Ostsee, den Boddengewässern und den angrenzenden großen Binnenseen (schleswig-holsteinische Seenplatte) auf, die brigen berwintern auf Stillgewässern vor allem im S den und Westen Deutschlands (Abb. 7-2 und 7-3). Die Nordsee, das Wattenmeer und Fließgewässer haben im gesamten Jahresverlauf nur eine geringe Bedeutung (Abb. 7-2). Nordsee Haubentaucher kommen auf der deutschen Nordsee in geringen Anzahlen vor, und wenn, dann berwiegend entlang der K ste. Im Offshore-Bereich halten sie sich nur sehr selten auf (Tab. 7-2). Die Mehrzahl der Nachweise konzentriert sich auf die Monate Oktober bis März. Der gr ßte Anteil der Beobachtungen stammt aus dem Bereich des Elbe-Ausflusses in die Nordsee. In Kältewintern k nnen sich zeitweise auch h here Anzahlen von Haubentauchern in der s d stlichen Nordsee versammeln (z.B. CAMPHUYSEN & VAN DIJK 1983, CAMPHUYSEN & DERKS 1989). Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Haubentaucher nur sehr vereinzelt vor. Bisher gab es lediglich im Monat Januar vier Nachweise.
125
Abb. 7-2: Verbreitung der Haubentaucher auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 7-3: Verbreitung der Haubentaucher in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
126 Tab. 7-2: Rastbestandszahlen der Haubentaucher f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“ basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 1996-2005). Gr ßen- klassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): II: 6-10, III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 50 <0,1 0 0,0 0 0 Sommer III <0,1 0 0,0 0 0 Herbst 130 <0,1 II <0,1 0 0 Winter III <0,1 0 0,0 0 0
Ostsee Haubentaucher kommen in den deutschen Ostseegebieten berwiegend in den k stennahen Flachwasserbereichen vor. Im Offshore-Bereich treten sie nur selten und in geringen Dichten auf. Im Winter halten sich in der deutschen Ostsee die meisten Haubentaucher auf. Hervorzuheben sind die sehr hohen Dichten im Greifswalder Bodden und dem sich anschließenden Strelasund sowie in der Mecklenburger Bucht. Gr ßere Ansammlungen wurden auch in der Kieler Bucht, westlich von Warnem nde, im Bereich von Darß und Zingst sowie entlang der K ste von R gen und Usedom beobachtet. Im Fr hjahr werden Haubentaucher in deutlich geringerer Anzahl berwiegend in den westlichen Ostseebereichen angetroffen, mit Schwerpunkten in der Kieler Bucht, stlich von Fehmarn und in der Mecklenburger Bucht bis Warne- m nde. Weiter stlich tritt die Art im Fr hjahr offenbar nur vereinzelt auf. Im Sommer konnten bei den Schiffszählungen bisher nur kleine Vorkommen in der Kieler, Hohwachter und Mecklenburger Bucht nachgewiesen werden. Im Herbst gibt es Konzentrationen in der Hohwachter Bucht und im Greifswalder Bodden. In kalten Wintern, wenn Seen und Lagunen in der Ostsee-Region zufrieren, weichen die dort berwinternden Haubentaucher auf die meist länger eisfreien k stennahen Bereiche der Ostsee aus, so dass dort – verglichen mit milden Wintern – die Anzahl beobachteter Tiere h her ist. Zudem gibt es Ausweichbewegungen nach Westen wenn die K stengewässer der zentralen und stlichen Ostseegebiete von Eis bedeckt sind (DURINCK et al. 1994). Im SPA „Pommersche Bucht“ sind Haubentaucher mit Ausnahme der Sommermona- te ganzjährig zu beobachten. Jedoch kommt diese k stennah verbreitete Art in dem im Offshore-Bereich liegenden Gebiet durchgängig nur in sehr geringer Anzahl vor (Tab. 7-3).
127 Tab. 7-3: Rastbestandszahlen der Haubentaucher f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“ basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): II: 6-10 Ind. III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 80 <0,1 III <0,1 Sommer k.A. k.A. 0 <0,1 0 0,0 Herbst k.A. k.A. II <0,1 II <0,1 Winter 8.500 2,4 III <0,1 III <0,1
7.4.3 Bestandsentwicklung Nach einem Einbruch der Mittwinterbestände zwischen Mitte der 1970er und Anfang der 1980er Jahre (vor allem im S den Deutschlands, vgl. HEINE et al. 1999) ist die langfristige Bestandsentwicklung positiv (Abb. 7-4). Über den Gesamtzeitraum 1968-2005 beträgt die mittlere jährliche Zunahme 2,5 % (± 0,18 %). Die seit Ende der 1980er Jahre berwiegend milden Winter d rften wesentlich zu einem tatsächlichen Bestandsanstieg beigetragen haben (sehr deutliche Zunahme an der Ostseek ste und den angrenzenden Binnenseen) und auch dazu f hren, dass Haubentaucher zunehmend näher am Brutgebiet berwintern (vgl. ADRIAENSEN et al. 1993). In der Indexkurve (Abb. 7-4) deutlich zu erkennen sind die wenigen Kältewinter, in denen die Haubentaucher zur Abwanderung gezwungen wurden: 1985-1987, 1995 / 96 und 2003.
128
Abb. 7-4: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Haubentaucher in Deutschland im Januar 1968-2005 nach den Daten der Wasservogelzählungen relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II).
7.5 Biologie / Ökologie 7.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: fr hestens Ende 1. KJ, aber im 2. Jahr meist noch nicht erfolgreich br tend Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn hängt vom Vereisungsgrad ab, fr hestens März, in Mitteleuropa meist April bis Juni, bis Oktober; Brutdauer 27-29 Tage Gelege: 2-6 Eier; 1 Jahresbrut, zuweilen Zweit-, Drittbruten nachgewiesen, Mehrfachbruten mitunter verschachtelt K ken: k nnen ab erstem Tag schwimmen und tauchen, werden bis 20 Tage in Fl geltaschen oder auf R cken von Ad. gef hrt, 10-11 Wochen von Eltern abhängig, beide Partner sind an Aufzucht beteiligt
7.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 5 Jahre Ältester Ringvogel: mind. 14 Jahre 6 Monate
129 Sterblichkeit: Berechnungen auf Basis von europäischen Ringfunden ergaben: 35,8 % Verluste im 1. Jahr, 28,5 % im 2. Jahr. Das 5. Lebensjahr erreichten 10,3 % und das 10. Lebensjahr er- reichten 2 % der V gel 7.5.3 Mauser Ab Juni / Juli beginnt die postjuvenile Mauser der Haubentaucher, doch ist die Länge nicht genau bekannt. Während der Vollmauser, die bei adulten V geln zwischen Juli und Dezember stattfindet, sind Haubentaucher 2-3 Wochen flugunfähig und zu dieser Zeit besonders anfällig gegen ber St rungen (meist zwischen Mitte bis Ende August; PIERSMA 1987, PIERSMA 1988; Abb. 7-5). Durch späte Bruten kann sich die Schwin- genmauser bis weit in den September erstrecken (KOOP & KÖHLER 2007). Einzelne Individuen erneuern ihre Schwingen noch im Oktober (BERNDT & DRENCKHAHN 1990). Während der Mauser halten sich Haubentaucher oft auf Seen mit einer Fläche von ber 100 ha auf. Die gr ßten Mauservorkommen Europas mit mindestens 40.000 Ind. sind aus dem IJsselmeer in den Niederlanden bekannt (PIERSMA 1987).
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 7-5: Mauserzyklus der Haubentaucher. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
7.5.4 Wanderungen Haubentaucher sind Teil- und Kurzstreckenzieher, wobei es wahrscheinlich keine reinen Nichtzieherpopulationen, sondern nur nichtziehende Individuen gibt. Hauben- taucher f hren außerdem Streuungswanderungen durch. Brutv gel der stlichen Populationen (z.B. Polen, Finnland, Baltikum) ziehen nach SO-O ins Winterquartier. Der Anteil der Richtung Schwarzes Meer ziehenden V gel nimmt nach Westen hin ab. Nordwesteuropäische Brutpopulationen ziehen in s dliche bis westliche Richtungen und berwintern in großer Zahl in den Niederlanden sowie auf den großen Voralpen- seen in Deutschland und der Schweiz. Brutv gel aus Fennoskanndien berwintern hauptsächlich in SO-Europa (ADRIAENSEN et al. 1993). In Kältewintern kommt es zu großräumigen Verlagerungen in s dliche und westliche Richtungen (CAMPHUYSEN & VAN DYCK 1983; vgl. Abb. 7-4). ADRIAENSEN et al. (1993) stellten eine zunehmende Überwinterungstendenz bei niederländischen Brutv geln fest. Die steigenden Winter- rastbestände in Deutschland legen das auch f r die hiesigen Brutpopulationen nahe.
130 Ab Juli sammeln sich vor allem Nichtbr ter oder erfolglose Brutv gel auf gr ßeren Gewässern. Ein Teil dieser Tiere mausert wahrscheinlich dort, während sich die anderen dort zum Zug in die Mausergewässer sammeln (BERNDT & DRENCKHAHN 1990). Es ist wenig dar ber bekannt, ob Haubentaucher in ihren späteren Winterquar- tieren mausern oder ob sie zuvor zur Mauser andere Gebiete aufsuchen. ADRIAENSEN et al. (1993) deuten an, dass die V gel, die zum Mausern ins IJsselmeer kommen auch in den Niederlanden, z.B. an Seen entlang der Nordseek ste, berwintern. Der Heimzug in die Brutgebiete kann je nach geografischer Lage und Witterung schon im Januar beginnen. Meist erreichen Haubentaucher jedoch ihre Brutgewässer ab März.
7.5.5 Habitat Generell br ten Haubentaucher bevorzugt an gr ßeren stehenden Gewässern mit Uferbewuchs, jedoch konnten in letzter Zeit häufig Bruten an kleineren Gewässern ohne Ufervegetation beobachtet werden (zur Verbreitung s. Kapitel 7.4.1). In diesen Fällen br ten Haubentaucher dann meist frei inmitten der Gewässer auf Schwimm- nestern. Während sie in Mitteleuropa vorwiegend S ßwasserbereiche bevorzugen, nutzen Haubentaucher in Ost- und S deuropa auch Brackwasserbereiche und K stenlagunen. Ihre Nester bauen sie bevorzugt versteckt in der Schilfvegetation, häufig auch mitten in kleinen Gewässern auf festem Grund oder verankert an Schwimmpflanzen. Nichtbr tende V gel sowie Brutv gel außerhalb der Brutzeit halten sich berwiegend an Meeresk sten oder binnenländischen Stillgewässern auf, Fließgewässer spielen kaum eine Rolle (mit Ausnahme von Staustufen, die eher den Charakter eines Stillgewässers haben).
7.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Haubentaucher ernähren sich von Fischen und zum Teil von aquatischen Wirbellosen. Die Fische werden hauptsächlich tauchend erbeutet, wobei der Vortrieb unter Wasser durch die F ße geleistet wird. Meist reichen die Tauchgänge in 2-3 m Tiefe, es k nnen aber auch ber 5 m erreicht werden. Die Tauchzeiten schwanken zwischen 20 Sekunden und einer Minute (MADSEN 1957). Kleinere Fische und Wirbellose k nnen ber dichter Unterwasservegetation und nahe der Wasseroberfläche gejagt werden, wobei Haubentaucher dann oftmals nur mit Kopf und Hals unter Wasser tauchen. Außerdem sammeln Haubentaucher Insekten von der Wasseroberfläche oder von Wasserpflanzen ab bzw. schnappen diese direkt aus der Luft. In hypertrophen, tr ben Gewässern werden Fische von unten gegen die hellere Wasseroberfläche erbeutet. Daher ist in solchen Gebieten die Nahrungssuche während der Morgen- und Abend-
131 dämmerung am intensivsten, wenn sich die Fische in der Nähe der Wasseroberfläche aufhalten (PIERSMA et al. 1988). Insgesamt fressen Haubentaucher berwiegend Fische wie z.B. Rotaugen (Rutilus rutilus) und Flussbarsche (Perca fluviatilis) sowie Fischlaich. Daneben kommen Insekten und deren Larven sowie verschiedene Crustaceen (Gammarus und Pandalus) und Amphibien (Fr sche, Kaulquappen) vor. Die Gr ße der erbeuteten Fische beträgt 3-21 cm (im Mittel 13 cm). Fischlarven und Wirbellose werden ab einer Gr ße von 5 mm gefressen. Während Fische das ganze Jahr ber erbeutet werden, zählen Insekten und deren Larven vor allem von Fr hjahr bis Herbst zum Beutespektrum. Ostsee MADSEN (1957) untersuchte die Mageninhalte von 29 Haubentauchern aus brackigen und marinen Habitaten (v.a. Limfjord, Beltsee und Kattegatbereich). Fische stellten dabei etwa 75 % der Nahrung, wobei insbesondere Grundeln (Gobiidae) von großer Bedeutung waren, daneben wurden Heringe (Clupea harengus) bis 10 cm Länge gefunden. Die brigen 25 % waren v.a. Crustaceen (Crangonidae und Palaemonidae). In mehr als einem Drittel der Tiere konnten auch Polychaeten als Nahrung festgestellt werden, ohne dass der Anteil zu quantifizieren war. Binnenland Die Nahrung der Haubentaucher auf dem IJsselmeer in den Niederlanden bestand fast ausschließlich aus Stint (Osmerus eperlanus) (PIERSMA et al. 1988).
7.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Haubentaucher suchen berwiegend tags ber nach Nahrung. Sie sind ausgeprägte Nachtzieher, zudem k nnen bis weit in die Nacht Balzaktivitäten beobachtet werden. Zugbeobachtungen am Feuerschiff „Fehmarnbelt“ ergaben Flugh hen zwischen 2 und 55 m, im Mittel 15 m (BERNDT & DRENCKHAHN 1990). Außerhalb der Brutzeit kommen Haubentaucher meist einzeln vor, jedoch finden sich gelegentlich auch lockere Gruppen zusammen.
132 7.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 7.6.1 Gefährdungsursachen Haubentaucher sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - St rungen durch anthropogene Aktivitäten wie Tourismus und Angelsport - Verlust der Ufervegetation (Schilfbestände etc.) durch Beseitigung, Wellen- schlag, Hypertrophierung - Anreicherung von Pestiziden und anderen Umweltchemikalien
7.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Haubentaucher gegen ber ausgewähl- ten anthropogenen Faktoren Haubentaucher weisen gegen ber Schiffsverkehr ein mäßig starkes Fluchtverhalten auf. Zum Teil zeigen sie Fluchtreaktionen durch Auffliegen in meist geringer Entfernung, häufig schwimmen sie aber auch nur von sich nähernden Schiffen weg oder tauchen ab (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). In häufig befahrenen Gebieten kann dies zu einer Einschränkung nat rlicher Verhaltensweisen f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Innerhalb der Rastgebiete auf dem Meer bewegen sich Haubentaucher meist schwim- mend fort, Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Rastgebieten finden jedoch meist fliegend statt. Haubentaucher sind ausgeprägte Nachtzieher mit geringer Man vrierfähigkeit. Die Art ist daher sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im oberen Bereich aller untersuchten Arten. Offshore-Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzer- schneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität
133 durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortali- tät f hren. Da Haubentaucher ihre Nahrung im Winter ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie sehr anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. Auf der deutschen Ostsee kommt die Art ausschließlich in k stennahen Flachwasserbereichen oder Boddengewässern vor. Dies sind gleichzeitig auch die von der Stellnetzfischerei bevorzugten Bereiche. In solchen Gebieten mit einer starken Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetz- fischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen (z.B. SCHIRMEISTER 2003), da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Sie sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfi- scherei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt. Nahrungsuntersu- chungen an Beifangopfern aus solchen Netzen vor der Insel Usedom zeigten, dass ein hoher Anteil des Beutespektrums aus kommerziell ungenutzten Fischarten besteht (FTZ unver ffentl.), so dass Haubentaucher und Stellnetzfischerei nicht um die gleiche Ressource konkurrieren oder gar eine Attraktionswirkung der in den Netzen gefange- nen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben ist. Vielmehr verfangen sich Haubentaucher allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Aufgrund der konzentrierten Vorkommen in den flachen Meeresgebieten sowie des hohe Zeitanteils, den die Tiere rastend auf dem Wasser verbringen, sind Haubentau- cher sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzungen, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitrei- chenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Haubentaucher ernähren sich in der deutschen Ostsee nach derzeitigem Kenntnisstand berwiegend von kommerziell unbedeutenden Fischarten (vgl. Kapitel 7.5.6), so dass kaum ein Konflikt mit der Fischerei hinsichtlich der Konkurrenz um gleiche Ressour- cen besteht. Eine Verkleinerung oder Zerst rung des Habitats von bodenbezogenen
134 Beutearten wie Grundeln oder Polychaeten durch Eingriffe in den Meeresboden, wie z.B. Sedimentabbau oder Materialverklappung, kann jedoch zu einer Verschlechterung der Nahrungssituation f r Haubentaucher f hren. Haubentaucher k nnen eine relativ große Zahl an Jungv geln haben und mehrere Bruten pro Jahr durchf hren. Zudem k nnen sie ab dem zweiten Lebensjahr mit der Brut beginnen. Durch dieses große Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher vermutlich bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, vor allem wenn ein umfassender Schutz an den Brutgewässern gewährleistet ist. Durch z.T. starke Nutzung von Gewässern f r Erholung und Wassersport sowie durch Verlust der Ufervegetation herrscht häufig ein Mangel an geeigneten ungest rten Brutplätzen, der auch als Grund f r das Vorkommen zahlreicher Nichtbr ter in Mitteleuropa ange- nommen wird (BAUER et al. 2005). Bisher besteht jedoch keine Gefährdung der Brutbestände in Deutschland sowie in den Teilgebieten Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Allerdings werden die Brutvorkommen in Mecklenburg-Vorpommern als „gefährdet eingestuft“ (Tab. 7-4). Der Status der Haubentaucher in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft.
Tab. 7-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Haubentaucher in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt.Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + + + + 3 + IntV Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - - - III -
7.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Flugzeug aus meist schwer zu entdecken, insbesondere in Gebieten mit hohen Vogeldichten K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen) Zu beachten: Beste Erfassungszeit: Wenn m glich sollten zwei Zählungen erfolgen (idealerweise um die Mittagszeit): eine um Mitte August und eine in der ersten Septemberhälfte
135 7.8 Forschungsbedarf - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Ostsee berwin- ternden Individuen - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit - Identifizierung von Mauservorkommen auf See - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Zusammenhang zwischen Bestandszunahmen an der Ostseek ste im Winter und kosystemaren Veränderungen - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
136 8 Rothalstaucher
Podiceps grisegena (Boddaert 1783)
GB: Red-necked Grebe NL: Roodhalsfuut
DK: Gråstrubet Lappedykker Foto: F. Jachmann S: Gråhakedopping Abb. 8-1: Rothalstaucher im SK PL: Perkoz rdzawoszyi
8.1 EU-Code A006
8.2 Systematik Ordnung: Podicipediformes - Lappentaucher Familie: Podicipedidae - Lappentaucher
8.3 Kennzeichen Etwas kleiner als Haubentaucher, mit k rzerem, dickerem Hals und keilf rmigerem Schnabel mit gelber Schnabelbasis. Wirkt im Flug kompakt und dunkel, mit weißem Schulterfeld und weißen Armschwingen. F ße berstehend. Im PK Hals und Brust braunrot, Scheitel schwarz, scharf von weißen Wangen abgesetzt. Im SK Kopf ohne scharfen Schwarzweiß-Kontrast, Wangen und Kopfseiten verwaschen schwarz-grau-weiß, schmutzig weiße Kehle; Hals dunkel, unscharf von weißer Brust abgesetzt. JK ähnlich SK, aber Kopfseiten dunkel gestreift und Vorder- hals r tlich-braun. Verwechslungsm glichkeiten: im SK mit Haubentaucher; Rothalstaucher kompakter und dunkler. Im Flug mit weniger ausgedehnter Weißzeichnung auf Fl geln (keine weiße Fl gelbasis; das kleinere, weiße Schulterfeld daher deutlicher von weißen Armschwingen getrennt).
137 8.4 Verbreitung / Bestand 8.4.1 Welt / Europa Rothalstaucher sind mit zwei disjunkten Unterarten in der Holarktis verbreitet: P. g. grisegena (W-Paläarktis) und P. g. holboellii (O-Paläarktis, N-Amerika). Die Brutareale erstrecken sich vom stlichen Mitteleuropa bis W-Sibirien (s dliche Grenze: Kleinasien, Kaspigebiet, Aralsee). Außerdem br ten sie in O-Sibirien, N-Japan und in N-Amerika von Alaska bis Labrador. Der Weltbestand wird auf > 193.000-278.000 Individuen geschätzt (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). In Mitteleuropa sind Rothalstaucher l ckenhaft verbreitete, nicht sehr häufige Brut- und Jahresv gel sowie häufige Durchz gler und Wintergäste in K sten- und Meeres- gebieten. Der berwiegende Teil berwintert auf See, im Binnenland rasten sie nur in geringen Anzahlen. Wichtige Überwinterungsgebiete in Mitteleuropa liegen in der westlichen und s dlichen Ostsee (DURINCK et al. 1994b), im nordwestlichen Kattegat und in der Pommerschen Bucht, aber auch in der Nordsee (v.a. vor SW-Dänemark; SKOV et al. 1995), an der Westk ste von Schweden sowie an der Atlantikk ste von Mittelnorwegen (SVORKMO-LUNDBERG et al. 2006).
Der Brutbestand in Europa beträgt 32.000-56.000 Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Europa werden drei biogeografische Populationen unterschieden (Tab. 8-1).
Tab. 8-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Rothalstaucher (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Art / Unterart Trend Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium NW-Europa P. g. K sten NW- 42.000- (außerhalb O-Europa abnehmend 510 grisegena Europas 60.000 Brutzeit) Schwarzes Meer, Schwarzes P. g. O-Europa, 41.000- Mittelmeer Meer, abnehmend 740 grisegena W-Asien 107.000 (außerhalb Mittelmeer Brutzeit) P. g. Kasp. Meer grisegena (außerhalb W-Asien Kasp. Meer 15.000 k.A. 150 Brutzeit)
138 8.4.2 Deutschland Status: Wintergast und Durchz gler auf Nord- und Ostsee, außerhalb der Brutzeit in geringer Zahl auch im Binnenland, vor allem auf großen Binnenseen; Brutvogel in N- und NO-Deutschland. Die in Deutschland vorkommenden Rothalstaucher geh ren zur biogeografischen Population „NW-Europa“. Der Brutbestand der Rothalstaucher in Deutschland betrug Ende der 1990er Jahre 1.500-2.600 Brutpaare (BAUER et al. 2002). Die wichtigsten Brutgebiete liegen in Mecklenburg-Vorpommern mit einem Brutbestand von 600-1.500 Paaren (EICHSTÄDT et al. 2006; Bezugszeitraum: 1994-1998) und in Schleswig-Holstein mit einem Bestand von zuletzt 640 Paaren (BERNDT et al. 2002; Bezugszeitraum: 1997). Nach der Brutzeit verlassen Rothalstaucher das deutsche Binnenland und suchen ihre Mausergebiete auf (s. Kapitel 8.5.3). Zur Mauser und vor allem während der Zugzeiten sowie im Winter halten sie sich u.a. in deutschen K stengewässern auf (Abb. 8-2 und 8-3). Der Rastbestand in Deutschland im Mittwinter beträgt 850 Individuen (DDA unver ffentl., Tab. 8-2 und 8-3). Zu dieser Jahreszeit hält sich der Großteil der V gel auf der Ostsee auf. Im Binnenland berwintern weniger als 100 Individuen, vor allem auf den Tagebaurestgewässern im S den Sachsen-Anhalts und Sachsens sowie auf den großen Voralpenseen (Abb. 8-3). Unbekannt ist, in welchem Maße Rothalstaucher bei den Zählungen an der K ste bersehen werden. Bereits bei mäßigem Wellengang sind sie aufgrund ihrer geringen Gr ße und der kleinen Truppgr ßen vor allem auf gr ßere Entfernung nur schwer zu entdecken. Aufgrund der geringen Anzahlen die ber die Wasservogelzählung erfasst werden, lassen sich keine Aussagen ber das jahreszeitliche Auftreten und die langfristige Bestandsentwicklung treffen. Nordsee Auf der deutschen Nordsee kommen Rothalstaucher in geringer Anzahl vor (Tab. 8-2). Im Winterhalbjahr sind einzelne Tiere k stennah vor Schleswig-Holstein und vor den Ost- und Westfriesischen Inseln sowie im Bereich der Elbm ndung auf der Nordsee zu beobachten. Abseits der K sten treten Rothalstaucher alljährlich in geringen Anzahlen im Winterhalbjahr, vereinzelt auch im Sommer, um Helgoland auf (z.B. DIERSCHKE et al. 2002, 2003, 2004a). In Kältewintern kommen zeitweise auch h here Anzahlen von Rothalstauchern in der s d stlichen Nordsee vor (z.B. CAMPHUYSEN & VAN DIJK 1983, CAMPHUYSEN & DERKS 1989). Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ gab es bisher nur einen Nachweis eines Rothalstauchers.
139
Abb. 8-2: Verbreitung der Rothalstaucher auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 8-3: Verbreitung der Rothalstaucher in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
140 Tab. 8-2: Rastbestandszahlen der Rothalstaucher f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 1996-2005). Gr ßen- klassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): I: 1-5, II: 6-10, III: 11-50 Ind.
Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr I <0,1 0 0,0 0 0 Sommer I <0,1 0 0,0 0 0 Herbst II <0,1 0 0,0 0 0 Winter III ≤0,1 III ≤0,1 0 0
Ostsee Das Hauptvorkommen der Rothalstaucher in der deutschen Ostsee befindet sich in der Pommerschen Bucht. Dort ist die Art im Winter in weiten Teilen des Offshore- Bereiches bis zur 20 m Tiefenlinie zu beobachten, insbesondere auf der Oderbank und angrenzenden Gebieten. In der s dwestlichen Ostsee tritt die Art vereinzelt in den Flachwasserbereichen entlang der K ste auf. Im Fr hjahr und Herbst ist das Vorkom- men deutlich geringer ausgeprägt, Konzentrationen befinden sich aber weiterhin im Bereich der Oderbank. Im Sommer konnten bisher einzelne Rothalstaucher westlich von Fehmarn sowie in der Pommerschen Bucht beobachtet werden. Im SPA „Pommersche Bucht“ halten sich Rothalstaucher im Sommer nur in geringer Anzahl auf. Im Herbst steigt der Bestand an und geht in das Wintervorkommen ber. Zu dieser Jahreszeit werden die h chsten Rastbestände erreicht. Zum Fr hjahr hin nimmt der Bestand mit dem Abzug in die Brutgebiete deutlich ab (Tab. 8-3).
Tab. 8-3: Rastbestandszahlen der Rothalstaucher f r die deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzäh- lungen. (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklassen (in An- lehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 60 0,1 50 0,1 Sommer k.A. k.A. III ≤0,1 III ≤0,1 Herbst k.A. k.A. 80 0,2 90 0,2 Winter 750 1,5 210 0,4 170 0,3
141 8.4.3 Bestandsentwicklung Seit Mitte der 1960er Jahre ist die berregionale Bestandsentwicklung in Mitteleuropa berwiegend positiv. Im europäischen Kontext zeigte sich f r 1970-1990 ein stabiler Trend und f r 1990-2000 allenfalls eine geringe Bestandsabnahme (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Deutschland gab es in Schleswig-Holstein eine deutliche Zunahme von 270 Paaren im Jahr 1980 auf ber 700 im Jahr 1990, f r 1997 wurden 640 Paare geschätzt (BERNDT et al. 2003). Auch in Mecklenburg-Vorpommern gab es Brutbestandszunahmen von 400 Paaren (1978-1982) auf 600-1.500 Paare (1994-1998; EICHSTÄDT et al. 2006). Informationen ber die Entwicklung der Rastbestände im Offshore-Bereich der deutschen Meeresgebiete liegen bislang nicht vor, da diese erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
8.5 Biologie / Ökologie 8.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: meist im 2. Jahr, zuweilen auch Einjährige br tend Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn ab Mitte April bis Mai / Juni, regional auch später; Brutdauer 20-23 Tage Gelege: 3-5 Eier; 1 Jahresbrut, mitunter 2, häufig Nachgelege K ken: werden etwa 1 Woche auf dem R cken getragen, Familie l st sich nach 8-10 Wochen auf
8.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 5 Jahre Ältester Ringvogel: unbekannt Sterblichkeit: unbekannt
8.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser vollzieht sich bei Rothalstauchern zwischen September und Januar. Einjährige V gel vollziehen die Pränuptialmauser (Teilmauser) zwischen Februar und Juni, während Adulte das Kleingefieder zwischen Dezember bis März / Mai mausern. Erfolgreiche Brutv gel beginnen im Juli mit der Postnuptialmauser (Vollmauser), bei nichtbr tenden V geln oder erfolglosen Br tern kann sie schon ab April einsetzen (vgl. Abb. 8-4). Die Schwingen werden dabei synchron gemausert, was dazu f hrt, dass Rothalstaucher vermutlich 2-3 Wochen flugunfähig und damit besonders empfindlich gegen ber St rungen sind. Da man davon ausgeht, dass es auf den eher kleinen Brutgewässern eher zu St rungen kommen kann, wird vermutet, dass
142 die meisten europäischen Rothalstaucher deswegen zur Mauser in flache Meeresbuch- ten der Ostsee wandern (z.B. dänische K stengewässer und K ste Mecklenburg- Vorpommerns; VLUG 1996, PIHL 1995). Eine kleine, aber immer weiter wachsende Zahl mausert ihr Gefieder auf Binnengewässern in Norddeutschland und auch in der Schweiz (VLUG 2000).
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 8-4: Mauserzyklus der Rothalstaucher. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit). Da die genauen Zeiten der synchronen Schwingen- mauser der nichtbr tenden V gel unbekannt sind, wird nur die sensible Phase der Brutv gel im Spätsommer dargestellt.
8.5.4 Wanderungen Rothalstaucher sind Kurzstreckenzieher, die häufig auch Streuungswanderungen vollziehen. Ihre Brutgebiete verlassen die adulten V gel Ende Juli / Anfang August. Da Jungv gel zu dieser Jahreszeit noch keine synchrone Handschwingenmauser durchf hren, haben sie im Fr hherbst noch keine Eile ihre Brutgewässer zu verlassen und verbleiben somit oft bis in den Oktober hinein in den NO-europäischen Brutgebie- ten. So k nnen ziehende Individuen bis in den November hinein in S- und W-Mitteleu- ropa beobachtet werden. In Mitteleuropa kehren Rothalstaucher ab März an ihre Brutplätze zur ck, weiter n rdlich finden sie sich erst im April ein.
8.5.5 Habitat Rothalstaucher besiedeln zur Brutzeit berwiegend flache Gewässer (in Schleswig- Holstein 0,5-1,8 m Tiefe, BERNDT & DRENCKHAHN 1990), die häufig eine ppige Unterwasser- und Ufervegetation sowie eine reiche Invertebratenfauna aufweisen (zur Verbreitung s. Kapitel 8.4.1). In Mitteleuropa br ten Rothalstaucher gr ßtenteils auf Fischteichen, auf Weihern (manchmal nur 0,1 ha groß) und Strandseen, seltener auf gr ßeren Seen. Aus dem begrenzten Angebot solcher Brutgewässer ergibt sich eine l ckenhafte Verbreitung. Brutv gel in Ostseenähe nutzen das Meer zur Nahrungs- suche. Während des Zuges und im Winter halten sich die V gel vor allem auf tieferen Seen ohne Vegetation und an Meeresk sten auf. Auf See treten Rothalstaucher vorrangig in
143 k stennahen Flachwassergebieten bzw. in k stenfernen Gebieten ber Flachgr nden auf. Im Winter sind Rothalstaucher stärker als Haubentaucher an das Meer gebunden.
8.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Rothalstaucher ernähren sich berwiegend von Fischen, Crustaceen, Wasserinsekten und ihren Larven, Mollusken und Fr schen (Kaulquappen). Die Nahrung wird tauchend oder an der Oberfläche schwimmend mit untergetauchtem Kopf verfolgt und erbeutet. Die Dauer der Tauchgänge hängt von der Wassertiefe ab und liegt im Schnitt unter 30 Sekunden. Insbesondere Insekten werden auch von Wasserpflanzen und der Wasseroberfläche abgesammelt. Rothalstaucher suchen typischerweise einzeln, in flachen Gewässerbereichen nach Nahrung. Auf See bevorzugen sie sandige und kiesige Gebiete mit einzelnen gr ßeren Steinen und Flecken mit Seegras (FJELDSÅ 2004). Die Wassertiefe beträgt meist unter 15 m. In den Überwinterungsgebieten suchen insbesondere junge Rothalstaucher kommensa- listisch mit Meeresenten (Melanitta spec.) nach Nahrung (FJELDSÅ 2004). Ostsee MADSEN (1957) untersuchte die Winternahrung (Mageninhalte) von 25 Rothalstau- chern aus dem Kattegat und der Beltsee. Fisch stellte hier den Hauptanteil der Nahrung dar. Es wurden sowohl sehr kleine Fische als auch solche bis zu 15 cm Länge (25 cm im Fall von Seenadeln) nachgewiesen. Gut die Hälfte der Nahrung machten Grundeln (Gobiidae), kleine Dorsche (Gadidae) und Stichlinge (Gasterosteus und Spinachia) aus, weitere Fischarten machten etwa ein Viertel der Nahrung aus. Der Rest entfiel auf Crustaceen (v.a. Crangonidae und Palaemonidae) sowie Polychaeten, Mollusken und Insekten. Rothalstaucher aus dem S ßwasserbereich fraßen ebenfalls berwiegend Fische, insbesondere Stichlinge, daneben wurden aber auch Insekten in den Mägen nachgewiesen (MADSEN 1957). Brutgebiete In den Brutgebieten stellen vielfach Wasserinsekten (z.B. Libellen, Wasserwanzen) die Hauptbeute der Rothalstaucher dar, wobei der Fischanteil an der Nahrung dann oftmals relativ gering ist. Jedoch gibt es lokale Unterschiede, v.a. wenn die Nahrungs- suche auf gr ßeren Seen und entlang von K sten stattfindet.
8.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Während die Nahrungssuche und die Balz sowohl bei Tag als auch bei Nacht stattfinden k nnen, vollzieht sich der Zug hauptsächlich in der Dämmerung oder bei Nacht. Rothalstaucher sind zur Brutzeit wenig gesellig und territorial, br ten mitunter
144 aber auch in kleinen Kolonien zusammen mit Blässh hnern oder in Lachm wenkolo- nien. Im Winterrastgebiet halten sich Rothalstaucher berwiegend einzeln oder in kleinen Gruppen auf.
8.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 8.6.1 Gefährdungsursachen Rothalstaucher sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen (Ostsee) - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Bruthabitatverlust (Brutv gel an der Ostsee: Bau von Fischzuchtbetrieben, Verlust der Ufer- und Wasservegetation) - Tourismus (St rung durch Freizeitaktivitäten)
8.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Rothalstaucher gegen ber ausgewähl- ten anthropogenen Faktoren Rothalstaucher weisen gegen ber Schiffsverkehr ein mäßig starkes Fluchtverhalten auf. Einerseits zeigen sie Fluchtreaktionen durch Auffliegen in meist geringer Entfernung, andererseits bewegen sie sich häufig auch nur durch Schwimmen von sich nähernden Schiffen weg oder tauchen ab (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). In intensiv befahrenen Gebieten kann dies eine Einschränkung der nat rlichen Verhal- tensweisen zur Folge haben. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Innerhalb der Rastgebiete auf dem Meer bewegen sich Rothalstaucher meist schwim- mend fort, Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Rastgebieten werden jedoch meist fliegend durchgef hrt. Zug findet hauptsächlich in der Dämmerung oder nachts statt. Zudem weisen Rothalstaucher eine geringe Man vrierfähigkeit auf. Aus diesen Gr nden ist die Art sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Der Wert im Windenergie-
145 Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im oberen Bereich aller untersuchten Arten. Offshore-Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. Da Rothalstaucher ihre Nahrung im Winter ausschließlich durch Tauchen erbeuten, sind sie sehr anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetzfischerei, wie z.B. entlang der deutschen Ostseek ste, kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen (z.B. SCHIRMEISTER 2003), da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfischerei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie. In diesen Gebieten halten sich im Winter auch Rothalstaucher auf. Nahrungsuntersuchungen an Beifang- opfern aus diesen Netzen vor der Insel Usedom zeigten, dass das Beutespektrum fast ausschließlich aus kommerziell nicht genutzten Fischarten besteht (FTZ unver ffentl.). Rothalstaucher konkurrieren demnach nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Rothalstaucher allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. In der Pommerschen Bucht halten sich Rothalstaucher v.a. im Winter in großer Anzahl auf, insbesondere im Bereich der Oderbank. Diese Konzentration sowie der hohe Zeitanteil, den die Tiere rastend auf dem Wasser verbringen, machen den Bestand sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzungen, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitrei- chenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren.
146 Rothalstaucher ernähren sich in der deutschen Ostsee nach derzeitigem Kenntnisstand berwiegend von den kommerziell unbedeutenden Grundeln sowie von Polychaeten (s. Kapitel 8.5.6), so dass momentan kein Konflikt mit der derzeit bestehenden Fischerei hinsichtlich der Konkurrenz um Nahrungsressourcen besteht. Eine Verklei- nerung oder Zerst rung des Habitats dieser bodenbezogenen Beutearten durch Eingriffe in den Meeresboden, wie z.B. Sedimentabbau oder Materialverklappung, kann jedoch zu einer Verschlechterung der Nahrungssituation f r Rothalstaucher f hren. Rothalstaucher beginnen meist im zweiten Lebensjahr mit der Brut und haben eine relativ hohe Anzahl an Jungv geln. Daher k nnen durch das Reproduktionspotential Mortalitätsverluste vermutlich bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, wenn ein umfassender Schutz an den Brutgewässern gewährleistet ist. Das Brutvor- kommen in Deutschland steht auf der Vorwarnliste der Roten Liste, in Niedersachsen ist der Rothalstaucher als Brutvogel stark gefährdet (Tab. 8-4). Hauptgefährdungen in den Brutgebieten sind die Intensivierung der Binnenfischerei und Fischzucht (Ver- schlechterung der Wasserqualität, Verlust von Ufer- und Wasservegetation, Nahrungs- konkurrenz durch zu starken Fischbesatz) sowie St rungen durch Freizeitnutzung der Brutgewässer (BAUER et al. 2005). Der Status der Rothalstaucher in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft.
Tab. 8-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Rothalstaucher in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II) Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + V 2 + + entfällt P Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPEC II II +
8.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Flugzeug aus meist schwer zu entdecken, insbesondere in Gebieten mit hohen Vogeldichten K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
147 8.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in der Ostsee - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Nord- und Ostsee berwinternden Individuen - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit - Identifizierung von Mauservorkommen auf See - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
148 9 Ohrentaucher
Podiceps auritus (Linnaeus 1758)
GB: Slavonian Grebe NL: Kuifduiker DK: Nordisk lappedykker Foto: N. Sonntag
S: Svarthakedopping Abb. 9-1: Ohrentaucher im SK PL: Perkoz rogaty
9.1 EU-Code A007
9.2 Systematik Ordnung: Podicipediformes - Lappentaucher Familie: Podicipedidae - Lappentaucher
9.3 Kennzeichen Kleiner Lappentaucher mit kurzem, geradem Schnabel, flacher Stirn und spitz auslaufendem Hinterkopf. Im PK mit schwarzem Kopf und goldgelben, aufgerichteten Ohrb scheln. Hals und Seiten rotbraun, R cken schwarz. Im SK Kopfmuster kontrastreich schwarz-weiß, schwarze Kappe durch scharfe, vom Schnabel durch das Auge verlaufende Linie von den weißen Wangen getrennt. Vorderhals weiß mit verwaschenem dunklem Band, Flanken weiß mit dunklen Stricheln, R cken dunkel. Im JK ähnlich SK, aber mit rußgrauem Wangenstreif, bräunlicher Oberseite und hellerer Schnabelbasis. Verwechslungsm glichkeiten: Im SK mit Schwarzhalstaucher. Wichtigstes Unter- scheidungsmerkmal sind die Kopfform und die schwarz-weiß-Verteilung am Kopf. Ohrentaucher mit flacher Stirn und eher geradem Scheitel sowie scharfer Trennung zwischen schwarzer Kopfkappe und weißen Wangen. Schwarzhalstaucher mit steiler Stirn und gerundetem oder ber dem Auge spitz zulaufendem Scheitel. Weiße Wangen mit verwaschenen dunklen Ohrdecken, dahinter mit weißem „Nackenhaken“, daher keine scharfe Grenze zwischen Kopfkappe und Wangen. Beide Arten mit weißem Armschwingenfeld, Ohrentaucher zudem noch mit weißem Schulterfeld, dies aber im Flug oft nicht sichtbar.
149 9.4 Verbreitung / Bestand
9.4.1 Welt / Europa Das Verbreitungsgebiet der Ohrentaucher erstreckt sich von N-Europa bis Kamtschat- ka und von Alaska bis Neufundland. Nach BAUER et al. (2005) gelten Ohrentaucher als monotypisch, nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) werden jedoch die Unterarten auritus (Europa, Asien) und cornutus (N-USA; Kanada, Alaska) unter- schieden. Die Schwerpunkte der Brutverbreitung in Europa liegen in Fennoskandien und Russland. Im n rdlichen Mitteleuropa br tet die Art nur vereinzelt (unregelmäßig in Polen, regelmäßig seit 1981 in Schleswig-Holstein). Überwinterungsgebiete sind u.a. die westliche Ostsee (insbesondere Pommersche Bucht, wichtigstes Winterrastgebiet in NW-Europa), die Nordseek ste, die Atlantikk ste vor Norwegen, die K stengewäs- ser vor Großbritannien / Irland, aber auch das Schwarzmeer- und das Kaspigebiet. Dar ber hinaus berwintern Ohrentaucher auch auf gr ßeren Binnenseen in allen Teilen Mitteleuropas. Bei der Unterart auritus werden zwei Morphen mit unterschiedlicher Schnabelform unterschieden: Die dickschnäbligen Brutv gel Norwegens, Islands, Schottlands und der Fär er-Inseln berwintern an den K sten dieser Gebiete. Die d nnschnäbligen Brutv gel Finnlands, Schwedens, des Baltikums und der weiter stlich gelegenen Brutgebiete NO-Europas berwintern auf der s dlichen Ostsee, entlang der Atlantik- bzw. Nordseek ste von N-Norwegen bis N-Frankreich sowie am Mittelmeer und am Schwarzen Meer (FJELDSÅ 1973, WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Der Weltbestand liegt bei 140.000-1,08 Mio. Individuen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006), der Brutbestand in Europa zwischen 6.300-11.000 Paaren (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Bei den in Europa vorkommenden Ohrentauchern werden drei biogeografische Populationen unterschieden (Tab. 9-1).
Tab. 9-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeogra- fischen Populationen der Ohrentaucher (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium P. a. NW-Europa K sten NW- 4.600 - NW-Europa stabil 55 auritus (dickschnäblig) Europas 6.800 Ostsee, abneh- P. a. NO-Europa 14.200 - NO-Europa Schwarzes mend 200 auritus (d nnschnäblig) 26.000 Meer, Mittelmeer Kasp. Meer, P. a. S-Asien O-Europa, Kasp. Meer, 10.000 - k.A. 250 auritus (außerhalb Zentralasien S-Asien 25.000 Brutzeit)
150 9.4.2 Deutschland Status: Durchz gler, Wintergast, gelegentlicher Sommergast, vereinzelt Brutvogel in Schleswig-Holstein. Die in Deutschland vorkommenden Ohrentaucher geh ren zur biogeografischen Population „NO Europa“ (d nnschnäblige Form). Die einzigen Brutvorkommen der Ohrentaucher in Deutschland liegen in Schleswig- Holstein, wo die Art seit 1981 regelmäßig, aber nur in geringer Anzahl an Binnenge- wässern br tet. Im Jahr 1999 betrug der Brutbestand drei Paare (BERNDT et al. 2002). Während der Zugzeiten und im Winter halten sich Ohrentaucher v.a. auf der Nord- und insbesondere der Ostsee auf, im Binnenland werden dagegen nur wenige Einzelindivi- duen beobachtet (Abb. 9-2 und 9-3). Überwinternde Ohrentaucher werden bei der Wasservogelzählung vor allem entlang der Ostseek ste erfasst, insbesondere im Bereich R gens, im Salzhaff, beim Darß, in der Wismarbucht sowie in Schleswig-Holstein in der Geltinger Bucht (Abb. 9-3). Durch Schiffstransektzählungen ist ein großes und alljährliches Wintervorkommen in der AWZ in der Pommerschen Bucht bekannt, dass sich stark auf das Gebiet um die Oderbank konzentriert. Im Winter 2002 konnte zudem eine gr ßere Ansammlung vor dem Darß beobachtet werden (Abb. 9-2). Unbekannt ist, in welchem Maße Ohrentau- cher bei den Zählungen an der K ste bersehen werden. Bereits bei mäßigem Wellengang sind sie aufgrund ihrer geringen Gr ße und der kleinen Truppgr ßen vor allem auf gr ßere Entfernung nur schwer zu entdecken. Der unten genannte Bestand sollte somit eher als Untergrenze angesehen werden. Aufgrund der geringen Anzahlen, die ber die Wasservogelzählung erfasst werden, lassen sich keine Aussagen ber das jahreszeitliche Auftreten und die langfristige Bestandsentwicklung treffen. Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 1.000 Tiere (DDA unver ffentl., Tab. 9-2). Dies entspricht ber 5 % der biogeografischen Population (nach WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Nordsee Ohrentaucher kommen auf der deutschen Nordsee nur sehr vereinzelt vor. Beobach- tungen auf Helgoland weisen auf einen geringen Rastbestand im Winter hin (DIERSCHKE et al. 2005, 2006a). Daneben gibt es vereinzelte Nachweise im K stenbe- reich vor Schleswig-Holstein und Niedersachsen, an der niederländischen Watten- meerk ste gibt es insbesondere während des Heimzuges Beobachtungen. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurden Ohrentaucher bisher nicht nachgewie- sen. F r Ohrentaucher wurden keine Bestandszahlen berechnet.
151
Abb. 9-2: Verbreitung der Ohrentaucher auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 9-3: Verbreitung der Ohrentaucher in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
152 Ostsee Das Hauptvorkommen der Ohrentaucher auf der deutschen Ostsee liegt in der Pommerschen Bucht. Dort halten sie sich regelmäßig im Winterhalbjahr stark konzentriert im Bereich der Oderbank auf. Der Zuzug findet im Herbst ab Oktober statt und es bildet sich ein Vorkommen mit hohen Dichten. Im Verlauf des Winters kann es zu kleinräumigen Verlagerungen in die Randbereiche der Oderbank kommen. Eine weitere Konzentration konnte im Winter 2002 vor dem Darß beobachtet werden, doch waren in anderen Jahren die Anzahlen in diesem Bereich bei Untersuchungen vom Schiff aus deutlich geringer (FTZ unver ffentl.). Bei den landbasierten Wasser- vogelzählungen wurden Ohrentaucher ebenfalls vor dem Darß beobachtet, daneben gibt es k stennahe Nachweise v.a. in der Mecklenburger Bucht und der Wismarbucht sowie im K stenbereich von R gen und Usedom (siehe auch SCHELLER et al. 2002). Ab März nimmt die Zahl der Ohrentaucher in der Pommerschen Bucht ab, der Fr hjahrsbestand ist deutlich schwächer ausgeprägt. Neben dem Vorkommen auf der Oderbank befinden sich im Fr hjahr auch entlang der K ste von R gen und Usedom bedeutende Rastplätze. Im Sommer halten sich Ohrentaucher nur sehr vereinzelt und nicht alljährlich auf der deutschen Ostsee auf. Im SPA „Pommersche Bucht“ sind Ohrentaucher mit Ausnahme der Sommermonate regelmäßig zu beobachten (Tab. 9-2). Ab Oktober baut sich der Herbstbestand auf, der die h chsten Anzahlen im Jahresverlauf erreicht und gr ßtenteils im Winter erhalten bleibt. Ab März nimmt der Bestand wieder deutlich ab.
Tab. 9-2: Rastbestandszahlen der Ohrentaucher f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzäh- lungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitrum 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anleh- nung an Standarddatenbogen): II: 6-10 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 500 2,5 180 0,9 Sommer k.A. k.A. II <0,1 0 0,0 Herbst k.A. k.A. 550 2,7 500 2,5 Winter 1.000 5,5 700 3,5 490 2,5
9.4.3 Bestandsentwicklung Die Brutbestandsentwicklung der Ohrentaucher verlief in Europa regional sehr unterschiedlich: in Großbritannien, Norwegen und Moldawien gab es Zunahmen, in Lettland, Litauen und Russland zeigten sich stabile Trends, wohingegen in Schweden, Finnland und auf Island Abnahmen zu verzeichnen waren. In Deutschland gab es seit
153 den 1970er Jahren eine Zunahme der Sommerbeobachtungen und seit den 1980er Jahren erste Brutnachweise mit gutem Bruterfolg. Unregelmäßige Brutnachweise existieren außerdem aus Polen und Dänemark. In den Niederlanden gab es einen ersten Nachweis im Jahr 2000. Der Gesamtbestandstrend in N-Europa ist aber v.a. aufgrund der negativen Bestandstrends in den gr ßten Brutkolonien (Finnland und Schweden) seit 1990 r ckläufig (> 10 %; BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Daher ist eine Arealausweitung in Mitteleuropa eher unwahrscheinlich. Informationen ber die Entwicklung der Rastbestände in deutschen Meeresgebieten liegen bislang nicht vor, da die Offshore-Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
9.5 Biologie / Ökologie 9.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: im 2. Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn ab Mai / Juni, Nachgelege bis August, Brutdauer 20-25 Tage Gelege: 3-6 Eier; 1 Jahresbrut, in Großbritannien gelegentlich auch 2; Nachgelege m glich; beide Eltern br ten K ken: werden anfangs auf dem R cken der Adulten getragen, K ken sind nach 45 Tagen unabhängig und mit 55-60 Tagen fl gge; meist l st sich Familienbund nach dem Fl ggewerden, kann aber auch schon vorher gel st werden, Weibchen verlassen oft vor Männchen das Brutgebiet (FJELDSÅ 2004)
9.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 5 Jahre Ältester Ringvogel: keine Angaben Sterblichkeit: keine Angaben
9.5.3 Mauser Ohrentaucher mausern die Schwungfedern beider Fl gel synchron und sind während- dessen 2-3 Wochen flugunfähig. Die Männchen wechseln berwiegend im August und September das Großgefieder. Die Weibchen beginnen mitunter zwar fr her mit der Mauser der Schwungfedern, der H hepunkt der Mauser liegt jedoch (vermutlich) um einen Monat später als bei den Männchen (Abb. 9-4). Über räumliche Aspekte der Schwingenmauser ist nicht viel bekannt, jedoch geht man davon aus, dass einige
154 V gel in ihren Brutgewässern mausern, die meisten aber ihr Brutgebiet erst verlassen und dann auf großen Seen oder an Meeresk sten mausern (FJELDSÅ 2004).
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 9-4: Mauserzyklus der Ohrentaucher. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
9.5.4 Wanderungen Ohrentaucher sind berwiegend Kurzstreckenzieher, in Großbritannien allerdings wohl auch Teilzieher. Einige Populationen f hren lediglich kurze Wanderungen in Ost- West-Richtung zur nächsten eisfreien K ste durch (FJELDSÅ 2004). Der Abzug aus den Brutgebieten beginnt ab August, so dass die ersten Individuen fr hestens ab Ende August an den K sten in Mitteleuropa eintreffen. Rastplätze im Binnenland werden erst 1-2 Monate später erreicht. Der Heimzug in die Brutgebiete beginnt meist schon im März. Die n rdlichsten Brutgebiete werden je nach Beginn der Schneeschmelze bis Ende Mai erreicht. Von Mai bis Anfang Juni werden teilweise noch einzelne, späte Durchz gler auf Nord- und Ostsee beobachtet, wobei es sich bei diesen späten Nachweisen vermutlich um Nichtbr ter handelt.
9.5.5 Habitat Ohrentaucher br ten bevorzugt an flachen, eutrophen Teichen mit reichhaltiger Unterwasservegetation von 1-10 ha Gr ße. Daneben werden auch andere Gewässer- typen wie vegetationslose Krater- und Hochmoorseen bis hin zu Brackwasserlebens- räumen an der Ostsee genutzt (zur Verbreitung s. Kapitel 9.4.1). In Schleswig-Holstein verteilten sich die Brutplätze bisher auf vier Fischteiche, zwei Weiher, einen großen Binnensee und einen Naturschutzkoog (BERNDT et al. 2002). Außerhalb der Brutzeit halten sich Ohrentaucher in K sten- und Meeresgebieten sowie an gr ßeren Seen auf. Im Überwinterungsgebiet in der Pommerschen Bucht befinden sie sich bevorzugt in Bereichen mit geringen Wassertiefen und sandigem Sediment (FTZ unver ffentl.).
155 9.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Ohrentaucher ernähren sich vorwiegend von Arthropoden sowie kleinen Fischen bis 10 cm Länge. Sie erbeuten ihre Nahrung meist tauchend, jedoch k nnen sie auch in flacher Ufervegetation gr ndeln und Insekten von der Wasseroberfläche auflesen bzw. aus der Luft schnappen. In den Brutgebieten tauchen Ohrentaucher oft in seichtem Wasser 0,5-2 m tief, auf dem Meer tauchen sie bis in Bereiche von 10-20 m Tiefe (FJELDSÅ 2004). Brutgebiet Im Brutgebiet besteht die Hauptnahrung meist aus Insekten und deren Larven sowie aus kleinen Fischen (z.B. Gasterosteus spec.), die häufig einen Großteil der Biomasse der Nahrung ausmachen (FJELDSÅ 2004). Daneben spielen v.a. Crustaceen (Cla- docera, Gammarus) und Mollusken eine Rolle. Ostsee In der Pommerschen Bucht werden im Winter berwiegend Fische (v.a. Grundeln) und Polychaeten (Nereidae) gefressen, im Fr hjahr ergänzend auch Insekten (SONNTAG et al. unver ffentl.). Nordsee Im niederländischen IJsselmeer wurden im Winter ebenfalls berwiegend kleine Fische als Nahrung nachgewiesen, wobei insbesondere Stint (Osmerus eperlanus) eine große Rolle spielte, gefolgt von Flussbarsch (Perca fluviatilis) und Kaulbarsch (Gymnocephalus cernuus) (PIERSMA 1988). Dabei wurden insbesondere kleinere Stinte sowohl von Ohren- als auch von Rothalstauchern berproportional häufig erbeutet, was darauf hindeuten k nnte, dass die Schwimmgeschwindigkeit der Fische beeinflusst, ob Lappentaucher sie erbeuten k nnen. Die Beuteselektion w rde somit mehr durch Wendigkeit beim Schwimmen und weniger durch Schnabelgr ße bestimmt (PIERSMA 1988).
9.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Ohrentaucher ziehen berwiegend abends und nachts und verbergen sich während des Zuges tags ber meist schweigsam in der Vegetation (IL'IČEV & FLINT 1985). In der Brutzeit sind sie während der hellen Tagesstunden aktiv, rufen aber auch nachts. Ohrentaucher ruhen und schlafen schwimmend. Im Vergleich zu anderen Lappentau- chern fliegen Ohrentaucher häufiger und tauchen weniger.
156 9.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 9.6.1 Gefährdungsursachen Ohrentaucher sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen (Ostsee) - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Lebensraumbeeinträchtigung und St rung an den Brutgewässern, v.a. durch intensive Fischwirtschaft, Eutrophierung, Uferbebauung, Aufforstungen und andere anthropogene Aktivitäten - Versauerung der Gewässer in N-Europa
9.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Ohrentaucher gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Ohrentaucher weisen eine hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr auf. Zwar ist die Fluchtdistanz relativ gering, doch fliegen Ohrentaucher vor sich nähernden Schiffen fast immer auf (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). Dies kann in Gebieten mit hoher Schiffsintensität zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes f hren, falls diese aufgrund der hohen St rwirkung gemieden werden. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Innerhalb der Rastgebiete auf dem Meer bewegen sich Ohrentaucher meist schwim- mend fort. Der Wechsel zwischen verschiedenen Rastgebieten erfolgt vermutlich meist fliegend. Der Zug findet berwiegend abends und nachts statt, die Man vrierfähigkeit ist eher mäßig. Die Art ist daher empfindlich gegen ber einer Kollision mit techni- schen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Ein Wert im Windenergie- Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) wurde nicht berechnet. Offshore- Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuchwirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewir-
157 kung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. In ihren winterlichen Rastgebieten erbeuten Ohrentaucher ihre Nahrung berwiegend tauchend und sind somit besonders anfällig daf r sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer starken Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetzfischerei kann es daher zu hohen Zahlen ertrunkener Tiere kommen, da die d nnen Monofila- ment-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Sie sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfischerei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenli- nie. In diesen Gebieten halten sich im Winter und insbesondere im Fr hjahr gleichzei- tig auch Ohrentaucher auf. Nahrungsuntersuchungen an Beifangopfern aus diesen Netzen vor der Insel Usedom zeigten, dass das Beutespektrum nahezu ausschließlich aus kommerziell ungenutzten Fischarten besteht (SONNTAG et al. unver ffentl.), so dass Ohrentaucher und Stellnetzfischerei nicht um die gleiche Ressource konkurrieren oder die in den Netzen gefangenen Fische eine Attraktionswirkung auf nahrungssu- chende V gel aus ben. Vielmehr verfangen sich Ohrentaucher allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Im Winterhalbjahr sind Ohrentaucher in der Pommerschen Bucht stark auf den Bereich der Oderbank konzentriert. Diese Konzentration sowie der hohe Zeitanteil, den die Tiere rastend auf dem Wasser verbringen, machen die Art sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzungen, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Nach gegenwärtigem Kenntnisstand besteht die Nahrung der Ohrentaucher auf der deutschen Ostsee berwiegend aus kommerziell unbedeutenden Arten (s. Kapitel 9.5.6), so dass momentan kein Konflikt mit der derzeit bestehenden Fischerei hinsichtlich der Konkurrenz um Ressourcen besteht. Eine Verkleinerung oder
158 Zerst rung des Habitats dieser bodenbezogen lebenden Hauptbeutearten durch Eingriffe in den Meeresboden, wie z.B. Sedimentabbau oder Materialverklappung, kann jedoch zu einer Verschlechterung der Nahrungssituation f r Ohrentaucher f hren. Ohrentaucher beginnen bereits im zweiten Lebensjahr mit der Brut und haben meist eine relativ hohe Anzahl an Jungv geln. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste vermutlich bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, wenn ein umfassender Schutz an den Brutgewässern gewährleistet ist. In Deutschland br ten nur vereinzelt Paare in Schleswig-Holstein, wodurch sich die Einstufung in der Roten Liste als „selten, mit geografischer Restriktion“ ergibt (Tab. 9-3). Ein nur geringer Brutbestand birgt stets die Gefahr des Aussterbens einer Brutvogelart durch negative Einfl sse auf die wenigen Brutgebiete. F r Mitteleuropa werden insbesondere intensive Fischwirtschaft, Eutrophierung oder Versauerung der (Brut-) Seen, Uferver- bauung und St rungen als Gefährdungen an den Brutgewässern genannt (BAUER et al. 2005). Auf der deutschen Ostsee sind Ohrentaucher insbesondere auf das Gebiet rund um die Oderbank konzentriert. Hier befindet sich das bisher beständigste und zahlenstärkste Vorkommen, das mit einem Anteil von bis zu 3,5 % an der biogeografischen Populati- on (s. Tab. 9-2) auch im internationalen Kontext von großer Bedeutung ist. Diese Kon- zentration bedingt einerseits eine große Empfindlichkeit insbesondere gegen ber den beschriebenen Gefahren durch Stellnetzfischerei und Ver lung. Da das Vorkommen jedoch gr ßtenteils innerhalb des SPAs „Pommersche Bucht“ liegt, besteht hier andererseits aber auch die Chance eines umfassenden Schutzes f r die Art. Der Ohrentaucher ist auf dem Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistet und in die SPEC-Kategorie 3 als Art mit ung nstigem Erhaltungszustand in Europa eingestuft (Tab. 9-3). Der Status in Europa wird vorläufig als „abnehmend“ eingestuft (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004).
Tab. 9-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Ohrentaucher in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R entfällt R entfällt entfällt entfällt Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I 3 II II +
159 9.7 Erfassung Schiffs-und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Flugzeug aus meist schwer zu entdecken, insbesondere in Gebieten mit hohen Vogeldichten K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
9.8 Forschungsbedarf - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Ostsee berwin- ternden Individuen - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Identifizierung von Mauservorkommen auf See - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
160 10 Sterntaucher
Gavia stellata (Pontoppidan 1763)
GB: Red-throated Diver NL: Roodkeelduiker
DK: R dstrubet lom Foto: J.O. Kriegs S: Smålom Abb. 10-1: Sterntaucher PL: Nur rdzawoszyi
10.1 EU-Code A001
10.2 Systematik Ordnung: Gaviiformes - Seetaucher Familie: Gaviidae - Seetaucher
10.3 Kennzeichen Kleinster Seetaucher mit meist schlanker Statur, flacher Stirn und schlankem, aufgeworfenem Schnabel. Im PK rostroter Vorderhals, kann aus Entfernung schwarz wirken; einfarbig grau-braune Oberseite ohne weiße Musterung; scharfe Grenze zwischen Halsfärbung und weißer Brust. Im SK mit sehr hellem Kopf- und Halsbe- reich (mehr als die Hälfte des Halses in Seitenansicht weiß, auch von hinten zu erkennen); gräuliche Oberseite fein weiß gesprenkelt; Flankenlinie (wenn berhaupt) als weißes, dunkel geflecktes Band ber der Wasserlinie sichtbar. Verwechslungsm glichkeiten: mit Prachttaucher. Schwimmende V gel auf geringe Entfernung im PK anhand unterschiedlicher Gefiederfärbung, im SK anhand der Kopfform und der Verteilung heller und dunkler Gefiederpartien gut unterscheidbar. Auf gr ßere Entfernung im Flug meist nur bei guten Beobachtungsbedingungen unterscheidbar. Sterntaucher mit d nnerem, meist leicht durchhängendem Hals, aber Schnabel oft hochgehalten, daher bucklige Erscheinung; F ße kurz, berragen Schwanz nur wenig, Fl gel scheinen daher etwas hinter der K rpermitte anzusetzen. Zu beachten: Überschneidungsbereiche zwischen Stern- und Prachttauchern in Gr ße und Statur m glich.
161 10.4 Verbreitung / Bestand 10.4.1 Welt / Europa Sterntaucher sind ber die ganze arktische sowie ber weite Teile der borealen Zone Eurasiens und Nordamerikas verbreitet. Sie br ten von Island ber N-Großbritannien bis nach Fennoskandien, in Sibirien und im arktischen Nordamerika. Westpaläarkti- sche V gel berwintern gr ßtenteils auf der Nord- und Ostsee sowie an der Atlantik- k ste Norwegens, Großbritanniens und Frankreichs bis zur Biskaya. In kalten Wintern wandern Sterntaucher auch bis an die Nordk ste des Mittelmeeres. Die stlichen Populationen berwintern im Schwarzmeer- und im Kaspigebiet. Nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) beträgt der Weltbestand der Sterntaucher 200.000-590.000 Individuen. Der europäische Brutbestand beträgt 32.000-92.000 Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Mitteleuropa kommen Sterntaucher regelmäßig als Durchz gler und Wintergäste sowie selten als Übersommerer vor. In Europa werden zwei biogeografische Popula- tionen unterschieden (Tab. 10-1).
Tab. 10-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeogra- fischen Populationen der Sterntaucher (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Arktisches und NW-Europa boreales W- 150.000- G. stellata (außerhalb NW-Europa stabil 3.000 Eurasien, 450.000 Brutzeit) Gr nland Kasp. Meer, Kasp. Meer, Schw. Meer, Arktisches Schwarzes G. stellata O-Mittelmeer Zentral- 50-100 k.A. 1 Meer, O- (außerhalb Eurasien Mittelmeer Brutzeit)
10.4.2 Deutschland Status: Wintergast, Durchz gler und seltener Sommergast auf Nord- und Ostsee; vereinzelte Rastvorkommen auf Gewässern im Binnenland. Die in Deutschland vorkommenden Sterntaucher geh ren zur biogeografischen Population „NW-Europa“. Sterntaucher br ten nicht in Deutschland, sondern halten sich dort lediglich während der Zugzeiten und im Winter sowie selten auch im Sommer auf. Während im Binnenland nur wenige Individuen berwintern – es handelt sich mit Ausnahme der
162 großen Voralpenseen dabei m eist zelnenur um V gel ein (Abb. 10-3) – halten sich auf Nord- und Ostsee deutlich h here Anzahlen auf (Abb. 10-2). Die Brutgebiete, aus denen die in der deutschen Nord- und Ostsee vorkommenden Sterntaucher stammen, erstrecken sich Ringfunden zufolge von Gr nland und Island ber Skandinavien bis N- Russland (WERNHAM et al. 2002). Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 6.800 Individuen (DDA unver ffentl., Tab. 10-2 und 10-3). Dies entspricht ca. 2,3 % der biogeografischen Population „NW-Europa". Nordsee Von den beiden Seetaucher-Arten ist der Sterntaucher auf der deutschen Nordsee deutlich häufiger als der Prachttaucher. Im Winter beträgt ihr Anteil an den bei SAS- Zählungen sicher auf Artniveau bestimmten Seetauchern ca. 92 %, im Fr hjahr ca. 89 % (GARTHE 2003a). Sterntaucher kommen vom Herbst bis zum Fr hjahr auf der deutschen Nordsee vor (Tab. 10-2). Im Herbst baut sich das Wintervorkommen mit zunächst vereinzelten Vorkommen im K stengebiet langsam auf. Im Winter kommen Sterntaucher dann nahezu im gesamten K stenbereich vor Schleswig-Holstein in geringen Dichten vor. In den niedersächsischen Hoheitsgewässern ist die Verbreitung l ckiger. In der AWZ befindet sich der Verbreitungsschwerpunkt mit z.T. hohen Dichten westlich von Schleswig-Holstein im Seevogelschutzgebiet „Östliche Deutsche Bucht“. Im Fr hjahr sind Sterntaucher entlang des gesamten K stenstreifens verbreitet, h here Konzentra- tionen k nnen lokal n rdlich der Ostfriesischen Inseln auftreten. Das Vorkommen erstreckt sich stärker als im Winter weit in die Offshore-Bereiche der AWZ hinein, mit teilweise flächigen Vorkommen bis zu einer Entfernung von 100 km von der K ste. Die h chsten Konzentrationen befinden sich im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ sowie westlich daran anschließend. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ halten sich Sterntaucher im Winter und Fr hjahr regelmäßig in gr ßerer Anzahl auf (Tab. 10-2). Ab August setzt der Wegzug aus den Brutgebieten ein. Während im September und Oktober noch kein nennenswerter Rastbestand im SPA vorkommt, nimmt das Vorkommen ab November deutlich zu. Im Fr hjahr werden die h chsten Anzahlen erreicht. Der Wegzug aus dem SPA erstreckt sich bis in den Mai, von Juni bis August halten sich dort keine Sterntaucher regelmä- ßig auf.
163 Abb. 10-2: Verbreitung der Sterntaucher auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr. Die Daten aus der Nordsee basieren auf Flugzeugtransektzählungen (Bezugs- zeitraum 2002-2006), die Daten aus der Ostsee auf Schiffstransektzählungen (Be- zugszeitraum 2000-2006).
Abb. 10-3: Verbreitung der Sterntaucher in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
164 Tab. 10-2: Rastbestandszahlen der Sterntaucher f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Flugzeugtransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugs- zeitraum: 2002-2006) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Flugzeugtransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 2002-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 16.500 5,5 13.000 4,3 3.300 1,1 Sommer 0 0,0 0 0,0 0 0,0 Herbst 200 0,1 0 0,0 0 0,0 Winter 3.600 1,2 1.900 0,6 540 0,2
Ostsee Im Winter sind Sterntaucher auf der deutschen Ostsee in geringen Dichten weit verbreitet. Hohe Konzentrationen halten sich in der Mecklenburger Bucht auf, zudem gibt es gehäufte Vorkommen in der Pommerschen Bucht, insbesondere im K stenbe- reich von R gen und im Bereich der Oderbank. Kleinere Vorkommen befinden sich in der Kieler Bucht, n rdlich von Darß und Zingst und im AWZ-Bereich n rdlich von R gen. Im Fr hjahr liegt der Verbreitungsschwerpunkt in der Pommerschen Bucht. Besonders hohe Konzentrationen k nnen kurzfristig im K stenbereich von R gen, v.a. am Eingang zum Greifswalder Bodden, auftreten. Im Westteil der deutschen Ostsee gibt es kleinere Vorkommen insbesondere in der Kieler und Mecklenburger Bucht. Im Sommer kommen Sterntaucher nur sehr vereinzelt und unregelmäßig auf der deut- schen Ostsee vor. Auch im Herbst gibt es bisher nur wenige Nachweise. Im SPA „Pommersche Bucht“ halten sich Sterntaucher von November bis Juni auf. Während des Fr hwinters im November und Dezember sind noch relativ wenige Tiere anwesend, im Januar und Februar nehmen die Bestände zu. Die gr ßten Anzahlen werden im März und April erreicht, im Mai und Juni sind die Bestände wieder deutlich kleiner. F r die Zeit von Juli bis September gibt es bisher keine Nachweise von Sterntauchern im SPA (Tab. 10-3).
165 Tab. 10-3: Rastbestandszahlen der Sterntaucher f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitrum 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 9.000 3,0 2.200 0,7 750 0,3 Sommer III <0,1 III <0,1 III <0,1 Herbst 210 0,1 III <0,1 0 0,0 Winter 3.200 1,1 550 0,2 III <0,1
10.4.3 Bestandsentwicklung Eine vollständige Bestandserfassung in den Brutgebieten ist nicht durchf hrbar. Daher sind die Angaben der Brutbestandsentwicklung mit starken Unsicherheiten behaftet: Zwischen 1970 und 1990 gab es in Fennoskandien und Russland starke Bestandsr ck- gänge. Derzeit gibt es dort nur noch gebietsweise Bestandsabnahmen. In vielen anderen Ländern ist der Bestand eher stabil und in Großbritannien sogar zunehmend. Im Vergleich zum 19. Jh. sind die Gesamtbestände jedoch derzeit trotz einer Redukti- on der Jagd noch immer stark dezimiert (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Informati- onen ber die Entwicklung der Rastbestände in deutschen Meeresgebieten liegen bislang nicht vor, da die Offshore-Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
10.5 Biologie / Ökologie 10.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie
Geschlechtsreife: vermutlich meist mit 3 Jahren (HEMMINGSSON & ERIKSSON 2002) Paarbildung: monogame Saisonehen, z.T. Dauerpaare wegen Brutortstreue Brutzeit: Legebeginn ab Mai in N-Großbritannien, in W-Sibirien ab Mitte Juni; Brutdauer 26-28 Tage; beide Eltern br ten Gelege: 2 Eier, selten 1 oder 3; 1 Jahresbrut; Nachgelege m glich K ken: beide Eltern f hren K ken, diese k nnen ab 4-6 Wochen meist selbständig fressen und sind nach 38-48 Tagen fl gge
166 10.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 7 Jahre Ältester Ringvogel: 23 Jahre 7 Monate Sterblichkeit: 1. und 2. KJ: 38-40 %; Adulte: 16 % (HEMMINGSSON & ERIKSSON 2002). 10.5.3 Mauser Die 1. Postnuptialmauser (Vollmauser) während des ersten Lebensjahres verläuft wie bei den Altv geln, jedoch beginnt die synchrone Schwingenmauser bereits im August bis September. Immature und nichtbr tende V gel verbleiben zu dieser Vollmauser auf dem Meer (WOOLFENDEN 1967). Im Gegensatz zu anderen Seetaucherarten, die ihre Schwingen vor dem Heimzug erneuern (s. Prachttaucher), beginnt die Vollmauser der adulten Sterntaucher mit dem Ausfall der Schwingen meist Ende September. Vor Schleswig-Holstein und Dänemark erreicht die Schwingenmauser der dort rastenden Sterntaucher Anfang Oktober / Anfang November ihren Gipfel (Mausergebiete vor Nordfriesland und S dj tland, BERNDT & DRENCKHAHN 1990). Zu dieser Zeit sind Sterntaucher 2-3 Wochen flugunfähig und besonders empfindlich gegen ber St run- gen (Abb. 10-4).
1.KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 10-4: Mauserzyklus der Sterntaucher. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
10.5.4 Wanderungen Sterntaucher sind Standv gel, Teilzieher oder Kurzstreckenzieher. Sie ziehen häufig in H hen unter 50 m ber das Meer, berwiegend einzeln oder in kleinen Trupps bis zu zehn V geln (DIERSCHKE 2002). Viele Sterntaucher verlassen schon im August / September ihre Brutgebiete, andere erst, wenn sie durch die Eisbedeckung keine offenen Wasserflächen mehr finden. Die Hauptzugrichtung der Brutv gel Fennoskandiens und stlich angrenzender Gebiete verläuft auf dem Wegzug in s d- bis s d stlicher Richtung. Der Heimzug in die Brutgebiete findet meist zwischen Februar und April statt. Je nach geografischer Lage des Brutgebietes kommen die Sterntaucher dort zwischen April und Juni an. Junge, nichtbr tende V gel halten sich in ihrem ersten, viele auch noch im zweiten Lebens-
167 jahr, in Meeresgebieten auf. Gelegentlich verweilen auch adulte V gel im Sommer in ihren Überwinterungsgebieten (HEMMINGSSON & ERIKSSON 2002).
Nach Beobachtungen bei Hiddensee (z.B. DIERSCHKE et al. 1995) und Fehmarn (BERNDT & DRENCKHAHN 1990) bzw. bei Helgoland (DIERSCHKE 2002) und in den Niederlanden (CAMPHUYSEN & VAN DIJK 1983) findet ein starker Zug an der deutschen Ostsee erst ab Oktober und an der Nordsee erst im November statt. Vor Hiddensee ist der Heimzug in Richtung der Brutgebiete bereits ab Ende Januar deutlich erkennbar (GARTHE et al. 2003a). Sterntaucher passieren die Insel Hiddensee während des Heimzuges in hoher Anzahl, während des Wegzuges hingegen kaum. Damit unterscheidet sich die Art auch deutlich vom Prachttaucher, dessen Wegzug fast ebenso stark ausgeprägt ist wie sein Heimzug (GARTHE et al. 2003a). Vor Helgoland waren ber 95 % der zwischen 1990-2001 durchziehend beobachteten Seetaucher Sterntaucher. Hochgerechnet auf die Dauer eines Jahres ziehen somit im Mittel ca. 27.400 Individuen an Helgoland vorbei (DIERSCHKE 2002).
10.5.5 Habitat Sterntaucher br ten bevorzugt an kleinen, sumpfig-flachen, stehenden Gewässern mit reicher Ufervegetation von der K ste bis ins Gebirge (zur Verbreitung s. Kapitel 10.4.1). Gelegentlich findet man auch Bruten an Flussläufen (HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Außerhalb der Brutzeit halten sich Sterntaucher vorwiegend auf dem Meer auf. Dabei scheinen sie Gebiete zu bevorzugen, in denen sich Fronten im Meer durch einfließendes S ßwasser von Fl ssen bilden (SKOV & PRINS 2001). Im Binnenland kann man Sterntaucher während dieser Zeit auch an langsam fließenden Fl ssen, Seen, Fischteichen und Stauseen finden.
10.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Sterntaucher sind berwiegend Fischfresser und erbeuten ihre Nahrung tauchend. Dabei wird der Vortrieb hauptsächlich durch die kräftigen Ruderf ße geleistet. Die Tauchtiefe liegt zwischen 2-9 m, die durchschnittliche Tauchdauer bei etwa einer Minute, kann jedoch 90 Sekunden erreichen (MADSEN 1957). Sterntaucher sind Nahrungsopportunisten. Ihr Beutespektrum spiegelt deshalb die lokale Fischfauna wider. Dennoch konnten zahlreiche Studien zeigen, dass insbesondere benthopelagi- sche Schwarmfische, z.B. Hering (Clupea harengus) und Dorsch (Gadus morhua), eine große Rolle spielen. Neben Fischen von meist bis 25 cm Länge kommen in den Brutgebieten auch Amphibien und kleinere Invertebraten im Nahrungsspektrum vor (BEZZEL 1985).
168 Ostsee MADSEN (1957) untersuchte 203 Sterntaucher, die er vor allem im Kattegat und in der Beltsee sammelte. Fisch war dort die einzige Nahrung. Dorsch stellte mit etwa 54 % die Hauptmenge der Nahrung, gefolgt von Grundeln (Gobiidae) (14 %), Hering (12 %) und Stichlingen (Gasterosteidae) (11 %). Weitere elf Fischarten wurden nachgewiesen.
ZYDELIS (2002) untersuchte 19 in Stellnetzen ertrunkene Sterntaucher, die entlang der K ste Litauens gesammelt wurden. Stint (Osmerus eperlanus) war die wichtigste Beute und stellte 75 % der konsumierten Fischbiomasse. Hering und Sprotte (Sprattus sprattus) umfassten 16 bzw. 6 % der Nahrung, daneben wurden Dreistachlige Stichlinge (Gasterosteus aculeatus) und Grundeln gefunden.
GUSE (2005) analysierte die Mageninhalte von 50 beigefangenen Sterntauchern, die aus der Stellnetzfischerei in der Pommerschen Bucht (deutsche Ostsee) stammten. Insgesamt stellten Hering 44 %, Zander (Sander lucioperca) 29 % und Kaulbarsch (Gymnocephalus cernuus) 16 % der Fischbiomasse. Es wurden signifikante saisonale Änderungen in der Nahrungswahl festgestellt. Während Barsche (Percidae), insbeson- dere Zander und Kaulbarsch, 86 % der Biomasse im Winter 2002 ausmachten, dominierten Heringsfische (Clupeidae), insbesondere Laichheringe zwischen 20 und 29 cm Länge, die Nahrung in den Fr hjahren 2003 und 2004. Clupeiden machten 84 bzw. 91 % der Nahrung aus. Insgesamt konnten elf verschiedene Fischarten identifi- ziert werden. Nordsee DURINCK et al. (1994a) untersuchten die Mageninhalte von acht Sterntauchern, die im Winter bei Hanstholm (dänische Nordseek ste) in Stellnetzen ertranken. 21 % der gefundenen Nahrung bestand aus Hering, 20 % aus Stichlingen, 17 % aus unbestimm- ten Gadiden, 10 % aus unbestimmten Fischen. Neben acht weiteren Fischarten wurden auch Tintenfische (3 %) nachgewiesen.
10.5.7 Sonstige Verhaltensweisen In Gebieten mit 24 Stunden Helligkeit sind Sterntaucher zur Brutzeit ganztägig aktiv. Während der Nahrungserwerb dort zu allen Tageszeiten stattfinden kann, balzen die V gel berwiegend nachts. Der Zug spielt sich meist tags ber, aber auch nachts ab. Beobachtungen am Feuerschiff „Fehmarnbelt“ ergaben, dass die beobachteten Sterntaucher gr ßtenteils in H hen von 6-15 m flogen (Erfassungszeitraum: September 1956 bis Mai 1957). Durch weitere Beobachtungen auf Wangerooge wurde festge- stellt, dass die Flugh he mit der Windrichtung zusammenhängt: Bei Gegenwind fliegen Sterntaucher meist flach ber das Wasser, bei starkem R ckenwind jedoch
169 bevorzugt in H hen ber 12 m (KRÜGER & GARTHE 2001). Sterntaucher schlafen auf dem Wasser schwimmend.
10.6. Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 10.6.1 Gefährdungsursachen Sterntaucher sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - Reduzierung des Nahrungsangebotes (z.B. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Fischerei bzw. Kies- und Sandabbau) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf:
- Forstwirtschaftliche Entwässerung (TUCKER & HEATH 1994) - Saurer Regen an den Brut- und Nahrungsgewässern: sinkende Fischbestände, kritisch hohe Quecksilberkonzentrationen (ERIKSSON & SUNDBERG 1991) - Jagd (in einigen Gebieten)
10.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Sterntaucher gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Sterntaucher weisen eine sehr hohe Fluchtdistanz gegen ber sich nähernden Schiffen auf und fliegen meist in sehr großer Entfernung auf (z.B. GARTHE et al. 2004, BELLEBAUM et al. 2006, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren, wie sie durch Untersuchungen aus der Nordsee belegt ist (z.B. HÜPPOP et al. 1994), und somit eine Verkleinerung und Zerschneidung von (potentiellen) Rastgebieten bedingen. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsverkehr zu einer Einschränkung des Lebensraumes der Sterntaucher f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren.
170 Aufgrund ihrer schlechten Man vrierfähigkeit und ihrer ausgeprägten Flugaktivität zwischen verschiedenen Rast- und Nahrungsgebieten sind Sterntaucher sehr anfällig gegen ber einer Kollision mit Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen. Nach dem Prachttaucher besitzt die Art den h chsten Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) und ist somit als sehr empfindlich einzustufen. Die hohe Scheuchwirkung von Offshore-Windparks auf Sterntaucher kann zu weitreichendem Habitatverlust f hren, wie von DIERSCHKE et al. (2006b) f r die Nordsee gezeigt wurde. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. Bei Horns Rev (Dänemark) konnte eine Meidung des dortigen Windparks durch Sterntaucher noch in 4 km Entfernung zu den Anlagen beobachtet werden, auch Kollisionen mit Windkraftanlagen wurden doku- mentiert (zusammengestellt in DIERSCHKE & GARTHE 2006). Da Sterntaucher ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie besonders anfällig daf r sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfi- scherei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie. In diesen Gebieten kommen im Winter und Fr hjahr auch Sterntaucher in z.T. sehr großer Anzahl vor. Allein vor der Insel Usedom (s dliche Ostsee) zählte SCHIRMEISTER (2003) bei einem nur kleinen Teil der dort tätigen Stellnetzfischer in 12 Wintern 370 ertrunkene Sterntaucher. Mageninhalts- untersuchungen an diesen Beifängen aus Dorsch- und Zandernetzen zeigten, dass ein hoher Anteil des Beutespektrums aus kommerziell ungenutzten Fischarten besteht, daneben wurden insbesondere im Fr hjahr auch viele Heringe erbeutet (GUSE 2005, FTZ unver ffentl.). Dies zeigt, dass Sterntaucher und Stellnetzfischerei nicht zwangsläufig um die gleiche Ressource konkurrieren oder gar eine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben ist. Vielmehr verfangen sich Sterntaucher allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Das gebietsweise konzentrierte Vorkommen sowie der hohe Zeitanteil, den die Tiere rastend auf dem Wasser verbringen, machen Sterntaucher sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzungen, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen
171 („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Bei Sp lsaumfunden entlang der deutschen Nordseek ste wiesen Sterntaucher im Winter 2001 / 02 die h chste Ver lungsrate aller erfassten Vogelarten auf: 84 % aller gefundenen Sterntaucher waren ver lt (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufge- nommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsun- fälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Aufgrund ihrer Vermehrungsstrategie mit einer hohen Überlebensrate adulter Tiere, aber einer späten Geschlechtsreife und niedrigen Fortpflanzungsrate, geh ren Sterntaucher zu den Arten, die Mortalitätsverluste in der Population nur schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die Populationsdynamik. Sterntaucher sind in die SPEC-Kategorie 3 als Art mit ung nstigem Erhaltungszustand in Europa eingestuft und im Anhang I der EU- Vogelschutzrichtlinie gelistet (Tab. 10-4).
Tab. 10-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Sterntaucher in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + entfällt entfällt entfällt entfällt IntV IntV Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I 3 II II +
10.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Schiff aus oft schwer zu entdecken, besonders bei ung nstigen Zählbedingungen; meist hohe Fluchtdistanz vor sich näherndem Schiff. Vom Flugzeug aus jedoch Stern- und Prachttaucher meist nicht auf die Art bestimmbar, vom Schiff aus Artbestimmung besser m glich
172 K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
10.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Nord- und Ostsee berwinternden Individuen - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Identifizierung von Mauservorkommen auf See - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Nordsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
173 11 Prachttaucher
Gavia arctica (Linnaeus 1758)
GB: Black-throated Diver NL: Parelduiker DK: Sortstrubet lom S: Storlom Foto: H.G. Arndt PL: Nur czarnoszyi Abb. 11-1: Prachttaucher im SK
11.1 EU-Code A002
11.2 Systematik Ordnung: Gaviiformes - Seetaucher Familie: Gaviidae - Seetaucher
11.3 Kennzeichen Groß und massig wirkender Seetaucher mit im Vergleich zum Sterntaucher dickerem Hals und kräftig vorgew lbter Brust. Schnabel gerade und dolchf rmig, Stirn oft steil. Im PK schwarzer Vorderhals und weiß gew rfelte Oberseite; unscharfe Grenze zwischen Halsfärbung und weißer Brust. Im SK mindestens die Hälfte der Halsseiten dunkel, weiß von hinten nicht sichtbar. Im Schwimmen meist ein weißer Fleck auf den hinteren Flanken auffallend. Verwechslungsm glichkeiten: mit Sterntaucher; schwimmende V gel auf geringe Entfernung im PK anhand unterschiedlicher Gefiederfärbung, im SK anhand der Kopfform und der Verteilung heller und dunkler Gefiederpartien gut unterscheidbar. Auf gr ßere Entfernung im Flug meist nur bei guten Beobachtungsbedingungen bestimmbar. Prachttaucher mit dickerem Hals und meist kräftigerer Statur, Schnabel und Hals meist waagrecht gehalten; weniger bucklige Erscheinung; große, keulenf r- mige F ße, berragen den Schwanz deutlich, die Fl gel scheinen daher in der K rpermitte anzusetzen. Zu beachten: Überschneidungsbereiche in Gr ße und Statur m glich.
174 11.4 Verbreitung / Bestand 11.4.1 Welt / Europa Prachttaucher br ten in der borealen und arktischen Zone von NW-Europa bis NO- Sibirien und NW-Alaska. Es werden zwei Unterarten unterschieden: G. a. arctica kommt in NW-Europa bis W-Sibirien (Lena, Baikalsee) vor, G. a. viridigularis schließt sich ostwärts an und ist bis nach W-Alaska verbreitet. Während G. a. arctica sowohl in den K stengebieten von NW-Europa als auch im Mittelmeer, im Schwarz- meer und im Kaspischen Meer berwintert, kommt G. a. viridigularis außerhalb der Brutzeit im NW-Pazifik vor. Der Weltbestand wird auf 275.000-1,5 Mio. geschätzt (nach WETLANDS INTERNATIONAL 2006). G. arctica bildet mit G. pacifica (Ostasien, Nordamerika) eine Superspezies. In Mitteleuropa sind Prachttaucher der Nominatform regelmäßige Durchz gler und Wintergäste. Insbesondere auf der Ostsee bersommern regelmäßig nichtbr tende Individuen. Der europäische Brutbestand wird auf 51.000-92.000 Paare geschätzt (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Alle in Europa auftretenden Prachttaucher werden derselben biogeografischen Population zugeordnet (Tab. 11-1).
Tab. 11-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu der in Europa vorkommenden Unterart der Prachttaucher (WETLANDS INTERNATIONAL 2006) Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium K sten NW- Europas G. a. N-Europa & 250.000 - - Mittelmeer, abnehmend 3.750 arctica W-Sibirien 500.000 Schwarzes & Kasp. Meer
11.4.2 Deutschland Status: Wintergast, Durchz gler und seltener Sommergast auf Nord- und Ostsee; regelmäßige Rastvorkommen auf Gewässern im Binnenland. Die in Deutschland vorkommenden Prachttaucher geh ren zur Unterart G. a. arctica und werden der entsprechenden biogeografischen Population zugeordnet. Prachttaucher br ten nicht in Deutschland, sondern halten sich dort v.a. während der Zugzeiten und im Winter auf. Auf der Ostsee gibt es einen kleinen Sommerbestand in der Pommerschen Bucht, auf der Nordsee bersommern Prachttaucher nur sehr selten. Während im Binnenland nur wenige Individuen berwintern – es handelt sich mit Ausnahme der großen Voralpenseen dabei meist um einzelne V gel (Abb. 11-3) –
175 halten sich auf Nord- und Ostsee deutlich h here Anzahlen auf (Abb. 11-2). Während des Herbstzuges rasten hingegen auf den großen (Tagebau)Seen im Osten Deutsch- lands teilweise mehrere hundert Individuen (ULBRICHT 2005). Die Brutgebiete aus denen die in der deutschen Nord- und Ostsee vorkommenden Prachttaucher stammen, erstrecken sich Ringfunden zufolge von Skandinavien bis N- Russland (WERNHAM et al. 2002). Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 2.700 Individuen (DDA unver ffentl., Tab. 11-2 und 11-3). Dies entspricht ca. 0,7 % der biogeografischen Population. Nordsee Prachttaucher kommen auf der deutschen Nordsee in deutlich geringerer Anzahl vor als Sterntaucher. Im Winter beträgt ihr Anteil an den bei SAS-Zählungen sicher auf Artniveau bestimmten Seetauchern ca. 8 %, im Fr hjahr steigt der Anteil auf 11 % (Schiffstransektzählungen; GARTHE 2003a). Nach derzeitigem Kenntnisstand entsprechen die großräumigen Verbreitungsmuster der Prachttaucher auf der deutschen Nordsee denjenigen der Sterntaucher: Vereinzelte Vorkommen im K stenbereich im Herbst, im Winter geringe Dichten im nahezu gesamten K stenbereich Schleswig-Holsteins und eher l ckenhafte Verbreitung entlang der K ste Niedersachsens, im Fr hjahr Verbreitung entlang des gesamten K stenstreifens und in den Offshore-Bereich der AWZ mit Schwerpunkt SPA „Östliche Deutsche Bucht“. Im Fr hjahr werden die h chsten Anzahlen erreicht (Tab. 11-2), im Sommer kommen Prachttaucher h chstens vereinzelt auf der deutschen Nordsee vor. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurden Prachttaucher bisher nur im Winter und Fr hjahr beobachtet, wobei das Hauptvorkommen im Fr hjahr auftritt (Tab. 11-2).
Tab. 11-2: Rastbestandszahlen der Prachttaucher f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Flugzeugtransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugs- zeitraum: 2002-2006) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Flugzeugtransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 2002-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 2.000 0,5 1.600 0,4 280 0,1 Sommer 0 0,0 0 0,0 0 0,0 Herbst III <0,1 0 0,0 0 0,0 Winter 300 0,1 170 <0,1 60 <0,1
176
Abb. 11-2: Verbreitung der Prachttaucher auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr. Die Daten aus der Nordsee basieren auf Flugzeugtransektzählungen (Bezugs- zeitraum 2002-2006), die Daten aus der Ostsee auf Schiffstransektzählungen (Be- zugszeitraum 2000-2006).
Abb. 11-3: Verbreitung der Prachttaucher in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
177 Ostsee Prachttaucher haben ihren Verbreitungsschwerpunkt im Ostteil der deutschen Ostsee. Im Winter halten sie sich weit verbreitet in der Pommerschen Bucht im K stenbereich von R gen, auf der Oderbank und am Adlergrund sowie westwärts bis zum Darß in geringen bis mittleren Dichten auf. In der westlichen Ostsee gibt es eine Konzentration im Bereich der Sagasbank sowie Nachweise bei Fehmarn und in der Kieler Bucht. Zum Fr hjahr hin nimmt der Bestand ab, die Vorkommen befinden sich vor allem im k stenfernen Bereich der Pommerschen Bucht. Im Sommer gibt es ein kleines Vorkommen im Bereich der Oderbank. Im Herbst weisen Prachttaucher hohe Dichten im Bereich der Oderbank auf, auch aus der Tromper Wiek im Norden von R gen gibt es mehrere Nachweise. Im SPA „Pommersche Bucht“ halten sich Prachttaucher ganzjährig auf (Tab. 11-3). Während des Wegzuges aus den Brutgebieten im Herbst werden die h chsten Anzahlen erreicht, der Winterbestand ist deutlich geringer, im Fr hjahr gibt es wieder einen leichten Anstieg. Eine kleine Anzahl nichtbr tender Individuen hält sich im Sommer im SPA auf.
Tab. 11-3: Rastbestandszahlen der Prachttaucher f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum 2000-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 1.900 0,5 1.100 0,3 310 0,1 Sommer 60 <0,1 50 <0,1 60 <0,1 Herbst 900 0,2 700 0,2 700 0,2 Winter 2.400 0,6 550 0,1 270 0,1
11.4.3 Bestandsentwicklung Eine vollständige Bestandserfassung in den Brutgebieten ist nicht durchf hrbar. Daher sind die Angaben der Brutbestandsentwicklung mit starken Unsicherheiten behaftet. In Russland, den Staaten des Baltikums und Fennoskandiens traten in den letzten 20-30 Jahren konstante leichte Bestandsabnahmen auf. In Großbritannien ist die Brutpopula- tion derzeit stabil. In Polen sind die Brutbestände weitgehend erloschen, allerdings existieren potentielle Brutgebiete im Nordosten des Landes, die unzureichend untersucht sind. Im masurischen Seengebiet sind zumindest Übersommerungen belegt. Seit Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es erste Bruten in Irland und wahrscheinlich in Tschechien. Trotz der seit 1990 stabilen (Schweden) oder leicht zunehmenden (Finnland) Brutbestände in einigen Brutgebieten, ist der Gesamttrend v.a. aufgrund der
178 R ckgänge in den wichtigen Brutgebieten Russlands und Norwegens r ckläufig (> 30 %, BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Informationen ber die Entwicklung der Rastbestände in deutschen Meeresgebieten liegen bislang nicht vor, da die Offshore- Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
11.5 Biologie / Ökologie 11.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie
Geschlechtsreife: nach 2-3 Jahren; im 5. Lebensjahr (HEMMINGSSON & ERIKSSON 2002) Paarbildung: monogame Dauerehen Brutzeit: Legebeginn ab Ende April bis Juni, je nach geogr. Lage; Brutdauer 27-30 Tage; beide Eltern br ten Gelege: 2 Eier, selten 1 oder 3; 1 Jahresbrut; bei fr hem Verlust Ersatzge- lege m glich K ken: beide Eltern f ttern K ken, nach 2-3 Tagen im Nest wechseln K ken auf das Wasser, sind 60-65 Tage von den Eltern abhängig
11.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 7 Jahre Ältester Ringvogel: mind. 28 Jahre Sterblichkeit: Adulte: 11 % pro Jahr; um eine stabile Population zu erhalten, m ssen alljährlich 0,4-0,5 Junge pro Paar fl gge werden (NILSSON 1977). HEMMINGSSON & ERIKSSON (2002) geben f r das 1. Lebensjahr eine Sterblichkeit von 60 % an, danach liegt sie bei ca. 20 %
11.5.3 Mauser Die Mauser vom Jugendkleid in ein sogenanntes Zwischenkleid und danach in das 1. Prachtkleid ist nicht sehr gut untersucht. Jedoch weiß man, dass die immaturen V gel aller Seetaucherarten ihre synchrone Schwingenmauser im Sommer oder Herbst durchf hren (WOOLFENDEN 1967). So mausern zweijährige Prachttaucher ihre Schwungfedern im Juni / August. Im Februar / Mai des 3. KJs beginnt die erste Vollmauser ins Prachtkleid, im Vergleich zu den adulten V geln vollzieht sich dies etwas später. Die Handschwingen mausern die dreijährigen V gel im April / Mai (IL’IČEV & FLINT 1985). Adulte V gel erneuern ihre Schwingen zwischen Februar und Ende April (Abb. 11-4). Die Schwungfedern werden bei Prachttauchern in ihren
179 Überwinterungsgebieten synchron ersetzt, so dass sie f r einige Wochen flugunfähig sind. In dieser Zeit sind Prachttaucher besonders empfindlich gegen ber St rungen.
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 11-4: Mauserzyklus der Prachttaucher. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
11.5.4 Wanderungen Prachttaucher sind Zugv gel und Teilzieher. Wichtige Winterquartiere befinden sich in den K stengewässern der westlichen Ostsee, auf der Nordsee und im Atlantik sowie im n rdlichen Mittelmeer, im Schwarzen und Kaspischen Meer. Die Hauptzugrichtung der in Fennoskandien und weiter stlich (Sibirien) beheimateten Brutpopulationen ist S-SO bis zur Ukraine, ins Schwarze Meer und bis Mittelsibirien. Brutv gel aus weiter westlich gelegenen Gebieten wandern m glicherweise nicht weit. Dieses Zugverhalten kann evtl. das auf der Ostsee nach Westen hin abnehmende Vorkommen der Pracht- taucher erklären. Im August setzt der Wegzug aus den Brutgebieten ein. Prachttaucher kommen ab September, meist aber erst im Oktober an den K sten Mitteleuropas an. Der Heimzug in die Brutgebiete beginnt Mitte April und kann bis in den Juni hinein dauern. Offenbar unterscheidet sich das Zugverhalten der einzelnen Populationen stark voneinander. Der s dwestliche Zug in die Winterquartiere kann vor Hiddensee von der zweiten Septemberhälfte bis Jahresende, vor allem zwischen Anfang Oktober und Mitte Dezember beobachtet werden (GARTHE et al. 2003a). Dieses Auftreten deckt sich zeitlich mit den teils beachtlichen Ansammlungen insbesondere auf ostsächsischen Gewässern, die offensichtlich noch innerhalb des Zugkorridors in die Winterquartiere liegen. Trotz attraktiver Gewässer im Westen Sachsens sind dort gr ßere Ansammlun- gen selten (ULBRICHT 2005). Der Heimzug in nord stliche Richtung vor Hiddensee erfolgt von Anfang Januar bis Ende März mit einer ähnlichen Intensität wie im Herbst (GARTHE et al. 2003a). Im stlichen Sachsen werden Prachttaucher dagegen im Fr hjahr deutlich seltener als im Herbst beobachtet (ULBRICHT 2005). Im Helgoländer Seegebiet machen Prachttaucher weniger als 5 % der hochgerechnet 27.400 Seetaucher aus, die das Gebiet jährlich berfliegen. Der Heimzug findet vor allem von März bis Ende Mai statt, der Wegzug von Mitte September bis Januar (DIERSCHKE 2002).
180 STEGEMANN & DEN OUDEN (1995) beobachteten an den n rdlichen Bereichen der niederländischen K ste die meisten heimziehenden Prachttaucher zwischen April und Ende Mai. Der Großteil dieser V gel befand sich bereits im Prachtkleid.
11.5.5 Habitat Prachttaucher br ten meist an stehenden Binnengewässern in der Tundra und in Hochmoorgebieten sowie in Koniferenbeständen (zur Verbreitung s. Kapitel 11.4.1). Auch flache Gewässer, Flussbuchten und Altarme werden gelegentlich genutzt. Die Brutgewässer sind meist gr ßer und tiefer als beim Sterntaucher. Gelegentlich br ten Prachttaucher auch an fischfreien Gewässern, so dass sie lange Nahrungsfl ge (bis zu 10 km) unternehmen m ssen. Auf oligotrophen Seen ist die Brutpaardichte deutlich h her als auf eutrophen Seen. Bevorzugt werden immer ungest rte Gewässer mit guter Nestdeckung, wie Ufervorspr nge und kleine Inseln (HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Außerhalb der Brutzeit halten sich Prachttaucher vor allem auf dem Meer, aber auch regelmäßig auf Binnengewässern auf. In der Deutschen Bucht ist eine Präferenz f r tr bes, mäßig salzreiches K stenwasser zu erkennen, mit Verdichtung der Vorkommen entlang von Fronten („estuarine fronts“; SKOV & PRINS 2001).
11.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Die Tauchgänge der Prachttaucher dauern im Schnitt etwa 45 Sekunden (max. zwei Minuten). Beim Tauchen wird Vortrieb vor allem durch die kräftigen Ruderf ße geleistet, teilweise unterst tzt durch die Fl gel. Prachttaucher ernähren sich berwie- gend von Fischen bis zu 25 cm Länge, insbesondere im Winter. Zur Brutzeit ernähren sie sich teilweise auch von Krebstieren, Mollusken und Wasserinsekten. Im marinen Bereich wurden insbesondere kleine Schwarmfische wie Grundeln (Gobiidae), Heringe (Clupea harengus), Sprotten (Sprattus sprattus) und Sandaale (Ammodytidae) als Nahrung nachgewiesen. In limnischen Bereichen wurden u.a. Barsche (Perca), Forellen (Salmo trutta) und Rotaugen (Rutilus rutilus) als Nahrung gefunden. Ostsee MADSEN (1957) untersuchte die Mageninhalte von 145 Prachttauchern aus dänischen Gewässern. Der Hauptteil der Tiere wurde im Bereich der Beltsee und des Kattegats gesammelt. Bei allen 123 Individuen, die Nahrungsreste in den Mägen hatten, konnten Fische als Beute nachgewiesen werden. 90 % der Nahrung bestand aus Dorschen (Gadus morhua), Grundeln und Stichlingen (Gasterosteus spec.). Dabei stellten Dorsche und Grundeln je ein Drittel der Nahrung. Während beim Dorsch oft nur einzelne Exemplare (bis zu 25 cm) nachgewiesen wurden, wurden die kleineren
181 Grundeln und Stichlinge offenbar in Schwärmen erbeutet, so dass in je einem Prachttaucher bis zu 140 Sandgrundeln (Pomatoschistus minutus) (2,5 bis 5 cm) und bis zu 200 Stichlinge nachgewiesen werden konnten. Dar ber hinaus wurden 12 weitere Grundfischarten gefunden, die zusammen jedoch weniger als 10 % der Nahrung ausmachten.
ZYDELIS (2002) untersuchte die Nahrung von zehn Prachttauchern, die in Stellnetzen entlang der litauischen K ste ertrunken waren. In neun Tieren konnte er Nahrungsreste nachweisen. Zährten (Vimba vimba) machten dabei den Hauptteil der Biomasse aus (46 %), gefolgt von Stinten (Osmerus eperlanus; 25 %) und Zandern (Stizostedion lucioperca; 15 %). Weitere Fischarten spielten eine geringere Rolle. Untersuchungen von 13 Prachttauchern, die in verschiedenen Wintern als Beifang in der Stellnetzfi- scherei in der Pommerschen Bucht starben, ergaben folgende Ergebnisse (FTZ unver ffentl.): Zander von 13 bis 23 cm Länge machten 29 % der konsumierten Biomasse aus, gefolgt von Grundeln von 3 bis 7 cm Länge (Pomatoschistus spec.; 28 %), Kaulbarschen (Gymnocephalus cernuus; 22 %) und Dreistachligen Stichlingen (Gasterosteus aculeatus; 18 %).
11.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Verschiedene Studien zeigen, dass sowohl Stern- als auch Prachttaucher zu allen Tageszeiten durch die s dliche Nordsee ziehen, jedoch die gr ßte Zugintensität meist in den ersten f nf Stunden der Tageslichtperiode stattfindet (Wangerooge: KRÜGER & GARTHE 2001; Helgoland: DIERSCHKE 2002; Niederlande: CAMPHUYSEN & VAN DIJK 1983). Beobachtungen bei Helgoland ergaben zudem, dass ziehende Pracht- und Sterntaucher meist tief fliegen, häufig dicht ber der Meeresoberfläche und nur selten in ber 50 m H he (20 % der Prachttaucher ber 50 m; DIERSCHKE 2002). Zur Brutzeit kommen Prachttaucher meist einzeln vor, auf dem Zug und im Winter oft in kleinen Trupps.
11.6. Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 11.6.1 Gefährdungsursachen Prachttaucher sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche)
182 - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - Reduzierung des Nahrungsangebotes (z.B. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Fischerei bzw. Kies- und Sandabbau) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf:
- Prädation und anthropogene St rungen (GÖTMARK et al. 1989) - Saurer Regen, Eutrophierung und Aufstauung von Brutgewässern zur Elektrizitätsgewinnung (Skandinavien; HAGEMEIJER & BLAIR 1997) - Hohe Quecksilberkonzentration in Eiern durch sauren Regen (Schweden; ERIKSSON et al. 1992)
11.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Prachttaucher gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Prachttaucher weisen meist eine hohe Fluchtdistanz gegen ber sich nähernden Schiffen auf (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). Diese Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren, wie sie f r Seetaucher durch Untersuchungen aus der Nordsee beschrieben ist (z.B. HÜPPOP et al. 1994), und somit eine Verkleinerung und Zerschneidung von (potentiel- len) Rastgebieten bedingen. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsver- kehr zu einer Einschränkung des Lebensraumes der Prachttaucher f hren. Häufige Fluchtreaktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringerter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Aufgrund der schlechten Man vrierfähigkeit und der hohen Flugaktivität zwischen verschiedenen Rast- und Nahrungsgebieten laufen Prachttaucher Gefahr, leicht mit Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore- Windenergieanlagen zu kollidieren. Prachttaucher besitzen den h chsten Wert des Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) und sind somit als sehr empfindlich einzustufen. Wie auch beim Sterntaucher (siehe DIERSCHKE et al. 2006b) kann die hohe Scheuchwirkung von Offshore-Windparks zu erheblichem Habitatverlust f r Prachttaucher f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision zudem durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann wiederum einen erh hten Energie- verbrauch und damit m glicherweise eine Konditionsminderung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität zur Folge haben. In Horns Rev (Dänemark) zeigten rastende Seetaucher eine starke Meidung des dortigen Windparks, bei Utgrunden
183 (Schweden) mieden vorbeifliegende Prachttaucher die Nähe zu den Anlagen (zusam- mengefasst in DIERSCHKE & GARTHE 2006). Da Prachttaucher ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie besonders anfällig daf r sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfi- scherei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere in den K stengewässern bis zur 10 m Tiefenlinie. In diesen Gebieten kommen im Herbst und Winter auch Prachttaucher in z.T. großer Anzahl vor. Mageninhaltsuntersuchungen an Prachttaucher-Beifangopfern aus Netzen vor der Insel Usedom zeigten, dass ein hoher Anteil des Beutespektrums dieser Art aus kommerziell ungenutzten und kleinen Fischarten besteht (FTZ unver ffentl.), so dass Prachttaucher und Stellnetzfischerei nicht zwangsläufig um die gleiche Ressource konkurrieren oder gar eine Attraktions- wirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben ist. Vielmehr verfangen sich die V gel lediglich aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Das gebietsweise konzentrierte Vorkommen sowie der hohe Zeitanteil, den die Tiere rastend auf dem Wasser verbringen, machen Prachttaucher sehr empfindlich gegen- ber Ölverschmutzungen, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Aufgrund ihrer Vermehrungsstrategie mit einer hohen Überlebensrate adulter Tiere, aber einer späten Geschlechtsreife und niedrigen Fortpflanzungsrate, geh ren Prachttaucher zu den Arten, die Mortalitätsverluste in der Population nur schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen
184 Einfluss auf die Populationsdynamik. Prachttaucher sind in die SPEC-Kategorie 3 als Art mit ung nstigem Erhaltungszustand in Europa eingestuft und im Anhang I der EU- Vogelschutzrichtlinie gelistet (Tab. 11-4).
Tab. 11-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Prachttaucher in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) VU entfällt entfällt entfällt entfällt IntV IntV Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I 3 II II +
11.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Schiff aus oft schwer zu entdecken, besonders bei ung nstigen Zählbedingungen; z.T. hohe Fluchtdistanz vor sich näherndem Schiff. Vom Flugzeug aus jedoch Pracht- und Sterntaucher meist nicht auf die Art bestimmbar, vom Schiff aus Artbestimmung besser m glich K sten-Wasservogelzählungen (bei k stennahem Vorkommen)
11.8. Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Nord- und Ostsee berwinternden Individuen - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Identifizierung von Mauservorkommen auf See - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Nordsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
185 12 Eissturmvogel
Fulmarus glacialis (Linnaeus 1761)
GB: Northern Fulmar NL: Noordse Stormvogel DK: Mallemuk S: Stormfågel Foto: S. Garthe PL: Fulmar Abb. 12-1: Eissturmvogel
12.1 EU-Code A009
12.2 Systematik Ordnung: Procellariiformes - R hrennasen Familie: Procellariidae - Sturmv gel
12.3 Kennzeichen R hrennase mit kräftigem Kopf und kurzem, dickem Hals und Schnabel; Mantel und Fl gel meist hell, mittelgrau mit diffus weißlichem Feld auf der Handfl gelbasis, Unterseite, Kopf und Hals weiß. Fl gelspitze stumpf; typische Flugweise mit steifen, ausgestreckten Fl geln, unterbrochen von einer Serie rascher, flacher Fl gelschläge. Schwimmt hoch im Wasser. Verschiedene Farbmorphen m glich.
12.4 Verbreitung / Bestand 12.4.1 Welt / Europa Eissturmv gel sind hocharktische Brutv gel, die mit zwei verschiedenen Unterarten vorkommen. Die Nominatform F. g. glacialis ist im Nordatlantik beheimatet, die V gel der Unterart F. g. rodgersii im Nordpazifik (nach BAUER et al. 2005).
BERNDT & DRENCKHAHN (1990) teilen die Eissturmv gel des Nordatlantiks, die oben als Nominatform beschrieben wurden, nochmals in zwei Unterarten ein: F. g. glacialis gilt hier als hocharktischer Brutvogel und hat ein dunkleres Gefieder und einen k rzeren Schnabel als F. g. auduboni, der z.B. von der Westk ste Gr nlands ber die Britischen Inseln bis Norwegen und auf Helgoland vorkommt. Nach MITCHELL et al.
186 (2004) wird der globale Bestand auf 5,4-7,1 Mio. Paare geschätzt. Mit dem Antarktis- Eissturmvogel F. glacialoides bildet F. glacialis eine Superspezies.
Der europäische Brutbestand beträgt 2,8-4,4 Mio. Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die wichtigsten Brutgebiete befinden sich auf Island (1-2 Mio. Paare, 1978- 1994), Spitzbergen (0,5-1 Mio. Paare, 1990-2001), auf den Fär er Inseln (600.000 Paare, 1995) und in Großbritannien / Nordirland (506.000 Paare, 1998-2002).
Nach W ETLANDS INTERNATIONAL (2006) wird f r Eissturmv gel keine biogeogra- fische Population definiert. MITCHELL et al. (2004) fassen als biogeografische Einheit jedoch den Brutbestand des Atlantiks zusammen (Tab. 12-1)
Tab 12-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zur atlantischen biogeografischen Population der Eissturmv gel (MITCHELL et al. 2004). Es handelt sich hierbei um br tende Alt- v gel, der Nichtbr teranteil wurde nicht ber cksichtigt. Art/ Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium F. g. Atlantik Atlantik k.A. 5,4-8,2 Mio. k.A. 20.000 glacialis
12.4.2 Deutschland Status: Brutvogel auf Helgoland, Durchz gler, Sommer- und Wintergast auf der Nordsee. Die in Deutschland vorkommenden Eissturmv gel geh ren zur biogeografischen Population „Atlantik“. Eissturmv gel br ten in Deutschland nur auf Helgoland. Im Jahr 2006 betrug der Brutbestand 102 Paare (O. HÜPPOP, pers. Mitt.). Während der Sommermonate sind Eissturmv gel auf der gesamten deutschen Nordsee verbreitet (Abb. 12-2), die Schwerpunkte befinden sich weit ab der K sten im Offshore-Bereich. Auch während der Wintermonate halten sich Eissturmv gel regelmäßig auf der Nordsee auf. Da es f r die Ostsee so gut wie keine Nachweise von Eissturmv geln gibt, ergibt sich der Rastbestand in Deutschland aus den Beständen auf der deutschen Nordsee (Tab. 12-2). Daten der deutschen Wasservogelzählung liegen f r Eissturmv gel nicht vor.
187
Abb. 12-2: Verbreitung der Eissturmv gel auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommer- halbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Eissturmv gel kommen das ganze Jahr ber in der Deutschen Bucht vor (Tab. 12-2). Im Sommer haben sie dort ihr Bestandsmaximum und sind in k stenfernen Bereichen fast flächendeckend in mittleren bis hohen Dichten anzutreffen. Die Verbreitung ist stark mit salzhaltigem und temperaturgeschichtetem Nordseewasser korreliert, das salzärmere und deutlich tr bere K stenwasser wird von Eissturmv geln stark gemieden (GARTHE 1996a, MARKONES 2003). Außerhalb des Sommers sind Eis- sturmv gel in der Deutschen Bucht in weitaus geringerer Häufigkeit zu beobachten. Das Grundmuster der Verbreitung ähnelt aber dem des Sommers, allerdings werden Eissturmv gel dann auch etwas häufiger in der k stennahen Zone angetroffen. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Eissturmv gel ganzjährig vor, der Rastbestand ist jedoch im Vergleich zum deutschen Nordseebestand sehr gering (Tab. 12-2).
Tab. 12-2: Rastbestandszahlen der Eissturmv gel f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitrum 1996-2005). Gr - ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 11.500 0,2 11.500 0,2 III <0,1 Sommer 40.000 0,6 40.000 0,6 100 <0,1 Herbst 24.000 0,4 24.000 0,4 100 <0,1 Winter 10.500 0,2 10.500 0,2 III <0,1
188 Ostsee Auf der deutschen Ostsee kommen Eissturmv gel allenfalls als Irrgast aus der Nordsee vor. Nach BERNDT & DRENCKHAHN (1990) gab es seit 1900 insgesamt 17 Nachweise auf der Ostsee. Im SPA „Pommersche Bucht“ wurden bislang keine Eissturmv gel beobachtet. F r Eissturmv gel wurden keine Bestandszahlen berechnet.
12.4.3 Bestandsentwicklung Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts br teten Eissturmv gel nur in Island und auf St. Kilda im NW Schottlands. Danach setzte eine der spektakulärsten Ausbreitungen und Bestandszunahmen ein, die f r V gel dokumentiert sind (MITCHELL et al. 2004). Die Fär er-Inseln und weite Teile Islands wurden bis Mitte des 19. Jahrhunderts besiedelt, die Insel Foula (Shetland) 1878. Im weiteren Verlauf breitete sich die Art auf fast alle K sten Schottlands sowie große Abschnitte der anderen K sten der Britischen Inseln aus; die Bestandszunahmen in Großbritannien betrugen ber mehrere Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts 7-8 % pro Jahr. 1960 wurde Frankreich erstmals besiedelt, 1972 Helgoland und 1998 Dänemark. In den letzten beiden Jahrzehnten kam es zu ersten Bestandsr ckgängen in N-Schottland, die aber durch deutliche Bestandszunahmen auf Island und Spitzbergen mehr als kompensiert wurden (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Auf Helgoland hat der Bestand der Eissturmv gel von 1972 (1 Paar) bis 2006 (102 Paare) fast kontinuierlich zugenommen (O. HÜPPOP pers. Mitt.). Die Gr nde f r die starke Ausbreitung und Bestandszunahme seit ber 200 Jahren werden ebenso wie die k rzlich beobachteten lokalen Bestandsr ckgänge kontrovers diskutiert und sind letztendlich nicht geklärt (MITCHELL et al. 2004).
12.5 Biologie / Ökologie 12.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: Erstbrut mit 6-12 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, z.T. längere Partnertreue nachgewiesen Brutzeit: Legebeginn Anfang / Mitte Mai bis Juni; Brutdauer 49-53 Tage; beide Eltern br ten Gelege: 1 Ei; 1 Jahresbrut, Nachgelege nicht bekannt K ken: beide Eltern f ttern, in ersten zwei Wochen sind K ken dauernd unter Aufsicht durch 1 Ad., Nestlingsdauer 46-51 Tage
12.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 31 Jahre
189 Ältester Ringvogel: lebend kontrolliert: 43 Jahre und 10 Monate Sterblichkeit: Überlebensrate von adulten Männchen: 97,1 %, von adulten Weibchen: 97,2 %. Lebenserwartung f r Männchen durchschnitt- lich 34 Jahre und f r Weibchen ca. 35,5 Jahre
12.5.3 Mauser Die Jugendmauser (Vollmauser) beginnt bei den Eissturmv geln erst im 2. KJ ab Mitte Mai und ist etwa im September beendet. Ab dem 3. KJ durchlaufen sie die Postnupti- almauser (Vollmauser) zwischen Juni und Februar, die somit noch während der Jungenaufzucht beginnt. Bei Brutv geln, erfolglosen Brutv geln und Nichtbr tern varriiert der Zeitpunkt der Großgefiedermauser (August bzw. schon Juni / Juli). Zuerst läuft die Erneuerung sehr rasch, meist werden 4-5 Handschwingen gleichzeitig gemausert. Dies f hrt dazu, dass Eissturmv gel in dieser Zeit in ihrer Man vrierfähig- keit eingeschränkt sind (C.J. CAMPHUYSEN pers. Mitt.).
12.5.4 Wanderungen Eissturmv gel sind Hochseev gel und halten sich ganzjährig auf dem offenen Meer auf, wobei sie nur zur Brutzeit vor bergehend an Land kommen. Außerhalb der Brutzeit vollziehen sie Streuungswanderungen auf der Nordhalbkugel. Nur selten treten sie dabei im Mittelmeer oder auf der Ostsee auf. In gemäßigten Breiten halten sich die Altv gel oft ganzjährig im gr ßeren Umkreis um ihre Brutgebiete auf und besuchen ihre Nistplätze sporadisch schon ab November / Dezember. Die Brutv gel der hocharktischen Gewässer verlassen diese jedoch bei Vereisung meist zwischen November und Februar und beginnen im März mit den ersten Koloniebesuchen. Jungv gel wandern aus den Brutkolonien weit ab und verteilen sich ber große Meeresgebiete. Wie Ringfunde belegen konnten, wanderten Jungv gel aus Kolonien in Großbritannien oder Irland ber den Altantik in Richtung Westen. Die intensivsten Zugbewegungen an der schleswig-holsteinischen und dänischen Westk ste stammen aus dem September und November (BERNDT & DRENCKHAHN 1990). Altv gel haben während der Brutzeit einen großen Aktionsradius und gehen z.T. auch mehrere hundert Kilometer von der Kolonie entfernt auf Nahrungssuche.
12.5.5 Habitat Eissturmv gel kommen nur zum Br ten an Land und halten sich ansonsten weit entfernt von K sten auf dem Meer auf. Sie br ten auf felsigen Inseln und K stenab- schnitten (zur Verbreitung s. Kapitel 12.4.1). In Spitzbergen gibt es allerdings auch Nistplätze, die etwa 10 km von der K ste entfernt im Binnenland liegen (in 1.300 m H he). In den Brutgebieten im Nordatlantik und Nordpazifik br ten sie in z.T. sehr
190 großen Kolonien. Auch während der Brutzeit fliegen Eissturmv gel zur Nahrungssu- che weit auf das Meer hinaus. Sie bevorzugen Meeresbereiche mit hohem Salzgehalt (> 33 psu), guter Sichttiefe (vor allem > 5 m Secchitiefe) und sommerlichen Tempera- turschichtungen (GARTHE 1998). In diesen marinen Bereichen wurden viele Eissturm- v gel von Fischereifahrzeugen angelockt und ernährten sich dort auch von dem Discard dieser Schiffe. Jedoch ist die Attraktionswirkung durch Fischereifahrzeuge nicht so groß, dass Eissturmv gel ihr bevorzugtes, sehr marin geprägtes Habitat verlassen, um in k stennäheren Gebieten mit großem Fischereiaufkommen Discard zu nutzen. Die Präferenz k stenferner, mariner Meeresbereiche deutet darauf hin, dass die Erreichbarkeit ihrer nat rlichen Beutefischarten eine wichtige Rolle bei ihrer pelagi- schen Verbreitung spielt (CAMPHUYSEN & GARTHE 1997).
12.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Eissturmv gel k nnen tags ber und nachts auf Nahrungssuche sein (FURNESS & TODD 1984), die meiste Nahrung wird wahrscheinlich am Tag aufgenommen (HAMER et al. 1997). Zur Nahrungsaufnahme k nnen sie bis zu 2,6 m tief tauchen, jedoch nehmen Eissturmv gel den berwiegenden Teil der Nahrung von der Meeresoberfläche auf. Ihre nat rliche Nahrung besteht berwiegend aus Kleinfischen wie Sandaal und Gadiden, aber auch aus Makrozooplankton. Zudem ernähren sie sich von Fischereiab- fällen (Discard). Wie die meisten R hrennasen produzieren Eissturmv gel bei der Verdauung eine energiereiche lige Fl ssigkeit, welche sie den K ken verf ttern (BEZZEL & PRINZINGER 1990). Auch während der Brutzeit gehen Eissturmv gel oft weit entfernt von ihren Brutkolonien auf Nahrungssuche. HAMER et al. (1997) errechneten einen maximalen Flugradius von 245 km. Die Dauer eines Nahrungsfluges d rfte zwischen 10 und 33 h betragen (FURNESS & TODD 1984, OJOWSKI et al. 2001). Nordsee Über die Nahrung der Helgoländer Brutv gel ist bislang nichts bekannt. Es liegen zur Nahrungs kologie jedoch einige Studien aus Großbritannien vor: FOWLER & DYE (1987) analysierten den Anteil der Sandaale (Ammodytidae) in hervorgew rgter Eissturmvogelnahrung auf den Shetland-Inseln im Juli der Jahre 1984-1985. Eissturm- v gel konsumierten Sandaale der Länge 60-160 mm und präferierten damit etwas gr ßere Fische als K stenseeschwalben (Sterna paradisaea) und etwas kleinere als Skuas (Catharacta skua). HAMER et al. (1997) sammelten 1995 von K ken hervorge- w rgte Nahrung in zwei Brutkolonien: In einer Kolonie auf Shetland wurde ein hoher Anteil von Fischen gefunden, die aus der lokalen Fischerei stammten. Eissturmv gel nutzten diese Nahrungsquelle intensiv. In 99 % der Proben traten Fischreste auf und in 29 % konnten Fischerei-Schlachtabfälle nachgewiesen werden. Des Weiteren spielten
191 Sandaale eine wichtige Rolle (11 %). Planktische Crustaceen waren nur selten nachzuweisen (5 %). Der an Fischen parasitierende Ruderfußkrebs (Copepode) Caligus elongatus konnte jedoch in 35 % der Proben gefunden werden. In der zweiten beprobten Kolonie auf den Äußeren Hybriden war Fisch in 78 % der Proben enthalten und der Anteil von Crustaceen war hier deutlich h her (32 %). Bei den Crustaceen dominierten der Amphipode Hyperia galba und der Decapode Acanthephyra pelagica. Zusätzliche Nahrung aus der Fischerei bewirkte nahe Shetland eine deutlich bessere K rperkondition der K ken. FURNESS & TODD (1984) beprobten hervorgew rgte Nahrung von Adulten und K ken in den gleichen Kolonien während der Brutphasen der Jahre 1978-1982 bzw. 1981. Sie ermittelten f r die Kolonie auf Shetland kleine Fische (hauptsächlich Sandaale) als wichtigste Beute, gefolgt von Schlachtabfällen und pelagischem Zooplankton. F r die Kolonie auf den Äußeren Hybriden war das pelagische Zooplankton am wichtigsten (in 71 % der Proben). In einigen Proben wurde Plastikabfall gefunden (16 %).
PHILLIPS et al. (1999) untersuchten K kenmägen und ausgew rgte Nahrung im Juni- August 1997 auf Shetland, Mägen von geschossenen Adulten im Mai-August 1994 und 1995 auf Island und ausgew rgte Nahrung von Adulten im Juni-August 1992- 1993 auf Gr nland. In der Kolonie von Shetland wurde in 89 % der Proben Fisch (hauptsächlich Sandaal) gefunden, 32 % der Proben enthielten Crustaceen und 8 % Tintenfische. Auf Island waren Sandaale und Lodde (Mallotus villosus) die häufigsten Beutefische, außerdem wurden oft Fische und Crustaceen aus Fischereiabfällen gefunden. Auf Gr nland enthielten 39 % der Proben Fisch, 64 % Crustaceen (haupt- sächlich Amphipoden), 22 % Tintenfisch und 16 % Pteropoden. Die Nahrung zeigte eine hohe Variabilität im Laufe des Jahres.
OJOWSKI et al. (2001) untersuchten hervorgew rgte Eissturmvogelnahrung während der Brutphase der Jahre 1998-1999 in zwei Kolonien auf Shetland. Gadiden machten den Großteil der Beute aus, am häufigsten war Stintdorsch (Trisopterus esmarkii) zu finden. Fischereiabfall kam in 32 % der Proben vor. Mit 22 % kam auch den Crusta- ceen eine wichtige Bedeutung zu. Clupeiden (am häufigsten Hering; Clupea harengus) traten in 15 % der Proben auf. Sandaale waren nur in 1 % der Proben vorhanden. Fischerei In der gesamten zentralen und nordwestlichen Nordsee folgen Eissturmv gel in sehr großen Zahlen Fischereifahrzeugen und nutzen den anfallenden Discard als Nahrungs- quelle (GARTHE & HÜPPOP 1994). Allerdings haben Eissturmv gel nur einen mittleren Erfolgsindex beim Erbeuten von ber Bord gegebener Nahrung und werden sehr oft Opfer von Kleptoparasitismus durch andere Arten (GARTHE & HÜPPOP 1998).
192 12.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Eissturmv gel sind tag- und nachtaktiv. Außerhalb der Brutzeit und bis zum Erreichen der Geschlechtsreife halten sie sich nahezu ausschließlich auf dem offenen Meer auf. Besonders bei geringen Windstärken schwimmen Eissturmv gel auf dem Meer oder verbringen verstärkt Zeit in der Brutkolonie, während sie bei zunehmenden Winden häufiger fliegen. Eine besondere Flugtechnik verringert ihren Energieverbrauch bei steigenden Windstärken (FURNESS & BRYANT 1996). Eissturmv gel schwimmen gut und sind sehr sichere Flieger, die bei Windstille dicht ber die Meeresoberfläche oder bei stärkerem Wind wellenf rmig mit häufigen Kehren fliegen (IL’IČEV & FLINT 1985). Beobachtungen zum Zuggeschehen auf See von Helgoland aus ergaben, dass R hrennasen im Herbst ausnahmslos in H hen zwischen 0-5 m fliegen (HÜPPOP et al. 2004). Sehr häufig folgen Eissturmv gel zur Nahrungssuche auch Schiffen. Meist fliegen Eissturmv gel nur einzeln oder zu zweit bers Meer, an ergiebigen Nahrungs- quellen k nnen aber auch tausende Tiere zugleich beobachtet werden. Bei St rungen sowohl während als auch außerhalb der Brutzeit speien Alt- und Jungv gel eine lige Substanz zur Verteidigung aus.
12.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 12.6.1 Gefährdungsursachen Eissturmv gel sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Verschlucken von Plastikpartikeln - Verfangen in M ll, meist Plastik - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken wie Br cken oder Wind- energieanlagen (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuch- tung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - im NO-Atlantik: Beifang in der Langleinenfischerei
12.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Eissturmv gel gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Eissturmv gel weisen eine geringe Fluchtdistanz gegen ber sich nähernden Schiffen auf (GARTHE et al. 2004; FTZ unver ffentl.). Vielmehr sind sie in einigen Regionen, v.a. auf der nordwestlichen Nordsee und dem angrenzenden NO-Atlantik, als die zahlenmäßig dominierende Art hinter Fischereifahrzeugen zu beobachten (z.B. CAMPHUYSEN et al. 1995a). Sie sind daher als nur wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr zu bewerten.
193 Auch gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken wie Offshore- Windenergieanlagen sind Eissturmv gel als unempfindlich einzustufen. Der Wind- energie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) ergab f r Eissturmv gel den kleinsten Wert aller untersuchten Arten. Dennoch ist zu beachten, dass es insbesondere bei schlechten Sichtbedingungen zur Kollision mit technischen Bauwer- ken kommen kann (DIERSCHKE & GARTHE 2006), da Eissturmv gel auch nächtliche Flugaktivität zeigen und nur eingeschränkt man vrierfähig sind. Da sie ihre Nahrung auf See meist an oder wenige Zentimeter unter der Oberfläche erbeuten, sind Eissturmv gel kaum durch das Verfangen in bodennahen Stellnetzen gefährdet. Gelegentlich tauchen sie zwar auch nach Nahrung, dann aber meist nur wenige Meter tief. Stark gefährdet sind Eissturmv gel hingegen durch die Langleinen- fischerei, wie sie z.B. im NO-Atlantik betrieben wird. Sie verfangen sich in den Haken beim Schlucken der K der und ertrinken. Eissturmv gel stellen dort die am häufigsten betroffene Art dar. Allein f r die norwegische Flotte wurde ein jährlicher Beifang von 20.000 Eissturmv geln berechnet (DUNN & STEEL 2001), hochgerechnet k nnte dies eine Zahl von 50.000-100.000 jährlichen Opfern im N-Atlantik bedeuten (MITCHELL et al. 2004). LØKKEBORG (2000) und LØKKEBORG & ROBERTSON (2002) beurteilten verschiedene Maßnahmen zur Verringerung des Beifanges und beschrieben dabei f r sogenannte Scheuchleinen eine Reduktion beigefangener Seev gel um 98-100 %. Da sich Eissturmv gel insbesondere bei Schwachwindphasen sehr häufig schwim- mend auf dem Meer aufhalten, ist eine hohe Gefährdung durch Ver lung gegeben, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). An der Nordseek ste lag die Ver lungsrate im Winter 2000 / 01 und 2001 / 02 bei knapp 24 % (FLEET et al. 2003). Ölverschmut- zung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Eissturmv gel ernähren sich typischerweise von Nahrung an der Meeresoberfläche wie Zooplankton, kleinen Fischen und Tintenfischen, sowie von Fischereiabfällen und Kadavern (z.B. MITCHELL et al. 2004, GARTHE et al. 2004, vgl. Kapitel 12.5.6). Dabei nehmen sie auch M llpartikel auf, die sie vermutlich f r Nahrung halten (VAN
194 FRANEKER et al. 2004). Die M llbelastung der Meere insbesondere durch Plastikm ll stellt eine große Bedrohung f r Eissturmv gel dar. Im Rahmen einer nordseeweiten Studie zu diesem Thema wurde der Mageninhalt von mehreren hundert Eissturmv - geln untersucht. Dabei wurde in 95 % der Mägen von 92 entlang der deutschen Nordseek ste gefundenen Tieren Plastikm ll gefunden und teilweise auch als Todesursache vermutet (GUSE et al. 2005). Von OSPAR wurde ein sogenanntes „Fulmar-Litter-EcoQO“ formuliert, wonach f r das Erreichen eines guten kologi- schen Qualitätszustandes der Nordsee weniger als 2 % aller tot gefundenen Eissturm- v gel mehr als 10 Plastikpartikel im Magen haben d rfen. Weitreichende Veränderungen in der Quantität und Verf gbarkeit der Nahrungsorga- nismen f r Eissturmv gel k nnen aus methodischen Gr nden praktisch nie komplett erfasst werden, zumal das Nahrungsspektrum so groß ist. Derartige Informationen k nnten aber vermutlich positive wie negative Veränderungen in Eissturmvogel- Populationen erklären. Da neben Fisch auch Zooplankton einen wichtigen Anteil am Beutespektrum hat, sind Eissturmv gel aktuell als nicht gefährdet bez glich einer Nahrungsverknappung aufgrund derzeit praktizierter Fischereien einzustufen. Unklar ist jedoch noch, welchen Einfluss die Reduktion von Discard in der Fischerei als leicht verf gbare Nahrungsquelle spielen kann. Auch die zunehmende Klimaveränderung ist im Zusammenhang mit Veränderungen in der Nahrungsverf gbarkeit zu nennen. Eine Korrelation des Nordatlantischen Oszillationsindex (NAO) mit dem Brutablauf bzw. Bruterfolg der Eissturmv gel ber Veränderungen in der Plankton- und Fischfauna wurde bereits beschrieben (z.B. THOMPSON & OLLASON 2001, siehe auch MITCHELL et al. 2004). Eissturmv gel beginnen erst nach 6-12 Lebensjahren mit der Fortpflanzung und haben mit einem Ei pro Jahr eine sehr niedrige Fortpflanzungsrate. Adulte Tiere haben eine hohe Überlebensrate. Sie geh ren daher zu den Arten, die Mortalitätsverluste durch ihr Reproduktionspotential nur schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise sehr hohen negativen Einfluss auf die Populationsdynamik. Durch das späte Erstbrutalter machen sich Veränderungen im Gesamtbestand jedoch erst verz gert in den Brutbeständen bemerkbar.
Der Status der Eissturmv gel in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. Als Brutv gel sind sie in Deutschland auf Helgoland beschränkt und daher als Art mit geografischer Restriktion auf der Roten Liste gef hrt (Tab. 12-3). In den letzten Jahren waren die Brutzahlen dort jedoch weitgehend konstant (O. HÜPPOP, pers. Mitt.).
195 Tab. 12-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Eissturmv gel in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen Dt. Watten- D Nds. SH M-V Dt. Ostsee Europa meer (2002) (2002) (1995) (2003) (1996) (1995) + R entfällt R entfällt P entfällt Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPEC - III -
12.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Aufgrund ihres typischen Erscheinungsbildes sowie der geringen Fluchtdistanz vor Schiffen und Flugzeugen sind Eissturmv gel von beiden Zählplatt- formen aus gut zu entdecken und zu bestimmen. F r die Erfassung sind daher beide Methoden gut geeignet.
12.8 Forschungsbedarf - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Nordsee - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
196 13 Basst lpel
Sula bassana (Linnaeus 1758) Synonym: Morus bassanus
GB: Northern Gannet NL: Jan van Gent Foto: S. Garthe DK: Sule Abb. 13-1: Adulter Basst lpel S: Havssula PL: Gluptak
13.1 EU-Code A016
13.2 Systematik Ordnung: Phalacrocoraciformes - Kormoranv gel Familie: Sulidae - T lpel
13.3 Kennzeichen Großer Seevogel mit langen, schmalen Fl geln und spitzer Kopf- und Schnabelpartie. Typischer Flugstil mit flachen, gleichmäßigen Fl gelschlägen und kurzen Gleitstre- cken. Adulte V gel weiß mit gelblichem Kopf (im SK blasser) und schwarzen Fl gelspitzen. Im JK Gefieder graubraun, fein weiß gesprenkelt. Das Alterskleid wird langsam angelegt und durchläuft bis zur Vollendung im vierten bis sechsten Kalenderjahr verschiedene schwarz-weiß-Variationen. Verwechslungsm glichkeiten: Jungv gel k nnen auf gr ßere Entfernung mit großen Sturmtaucher-Arten verwechselt werden, werden aber durch die Gr ße, die lange, spitze Kopf- und Schnabelpartie und den keilf rmigen Schwanz unterschieden.
197 13.4 Verbreitung / Bestand 13.4.1 Welt / Europa Basst lpel br ten im N-Atlantik, in der Nordsee und entlang der norwegischen K ste von der Barentsee bis zum Mittelmeer und bilden eine Superspezies mit dem Kapt l- pel S. capensis (S dafrika) und dem Australt lpel S. serrator (Australien, Neusee- land). Außerhalb der Brutzeit halten sich Basst lpel von der n rdlichen Nordsee bis nach W- Afrika auf; entgegen fr herer Erkenntnisse (NELSON 2002, WERNHAM et al. 2002) fliegen auch Altv gel in großem Maße in die fischreichen Gebiete vor den K sten (N)W-Afrikas (FTZ unver ffentl.). Nur selten gelangen Basst lpel auf die Ostsee. Neben Nachweisen aus deutschen Bereichen (s.u.) gibt es auch Beobachtungen von der polnischen Ostseek ste (10 Nachweise, davon 7 seit 1987). Der weltweite Brutbestand der Basst lpel wird auf 390.000 Brutpaare geschätzt (MITCHELL et al. 2004). Davon br ten > 75 % in Europa, knapp 70 % der Weltpopula- tion allein in Großbritannien und Irland. Der Bestand f r ganz Europa wird auf 300.000-310.000 Paare geschätzt (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). F r Basst lpel wurden bislang keine biogeografischen Populationen abgegrenzt, so dass sich die Angaben in Tabelle 13-1 auf die Art S. bassana beziehen.
Tab. 13-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden Basst lpeln (MITCHELL et al. 2004). Der Bestand der nordatlantischen biografischen Populati- on bezieht sich auf br tende Altv gel. Der Nichtbr teranteil wurde nicht ber ck- sichtigt. Art/ Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium S. bassana - N-Atlantik Atlantik 780.000 k.A. 7.800
13.4.2 Deutschland Status: Brutvogel auf Helgoland, regelmäßiger Durchz gler. Winter- und Sommergast auf der Nordsee, selten im Binnenland. F r die in Deutschland vorkommenden Basst lpel werden keine biogeografischen Populationen unterschieden. Der einzige Brutplatz der Basst lpel in Deutschland befindet sich auf Helgoland. Der Brutbestand beträgt derzeit 222 Paare (Bezugszeitraum 2006, O. HÜPPOP pers. Mitt.). Während der Sommermonate sind Basst lpel auf der gesamten deutschen Nordsee verbreitet (Abb. 13.2), auch in den Wintermonaten halten sie sich dort regelmäßig auf.
198 Auf der Ostsee werden nur vereinzelt Irrgäste beobachtet. Da es auf der Ostsee so gut wie keine Nachweise von Basst lpeln gibt, ergibt sich der Rastbestand in Deutschland aus den Beständen auf der deutschen Nordsee (Tab. 13-2). Daten der Wasservogelzäh- lung liegen f r Basst lpel nicht vor.
Abb. 13-2: Verbreitung der Basst lpel auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990- 2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Basst lpel kommen ganzjährig in der Deutschen Bucht vor (Tab. 13-2), im Sommer sind sie am weitesten verbreitet. Vor allem um den Brutplatz auf Helgoland ist ein flächendeckendes Vorkommen zu erkennen, es werden dort jedoch, wie auch im Rest der Deutschen Bucht, meist nur geringe Abundanzen festgestellt. Bei V geln der äußeren Deutschen Bucht kann es sich zumindest auch um Brutv gel der großen schottischen Kolonie Bass Rock handeln (HAMER et al. 2000). Im Herbst verlagert sich das Vorkommen der Basst lpel in der Deutschen Bucht auf den s dwestlichen Teil, was m glicherweise durch Wegzugbewegungen zu erklären ist. Während im Winter nur vereinzelt Basst lpel beobachtet werden, nimmt die Häufigkeit zum Fr hjahr hin wieder zu. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Basst lpel nahezu ganzjährig vor (Tab. 13-2). Den gr ßten Bestand erreichen sie im Fr hjahr. F r den Herbst lassen sich aufgrund der geringen Datenbasis keine Aussagen ber das Vorkommen treffen.
199 Tab. 13-2: Rastbestandszahlen der Basst lpel f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeitraum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitrum 1996-2005). Gr - ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III : 11-50 Ind. Der Anteil an der biogeografischen Population bezieht sich auf den Weltbestand. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 800 0,1 600 0,1 230 <0,1 Sommer 1.400 0,2 1.200 0,2 110 <0,1 Herbst 2.700 0,3 2.600 0,3 k.A. k.A. Winter 230 <0,1 190 <0,1 III <0,1
Ostsee Auf der deutschen Ostsee kommen Basst lpel nur als seltene Gäste aus der Nordsee vor. Bisher wurden bei den Schiffstransektzählungen ein bis zwei Individuen in der Nähe von R gen beobachtet. Auch von Land aus gibt es einzelne Beobachtungen von Basst lpeln (z.B. MÜLLER 2005). Im Jahr 2007 wurden vier Individuen am Kap Arkona gesichtet (www.oamv.de). Im SPA „Pommersche Bucht“ wurden bisher keine Basst lpel beobachtet. F r Basst lpel wurden keine Bestandszahlen berechnet.
13.4.3 Bestandsentwicklung Nach erheblichen Bestandseinbr chen durch menschliche Verfolgung im 19. Jahrhun- dert, vor allem im W-Atlantik, kam es im 20. Jahrhundert zu einer anhaltenden Bestandszunahme von im Mittel 3 % pro Jahr. Die Brutbestände der meisten Kolonien haben auch zu Anfang des 21. Jahrhunderts weiter zugenommen, allerdings mit einer geringeren Rate (1,2 % pro Jahr auf den Britischen Inseln, WANLESS et al. 2005a). Auf Helgoland br ten Basst lpel seit 1991. Ihr Bestand nahm dort zunächst exponen- tiell zu, die Zuwachsrate geht mittlerweile aber zur ck. Durch die Zunahme des Brutbestandes auf Helgoland sind Basst lpel auch regelmäßiger und in gr ßerer Anzahl in der Deutschen Bucht vertreten.
200 13.5 Biologie / Ökologie 13.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: 5.-6. Lebensjahr, einzelne schon ab 3. Jahr an der Kolonie Paarbildung: monogame Ehen, Partnertreue wurde nachgewiesen (64 % Wiederverpaarung) Brutzeit: Legebeginn ist fr hestens Ende März, Median April / Mai bis Juni (Juli), Brutdauer 44 (42-45) Tage, beide Eltern br ten, Ab- l sung meist nach >24 h Gelege: 1 Ei, selten 2; 1 Jahresbrut; bis zu 2 Nachgelege m glich K ken: K ken werden wenige Tage gehudert, die Nestlingsdauer beträgt 84-97 Tage, bis dahin werden die K ken von den Eltern gef ttert, ab dem Ausfliegen sind sie selbständig
13.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 21 Jahre Ältester Ringvogel: 32 Jahre Sterblichkeit: im 1. Lebensjahr ber 60 %, bis zum Brutalter von 5 Jahren berleben etwa 25 % Adulte: 6-9 % sterben pro Jahr, Lebenserwartung ca. 16 Jahre 0,5 % der adulten und immaturen V gel sterben im Sommer in der Kolonie
13.5.3 Mauser Basst lpel erneuern ihre Handschwingen regelmäßig und symmetrisch von innen nach außen. Während die 6. und 7. Handschwinge noch heranwachsen (ca. im Alter von 15 Monaten) wird die innerste Handschwinge bereits abgeworfen. Damit setzt der 2. Mauserzyklus ein. Wenn dieser Zyklus wieder die 7. Handschwinge erreicht hat, beginnt der 3. Mauserzyklus. Da die einzelnen Schwingen nacheinander gemausert werden, sind Basst lpel zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit eingeschränkt.
13.5.4 Wanderungen Basst lpel sind Teilzieher, die mitunter sehr weite Streuungswanderungen durchf h- ren. Vor allem Jungv gel ziehen nach dem Fl ggewerden in s dliche Richtung und verbringen mindestens zwei Winter im Bereich des O-Atlantiks bis zu den K sten des tropischen W-Afrikas. Einzelne Jungv gel bleiben während des Winters im Bereich der Nordsee bzw. des N-Atlantiks. Auch viele adulte V gel des O-Atlantiks verbleiben das ganze Jahr ber in der Nähe ihrer Brutgebiete. Nicht fl gge Jungv gel, die das
201 Nest verlassen haben, bewegen sich schwimmend von ihrem Brutplatz fort. Es wurden dabei schon Distanzen bis zu 72 km nachgewiesen (BWPI 2004). Basst lpel sind geburtsort- und brutplatztreu, so dass die immaturen V gel nach 3-4 Jahren auf See häufig an ihre Geburtskolonie zur Brut zur ckkehren.
13.5.5 Habitat Basst lpel br ten auf Felsinseln in K stennähe oder an Steilk sten (zur Verbreitung s. Kapitel 13.4.1). Bei der Auswahl ihrer Nistplätze spielt die Windexposition und die g nstige Lage zu Nahrungsgr nden eine wichtige Rolle. Die tiefsten Nistplätze befinden sich meist 10 m ber dem Meeresspiegel. Die schweren V gel k nnen an Felsklippen relativ einfach starten und landen (NELSON 2002). Sowohl zur Brut- als auch zur Zugzeit und im Winter nutzen Basst lpel die Schelfbe- reiche des Atlantiks zur Nahrungssuche. Über diesen Bereichen sind sie weit verbrei- tet, auf der Hochsee sind Sichtungen deutlich seltener. Der Aktionsradius während der Brutzeit ist sehr groß, Nahrungsfl ge k nnen in bis zu 500 km Entfernung von der Kolonie durchgef hrt werden. Die Vorkommen der Basst lpel decken sich mit den Bereichen hoher Konzentrationen von pelagischen Schwarmfischen (Hering, Makrele) bzw. Fischereifahrzeugen, die Fischereiabfälle („Discard“) produzieren (CAMPHUYSEN & VAN DER MEER 2005, FTZ unver ffentl.).
13.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Basst lpel sind gute Flieger, die oft während der Nahrungssuche mit dem Wind gleiten oder sich in schnellerem Flug fl gelschlagend fortbewegen. Sie legen relativ weite Strecken zu ihren Nahrungsgebieten, oft auch in Trupps von bis zu 20 Individuen zur ck (z.B. CAMPHUYSEN et al. 1995b). Basst lpel, die in gr ßeren Kolonien br ten, zeigen gr ßere Flugradien als Individuen aus kleineren Kolonien (LEWIS et al. 2001). Dieses Verhalten wird auf die Verknappung von Beuteorganismen in Kolonienähe durch hohen Prädationsdruck zur ckgef hrt. Durch ihren stromlinienf rmigen K rper sind Basst lpel sehr gut daran angepasst, Nahrung durch tiefes Stoßtauchen aus 10-40 m H he zu erbeuten. GARTHE et al. (2000a) konnten mit Hilfe von Loggern feststellen, dass Basst lpel der Kolonie auf Funk Island (Kanada) sowohl flache, V-f rmige Tauchprofile zeigen, als auch tiefere U-f rmige. Bei letztgenannter Tauchtechnik schlagen die Basst lpel auch unter Wasser mit den Fl geln und verfolgen ihre Beute einige Zeit horizontal. Der Median der Tauchtiefe betrug dabei 4,6 m, die maximale Tiefe 22 m. LEWIS et al. (2002) konnten f r die Brutkolonie Bass
202 Rock feststellen, dass weibliche Basst lpel längere und tiefere Tauchgänge als männliche Individuen durchf hren, dies lässt sich f r kanadische Brutkolonien aber nicht bestätigen (S. GARTHE & W.A. MONTEVECCHI unver ffentl.). Basst lpel jagen ausschließlich bei Tageslicht und zeigen die häufigsten Tauchgänge in den Morgen- stunden (GARTHE et al. 2000a, 2003b). Die Fressgebiete von Individuen der Kolonie Bass Rock (Nordsee) lagen im Untersu- chungsjahr maximal 540 km von der Kolonie entfernt, im Mittel 232 km, und Nahrungsfl ge dauerten 13-84 h (HAMER et al. 2000). Die Basst lpel zeigten konstante Abflugrichtungen aus der Kolonie, die auf ein wiederholtes Nutzen gleicher Fressgebiete hinwiesen. Dagegen wählten Individuen einer Kolonie in Irland variable- re Flugrichtungen (HAMER et al. 2001). GARTHE et al. (2003b) ermittelten f r die kanadische Kolonie Funk Island eine durchschnittliche Dauer der Nahrungsfl ge von 13,5 Stunden (Zeitspanne: 3-39 Stunden). 44 % der Zeit während eines Nahrungsflu- ges verbrachten die Basst lpel im Streckenflug, während Individuen der Kolonie Bass Rock ca. 50 % ihrer Zeit während des Nahrungsfluges im Streckenflug verbrachten (HAMER et al. 2001, LEWIS et al. 2004). Neben der Koloniegr ße spielen die ozeano- graphischen Bedingungen und die Nahrungsverf gbarkeit im Einzugsbereich der Kolonien entscheidende Rollen f r die Flugmuster und die Nahrungszusammenset- zung der Basst lpel (GARTHE et al. 2007b, HAMER et al. 2007). Nordatlantik / Nordsee Basst lpel fressen fast ausschließlich Fisch. Dabei dominieren Makrelen, Sandaale, Heringe und Sprotten. Sowohl Crustaceen als auch Cephalopoden kommen äußerst selten in der Nahrung vor.
HAMER et al. (2007) analysierte in den Jahren 1998 und 2002-2003 in der Kolonie von Bass Rock von K ken hervorgew rgte Nahrung. Die Nahrung war sehr divers: Sandaale (Spannbreite ber die drei beprobten Jahre: 29-74 %) sowie Makrelen (17- 31 %) kamen am häufigsten in den Proben vor, gefolgt von Hering (8-22 %) und Sprotte (7-23 %), während Dorschartige in 11-16 % der Proben auftraten. LEWIS et al. (2003) verglichen in den Jahren 2000-2001 von K ken hervorgew rgte Nahrung der Kolonie Bass Rock mit der irischen Kolonie Great Saltee. K ken von Bass Rock wurden viel häufiger mit Makrelen (Spannbreite der beiden beprobten Jahre: 41-55 %) und Dorschartigen (bis 25 %) gef ttert. In beiden Kolonien war Sandaal eine wichtige Beute (36-55 % Bass Rock; 33-36 % Great Saltee). CAMPHUYSEN et al. (1995b) beobachtete Basst lpel von Bass Rock oft in Assoziation mit Delfinen. Durch die Fressaktivität der Säugetiere wurde die Nahrung näher an die Wasseroberfläche gebracht und war so leichter f r die V gel zugänglich.
203 In einer Langzeitreihe untersuchten MONTEVECCHI & MEYERS (1997) hervorgew rgte Nahrung der Basst lpel auf Funk Island während der Jahre 1977-1996. Es konnte nachgewiesen werden, dass sich mit einer Änderung in der Oberflächentemperatur die Nahrungswahl der Basst lpel entsprechend änderte: Während kälterer Phasen traten die Kaltwasserarten Hering, Lodde (Mallotus villosus), Atlantischer Lachs (Salmo salar), Sandaal und Kabeljau (Gadus morhua) häufiger auf, während unter Einfluss von wärmerem Wasser die an wärmeres Wasser angepassten Arten Makrele, Makre- lenhecht (Scomberesox saurus) sowie Tintenfische dominierten. Über die Nahrungswahl der Helgoländer Brutpopulation ist bislang nichts bekannt. Fischerei Basst lpel treten regelmäßig als Fischereifolger in k stenfernen Gebieten der Nordsee auf (GARTHE & HÜPPOP 1994). F r sie wurde von allen Arten der h chsten Erfolgsin- dex beim Erbeuten von Discard berechnet (GARTHE & HÜPPOP 1998). CAMPHUYSEN et al. (1995a, 1995b) stellten jedoch fest, dass Basst lpel auf der Nahrungssuche häufig Fischkutter ignorierten und nat rlich erbeutete Nahrung bevorzugten.
13.5.7 Sonstige Verhaltensweisen
Basst lpel sind tagaktive V gel (Details zu den Aktivitätsmustern siehe GARTHE et al. 2003b). Sie sind gute Flieger, die auch mit dem Wind gleiten k nnen. Verschiedene Untersuchungen auf Helgoland ergaben, dass Basst lpel bevorzugt in H hen zwischen 0-50 m ber der Wasseroberfläche fliegen (HÜPPOP et al. 2004, DIERSCHKE & DANIELS 2003). Häufig fliegen sie dicht ber den Wellen, steigen dann aber auch wieder in gr ßere H hen auf. So nutzen sie im Vergleich zu anderen Seev geln einen ungew hnlich großen Luftraum.
13.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 13.6.1 Gefährdungsursachen Basst lpel sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Verfangen und Ertrinken in Fischereigeräten, insbesondere in umher treiben- den Netzresten - Verfangen in M ll, meist Plastikteilen - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken wie Br cken oder Wind- energieanlagen (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuch- tung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes)
204 Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Direkte Verfolgung (fr her nahezu Ausrottung durch Sammeln von Eiern und Jungtieren, jedoch heutzutage nur noch in einigen Kolonien von Bedeutung, z.B. Fär er Inseln und Island) - Erhängen in Netzresten, die beim Nestbau verwendet werden (Helgoland)
13.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Basst lpel gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Basst lpel weisen nahezu keine Fluchtreaktionen gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004), so dass ihre Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr als sehr gering einzustufen ist. Vielmehr halten sich Basst lpel bei der Suche nach Nahrung häufig in unmittelbarer Nähe zu Schiffen auf und k nnen regelmäßig als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen beobachtet werden (z.B. CAMPHUYSEN et al. 1995a). Insbesondere bei der Suche nach Nahrung zeigen Basst lpel auf See eine hohe Flugaktivität und legen lange Strecken zur ck. Aufgrund ihrer Gr ße sind sie nur mäßig gut man vrierfähig. Sie sind daher empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hindernissen, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, insbesondere bei schlechten Wetterbedingungen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im mittleren Bereich aller untersuchten Arten. Basst lpel halten sich teilweise auch längere Zeit schwimmend auf dem Wasser auf und sind daher empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche infolge von Ölunfällen, als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Da sie aber, verglichen mit anderen Artgruppen wie See- und Lappentauchern, Meeresenten und Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil auf dem Wasser verbringen und zudem selten(er) in hohen Konzentrationen auftreten, ist die Gefahr der Kontamination einer großen Anzahl von Basst lpeln deutlich geringer. NELSON (2002) vermutet, dass Verlust durch Ver lung keinen großen Effekt auf die Population hat, solange nicht ein großer Ölunfall zur Brutzeit in der Nähe einer Kolonie stattfindet. In den Niederlanden ist die Ölverschmutzung bei Basst lpeln seit Anfang der 1970er Jahre deutlich zur ckgegangen (CAMPHUYSEN 2001). Ölver- schmutzung kann jedoch auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten
205 großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitrei- chenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Basst lpel erbeuten ihre Nahrung meist durch vertikales Sturztauchen, wobei sie auch gr ßere Wassertiefen erreichen. Zudem bewegen sie sich unter Wasser auch durch horizontales Schwimmen bei der Beuteverfolgung fort. Sie sind daher gefährdet, sich während des Tauchvorganges zufällig in Stellnetzen zu verfangen und zu ertrinken. Besonders gefährlich sind die d nnen Monofilament-Netze, da sie f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Sie sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelvor- kommen und Stellnetzfischerei kann es daher zu Verlusten kommen. Die Sterblichkeit von in Großbritannien und Irland beringten Basst lpeln durch Fischereigerät (Netze und Langleinen) beträgt nach WERNHAM et al. (2002) 34 %. Ein weiteres Problem ist das Verfangen in treibenden Netzresten, sowohl auf See als auch in der Brutkolonie, in der Basst lpel diese als Nestmaterial verwenden. In der Kolonie auf Helgoland f hrt dies immer wieder zu Verlusten bei adulten und juvenilen Basst lpeln und anderen Seevogelarten (HARTWIG et al. 1985, N. SONNTAG unver ffentl.). Mortalität durch Netzreste bzw. Plastikm ll gilt als Haupttodesursache der Basst lpel im Atlantik (MONTEVECCHI 1991). In den Niederlanden hat die Anzahl durch Verfangen in Fischereigerät umgekommener Basst lpel seit 1977 in den Strandfunden signifikant zugenommen, wobei auch insbesondere Todfunde in Angelschn ren aus Nylon deutlich häufiger registriert wurden (CAMPHUYSEN 2001). Während Netzreste häufig aktiv von Basst lpeln zum Nestbau aufgenommen werden, kann an der Oberfläche oder unter Wasser treibender Plastikm ll beim Stoßtauchen durchschlagen werden, was ebenfalls meist dazu f hrt, dass die Tiere sich darin verfangen und ertrinken bzw. in ihren nat rlichen Verhaltensweisen, insbesondere bei der Nahrungsaufnahme, stark eingeschränkt sind. Basst lpel haben bei der Nahrungssuche einen sehr großen Aktionsradius. Sie nutzen zudem ein großes Nahrungsspektrum, sowohl bez glich der Artenzusammensetzung als auch der Beutegr ße (vgl. Kapitel 13.5.6). Diese opportunistische Ernährungsweise erlaubte es Basst lpeln auf andere Nahrungsarten zu wechseln, als die Bestände von Hering, Makrele oder anderen wichtigen Beutearten durch Fischerei reduziert waren (MITCHELL et al. 2004). Es ist daher anzunehmen, dass Basst lpel derzeit nicht durch Nahrungsverknappung aufgrund von Fischerei gefährdet sind. Vor der schottischen K ste k nnen Basst lpel häufig als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen beobach- tet werden und sind dort sehr erfolgreich im Erbeuten von Discard (CAMPHUYSEN et al. 1995a, GARTHE & HÜPPOP 1998). Die generelle Bedeutung der Fischerei in der
206 Bereitstellung von Discard als leicht verf gbare Nahrungsquelle f r Basst lpel ist bisher allerdings noch unklar (MITCHELL et al. 2004). Basst lpel beginnen erst ab dem 5.-6. Lebensjahr mit der Fortpflanzung, haben eine hohe Überlebensrate adulter Tiere und mit einem Ei pro Jahr eine sehr niedrige Fortpflanzungsrate. Sie geh ren daher zu den Arten, die Mortalitätsverluste durch ihr Reproduktionspotential nur schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die Populationsdynamik. Obwohl die Reproduktionsstrategie mit der anderer Arten wie Trottellumme, Tordalk und Eissturmvogel vergleichbar ist, haben Basst lpel in vielen großen Kolonien in Großbritannien und Irland mit ca. 2 % pro Jahr einen deutlich geringeren Populations- zuwachs. Als wahrscheinlichste Erklärung wird vermutet, dass Basst lpel in der Zeit zwischen Schlupf und Rekrutierung in die Brutkolonie vergleichsweise schlechter berleben (MITCHELL et al. 2004). Durch das späte Erstbrutalter machen sich evtl. Veränderungen im Altvogelbestand erst verz gert in der Kolonie bemerkbar. Fr her wurden Basst lpel durch die starke menschliche Nutzung (Verzehr, K der- fleisch) nahezu ausgerottet. Das Aussterben wurde nur durch umfangreiche Schutz- maßnahmen verhindert, von denen die Art noch heute profitiert und die noch immer als der Hauptgrund der Bestandszunahme in vielen Kolonien angesehen werden (NELSON 2002). Basst lpel sind in ihrer Verbreitung auf Europa konzentriert, ihr Status dort wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. In Deutschland sind sie als Brutv gel auf Helgoland beschränkt und werden daher als Art mit geografischer Restriktion auf der Roten Liste Deutschlands gef hrt (Tab. 13-3). Doch auch diese Kolonie gilt derzeit als nicht gefährdet und weist seit der ersten erfolgreichen Brut im Jahr 1991 einen jährlich zunehmenden Brutbestand auf (O. HÜPPOP, pers. Mitt.).
Tab. 13-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Basst lpel in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R entfällt R entfällt P entfällt Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPECE - III -
207 13.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: aufgrund ihrer Gr ße und ihres typischen Erscheinungsbildes sowie der geringen Fluchtdistanz vor Schiffen und Flugzeugen sind Basst lpel von beiden Zählplattformen aus gut zu entdecken und zu bestimmen. F r die Erfassung sind daher sowohl Schiffs- als auch Flugzeugtransektzählungen gut geeignet.
13.8 Forschungsbedarf - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Nordsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
208 14 Kormoran
Phalacrocorax carbo (Linnaeus 1758)
GB: Great Cormorant NL: Aalscholver DK: Skarv S: Storskarv PL: Kormoran
14.1 EU-Code Foto: J.O. Kriegs A017 Abb. 14-1: Kormoran im PK
14.2 Systematik Ordnung: Phalacrocoraciformes - Kormoranv gel Familie: Phalacrocoracidae - Kormorane
14.3 Kennzeichen Großer, dunkler Wasservogel mit langem, kräftigem Hals, eckig wirkendem Hinter- kopf und kräftigem Schnabel. Liegt beim Schwimmen mit geradem Hals und aufwärts gerichtetem Kopf tief im Wasser. Adulte V gel schwarz und metallisch glänzend, nackte Hautpartie am Schnabelgrund gelb, weiß umrandet. Im PK mit weißem Schenkelfleck, Scheitel und Nacken mehr oder weniger stark mit weißen Federn durchsetzt. Im SK Gefieder weniger glänzend, Weiß auf Kehle und Kopfseiten verwaschener, weißer Schenkelfleck fehlt. Im JK Oberseite dunkel, Unterseite variabel hell, insbesondere Kehlmitte, Brust und Bauch.
14.4 Verbreitung / Bestand 14.4.1 Welt / Europa Kormorane br ten mit sechs Unterarten in Europa, Asien, Australien, Neuseeland, Afrika, O-Nordamerika und Gr nland. P. c. carbo (N-Atlantik), P. c. sinensis (Binnenland der Paläarktis und Orientalis), P. c. maroccanus (NW-Afrika), P. c. lucidus (K sten W und S-Afrikas, Binnenland O- Afrika), P. c. hanedae (Japan) und P. c. noveaehollandiae (Australasien).
Der Weltbestand der Kormorane wird nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) auf 1,37 Mio. - 2,94 Mio. Individuen geschätzt.
209 In Europa kommen Kormorane weit verbreitet als häufige Brut- und Jahresv gel vor. Man unterscheidet dort die zwei Unterarten P. c. carbo und P. c. sinensis, die allerdings beide auch außerhalb Europas weitere Verbreitungsschwerpunkte haben, auf die hier nicht detailliert eingegangen wird. P. c. carbo kommt in den K stenbereichen von N- und W-Europa vor (Frankreich, Großbritannien, Island, Norwegen, Russland etc.). P. c. sinensis wird als „Festlandsrasse“ bezeichnet und ist von den Tiefebenen der Niederlande bis ins Baltikum verbreitet (auch Deutschland, S-Schweden, Däne- mark etc., sowie auch SO-Großbritannien) und in einem zweiten Verbreitungsgebiet eher l ckig in SO-Europa mit Schwerpunkt in der Ukraine. In Europa br ten 310.000-370.000 Paare, wobei nicht nach Unterarten differenziert wird (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Europa vorkommende Kormorane werden in vier verschiedene biogeografische Populationen aufgeteilt (Tab. 14-1).
Tab. 14-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Kormorane (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Island, Norwegen, zuneh- P. c. carbo NW-Europa k.A. 120.000 1.200 Großbritan- mend nien, Irland N-, M- P. c. N-, M- N- u. M- 380.000- zuneh- Europa bis 3.900 sinensis Europa Europa 405.000 mend Mittelmeer Schw. P. c. Schw. Meer, 350.000- zuneh- Meer, k.A. 4.000 sinensis Mittelmeer 450.000 mend Mittelmeer SW-Asien SO-Europa, P. c. SW-Asien, (außerhalb W- & 100.000 k.A. 1.000 sinensis Kasp. Meer Brutzeit) Zentralasien
14.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, Durchz gler, Sommer- und Wintergast. Die in Deutschland vorkommenden Kormorane geh ren berwiegend der biogeogra- fischen Population "N-, M-Europa" der Unterart sinensis an. Nur an den K sten (v.a. Helgoland) treten V gel der Unterart carbo auf.
In Deutschland br teten im Jahr 2005 rund 23.500 Kormoran-Paare (KIECKBUSCH & KNIEF 2007). Auf Mecklenburg-Vorpommern entfielen mit > 12.000 Paaren mehr als 50 % des deutschen Brutbestandes, auf Schleswig-Holstein 2.800 Paare und auf Niedersachsen 1.450 Paare (KIECKBUSCH & KNIEF 2007). Der Bestand innerhalb des
210 niedersächsischen und schleswig-holsteinischen Wattenmeeres betrug im Jahr 2001 ca. 1.038 Paare (KOFFIJBERG et al. 2006). Die Schiffstransektzählungen in den Sommermonaten zeigen, dass Kormorane zu dieser Jahreszeit sowohl auf der Nordsee vor allem im K stenbereich (seewärtig bis zur Hoheitsgrenze) als auch auf der Ostsee mit Schwerpunkten im Greifswalder Bodden und vor Usedom vorkommen, wo sie lokal hohe Konzentrationen bilden (Abb. 14-2). Im Winter konzentrieren sich die Kormorane vor allem auf große Still- und Fließgewässer. Große Vorkommen finden sich hauptsächlich im Bereich der Pl ner Seenplatte sowie auf Elbe, Rhein und Weser. Im Gegensatz zur Ostseek ste wird das Wattenmeer in den Wintermonaten weitestgehend geräumt (Abb. 14-3): Im gesamten deutschen Teil des Wattenmeeres berwintern nach BLEW et al. (2005) weniger als 100 Individuen. Um Helgoland halten sich im Winter bis zu 660 Kormorane auf (vgl. FLORE & HÜPPOP 1997).
F r den Januar 2003 nennen WAHL et al. (2004) auf Basis einer bundesweiten Schlafplatzzählung einen Rastbestand von 38.000 Individuen. Aufgrund eines Kälteeinbruchs im Vorfeld der Zählungen vermuteten die Autoren einen Bestand von ber 40.000 Individuen in „Normalwintern“. Dies wird – in Verbindung mit einem Bestandszuwachs im Binnenland im Januar 2004 und 2005 (s. Abb. 14-4) – durch die nun vorgenommene neue Bestandsabschätzung bestätigt, wonach der Mittwinter- bestand bei 51.000 Ind. liegt (DDA unver ffentl., Tab. 14-2 und 14-3). Dabei wurde soweit wie m glich auf die Ergebnisse langjähriger synchroner Schlafplatzzählungen zur ckgegriffen, ber die die verlässlichsten Angaben zum Rastbestand gewonnen werden (vgl. BUCHHEIM 1998).
211
Abb. 14-2: Verbreitung der Kormorane auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nordsee: 1990- 2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 14-3: Verbreitung der Kormorane in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung. Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005.
212 Die Verlagerung der Bestände von Ost nach West bzw. nach S den spiegelt sich in den regionalen Schwankungen der Bestände im Jahresverlauf wider. Während im Nordosten die h chsten Rastbestände im Sommer und Fr hherbst auftreten (August / September), liegen die Maxima im Nordwesten etwa einen Monat später (vgl. VAN ROOMEN et al. 2006) und verschieben sich nach S den sukzessive in den Spätherbst und Fr hwinter (Abb. 14-4). Im Gegensatz zu dieser Verschiebung wird das Maximum der Rastbestände auf Helgoland im Winter erreicht. Dies und die Lage von Helgoland sprechen daf r, dass die V gel berwiegend der Unterart carbo angeh ren (FLORE & HÜPPOP 1997).
Abb. 14-4: Auftreten der Kormorane in NW-, NO- und S-Deutschland (zur Erklärung der Zählgebiete s. Kapitel II) im Verlauf des Winterhalbjahres basierend auf den Daten der monatlichen Wasservogelzählungen. Dargestellt ist der monatliche Mittelwert (September bis April) f r 2000 / 01 bis 2004 / 05. Die Fehlerbalken geben den Standardfehler an.
Nordsee Auf der deutschen Nordsee verteilen sich Kormorane als Rastv gel entlang der Wattenmeerk ste sowie auf der Insel Helgoland; Zugbewegungen finden hingegen regelmäßig auch in k stenferneren Gebieten statt. Zur Brutzeit konzentrieren sich Kormorane vor allem im Bereich der Kolonien Memmert, Mellum, Knechtsand, Scharh rn, Nigeh rn und Trischen. Beobachtungen weit vor der schleswig- holsteinischen K ste k nnen umherstreifende Nichtbr ter betreffen, zumal auch auf Helgoland regelmäßig kleinere Bestände bersommern (FLORE & HÜPPOP 1997). Auch in den anderen Jahreszeiten ist die Verteilung k stennah. Im Seegebiet jenseits
213 der Wattenmeerinseln halten sich jedoch besonders im Winter und Fr hjahr kaum Kormorane auf. Auf Helgoland berwintern allerdings regelmäßig mehrere hundert Tiere – berwiegend der atlantischen Unterart carbo (FLORE & HÜPPOP 1997). Zum Heimzug bilden die Gewässer um Helgoland den Schwerpunkt des Vorkommens, während die Bereiche in der Nähe der Brutkolonien in der Nordsee kaum besucht werden. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurden Kormorane nur selten nachgewiesen.
Tab. 14-2: Rastbestandszahlen der Kormorane f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum 1996-2007). Gr - ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Da im Be- reich der deutschen Nordsee sowohl V gel der Unterart carbo als auch V gel der biogeografischen Population "N-, M-Europa" der Unterart sinensis vorkommen, bezieht sich der prozentuale Anteil der Individuen auf die Summe dieser beiden biogeografischen Populationen. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 1.600 0,3 % III < 0,1 0 0 Sommer 3.800 0,7 % III < 0,1 0 0 Herbst 6.500 1,3 % 0 0,0 0 0 Winter 1.600 0,3 % 0 0,0 0 0
Ostsee Kormorane kommen ganzjährig und insbesondere in K stennähe auf der deutschen Ostsee vor. Im westlichen Teil liegen die Verbreitungsschwerpunkte v.a. in der Kieler Bucht, rund um Fehmarn, in der Mecklenburger Bucht sowie der Wismarbucht. Die h chsten Konzentrationen befinden sich jedoch im Ostteil der deutschen Ostsee nahe den K sten von R gen und Usedom sowie im Greifswalder Bodden. Am zahlenstärks- ten ist das Vorkommen im Ostteil der deutschen Ostsee im Sommer. Dabei sind die Zahlen in der Nähe mehrerer großer Brutkolonien bei R gen und Usedom besonders hoch (ZIMMERMANN 2004, HEINICKE 2005). Im Sommer und Herbst erstreckt sich das Vorkommen vor Usedom z.T. auch weit in den Offshore-Bereich. Im Winter halten sich große Anzahlen auch im Strelasund auf. Am Anfang der Brutzeit nutzen Kormorane von Binnenlandskolonien nahe der Ostsee die k stennahen Gewässer als Nahrungshabitat und erbeuten dort berwiegend Heringslaich. Somit liegen zumindest f r diesen Zeitraum intensive Austauschbewe- gungen zwischen Brutgebieten im Binnenland und in K stengewässern vor (KIECKBUSCH & KOOP 1996).
214 Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Kormorane regelmäßig im Sommer und Herbst vor.
Tab. 14-3: Rastbestandszahlen der Kormorane f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstran- sektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklas- sen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Der prozentuale Anteil der Individuen bezieht sich auf die biogeografische Population "N-, M-Europa" der Unterart sinensis. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 320 0,1 0 0,0 Sommer k.A. k.A. 80 <0,1 100 <0,1 Herbst k.A. k.A. III <0,1 II <0,1 Winter 10.500 2,7 III <0,1 0 0,0
14.4.3 Bestandsentwicklung In Mittel- und N-Europa geh ren Kormorane zu den heimischen Brutv geln. Schon aus der Mittelsteinzeit gibt es in den deutschen K stenregionen Knochenfunde von Kormoranen. Aus Schleswig-Holstein liegen erste Berichte ber br tende Kormorane bereits vom Beginn des 19. Jh. vor. BOIE (1819, zit. in KIECKBUSCH & KOOP 1996) berichtet f r 1815 von einer ber 7.000 Paare umfassende Brutkolonie am Großen Binnensee (Kreis Pl n). Schon damals wurden Kormorane stark verfolgt und Kolonien zerst rt, so dass sie Ende des 19. Jh. in weiten Teilen Mitteleuropas ausgerottet waren. Geringe Restbestände berlebten in Polen und den Niederlanden, von denen eine langsame Wiederausbreitung ausging. Mitte der 1970er Jahre stiegen die Brutbestände in Dänemark um 23,8 %, in den Niederlanden um 10,8 % und in W-Deutschland um 29,8 % pro Jahr an (Bezugszeitraum: 1978-1993, VAN EERDEN & GREGERSEN 1995). In Niedersachsen br teten zu dieser Zeit weniger als 50 Paare, in Mecklenburg- Vorpommern lag der Bestand bei 1.000 Paaren an 4-5 Standorten (KLAFS & STÜBS 1987). Dort entstanden Anfang der 1980er Jahre neue Kolonien und an einigen bestehenden Kolonien vergr ßerte sich der Brutbestand deutlich (LINDELL et al. 1995). Der Anstieg dieser Brutbestände f hrte Anfang der 1980er Jahre in Schleswig- Holstein zunächst zu einem Anstieg der Rastbestände und dann 1984 zu den ersten erfolgreichen Bruten. Etwa zur gleichen Zeit dehnte sich die Brutverbreitung der Kormorane, die bislang nur auf N-Deutschland beschränkt war, auch bis nach Bayern aus. In ganz Deutschland nahm der Brutbestand Anfang der 1990er Jahre stark zu, was maßgeblich durch den Zuwachs in Mecklenburg-Vorpommern bestimmt wurde (in den
215 1980er Jahren br teten dort ber 90 % des deutschen Kormoranbestands). Bis 1995 verdreifachten sich die Brutpaarzahlen auf 15.000 Paare an 64 Brutplätzen, wobei die meisten Brutvorkommen weiterhin in Mecklenburg-Vorpommern lagen. Bis zum Jahr 2000 schwächte sich das Bestandswachstum dann deutlich ab (18.400 Paare, 91 Brutplätze). Im weiteren Verlauf bildeten sich besonders im Binnenland neue Kolonien, die Verbreitungsl cken schlossen (23.500 Paare an 118 Brutplätze im Jahr 2005; KIECKBUSCH & KNIEF 2007). Diese rasche Bestandszunahme ab den 1970er Jahren macht deutlich, dass die direkte Verfolgung die Hauptursache f r das fast vollständige Verschwinden war. 1965 stellten die Niederlande den Kormoran unter Schutz, 1970 folgte die DDR und 1972 Dänemark, worauf sich die Bestände vor allem in den Niederlanden und Dänemark schnell erholten (s.o.). Etwas verz gert machte sich dann diese Entwicklung auch in Deutschland und Schweden bemerkbar. Die hohen Wachstumsraten verdeutlichen, dass Kormorane z.B. in den Niederlanden und im westlichen Ostseeraum sehr g nstige Lebensbedingungen vorfanden. Die durch Eutrophierung bedingte erh hte Produktivi- tät der Gewässer und damit die Zunahme der f r Kormorane bedeutsamen Beutefisch- arten beg nstigten ihre Ausbreitung. Die Konsolidierung der Kormoranbestände gegen Ende des 20. Jahrhunderts ist u.a. auf dichteabhängige Regulationsmechanismen zur ckzuf hren. Nachdem der starke Bestandszuwachs insbesondere in den 1980er Jahren durch einen hohen Reprodukti- onserfolg erm glicht wurde, ist seit den 1990er Jahren ein R ckgang des Bruterfolgs festzustellen. Gr nde f r den verringerten Bruterfolg werden u.a. in einer verringerten Nahrungsverf gbarkeit, einem erh hten Prädationsdruck und dem Wiederaufleben einer verstärkten menschlichen Verfolgung gesehen (KIECKBUSCH & KNIEF 2007). An den Ergebnissen der Wasservogelzählung lässt sich die allgemeine Bestandserho- lung deutlich ablesen: die winterlichen Rastbestände in Deutschland stiegen im Mittel mit 13,2 ± 0,65 % an. Insbesondere in einer Periode der stärksten Wachstumsphase der nordwest-europäischen Brutbestände vervielfachten sich die Bestände. Anschließend folgte eine fast zehnjährige Phase mit auf hohem Niveau fluktuierenden Rastbestän- den. Erst in den Wintern 2003 / 04 und 2004 / 05 kam es erneut zu einem deutlichen Anstieg. Bei einer detaillierteren Betrachtung der Bestandsentwicklung zeigt sich, dass die Bestände seit Mitte der 1990er Jahre vor allem in Norddeutschland zunehmen (am deutlichsten im Nordosten). Dies deutet auf einen Zusammenhang mit der Entwick- lung der Brutbestände in Skandinavien hin, wo die Bestände in Schweden (BREGNBALLE et al. 2003) und seit der Jahrhundertwende in Finnland (LEHIKOINEN 2006) fast exponentiell anwuchsen. Die Winterbestände an der Ostseek ste, die etwa 20 % des deutschen Mittwinterrastbestandes ausmachen, entwickelten sich in
216 ähnlicher Weise, sie unterliegen jedoch deutlich stärkeren jährlichen Schwankungen, die vor allem durch die jährlich wechselnden Überwinterungsbedingungen hervorgeru- fen werden (Vereisungsgrad der Ostsee). Im Zuge der berwiegend milden Winter haben sich auch die Winterquartiere, zumindest der dänischen Kormorane, nach Norden verlagert (BØNLØKKE et al. 2006), was ebenfalls zum Anstieg der Winterbe- stände in Deutschland beiträgt. In S ddeutschland hingegen stabilisierten sich die Bestände auf dem Niveau von Anfang der 1990er Jahre bzw. sind regional auch r ckläufig – eine Entwicklung, wie sie sich auch in der Schweiz zeigt (SCHIFFERLI et al. 2005). Diese großräumig ähnliche Entwicklung deutet auch hier auf einen Zusammenhang mit den Entwicklungen in den Herkunftsgebieten (Niederlande, Dänemark, Teile Norddeutschlands) der Wintergäste hin, wo sich die Brutbestände stabilisierten. Regional scheint auch die Lebensraumkapazität erreicht zu sein.
Kormoran Phalacrocorax carbo NO-Deutschland 7 NW-Deutschland S-Deutschland Deutschland 6
5
4 Index
3
2
1
0 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 Januar Abb. 14-5: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Kormorane in Deutschland im Januar 1981-2005, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II). Aus Gr nden der Übersichtlichkeit wurde auf eine Darstellung der Standardfehler bei den regionalen Indexwerten verzichtet. Be- achte andere Skalierung.
217 14.5 Biologie / Ökologie 14.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: Ende des 3. bzw. im 4. Lebensjahr Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn z.T. schon ab März, sonst April bis Juni, Brutdauer 28-31 Tage Gelege: meist 3-4, manchmal auch 5, ganz selten 6 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege und Zweitbruten m glich K ken: schl pfen meist Anfang Mai bis Juni, werden von beiden Eltern gef ttert, K ken sind erst nach ca. 2 Monaten voll flug- fähig und noch weitere 12-13 Wochen von den Altv geln ab- hängig
14.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 11 Jahre Ältester Ringvogel: 21 Jahre 6 Monate, zahlreiche Nachweise > 15 Jahre Sterblichkeit: 36 % im 1. Jahr, 22 % im 2. Jahr, 16 % im 3. Jahr, 9-14 % in den folgenden Jahren (Schätzungen Niederlande)
14.5.3 Mauser Kormorane durchlaufen die postjuvenile Mauser (Teilmauser) zwischen August und Dezember. V gel der Unterart sinensis beginnen schon ab August mit der Großgefie- dermauser. Die V gel der Unterart carbo durchlaufen im 2. KJ von Februar bis Dezember eine Vollmauser, die nach einer Unterbrechung im Fr hjahr des 3. KJs mit einem 2. Mauserzyklus bei den inneren Handschwingen fortgesetzt wird. Ab dem 4. KJ mausern sie wie die Adulten. Bei V geln der Unterart sinensis setzt der 2. Mauserzyklus z.T. schon im 2. KJ ein. Während der Postnuptialmauser (Vollmauser) der Adulten werden die Schwungfedern meist mit 2 (3) aktiven Mauserzentren (Staffelmauser) zwischen Juli und Dezember erneuert. Da Kormorane ihre Schwingen nicht synchron mausern, sind sie zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt. Von Januar bis April vollzieht sich die Pränuptialmauser (Teilmauser).
14.5.4 Wanderungen Kormorane sind sowohl Teilzieher als auch ausgeprägte Zugv gel. Die Brutv gel der Unterart carbo, die in Irland / Großbritannien br ten, vollziehen meist nur Streuungs- wanderungen vor allem in n rdliche und s dliche Richtung, in der Regel nicht nach Osten.
218 Die Ost-Population von sinensis (z.B. Ostsee) zieht in SSW- bis SO-Richtung, dabei wandern sie regelmäßig ber Land, was sie im Zugverhalten von carbo unterscheidet. Brutv gel aus dem Westen Mitteleuropas ziehen in Richtung S bis SW. Aus Beringungsprojekten in Ostdeutschland ist bekannt, dass sich das Zugverhalten ostdeutscher Kormorane im Vergleich zu fr her (vgl. KÖPPEN 2007) wenig verändert hat. Im Laufe der Monate Juli und August zerstreuen sich sowohl diesjährige Jungv gel als auch ältere Kormorane ber den gesamten Ostseeraum. Im September setzt eine s dwärts gerichtete Zugbewegung ein. Eine Zugroute f hrt die V gel nach Westen entlang der Nordseek ste bis nach Frankreich. Eine weitere f hrt in s d stli- cher Richtung nach Tschechien, O-Österreich, Slowenien und N-Kroatien. Neben den klassischen Überwinterungsgebieten im zentralen Mittelmeergebiet, auf dem Balkan, in N-Afrika und an der franz sischen Atlantikk ste f hrte eine s dwestlich gerichtete binnenländische Wegzugroute ab Anfang der 1980er Jahre zu einer Erweiterung des Überwinterungsgebietes auf den Raum n rdlich der Alpen und ins Innere Frankreichs. Generell ist ein alters- und geschlechtsdifferenziertes Zugverhalten f r Kormorane typisch. Jungv gel scheinen weiter abzuwandern als Altv gel (KÖPPEN 2007). Man geht davon aus, dass die Brutv gel NO-Deutschlands im Laufe des Novembers die Region mehr oder weniger vollständig verlassen haben. Bis 2006 wurden nur 11 in Ostdeutschland beringte V gel im Winter dort wiedergefunden und es scheint keine Tendenz f r eine häufigere Überwinterung zu geben. Kormorane, die in O-Deutsch- land berwintern, stammen berwiegen aus dem nord stlichen Ostseeraum, der erst in j ngerer Zeit besiedelt wurde (KÖPPEN 2007). Die stärksten Wegzugbewegungen zeigen sich im Oktober und November. Ab Januar / Februar (in den Niederlanden) kehren die ersten V gel in ihre Brutkolonien zur ck, weiter stlich kommen sie ab März an.
14.5.5 Habitat Kormorane br ten in der Regel kolonial. Die beiden in Europa verbreiteten Unterarten bevorzugen unterschiedliche Habitate (zur Verbreitung s. Kapitel 14.4.1): Die V gel der Unterart carbo sind vorwiegend K stenv gel, die meist an Klippen br ten. Bei der Nahrungssuche fischen sie hauptsächlich in Salz- und Brackwasser, aber auch an k stennahen Binnengewässern. Kormorane der Unterart sinensis sind berwiegend Baumbr ter an Binnenseen, br ten gelegentlich aber auch am Boden. Nahrung suchen sie auf fischreichen Binnengewässern und in k stennahen Meeresgebieten (Ostsee, Mittelmeer). Außerhalb der Brutzeit halten sich Kormorane sowohl in fischreichen, k stennahen Gewässern auf See als auch auf stehenden und fließenden Binnengewässern auf.
219 14.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Kormorane sind Nahrungsopportunisten. Die Zusammensetzung ihrer Beute schwankt entsprechend räumlich, jahreszeitlich und jahrweise in Abhängigkeit vom Angebot (KNIEF 1994). Je nach Nahrungsangebot jagen Kormorane entweder in Gruppen oder einzeln: Kleine Schwarmfische werden gemeinschaftlich erbeutet, gr ßere Fische dagegen eher einzeln. Kormorane bewegen sich während der Nahrungssuche mit den F ßen schwimmend fort. Meist tauchen sie 15-60 Sekunden. Kormorane des Wattenmeeres verbringen täglich 26 bis 138 Minuten mit der Nahrungssuche (NEHLS & GIENAPP 1997). Dabei werden bis zu 160 Tauchgänge durchgef hrt. Die maximale Tauchtiefe bei V geln in Binnenseen beträgt in etwa 3 m (bis 16 m nachgewiesen), im Meer wurden schon > 30 m festgestellt. Die meisten Tauchgänge f hren eher zum Grund, wohingegen pelagische Beute seltener erbeutet wird (GRÉMILLET et al. 1998).
KUBE (2004) fasst zusammen, dass ein Altvogel seinen Tagesbedarf von durchschnitt- lich etwa 250 g Fisch innerhalb von 2 Std. täglicher Jagdzeit decken kann. Der Nahrungsbedarf steigt gegen Ende der Jungenaufzucht bei Altv geln auf max. 600 g pro Tag an. Weiter geht KUBE (2004) davon aus, dass der geringe tägliche Zeitauf- wand bei der Jagd durch das opportunistische Verhalten der Kormorane begr ndet werden kann. Vermutlich fressen Kormorane die in ihrem Aufenthaltsgebiet jeweils am einfachsten zu erbeutenden Fische, d.h. in der Regel auch zahlenstark vorkommen- de Fischarten. Beobachtungen an der schleswig-holsteinischen Ostseek ste machten deutlich, dass Kormorane zu Beginn der Brutzeit aus allen Kolonien – einschließlich der im Binnenland – zur Ostsee fliegen, um sich von den dort laichenden Heringen zu ernähren. Im weiteren Verlauf der Brutzeit nutzen nur noch V gel der k stennahen Brutkolonien die Ostsee zur Nahrungssuche, während die Brutv gel aus Binnenland- kolonien nun bevorzugt gr ßere Seen anfliegen (KIECKBUSCH & KOOP 1996). Da Kormorane Nahrungsopportunisten sind, nutzen sie in Nord- und Ostsee entspre- chend der Nahrungsverf gbarkeit ein unterschiedliches Beutespektrum. Nordsee Plattfische machen einen großen Teil der Nahrung der Kormorane in Nordseegewäs- sern aus: NEHLS & GIENAPP (1997) untersuchten Kormorannahrung während des Wegzuges der Jahre 1992-1994 auf Sylt. Anhand von Speiballenanalysen und Direktbeobachtungen konnten als häufigste Beutekomponenten Plattfische (Pleuronec- tidae) ermittelt werden. Weitaus weniger häufig kamen Grundeln (Gobiidae) und
220 Dorschartige (Gadidae) in der Nahrung vor. In noch geringeren Mengen wurden Polychaeten und Strandkrabben sowie Nordseegarnelen (Crangon crangon) erbeutet. Auch LEOPOLD et al. (1998) fanden mit einer Häufigkeit von 73 % und einer hohen Diversität von 24 Arten hauptsächlich Plattfische in den Mägen von Tieren des niederländischen Wattenmeeres. Der Massenanteil machte 79 % aus. Unter den Plattfischen dominierten Schollen (Pleuronectes platessa; in 46 % von allen Proben), Klieschen (Limanda limanda; 34 %) sowie Flundern (Platichthys flesus; 19 %). Seezungen (Solea solea) traten lediglich zu 1 % in den Proben auf. LEOPOLD & VAN DAMME (2002) konnten jedoch feststellen, dass im Fr hjahr die Nahrung der Kormorane auch zu einem bedeutenden Anteil aus Polychaeten der Art Nereis virens bestehen kann, welche zu dieser Jahreszeit zum Laichen in die Wassersäule aufsteigen und dann von Kormoranen erbeutet werden k nnen. Ostsee Im Gegensatz zu den Kormoranen des Wattenmeeres verzehren Individuen der Ostsee weniger Plattfische, sondern berwiegend Hering (Clupea harengus) und Stichling (Gasterosteus aculeatus) sowie einige andere S ßwasserarten.
PREUß (2002) untersuchte Speiballen der Kolonie Heuwiese, n rdlich von Stralsund, in der Brutphase der Jahre 1997 und 1999. Stichlinge, Sandaale (Ammodytidae) und Pl tze (Rutilus rutilus) dominierten die Nahrung. Dar ber hinaus wurden in Anteilen von meist weniger als 10 % Flussbarsch (Perca fluviatilis), Grundeln (Gobiidae), Plattfische, Dorschartige und einige andere Gruppen in der Nahrung gefunden. Untersuchungen der Vogelwarte Hiddensee an Kormoranen, die zwischen den Jahren 1959-1968 im Ostseeraum geschossen wurden, wiesen in den Proben jeweils 30 % Hering und Flussbarsch und 20 % Aal (Anguilla anguilla) nach (STRUNK & STRUNK 2005).
UBL (2004) untersuchte Mägen von 83 Kormoranen, die zwischen November 2002 und Juli 2003 in n rdlichen Bereichen des Greifswalder Boddens geschossen wurden. Am häufigsten trat der Stichling auf (84 %), gefolgt von weitaus geringeren Anteilen von Hering (6 %), Sandaal (5 %) und Barsch (2 %). Sonstige Fischarten kamen mit Anteilen unter 1 % vor. Über den Beprobungszeitraum hinweg konnten starke Veränderungen im Auftreten einzelner Beuteorganismen festgestellt werden. In Bezug auf die gefressene Biomasse war Hering die wichtigste Beute (55 %), gefolgt von Stichling (11 %) und Barsch (10 %).
GARTHE et al. (2008) untersuchten den Mageninhalt der Kormorane aus dem Zeitraum 2001 bis 2003 von Usedom. Bei dem Großteil der V gel handelte es sich um Beifänge aus der Stellnetzfischerei. Von den in der Nahrung nachgewiesenen 12 verschiedenen Fischarten bzw. Fischfamilien machte der Kaulbarsch (Gymnocephalus cernuus) 43 %
221 der Beutebiomasse aus, gefolgt von Pl tze mit 26 %, Flussbarsch und unbestimmten Fischen mit jeweils 6 %. Fischereilich bedeutsame Arten wie Zander (Sander lucioperca) und Aal stellten nur 1 % der Beutebiomasse.
Auch KIECKBUSCH (1993) und KIECKBUSCH & KOOP (1996) fanden f r Kormorane, die in der schleswig-holsteinischen Ostsee jagten, eine deutlich andere Nahrungszu- sammensetzung als in der Nordsee. Die Tiere ernährten sich hier berwiegend von Aalmuttern (Zoarces viviparus), Dorschen (Gadhus morhua), Seeskorpionen (Myoxo- cephalus scorpius) und Grundeln, wohingegen Aale, Sandaale und Plattfische nur in geringen Mengen erbeutet wurden. Binnengewässer Kormorane sind häufig auf stehenden Binnengewässern anzutreffen. Kormorane des Großen Pl ner Sees erbeuteten vor allem Stint, Kaulbarsch und Jungstadien von Flussbarschen sowie Pl tzen (KIECKBUSCH & KOOP 1996). KNIEF (1994) ermittelte, dass einzeln jagende Tiere auf Binnenseen mehr Flussbarsche sowie Aale und Weißfische fraßen, wohingegen in Gruppen jagende Individuen einen viel h heren Anteil an Kaulbarschen erbeuteten.
14.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Kormorane sind tagaktive V gel. Sie ruhen und putzen sich meist an Land und trocknen ihr Gefieder nach der Unterwasserjagd, da sie mit nassem Gefieder im Flugverhalten eingeschränkt sind. Auch j ngere nichtbr tende V gel kommen zum Schlafen in die Kolonie. Kormorane sind sehr gesellig. Ihre Kolonien k nnen tausende von Paaren umfassen, auch fischen sie häufig in gr ßeren Trupps.
14.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 14.6.1 Gefährdungsursachen Kormorane sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen und Reusen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung)
222 Im Brut- und Landrastgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Menschliche Verfolgung im Rahmen sog. bestandsregulierender Maßnahmen (Vergrämungen am Brutplatz, Verhinderung der Ansiedlung, Zerst rungen der Horste und Gelege, St rungen durch Lasergewehre, Abschuss von Alt- und Jungv geln etc.)
14.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Kormorane gegen ber ausgewählten anthropogenen Gefährdungen Kormorane haben eine mäßig hohe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen, fliegen vor sich nähernden Schiffen aber fast immer auf. Gelegentlich zeigen sie auch Fluchtreaktionen durch Abtauchen (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.). Diese hohe Empfindlich- keit gegen ber Schiffsverkehr kann zu einer Meidung häufig befahrener Strecken f hren. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsverkehr zu einer Verkleine- rung oder Zerschneidung des Lebensraumes der Kormorane f hren, häufige Fluchtre- aktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringer- ter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkon- dition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Kormorane zeigen auf dem Weg zu Nahrungsgebieten oder Schlafplätzen eine hohe Flugaktivität, legen dabei auch gr ßere Entfernungen zur ck und haben nur eine geringe Man vrierfähigkeit. Sie sind daher als sehr empfindlich gegen ber einer Kollision mit Hindernissen, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, einzustufen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im oberen Bereich aller untersuchten Arten. Windparks k nnen aufgrund ihrer Scheuch- wirkung sowie durch zusätzliches Schiffsaufkommen zu Lebensraumzerschneidung und Habitatverlust f hren. Beim Zug kann es neben der direkten Mortalität durch Kollision (insbesondere bei schlechten Wetterbedingungen) zudem auch durch die Barrierewirkung der Anlagen zu einem weiträumigen Umfliegen kommen. Dies kann zu einem erh hten Energieverbrauch und damit m glicherweise zu Konditionsminde- rung bis hin zu indirekt hervorgerufener Mortalität f hren. Da Kormorane ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie sehr anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung des Vogelvorkommens mit der Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten durch Ertrinken kommen, da die d nnen Monofilament-Netze f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). In der Pommerschen Bucht findet derzeit eine intensive Stellnetzfischerei mit weitmaschigen Netzen auf Zander und Dorsch statt, insbesondere im Greifswalder Bodden und in den K stengewässern bis zur 10 m
223 Tiefenlinie. In diesen Gebieten kommen fast ganzjährig auch Kormorane in z.T. großer Anzahl vor. Nach KUBE (2004) ertrinken alljährlich hunderte von Kormoranen in Stellnetzen und Reusen. SCHIRMEISTER (2003) beschreibt, dass seewärts vor Usedom nur selten Kormorane in den Stellnetzen ertrinken, nennt aber hohe Verluste in Aalreusen. In 12 Wintern errechnete er aus einer nur stichprobenhaften Kontrolle v.a. von Reusen aus dem Stettiner Haff knapp 2.000 Opfer. Dabei berwogen Jungv gel deutlich, während Altv gel die Fischereigeräte offensichtlich mieden. Im IJsselmeer (Niederlande) ertrinken pro Jahr etwa 260 Kormorane in Stellnetzen, etwa 3 % des maximal anwesenden Bestandes (VAN EERDEN et al. 1999). Es ist davon auszugehen, dass insbesondere Reusen einen Attraktionseffekt auf Kormorane aus ben, da die V gel beim Versuch, gefangene Fische aus den Reusen zu erbeuten, ertrinken k nnen. Auch bei Stellnetzen k nnte es zu einem derartigen Attraktionsef- fekt kommen. Da die Nahrung der Kormorane aber zu einem großen Teil auch aus kommerziell unbedeutenden Fischarten besteht (s. Kapitel 14.5.6), verfangen sich die Kormorane vermutlich nur aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Kormorane halten sich insbesondere bei der Fischjagd häufig in großen Gruppen auf dem Wasser auf. Daher sind sie sehr empfindlich gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwick- lungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Kormorane ernähren sich opportunistisch von einer Vielzahl verschiedener Beutearten und nutzen auch verschiedene Beutegr ßen (s. Kapitel 14.5.6). Je nach verf gbaren Fischbeständen k nnen sie ihre Nahrungspräferenzen leicht ändern (LEOPOLD et al. 1998). Zudem k nnen Kormorane auf der Suche nach Nahrung auch gr ßere Entfer- nungen zur Kolonie zur cklegen und daher auch weiter entfernte Nahrungsgr nde nutzen. Sie sind daher momentan nicht durch Nahrungsverknappung durch die aktuell bestehende Fischerei gefährdet. Kormorane waren und sind immer wieder Opfer menschlicher Verfolgung, die zu Beginn und erneut ab Mitte des 20. Jahrhunderts zu starken Bestandseinbr chen in
224 Mitteleuropa f hrte. An den Brutplätzen kommt es immer wieder zu Vergrämungen und Verhinderung der Ansiedlung, Zerst rungen der Horste und Gelege, St rungen durch Lasergewehre sowie Abschuss von Alt- und Jungv geln. Im Winter bestehen Gefährdungen v.a. durch St rungen an Rast- und Schlafplätzen sowie durch Abschuss in den Nahrungsgebieten. Basierend auf dem Artikel 9 der EU-Vogelschutzrichtlinie, nach der Maßnahmen u.a. zur Abwendung erheblicher Schäden an Fischereigebieten und Gewässern oder zum Schutze der heimischen Tier- und Pflanzenarten zulässig sind, sofern Schäden nachgewiesen sind und es keine wirksamen Alternativl sungen gibt, erm glicht es der § 43 des Bundesnaturschutzgesetzes, Sondergenehmigungen zur T tung der Kormorane zu erteilen. Sie werden von den zuständigen Landesbeh r- den erlassen, existieren mittlerweile in verschiedenen Bundesländern, u.a. in Schles- wig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, und erm glichen immer intensivere Eingriffe (z.B. f r Mecklenburg-Vorpommern zusammengestellt in KUBE 2004). Nicht selten kommt es zusätzlich auch noch zu illegalem Vorgehen gegen Kormorane. Im Juni 2005 wurden in der Brutkolonie innerhalb des Naturschutzgebietes und EU- Vogelschutzgebietes Anklamer Stadtbruch in Mecklenburg-Vorpommern mehr als 6.000 Kormorane angeschossen und erlegt, darunter auch zahlreiche Altv gel, deren unversorgte Jungtiere dann ebenfalls verendeten (VON LINDEINER 2004). Auch f r Schleswig-Holstein beschreiben KIECKBUSCH & KOOP (1996) gezielte St rungen und auch illegale Eingriffe in das Brutgeschehen der Kormorane, obwohl diese dort berwiegend in Naturschutzgebieten br ten. Den Einschätzungen der „erheblichen Schäden durch Kormorane“ gemäß den Kormoranrichtlinien fehlen häufig die wissenschaftlichen Grundlagen, neue Ergebnisse aus modernen Forschungsvorhaben bleiben oft unber cksichtigt. Der Nahrungsbedarf der Kormorane unterliegt im Jahresverlauf starken Schwankungen, neben der täglichen Nahrungsmenge muss zudem auch die Nahrungszusammensetzung bekannt sein, die regional jedoch meist sehr unterschiedlich ist. F r die Kormorane in den Boddengewässern Mecklenburg- Vorpommerns beschreibt KUBE (2004) einen jährlichen Fischkonsum von nur 5-10 % der Fangerträge der Fischerei, wovon etwa 30 % auf kommerziell ungenutzte Fischarten entfallen. Die brigen 70 % betreffen berwiegend Arten, deren Fangquo- ten derzeit nicht ausgesch pft sind bzw. f r die keine teuren Besatzmaßnahmen durchgef hrt werden (Hering, Flussbarsch), so dass von einem Fangverlust f r die Fischer durch Kormorane in den K stengewässern Mecklenburg-Vorpommerns nicht die Rede sein kann. An Seen und Teichen, wo es durch Kormorane durchaus zu wirtschaftlichen Schäden kommen kann, werden den Betreibern hohe Ausgleichszah- lungen gewährt. Zudem k nnen in solchen Gebieten nicht-invasive Abwehrmaßnah- men, wie z.B. das Abdecken der Teiche mit Netzen, relativ einfach durchgef hrt werden. Finanzielle Einbußen f r die K stenfischer, z.B. durch angebissene Fische in
225 den Reusen oder Schäden an Netzen, werden ebenfalls durch Schadensersatzzahlungen ausgeglichen (KUBE 2004). Kormorane beginnen meist ab dem dritten Lebensjahr mit der Fortpflanzung, haben eine mittlere Anzahl von Jungv geln und eine im Vergleich zu anderen Seevogelarten eher hohe Altvogelmortalität. Sie besitzen eine große kologische Plastizität und k nnen beispielsweise bei geringer intraspezifischer Konkurrenz mehr Eier legen. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Der Status der Kormorane in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. Auf der Roten Liste Deutschlands steht er auf der Vorwarnliste (Tab. 14-3). Da der Kormoran zwischen- zeitlich einen g nstigen Erhaltungszustand erreicht hatte, wurde er mit Erlass der Richtlinie 97/49 der EG-Kommission zur Änderung der Vogelschutzrichtlinie im Jahre 1997 aus dem Anhang I gestrichen. Sein Schutzstatus als europäische Vogelart im Sinne von Art. 1 V-RL blieb aber erhalten (CZYBULKA 2007).
Tab. 14-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Kormorane in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + V + + + + + Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPEC - III -
14.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Aufgrund ihres typischen Erscheinungsbildes sowie der geringen Fluchtdistanz vor Schiffen und Flugzeugen sind Kormorane von beiden Zählplattfor- men aus gut zu entdecken und zu bestimmen. F r die Erfassung sind daher beide Methoden gut geeignet. K sten Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
14.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit
226 - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glicher Habitatverluste durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
227
15 Tordalk
Alca torda Linnaeus 1758
GB: Razorbill NL: Alk
DK: Alk Foto: S. Garthe S: Tordmule Abb. 15-1: Tordalk im PK PL: Alka
15.1 EU-Code A200
15.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Alcidae - Alken
15.3 Kennzeichen Kräftiger Alkenvogel mit schwärzlichem Kopf, schwärzlicher Oberseite und weißer Unterseite. Schnabel hoch, stumpf und seitlich abgeflacht, schwarz mit weißer Querlinie. Im PK mit dunklem Kopf sowie weißem Querstreifen vor Schnabelspitze und weißer Linie oberhalb des Z gels. Im SK mit variablem Weißanteil an Kopfseiten, weißer Z gelstreif fehlend. Verwechslungsm glichkeiten: mit Trottellumme. Tordalk schwärzer, Flanken, Achseln und Unterfl geldecken weiß. Im Flug mit schmaler schwarzer B rzelregion und viel Weiß an den Seiten; F ße von langem Schwanz verdeckt.
15.4 Verbreitung 15.4.1 Welt / Europa Tordalken br ten berwiegend an steilen Klippen felsiger K stengebiete und auf Offshore-Inseln in den borealen bis subarktischen Zonen auf beiden Seiten des Atlantiks. Im O-Atlantik erstreckt sich das Brutgebiet vom Weißen Meer und der Murmanskk ste ber N-Norwegen bis Schweden und entlang der Ostseek ste sowie von Island ber die britischen Inseln bis nach NW-Frankreich.
228
Man unterscheidet zwei genetisch nur geringf gig differenzierte Unterarten: 1. die Nominatform A. t. torda (Arktis, Ostsee, Weißes Meer) und 2. die Unterart A. t. islandica (br tet von Island ber die Fär er Inseln bis nach W-Europa). Die Unterart islandica gilt in Mitteleuropa als lokaler Brut- und Sommervogel. Die Nominatform kommt dagegen aus N-Fennoskandien und N-Russland als Wintergast an die Ostseek sten, wohl aber auch an die K sten der Nordsee.
Der globale Bestand der Tordalken beträgt 610.000-630.000 Paare (MITCHELL et al. 2004). Der gr ßte Anteil der Weltpopulation br tet in NW-Europa, mit den gr ßten Kolonien auf Island (DEL HOYO et al. 1996, GASTON & JONES 1998). An der Nordsee liegen die gr ßten Brutgebiete auf den Britischen Inseln. Im Juni / Juli, wenn die Tordalken nach Abschluss des Brutgeschäftes in die Offshore- Bereiche zur Jungenaufzucht und Mauser ziehen, befinden sich vor der schottischen Nord- und Ostk ste hohe Konzentrationen (SKOV et al. 1995). Nach der Mauser berqueren viele Tordalken die Nordsee auf dem Weg in die Überwinterungsgebiete im Skagerrak und Kattegat. Weitere wichtige Überwinterungsgebiete befinden sich entlang der s dlichen Nordsee und im Englischen Kanal. Insbesondere bei immaturen Tordalken erstrecken sich die Überwinterungsgebiete bis nach Marokko und ins Mittelmeer (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985, CRAMP 1985, SKOV et al. 1995, STONE et al. 1995, WERNHAM et al. 2002).
Nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) bilden die europäischen Brutv gel zusammen einen Brutbestand von 430.000-770.000 Paaren. Durch WETLANDS INTERNATIONAL (2006) wird f r Tordalken keine biogeografische Population definiert. MITCHELL et al. (2004) fassen als biogeografische Einheit jedoch den Brutbestand NW-Europas zusammen, KUBE et al. (2005a) definieren die V gel der Ostsee als biogeografische Population (Tab. 15-1).
Tab 15-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zur biogeografischen Population „NW- Europa“ (MITCHELL et al. 2004) und zur biogeografischen Population der Tordal- ken in der Ostsee (KUBE et al. 2005a). Der Bestand der NW-europäischen biogeo- grafischen Population bezieht sich auf br tende Altv gel. Der Nichtbr teranteil wurde nicht ber cksichtigt. Art/ Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium A. t. NW-Europa NW-Europa k.A. 1,06 Mio. k.A. 10.600 islandica A. t. torda k.A. Ostsee Ostsee 55.000 k.A. 550
229
15.4.2 Deutschland Status: Brutvogel auf Helgoland (Unterart islandica); Durchz gler und Wintergast auf Nord- und Ostsee (Nominatform und Unterart islandica) Die auf der deutschen Nordsee vorkommenden Tordalken geh ren zur biogeografi- schen Population „NW-Europa“ nach MITCHELL et al. (2004), die auf der deutschen Ostsee vorkommenden Tordalken zu einer weiteren biogeografischen Population, die von KUBE et al. (2005a) definiert wurde. Die Brutv gel der Ostsee k nnen insofern als eigene biogeografische Population betrachtet werden, als dass nur vereinzelte V gel westwärts bis zum Kattegat und zum Skagerrak vorkommen, um dort zu berwintern (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985, DURINCK et al. 1994b). Tordalken br ten in Deutschland nur auf Helgoland. Im Jahr 2006 betrug der Brutbestand dort 18 Paare (O. HÜPPOP, pers. Mitt.). Während der Wintermonate kommen Tordalken sowohl weiträumig auf der deutschen Nordsee als auch in den westlichen und stlichen Gebieten der deutschen Ostsee vor (Abb. 15-2). Der Rastbestand der Tordalken in Deutschland beträgt im Mittwinter ca. 11.000 Individuen (Tab. 15-2 und 15-3). Daten der deutschen Wasservogelzählung liegen f r diese Art nicht vor.
Abb. 15-2: Verbreitung der Tordalken auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Im Sommer und Herbst beschränkt sich das Vorkommen der Tordalken auf der Nordsee auf wenige Einzelnachweise, insbesondere im Bereich von Helgoland sowie im k stenfernen Offshore-Bereich. Das Hauptvorkommen ist in den Wintermonaten zu beobachten (Tab. 15-2). Entlang der K sten kommt die Art verbreitet in geringen bis mittleren Dichten innerhalb des 20 m Tiefenbereiches vor, mit Häufungen westlich
230
von Sylt sowie um Helgoland. Ein nahezu flächiges Vorkommen ist entlang der Ostfriesischen Inseln zu beobachten; die h chsten Konzentrationen befinden sich n rdlich von Borkum und Norderney und erstrecken sich bis in den Offshore-Bereich. Im zentralen und n rdlichen Offshore-Bereich befinden sich verstreut geringe bis mittlere Dichten der Tordalken. Ringfunde deuten darauf hin, dass die meisten Tordalken aus britischen Brutkolonien stammen (WERNHAM et al. 2002). Im Fr hjahr kommen Tordalken berwiegend im k stenfernen Offshore-Bereich vor, insbesondere westlich von Helgoland. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Tordalken nur im Winter und Fr hjahr regelmäßig als Rastv gel vor (Tab. 15-2); der gr ßte Bestand wird im Winter erreicht.
Tab. 15-2: Rastbestandszahlen der Tordalken f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeitraum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitrum: 1996-2005). Gr - ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): I: 1-5, II: 6-10, III: 11-50 Ind. Der Anteil an der biogeografischen Population bezieht sich auf die biogeografische Population "NW-Europa". Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 850 0,1 800 0,1 140 <0,1 Sommer III <0,1 II <0,1 0 0,0 Herbst I <0,1 0 0,0 0 0,0 Winter 7.500 0,7 4.500 0,4 700 0,1
Ostsee Tordalken kommen v.a. im Winter auf der deutschen Ostsee vor. In geringen bis mittleren Dichten tritt die Art in weiten Teilen des K sten- und Offshore-Bereichs der Pommerschen Bucht und weiter westwärts bis Zingst auf. Gr ßere Anzahlen halten sich auch in der Mecklenburger Bucht auf, kleinere Vorkommen gibt es in der Kieler Bucht. Nach KUBE et al. (2005a) kommen Tordalken im Winter auch in großer Anzahl in der Arkonasee vor. Zum Fr hjahr hin verringert sich die Anzahl stark und es halten sich nur verstreute, kleinere Vorkommen in den stlichen Gebieten auf. Im Sommer und Herbst gibt es nur vereinzelte Nachweise auf der deutschen Ostsee. Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Tordalken v.a. im Winter mit einem gr ßeren Rastbestand vor. Im Fr hjahr und Sommer halten sich deutlich geringere Anzahlen dort auf, während im Herbst kein regelmäßiger Rastbestand im Gebiet nachzuweisen ist (Tab. 15-3).
231
Tab. 15-3: Rastbestandszahlen der Tordalken f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzäh- lungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitrum 2000-2005). Gr ßenklassen (in An- lehnung an Standarddatenbogen): II: 6-10, III: 11-50 Ind. Der Anteil an der bio- geografischen Population bezieht sich auf die biogeografische Population der Ost- see. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. Ostsee biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 1.000 1,8 440 0,8 II <0,1 Sommer 110 0,2 III ≤0,1 III ≤0,1 Herbst III ≤0,1 III ≤0,1 0 0,0 Winter 3.600 6,5 310 0,6 110 0,2
15.4.3 Bestandsentwicklung Aufgrund der schwierigen Erfassbarkeit der Tordalken, vor allem in großen Kolonien, sind Bestandstrends nur f r wenige geografische Bereiche von Aussagekraft. Insgesamt d rfte der Trend in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts positiv gewesen sein (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004), so z.B. auch f r die wichtigsten Nordseevor- kommen in NO-England und Schottland (MITCHELL et al. 2004). Helgoland wird seit 1975 durchgehend besiedelt, der Bestand erreichte 2005 und 2006 mit 18 Paaren seinen bisherigen H chststand (O. HÜPPOP, pers. Mitt.).
15.5 Biologie / Ökologie 15.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: erste Brut mit 4-6 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen Brutzeit: Legebeginn je nach geografischer Lage, meist ab Mai, Ostsee Mitte Mai, Finnland Ende Mai; Brutdauer ca. 36 Tage Gelege: 1 Ei; 1 Jahresbrut; 1-2 Nachgelege m glich K ken: beide Eltern f ttern, nach ca. 17-18 Tagen springen die noch nicht flugfähigen K ken von der Klippe (meist Ende Juli / An- fang August), und lassen sich von den Eltern auf das offene Meer f hren
15.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 16 Jahre Ältester Ringvogel: 30 Jahre 1 Monat; drei Tordalken, die als adulte Tiere beringt wurden, konnten auch nach 19 Jahren noch erfolgreich br ten
232
Sterblichkeit: NETTELSHIP & BIRKHEAD (1985) stellen verschiedene Studien zusammen, die besagen, dass die Überlebensraten von Tordal- ken etwa bei 80-90 % liegen
15.5.3 Mauser Im 1. KJ beginnt die postjuvenile Mauser (Teilmauser) im Oktober. Im 2. KJ vollziehen sich die 1. Prä- und die 1. Postnuptialmauser. Bei der Ersteren handelt es sich um eine Teilmauser (Februar-Mai), bei der Letzteren um eine Vollmauser (Juni- September). Adulte V gel beginnen ihre Vollmauser Ende Juli / Anfang August mit dem Abwurf der Handschwingen (Abb. 15-3) bald nachdem sie die Kolonie verlassen haben. Sie begleiten ihre noch nicht flugfähigen K ken und sind dabei selbst einige Wochen flugunfähig, da die Schwungfedern synchron ersetzt werden (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985). In dieser Zeit sind Tordalken besonders empfindlich gegen ber St rungen.
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 15-3: Mauserzyklus der Tordalken. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
15.5.4 Wanderungen Tordalken aus den n rdlichen Brutgebieten ziehen oft im Winter in s dlichere Bereiche, Brutv gel der s dlich gelegenen Brutgebiete (z.B. Ostsee) berwintern hingegen oft in der Nähe ihrer Kolonien. Nur die Jungv gel f hren weite Streuungs- wanderungen durch. Die noch nicht flugfähigen Jungv gel verlassen zusammen mit ihren Eltern ab etwa Mitte Juli die Kolonie und bewegen sich schwimmend von der Kolonie fort. A. t. islandica Nachdem die atlantischen Tordalken die Mauser abgeschlossen haben, berqueren viele Brutv gel der Britischen Inseln die Nordsee auf dem Weg in die Überwinte- rungsgebiete im Skagerrak und Kattegat. Wichtige Überwinterungsgebiete befinden sich zudem entlang der s dlichen Nordsee und im Englischen Kanal. Insbesondere bei immaturen Tordalken erstrecken sich die Wintergebiete auch bis nach Marokko und ins Mittelmeer (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985, CRAMP 1985, SKOV et al. 1995, STONE et al. 1995, WERNHAM et al. 2002). Meist kehren Tordalken zwischen Anfang
233
März und Mitte April zu den Brutkolonien zur ck, einige Kolonien k nnen aber auch schon Anfang Februar oder fr her besetzt sein (DEL HOYO et al. 1996). Winterliche Koloniebesuche finden gew hnlich erst ab dem späten Winter statt, auf den Britischen Inseln werden die Brutplätze jedoch z.T. schon ab Oktober sporadisch aufgesucht (GREENWOOD 1972, TAYLOR & REID 1981, NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985, GASTON & JONES 1998). A. t. torda Die V gel der Ostsee-Population berwintern in der s dlichen und westlichen Ostsee. Ab Juli / August, sobald die Jungen die Kolonie verlassen haben, beginnt der Wegzug in die Winterquartiere. Zumindest Tordalken von der Kolonie Græsholmen wandern mit ihren Jungen nach Nordosten ab (LYNGS 1992). Auf Hiddensee k nnen ab Oktober, wenn sich die Jungv gel ber die gesamte Ostsee verteilen, Tordalken beobachtet werden (DIERSCHKE & HELBIG 1997). Ab April / Mai ist dort ein ausgeprägter Zuggipfel zu verzeichnen, wobei der Heimzug aus den Überwinterungs- gebieten schon ab Februar / März beginnt.
15.5.5 Habitat Als Brutplätze bevorzugen Tordalken steile Felsklippen mit schmalen Felsbändern oder Vorspr ngen (zur Verbreitung s. Kapitel 15.4.1). Sie besiedeln aber auch Plattformen auf hohen Klippen. Oft br ten Tordalken am Rande oder etwas abseits von anderen Seevogelkolonien, sie wählen in den Klippen oft tiefere Brutplätze als Trottellummen und legen ihre Nester auch in H hlen oder Halbh hlen an. Außerhalb der Brutzeit halten sich Tordalken ganzjährig auf dem Meer in Bereichen des Kontinentalschelfs auf, sind dabei aber k stennäher als Trottellummen zu beobachten. Auch anhand der Nahrung kann besonders im Vergleich mit der Trottel- lumme auf k stennähere Aufenthaltsgebiete geschlossen werden (BLAKE 1984, OUWEHAND et al. 2004). In diesen Bereichen ist häufig auch ein reduzierter Salzgehalt vorhanden (GASTON & JONES 1998). F r die Deutsche Bucht wurde ein Zusammen- hang zwischen der Tordalken-Verbreitung und der Bodentopographie beschrieben: im Oktober 1993 konnten hohe Vogeldichten am Übergang von geringeren zu gr ßeren Wassertiefen sowie an Hangstrukturen beobachtet werden (MARKONES 2003). Über den Aktionsradius im Umkreis der Brutkolonien ist nur wenig bekannt. Auf der Isle of May (Schottland) gingen Tordalken in den Jahren 1986 und 1987 während der Jungenaufzucht bevorzugt in denjenigen flachen Gewässern auf Nahrungssuche, die mehr als 10 km von der Kolonie entfernt waren (WANLESS et al. 1990). Immature V gel halten sich die ersten 2-3 Jahre nur auf See auf, danach besuchen sie die Kolonien, ohne zu br ten.
234
15.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Tordalken erbeuten ihre Nahrung durch Verfolgungstauchen, indem sie sich mit ihren kurzen Fl geln unter Wasser fortbewegen. In einer Studie auf Græsholmen (zentrale Ostsee, Dänemark) fanden BENVENUTI et al. (2001) heraus, dass k kenaufziehende Tordalken bei der Beutejagd v.a. nach Sprotten (Sprattus sprattus) mittlere Tauchtie- fen von 6-24 m erzielten. Die maximale Tauchtiefe lag bei 43 m. Tordalken bringen zur F tterung der Jungen, genau wie Trottellummen, meist nur ein Beuteobjekt in die Kolonie. Insgesamt besteht die Nahrung der Tordalken berwiegend aus kleinen pelagischen Schwarmfischen. Insbesondere Heringsfische (Clupeidae), Stichlinge (Gasterosteidae) und Sandaale (Ammodytidae) werden häufig gefressen. Daneben treten auch benthische Fischarten wie Grundeln (Gobiidae) auf. Nur gelegentlich werden Dorschartige (Gadidae) und Invertebraten (v.a. Polychaeten und Crustaceen) aufgenommen (MADSEN 1957, BLAKE 1983, 1984). Ostsee MADSEN (1957) untersuchte die Nahrung von 120 geschossenen Tordalken auf der dänischen Ostsee. In 97 % der Mägen wurden Fische nachgewiesen. Hier dominierten Stichlinge (Gasterosteus spec.; 40 %), gefolgt von Heringen (Clupea harengus; 34 %). Heringe stellten dabei den h chsten Masseanteil in der Nahrung dar. Grundeln (32 %) und Dorschartige (10 %) erreichten ebenfalls relativ hohe Werte. Marine Wirbellose wie Crustaceen, Polychaeten und Mollusken wurden nur in wenigen Fällen nachge- wiesen.
LYNGS (2001) analysierte während der Brutzeit der Jahre 1983-2000 in der Kolonie Græsholmen Nahrungsreste der Tordalken. 89 % der Nahrungsobjekte waren Sprotten, der Rest bestand berwiegend aus Sandaalen.
Nach einem Tankerungl ck im Dezember 1980 im Skagerrak untersuchte BLAKE (1983) die Nahrung von verendeten Alken. Im Vergleich zu Trottellummen fraßen Tordalken wesentlich mehr Sandaale und weniger Gadiden. Am häufigsten traten jedoch Grundeln auf. Invertebraten waren insgesamt selten. Nordsee Mägen von im Winter an die niederländische K ste angesp lten Tordalken enthielten vor allem Stichlinge. In einigen Fällen konnten Sprotten und Sandaale gefunden werden (CAMPHUYSEN 1998). Auch in den Mägen von V geln, die nach der Havarie des Öltankers „Tricolor“ im Januar 2003 an die niederländische K ste angesp lt wurden, wurden berwiegend Clupeiden (v.a. Sprotten) und Sandaale nachgewiesen. Im Vergleich zu Trottellummen
235
war sowohl das Nahrungsspektrum als auch die Beutegr ße deutlich geringer (OUWEHAND et al. 2004). Die Nahrung der Tordalken aus verschiedenen Kolonien in Großbritannien besteht berwiegend aus Sandaalen und in geringeren Mengen aus Heringen bzw. Sprotten (BLAKE 1984, HARRIS & WANLESS 1986, HARRIS & RIDDIFORD 1989, SWANN et al. 1991).
15.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Tordalken sind tag- und dämmerungsaktiv. Sie jagen einzeln und k nnen mit Hilfe ihrer Fl gel mehrere Meter tief tauchen, sie sind aber schlechte Flieger mit geringer Man vrierfähigkeit. Meist fliegen sie dicht ber der Meeresoberfläche. Besonders zu Beginn der Brutzeit sind Tordalken sehr nerv s und verlassen ihren Nistplatz, sobald sie von M wen oder Menschen gest rt werden.
15.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 15.6.1 Gefährdungsursachen Tordalken sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen (Ostsee) - Ver lung - Reduzierung des Nahrungsangebotes durch Überfischung (Sandaale, Sprotten, Jungheringe) - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Verluste in treibenden Netzresten und M ll Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Bejagung (derzeit nur lokal von Bedeutung) - St rungen an Brutplätzen
15.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Tordalken gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Tordalken sind empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Sie reagieren auf sich nähernde Schiffe häufig durch Abtauchen, gelegentlich auch durch Auffliegen (FTZ unver ffentl.). Auch ohne eigentliches Fluchtverhalten weisen Tordalken bei sich nähernden Schiffen Signale einer Stresssituation auf (häufiges, kurzes Untertau- chen des Kopfes), so dass sie durch Schiffe in ihren nat rlichen Verhaltensweisen
236
gest rt werden, und es insbesondere auf intensiv befahrenen Routen zu einem Zeitverlust f r Rast und Nahrungssuche kommen kann. Dies kann zu einer Verringe- rung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Tordalken sind schlechte Flieger und k nnen nur sehr schlecht man vrieren. Aller- dings verbringen sie wenig Zeit fliegend, die nächtliche Flugaktivität ist sehr gering und sie sind relativ flexibel in ihrer Habitatwahl. Die Empfindlichkeit gegen ber Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore- Windenergieanlagen, ist daher insgesamt als eher gering einzustufen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im unteren Bereich aller untersuchten Arten. Aufgrund von Unterschieden in der Überlebensrate adulter V gel, der Populationsgr ße und ihrem europäischem Schutzstatus ist der Wert der Tordalken jedoch etwas h her als bei Trottellummen. Die Nahrung der Tordalken in der Nordsee besteht berwiegend aus kleinen, pelagi- schen Schwarmfischen wie Sprotte, Hering und Sandaal (BLAKE 1984, OUWEHAND et al. 2004), Arten, die auch kommerziell von großer Bedeutung sind. In der Ostsee spielen neben Heringsfischen zusätzlich noch Stichlinge und Grundeln eine Rolle (MADSEN 1957, LYNGS 2001). Die Nahrung zur K kenaufzucht besteht in den britischen Kolonien berwiegend aus Sandaalen (HARRIS & WANLESS 1986, SWANN et al. 1991, vgl. Kapitel 15.5.6). Tordalken sind somit durch eine Reduktion des Nahrungsangebotes durch Überfischung der Hauptbeutefischarten gefährdet. Durch die industrielle „Gammelfischerei“ werden aus der Nordsee große Mengen Sandaale und Heringsfische entnommen, so dass hier eine starke Konkurrenz um Ressourcen besteht. In der Ostsee sind die Anlandungen von Sprotten in den 1990er Jahren um das f nffache angestiegen (ANONYMUS 2000). Indirekt kann zudem auch eine Beeinträch- tigung oder Zerst rung der Sandaal-Habitate beispielsweise durch Sedimentabbau eine Verschlechterung der Nahrungssituation zur Folge haben. Im Winter kann ein ungen gendes Nahrungsangebot zu hoher Mortalität von Tordalken f hren (z.B. BLAKE 1984). Ein ungen gendes Sandaal-Angebot zur Brutzeit war in den Jahren 2004 und 2005 f r einen niedrigen Bruterfolg in zahlreichen Kolonien an der Ostk ste Großbritanniens verantwortlich (ICES 2006). Da Tordalken ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit starker Überlappung von Vogelvorkommen und Stellnetzfischerei d rften die Verluste im Verhältnis zur Abundanz ähnlich hoch sein wie f r Trottellummen beschrieben (vgl. Kapitel 16). SCHIRMEISTER (2003) erfasste im Winter regelmäßig einzelne Tordalken als Opfer in der Stellnetzfischerei vor Usedom, obwohl die Art dort nur in sehr geringer Anzahl vorkommt. Besonders gefährlich sind die d nnen Monofilament-Netze, da sie f r
237
tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). Tordalken ernähren sich in der Ostsee neben Stichlingen und Grundeln von Heringsartigen. Somit konkurrieren sie u.U. mit der Stellnetzfischerei um dieselbe Ressource. Bei der kommerziellen Fischerei werden allerdings viel gr ßere Gr ßenklassen genutzt. M glicherweise ist aber eine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungs- suchenden V gel gegeben. Tordalken kommen in der Pommerschen Bucht aber auch aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den dort in großer Anzahl eingesetzten weitmaschigen Netzen auf Dorsch und Zander um. Tordalken verbringen einen Großteil des Jahres schwimmend auf dem Meer und k nnen lokal auch in h heren Konzentrationen auftreten. Sie besitzen daher eine hohe Empfindlichkeit gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen) und geh ren zu den häufigsten Ölopfern in der s dlichen Nordsee (z.B. CAMPHUYSEN 1989, 1990, VAUK et al. 1989). An der deutschen Nordseek ste wiesen Tordalken im Winter 2001 / 02 mit 52 % nach Sterntauchern die h chste Ver lungsrate aller bei Sp lsaumkontrollen erfassten Vogelarten auf (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswir- kungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entste- hende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Aufgrund ihrer Vermehrungsstrategie mit einer hohen Überlebensrate adulter Tiere, aber einer späten Geschlechtsreife und niedrigen Fortpflanzungsrate mit nur einem K ken pro Jahr, geh ren Tordalken zu den Arten, die Mortalitätsverluste nur schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Bedingungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die Populationsdynamik. Da Tordalken fr hestens im vierten Lebensjahr mit der Brut beginnen, machen sich Veränderungen im Altvogelbestand erst verz gert in den Kolonien bemerkbar.
Der Status der Tordalken in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft. Als Brutv gel sind sie in Deutschland mit einem
238
geringen Bestand auf Helgoland beschränkt und daher als Art mit geografischer Restriktion auf der Roten Liste gef hrt (Tab. 15-4).
Tab. 15-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Tordalken in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R entfällt R entfällt P entfällt Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPECE - III -
15.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zu den Schiffszählungen sind Tordalken und Trottellum- men bei ung nstigen Lichtbedingungen vom Flugzeug aus nicht immer gut unter- scheidbar. K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
15.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Ursachen der k stennahen Vorkommen in der Deutschen Bucht - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
239 16 Trottellumme
Uria aalge (Pontoppidan 1763)
GB: (Common) Guillemot NL: Zeekoet
DK: Lomvie Foto: N. Sonntag S: Sillgrissla Abb. 16-1: Trottellumme im PK PL: Nurzyk
16.1 EU-Code A199
16.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Alcidae - Alken
16.3 Kennzeichen Großer Alkenvogel mit bräunlichem Kopf und bräunlicher Oberseite, weißer Unterseite und dunkel gestrichelten Flanken. Schnabel lang und spitz. Im PK mit braunem Kopf und Hals, im SK mit variablem Weißanteil an Kopfseiten (in der Regel mehr weiß als beim Tordalk) und schwarzem Augenstreif. Variante: „Ringellummen“ mit weißem Augenring und Lidstrich. Der Anteil dieser Morphe nimmt in allen Populationen nach Norden hin zu. Verwechslungsm glichkeiten: mit Tordalk. Trottellumme bräunlicher, Flanken, Achseln und Unterfl geldecken unterschiedlich stark dunkel gestrichelt. Im Flug mit breit dunkler B rzelregion und nur wenig weiß an den Seiten; F ße berstehend.
16.4 Verbreitung / Bestand 16.4.1 Welt / Europa Trottellummen br ten auf flachen Inseln und an steilen Klippen in den borealen und subarktischen Regionen des N-Atlantiks und des Pazifiks. Im O-Atlantik erstreckt sich das Brutareal von Novaja Semlja im äußersten Norden Russlands ber Spitzbergen, die Bäreninsel, Norwegen, Island, Irland und Großbritannien bis in die Ostsee und bis nach Spanien. Die gr ßten Kolonien befinden sich auf Island und den britischen Inseln
240 (CRAMP et al. 1985, DEL HOYO et al. 1996). Auf den Gewässern vor den großen Kolonien in Schottland und NO-England befinden sich ganzjährig große Trottellum- men-Konzentrationen. Zur Brutzeit beherbergt dieses Gebiet 95 % aller Trottellummen des Nordsee-Bestandes auf See und bildet somit ein Gebiet internationaler Bedeutung f r diese Art (SKOV et al. 1995). Es werden bei Trottellummen insgesamt f nf Unterarten unterschieden: Im Atlantik und im paläarktischen Nordmeer kommen drei Unterarten vor, die sich klinal in K rpermaßen und Färbung unterscheiden, aber genetisch nicht klar differen- ziert sind: U. a. aalge, U. a. albionis und U. a. hyperborea. Im Nordpazifik kommen zwei weitere Unterarten vor (U. a. californica und U. a. inornata), die sich in ihrer Gr ße unterscheiden. Genetisch sind diese deutlich von den atlantischen V geln differenziert. Der globale Brutbestand beträgt nach MITCHELL et al. (2004) ca. 7,3 Mio. Brutpaare. In Europa br ten nur zwei der hier genannten Unterarten: U. a. aalge br tet von Labrador, Neufundland bis Island, Schottland und Norwegen sowie an der Ostsee von Dänemark bis S-Finnland. U. a. albionis br tet von SW- Schottland ber Irland bis zur Bretagne und in Deutschland auf Helgoland. An der deutschen Nordseek ste ist diese Unterart meist ganzjährig anzutreffen.
Nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) bilden die europäischen Brutv gel zusammen einen Brutbestand von 2,0-2,7 Mio. Paaren.
Nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) werden f r Trottellummen keine biogeogra- fischen Populationen definiert. MITCHELL et al. (2004) fassen als biogeografische Einheit jedoch den Brutbestand des N-Atlantiks zusammen und KUBE et al. (2005a) trennen zudem die Ostsee-Brutv gel als eigene biogeografische Population ab (Tab. 16-1), da es nur vereinzelte Nachweise f r eine westwärtige Bewegung von Ostseev - geln bis zum Kattegat und zum Skagerrak gibt (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985).
Tab 16-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu der nordatlantischen biogeografischen Population (MITCHELL et al. 2004) und zur biogeografischen Population der Trot- tellummen in der Ostsee (KUBE et al. 2005a). Der Bestand der nordatlantischen bio- grafischen Population bezieht sich auf br tende Altv gel, der Nichtbr teranteil wurde nicht ber cksichtigt. Art/ Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium U. aalge N-Atlantik Atlantik k.A. 5,6-5,8 Mio. k.A. 20.000 U. aalge k.A. Ostsee Ostsee 50.000 k.A. 500
241 16.4.2 Deutschland Status: Brutvogel auf Helgoland; Durchz gler, Sommer- und Wintergast auf Nord- und Ostsee. Die auf der deutschen Nordsee vorkommenden Trottellummen geh ren zur biogeogra- fischen Population „N-Atlantik“. Trottellummen auf der deutschen Ostsee sind weniger leicht zuzuordnen. Nach DURINCK et al. (1994b) berwintern die meisten Brutv gel der Ostsee auf der zentralen Ostsee in der Nähe der Brutkolonien und erreichen nach NETTLESHIP & BIRKHEAD (1985) nicht Kattegat und Skagerrak, während Brutv gel der atlantischen Kolonien z.T. weite Wanderungen unternehmen und in großer Anzahl im Kattegat berwintern. Trottellummen in der Pommerschen Bucht werden als zur Brutpopulation der Ostsee geh rig angesehen. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch einzelne atlantische V gel dieses Gebiet erreichen. Trottellummen in der westlichen Ostsee (Kieler Bucht) wandern vermutlich ber das Kattegat ein, doch k nnen auch einzelne V gel der Population der Ostsee dort vorkommen (J. DURINCK, pers. Mitt.). Trottellummen br ten in Deutschland nur auf Helgoland. Im Jahr 2006 betrug ihr Brutbestand 2.655 Paare (O. HÜPPOP, pers. Mitt.). Trottellummen kommen ausschließlich auf dem Meer vor und halten sich ganzjährig auf Nord- und Ostsee auf. Im Winter sind sie auf der gesamten deutschen Nordsee weit verbreitet, auf der Ostsee liegen die Schwerpunkte stlich von R gen (Abb. 16-2). Der Rastbestand in Deutschland beträgt im Mittwinter 34.500 Tiere (Tab. 16-2 und 16-3). Daten von der deutschen Wasservogelzählung liegen f r Trottellummen nicht vor.
Abb. 16-2: Verbreitung der Trottellummen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nord- see: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
242 Nordsee Trottellummen halten sich ganzjährig auf der deutschen Nordsee auf (Tab. 16-2). Im Sommer kommen sie stark konzentriert im Umkreis der Brutkolonie auf Helgoland vor, mit sehr hohen Dichten in unmittelbarer Umgebung der Insel sowie niedrigen bis mittleren Dichten in einem Umkreis von etwa 30 km. In den brigen Bereichen kann man Trottellummen verstreut in geringerer Anzahl beobachten. Im Herbst zeigen Trottellummen eine hohe Konzentration im Offshore-Bereich mit Wassertiefen zwischen 40 und 50 m. Auf der brigen deutschen Nordsee kommen sie verstreut in geringen Dichten vor, mit einer Häufung der Nachweise um Helgoland. Im Winter erreichen Trottellummen auf der deutschen Nordsee die gr ßten Anzahlen und sind nahezu im gesamten Gebiet weit verbreitet. Insbesondere innerhalb des 20 m Tiefenbe- reiches vor den Ostfriesischen Inseln sowie im Umkreis von Helgoland befinden sich weiträumige Vorkommen mit teilweise hohen Dichten. Im Fr hjahr ist die Verbreitung stark durch die R ckkehr zu den Brutplätzen beeinflusst. Viele Brutv gel haben die s dwestliche Nordsee bereits in Richtung der Kolonien verlassen. Auf der deutschen Nordsee sind insbesondere in den K stenbereichen nur noch sehr vereinzelt V gel zu beobachten. H here Konzentrationen befinden sich im zentralen Offshore-Bereich sowie um Helgoland, wo im Laufe der zweiten Aprilhälfte das Brutgeschäft beginnt (GRUNSKY 1994). Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Trottellummen ganzjährig vor (Tab. 16-2); den gr ßten Bestand erreichen sie im Fr hjahr, den geringsten im Sommer.
Tab. 16-2: Rastbestandszahlen der Trottellummen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitrum 1996-2005). Der Anteil an der biogeografischen Population bezieht sich auf die biogeografische Po- pulation "N-Atlantik". Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 18.500 0,3 15.500 0,3 2.600 0,1 Sommer 7.000 0,1 3.400 0,1 140 <0,1 Herbst 21.000 0,4 21.000 0,4 370 <0,1 Winter 33.000 0,6 27.000 0,5 1.300 <0,1
Ostsee Im Fr hjahr, Sommer und Herbst kommen Trottellummen in geringer Anzahl verstreut in der Pommerschen Bucht vor. Einzelbeobachtungen liegen auch aus der Kieler, Hohwachter und Mecklenburger Bucht vor. Die h chsten Anzahlen erreichen Trottel-
243 lummen im Winter. Ihr Verbreitungsschwerpunkt befindet sich in den Offshore- Bereichen der Pommerschen Bucht, insbesondere in den tieferen Gewässern zwischen Oderbank und Adlergrund und nordwestlich des Adlergrundes. Des Weiteren befindet sich vor der Insel Hiddensee ein kleines Vorkommen. Auch in der Kieler und Meck- lenburger Bucht und entlang der K ste R gens halten sich im Winter einzelne Trottellummen auf. Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Trottellummen ganzjährig vor (Tab. 16-3). Im Fr hjahr sind die Bestände sehr gering, im Winter werden die gr ßten Anzahlen erreicht.
Tab. 16-3: Rastbestandszahlen der Trottellummen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstran- sektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Der Anteil an der biogeo- grafischen Population bezieht sich die biogeografische Population der Ostsee. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 180 0,4 III <0,1 III <0,1 Sommer 240 0,5 170 0,3 90 0,2 Herbst 150 0,3 150 0,3 80 0,2 Winter 1.500 3,0 950 1,9 550 1,1
16.4.3 Bestandsentwicklung In Europa gibt es regional sehr unterschiedliche, sich auch kurzzeitig ändernde Trends. Nach mehreren Jahrzehnten berwiegend zunehmender Bestände gibt es inzwischen in einigen Bereichen auch wieder R ckgänge, in der Nordsee haben die Brutbestände jedoch bis zur Jahrtausendwende weiter zugenommen (MITCHELL et al. 2004). Auf Helgoland ist der Bestand von 1840 (etwa 300 Paare) bis 1880 (etwa 2.500 Paare) kontinuierlich angewachsen. Danach gab es R ckgänge bis zu einem Tiefpunkt Mitte der 1970er Jahre (500 Paare), anschließend eine deutliche Zunahme bis Mitte der 1990er Jahre, seitdem schwankt der Brutbestand zwischen 2.000 und 3.000 Paaren (O. HÜPPOP, pers. Mitt.).
16.5 Biologie / Ökologie 16.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie
Geschlechtsreife: fr hestens 4-jährig, meist aber mit 5 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, Paarbildung meist am Nistplatz, sehr ho- he Brutplatztreue, Partner finden sich oft im nächsten Jahr wieder
244 Brutzeit: erste Besuche am Brutplatz ab Oktober, ab Dezember dann häufiger, ab April regelmäßig; Legebeginn meist ab Mai, teils schon Ende April; Brutdauer 28-45 Tage; beide Eltern br ten, Ab- l sung nach 12-24 Std. Gelege: 1 Ei; 1 Jahresbrut, bei fr hem Verlust bis zu 2 Nachgelege K ken: beide Eltern f ttern, ein Partner ist immer anwesend, nach 18-24 Tagen springen die noch nicht flugfähigen K ken vom Felsen („Lummensprung“; Ende Juni bis Mitte Juli), ein Elternteil f hrt das schwimmende K ken aufs Meer hinaus und f ttert es noch längere Zeit, erst 10 Wochen nach Verlassen des Brutplatzes sind die K ken flugfähig
16.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 16 Jahre Ältester Ringvogel: > 32 Jahre Sterblichkeit: 60-80 % sterben bis zur Geschlechtsreife (5. Lebensjahr); Sterblichkeit von V geln mit mind. einem Jahr Bruterfahrung liegt bei 3,3-7,6 % pro Jahr; um die Population konstant zu halten m ssten bei einer Überlebensrate von 91,5 % pro Jahr 24 % der fl ggen Jungv gel geschlechtsreif werden 16.5.3 Mauser Im 1. KJ beginnt die postjuvenile Mauser (Teilmauser) im August. Im 2. KJ vollziehen sich die 1. Prä- und die 1. Postnuptialmauser. Bei der ersteren handelt es sich um eine Teilmauser (Januar-Mai), bei der letzteren um eine Vollmauser (Juni-November). Adulte Trottellummen beginnen mit der Vollmauser im Juli (Abb. 16-3), bald nachdem sie die Kolonie verlassen haben. Ihre Schwungfedern erneuern Trottellummen synchron, so dass sie zeitweise flugunfähig sind (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985). M glicherweise unterscheiden sich die Mauserzeiten zwischen Männchen und Weibchen, da Männchen ihre noch nicht fl ggen K ken begleiten und dabei selbst zeitweise flugunfähig (ca. 45-50 Tage) sind, während Weibchen noch 1-3 Wochen in der Kolonie verbleiben, um den Nistplatz gegen immature Koloniebesucher zu verteidigen (GLUTZ VON BLOTZHEIM & BAUER 1982). Nach NETTLESHIP & BIRKHEAD (1985) k nnten Weibchen m glicherweise fr her als die Männchen mausern. Da jedoch keine genaueren Daten bekannt sind, werden hier die Mauserzeiten f r Männchen und Weibchen als gleich betrachtet.
245
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.
Abb. 16-3: Mauserzyklus der Trottellummen. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
16.5.4 Wanderungen Trottellummen sind Kurzstreckenzieher, vollziehen aber eher Streuungswanderungen anstelle von ausgeprägten Zugbewegungen. Vor allem die Altv gel halten sich meist ganzjährig in Gewässern nahe den Brutkolonien auf, während insbesondere einjährige Trottellummen sich ber z.T. weite Entfernungen in den Meeren verteilen. Ortsverän- derungen der Jungv gel erfolgen – bis sie flugfähig sind – in Begleitung zumindest eines Elternteils ausschließlich schwimmend. Hohe Konzentrationen mausernder Trottellummen und K ken befinden sich nach der Brutzeit in schottischen K stengewässern. Daneben schwimmt ein bedeutender Anteil durch die zentrale Nordsee in Richtung Skagerrak, wo sich zur Nachbrutzeit ebenfalls international bedeutsame Gewässer befinden (SKOV et al. 1995). Die Jungv gel der Brutkolonie auf Helgoland halten sich im Juli / August in der Deutschen Bucht auf. Ab September gibt es einige Nachweise im Ärmelkanal, im November bei Norwegen und im Dezember entlang der s dlichen Nordseek ste. Der Großteil der dreijährigen und älteren V gel bevorzugt im Winter die Nähe zur Kolonie und bewegt sich dabei meist nicht weiter als 200 km von der Insel Helgoland fort (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985). Die Brutv gel der Ostsee-Kolonien bleiben offenbar ganzjährig auf der Ostsee, ihre westliche Verbreitungsgrenze liegt in der Pommerschen Bucht. Während immature Trottellummen meist erst am Anfang des 3. Lebensjahres an ihren Geburtsort zur ck- kehren, entfernen sich Altv gel meist nur während der Jungenaufzucht und der Brutmauser weiter von der Brutkolonie und kehren auch im Winter sporadisch an ihren Brutplatz zur ck.
16.5.5 Habitat Trottellummen sind ausgeprägte Meeresv gel, die nur zur Fortpflanzung ans Land kommen. Ihre Brutplätze befinden sich, zum Schutz vor Prädatoren, an steilen
246 Felsklippen mit schmalen Felsbändern oder auf kleineren Vorspr ngen sowie auf flachen, abgelegenen Inseln (zur Verbreitung s. Kapitel 16.4.1). Trottellummen br ten in großen Kolonien. Diese liegen oft in Gebieten, in denen sich kalte und warme Str mungen treffen und sich ein großes Nahrungsangebot befindet. Im Sommer halten sich Trottellummen häufig in Bereichen des kontinentalen Schelfmeeres auf, in denen die Wassertemperatur zwischen 6 und 16° C liegt. Zu Konzentrationen kann es in Gebieten kommen, in denen durch Gezeitenstr mungen Wasserturbulenzen entstehen (GASTON & JONES 1998). In der Deutschen Bucht scheint das Sommervorkommen von Trottellummen mit stark salinen, thermisch geschichteten Wasserk rpern großer Sichttiefe korreliert zu sein (GARTHE 1997). Im Spätsommer 1999 konnte eine hohe Konzentration von Trottellummen in einem Gebiet mit einem lokalen Auftriebsphäno- men beobachtet werden (MARKONES 2003). Zudem wird die Sommerverbreitung durch die Lage der Brutkolonie beeinflusst. Auf Helgoland beträgt der Aktionsradius zur Jungenaufzucht etwa 20-25 km um die Insel, die h chsten Dichten halten sich in direkter Umgebung der Kolonie auf (DIERSCHKE et al. 2004b). Im Winter ist die Verteilung der Beutefischarten ein wichtiger Faktor f r die Verbreitung (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985, DEL HOYO et al. 1996), daneben spielen aber auch Wassertempera- tur (SONNTAG 2001) und Windrichtung (GARTHE & HÜPPOP 1997) eine Rolle.
16.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Trottellummen erbeuten ihre Nahrung durch Verfolgungstauchen, bei dem sie sich mit ihren kurzen Fl geln unter Wasser fortbewegen. MADSEN (1957) gibt die durchschnitt- liche Tauchtiefe mit 4-5 m an. Wahrscheinlich tauchen die Tiere aber vielerorts deutlich tiefer. GASTON & JONES (1998) geben einen Durchschnittswert von 20-50 m an, mit maximalen Tiefen von ber 100 m. Während der Jungenaufzucht bringen Trottellummen von jedem Nahrungsflug meist nur ein Beuteobjekt zur ck. Die F tterraten sind in den Morgenstunden am h chsten und sinken danach etwas ab (LEOPOLD et al. 1992). Die Beute, die an K ken verf ttert wird, unterscheidet sich zumindest lokal von der Nahrung der adulten Tiere: F r die Helgoländer Brutkolonie konnten SONNTAG & HÜPPOP (2005) im Vergleich zu an K ken verf tterten Beuteob- jekten kleinere und energieärmere Nahrung in Mägen von Trottellummen feststellen. Ähnliche Beobachtungen machten WILSON et al. (2004) in einer schottischen Brutko- lonie. Generell besteht die Nahrung von Trottellummen berwiegend aus pelagischen Schwarmfischen, die in oberflächennahen oder mittleren Wasserschichten tauchend erbeutet werden. Daneben werden in geringen Mengen auch Wirbellose wie Polychae- ten, Crustaceen oder Mollusken aufgenommen. Im Pazifik spielen Wirbellose z.T. eine gr ßere Rolle im Nahrungsspektrum (GASTON & JONES 1998).
247 Ostsee LYNGS & DURINCK (1998) untersuchten Mägen von in Stellnetzen ertrunkenen Trottellummen in der zentralen Ostsee von 1990-1996. 97 % aller Fische (n = 313) waren Sprotten (Sprattus sprattus), jeweils 1 % entfiel auf Sandaale (Ammodytes spec.) und unbestimmte Gadiden. Umgerechnet auf das Frischgewicht der Fische entfielen 93 % der Nahrungsmasse auf Sprotten, 6 % auf Gadiden und 1 % auf Sandaale. Auch auf der Insel Stora Karls bei Gotland waren zur Brutzeit Sprotten (92 % nach Anzahl) die Hauptnahrung f r K ken, gefolgt von kleinen Heringen (5 %) und Sandaalen (2 %; HEDGREN 1976). MADSEN (1957) fand in 14 während der Wintermonate in der dänischen Ostsee in Netzen ertrunkenen Trottellummen hauptsächlich Hering (Clupea harengus) (in 82 % aller Proben). In geringerer Anzahl kamen Stichlinge, Grundeln, Aalmuttern (Zoarces viviparus), Makrelen (Scomber scombrus) und Dorschartige vor.
DURINCK et al. (1991) untersuchten die Winternahrung von 65 im Jahr 1988 in Netzen ertrunkenen Trottellummen aus dem Skagerrak. Die Nahrung wurde hauptsächlich aus Hering, Sprotte, Gadiden und anderen, vorwiegend kleinen Fischen, gebildet. Neben Fischen traten Tintenfische und Polychaeten zu einem hohen Anteil in den Mägen auf. Die Nahrungszusammensetzung ähnelte damit den von LORENTSEN & ANKER-NILSSEN (1999) gefundenen Ergebnissen von 522 in den Wintern 1989-1990 in Netzen ertrunkenen Trottellummen aus derselben Region. Allerdings konnten diese beiden Autoren viel mehr Grundeln in der Nahrung nachweisen und fanden Unterschiede zwischen adulten und immaturen Individuen, wobei letztgenannte mehr Grundeln und Clupeiden sowie Polychaeten aufnahmen, aber insgesamt weniger Gadiden fraßen. Nordsee In der gesamten Nordsee besteht die Sommernahrung berwiegend aus Sandaalen (Ammodytidae) und Heringsfischen (Clupeidae). Die Winternahrung ist meist diverser und es spielen zusätzlich Grundeln (Gobiidae), Seenadeln (Syngnathidae) und Dorsche (Gadidae) zumindest lokal eine wichtige Rolle (BLAKE 1983, 1984, BLAKE et al. 1985, NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985, CRAMP 1985, CAMPHUYSEN 1995a, OUWEHAND et al. 2004, SONNTAG & HÜPPOP 2005). Nahrung, die zu Balzzwecken und zur K kenauf- zucht in die Kolonie getragen wird, besteht in der Nordsee gr ßtenteils aus Sandaalen und Heringsfischen (HARRIS & WANLESS 1985, LEOPOLD et al. 1992, GRUNSKY- SCHÖNEBERG 1998). Auf Helgoland bestand in die Kolonie gebrachte Nahrung im Jahr 1990 zur Brutzeit zu 95 % aus Clupeiden und zu 5 % aus Sandaalen (LEOPOLD et al. 1992). GRUNSKY (1994) fand f r die gleiche Kolonie im Jahre 1991 ähnliche Ergebnis- se, jedoch einen h heren Anteil von Sandaalen. Im Gegensatz zur Sommernahrung konnten SONNTAG & HÜPPOP (2005) im Winter gr ßere Mengen von Seenadeln und Grundeln nachweisen.
248 16.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Trottellummen sind tag- und dämmerungsaktiv. Sie k nnen mit Hilfe ihrer Fl gel gut tauchen, sind aber schlechte Flieger mit geringer Man vrierfähigkeit. Meist fliegen Trottellummen sehr flach ber die Meeresoberfläche. Obwohl sie ausgeprägte Koloniebr ter sind und somit dicht gedrängt engen Kontakt zu anderen Brutpaaren haben, zeigen Trottellummen starkes Territorialverhalten. Die Brutperiode endet mit dem „Lummensprung“ der noch flugunfähigen Jungv gel von den Brutfelsen. Die K ken bewegen sich danach bis zum Fl ggewerden noch mehrere Wochen in Begleitung eines Altvogels, meist des Männchens, schwimmend fort und werden von diesem versorgt. Der Altvogel mausert dabei synchron seine Schwungfedern. Im Winter wird der Aufenthalt auf dem offenen Meer durch sporadische Koloniebesuche unterbrochen, die der Brutplatzsicherung, der Festigung der Paarbindung und dem Aggressionsabbau dienen (z.B. GREENWOOD 1972, HARRIS & WANLESS 1989). Zur Brutzeit k nnen adulte Trottellummen schlechte Nahrungssituationen durch flexible Zeit-Budgets teilweise ausgleichen, indem sie die Zeit zur Nahrungssuche ausdehnen und weniger Zeit in der Kolonie verbringen (BURGER & PIATT 1990).
16.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 16.6.1 Gefährdungsursachen Trottellummen sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen (Ostsee) - Ver lung - Reduzierung des Nahrungsangebotes durch Überfischung (Sandaale, Sprotten, Jungheringe) - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Verfangen in treibenden Netzresten und M ll Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Bejagung und Eiersammeln (Fär er Inseln, Norwegen, Großbritannien) - Verluste von Brutv geln durch Erhängen in Basst lpel-Nestern aus Netzresten (z.B. Helgoland: N. SONNTAG, unver ffentl.)
249 16.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Trottellummen gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Trottellummen sind empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Sie reagieren auf sich nähernde Schiffe häufig durch Abtauchen, gelegentlich auch durch Auffliegen (FTZ unver ffentl.). Auch ohne eigentliches Fluchtverhalten weisen Trottellummen bei sich nähernden Schiffen Stresssignale auf (häufiges, kurzes Untertauchen des Kopfes). Dies deutet darauf hin, dass diese V gel durch Schiffe in ihren nat rlichen Verhaltensweisen gest rt werden und es insbesondere auf intensiv befahrenen Routen zu einem Zeitverlust f r Rast und Nahrungssuche kommen kann. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkondition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren. Trottellummen sind schlechte Flieger und k nnen nur sehr schlecht man vrieren. Allerdings verbringen sie nur wenig Zeit fliegend, die nächtliche Flugaktivität ist relativ gering und sie sind relativ flexibel in ihrer Habitatwahl. Die Empfindlichkeit gegen ber Hindernissen in Form von technischen Bauwerken, wie Offshore- Windenergieanlagen, ist daher als eher gering einzustufen. Trottellummen weisen einen niedrigen Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) auf. Aufgrund von Unterschieden in Populationsgr ße, Überlebensrate adulter V gel und europäischem Schutzstatus ist der Wert etwas niedriger als beim Tordalk. Die Nahrung von Trottellummen besteht im Atlantik berwiegend aus pelagischen Schwarmfischen. In der Nordsee werden im Sommer wahrscheinlich gr ßtenteils Sandaale und Heringsfische erbeutet, während die Winternahrung diverser ist und lokal auch Dorsche, Grundeln und Seenadeln als weitere Nahrungskomponenten beinhaltet (vgl. Kapitel 16.5.6). Nahrung, die zu Balzzwecken und zur K kenaufzucht in die Kolonie getragen wird, besteht in der Nordsee gr ßtenteils aus Sandaalen und Heringsfischen. In der Ostsee bilden Sprotten sowohl im Winter, als auch zur Aufzucht der K ken die Hauptnahrung. Heringsfische und Sandaale sind auch von großer kommerzieller Bedeutung, so dass Trottellummen durch eine Reduktion des Nahrungs- angebotes durch Überfischung der Hauptbeutefischarten gefährdet sind. Durch die industrielle „Gammelfischerei“ werden aus der Nordsee große Mengen an Sandaalen und Heringsfischen entnommen, so dass hier eine starke Konkurrenz um die Nahrungs- ressourcen besteht. In der Ostsee sind die Anlandungen von Sprotten in den 1990er Jahren um das f nffache angestiegen (ANONYMUS 2000). Indirekt kann zudem auch eine Beeinträchtigung oder Zerst rung der Sandaal-Habitate beispielsweise durch Sedimentabbau eine Verschlechterung der Nahrungssituation zur Folge haben. Im Winter kann ein ungen gendes Nahrungsangebot zu hoher Mortalität von Trottellum- men f hren (z.B. BLAKE 1984). Geringe Verf gbarkeit und ein schlechter Energiege-
250 halt von Sandaalen zur Brutzeit, vermutlich hervorgerufen durch Planktonveränderun- gen aufgrund erh hter Wassertemperaturen, f hrten in der Nordsee im Jahr 2004 zu einem extrem niedrigen Bruterfolg bzw. Brutausfall in zahlreichen Kolonien (WANLESS et al. 2005b, ICES 2006). Zwar k nnen Trottellummen Nahrungsengpässe zur Brutzeit durch flexible Zeitbudgets (Ausdehnung der Zeit zur Nahrungssuche) oder durch Umstellung auf andere Beutearten teilweise ausgleichen, doch m ssen daf r alternative Nahrungsquellen verf gbar sein (BURGER & PIATT 1990). Zudem muss auch eine ausreichende Qualität der Beute gewährleistet sein. ÖSTERBLOM et al. (2001, 2006) konnten in der Kolonie auf Stora Karls (Schweden) zeigen, dass die K rper- masse fl gger Trottellummenk ken mit dem mittleren Gewicht und somit mit dem Energiegehalt von Sprotten positiv korreliert und der Bruterfolg von Trottellummen in der Ostsee nicht nur von der Verf gbarkeit, sondern auch von der Qualität von Sprotten als Nahrungsquelle abhängig ist. Da Trottellummen ihre Nahrung ausschließlich tauchend erbeuten, sind sie besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In der Ostsee kommt es in Gebieten, in denen die Verbreitung der Trottellummen mit Gebieten mit Stellnetzfischerei ber- lappt, zum Teil zu hohen Verlusten (z.B. BERNDT & BUSCHE 1983, OLSSON et al. 2000). In Schweden ist die beobachtete Abnahme der Überlebensrate adulter Trottel- lummen vermutlich auf das Ertrinken in Stellnetzen zur ckzuf hren (ÖSTERBLOM et al. 2002). HÜPPOP (1996) konnte nachweisen, dass Fischereinetze mit 42 % aller tot gemeldeten Individuen der Hauptmortalitätsfaktor f r auf Helgoland beringte Trottel- lummen im Zeitraum 1989-1994 waren. Vor 1970 betrug der Wert weniger als 5 %. Hauptfundorte in Netzen umgekommener Trottellummen waren Dänemark und Schweden. SCHIRMEISTER (2003) registrierte im Winter regelmäßig einzelne Trottel- lummen als Opfer in der Stellnetzfischerei vor Usedom, obwohl die Art dort nur in sehr geringer Anzahl vorkommt. Besonders gefährlich sind die d nnen Monofilament- Netze, da sie f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002). Trottel- lummen ernähren sich in der Ostsee hauptsächlich von Sprotten und Hering und konkurrieren somit teilweise mit der Stellnetzfischerei um dieselbe Ressource. M glicherweise ist eine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Trottellummen kommen in der Pommerschen Bucht aber auch aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den dort in großer Anzahl eingesetzten weitmaschigen Netzen auf Dorsch und Zander um. Trottellummen verbringen einen Großteil des Jahres schwimmend auf dem Meer und besitzen daher eine hohe Empfindlichkeit gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche infolge von Ölunfällen, als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch
251 Tankreinigungen). Sie geh ren zu den häufigsten Ölopfern in der s dlichen Nordsee (z.B. CAMPHUYSEN 1989, 1990, VAUK et al. 1989). Das Vorkommen lokaler Konzent- rationen macht die Art sehr anfällig gegen ber großflächigeren Ölverschmutzungen, die zur Bedrohung ganzer Populationen f hren k nnen (z.B. Havarie des Öltankers „Prestige“ im Nov. 2002 vor Spanien). In der Nordsee wiesen Trottellummen im Winter 2001 / 2002 mit 36 % eine der h chsten Ver lungsraten aller bei Sp lsaumkon- trollen erfassten Vogelarten auf (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Aufgrund ihrer Vermehrungsstrategie mit einer hohen Überlebensrate adulter Tiere, aber einer späten Geschlechtsreife und niedrigen Fortpflanzungsrate, geh ren Trottel- lummen zu den Arten, die Mortalitätsverluste nur schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Bedingungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor, der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die Populationsdynamik. Da Trottel- lummen fr hestens im vierten Lebensjahr mit der Brut beginnen, machen sich Veränderungen im Altvogelbestand erst verz gert in den Kolonien bemerkbar.
Der Status von Trottellummen in Europa wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft. Als Brutvogel sind sie in Deutschland auf Helgoland beschränkt und daher als Art mit geografischer Restriktion auf der Roten Liste gef hrt (Tab. 16-4).
Tab. 16-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Trottellummen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R entfällt R entfällt P entfällt Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPEC - III -
252 16.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zu den Schiffszählungen sind Trottellummen und Tordal- ken bei ung nstigen Lichtbedingungen vom Flugzeug aus nicht immer gut unterscheid- bar. K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
16.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
253
17 Gryllteiste
Cepphus grylle (Linnaeus 1758)
GB: Black Guillemot NL: Zwarte Zeekoet
DK: Tejst Foto: J.O. Kriegs S: Tobisgrissla Abb. 17-1: Mausernde Gryllteiste PL: Nurnik
17.1 EU-Code A202
17.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Alcidae - Alken
17.3 Kennzeichen Alkenvogel mit kleinem Kopf, schwarzem, spitzem Schnabel und roten F ßen. Wirkt im Flug bauchig und hecklastig. Im PK schwarz mit großen, ovalen, weißen Armschwingenflecken und weitgehend weißen Unterfl geln. Im SK Unterseite weiß, R cken und Kopfregion variabel stark schwarz-weiß gebändert; B rzel und Oberschwanzdecken weiß. Auch im SK mit ovalen, weißen Armschwingenfeldern. JK meist dunkler als SK, weißes Armschwin- genfeld dicht dunkel gebändert. Verwechslungsm glichkeiten: Im PK auf gr ßere Entfernung mit Samtente. Gryllteiste deutlich kleiner sowie an Hecklastigkeit und schnellen, schwirrenden Fl gelschlägen erkennbar.
17.4 Verbreitung / Bestand 17.4.1 Welt / Europa Gryllteisten br ten holarktisch an den K sten des N-Pazifiks, des arktischen N- Amerikas, Gr nlands und den arktischen Inselgruppen Eurasiens bis nach NW-Europa. Nach BAUER et al. (2005) werden f nf Unterarten differenziert:
254
C. g. grylle (Ostsee): von Öland nordwärts nach Schweden, Finnland und Estland, von brigen Unterarten nahezu isoliert C. g. arcticus (Subarktis): im brigen Skandinavien (W-Schweden, Dänemark, Norwegen), Großbritannien und Irland sowie Russland, N-Amerika und S-Gr nland C. g. mandtii: n rdliche Arktis C. g. faeroensis: Fär er-Inseln C. g .islandicus: Island
In GASTON & JONES (1998) werden zusätzlich die Unterarten C. g. atlantis (britische Brutv gel) und C. g. ultimus (ostkanadische Arktis, NW-Gr nland) genannt. BAUER et al. (2005) ordnen diese den Unterarten C. g. arcticus bzw. C. g. mandtii zu (s.o.). Im Winter bleiben viele Brutv gel in der Nähe der Brutplätze. Im Fall einer Vereisung der n rdlichen Ostsee wird die Ostseepopulation (C. g. grylle) zur Überwinterung auf der s dlichen Ostsee gezwungen. An der deutschen Nordseek ste und auf der westlichen Ostsee tritt vor allem C. g. arcticus auf.
Der globale Brutbestand wird auf 260.000-410.000 Paare geschätzt (MITCHELL et al. 2004). F r die vier in Europa br tenden Unterarten beträgt der Brutbestand nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) 130.000-300.000 Paare. Damit ist die Gryllteiste die seltenste Alkenart Europas.
Sowohl nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) als auch nach MITCHELL et al. (2004) wird f r Gryllteisten keine biogeografische Population definiert. KUBE et al. (2005a) definieren die Brutv gel der Ostsee als biogeografische Population (Tab. 17-1), da diese als geografisch isoliert gelten (NETTLESHIP & BIRKHEAD 1985).
Tab. 17-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu der biogeografischen Population der Gryllteisten in der Ostsee (KUBE et al. 2005a). Art/ Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Meist im Umkreis um C. g. Brutgewässer, auch k.A. Ostsee 75.000 k.A. 750 grylle konzentriert in W- und S-Ostsee
255
17.4.2 Deutschland Status: Wintergast, seltener Sommergast auf Nord- und Ostsee Die auf der deutschen Ostsee vorkommenden Gryllteisten k nnen der biogeografi- schen Population nach KUBE et al. (2005a) zugeordnet werden. Gryllteisten br ten nicht in Deutschland, halten sich während des Durchzuges sowie im Winter regelmäßig auf der Ostsee und selten auf der Nordsee auf. Auf Helgoland k nnen jedoch alljährlich einzelne Gryllteisten beobachtet werden (Abb. 17-2). Der Rastbestand von Gryllteisten in Deutschland im Winter beträgt 700 Tiere. Diese Zahl bezieht sich auf die Ostsee (Tab. 17-2), der sehr geringe Nordseebestand ist nicht ber cksichtigt. Daten von der Wasservogelzählung liegen f r Gryllteisten nicht vor.
Abb. 17-2: Verbreitung der Gryllteisten auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990- 2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Gryllteisten berwintern alljährlich in geringer Anzahl auf Helgoland, auch Übersom- merungen einzelner Individuen werden in zunehmendem Maße festgestellt (DIERSCHKE et al. 2005, 2006a). Außerhalb Helgolands wird die Art jedoch nur sehr selten auf der deutschen Nordsee angetroffen. Bestandszahlen nach GARTHE et al. (2007a) liegen nicht vor. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ wurden Gryllteisten bisher nicht nachgewiesen. F r Gryllteisten wurden keine Bestandszahlen berechnet. Ostsee Auf der deutschen Ostsee halten sich Gryllteisten von Herbst bis Fr hjahr berwie- gend im Bereich des Adlergrundes auf. Trotz der relativ geringen Dichten ist dieses
256
Vorkommen als international bedeutsam einzustufen (GARTHE 2003a). Im Winter erreicht die Art ihre h chsten Zahlen und kommt dann auch verstreut in der Pommer- schen Bucht und entlang der K ste R gens westwärts bis zum Plantagenetgrund vor. Im Herbst und Fr hjahr gibt es neben der Konzentration auf dem Adlergrund auch kleinere Vorkommen im Bereich der Nordspitze R gens sowie auf der westlichen Ostsee (z.B. Sagasbank, Darß). Im Sommer halten sich Gryllteisten nur sehr vereinzelt auf der deutschen Ostsee auf. Im SPA „Pommersche Bucht“ halten sich Gryllteisten von Herbst bis Winter insbesondere im n rdlichen Teil im Bereich des Adlergrundes auf. Der Zuzug im Herbst beginnt ab November, der gr ßte Bestand wird im Winter erreicht (Tab. 17-2); zu dieser Zeit halten sich auch einzelne Gryllteisten verstreut im brigen Bereich des SPA auf. Ab März nimmt die Anzahl wieder ab. Von Mai bis August kommen nahezu keine Gryllteisten im SPA vor.
Tab. 17-2: Rastbestandszahlen der Gryllteisten f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“ basierend auf Schiffstransektzäh- lungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): I: 1-5, II: 6-10, III: 11-50 Ind. Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. dt. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 400 0,5 280 0,4 120 0,2 Sommer III <0,1 II <0,1 I <0,1 Herbst 260 0,3 150 0,2 50 0,1 Winter 700 0,9 310 0,4 220 0,3
17.4.3 Bestandsentwicklung Der europäische Brutbestand zeigte im Zeitraum 1970-1990 eine moderate Abnahme. Die Bestände in Norwegen und Schweden haben auch danach weiter abgenommen; aufgrund von Zunahmen u.a. in Großbritannien und Finnland ist der europäische Gesamtbestand aber von 1990-2000 insgesamt etwa gleich groß geblieben. Daher wird der Status der Art auch als "stabilisiert nach Bestandsr ckgang" eingestuft (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Informationen ber die Entwicklung der Rastbestände in deutschen Meeresgebieten liegen bislang nicht vor, da die Offshore-Bestände erst seit wenigen Jahren untersucht werden.
257
17.5 Biologie / Ökologie 17.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: fr hestens mit 2 Jahren, erste Brut meist später Paarbildung: monogame Saisonehen, wegen sehr hoher Brutplatztreue finden sich Partner oft im nächsten Jahr wieder Brutzeit: Ankunft am Brutplatz meist ab Anfang März, aber auch bis Anfang Juni, Legebeginn je nach geografischer Lage ab Anfang Mai, aber auch Juni; Brutdauer ca. 25-36 Tage; beide Eltern br ten (Männchen nachts, Weibchen tags ber) Gelege: 2 Eier, selten 1 oder 3; 1 Jahresbrut, Nachgelege m glich K ken: beide Eltern f ttern und hudern in den ersten Tagen, Junge verlassen Nest wenn Schwungfedern noch nicht ganz ausge- wachsen sind und gleiten vom Brutfelsen, Nestlingszeit 35->40 Tage; nach dem Ausfliegen sind die Jungen selbständig
17.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 9 Jahre Ältester Ringvogel: 22 Jahre 11 Monate Sterblichkeit: Island: Adulte 13 % pro Jahr; Dänemark: im 1. Jahr 51 %, Adulte 14 % pro Jahr
17.5.3 Mauser Ab Ende August setzt bei jungen Gryllteisten die postjuvenile Mauser ein. Im 2. KJ vollziehen sich die 1. Prä- und die 1. Postnuptialmauser. Bei der Ersteren handelt es sich um eine Teilmauser (März-Juni), bei der Letzteren um eine Vollmauser (Juli- September). Die Vollmauser der Adulten beginnt mit der Erneuerung des K rpergefie- ders schon während der Jungenaufzucht. Die synchrone Schwingenmauser setzt ab Mitte August bei Nichtbr tern, bei Brutv geln ab September ein (Abb.17-3). In dieser Zeit sind Gryllteisten 4-5 Wochen flugunfähig (GASTON & JONES 1998).
258
1. KJ 2. KJ Männchen Weibchen Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Abb. 17-3: Mauserzyklus von Gryllteisten. Es wird zwischen Teilmauser (hell schraffiert) und Vollmauser (dunkel schraffiert) unterschieden; rot: sensible Phase während der Vollmauser (Flugunfähigkeit).
17.5.4 Wanderungen Gryllteisten berwintern häufig in der Nähe ihrer Brutgebiete und zeigen weniger Zugbewegungen als die brigen paläarktischen Alkenarten. Vereisung dieser Gewässer zwingt sie jedoch manchmal dazu, in s dlichere Bereiche auszuweichen. Wie bei Trottellumme und Tordalk verlassen die Jungv gel die Kolonie vor Erreichen der Flugfähigkeit und beginnen ihre Streuungswanderungen schwimmend. Die Ostsee-Brutv gel berwintern hauptsächlich auf der zentralen Ostsee, vor allem in den eisfreien Bereichen entlang der schwedischen K ste. In geringerer Anzahl berwintern sie auch auf der westlichen und s dlichen Ostsee (dänische Inseln, Deutschland, Polen). Meist haben sie diese Gebiete im Dezember / Januar erreicht und bleiben dort, bis sie im April / Mai an ihre Brutplätze zur ckkehren. Brutv gel des Kattegats berwintern berwiegend im n rdlichen Kattegat. Zugbeobachtungen auf Hiddensee zeigen kein deutliches jahreszeitliches Muster, spiegeln aber zumindest teilweise den Zuzug von Oktober bis November sowie den Abzug ab Februar wider. Das Wintervorkommen von Gryllteisten reicht bei Hiddensee von Anfang Oktober bis Anfang April (DIERSCHKE & HELBIG 1997).
17.5.5 Habitat Gryllteisten br ten meist unmittelbar an der K ste auf Fels,- Kies und Sandinseln und an niedrigen Klippen. Allerdings k nnen die Brutplätze auch bis zu 600 m ber dem Wasserspiegel liegen (zur Verbreitung s. Kapitel 17.4.1). Die Kolonien umfassen oft nur wenige Paare, es k nnen aber auch mehrere hundert Paare zusammen br ten (GRELL 1998). In gemischten Kolonien an Felsklippen besiedeln Gryllteisten meist die unteren Stockwerke. Zur Nahrungssuche begeben sie sich sowohl in k stennahe Seichtwassergebiete als auch in weiter draußen gelegene Gebiete am Packeisrand oder an Eisbergen. Gesch tzte und gedeckte Nistplätze scheinen bei der Auswahl der Brutplätze wichtiger zu sein als die Nähe der Jagdgr nde. Im Winter kommen
259
Gryllteisten im Vergleich zu anderen Alken meist sehr k stennah (NETTELSHIP & BIRKHEAD 1985) oder auf Flachgr nden vor. Sie halten sich oft in der Nähe ihrer Brutgebiete auf, sofern es dort eisfreie Meeresbereiche gibt.
17.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Gryllteisten tauchen meist im Flachwasser dicht ber dem Meeresgrund nach Nahrung. Sie nehmen ebenso wie die Trottellummen zum Tauchen die Fl gel zur Hilfe. Die h chste Jagdaktivität adulter Tiere bzw. die h chsten F tterungsraten von K ken finden in den Morgenstunden statt (CAIRNS 1987). Die Nahrung besteht vor allem zur Brutzeit fast ausnahmslos aus Fisch (v.a. Grundeln). Im Winter und Fr hjahr werden auch Wirbellose in nennenswerten Anteilen gefressen. Hier sind Crustaceen die wichtigste Gruppe, daneben aber auch Muscheln, Schnecken und Borstenw rmer. Ostsee MADSEN (1957) untersuchte 26 im Winter vor allem im Kattegat und der brigen dänischen Ostsee geschossene Gryllteisten. Zwei Drittel der Gesamtnahrung bestand aus Fischen. In 89 % der Proben waren Fische enthalten. Hier dominierten vor allem Grundeln (Gobius spec.) (73 %). In einzelnen Fällen wurden Aalmuttern (Zoarces viviparus), Seestichlinge (Spinachia spinachia), Butterfische (Pholis gunellus), Aale (Anguilla vulgaris), Heringe (Clupea harengus), Seenadeln (Nerophius) und Klippen- barsche (Ctenolabrus rupestris) gefunden. 79 % der Nahrungsproben beinhalteten Crustaceen. Hier wurden vor allem Brachyuren (33 %) sowie Garnelen (31 %) aufgenommen. Auch Isopoden (23 %) wurden nachgewiesen. Polychaeten wurden in 23 % der Mägen angetroffen. Mollusken spielten keine besondere Rolle. Nordsee HARRIS & RIDDIFORD (1989) analysierten Gryllteistennahrung anhand von in der Kolonie umherliegenden Nahrungsresten auf den Shetland-Inseln im Juli und August der Jahre 1987-1988. Sie fanden berwiegend Butterfische (48-61 %) sowie Gadiden (15 %). Im Jahr 1987 bestand die Nahrung zu 37 % aus Sandaalen.
17.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Gryllteisten sind hauptsächlich tagaktiv. Der Zug findet wie bei allen Alken niedrig ber dem Wasser statt. Da Gryllteisten etwas breitere Fl gel haben, sind sie im Vergleich zu Trottellummen oder Tordalken gewandtere Flieger. Sie fliegen meist in niedrigen H hen, k nnen jedoch bis in einige hundert Meter aufsteigen, z.B. wenn sie nach klarem Wasser Ausschau halten.
260
In den Überwinterungsgebieten bewegen sich Gryllteisten auch fliegend fort, z.B. um zwischen verschiedenen Rast- oder Nahrungsgebieten zu wechseln. Bei sch nem Wetter gehen sie auch gerne an Land oder auf Eisschollen. Außerhalb der Brutzeit kommen Gryllteisten meist einzeln oder in lockeren kleinen Gruppen vor.
17.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 17.6.1 Gefährdungsursachen Gryllteisten sind in Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Verfangen und Ertrinken in Stellnetzen - Ver lung - St rungen durch Schiffsverkehr (Auf- / Verscheuchen, St rung bei Rast und Nahrungssuche) - Reduzierung des Nahrungsangebotes (z.B. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Sedimentabbau) - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung; Zerschneidung und Verkleinerung des Lebensraumes) - Verfangen in treibenden Netzresten und M ll Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Prädation durch Säugetiere (z.B. Ratte, Nerz) - In der Vergangenheit haben direkte Verfolgung und das Sammeln von Eiern den Bestand dezimiert (GRELL 1998); derzeit ist Bejagung noch in Skandina- vien von großer Bedeutung
17.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Gryllteisten gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Gryllteisten weisen eine mäßige Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf und fliegen vor sich nähernden Schiffen meist auf (FTZ unver ffentl.). In Gebieten mit intensivem Schiffsverkehr kann es durch häufige Fluchtreaktionen zu einer Einschränkung der nat rlichen Verhaltensweisen oder, falls die Gebiete dauerhaft gemieden werden, zu Habitatverlust kommen. Auch in weniger befahrenen Gebieten kann Schiffsverkehr zu einer Verkleinerung oder Zerschneidung des Lebensraumes f hren. Häufige Fluchtre- aktionen bedingen zudem einen erh hten Energieverbrauch bei gleichzeitig verringer- ter Zeit f r Rast und Nahrungssuche. Dies kann zu einer Verringerung der K rperkon- dition bis hin zu indirekt verursachter Mortalität f hren.
261
Innerhalb der Rastgebiete auf See bewegen sich Gryllteisten vermutlich berwiegend schwimmend fort, Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Rast- und Nahrungsgebieten werden aber meist fliegend durchgef hrt. Ihre Man vrierfähigkeit ist etwas besser als die der Trottellummen und Tordalken, aber im Vergleich zu anderen Seevogelarten immer noch eher mäßig. Die Art ist daher als empfindlich gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken wie Offshore- Windenergieanlagen einzustufen. Ein Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) wurde nicht berechnet. Da die Nahrung tauchend erbeutet wird, sind Gryllteisten besonders anfällig daf r, sich in Stellnetzen zu verfangen. In Gebieten mit einer Überlappung von Vogelverbrei- tung und Stellnetzfischerei kann es zu hohen Verlusten kommen. Besonders gefährlich sind die d nnen Monofilament-Netze, da sie f r tauchende V gel nahezu unsichtbar sind. Die Netze sind umso gefährlicher, je gr ßer die Maschenweite ist (z.B. DAGYS & ZYDELIS 2002).Während einer zweimonatigen Untersuchung zur Brutzeit vor Island starben 1,3 % der Brutv gel einer lokalen Kolonie in Stellnetzen, dies entsprach etwa der Hälfte der gesamten monatlichen Mortalität (PETERSEN 1981, zit. in TUCKER & HEATH 1994). SCHIRMEISTER (2003) nennt Verluste von bis zu 8 Tieren pro Jahr in der Stellnetzfischerei vor Usedom, obwohl dieses Gebiet nicht zum Hauptverbrei- tungsareal von Gryllteisten auf der deutschen Ostsee geh rt. Gryllteisten ernähren sich auf der Ostsee berwiegend benthopelagisch von kommerziell unbedeutenden Beutearten (s. Kapitel 17.5.6) und konkurrieren daher nicht mit der Stellnetzfischerei um die gleiche Ressource. Damit ist keine Attraktionswirkung der in den Netzen gefangenen Fische auf die nahrungssuchenden V gel gegeben. Vielmehr verfangen sich Gryllteisten allein aufgrund des Tauchvorgangs zufällig in den Netzen. Neben verschiedenen Fischarten spielen auch Invertebraten wie Crustaceen, Mollus- ken und Anneliden, sowie lokal auch Zooplankton eine wichtige Rolle im Nahrungs- spektrum der Gryllteisten (EWINS 1990, GASTON & JONES 1998, vgl. Kapitel 15.5.6). Nach EWINS (1990) k nnen Gryllteisten ihre Beutepräferenzen je nach lokaler Verf gbarkeit von Nahrung umstellen, so dass MITCHELL et al. (2004) den Faktor Nahrungsangebot als Grund f r die beobachteten Populationsveränderungen in Großbritannien und Irland f r unwahrscheinlich halten. Da sich Gryllteisten nach bisherigem Kenntnisstand in der deutschen Ostsee berwiegend von kommerziell ungenutzten Fischarten ernähren und auch hier Invertebraten im Beutespektrum vertreten sind (FTZ unver ffentl.), besteht derzeit kein Konflikt mit der Fischerei hinsichtlich der Konkurrenz um Ressourcen. Hingegen kann es durch Eingriffe in den Meeresboden, wie z.B. Sedimentabbau oder Materialverklappung, zu einer Beeinträch- tigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden kommen. Die vielfältige Bodenstruktur des Adlergrundes bietet f r die sich benthopelagisch ernährenden Gryllteisten
262
vermutlich ein besonders gutes Nahrungsangebot und k nnte ihre starke Konzentration auf dieses Gebiet erklären. Die Zusammensetzung des dortigen Beutespektrums ist nicht bekannt, jedoch muss damit gerechnet werden, dass eine Verschlechterung der Nahrungssituation in diesem Gebiet zu einer Beeinträchtigung der Population f hren kann. Gryllteisten verbringen einen hohen Zeitanteil schwimmend auf dem Meer und besitzen daher eine hohe Empfindlichkeit gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche infolge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). In der deutschen Ostsee sind Gryllteisten in ihrer Verbreitung auf ein relativ kleines Areal auf dem Adlergrund konzentriert. Da gleichzeitig ein großer Anteil dieses international bedeutsamen Vorkommens betroffen sein k nnte, sind die Gryllteisten besonders empfindlich gegen ber Ölverschmutzung in diesem Gebiet. Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitrei- chenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Gryllteisten beginnen fr hestens im 2. Lebensjahr, meist jedoch später, mit der Brut und haben einerseits eine geringe Anzahl von Jungv geln, andererseits eine hohe Überlebensrate adulte Tiere und eine lange Lebensdauer. Sie geh ren daher zu den Arten, die Mortalitätsverluste nur relativ schwer ausgleichen k nnen. Negative Populationstrends lassen sich daher auch unter verbesserten Vorraussetzungen nur langsam wieder umkehren. Jeder Faktor der die Mortalitätsrate adulter Tiere erh ht, hat einen vergleichsweise hohen negativen Einfluss auf die Populationsdynamik. Wichtig ist daher auch der Schutz am Brutplatz. Da Gryllteisten oft in H hlen oder Felsspalten in Bodennähe br ten, sind sie stark durch die Prädation durch Säugetiere gefährdet, insbesondere durch invasive gebietsfremde Arten. In Schottland kommt es durch den Amerikanischen Nerz, der in Großbritannien seit seinem Ausbruch aus den Pelzfarmen Mitte der 1990er Jahre weite Teile des Landes besiedelt, zu hohen Verlusten und zum Erl schen ganzer Brutkolonien (MITCHELL et al. 2004). Auch in Teilen von Norwegen und Schweden sind Gryllteisten durch Prädation durch Nerze gefährdet, auf den Orkneyinseln kam es vermutlich durch die Ankunft von Ratten zum Aussterben lokaler Kolonien (siehe TUCKER & HEATH 1994).
263
Gryllteisten sind mit ber 50 % des Weltbestandes auf Europa konzentriert und besitzen dort zudem einen ung nstigen Erhaltungszustand (SPEC 2; Tab. 17-3). Das konzentrierte Vorkommen auf dem Adlergrund ist von internationaler Bedeutung. Da es gr ßtenteils innerhalb des SPAs „Pommersche Bucht“ liegt, besteht hier die M glichkeit eines umfassenden Schutzes von Gryllteisten in diesem Überwinterungs- gebiet. Die Gr ße von Brutpopulationen der Gryllteisten wird vermutlich auch stark von der Verf gbarkeit geeigneter Brutplätze beeinflusst. In Schottland ist der Erfolg von Gryllteisten zumindest lokal inzwischen vom Vorhandensein k nstlicher Nisthabitate wie Molen, Hafenmauern und k nstlichen Nestboxen abhängig (siehe MITCHELL et al. 2004).
Tab. 17-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Gryllteisten in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + entfällt entfällt entfällt entfällt entfällt I Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - 2 - III -
17.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Flugzeug aus oft schwer zu entdecken, insbesondere in Gebieten mit hohen Vogeldichten K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
17.8 Forschungsbedarf - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Tauchverhalten (Beutejagd, Nahrungssuche) in verschiedenen Meeresgebieten - Auswirkungen der Verluste durch die Stellnetzfischerei in der Ostsee auf die regionalen Bestände und auf die Gesamtpopulation - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
264 18 Dreizehenm we
Rissa tridactyla (Linnaeus 1758)
GB: Black-legged Kittiwake NL: Drieteenmeeuw
DK: Ride Foto: S. Garthe S: Tretåig mås Abb. 18-1: Dreizehenm we mit K ken PL: Mewa trόjpalczasta
18.1. EU-Code A188
18.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
18.3 Kennzeichen Kleinm we, wenig gr ßer als Lachm we. Adulte V gel mit einfarbig schwarzen Fl gelspitzen, Oberseite dunkelgrau, Fl gel zu den Spitzen hin heller grau, daher erscheint die Oberseite zweifarbig. Im PK mit weißem Kopf, im SK Hinterkopf grau und halbmondf rmiger Ohrfleck schwärzlich. Im JK und ersten Winterkleid oberseits mit schwarzem Zickzack-Muster, Mantel einfarbig grau, Armschwingen weiß; breites, schwarzes Nackenband, schwarze Schwanzendbinde. Dreijahres-M we. Verwechslungsm glichkeiten: Im JK mit Zwergm we im 1. Winter; Dreizehenm we gr ßer, Armschwingen kalkweiß, schwarzes Zickzackband scharf abgegrenzt. Zwergm we mit verwaschenem Zickzackband, diffus grauen Armschwingen und schwarzem Fleck am inneren Armfl gel-Hinterrand.
265 18.4 Verbreitung 18.4.1 Welt / Europa Dreizehenm wen sind zirkumpolar holarktisch verbreitet: Sie br ten in den K stenbe- reichen der gemäßigten Zone bis in die Hocharktis von SW- bis NW-Europa, sowie in Gr nland, W-Russland, O-Sibirien, in Alaska und Kanada. Sie kommen in zwei gering differenzierten Unterarten vor: R. t. tridactyla (NO-Kanada, N-Atlantik stl. bis Wrangelinsel) und R. t. pollicaris (N-Pazifik). Der globale Bestand der Dreizehenm - wen wird auf > 16,6 Mio. Individuen geschätzt (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Der europäische Brutbestand beträgt 2,1-3,0 Mio. Brutpaare mit den gr ßten Kolonien u.a. auf Island, in Norwegen und in Großbritannien (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Mitteleuropa war das Brutvorkommen lange Zeit nur auf Helgoland beschränkt, jedoch gibt es neuerdings auch Bruten auf Plattformen im niederländischen Teil der Nordsee. Außerhalb der Brutgebiete kommen Dreizehenm wen zwar regelmäßig, aber nur in geringer Anzahl als Gastv gel vor. Sie halten sich ganzjährig in den Nordsee- gewässern auf, die gr ßten Bestände befinden sich dabei in den k stenfernen Bereichen. Auch auf der Ostsee k nnen regelmäßig einzelne Dreizehenm wen beobachtet werden, jedoch nimmt die Häufigkeit Richtung Osten ab. Die in ganz Europa vorkommenden Dreizehenm wen werden zwei biogeografischen Populationen zugeordnet (Tab. 18-1).
Tab. 18-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Dreizehenm wen in Europa (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium K ste N & W- Östl. R. t. O-Atlantik Europas stl. Nordatlantik, 8,4 Mio. k.A. 20.000 tridactyla (Brutzeit) bis Taymyr Nordsee R. t. Gr nland K sten O & W 100.000 - Nordatlantik k.A. k.A. tridactyla (Brutzeit) Gr nlands >1,0 Mio.
18.4.2 Deutschland Status: Brutvogel auf Helgoland; Durchz gler, Sommer- und Wintergast auf der Nordsee. Die in Deutschland vorkommenden Dreizehenm wen geh ren zu der biogeografi- schen Population „O-Atlantik“.
266 In Deutschland liegt der einzige Brutplatz von Dreizehenm wen in der Nordsee auf Helgoland. Dort br teten im Jahr 2006 knapp 7.000 Paare (O. HÜPPOP pers. Mitt.). Während der Sommermonate k nnen Dreizehenm wen auf der gesamten deutschen Nordsee beobachtet werden. In besonders hohen Dichten halten sie sich um die Insel Helgoland auf, aber auch am n rdlichen Rand des Elbe-Urstrom-Tals (Abb. 18-2). Der deutsche Rastbestand im Winter entspricht dem der deutschen Nordsee und wird entsprechend auf ca. 14.000 Individuen geschätzt (Tab. 18-2). Ergebnisse aus landbasierten Wasservogelzählungen liegen f r Dreizehenm wen nicht vor.
Abb. 18-2: Verbreitung der Dreizehenm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nord- see: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Im Fr hjahr konzentriert sich die Verbreitung von Dreizehenm wen auf der Nordsee rund um die Brutkolonie auf Helgoland. Zudem erstreckt sich das Vorkommen westlich und n rdlich der Insel z.T. bis weit in den Offshore-Bereich hinein. Im k stennahen Gebiet treten im Fr hjahr nur sehr wenige Dreizehenm wen auf. Auch im Sommer lässt sich eine hohe Konzentration um die Brutkolonie Helgoland erkennen. Von dort aus erstreckt sich das Vorkommen bandartig Richtung Nordwesten entlang des Elbe-Urstrom-Tals. Zudem lassen sich auch stlich der Insel z.T. noch große Anzahlen beobachten. Um Helgoland herum suchen Dreizehenm wen innerhalb eines Aktionsradius von ca. 35 km nach Nahrung (DIERSCHKE et al. 2004b). Im brigen Offshore-Gebiet treten Dreizehenm wen im Sommer verstreut, im K stenbereich nur in sehr geringer Anzahl auf. Im Herbst lässt sich neben dem noch immer bestehenden Konzentrationsschwerpunkt um Helgoland eine verstreute Verbreitung im gesamten k stenfernen Bereich erkennen. Östlich von Helgoland und vor den Westfriesischen Inseln treten Dreizehenm wen zu dieser Jahreszeit jedoch auch in k stennäheren Gebieten auf. Im Winter kommt die Art dann verstärkt in den k stennahen Bereichen
267 ab etwa 10 m Wassertiefe vor, die Verbreitung erstreckt sich dann in einem mehr oder weniger flächigen Band entlang der Ostfriesischen Inseln ber Helgoland bis auf die H he Amrums. In den k stenfernen Bereichen k nnen Dreizehenm wen weiterhin verstreut, lokal auch in gr ßerer Anzahl, beobachtet werden. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ k nnen Dreizehenm wen ganzjährig beobachtet werden. Die meisten Individuen halten sich dort während der Sommermonate auf.
Tab. 18-2: Rastbestandszahlen der Dreizehenm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugs- zeitraum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007, Bezugszeitraum 1996-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 13.500 0,2 6.500 0,1 1.200 <0,1 Sommer 20.000 0,2 8.500 0,1 3.500 <0,1 Herbst 16.500 0,2 11.000 0,1 150 <0,1 Winter 14.000 0,2 11.000 0,1 950 <0,1
Ostsee Dreizehenm wen kommen nur unregelmäßig in geringer Anzahl auf der deutschen Ostsee vor. Im SPA „Pommersche Bucht“ wurden Dreizehenm wen bislang nur sehr unregel- mäßig und selten nachgewiesen. F r Dreizehenm wen wurden keine Bestandszahlen berechnet.
18.4.3 Bestandsentwicklung Nach Einstellung der Bejagung zu Anfang des 19. Jh. erholten sich die stark dezimier- ten Bestände in Europa im Laufe des 20. Jahrhunderts wieder. Es kam auch zu Brutarealausweitungen, z.B. durch Ansiedlungen in S dschweden, Dänemark, Frankreich, Spanien und Portugal. Helgoland wurde 1938 nach 100-150 Jahren Unterbrechung, welche sehr wahrscheinlich durch Bejagung verursacht wurde, wiederbesiedelt (FLEET 1984). Nach mehreren Jahrzehnten mit einer allgemeinen Bestandszunahme in Europa gab es im Zeitraum 1990-2000 Abnahmen in Gr nland, Norwegen und Großbritannien (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die Brutkolonie auf Helgoland wuchs auch in diesem Zeitraum weiter an und stagniert seit der Jahrhun- dertwende bei 7.000-8.000 Paaren (HÜPPOP 1997 und pers. Mitt.).
268 18.5 Biologie / Ökologie 18.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: erstmals an der Kolonie mit 2-7 Jahren, Erstbruten mit 3-8, meist mit 4-5 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, im nächsten Jahr bilden sich oft die gleichen Paare, Scheidungsrate ist bei erfolglosen Brutpaaren h - her Brutzeit: Legebeginn ist fr hestens Anfang Mai, im Norden eher Ende Mai / Mitte Juni; Brutdauer 25-32 Tage Gelege: 1-3 Eier, meist aber 2; 1 Jahresbrut, Nachgelege m glich, beide Eltern br ten K ken: nach dem Schl pfen werden die K ken 25-34 Tage von einem Elternteil bewacht, beide Eltern f ttern, K ken sind Nesthocker, Nestlingsdauer 41-43 Tage
5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 10 Jahre Ältester Ringvogel: 28 Jahre 5 Monate Sterblichkeit: im 1. Lebensjahr: 21 %; bis zur Geschlechtsreife sterben jährlich 14 %, etwa 24 % der V gel werden 5-jährig und damit fortpflan- zungsfähig (gemessen an abgelegten Eiern)
18.5.3 Mauser Dreizehenm wen vollziehen ihre postjuvenile Mauser von August bis November. Die 1. Pränuptialmauser (Teilmauser) kann im 2. KJ ab Januar beginnen oder sie fehlt v llig. Die 1. Vollmauser (Postnuptialmauser) findet von Mai bis November statt, etwas fr her als die Postnuptialmauser der Adulten. Die Handschwingen werden innerhalb von 120-130 Tagen gemausert, also nicht synchron, so dass Dreizehenm - wen während dieser Zeit nicht in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt sind. Zwischen Februar und Mai wird während der Pränuptialmauser (Teilmauser) der Adulten das K rpergefieder erneuert.
18.5.4 Wanderungen Dreizehenm wen zeigen keinen klassischen saisonalen Zug, aber auffällige Streu- ungswanderungen. Außerhalb der Brutzeit halten sie sich hauptsächlich auf dem offenen Meer auf, dabei finden sich Brutv gel aus dem kontinentalen Europa und Island im N-Atlantik bis zum westlichen Mittelmeer ein. Weiter s dlich werden nur
269 noch relativ wenige Jungv gel (einzelne bis S dafrika) nachgewiesen. En- de Juli / Mitte August ziehen die Adulten meist nach dem Fl ggewerden der Jungv gel ab. Im Oktober beginnt der Wegzug, obwohl die Kolonieplätze noch bis November besucht werden. Die Dreizehenm wen, die in den Wintermonaten in der Deutschen Bucht beobachtet werden k nnen, stammen nur zu einem geringen Anteil aus der Helgoländer Brutkolonie. Hauptsächlich berwintern V gel der fennoskandischen Eismeerk ste, aus W-Norwegen, von den Kattegat-Inseln und der britischen Nordsee- k ste in deutschen Gewässern (PRÜTER 1986). Ab Februar, im Norden einige Wochen später, kommen die Dreizehenm wen zur ck zu ihren Brutplätzen. Sie zeigen starke Geburtsorts- und Brutortstreue, jedoch kommen erst 2-3 jährige V gel nur selten zu ihren Geburtskolonien zur ck. 18.5.5 Habitat Dreizehenm wen sind Hochseev gel mit einer ausgeprägt pelagischen Lebensweise, die sich nur während der Brutzeit an Land aufhalten. Sie nisten als spezialisierte Klippenbr ter an K sten oder auf Inseln und bevorzugen dabei meist Plätze an steilen Felsen (zur Verbreitung s. Kapitel 18.4.1). Die Erfassungen von Dreizehenm wen auf See in der Deutschen Bucht zeigen, dass sie sich im Sommer bevorzugt in Gewässern mit mittlerem Salzgehalt aufhalten (GARTHE 1997, MARKONES 2007), während im Winter Gewässer mit hohem Salzgehalt bevorzugt werden (MARKONES 2007). In der Deutschen Bucht konnte beobachtet werden, dass sich die Verbreitung während des Sommers anscheinend am Elbe-Urstromtal orientiert, in dessen Umfeld sich bei bestimmten Windverhältnissen Frontensysteme bilden k nnen (KRAUSE et al. 1986). Dass Frontensysteme einen starken Einfluss auf die Verbreitung der Dreizehenm wen auf See haben, konnte in der Deutschen Bucht nachgewiesen werden (MARKONES 2007). So wurden in diesem Gebiet erh hte Konzentrationen von Dreizehenm wen an Temperatur- und Auftriebsfronten festgestellt. Sehr wahrscheinlich wird durch diese Fronten ein erh htes Nahrungsangebot hervorgerufen. Der Aktionsradius der Dreizehenm wen wird stark durch die Nahrungsverf gbarkeit beeinflusst (DAUNT et al. 2002). Die häufigste Beute der Dreizehenm wen, pelagische Schwarmfische, zeigt hohe räumliche Mobilität, die durch hydrographische Bedingun- gen gesteuert wird. Deswegen muss davon ausgegangen werden, dass f r Dreizehen- m wen nicht nur eine bestimmte begrenzte Region zur Nahrungssuche in Frage kommt, sondern sich das Gebiet ber einen gr ßeren Raum erstrecken kann. Eine Auswertung der Schiffstransektzählungen in den Jahren 1990-2003 ergab einen durchschnittlichen Aktionsradius von 35 km rund um die Brutkolonie auf Helgoland (DIERSCHKE et al. 2004b). CAMPHUYSEN (2005) wies als maximalen Aktionsradius
270 um die Kolonien an der schottischen K ste 80 km nach. Außerhalb der Brutzeit halten sich Dreizehenm wen auf dem offenen Meer auf und sind dort auch als Schiffsfolger zu beobachten.
18.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Zum Nahrungserwerb suchen Dreizehenm wen offene Wasserflächen im langsamen Flug in 10-25 m H he ab. Sie nehmen ihre Nahrung an der Wasseroberfläche durch Bogenflug oder im Schwimmen auf, z.T. auch flach stoßtauchend. Sie folgen regelmäßig Schiffen, insbesondere Fischereifahrzeugen, außerdem jagen sie Artgenos- sen oder Alken Beute ab. Ähnlich wie Zwergm wen (vgl. Kapitel 19) stehen Dreizehenm wen mit Alken dar ber hinaus in kommensalistischer Beziehung: Durch die Tauchaktivität der Alken gelangen Kleinfische an die Wasseroberfläche, die dann von Dreizehenm wen erbeutet werden k nnen. F r andere Seevogelarten gelten Dreizehenm wen als Anzeiger f r Fischschwärme. Insgesamt besteht die Nahrung von Dreizehenm wen zum berwiegenden Teil aus Fisch. Dabei werden vor allem pelagische Kleinfische wie Sandaale (Ammodytidae) und Heringsartige (Clupeidae), aber auch Jungstadien benthischer Fischarten sowie pelagische Crustaceen erbeutet. Nordsee Von allen in der Deutschen Bucht heimischen M wen haben Dreizehenm wen den h chsten Fischanteil in der Nahrung (PRÜTER 1986). Die Winternahrung Helgoländer Dreizehenm wen besteht zum Großteil aus Heringsartigen, Dorschartigen (Gadidae), Grundeln (Gobiidae) und Sandaalen. Zusätzlich werden auch Wirbellose wie Seeringelw rmer (Nereidae), Schwebgarnelen und Tangfliegenlarven aus dem Pelagial aufgenommen (PRÜTER 1986). Untersuchungen von Mageninhalten nicht-fl gger Helgoländer Dreizehenm wenk ken ergaben als Hauptaufzuchtsnahrung Dorscharti- ge, v.a. Wittlinge (Merlangius merlangus) zwischen 5 und 21 cm Länge, Sandaale zwischen 10 und 23 cm, und Clupeiden, insbesondere Sprotten, zwischen 6 und 14 cm, sowie Seeringelw rmer (VAUK-HENTZELT & BACHMANN 1983, PRÜTER 1989, MAUL 1994, MARKONES 2007). Sandaale bilden vor allem im Sommer tags ber oberflächennahe Schwärme (WINSLADE 1974) und sind auf diese Weise ebenso wie Clupeiden den Dreizehenm - wen direkt zugänglich. Es wurde bisher angenommen, dass Dreizehenm wen Gadiden und Gobiiden als Discard hinter Fischereifahrzeugen aufnehmen (VAUK-HENTZELT & BACHMANN 1983, PRÜTER 1989, MAUL 1994). Jugendstadien verschiedener Gadiden- Arten leben jedoch pelagisch (vgl. MUUS & NIELSEN 1999, VORBERG & BRECKLING
271 1999) und k nnen von Dreizehenm wen vermutlich auch selbständig erbeutet werden. Neuesten Untersuchungen zu Folge werden insbesondere junge Wittlinge, die den berwiegenden Anteil an der Aufzuchtnahrung stellen, wahrscheinlich nat rlicherwei- se erbeutet und stammen nicht aus der Fischerei (MARKONES 2007).
18.5.7 Sonstige Verhaltensweisen
Dreizehenm wen sind tagaktiv. DAUNT et al. (2002) fanden heraus, dass Dreizehen- m wen ihre stärksten Flugaktivitäten in den Morgen- und den späten Abendstunden zeigen und fast nie während der Nacht fliegen. Besonders in den dunkelsten Phasen der Nächte zeigen sie gar keine Aktivität, was sich damit erklären lässt, dass Dreize- henm wen nur visuell auf Nahrungssuche gehen. Dreizehenm wen sind sehr gute Schwimmer und Flieger. Beim Fliegen nutzen sie oft wie Sturmv gel den Aufwind dicht ber der Wasseroberfläche. Die Flugh he und -geschwindigkeit hängt stark von der Windstärke ab, ebenso wie die Truppgr ße ziehender V gel. Meist fliegen Dreizehenm wen eher tief, jedoch konnte beobachtet werden, dass sie bis 1500 m aufsteigen, wenn sie mit Nahrung zu ihren Brutkolonien fliegen (KAY 1936 zit. in MYRES 1963). M glicherweise geschieht dies, um Raubm wen zu entgehen.
18.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 18.6.1 Gefährdungsursachen Dreizehenm wen sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropoge- ne Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Reduzierung des Nahrungsangebotes (z.B. durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Sandaal-Habitaten durch Fischerei oder Sedimentabbau) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Verfangen in Netzresten, die Basst lpel zum Nestbau verwenden (z.B. Kolo- nie auf Helgoland)
18.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Dreizehenm wen gegen ber ausge- wählten anthropogenen Faktoren Dreizehenm wen weisen eine geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004) und sind nur wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsver- kehr. Vielmehr halten sie sich bei der Suche nach Nahrung häufig in unmittelbarer Nähe von Schiffen auf und sind in der gesamten Nordsee häufig hinter Fischereifahr- zeugen anzutreffen (z.B. GARTHE & HÜPPOP 1994, CAMPHUYSEN et al. 1995a).
272 Dreizehenm wen sind wendige Flieger mit hoher Man vrierfähigkeit. Daher ist die Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, als gering einzustufen. Der Wert im Windenergie- Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) hat den zweitniedrigsten Wert aller untersuchten Arten. Dennoch ist zu beachten, dass es insbesondere bei schlechten Sichtbedingungen zu Kollisionen mit technischen Bauwerken kommen kann, da Dreizehenm wen eine hohe Flugaktivität auf See haben und bisweilen auch nachts fliegen. Da sie ihre Nahrung auf See nur an oder wenige Zentimeter unter der Oberfläche erbeuten, sind Dreizehenm wen nicht durch zufälliges Verfangen und Ertrinken in bodennahen Stellnetzen gefährdet. In oberflächennahen Kiemennetzen f r den Lachsfang k nnte es jedoch zu Verlusten kommen, wie von SCHIRMEISTER (2003) f r andere M wenarten in der Ostsee beschrieben. Dreizehenm wen halten sich häufig auch schwimmend auf dem Meer auf, insbesonde- re in unmittelbarer Nähe zur Brutkolonie bilden sich oft große Trupps auf dem Wasser. Sie sind daher empfindlich gegen ber Ver lung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Bei der Havarie der „Erika“ im Jahr 1999 wurden mehr als 550 ver lte Dreizehenm wen gefunden. Doch haben solche Ölunfälle während der Wintermonate vermutlich nur einen geringen Effekt auf die Brutbestände, da meist V gel verschiedener Brutgebiete betroffen werden (MITCHELL et al. 2004). Die Ver lungsrate von Dreizehenm wen durch chronische Ölverschmutzung ist in der Nordsee in den letzten Jahren gesunken (CAMPHUYSEN 1998). An der deutschen Nordseek ste lag sie in den Wintern 2000 / 01 und 2001 / 02 bei 18 % (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsun- fälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Dreizehenm wen ernähren sich berwiegend von kleinen pelagischen, schwarmbil- denden Fischarten, aber auch von planktonisch lebenden Crustaceen (vgl. Kapitel 18.5.6). Die Nahrungsversorgung gilt neben Prädation als Hauptfaktor f r demografi- sche Veränderungen bei Dreizehenm wen. Allerdings sind starke Bestandsschwan-
273 kungen wohl nur durch eine komplizierte Interaktion vieler Faktoren (neben Nah- rungsverf gbarkeit und Prädation z.B. auch Emigration, Immigration, Überlebensrate Adulter u.a.) erklärbar (MITCHELL et al. 2004). Als ausschließlich oberflächennah fressende Art mit einem, verglichen mit einigen anderen Hochseevogelarten, eher geringen Flugradius um die Brutkolonie sind Dreizehenm wen vergleichsweise empfindlich gegen ber Veränderungen in Anzahl und Verf gbarkeit von Beuteorga- nismen. In einigen Kolonien Großbritanniens ernähren sich Dreizehenm wen zur Brutzeit berwiegend von Sandaalen, die dort auch die wichtigste K kennahrung bilden. Die Gr ße des Sandaalvorkommens beeinflusst vermutlich den Brutzeitbeginn sowie den Anteil der Population, die in einem gegebenen Jahr br tet. Zumindest in der nordwestlichen Nordsee sind die Menge und saisonale Verf gbarkeit von Sandaalen entscheidend f r den Bruterfolg der Dreizehenm wen (MITCHELL et al. 2004). Dreizehenm wen sind daher sehr empfindlich gegen ber Veränderungen im Sandaal- Angebot, wie sie z.B. durch Reduktion der Bestände durch Sandaal-Fischerei, Abbau von Sediment oder aber durch klimatische Veränderungen (und dadurch bedingte Verschiebungen im Planktonvorkommen und in der Sandaal-Rekrutierung) hervorge- rufen werden k nnen. In der Brutsaison 2004 erlitten Dreizehenm wen in den n rdlichen Kolonien Großbritanniens einen kompletten Brutausfall und zeigten auch ein Jahr später nur einen relativ geringen Bruterfolg. Gleichzeitig wurde ein deutlich geringerer Anteil von Sandaalen sowie ein extrem niedriger Energiegehalt bei den vorhandenen Sandaalen und bei anderen Beutefischen in der Nahrung von Seev geln festgestellt. Der Mangel an Sandaalen während der Brutperiode der Dreizehenm wen wird auf Verschiebungen in der Planktongemeinschaft zur ckgef hrt, die m glicher- weise mit einem Anstieg der Wassertemperatur zusammenhängen (FREDERIKSEN et al. 2004, FREDERIKSEN et al. 2005, WANLESS et al. 2005b). Sandaale scheinen teilweise durch Fischerei und insbesondere durch klimatische Veränderungen deutlich beein- trächtigt zu werden (BEAUGRAND 2004, ARNOTT & RUXTON 2002), so dass zu vermuten ist, dass die fortschreitende Klimaerwärmung negative Folgen f r die Nahrungsverf gbarkeit und somit auch den Bruterfolg der Dreizehenm wen haben kann. F r die Dreizehenm wen der Kolonie auf Helgoland wird eine Sandaal- Verknappung nach derzeitigem Kenntnisstand vermutlich keine starken Auswirkungen haben, da die K kennahrung dort deutlich weniger auf Sandaale konzentriert ist (MARKONES 2007). Dreizehenm wen beginnen meist im 4.-5. Lebensjahr mit der Fortpflanzung und haben eine sehr hohe Überlebensrate adulter Tiere, jedoch nur eine geringe Anzahl Jungv gel bei nur einer Brut pro Jahr. Durch das Reproduktionspoten- tial k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Der Status von Dreizehenm wen wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. Als Brutvogel ist die Art in Deutschland auf Helgoland beschränkt und daher auf der Roten Liste als „selten, mit geografischer
274 Restriktion“ gelistet (Tab. 18-3). Bisher ist der Brutbestand dort stabil (O. HÜPPOP, pers. Mitt.). Durch das späte Erstbrutalter machen sich Veränderungen im Altvogelbe- stand erst verz gert in den Kolonien bemerkbar.
Tab. 18-3: Rote-Liste- und Schutzstatus der Dreizehenm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R entfällt R entfällt P entfällt Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - - - III -
18.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: schwimmende Kleinm wen sind vom Flugzeug aus oft schwer bestimmbar; vom Schiff aus sind, im Gegensatz zum Flugzeug, detaillierte Verhal- tensbeobachtungen m glich.
18.8 Forschungsbedarf - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - M glicher Einfluss der Industriefischerei auf die Nahrungsverf gbarkeit - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
275 19 Zwergm we
Hydrocoloeus minutus Pallas 1776 Synonym: Larus minutus
GB: Little Gull NL: Dwergmeeuw Foto: S. Garthe DK: Dværgmåge Abb. 19-1: Zwergm we im SK S: Dvärgmås PL: Mewa mala
19.1 EU-Code A177
19.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
19.3 Kennzeichen Dreijahres-M we. Kleine, grazile M we, im PK mit schwarzer Kapuze, im SK mit schwarzem Ohrfleck und schwärzlichem Scheitel. Fl gel bei adulten V geln unterseits schwarzgrau, oberseits hellgrau und ohne dunkle Spitzen, aber mit weißem Hinterrand, der sie rund wirken lässt. Im JK Kopf, Mantel und R cken ausgedehnt schwarzbraun gemustert, Oberfl gel mit dunklem Zickzackband und diffus grauem Armschwingenfeld; dunkle Schwanzbinde. Verwechslungsm glichkeiten: Im 1. Winter mit juveniler Dreizehenm we; Zwergm - we kleiner, Armschwingen diffus gräulich, dunkler Fleck am inneren Armfl gel- Hinterrand. Dreizehenm we mit kreideweißen Armschwingen und schärfer abgesetz- tem Zickzackband.
276 19.4 Verbreitung / Bestand 19.4.1 Welt / Europa Zwergm wen sind im zentralen und n rdlichen Eurasien l ckenhaft verbreitet. In Nordamerika existiert ein kleiner Bestand an der Hudson Bay und an den Großen Seen. Der Weltbestand wird nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) auf 97.000- 275.000 Individuen geschätzt. In Europa br ten Zwergm wen vor allem in Finnland, im Baltikum, in Weißrussland und in Russland, doch br ten immer wieder einzelne Individuen weit abseits des geschlossenen Verbreitungsgebiets, z.B. in Großbritannien, den Niederlanden und Deutschland. F r Europa wird ein Brutbestand von 24.000-58.000 Paaren angegeben (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die n rdlichsten Winterquartiere liegen in der Nordsee, ansonsten halten sich die Zwergm wen während der Winterzeit weiter s dlich, vom Mittelmeer bis zum Kaspischen Meer und von W-Europa bis zur Ostsee, auf. Die Brutv gel Europas berwintern auf der Nord- und Ostsee, vor W-Europa und NW-Afrika. In Deutschland werden vor allem während der Zugzeiten große Ansammlungen von Zwergm wen auf See, an den K stengewässern von Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Mecklen- burg-Vorpommern sowie auf den Seen Ostholsteins beobachtet. In milden Wintern k nnen auch mehrere tausend Individuen in den K stenregionen der Niederlande auftreten. Die in Europa vorkommenden Zwergm wen werden in zwei biogeografische Populationen aufgeteilt (Tab. 19-1).
Tab. 19-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeogra- fischen Populationen der Zwergm wen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium N-Skandinavien, baltische N-, O- & L. Staaten, W- W-Europa, 72.000 - zuneh- Mitteleuropa 1.230 minutus Russland, NW-Afrika 174.000 mend (Brutzeit) Weißrussland, Ukraine Schwarzes, Kasp. und Schwarzes, L. stl. Kasp. und 25.000- W-Sibirien k.A. 1.000 minutus Mittelmeer stl. 100.000 (außerhalb Mittelmeer Brutzeit)
277 19.4.2 Deutschland Status: unregelmäßiger Brutvogel, Sommergast, Wintergast, Durchz gler. Die in Deutschland vorkommenden Zwergm wen geh ren zur biogeografischen Population „N-, O- & Mitteleuropa“. Zwergm wen br ten derzeit nicht in Deutschland. Einzelne Brutpaare wurden seit 1965 nicht alljährlich in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern nachge- wiesen. Regelmäßig werden aber einzelne Übersommerer beobachtet. Während des Heim- und Wegzuges sind Zwergm wen sowohl auf der Nord- als auch auf der Ostsee verbreitet, außerdem k nnen hohe Dichten auf der Elbe beobachtet werden (Abb. 19-2). Der Winterbestand von Zwergm wen in Deutschland beträgt etwa 1.300 Individuen (Tab. 19-2 und 19-3). Ergebnisse aus landbasierten Wasservogelzählungen liegen f r Zwergm wen nicht vor.
Abb. 19-2: Verbreitung der Zwergm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winter- halbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Ein beträchtlicher Teil der nordosteuropäischen Brutpopulation der Zwergm wen durchquert während des Heim- und des Wegzuges die deutsche Nordsee. Der Heimzug setzt Ende März ein, erreicht seinen H hepunkt in der letzten April- bzw. ersten Maiwoche und endet abrupt Mitte Mai (z.B. GLOE 1987, GARTHE 1993a, SCHWEMMER & GARTHE 2006). Verbreitungsschwerpunkte liegen zu dieser Zeit in der Verlängerung der Eiderm ndung vor Schleswig-Holstein und im Bereich um Helgoland. Während der Brutzeit hält sich fast der gesamte Bestand in den osteuropäi- schen Brutgebieten auf. Übersommernde Individuen werden in der deutschen Nordsee daher in keinen nennenswerten Zahlen festgestellt. Der Wegzug findet zwischen Ende
278 September und Anfang November statt (z.B. TEMME 1991, GARTHE 1993a). Die Verbreitung ist dabei auf die k stennahen Gebiete beschränkt, mit einem Schwerpunkt in der äußeren Elbm ndung. Das zahlenstarke Auftreten während des Wegzuges geht in ein geringeres, konstantes Wintervorkommen auf der deutschen Nordsee ber (Tab. 19-2), wobei der Großteil der osteuropäischen Brutpopulation in s dlicheren Breiten berwintert. Im Vergleich zu den Zeiträumen des Heim- bzw. Wegzuges ist die Verbreitung im Winter stärker von der K ste losgel st. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ konnten außer in den Sommermonaten zu allen Zeiten Zwergm wen nachgewiesen werden. Die gr ßte Anzahl hielt sich dort im Winter auf.
Tab. 19-2: Rastbestandszahlen der Zwergm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 1996-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 4.600 3,7 III <0,1 III <0,1 Sommer III <0,1 0 0,0 0 0,0 Herbst 400 0,3 III <0,1 III <0,1 Winter 1.100 0,9 450 0,4 330 0,3
Ostsee Am zahlenstärksten kommen Zwergm wen auf der deutschen Ostsee während des Wegzuges im Herbst vor. Im August und September befindet sich ein bedeutendes Vorkommen in der Pommerschen Bucht, das sich von R gen aus k stennah nach Usedom bis zur polnischen Grenze erstreckt. Die h chsten Konzentrationen befinden sich im Bereich des Greifswalder Boddens. Einzelne, v.a. ziehende Zwergm wen wurden im Offshore-Bereich auf und n rdlich der Oderbank gesichtet. SCHIRMEISTER (2001, 2002) beobachtete regelmäßig zahlenstarke Ansammlungen im Spätsommer vor der Insel Usedom. Auf der westlichen Ostsee kommen Zwergm wen im Herbst in geringer Anzahl vor. Um die Monatswende Oktober / November verlassen die Zwergm wen gr ßtenteils die Ostsee. Zugbeobachtungen bei Helgoland (GARTHE 1993a) zeigen, dass das Verlassen der Ostsee mit dem Einzug in die Nordsee zeitlich einher geht. Im Winter kommen Zwergm wen verstreut in geringen Dichten auf der deutschen Ostsee vor. Häufungen wurden bisher v.a. in der Kieler und der Pommer- schen Bucht beobachtet. Der Heimzug im Fr hjahr verläuft zeitlich sehr konzentriert Anfang Mai. Von den k stennahen Binnengewässern sind sehr große Ansammlungen
279 zu dieser Jahreszeit bekannt (z.B. MÜLLER 2004), m glicherweise findet der Heimzug daher sehr k stennah statt. Bisher deuten sich keine großen Offshore-Vorkommen im Fr hjahr an. Im Sommer fehlt die Art auf der Ostsee fast v llig, einzelne Nachweise gibt es nur aus der Kieler Bucht. Im SPA „Pommersche Bucht“ konnten außer in den Sommermonaten zu allen Zeiten Zwergm wen nachgewiesen werden. Die gr ßte Anzahl hält sich dort im Herbst auf (Tab. 19-3).
Tab. 19-3: Rastbestandszahlen der Zwergm wen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitrum 2000-2005). Gr - ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): II: 6-10, III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 500 0,4 90 0,1 III <0,1 Sommer 350 0,3 60 <0,1 0 0,0 Herbst 9.500 13,0 160 0,1 130 0,1 Winter 220 0,2 90 0,1 II <0,1
19.4.3 Bestandsentwicklung Die Brutbestände der Zwergm wen in Europa haben im Zeitraum 1970-1990 mäßig abgenommen. Im nachfolgenden Zehnjahreszeitraum kam es wieder zu Bestandszu- nahmen, die aber offensichtlich noch nicht wieder zum Erreichen fr herer Bestands- gr ßen gef hrt haben (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die Durchzugszahlen haben in Mitteleuropa ab Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts deutlich zugenommen, was sich dann vor allem ab den 1980er und 1990er Jahren in sehr hohen Anzahlen widerspiegelt. Inzwischen deutet sich an, dass die Durchzugssummen in Norddeutsch- land seit dem Jahrhundertwechsel nicht weiter ansteigen, wobei starke jährliche Schwankungen festzustellen sind (FTZ unver ffentl., B. KOOP pers. Mitt., B. SCHIRMEISTER pers. Mitt.).
19.5 Biologie / Ökologie 19.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: wahrscheinlich mit 2-3 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, Paarbildung setzt in den heimziehenden Trupps ein Brutzeit: Legebeginn von Mitte Mai bis Mitte Juni, im Norden etwas später, Brutdauer 21-23 Tage
280 Gelege: 2-3 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege bei fr hem Verlust m glich, beide Eltern br ten K ken: nach dem Schl pfen sind K ken etwa 1 Woche auf dem Nest, beide Eltern f ttern, K ken sind nach 21-24 Tagen fl gge und kurz danach selbständig
19.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 6 Jahre Ältester Ringvogel: 20 Jahre 10 Monate Sterblichkeit: keine Angabe
19.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser (Teilmauser) vollzieht sich bei Zwergm wen von August bis Oktober / November. Im 2. KJ schließen sich 1. Pränuptialmauser und 1. Postnuptial- mauser an. Bei der ersteren handelt es sich um eine Teilmauser (Februar-Mai), bei der letzteren um eine Vollmauser (Juni-November). Adulte V gel beginnen im Juni / Juli mit der Vollmauser, die im November abgeschlossen ist. Erfolglose Brutv gel erneuern ihre Kopfkappe schon im Juli, während die brigen dies erst im August tun. Da Zwergm wen ihre Schwingen nicht synchron mausern, sind sie zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt.
19.5.4 Wanderungen Zwergm wen sind Kurz- und Mittelstreckenzieher. Auf dem Heimzug vollziehen sie einen Breitfrontzug durch Europa in SW-WSW-Richtung, wobei es an den K sten zu großen Ansammlungen kommt. Sie verlassen die Brutplätze ab Juli, der Gipfel des Wegzuges liegt in Mitteleuropa Ende August / Anfang September. Der Gipfel des Heimzuges wird Ende April / Anfang Mai erreicht. Die bedeutendsten Durchzugsge- biete sind der Unterelberaum und die Seen im stlichen Schleswig-Holstein, wo regelmäßig große Anteile der biogeografischen Population gleichzeitig beobachtet werden (z.B. KOOP 1997). Während des Zuges halten sich hier ber mehrere Wochen große Trupps nahrungssuchender Zwergm wen auf. Während des Durchzuges kommen auf der deutschen Nord- und Ostsee jeweils nahezu zeitgleich bedeutende Anteile der biogeografischen Population vor.
281 19.5.5 Habitat Zwergm wen br ten am Ufer von Inseln, häufig umgeben von Schilf, auf schwim- menden Wasserpflanzen und anderen schwer zugänglichen Stellen an flachen, vorzugsweise eutrophen S ßwasserseen, S mpfen und Fischteichen (zur Verbreitung s. Kapitel 19.4.1). An der stlichen Ostseek ste bauen sie ihre Nester auch an brackigen Gewässern. Häufig br ten Zwergm wen zusammen mit Seeschwalben oder in kleineren Lachm wenkolonien. Während der Wintermonate suchen die M wen im Schelfmeer an plankton- und kleinfischreichen Stellen vom N-Atlantik bis zum Mittelmeer nach Nahrung. An gr ßeren Binnengewässern oder Flusstälern jagen Zwergm wen während der Zugzeit z.T. auch ber Land.
19.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Zwergm wen nehmen wahrscheinlich meist tags ber Nahrung auf. Während des Fr hjahrs- und Herbstzuges sind Zwergm wen oft in Zugtrupps anzutreffen, die eine charakteristische Kombination aus Zug und Nahrungsaufnahme zeigen. Dabei ist die Aufnahme von kleinen Nahrungspartikeln von der Wasseroberfläche im Flug die häufigste Methode, gefolgt vom Aufpicken kleiner Partikel im Schwimmen (SCHWEMMER & GARTHE 2006). Auch Luftverfolgung von Insekten ist nachgewiesen (JÖRGENSEN 1965, KOOP 1985). Durch die Brandung aufgewirbeltes Wasser (RUTTLEDGE 1974) oder durch die Tide hervorgerufene Str mung (EADES 1982) bieten Zwergm wen gute Nahrungsbedingungen. Nahrung wird oft in inner- oder zwischenartlichen Gruppen gesucht (KOOP 1985, KEIJL & LEOPOLD 1997, SCHWEMMER & GARTHE 2006). Letztere Gruppen basieren häufig auf kommensalisti- schen Interaktionen mit tauchenden Arten, durch deren Jagdaktivität kleine Nahrungs- partikel an die Wasseroberfläche gebracht werden (DITTBERNER & DITTBERNER 1989, EVANS 1989). Es handelt sich hierbei also nicht um Kleptoparasitismus, da die tauchenden Arten nicht ihrer Beute beraubt werden. Während der Brutzeit besteht die Nahrung von Zwergm wen hauptsächlich aus limnischen Insekten und kleinen Fischen (IL’IČEV & FLINT 1990). Auch in Rasthabitaten des Binnenlandes dominieren Insekten und in geringeren Mengen kleine Fische (JÖRGENSEN 1965, ISENMANN 1973, KOOP 1985, 1997). Über die Nahrung von Zwergm wen auf See während der Zugphasen und des Winters ist kaum etwas bekannt. Nordsee SCHWEMMER & GARTHE (2006) beprobten während des Heimzuges in den Jahren 2004-2005 potentielle Nahrungsorganismen an Orten mit hoher Fressaktivität von Zwergm wen im Offshorebereich der deutschen Nordsee. Zusammensetzung und Häufigkeit der potentiellen Nahrungsorganismen unterschieden sich zwischen
282 verschiedenen Orten. In einem Gebiet stlich von Helgoland dominierten zooplankti- sche Organismen, v.a. Fischlarven und -eier sowie Ruderfußkrebse (Copepoden). In der Elbm ndung fand man dagegen hauptsächlich an der Wasseroberfläche treibende Insekten. Die Elbe scheint f r Zwergm wen während des Heim- bzw. Wegzugs eine unterschiedliche Bedeutung zu haben. Während des Wegzuges halten sich deutlich mehr Zwergm wen auf der Elbe auf (GARTHE 1993b). Beprobungen ergaben, dass zu dieser Zeit die häufigste potentielle Nahrungsquelle der Stint ist, was sich gut mit dem Massenvorkommen des Stints auf der Elbe zwischen Juli und September deckt (MÖLLER 1984, THIEL & POTTER 2001). In dieser Periode gewinnt die Elbe m gli- cherweise an Bedeutung als Nahrungsgebiet f r Zwergm wen. Fischerei Die Bedeutung von Fischereifahrzeugen f r Zwergm wen ist gering. SCHWEMMER & GARTHE (2006) beobachteten nur ein einziges Individuum bei der Nahrungsaufnahme hinter Fischkuttern während des Heimzuges der Jahre 2001-2004. Allerdings folgen Zwergm wen regelmäßig Schiffen ohne Fischereiaktivität, um im aufgewirbelten Schraubenwasser nach Nahrung zu suchen (EADES 1982, FTZ unver ffentl.).
19.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Zwergm wen sind außerhalb der Zugzeit tagaktive V gel, während des Zuges ziehen sie sowohl tags als auch nachts. Beobachtungen am Großen Pl ner See zeigten, dass sie dort vor allem vormittags zwischen 10 h und 12 h durchziehen (KOOP 1985). Zwergm wen bewegen sich meist fliegend, bei Streckenfl gen bevorzugt dicht ber dem Wasser, aber auch in H hen zwischen 10-50 m. Auf dem Meer und an vielen Binnengewässern schlafen sie schwimmend und bernachten dort bei jedem Wetter, auch wenn es sehr windig ist (KOOP 1985). Zwergm wen sind sehr gesellig, Einzelv - gel sind nur ausnahmsweise zu beobachten.
19.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 19.6.1 Gefährdungsursachen Zwergm wen sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Wegfall kleiner Fische als Nahrung als indirekter Effekt der Fischerei
283 19.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Zwergm wen gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren
Zwergm wen besitzen eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen (GARTHE et al. 2004), die Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr ist als gering einzustufen. Zwergm wen sind wendige Flieger mit hoher Man vrierfähigkeit, daher ist die Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, eher gering. Der Wert im Windenergie-Sensitivitäts- index nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt, verglichen mit anderen untersuchten Arten, im unteren Bereich. Dennoch ist zu beachten, dass es insbesondere bei schlechten Sichtbedingungen zur Kollision mit technischen Bauwerken kommen kann, da Zwergm wen eine hohe Flugaktivität auf See aufweisen und gelegentlich auch nachts fliegen. Da sie ihre Nahrung auf See nur an der Oberfläche erbeuten, sind Zwergm wen nicht durch zufälliges Verfangen und Ertrinken in bodennahen Stellnetzen gefährdet. Während des Zuges rasten Zwergm wen auch auf dem Meer bzw. versammeln sich dort an nächtlichen Schlafplätzen und sind daher empfindlich gegen ber Ölverschmut- zung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Da sie aber, verglichen mit anderen Seev - geln wie See- und Lappentaucher, Meeresenten oder Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser verbringen, ist die Gefahr der Kontamination einer großen Anzahl von Zwergm wen wesentlich geringer. Ölverschmutzung kann jedoch auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Die Nahrung der Zwergm wen auf Nord- und Ostsee ist weitgehend unbekannt (vgl. Kapitel 19.5.6). Systematisch gesammelte Informationen zu potentiellen Nahrungsor- ganismen liegen bisher lediglich durch Planktonbeprobungen in Gebieten vor, in denen Zwergm wen bei der Nahrungsaufnahme beobachtet wurden. SCHWEMMER & GARTHE (2006) erfassten Zwergm wen dabei berwiegend an hydrografischen Fronten oder Schaumlinien und fanden dort v.a. Fischlarven, Insekten und Zooplank-
284 ton als potentielle Beuteobjekte. Zwergm wen ernähren sich vermutlich von derarti- gen kleinen Nahrungspartikeln. Es spielen jedoch mit großer Sicherheit auch (zumin- dest zu bestimmten Jahreszeiten) kleine Fische eine bedeutende Rolle in der Nahrung von Zwergm wen auf der Nord- und Ostsee (GARTHE 1993a; FTZ unver ffentl.). Während des Wegzuges in die Wintergebiete halten sich Zwergm wen in großer Anzahl auf der Unterelbe auf und ernähren sich dort berwiegend von kleinen Stinten (GARTHE 1993b, 1996b). Daher k nnte es durch einen Wegfall dieser Nahrungsquelle zu einer Nahrungsverknappung f r Zwergm wen kommen. Die Verf gbarkeit kleiner Fische ist indirekt mit der fischereilichen Nutzung gr ßerer Raubfische gekoppelt (CASAS & PAZ 1996, GERASIMOVA & KISELEVA 1998). Entsprechend ist anzuneh- men, dass Zwergm wen, ähnlich wie Seeschwalben, von einem verstärkten Angebot an Kleinfischen und anderen kleinen Beuteobjekten, bedingt z.B. durch Eutrophierung oder durch die Überfischung großer Raubfischarten, profitieren. F r detailliertere Aussagen zu einer m glichen Gefährdung von Zwergm wen durch Nahrungsverknap- pung sind jedoch weiterf hrende Nahrungsuntersuchungen n tig. F r einen Einfluss von Sedimentabbau auf die Ernährungssituation von Zwergm wen gibt es derzeit keine Hinweise. Zwergm wen k nnen vermutlich im 2.-3. Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen. Sie br ten nur einmal pro Jahr und haben in der Regel 2-3 Eier, woraus sich eine geringe Anzahl Jungv gel ergibt. Im Vergleich zu anderen in Deutschland vorkom- menden M wenarten ist die Generationslänge bei Zwergm wen kurz. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste nur dann bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, wenn ein umfassender Schutz in den Brutgebieten gewährleistet ist. Die europäische Brutpopulation ist relativ gering und verzeichnete zwischen 1970-1990 eine moderate Abnahme. Obwohl Zwergm wen in den darauf folgenden zehn Jahren fast berall in Europa einen stabilen, schwankenden oder zunehmenden Trend zeigten, hat die Population sich vermutlich noch nicht von der vorangegangenen Abnahme erholt und wird nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) daher vorläufig als „stabilisiert nach Bestandsr ckgang“ eingestuft. Zwergm wen sind im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistet und in die SPEC-Kategorie 3 als Art mit ung nstigem Erhaltungszustand in Europa eingestuft (Tab. 19-4).
285 Tab. 19-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Zwergm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R entfällt entfällt entfällt entfällt I Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I 3 - II +
19.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Schiff aus sind im Gegensatz zum Flugzeug detaillierte Verhaltens- beobachtungen m glich
19.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Identifizierung der Brutgebiete und der Zugrouten der in der Nord- und Ostsee berwinternden Individuen - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See
286 20 Lachm we Larus ridibundus Linnaeus 1766
GB: (Common) Black-headed Gull NL: Kokmeeuw DK: Hættemåge Foto: S. Garthe S: Skrattmås Abb. 20-1: Lachm we im PK PL: Śmieszka
20.1 EU-Code A179
20.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
20.3 Kennzeichen Kleinm we mit spitzen Fl geln, hellgrauer Oberseite und breitem, weißem Vorderfl - gelkeil. Unterseits an weißen Fl gelkeil anschließendes schwärzliches Fl gelfeld. Im PK mit dunkel schokoladenbrauner Kapuze, Schnabel und Beine matt dunkelrot. Im SK Kopf weiß mit breitem, dunklem Ohrfleck, Schnabel und Beine rot oder braunrot, Schnabelspitze dunkel. Zweijahres-M we. Im JK Oberseite und Kopfmuster auffällig gelbbraun, Fl gel braun gemustert, schwarze Schwanzendbinde, Schnabel und Beine gelblich bis fleischfarben. Die auffällige Färbung wird mit zunehmendem Alter blasser, im ersten Sommer einige Armdecken und Schwanzendbinde noch braun, dunkle Kapuze mit variablem Weißanteil. Verwechslungsm glichkeiten: Im Sommer mit adulter Zwergm we, Lachm we aber gr ßer, mit weißem Vorderfl gelkeil; Unterfl gel nicht so dunkel, im PK Kapuze heller und nicht so weit in den Nacken reichend wie bei Zwergm we.
287 20.4 Verbreitung 20.4.1 Welt / Europa Lachm wen br ten in den mittleren und n rdlichen Breiten von NW- und S-Europa bis O-Sibirien und Kamtschatka. Neuerdings vollzieht sich eine Ausbreitung nach Nordamerika. Die Winterverbreitung reicht bis Afrika (S-Grenze Äthiopien, an der W- K ste bis Nigeria). Der globale Brutbestand wird auf 4,85 Mio. - mind. 8,85 Mio. Individuen geschätzt (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). In Mitteleuropa sind Lachm wen verbreitete und häufige Brut- und Jahresv gel. Bei den Überwinterern in Deutschland handelt es sich gr ßtenteils um V gel aus stlichen Brutgebieten. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) gibt f r ganz Europa einen Brutbestand von 1,5- 2,2 Mio. Paaren an. Die in Europa vorkommenden Lachm wen werden in drei verschiedene biogeografische Populationen eingeteilt (Tab. 20-1).
Tab 20-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Lachm wen in Europa (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium W- & L. N- & W-Europa, S- & W- 3,7- ab- Mitteleuropa 20.000 ridibundus S-Gr nland Europa 4,8 Mio. nehmend (Brutzeit) Bulgarien, L. O-Europa Russland Mittelmeer, 770.000- k.A. 13.000 ridibundus (Brutzeit) T rkei, Serbien N-Afrika 1,8 Mio. u.a. SW-Asien, SW- & L. O-Afrika W-Russland, Zentral- 250.000 k.A. 2.500 ridibundus (außerhalb Zentralasien asien, O- Brutzeit) Afrika
20.4.2 Deutschland Status: Verbreiteter und häufiger Brut- und Jahresvogel, Durchz gler, Rastvogel. Die in Deutschland vorkommenden Lachm wen geh ren zur biogeografischen Population "W- & Mitteleuropa". Der Brutbestand der Lachm wen in Deutschland betrug im Jahr 1999 151.000 Paare, knapp die Hälfte davon br tet im Binnenland (BELLEBAUM 2002). In Schleswig- Holstein haben die Lachm wen ihren Verbreitungsschwerpunkt in den letzten Jahren verlagert. Viele Kolonien sind vom Binnenland und der Ostseek ste an die Nordsee gewandert, es br ten in Schleswig-Holstein etwa 35.000 Paare (Bezugszeitraum 2001, BERNDT et al. 2002), davon ca. 33.000 Paare an der Nordseek ste (Bezugszeitraum 2001, KOFFIJBERG et al. 2006). In Niedersachsen br ten 45.000 Paare (Bezugszeit-
288 raum 2001, KOFFIJBERG et al. 2006) und in Mecklenburg-Vorpommern 22.300 (Bezugszeitraum 1999, BELLEBAUM 2002). Die Daten der Wasservogel- und der M wen-Schlafplatzzählung verdeutlichen, dass Lachm wen auch im Winter weit verbreitet sind (Abb. 20-3). Neben den K stenab- schnitten konzentrieren sich die Vorkommen vor allem auf die wasserreichen Ballungsräume (Berlin, Rhein-Ruhr, Rhein-Main). In nahezu jeder gr ßeren an einem Gewässer gelegenen Stadt finden sich im Mittwinter gr ßere Lachm wenansamm- lungen ein. Abseits gr ßerer Gewässer sind Lachm wen im Winter nur in kleinen Anzahlen anzutreffen. Das Muster von Lachm wenvorkommen auf Nord- und Ostsee ist in den Sommermo- naten sehr unterschiedlich (Abb. 20-2). Obwohl sich Lachm wen vielerorts terrestrisch ernähren, wechseln Individuen an der deutschen Nordseek ste zeitweise auch in das Wattenmeer und den k stennahen Hochseebereich (SCHWEMMER & GARTHE 2007). In den k stenfernen Bereichen der Ostsee dagegen werden Lachm wen nur in geringer Zahl angetroffen (Abb. 20-2). Der Mittwinterbestand in Deutschland wird auf etwa 235.000 Individuen geschätzt (DDA unver ffentl., Tab. 20-2 und 20-3). Etwa 90 % der Lachm wen halten sich zu dieser Zeit im Binnenland auf. Bei den im Winter anwesenden M wen handelt es sich wahrscheinlich berwiegend um Brutv gel NO-Europas (N-Deutschland; vgl. BØNLØKKE et al. 2006) bzw. aus NO- und O-Europa (S-Deutschland; z.B. HÖLZINGER & BOSCHERT 2001). Das Auftreten der Lachm wen in verschiedenen Regionen schwankt stark im Jahresverlauf: An der Nordseek ste werden im August / September die Maximalzahlen von 150.000-250.000 Individuen erreicht, dagegen sind außerhalb der Brutzeit zwischen November und Februar dort nur noch weniger als 10.000 Individuen anwesend (BLEW et al. 2005). In vielen städtischen Gebieten mit Gewässern werden die Maximalbestände – auch im Norden Deutschlands, allerdings nicht auf See – dagegen oft erst im Winter erreicht (z.B. VAUK & PRÜTER 1987, MÄDLOW 1994, KORN 1997). In „ländlichen Räumen“ treten die h chsten Bestände bereits im Herbst auf (ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN-BRANDENBURGISCHER ORNITHOLOGEN 2001a). Je nach Witterung verlieren zum Fr hjahr hin die Ballungs- räume recht schnell ihre Bedeutung, während die der kolonienahen Gebiete zunimmt. Während des Fr hjahrs sind auch die oft zeitweise berfluteten Gebiete in den großen Flusstälern bedeutend (ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN-BRANDENBURGISCHER ORNITHOLOGEN 2001a). Bundesweit ist davon auszugehen, dass die maximalen Rastbestände im Herbst erreicht werden (vgl. VAN ROOMEN et al. 2005).
289
Abb. 20-2: Verbreitung der Lachm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalb- jahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nordsee: 1990- 2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 20-3: Verbreitung der Lachm wen in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung (Kreise) sowie der M wen-Schlafplatzzählung (Quadrate, gleiche Skalierung). Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000- 2005 sowie der Schlafplatzzählungen 2004-2006.
290 Nordsee In der deutschen Nordsee konzentrieren sich die Lachm wen im gesamten Jahresver- lauf fast ausschließlich auf die k stennahen Gebiete. K stenfern kommt die Art nur in geringer Anzahl vor. Im Fr hjahr treten sie mit mittleren Dichten entlang der gesamten K ste auf, mit einem Schwerpunkt im Bereich der Elbm ndung. Im Fr hsommer sind sie durch die Bindung an die Brutkolonien noch stärker auf den K stenbereich konzentriert. Gegen Ende der Brutzeit gewinnt das Wattenmeer gegen ber dem k stennahen Binnenland als Nahrungshabitat an Bedeutung (SCHWEMMER & GARTHE 2007). Die wichtigsten Verbreitungsschwerpunkte liegen dann im Wattenmeer von der Elbm ndung bis zur Insel F hr und im R ckseitenwatt der Ostfriesischen Inseln. Vor den Ostfriesischen Inseln sind Lachm wen lokal in großen Schwärmen hinter Garnelenkuttern zu beobachten (WALTER & BECKER 1997). Auch im Herbst liegen die Schwerpunkte an der K ste, im Vergleich zum Sommer nimmt die Zahl der Lachm - wen aber, bedingt durch das Zuggeschehen, deutlich zu. Hohe Konzentrationen befinden sich im M ndungsbereich der großen Fl sse. Im Winter verlässt ein Großteil der Lachm wen die deutsche Nordsee, es stellt sich jedoch ein konstantes Wintervor- kommen mit weiterhin k stennaher Verbreitung ein. Die h chsten Konzentrationen liegen in den Ästuarbereichen von Ems und Elbe. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ halten sich zu jeder Jahreszeit Lachm wen auf. Die bei weitem gr ßte Anzahl kann hier im Fr hjahr beobachtet werden (Tab. 20-2).
Tab. 20-2: Rastbestandszahlen der Lachm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 1996-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 96.000 2,3 1.300 <0,1 1.200 <0,1 Sommer 160.000 3,8 70 <0,1 III <0,1 Herbst 170.000 4,0 430 <0,1 80 <0,1 Winter 16.000 0,4 III <0,1 70 <0,1
Ostsee Lachm wen kommen insgesamt in geringer Anzahl auf den deutschen Ostseegewäs- sern vor. Obwohl sich entlang der K ste zahlreiche Brutkolonien befinden, wurden im Sommer bisher kaum Lachm wen auf dem Meer beobachtet (Abb. 20-3). Die Ernährung (s. Kapitel 20.5.6) ist dort berwiegend terrestrisch (CREUTZ 1963, HARTWIG & MÜLLER-JENSEN 1980, GÖTMARK 1984). Während des Wegzuges im
291 Herbst gibt es lokal gr ßere Konzentrationen in der Flensburger F rde, der Kieler und der Wismarbucht und im s dlichen Greifswalder Bodden. Im Winter halten sich Lachm wen bevorzugt k stennah auf. Kleine Vorkommen befinden sich im Greifs- walder Bodden und im Bereich von R gen sowie in der Kieler F rde. Während des Heimzuges im Fr hjahr treten Lachm wen vereinzelt auch in den k stenfernen Bereichen der Ostsee auf. Im SPA „Pommersche Bucht“ wurden Lachm wen bislang nur im Fr hjahr und im Herbst mit wenigen Individuen nachgewiesen (Tab. 20-3).
Tab. 20-3: Rastbestandszahlen der Lachm wen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 60 <0,1 III <0,1 Sommer k.A. k.A. 0 0,0 0 0,0 Herbst k.A. k.A. 70 <0,1 III <0,1 Winter 15.500 0,4 0 0,0 0 0,0
20.4.3 Bestandsentwicklung Die gr ßten Lachm wen-Kolonien Europas befinden sich in Weißrussland, Deutsch- land, den Niederlanden und in Großbritannien (inkl. Nordirland). Seit der Erstansiedlung 1931 an der deutschen Nordseek ste nahmen dort die Brutpaarzahlen stetig zu und schwankten im Zeitraum 1991 bis 2001 im gesamten Wattenmeer (inkl. der Niederlande und Dänemarks) um einen durchschnittlichen Brutbestand von 134.000 Paaren. Im Jahr 2001 br teten ca. 155.000 Paare im gesamten Wattenmeer, was auf einen allgemeinen positiven Trend hindeutet. Allerdings variieren die Bestandstrends zwischen den einzelnen Ländern: Während in Niedersachen und Schleswig-Holstein die Brutbestände ab den 1990er signifikant zunahmen, wurde in den Niederlanden und in Dänemark im selben Zeitraum eine Abnahme der Bestände verzeichnet (HELDBJERG 2001, KOFFIJBERG et al. 2006). Außerdem unterscheidet sich der Bestandstrend signifikant zwischen Festlands- und Inselkolonien. Seit den 1990er Jahren steigt die Zahl der Brutpaare auf den Inseln kontinuierlich an, während sie auf dem Festland sinkt, eine Ausnahme bildet die Insel Trischen (Schleswig-Holstein). Dort nimmt die Zahl der Brutpaare ab, während sie am Festland ansteigt (KOFFIJBERG et al. 2006).
292 Der Brutbestand an der deutschen Ostseek ste von ber rund 61.000 Paaren im Jahr 1983 ging bis Ende der 1990er Jahre um ber 75 % zur ck (BELLEBAUM 2002). Diese Entwicklung wurde auch f r andere Ostseestaaten wie Finnland, Schweden und Lettland beschrieben (HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Zur Rastbestandsentwicklung der Lachm wen auf Basis der Wasservogelzählung liegen aus dem Winter wenige belastbare Langzeitreihen vor, da diese Art vor allem in fr heren Jahren oft nicht miterfasst wurde. Nur f r die Nordseek ste sind verlässliche Berechnungen m glich, wo seit Ende der 1980er Jahre die Rastbestände im Winter kontinuierlich abnahmen. Eine solche Entwicklung ist auch in den Niederlanden zu beobachten (VAN ROOMEN et al. 2005) und wird vereinzelt aus anderen deutschen Gebieten berichtet (Bodensee: HÖLZINGER & BOSCHERT 2001, OAG Bodensee, schriftl., Offenbach: ERLEMANN 2001). Die Hauptursache f r den deutlich negativen Trend der letzten Jahre in den Winterbeständen (Abb. 20-4) d rfte der R ckgang der Brutbestände in den Herkunfts- ländern hierzulande berwinternder M wen sein (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die Schließung der meisten M lldeponien in Deutschland f r unbehandelte organische Abfälle (inkl. Hausm ll) im Sommer 2005 zeigte im darauf folgenden Winter keine erkennbare Wirkung (im Gegensatz zur Silberm we, s. Kapitel 23).
Abb. 20-4: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Lachm wen in Deutschland an der Nordseek ste im Januar 1981-2005 nach den Daten der Wasservogelzählung rela- tiv zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II).
293 20.5 Biologie / Ökologie 20.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: erstmalige Brut mit 3 Jahren (4. KJ) Paarbildung: monogame Saisonehen, Wiederverpaarung wegen Ortstreue m glich Brutzeit: Ankunft am Brutplatz in S-Deutschland ab Anfang März, sonst bis Anfang April, Legebeginn Anfang bis Ende April, Brutdauer 21-27 Tage Gelege: meist 3 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege meist mit Nestverle- gung verbunden, beide Eltern br ten K ken: K ken bleiben als Platzhocker bis zur Flugfähigkeit (26-28 Tage) im ca. 1 m² großen Nestterritorium, beide Eltern f ttern, K ken sind nach ca. 35 Tagen selbständig und schließen sich zur Nahrungssuche zusammen
20.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 6 Jahre Ältester Ringvogel: > 32 Jahre Sterblichkeit: 38 % im 1. KJ, später ca. 23 % pro Jahr (Dänemark, ähnliche Werte auch in Großbritannien & Irland)
20.5.3 Mauser Im Alter von etwa 2-3 Monaten setzt die postjuvenile Mauser (Teilmauser) ein, die meist im Oktober abgeschlossen wird. Im 2. KJ beginnt im Januar die 1. Pränuptial- mauser (Teilmauser) und zieht sich bis Mai, daran anschließend findet die 1. Postnup- tialmauser (Vollmauser) statt. Bei adulten V geln beginnt die Vollmauser meist im Juni. Bis November wird die Handschwingenmauser abgeschlossen. Da Lachm wen ihre Schwingen nicht synchron mausern, sind sie zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt. Von Januar bis März findet die Pränuptialmauser (Teilmauser) der Adulten statt.
20.5.4 Wanderungen Lachm wen sind ganz berwiegend Zugv gel. Heimische Brutv gel berwintern in W- und SW-Europa, ebenso wie Brutv gel aus Fennoskandien. Lachm wen die als Wintergäste in Deutschland beobachtet werden k nnen, stammen großteils aus dem Baltikum und Finnland. Auch in milden Wintern bleiben offensichtlich nur wenige der hiesigen Brutv gel hier (KLAFS & STÜBS 1987, ZANG et al. 1991, GARTHE 1996b).
294 Sie vollziehen meist einen Breitfrontzug, wobei K stenlinien und Flusstäler als Leitlinien dienen. Die Hauptzugrichtung in Kontinentaleuropa ist auf dem Wegzug S dwest mit starker Streuung. Jungv gel zeigen oft Streuungswanderungen, die ohne Bezug zu einer Wegzugsrichtung stehen, sondern sich eher nach dem vorhandenen Nahrungsangebot richten. Der eigentliche Wegzug der Jungv gel beginnt meist erst im August. Ab Ende Mai ziehen erfolglose Brutv gel und Nichtbr ter aus den Brutkolo- nien ab. Ab Mitte Juni folgen ihnen die br tenden V gel. In ihren Überwinterungsge- bieten kommen Lachm wen meist ab September, häufiger im Oktober an, der Wegzug kann sich aber auch witterungsabhängig bis in den Dezember erstrecken. Ihren Heimzug beginnen Lachm wen meist Mitte Februar, der Zugh hepunkt liegt in der ersten Aprilhälfte. 1-2-jährige V gel bersommern häufig zwischen Winterquartier und Geburtskolonie.
20.5.5 Habitat Lachm wen br ten in dichten Kolonien in der Verlandungszone in nicht zu hoher, dichter Vegetation (zur Verbreitung s. Kapitel 20.4.1). Vorzugsweise im Binnenland bilden sie große Kolonien an R hrichten und Großseggenrieden an langsam fließenden oder stehenden Gewässern. An den K sten br ten Lachm wen eher in Salzwiesen als in D nen. Das Angebot an optimalen Brutplätzen ist beschränkt. Zur Nahrungssuche nutzen sie vielfach Äcker und Gr nland, die in einem Radius von 20-30 km von der Brutkolonie entfernt liegen k nnen (GORKE & BRANDL 1986). Der mittlere Flugradius der Lachm wen an der Nordsee beträgt ca. 5 km und wird im Gegensatz zum Radius im Binnenland zur Brutzeit nicht gr ßer (GORKE 1990). Lachm wen zeigen während der Brutsaison einen regelmäßigen Wechsel zwischen marinen und terrestrischen Nahrungshabitaten (SCHWEMMER & GARTHE 2007). Im k stennahen Binnenland kommen oft hohe Individuenzahlen auf landwirtschaftlichen Flächen und v.a. hinter bodenbearbeitenden Fahrzeugen vor. Dort stellen Lachm wen (zumindest im schleswig-holsteinischen Bereich) die dominierende Art dar (SCHWEMMER et al. in Vorb.). Im Sommer wird das Binnenland allerdings weniger stark genutzt als marine Bereiche. Im Winter kommen Lachm wen zur Nahrungssuche besonders an M llkippen, Kläranlagen oder in Hafen- und Industriegebieten vor. Nachts versammeln sich Lachm wen an Schlafplätzen, z.B. auf gr ßeren stehenden Gewässern, auf Inseln oder an Seeufern sowie auf Stegen und in Häfen. Während Lachm wen vielfältige Habitate zur Nahrungssuche nutzen, haben sie doch sehr enge Anspr che an ihren Brutplatz.
295 20.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Lachm wen jagen häufig im R ttel-, Sturz- oder Verfolgungsflug. Neben der Zwergm we ist die Lachm we die einzige M wenart, welche sehr häufig im freien Luftraum nach Insekten jagt. Oft fliegen die M wen während der Nahrungssuche niedrig ber den Boden oder die Wasseroberfläche, wobei sie hin und wieder Beuteorganismen mit dem Schnabel aufpicken. So werden auch Hecken und Baum- kronen nach Insekten und Fr chten abgesucht. Auf dem Boden oder in seichtem Wasser laufen sie während der Nahrungssuche und benutzen dabei auch die Methode des Trampelns (auf der Stelle treten, um Nahrung an die Oberfläche zu bef rdern). Während des ganzen Jahres sind Lachm wen gesellig. Eine weitere wichtige Ernährungsstrategie ist der Kleptoparasitismus: Lachm wen jagen hierbei regelmäßig anderen Wasserv geln wie Tauchenten, Seeschwalben oder Alken Beute ab. GARTHE & KUBETZKI (1998) konnten beobachten, dass in einer Kolonie von Brandseeschwalben auf Juist 11 % der von Seeschwalben erbeuteten Nahrung durch Lachm wen kleptoparasitiert wurde. F r eine Brandseeschwalbenko- lonie auf Griend (Niederlande) wurde eine Rate von ca. 25 % ermittelt (STIENEN et al. 2000). THOMPSON (1986) dokumentierte, dass durch Kleptoparasitismus Regenw r- mer erbeutet wurden, die zuvor durch Kiebitze und Goldregenpfeifer auf Gr nländern erbeutet worden waren. Lachm wen nutzen opportunistisch sowohl das Binnenland als auch das Wattenmeer und k stennahe pelagische Bereiche von Nord- und Ostsee als Nahrungshabitat. Die Nutzung von Nahrungshabitaten variiert deutlich zwischen verschiedenen Jahren, Brutphasen und Tageszeiten sowie zwischen Individuen verschiedener Brutkolonien (SCHWEMMER & GARTHE 2007, CURTIS et al. 1985). Lachm wen weisen ähnlich wie Sturmm wen ein sehr breites Nahrungsspektrum auf. Generell besteht ihre Nahrung berwiegend aus terrestrischer Beute wie Insekten und Regenw rmern sowie Wirbellosen aus der Gezeitenzone. Fisch wird vergleichsweise selten erbeutet. Nordsee Die meisten Studien hinsichtlich der Ernährungs kologie liegen derzeit f r die deutsche Nordseek ste vor. Die Nahrungswahl der Lachm wen an der Nordseek ste ist räumlich und zeitlich sehr variabel. Dies unterstreicht die opportunistische Ernährungsstrategie. Im Wesentlichen dominieren Insekten und Regenw rmer sowie die Baltische Plattmuschel (Macoma balthica) und Polychaeten. Zu bestimmten Zeiten spielen Samen und Fr chte eine wichtige Rolle.
HARTWIG (1971) untersuchte im August 1970 gesammelte Speiballen von Lachm wen einer Kolonie auf Sylt. In 83 % der Proben befanden sich Pflanzenteile, die meist aus
296 Krähenbeeren (Empetrum nigrum) bestanden. Crustaceen kamen in geringeren Anteilen vor.
LORCH et al. (1982) sezierten während der Brutzeit des Jahres 1980 entnommene Lachm wenk ken einer Binnenlandskolonie im Weser-Ems-Gebiet und einer Kolonie auf Wangerooge. In der Binnenlandskolonie traten in allen Proben Pflanzenreste auf. Des weiteren dominierten Regenw rmer (71 %) und Insekten (59 %). Im Gegensatz dazu traten auf Wangerooge weniger Pflanzen (64 %) und Insekten (42 %) auf. Fische (31 %) sowie Muscheln (28 %) waren daf r mit vergleichsweise hohen Anteilen vertreten.
SCHREY (1984) untersuchte die Mageninhalte der Lachm wen, die in der Zeit von Februar 1978 bis August 1979 im Einzugsgebiet der Stadt Cuxhaven geschossen wurden. Die dort vorkommenden Lachm wen nutzten berwiegend Felder und Wiesen, im Winter jedoch häufiger M llkippen als Nahrungshabitate. In 41 % der Mägen wurden Pflanzenreste und Insekten (v.a. Käfer) gefunden. In 17 % der Mägen fanden sich Fleisch- und Fischreste, die auf M llkippen erbeutet wurden, seltener Regenw rmer (4 %).
GORKE (1990) analysierte in der Brutphase 1986-1988 gesammelte Speiballen der Lachm wen in einer Kolonie auf Norderoog. Über die drei Jahre gemittelt dominierten Mollusken in der Nahrung (59 %). Hierbei traten die Baltische Plattmuschel und Wattschnecken (Hydrobia spec.) sowie Herzmuscheln (Cerastoderma edule) mit den gr ßten Häufigkeiten auf. Polychaeten der Gattung Nereis erreichten mittlere Anteile von 43 %, ihre Häufigkeit schwankte aber stärker zwischen den drei Jahren. Fische erreichten eine mittlere Häufigkeit von 19 % und Crustaceen, unter denen die Nordseegarnele (Crangon crangon) dominierte, erreichten Werte von 10 %. Nahrung aus terrestrischen Habitaten trat selten auf.
DERNEDDE (1993) untersuchte im September und Oktober gesammelte Kotproben der Lachm wen auf Sylt. Die Lachm wen ernährten sich berwiegend marin. Mittelwerte aus den beiden Monaten ergaben eine Dominanz des Seeringelwurmes (Nereis diversicolor; 44 %) sowie verschiedener Fischarten (43 %). Die Häufigkeit von Fisch schwankte jedoch deutlich zwischen den beiden Beprobungsmonaten. Crustaceen erreichten in allen Fällen Häufigkeiten < 25 %, während Mollusken mit < 20 % vertreten waren. Terrestrische Nahrung (Regenw rmer 17 %, Insekten < 15 %, Pflanzenteile < 20 %) trat etwas in den Hintergrund.
KUBETZKI & GARTHE (2003) beprobten Speiballen und Kot der Lachm wen aus der Inkubations- und K kenaufzuchtsphase des Jahres 1997 von einer Kolonie auf Juist. Während der Inkubation traten Muscheln am häufigsten auf (in 86 % aller Proben), dabei dominierte die Baltische Plattmuschel. Die zweithäufigste Nahrungskomponente
297 bildeten Polychaeten (52 %), hier v.a. der Seeringelwurm und der Wattwurm. Fische wurden nur wenig gefressen (8 %). Terrestrische Nahrungsreste machten nur einen kleinen Teil aus. Am häufigsten kamen Arthropoden (13 %) und Pflanzenmaterial vor (14 %). Während der K kenaufzuchtsphase zeigte sich ein sehr ähnliches Bild. Allerdings ging der Anteil der Muscheln (42 %) deutlich zur ck, wohingegen der Anteil terrestrischer Arthropoden etwas anstieg (26 %).
SCHWEMMER & GARTHE (2007) untersuchten während der Brutzeit 2005-2006 Speiballen aus drei Lachm wenkolonien im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Im Gegensatz zu fr heren Studien wurde in allen Kolonien ein h herer Anteil an terrestrischer Nahrung ( berwiegend Regenw rmer und Insekten) gefunden. Dies k nnte auf eine reduzierte Nutzung des marinen Nahrungshabitates im Laufe der letzten Jahre hindeuten. Ostsee Lachm wen der Ostseek ste ernähren sich im Gegensatz zu Individuen der Nordsee zu einem noch gr ßeren Anteil terrestrisch. Von der Ostseek ste liegen bislang nur wenige Studien vor. HARTWIG & MÜLLER-JENSEN (1980) beprobten Speiballen von jeweils Mai und Juni der Jahre 1974-1975 von einer Kolonie an der Schlei. Hier zeigte sich, dass 80 % der Nahrung von Feldern und Wiesen stammte (meist Pflanzenreste, 47 %, Insekten, 40 %, und Kleinsäugetiere, 17 %). Außerdem traten regelmäßig Fleischabfälle auf, die wahrscheinlich von nahe gelegenen Betrieben stammten (42 %). Nahrung aus der Schlei war selten (13 %). Hier wurden Herzmuscheln, Seepocken (Balanidae), Stinte (Osmerus eperlanus) und andere Fischarten nachgewiesen. Binnenland Im Binnenland br tenden Lachm wen steht ein eingeschränkteres Nahrungsangebot zur Verf gung als an den K sten. Regenw rmer sind in vielen Binnenlandskolonien die Hauptnahrung und erreichen Häufigkeiten von 70 % (CUENDET 1983) bis 90 % aller Proben (GORKE & BRANDL 1986). GORKE & BRANDL (1986) konnten feststellen, dass durch Verknappung dieser Ressource in Kolonienähe Lachm wen ihren Aktionsradius im Laufe der Brutzeit ausdehnten (maximaler Aktionsradius 18,5 km).
CREUTZ (1963) untersuchte die Ernährungsweise einer Binnenlandskolonie der Oberlausitz. Hier waren Regenw rmer sowohl zahlenmäßig als auch gewichtsmäßig die häufigste Beutekategorie und wurden besonders während regenreicher Perioden erbeutet. Ferner wurden zahlreiche Insektenarten genutzt. Unter ihnen fanden sich am häufigsten Ruderwanzen (Corixidae), Laufkäfer (Carabidae), Schnellkäfer (Elateri- dae), Blatthornkäfer (Scarabaeidae), Blattkäfer (Chrysomelidae) und Schnakenlarven (Tipulidae). In geringeren Anzahlen traten Fische und Kleinsäugetiere auf. CREUTZ (1963) schätzte den Radius der Nahrungssuche auf 20-30 km.
298 SCHLEGEL (1977) analysierte die Nahrung von geschossenen Lachm wen, die zur Nahrungssuche an Karpfenteiche in der Oberlausitz kamen. Die Nahrungszusammen- setzung änderte sich im Laufe des Jahres, es dominierten aber meist Land- und Wasserinsekten. In der letztgenannten Kategorie dominierten Ruderwanzen, Libellen- larven (Odonata), Schwimmkäfer (Dytiscidae) und Zuckm ckenlarven (Chironomi- dae). Bei den Landinsekten kamen Laufkäfer sowie deren Larven (Carabidae), R sselkäfer (Curculionidae) sowie Eintagsfliegen (Ephemeroptera) und Ameisen (Formicidae) vor. Des Weiteren traten Fische in geringerer Anzahl auf, wobei hier Stichlinge (Gasterosteus aculeatus) und kleine Karpfen (Cyprinus carpio) am häufigsten waren. VERNON (1972) untersuchte die Nahrung der Lachm wen in Großbritannien. Auch hier dominierten Regenw rmer in der Nahrung sowie Insekten und in geringeren Zahlen Mäuse. Bedeutung terrestrischer Habitate Im Binnenland scheinen die Lachm wen von der intensiven Landwirtschaft zu profitieren. Ihre Zahlen auf intensiv genutzten Feldern erreichen viel h here Werte als auf weniger intensiv genutzten (BARNETT et al. 2004). Lachm wen treten zudem in gr ßter Anzahl hinter bodenbearbeitenden Fahrzeugen auf und scheint gegen ber Sturm- und Silberm wen dort konkurrenzstärker zu sein (SCHWEMMER et al. in Vorb.). VERNON (1970, 1972) stellte fest, dass Lachm wen im Gegensatz zu Sturm- m wen eher das k stennahe Binnenland nutzen und dort in feuchteren Gebieten vorkommen. Bedeutung der Fischerei Lachm wen folgen auf der Nordsee in hohen Anzahlen Fischereifahrzeugen. Vor allem ist die k stennahe Garnelenfischerei eine wichtige Nahrungsquelle (WALTER & BECKER 1994, 1997). Bei Beobachtungen der Jahre 1993-1994 wurde die Lachm we hinter niedersächsischen Garnelenkuttern nach der Silberm we als häufigste Art festgestellt (WALTER & BECKER 1997). Untermaßige Nordseegarnelen stellten f r Lachm wen eine wichtige Beute dar. GARTHE & HÜPPOP (1998) errechneten f r Lachm wen einen relativ geringen Erfolgsindex f r die Aufnahme gr ßerer Fischnah- rung. Die Nutzung von untermaßigen Nordseegarnelen scheint hier eine wichtige Nische zu bilden. Auf der Ostsee sind Lachm wen nur in sehr geringen Zahlen hinter Fischkuttern anzutreffen (GARTHE & SCHERP 2003).
20.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Lachm wen sind tag-, dämmerungs- und nachtaktive V gel. Die Brutv gel der Nordseek ste zeigen eine deutliche Abhängigkeit der Flugaktivität vom Tidenzyklus (während der Niedrigwasserperiode ist die seewärtige Flugaktivität maximal; GORKE 1990, SCHWEMMER & GARTHE 2007). Bei ihren Fl gen zum Schlafplatz fliegen sie
299 oft in großen Trupps in Band- oder Keilformation. Bei ausreichender Thermik segeln sie vorzugsweise. Während des ganzen Jahres sind Lachm wen gesellig.
20.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 20.6.1 Gefährdungsursachen Lachm wen sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Verfangen und Ertrinken in oberflächennahen Driftnetzen Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Prädation durch Säugetiere, durch anthropogen bedingte Landschafts- veränderungen wesentlich verstärkt (v.a. Ostsee) - Verlust an Brutplätzen durch Uferbebauung und touristische Aktivitäten (v.a. Ostsee) - Nahrungsmangel (insb. Jungvogelnahrung) durch Veränderungen in der landwirtschaftlichen Praxis (v.a. Ostsee)
20.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Lachm wen gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren
Lachm wen weisen eine geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004) und sind daher wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Vielmehr halten sie sich bei der Suche nach Nahrung häufig in unmittelbarer Nähe zu Schiffen auf und zählen entlang der deutschen Nordseek ste zu einem der häufigsten Schiffsfolger in der Garnelenfischerei (WALTER & BECKER 1997). Lachm wen sind wendige Flieger mit einer hohen Man vrierfähigkeit, die Empfind- lichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore- Windenergieanlagen, ist daher als gering einzustufen. Die Art hat den drittkleinsten Wert aller untersuchten Arten im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004). Bei schlechten Sichtbedingungen kann es jedoch insbesondere wegen der hohen und bisweilen auch nächtlichen Flugaktivität zu Kollisionen kommen, zumal Lachm wen oft in H he der Rotoren fliegen. Da sie ihre Nahrung auf See nur an oder wenige Zentimeter unter der Wasseroberflä- che erbeuten, sind Lachm wen nicht durch Verfangen und Ertrinken in bodennahen Stellnetzen gefährdet. Allerdings kann es zu Verlusten in oberflächennahen Kiemen- netzen f r den Lachsfang kommen (SCHIRMEISTER 2003).
300 Da sich Lachm wen häufig schwimmend auf dem Meer aufhalten, besteht die Gefahr der Ver lung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichen- de“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Da sie aber, verglichen mit anderen Artgruppen wie See- und Lappentaucher, Meeresenten oder Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil auf dem Wasser verbringen und – abgesehen von Ansammlungen hinter Fischereifahrzeugen – selten in großen Konzentrationen vorkommen, ist die Gefahr der gleichzeitigen Kontamination einer großen Anzahl von Lachm wen deutlich geringer. An der Nordseek ste lag die Ver lungsrate von Sp lsaumfunden im Winter 2000 / 2001 und 2001 / 2002 bei 0 % (FLEET et al. 2003), in vorhergehenden Wintern wurden jedoch auch Werte von 6 bzw. 12 % erreicht (FLEET et al. 1999). Ölverschmutzung kann auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Lachm wen ernähren sich opportunistisch und nutzen ein breites Spektrum verschie- dener Beutearten (s. Kapitel 20.5.6). Zudem haben sie sich zunehmend auch anthropo- gene Nahrungsquellen erschlossen, z.B. Discards der Garnelenfischerei. In den letzten Jahren konnte an der Nordsee ein Wechsel von Nahrungshabitaten beobachtet werden. So fressen Lachm wen einiger Kolonien entlang der schleswig-holsteinischen Nordseek ste zunehmend im terrestrischen Bereich, während die marine Nahrung eine deutlich geringere Rolle spielt. Auch im terrestrischen Bereich nutzen Lachm wen ein breites Beutespektrum, zudem profitieren sie von der Bodenbearbeitung in der Landwirtschaft und sind die konkurrenzstärkste M wenart hinter Traktoren (SCHWEMMER et al. in Vorb.). Lachm wen scheinen so auf Veränderungen der Nahrungsverf gbarkeit im Meer durch Ausweichen auf andere Nahrungshabitate flexibel reagieren zu k nnen. F r einen Einfluss von Sedimentabbau auf die Ernährungssituation der Lachm wen gibt es derzeit keine Hinweise. Während die Bestände der Lachm wen an der deutschen Nordseek ste von den späten 1950er bis in die 1980er Jahre ein fast exponentielles Wachstum zeigten (GARTHE et al. 2000b), haben sich die Bestände etwa seit der Jahrhundertwende auf hohem Niveau stabilisiert (B. HÄLTERLEIN, pers. Mitt.). Der Brutbestand an der deutschen Ostseek s-
301 te verzeichnete hingegen seit Anfang der 1990er Jahre eine Abnahme um mehr als die Hälfte (HÄLTERLEIN et al. 2000). Die Ursachen sind primär im flächendeckenden Verlust geeigneter Brut- und Nahrungshabitate und in einem Mangel an Jungvogelnah- rung zu suchen, verursacht durch Intensivierung der Landwirtschaft, Uferbebauung, K stenschutz und Tourismus. Daneben werden auch Nahrungsverknappung durch Reduktion der offenen M lldeponien und eine veränderte Fischereipolitik (Reduktion von Abfall und Discard) als m gliche Gr nde genannt (BELLEBAUM 2002, GARTHE et al. 2003a, KUBE et al. 2005b). M ll wird allerdings meist nur im Winter als zusätzliche Nahrungsquelle genutzt, dessen Reduktion scheint die starken R ckgänge daher nicht ausreichend erklären zu k nnen (BELLEBAUM 2002). Die Brutvorkommen sind mittlerweile gr ßtenteils auf Schutzgebiete beschränkt, wo sie aufgrund der hohen Individuenzahlen sehr anfällig gegen ber intra- und interspezifischer Konkurrenz sowie Prädation sind. Bei den Kolonien in der Wismarbucht kommt es aufgrund von Prädation durch F chse, aber auch durch M wen und Greifv gel, immer wieder zu Umsiedlungen und zu einer Reduktion des Bruterfolges bis hin zu totalem Brutausfall in einzelnen Jahren (KUBE et al. 2005b). Vielerorts sind die Brutplätze erst in Folge von anthropogenen Habitatveränderungen, z.B. durch Entwässerung, f r Prädatoren zugänglich geworden. Ein weiteres Problem f r Lachm wenkolonien k nnte sich k nftig durch die zuneh- menden Klima- und Wetterveränderungen ergeben. Die Art br tet im n rdlichen Mitteleuropa in vielen Kolonien entlang der K sten nahe der mittleren Hochwasserli- nie. Ihre Brutplätze sind daher durch Überflutungen gefährdet. Da Sturmfluten k nftig vermutlich häufiger auftreten werden, ist hier mit einer zunehmenden Gefahr f r die Brutgebiete der Lachm wen zu rechnen. Lachm wen k nnen im dritten Lebensjahr mit der Fortpflanzung beginnen, haben bei nur einer Brut pro Jahr eine relativ geringe Anzahl von Jungv geln und eine im Vergleich zu anderen Seevogelarten geringere Überlebensrate adulter V gel. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste nur dann bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, wenn ein umfassender Schutz in den Brutgebie- ten gewährleistet ist. Noch bis Ende der 1980er Jahre wurden gegen Lachm wen z.T. umfangreiche bestandslenkende Maßnahmen (Absammeln von Gelegen, Gifteinsatz) durchgef hrt, um die Bestände von seltenen K stenvogelarten zu sch tzen (siehe z.B. BELLEBAUM 2002). Derartige Eingriffe im Sinne des Artenschutzes f hren jedoch nach heutigen Kenntnissen in den meisten Fällen weder zu einem R ckgang der bekämpften Art, noch zu den erhofften Zunahmen anderer Arten, da deren Abnahme primär durch andere Faktoren verursacht wird (siehe auch Silberm we, Kapitel 23). Vielmehr sind einige K sten- und Wasservogelarten, wie z.B. Brandseeschwalben (KUBE 2006) und Schwarzhalstaucher (BAUER et al. 2005), lokal vom Schutz durch
302 Lachm wen in den Kolonien abhängig und siedeln bevorzugt in deren Nähe. Lach- m wen sind mit ber 50 % ihres Weltbestandes auf Europa konzentriert, ihr Status wird dort nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft. Das Brutvorkommen in Mecklenburg-Vorpommern wird auf der Roten Liste als „gefährdet“ gef hrt (Tab. 20-4).
Tab. 20-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Lachm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + + + + 3 + + Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II Non-SPECE - III -
20.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: schwimmende Kleinm wen sind vom Flugzeug aus oft schwer bestimm- bar; vom Schiff aus sind im Gegensatz zum Flugzeug detaillierte Verhaltensbeobach- tungen m glich.
20.8 Forschungsbedarf - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
303 21 Sturmm we
Larus canus Linnaeus 1758
GB: Common Gull NL: Stormmeeuw
DK: Stormmåge Foto: N. Sonntag S: Fiskmås Abb. 21-1: Sturmm we im PK PL: Mewa pospolita
21.1 EU-Code A182
21.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
21.3 Kennzeichen Kleinm we mit dunkelgrauer Oberseite, schlankem, gelbem Schnabel, rundem Kopf und schmalen Fl geln. Beine gelbgr n. Im PK Kopf weiß, im SK grau gestrichelt. Dreijahres- M we; grauer Mantel entsteht im ersten Winter. Im JK Kopf- und Brust graubraun, Oberseite braun geschuppt, breite Schwanzendbinde. Verwechslungsm glichkeiten: mit adulter Silberm we, Sturmm we aber deutlich kleiner und schlanker, Fl gel schmaler; Kopf rund, Schnabel kleiner, gelb, ohne roten Gonysfleck. Bei adulten Sturmm wen oft weiße Schirmfederspitzen und großer weißer Subapikalfleck auffallend. Im Flugbild durch schnellere und leichter wirkende Flugweise mit tieferen Fl gelschlägen unterscheidbar.
21.4 Verbreitung / Bestand 21.4.1 Welt / Europa Sturmm wen sind mit drei Unterarten im n rdlichen Eurasien und dem westlichen Nordamerika verbreitet. L. c. kamtschaschensis br tet in NO-Sibirien und berwintert an den K sten O- und SO-Sibiriens. Am Rande Europas kommt die von NW-Russland bis Zentralsibirien br tende L. c. heinei vor, die in SO-Europa und am Schwarzen und Kaspischen Meer berwintert. Die V gel Mitteleuropas geh ren der Nominatform L. c. canus an. Ihre l ckenlose Verbreitung erstreckt sich ber die Nord- und Ostseek ste bis
304 zur K ste sowie ins Binnenland Schottlands und Skandinaviens und von dort aus noch weiter ostwärts. Der Großteil der V gel der Nominatform berwintert an den westeuropäi- schen K sten von der Ostsee bis Großbritannien, doch erreichen einige die Iberische Halbinsel und das Mittelmeer. Sie treten auch im k stennahen Binnenland zahlreich auf (vgl. Abb. 21-3).
Der globale Bestand beträgt 2,47 Mio.-3,71 Mio. Individuen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Der Brutbestand der Nominatform wird auf 590.000-1,5 Mio. Paare geschätzt (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Bei den in Europa vorkommenden Sturmm wen werden – entsprechend den zwei Unterarten – zwei biogeografische Populationen unterschieden (Tab. 21-1).
Tab 21-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Sturmm wen in Europa (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Island, Irland, L. c. Großbritannien, Europa bis 1,2 Mio.- abnehmend - 20.000 canus stl. bis zum N-Afrika 2,25 Mio. ? Weißen Meer NW-Russland, SO-Europa, L. c. W- & Zentralsibi- Schwarzes zunehmend - >1 Mio. 10.000 heinei rien stl. bis und Kasp. ? Russland (Lena) Meer
21.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, Wintergast, Durchz gler. Die in Deutschland br tenden Sturmm wen geh ren der Unterart L. c. canus an. Lediglich im Winter treten auch V gel der Unterart heinei auf. Der Brutbestand der Sturmm wen in Deutschland wird auf etwa 19.000-25.000 Paare geschätzt (BAUER et al. 2002). Davon entfallen etwa 6.600 Paare auf Schleswig-Holstein und Niedersachsen (KOFFIJEBERG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2001) sowie etwa 3.000- 3.500 Paare auf Mecklenburg-Vorpommern (KUBE 2006, Bezugszeitraum: 2001-2003). Basierend auf den Ergebnissen der M wen-Schlafplatz-, der Wat- und Wasservogelzäh- lungen an den K sten (ergänzt um Angaben aus der Wasservogelzählung) sowie der Zählungen auf See wird der Mittwinterbestand der Sturmm wen auf etwa 155.000 Ind. (130.000 + auf See) geschätzt (DDA unver ffentl., Tab. 21-2 und 21-3). Davon halten sich zu dieser Jahreszeit knapp zwei Drittel im Binnenland auf. Aufgrund der starken (witte- rungsabhängigen) Fluktuationen zwischen einzelnen Jahren ist die Rastbestandsschätzung nur als grobe Näherung zu betrachten. Beim berwiegenden Teil in Deutschland berwin-
305 ternder Sturmm wen d rfte es sich um Brutv gel von Polen bis S-Finnland handeln (vgl. WERNHAM et al. 2002, BØNLØKKE et al. 2006). Aus den Daten der Wasservogelzählung wird deutlich, dass Sturmm wen im Winter n rdlich der Mittelgebirge regional in großer Zahl anzutreffen sind (Abb. 21-3). Ihr Auftreten vor allem im Binnenland steht in engem Zusammenhang mit den vorherrschen- den Temperaturen (FLORE 2006). Nach Kälteeinbr chen treten sie oft kurzzeitig regional sehr zahlreich auf. Die gr ßten Ansammlungen fern der K ste finden sich vor allem in den Niederungsgebieten der großen Fl sse. S dlich der Mittelgebirge sind Ansammlungen von > 100 Sturmm wen – abgesehen vom Bodensee – die Ausnahme. Sie kommen vor allem nach lang anhaltenden Kälteperioden zustande (HEINE et al. 1999). Auf Nord- und Ostsee halten sich Sturmm wen ganzjährig auf. Schwerpunkte liegen in den k stennäheren Bereichen der Nordsee, insbesondere entlang des Elbe-Urstromtals (Abb. 21-2). Das Auftreten im Jahresverlauf unterscheidet sich deutlich zwischen K ste und Binnenland: Während im K stenbereich Sturmm wen ihre gr ßten Rastbestände im Herbst erreichen, treten im Binnenland die Maxima zwischen Dezember und Februar auf (BLEW et al. 2005, FLORE 2006, vgl. VAN ROOMEN et al. 2006). Nordsee Sturmm wen halten sich ganzjährig auf der deutschen Nordsee auf. Die gr ßten Bestände im Offshore-Bereich werden im Winter erreicht (Tab. 21-2). Zu dieser Zeit ist ein hoher Anteil von immaturen Individuen zu verzeichnen. Das Wintervorkommen erstreckt sich mit hohen Dichten flächendeckend ber den gesamten k stennahen Bereich bis zur 20 m Tiefenlinie. Auch in k stenferneren Gebieten treten Sturm wen noch regelmäßig, jedoch in deutlich geringerer Anzahl auf. Im Winter werden auch intensiv Gr nlandflächen des Binnenlandes als Nahrungshabitat genutzt. Zum Fr hjahr hin nimmt das Vorkommen deutlich ab, die Verbreitungsschwerpunkte liegen aber weiterhin in der k stennahen Zone. Hohe Anzahlen treten vor der schleswig-holsteinischen K ste auf, insbesondere im Bereich von Amrum, aber auch im Einzugsgebiet der Elbe-, Weser- und Eiderm ndung. Auch im Sommer sind die Sturmm wen-Anzahlen niedrig. Hohe Dichten sind dann nur in unmittelbarer K stennähe zu finden, besonders im Jadebusen, in der Elb- und Eiderm n- dung sowie vor Amrum und Sylt. Im Herbst steigt die Zahl der Sturmm wen auf der deutschen Nordsee wieder an. Hohe Vorkommen befinden sich dann im Wattenbereich und im unmittelbaren M ndungsbereich der Fl sse sowie vor den Ost- und Nordfriesi- schen Inseln. Der Großteil der Sturmm wen wird ebenfalls in Bereichen bis ca. 20 m Wassertiefe beobachtet, verstreute Beobachtungen liegen aber auch aus dem k stenferne- ren Bereich vor.
306
Abb. 21-2: Verbreitung der Sturmm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winterhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 21-3: Verbreitung der Sturmm wen in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung (Kreise) sowie der M wen-Schlafplatzzählung (Quadrate, gleiche Skalierung). Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005 sowie der Schlafplatzzählungen 2004-2006.
307 Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ k nnen zu allen Jahreszeiten Sturmm wen beobach- tet werden, doch sind die Bestände im Vergleich zum Gesamtbestand in der deutschen Nordsee gering. Die gr ßten Anzahlen werden im Winter erreicht (Tab. 21-2).
Tab. 21-2: Rastbestandszahlen der Sturmm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeitraum: 1993- 2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransekt- zählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 1996-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 30.000 1,7 1.900 0,1 1.700 <0,1 Sommer 30.000 1,7 70 <0,1 130 <0,1 Herbst 65.000 3,8 550 <0,1 320 <0,1 Winter 50.000 2,9 10.000 0,6 7.800 0,5
Ostsee Obwohl sich entlang der deutschen Ostseek ste zahlreiche Brutkolonien der Sturmm wen befinden, gab es im Sommer bisher nur relativ wenige Beobachtungen auf See. Lediglich im Einzugsbereich der Kolonie Graswarder bei Heiligenhafen s dlich von Fehmarn wurden Sturmm wen in etwas gr ßerer Anzahl beobachtet. Im brigen Gebiet gibt es nur einzelne verstreute Sichtungen. Nahrungsuntersuchungen haben ergeben, dass sich Sturmm wen zur Brutzeit an der Ostseek ste berwiegend terrestrisch ernähren (KUBETZKI 2001). Im Herbst nehmen die Anzahlen auf der Ostsee zu und es schließt sich ein regelmäßiges Wintervorkommen an. Insbesondere im stlichen Teil des Untersu- chungsgebietes sind Sturmm wen dann sowohl k stennah als auch k stenfern weit verbreitet. Während des Heimzuges nimmt das Vorkommen langsam ab, lokale Konzent- rationen sind jedoch weiterhin in der Pommerschen Bucht erkennbar, insbesondere im k stenfernen Bereich. Im SPA „Pommersche Bucht“ k nnen zu allen Jahreszeiten Sturmm wen in geringer Anzahl beobachtet werden (Tab. 21-3).
308 Tab. 21-3: Rastbestandszahlen der Sturmm wen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000- 2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählun- gen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 600 <0,1 320 <0,1 Sommer k.A. k.A. 300 <0,1 90 <0,1 Herbst k.A. k.A. 90 <0,1 III <0,1 Winter 11.500 0,7 1.100 0,1 270 <0,1
21.4.3 Bestandsentwicklung Sturmm wen breiteten sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Europa aus. In den letzten Jahrzehnten gab es aber deutliche Abnahmen in einigen Ländern, so z.B. in Norwegen, Dänemark und Estland, wohingegen in Schweden, Finnland und Großbritan- nien der Bestand konstant blieb (TUCKER & HEATH 1994, HAGEMEIJER & BLAIR 1997). In Deutschland br ten etwa zwei Drittel der Sturmm wen an der K ste, die brigen vor allem in der norddeutschen Tiefebene. An der gesamten Ostseek ste lag der Bestand zwischen 1940 und 1970 mit zwischenzeitlichen Schwankungen relativ konstant bei 20.000 Paaren (HÄLTERLEIN et al. 2000). Bei der danach intensiv betriebenen Bestandsre- duzierung wurden z.B. allein in der bedeutendsten mitteleuropäischen Kolonie Langen- werder bis 1984 etwa 22.000 Brutv gel get tet (KLAFS & STÜBS 1987). Dies d rfte dazu beigetragen haben, dass der Bestand auf weniger als die Hälfte zur ckging. Auch heute ist der Langenwerder mit 2.000 Paaren die bedeutendste Kolonie an der deutschen Ostsee (Bezugszeitraum 2003, EICHSTÄDT et al. 2006). An der Nordseek ste stiegen die Brutbestände von 300 Paaren im Jahre 1939 ber ca. 200 Paare zu Anfang der 1980er Jahre auf ca. 6.600 Paare im Jahr 2001 an (KOFFIJBERG et al. 2006). Sturmm wen sind typische Brutv gel der schleswig-holsteinischen K ste. Schon im 19. Jahrhundert br teten sie in geringer Zahl an der Nordseek ste (KROHN 1925, DIETRICH 1925). An der Ostk ste Schleswig-Holsteins befanden sich bedeutendere Kolonien mit mehreren tausend Brutpaaren im 20. Jahrhundert. In den letzten Jahren nahmen dort die Brutpaarzahlen jedoch stetig ab, während sie an der Nordseek ste Schleswig-Holsteins seit den 1970er Jahren zunehmen (KUBETZKI 1997, 2001, GARTHE et al. 2000b). Im norddeutschen Binnenland waren Sturmm wen im 19. und fr hen 20. Jahrhundert allenfalls sporadische oder lokale Brutv gel (KUBETZKI 2002). An der ostholsteinischen Seenplatte gab es bis 1997 leicht zunehmende Bestände (3.000 Paare; KOOP in BRUNS &
309 BERNDT 1999), inzwischen kommt es hier aber ebenfalls zu Bestandsr ckgängen (B. KOOP pers. Mitt.). Die Zahl der Dachbruten hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen, doch machen sie mit 400-450 Paaren in Schleswig-Holstein (Bezugszeitraum: 2000-2005) derzeit nur einen kleinen Anteil des Gesamtbestandes aus (KUBETZKI & GARTHE 2007). Zur Rastbestandsentwicklung auf Basis der Wasservogelzählungen liegen f r Sturmm - wen aus dem Winter wenige belastbare Langzeitreihen vor, da Sturmm wen vor allem in fr heren Jahren im Rahmen dieser Zählungen oft nicht miterfasst wurden. Nur f r die Nordseek ste sind verlässliche Berechnungen m glich: trotz starker Fluktuationen ist ab 1980 insgesamt ein positiver Trend zu erkennen (Abb. 21-4). Die Bestandszahlen im niederländischen Wattenmeer zeigen einen vergleichbaren Verlauf (VAN ROOMEN et al. 2006). Im deutschen Binnenland wurden deutliche Bestandsanstiege bis in die 1990er Jahre registriert (HEINE et al. 1999, ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN-BRANDEN- BURGISCHER ORNITHOLOGEN 2001b). Die Schließung der meisten M lldeponien in Deutschland f r unbehandelte organische Abfälle (inkl. Hausm ll) im Sommer 2005 zeigte im darauf folgenden Winter keine erkennbare Wirkung (im Gegensatz zur Silberm we, s. Kapitel 23).
Abb. 21-4: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Sturmm wen in Deutschland an der Nordseek ste im Januar 1981-2005, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II).
310 21.5 Biologie / Ökologie 21.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: mit 2-4 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, Paare sind wegen hoher Nistplatz- und Brutplatztreue meist ber Jahre stabil Brutzeit: Ankunft am Brutplatz in S-Deutschland Anfang April, Legebeginn Ende April bis Mitte Mai, Brutdauer 23-28 Tage Gelege: meist 3 Eier, 1 Jahresbrut, bis zu 2 Nachgelege bei fr hem Verlust m glich, beide Eltern br ten K ken: ca. 4 Tage nach dem Schl pfen verlassen die K ken die nächste Umgebung des Nests, werden aber dort von beiden Eltern weiter- hin gef ttert, sind nach 28-33 Tagen flugfähig und kurz danach selbständig
21.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 8 Jahre Ältester Ringvogel: 31 Jahre Sterblichkeit: 54 % im 1. Jahr, 25 % im 2. Jahr, 26 % in späteren Jahren (Estland), Mittelwerte aus anderen Ländern: 15-34 %. Sterblichkeit sinkt mind. bis zur Brutreife, bei Wintergästen in Dänemark 12-15 %.
21.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser (Teilmauser) vollzieht sich bei Sturmm wen ab August. Die 1. Pränuptialmauser (Teilmauser) fehlt, während die 1. Postnuptialmauser (Vollmauser) im 2. KJ etwa 3-4 Wochen fr her beginnt als bei den Adulten. Diese beginnen mit der Vollmau- ser Mitte Mai / Juni und beenden sie im November. Da Sturmm wen ihre Schwingen nicht synchron mausern, sind sie zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt. Von Februar bis Mai findet die Pränuptialmauser (Teilmauser) der Adulten statt.
21.5.4 Wanderungen Unter den Sturmm wen gibt es sowohl Standv gel als auch Kurzstreckenzieher. Ihre Zugneigung und Wanderentfernung nimmt auf dem Kontinent in stlicher Richtung zu. Die Winterquartiere der norddeutschen Brutv gel erstrecken sich von der s dlichen Nordsee bis zur Atlantikk ste der Iberischen Halbinsel. Die Wintergäste bilden neben Brutv geln N-Deutschlands vor allem Sturmm wen aus dem Baltikum, Schweden und Finnland (ZANG et al. 1991, KLAFS & STÜBS 1987). Adulte Sturmm wen ziehen vor den Jungv geln aus den Kolonien ab und erreichen im Oktober, ein bis zwei Monate fr her als
311 die Jungv gel, die Winterquartiere. Ihre Hauptwegzugsrichtung ist WSW bis SW, wobei sie bevorzugt entlang der K sten oder im k stennahen Binnenland ziehen. Die Jungv gel ziehen zunächst oft ungerichtet. Die Ankunft in den Winterquartieren kann sich bis in den Mittwinter hinziehen. Spätestens Anfang März beginnt der Heimzug. Die Brutplätze werden ab Mitte März besetzt, im Norden einige Wochen später. Nichtbr tende V gel bleiben z.T. in den Winterquartieren, fliegen aber auch oft an ihre Geburtsplätze zur ck. Vor Hiddensee haben die Wegzugbewegungen zwei Hauptphasen: von Anfang Juli bis Ende August und von Anfang Oktober bis Anfang November. Weitere kleine Sch be in Richtung SW k nnten auf eine Kälteflucht hindeuten. Der Heimzug findet hauptsächlich von Ende März bis Ende April statt.
21.5.5 Habitat Sturmm wen br ten meist auf Inseln, Landzungen oder in S mpfen an Standorten mit kurzer Vegetation (zur Verbreitung s. Kapitel 21.4.1). Oft befinden sich die Kolonien in der Nähe von Agrarland. In Mittel- und Westeuropa sind Sturmm wen an K sten konzentriert, doch sind sie weniger als z.B. Silberm wen an die K ste gebunden. In O- Europa br ten sie teilweise nur im Binnenland. Zur Nahrungssuche nutzen Sturmm wen landwirtschaftliche Flächen und v.a. Gr nland (KUBETZKI 2001, SCHWEMMER & GARTHE in Vorb.) sowie Wattflächen, aber auch M lldeponien. Vor allem im Winter kommen sie auf der s dlichen Nordsee und der westlichen Ostsee auch k stenfern bis mind. 30 km vor der K ste vor. Im Binnenland treten sie außerhalb der Brutzeit vor allem in den Niede- rungsgebieten N-Deutschlands sowie den großen Flusstälern auf. Oft weisen diese Regionen einen hohen Gr nlandanteil auf, wo die Sturmm wen nach Nahrung suchen.
21.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Sturmm wen weisen von allen europäischen M wenarten das breiteste Nahrungsspektrum auf. Es besteht aus vielfältigen terrestrischen und marinen Beuteorganismen. Auf See ernähren sich Sturmm wen, indem sie im Flug Nahrung von der Wasseroberfläche aufpicken, flach sturztauchend unter die Wasseroberfläche abtauchen oder auf dem Wasser schwimmend kleine Partikel aufpicken. Zudem sind sie regelmäßig als Schiffsfolger hinter Fischkuttern anzutreffen. Im Wattenmeer nutzen sie Prielsysteme und Wattflächen. Im Binnenland kommen Sturmm wen häufig auf Ackerflächen oder Gr nland vor, wo sie Beute im Flug vom Boden aufpicken oder laufend nach Nahrung suchen. Sturmm wen zeigen in der Regel ein diurnales Aktivitätsmuster mit Ruhephasen in der Nacht. Mitunter sind auch tideabhängige Aktivitätsrhythmen festgestellt worden (ARBOUW & SWENNEN 1985). Bei Sturmm wen in Schweden konnte SJÖBERG (1989) während der Sommerson-
312 nenwende (keine v llige Dunkelheit in der Nacht) eine Ausdehnung der Aktivitätsphase in die Nachtstunden feststellen. Sturmm wen sind Nahrungsopportunisten. Es gibt daher regionale Unterschiede in der Nahrungswahl, abhängig von der Nahrungsverf gbarkeit in Kolonienähe. Einige Kolonien ernähren sich (im Gegensatz zu anderen M wenarten) berwiegend in terrestrischen Habitaten. Nordsee An der Nordseek ste haben Sturmm wen ein sehr breites Nahrungsspektrum. Aus dem marinen Bereich werden berwiegend Wirbellose aus dem Wattenmeer und etwas weniger häufig pelagische Fische erbeutet. Ein Großteil der Nahrung wird in terrestrischen Habitaten erbeutet und besteht berwiegend aus Regenw rmern und Insekten.
DERNEDDE (1993) untersuchte Speiballen und Kotproben der Sturmm wen in der 2. Jahreshälfte 1991 im K nigshafen / Sylt. Die wichtigsten Nahrungsorganismen zur Hauptzugperiode waren Strandkrabben (Carcinus maenas) und Seeringelw rmer (Nereis diversicolor). Als diese Beuteorganismen zum Winter hin abnahmen, dominierten Miesmuscheln (Mytilus edulis), Fische, Amerikanische Schwertmuscheln (Ensis directus) und Wattw rmer (Arenicola marina). Die letzten beiden Nahrungskomponenten erbeute- ten die M wen oft durch Kleptoparasitismus bei Pfuhlschnepfen.
KUBETZKI et al. (1999) untersuchten Speiballen und Kotproben während der Eiablage- und K kenaufzuchtsphase aus drei Brutkolonien in der Nordsee. Auch hier war das Nahrungsspektrum sehr breit: Muscheln und Schnecken, Polychaeten und Regenw rmer, Crustaceen, Insekten, Echinodermaten, Fische, V gel, Kleinsäugetiere, Pflanzenmaterial und M ll.
KUBETZKI & GARTHE (2003) untersuchten 1997 Speiballen und Kotproben auf Amrum (Inkubationsphase) und auf Juist (Inkubation und K kenaufzucht). Sie fanden ein sehr breites Nahrungsspektrum, in dem v.a. Muscheln und Polychaeten dominierten. Die Zusammensetzung der Nahrung wies darauf hin, dass die M wen die Nahrung sowohl im Watt als auch an Land erbeuteten.
Im Gegensatz zu den Kolonien des Wattenmeeres fanden VAUK-HENTZELT & SCHUMANN (1980) in Mägen von insgesamt 93 Sturmm wen auf Helgoland, die jeweils von Oktober bis März 1976-1980 gesammelt wurden, einen hohen Anteil an Fisch (38 %). Polychaeten, Crustaceen, Insekten und Mollusken traten in etwas geringeren Anteilen auf. Anders als in den oben genannten Studien kam M ll (46 %) in hohen Anteilen vor. Ostsee Im Gegensatz zur Nordseek ste dominiert an der Ostseek ste die Nahrung aus terrestri- schen Habitaten.
313 In Speiballen aus f nf schleswig-holsteinischen Kolonien wurden folgende Komponenten gefunden (Reihenfolge in abnehmender Bedeutung): Regenw rmer (in bis zu 90 % aller Proben), Insekten / Bodenarthropoden, Miesmuscheln, Crustaceen, Kleinsäugetiere, M ll (KUBETZKI 2001). Die beprobten Kolonien wiesen deutliche Unterschiede in den dominierenden Beuteorganismen auf. Aus den vorliegenden Nahrungsstudien ab 1938 lässt sich der deutliche Trend erkennen, dass die Brutbestände in Jahren mit h heren anthropogenen Nahrungsanteilen gr ßer waren als in Jahren, in denen fast ausschließlich nat rliche Nahrung genutzt wurde. Wenn die anthropogenen Nahrungsquellen, wie z.B. Abfälle aus Restaurationsbetrieben, der Fischerei bzw. einer Wurstfabrik, den Sturmm - wen nicht zur Verf gung standen, lagen die Brutpaarzahlen deutlich niedriger (KUBETZKI 2001). Eine fr he Arbeit in der Ostsee-Kolonie Langenwerder im Jahr 1953 zeigte, dass in den Speiballenproben der Sturmm wen berwiegend Insekten gefunden wurden. Außerdem befanden sich in den Proben Reste von Fischen und kleinen Säugetieren (Herbst 1956). Bedeutung terrestrischer Habitate Sturmm wen in Großbritannien nutzen berwiegend terrestrische Nahrungshabitate in großer Entfernung zur K ste, bevorzugen im Gegensatz zu Lachm wen trockenere B den zur Nahrungssuche und kommen seltener im Litoral vor (VERNON 1970, 1972). MUDGE & FERNS (1982) errechneten, dass ber 90 % aller Sturmm wen in einem Gebiet in SO- England terrestrische Nahrungshabitate nutzen. Während der Wintermonate scheint besonders Gr nland ein wichtiges Nahrungshabitat darzustellen. Sturmm wen sind anscheinend v.a. gegen ber Lachm wen in gemischten Gruppen konkurrenzschwächer, wenn sie zusammen Nahrung hinter bodenbearbeitenden Landmaschinen erbeuten (SCHWEMMER et al. in Vorb.). Bedeutung der Fischerei Beim Erbeuten von Beifang und Fischereiabfall in gemischten Gruppen hinter Fischkut- tern zeigten Sturmm wen ebenfalls einen geringeren Erfolg als andere (v.a. gr ßere) M wenarten (WALTER & BECKER 1997, GARTHE & HÜPPOP 1998). Auf der Nordsee kommen Sturmm wen in sehr unterschiedlicher Anzahl und mitunter häufig hinter Garnelenkuttern vor (WALTER & BECKER 1997). Besonders im späten Winter scheint die Garnelenfischerei eine wichtige Nahrungsquelle darzustellen (FTZ unver ffentl.). Auf der Ostsee kommen Sturmm wen regelmäßig in geringen Anzahlen hinter Fischkuttern vor (GARTHE & SCHERP 2003).
21.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Sturmm wen sind berwiegend tagaktiv, jedoch suchen sie auch in der Dämmerung nach Nahrung. Dabei spielt der Nahrungserwerb zu Fuß eine wichtige Rolle, z.B. auf Äckern
314 und Gr nland. Ebenso wie die Lachm wen kann man Sturmm wen auf landwirtschaftli- chen Flächen hinter Pfl gen beobachten. Da Sturmm wen nicht so gewandte Flieger wie Lachm wen sind, spielt die Erbeutung von Insekten in der Luft eine kleinere Rolle. Zugbeobachtungen auf Helgoland ergaben, dass 86,1 % aller erfassten Sturmm wen in einer H he < 50 m flogen (DIERSCHKE & DANIELS 2003).
21.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 21.6.1 Gefährdungsursachen Sturmm wen sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Reduktion des Nahrungsangebotes In den Brut- und Rastgebieten treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Prädation durch Säugetiere, durch anthropogen bedingte Landschaftsveränderun- gen wesentlich verstärkt (v.a. Ostsee) - Bruthabitatverlust (v.a. Ostsee) - St rungen in den Bruthabitaten durch Schiffsverkehr und Fußgänger - Reduktion des Nahrungsangebotes durch Veränderungen in der landwirtschaftli- chen Praxis - Jagd - Flussbegradigung und Entwässerung (Brutplätze im Binnenland)
21.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Sturmm wen gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Sturmm wen weisen eine geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004) und sind wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Vielmehr halten sie sich bei der Suche nach Nahrung häufig in unmittelbarer Nähe zu Schiffen auf und sind im K stenbereich der deutschen Nordsee insbesondere im Winter zahlenstark als Schiffsfolger in der Garnelenfischerei vertreten (KUBETZKI 2002). Auch auf der Ostsee sind Sturmm wen Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen (GARTHE & SCHERP 2003). Sturmm wen sind wendige Flieger mit einer hohen Man vrierfähigkeit, die Empfindlich- keit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offhore- Windenergieanlagen, ist daher als gering einzustufen. Der Wert im Windenergie- Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im unteren Bereich aller untersuchten Arten. Bei schlechten Sichtbedingungen kann es jedoch insbesondere wegen
315 der hohen Flugaktivität zu Kollisionen kommen, zumal Sturmm wen oft in H he der Rotoren fliegen. Da sie ihre Nahrung auf dem Meer nur in oberflächennahen Wasserschichten erbeuten, sind Sturmm wen nicht durch Verfangen und Ertrinken in bodennahen Stellnetzen gefährdet. Allerdings kann es zu Verlusten in oberflächennahen Kiemennetzen f r den Lachsfang kommen, wie von SCHIRMEISTER (2003) f r andere M wenarten in der Pommerschen Bucht beschrieben. Da sich Sturmm wen häufig schwimmend auf See aufhalten, besteht die Gefahr der Ver lung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver- lung, z.B. durch Tankreinigungen). Da sie aber, verglichen mit anderen Seev geln wie See- und Lappentauchern, Meeresenten oder Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil auf dem Wasser verbringen und – abgesehen von Ansammlungen hinter Fischereifahrzeu- gen – selten in großen Konzentrationen vorkommen, ist die Gefahr der Kontamination einer großen Anzahl von Sturmm wen deutlich geringer. An der Nordseek ste lag die Ver lungsrate im Winter 2001 / 2002 bei 7 % (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhal- tens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Sturmm wen sind in ihrer Nahrungswahl vielseitig und passen sich dem vorhandenen Nahrungsangebot gut an (s. Kapitel 21.5.6). Sie nutzen terrestrische, marine und anthropo- gene (Fischerei-Discard, M ll) Nahrungsquellen und nehmen dabei verschiedene Beutegr ßen auf (KUBETZKI 2001). Sturmm wen sind daher als eher unempfindlich gegen ber einer Nahrungsverknappung, z.B. durch die derzeit bestehende Fischerei, einzustufen. Wie bei anderen M wenarten haben auch die Sturmm wenbestände an der deutschen Nordseek ste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark zugenommen. Neben einem verbesserten Schutz und der nachlassenden Verfolgung wird dies auch auf ein verbessertes Nahrungsangebot durch anthropogene Nahrungsquellen (z.B. Fischereiab- fälle, ungenutzter Beifang, M lllagerung in offenen Deponien) sowie durch die Zunahme kleiner pelagischer Schwarmfische durch Überfischung der Raubfischbestände zur ckge- f hrt (GARTHE et al. 2000b). Seit Anfang des 21. Jahrhunderts kam es zu einer deutlichen Reduktion solcher leicht verf gbaren Nahrungsquellen, was f r die gewachsenen
316 M wenbestände zumindest lokal zu Nahrungsknappheit f hren k nnte. Während f r die Sturmm wen an der deutschen Nordseek ste noch immer eine Bestandszunahme verzeichnet wird, sind die Bestände an der deutschen Ostseek ste stark r ckläufig (HÄLTERLEIN et al. 2000, EICHSTÄDT et al. 2006, B. HÄLTERLEIN, pers. Mitt.). Umfang- reiche Untersuchungen an der schleswig-holsteinischen Ostseek ste deuten darauf hin, dass diese Bestände in fr heren Zeiten durch die anthropogenen Nahrungsquellen z.T. k nstlich erh ht waren, sie aufgrund des aktuell deutlich geringeren anthropogenen Anteils im Nahrungsangebot aber nicht mehr erreicht werden k nnen und daher deutlich niedriger liegen (KUBETZKI 2001). Daneben spielen an der Ostseek ste aber noch weitere Faktoren f r die dortige starke Bestandsabnahme der Sturmm wen eine wichtige Rolle: Die Art ist hier viel stärker auf terrestrische Nahrung angewiesen als an der Nordseek ste. Veränderungen in der landwirtschaftlichen Praxis (R ckgang von Dauergr nland, Zunahme von Wintergetreide) haben h chstwahrscheinlich dazu gef hrt, dass potentielle Nahrungsgebiete und damit auch das Nahrungsangebot zur Brutzeit der Sturmm wen deutlich abgenommen haben. Diese Veränderungen k nnen im Ostseeraum anscheinend nicht in dem Maße kompensiert werden, wie es an der Nordseek ste durch die großen Wattflächen m glich ist (KUBETZKI 2001). Sturmm wen k nnen mit 2-4 Jahren mit der Fortpflanzung beginnen, haben eine relativ geringe Anzahl von Jungv geln bei nur einer Brut pro Jahr und eine im Vergleich zu anderen Seevogelarten geringere Überlebensrate adulter V gel. Durch das Reproduktions- potential k nnen Mortalitätsverluste daher bis zu einem gewissen Grad nur dann ausgegli- chen werden, wenn ein umfassender Schutz in den Brutgebieten gewährleistet ist. Noch bis 1984 wurden Sturmm wen regelmäßig Opfer von Bestandsregulierungen, allein in der Wismarbucht wurden ab Anfang der 1960er Jahre 22.000 adulte Tiere systematisch get tet. Diese Regulierungen trugen entscheidend zum starken Bestandsr ckgang der Sturmm wen an der Ostseek ste Mecklenburg-Vorpommerns bei, wo der Bestand seither deutlich niedriger ist und tendenziell noch weiter abnimmt (KLAFS & STÜBS 1987, KUBETZKI 2001, KUBE et al. 2005b). Heute sind die Kolonien an der Ostseek ste stark durch Prädation, insbesondere durch F chse und Marderartige, gefährdet. Die große Sturmm wenkolonie auf dem Graswarder (Ostholstein) erlitt bereits mehrere Jahre hintereinander einen vollständigen Brutausfall durch intensive Prädation. Ohne umfassen- de Schutzmaßnahmen kann die Kolonie vermutlich nicht erhalten werden (KUBETZKI 2001). In der Wismarbucht kommt es durch die starke Prädation durch F chse immer wieder zur Umsiedlung von Sturmm wenkolonien (KUBE et al. 2005b). Weitere Beein- trächtigungen f r Sturmm wen ergeben sich zudem aus der intensiven Freizeitnutzung vieler K stengebiete, die in einigen Kolonien zu zusätzlichen St rungen des Brutgeschäf- tes f hren (z.B. Olpenitz, Ostholstein; KUBETZKI 2001). Die zahlreichen St reinfl sse in den Brutkolonien haben m glicherweise das Ausweichen der Sturmm wen auf Dächer
317 bewirkt oder verstärkt. In den letzten Jahren wurden vermehrt Dachbruten registriert, die vermutlich noch weiter zunehmen werden und vielerorts bereits zu Beschwerden und ersten Vergrämungsaktionen f hrten (KUBETZKI 2001, U. KUBETZKI pers. Mitt.). Sturmm wen geh ren in Schleswig-Holstein noch immer zu den jagdbaren Arten, die Jagdzeit erstreckt sich bis in den Brutzeitbeginn, so dass durch den Abschuss brutbereiter Altv gel der R ckgang des Brutbestandes an der Ostseek ste zusätzlich verstärkt werden k nnte. Sturmm wen sind mit ber 50 % ihres Weltbestandes auf Europa konzentriert und befinden sich dort zudem in einem ung nstigen Erhaltungszustand (SPEC 2; Tab. 21-4). Der Bestand wird von BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „stabilisiert nach Bestandsr ckgang“ eingestuft. In der Roten Liste von Mecklenburg-Vorpommern sind die Brutbestände aufgrund der beschriebenen Abnahmen an der Ostsee als „gefährdet“ aufgef hrt.
Tab. 21-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Sturmm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + + + V 3 + + Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II 2 - III -
21.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: schwimmende Kleinm wen sind vom Flugzeug aus oft schwer bestimmbar; vom Schiff aus sind im Gegensatz zum Flugzeug detaillierte Verhaltensbeobachtungen m glich.
21.8 Forschungsbedarf - Austauschbewegungen zwischen verschiedenen Nahrungs- und Rastgebieten in Nord- und Ostsee - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit
318 - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konse- quenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
319 22 Mantelm we Larus marinus Linnaeus 1758
GB: Greater Black-backed Gull NL: Grote Mantelmeeuw
DK: Svartbag Foto: T. Kr ger S: Havstrut Abb. 22-1: Mantelm we im SK PL: Mewa siodlata
22.1 EU-Code A187
22.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
22.3 Kennzeichen Gr ßte M we an nordeuropäischen K sten, mit kräftigem K rper, dickem Hals, mächtigem Schnabel und schwärzlicher Oberseite. Breite Fl gel mit breitem, weißem Hinterrand und großem Subapikalfleck. Beine fleischfarben, Schnabel gelb mit rotem Schnabelfleck. Vierjahres-M we, schwärzliche Oberseite erscheint meist ab dem Fr hjahr des 3. KJ. Im Jugendkleid Gefieder sauber gemustert, Schulter- und Schirmfedern mit schwarzen Zentren, Kopf gefleckt, schmale, aufgebrochene Schwanzendbinde. Verwechslungsm glichkeiten: Mit Heringsm we: Mantelm we deutlich gr ßer, mit kräftigerem K rper und Schnabel und breiteren Fl geln. Breiter, weißer Fl gelhinter- rand geht in weißen Subapikalfleck ber. Beine bei adulten Tieren fleischfarben (bei Heringsm wen gelb). Im JK und 1. WK mit junger Silberm we: Mantelm we kräftiger, meist heller und kontrastreicher gefärbt. Kopf heller, Schwanz meist heller und stärker weiß meliert, mit stärkerem Kontrast zur Endbinde. Schirmfederspitzen mit breiten weißen Spitzen; Kontrast zwischen dunkleren äußeren und helleren inneren Handschwingen schwä- cher. Schnabel kräftiger und im Profil h her als bei Silberm we. Im JK und 1. WK mit junger Heringsm we: Mantelm we kräftiger, Schnabel im Profil h her; insgesamt heller und kontrastreicher gefärbt, Kopf heller; Handfl gel breiter
320 und mit hellem Handschwingenfeld, bei Heringsm we spitz auslaufend und ganz dunkel. Schirmfederspitzen bei Mantelm we mit breiten weißen Spitzen, bei Herings- m we nur schmal hellspitzig.
22.4 Verbreitung / Bestand 22.4.1 Welt / Europa Mantelm wen br ten von Island und der Nordseek ste Großbritanniens und N- Frankreichs ber Dänemark und Fennoskandien bis ins Baltikum und Russland sowie auf Spitzbergen, den arktischen Inseln und an der NO-K ste Amerikas. Der Weltbe- stand beträgt nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) 535.000-745.000 Individuen. Etwa 50-75 % des gesamten Verbreitungsareals liegen in Europa. BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) beziffert den gesamten europäischen Brutbestand auf 110.000- 180.000 Paare. An den K sten der s dlichen Ostsee und der s dlichen Nordsee br ten nur wenige Paare. Mantelm wen kommen im Winter regelmäßig auf der Nord- und Ostsee sowie im Atlantik s dwärts bis Spanien vor. Nichtbr ter sind ganzjährig auf Nord- und Ostsee anzutreffen. Mantelm wen werden in drei verschiedene biogeografische Populationen eingeteilt, von denen nur eine Europa vorkommt (Tab. 22-1).
Tab 22-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu der in Europa vorkommenden biogeografi- schen Population der Mantelm wen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium K sten NW- O-Atlantik- Frankreichs, k ste Irland, Großbrit., 330.000- zuneh- L. marinus NO-Atlantik s dlich bis 4.400 Island, stlich bis 540.000 mend Iberische Skandinavien, Halbinsel Weißes Meer
22.4.2 Deutschland Status: seltener Brutvogel, ganzjähriger Gast, Durchz gler, im k stenfernen Binnen- land seltener Gast. Die in Deutschland vorkommenden Mantelm wen geh ren zur biogeografischen Population „NO-Atlantik“.
Der Brutbestand in Deutschland wird auf 33 Paare geschätzt (HÄLTERLEIN / NPA T nning, briefl., Bezugszeitraum: 2003; GARTHE et al. 2003a, Bezugszeitraum: 2000).
321 An der Nordseek ste br teten im Jahr 2003 16 Paare (HÄLTERLEIN / NPA T nning, briefl.), an der deutschen Ostseek ste im Jahr 2000 17 Paare (GARTHE et al. 2003a). Nach den Daten der Wasservogelzählung sowie der M wen-Schlafplatzzählungen beschränkt sich das Vorkommen der Mantelm wen im Wesentlichen auf Nord- und Ostsee sowie die angrenzenden K stenbereiche. Klare Schwerpunkte sind nicht zu erkennen (Abb. 22-3). Im Binnenland treten – meist in den Wintermonaten – regelmä- ßig Mantelm wen in geringer Zahl auf (s dlich der Mittelgebirge nur vereinzelt). Auf Nord- und Ostsee sind Mantelm wen sowohl im K stenraum als auch in den k stenfernen Gebieten weit verbreitet (Abb. 22-2). Besonders im Winterhalbjahr halten sich Mantelm wen weit entfernt von den K sten auf. Hohe, lokale Konzentrati- onen von Mantelm wen korrelieren oft mit der Verbreitung von Fischkuttern (GARTHE 2003b, GARTHE & SCHERP 2003). F r den Mittwinter wird der Rastbestand auf 23.000 Individuen geschätzt (DDA unver ffentl., Tab. 22-2 und 22-3). Der Bestand der Mantelm wen auf Nord- und Ostsee variiert im Verlauf des Jahres. Nach den Daten der Wasservogelzählung werden die h chsten Rastbestände in der Deutschen Bucht im Spätherbst erreicht (BLEW et al. 2005), wenn zumindest ein Teil der skandinavischen Brutv gel in die Winterquartiere an der s dlichen Nordsee- und der Kanalk ste zieht (September / Oktober; s. Übersicht in DIERSCHKE & LORENTZEN 2006). Die deutsche Ostseek ste, an der zum Mittwinter die h chsten Rastbestände erreicht werden, ist dagegen vorrangig Überwinterungsquartier der Mantelm wen des n rdlichen Ostseeraumes. Bereits im zeitigen Fr hjahr setzt an der Nord- und Ostsee der Heimzug ein.
322
Abb. 22-2: Verbreitung der Mantelm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Winter- halbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 22-3: Verbreitung der Mantelm wen in Deutschland im Januar basierend auf den Daten der Wasservogelzählung (Kreise) sowie der M wen-Schlafplatzzählung (Quadrate, gleiche Skalierung). Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzäh- lungen 2000-2005 sowie der Schlafplatzzählungen 2004-2006.
323 Nordsee Mantelm wen kommen ganzjährig im Bereich der deutschen Nordsee vor. Im Fr hjahr und Sommer sind sie in geringen bis mittleren Anzahlen sowohl in den K sten- als auch in den Offshore-Bereichen verstreut verbreitet. Mantelm wen kommen bis zu einer Entfernung von 80 km von der K ste vor. Im Sommer deutet sich eine Konzent- ration im Bereich um Helgoland an. Zu dieser Jahreszeit wird das Vorkommen berwiegend von immaturen V geln dominiert (GARTHE 2003b). Zum Herbst hin nimmt der Bestand deutlich zu und es bildet sich ein zahlenstarkes Wintervorkommen mit Konzentrationen im M ndungsgebiet von Elbe und Weser bis Helgoland sowie entlang der ostfriesischen K ste. Die Durchzugszeiten an verschiedenen Orten der Nordseek ste unterscheiden sich um einige Wochen: Während Mantelm wen ihr Bestandsmaximum im schleswig-holsteinischen Wattenmeer im Spätsommer bzw. Fr hherbst erreichen, ist es an der niedersächsischen K ste erst zwischen September und Dezember zu verzeichnen. In der Deutschen Bucht sind die meisten Mantelm wen im November zu beobachten (zusammengestellt in GARTHE 2003b). Im Offshore- Bereich sind Mantelm wen verstreut, mit nur vereinzelten Konzentrationen verbreitet. Das Vorkommen von Fischereifahrzeugen scheint zumindest in einigen Gebieten einen starken Einfluss auf die Verbreitung und Abundanz der Mantelm wen zu haben (GARTHE 1997, 1999). Im Winter besteht das Vorkommen der Mantelm wen auf der deutschen Nordsee berwiegend aus adulten Tieren (GARTHE 2003b). Auf Helgoland scheint der Anteil unausgefärbter Mantelm wen im Winterhalbjahr dagegen h her zu sein als in den umliegenden Seegebieten (KUSCHERT & WITT 1985), so dass Helgo- land eine besondere Bedeutung als Rastplatz v.a. f r nichtbr tende Individuen haben k nnte. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen zu jeder Jahreszeit Mantelm wen vor. Die meisten Mantelm wen k nnen im Herbst beobachtet werden (Tab. 22-2).
Tab. 22-2: Rastbestandszahlen der Mantelm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen. (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 1996-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): VII: 501-1000 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 2.600 0,6 1.200 0,3 390 <0,1 Sommer 2.500 0,6 500 0,1 60 <0,1 Herbst 16.500 3,8 9.500 2,2 VII 0,1-0,2 Winter 15.500 3,6 9.000 2,1 200 <0,1
324 Ostsee Im Sommer kommen Mantelm wen aufgrund der wenigen Brutpaare an der s dlichen Ostseek ste nur in geringen Dichten in der Kieler, Mecklenburger und Pommerschen Bucht vor. Dabei handelt es sich berwiegend um immature Nichtbr ter. Während des Wegzuges nimmt das Vorkommen deutlich zu und wird im Winter noch zahlenstärker. Mantelm wen sind zu dieser Jahreszeit in fast allen Bereichen der deutschen Ostsee verbreitet. Lokale Konzentrationen k nnen sich in der Nähe von Fischkuttern bilden, wo Discard als Nahrungsquelle genutzt wird (GARTHE & SCHERP 2003). Im Fr hjahr nimmt das Mantelm wen-Vorkommen in der gesamten Ostsee wieder deutlich ab. H here Dichten wurden nur im Greifswalder Bodden festgestellt. Im SPA „ Pommersche Bucht“ kommen zu jeder Jahreszeit Mantelm wen vor. Die meisten Mantelm wen werden dort im Winter beobachtet.
Tab. 22-3: Rastbestandszahlen der Mantelm wen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum 2000-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 800 0,2 III <0,1 Sommer k.A. k.A. 90 <0,1 60 <0,1 Herbst k.A. k.A. 110 <0,1 60 <0,1 Winter 7.000 1,6 800 0,2 150 <0,1
22.4.3 Bestandsentwicklung Der europäische Brutbestand der Mantelm wen wird f r den Zeitraum 1970-1990 als stabil eingeschätzt. Abnahmen in Island und Irland im Zeitraum 1990-2000 stehen Zunahmen bzw. stabile Trends in den anderen europäischen Ländern gegen ber, vor allem in Norwegen, wo ein großer Anteil des europäischen Brutbestandes br tet (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die etwa 10.000 Paare umfassende baltische Population nahm in dieser Zeit deutlich zu und dehnte ihr Brutgebiet aus (HAGEMEIJER & BLAIR 1997). Erstmals br tete in Deutschland 1984 ein einzelnes Paar im Greifswalder Bodden. An der Nordsee br ten Mantelm wen regelmäßig seit 1988, an der Ostsee seit 1992 (NEHLS & SPERLICH 1986, HÄLTERLEIN et al. 2000). Bis heute ist die Zahl der Brutpaare insgesamt gering geblieben. In den Jahren 1993-2003 hat die mittleren Dichte der Mantelm wen auf der Nordsee während der Brutzeit (Mai bis Juli) sehr stark abgenommen (GARTHE & SCHWEMMER 2005). Immature Individuen zeigten die stärksten R ckgänge. Die Daten der Wasser-
325 vogelzählung lassen erkennen, dass die winterlichen Rastbestände im Zeitraum 1980- 2005 an der Nordseek ste deutlich zunahmen, jedoch starken Fluktuationen zwischen den Jahren unterworfen sind. An der Ostseek ste wurde im Zeitraum 1991-2005 keine signifikante Veränderung des winterlichen Rastbestandes beobachtet (Abb. 22-4).
Abb. 22-4: Indexwerte der Bestandsentwicklung der Mantelm wen in Deutschland im Januar 1968-2005 nach den Daten der Wasservogelzählung relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II).
22.5 Biologie / Ökologie 22.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: fr hestens mit 4-5 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, hohe Nistplatztreue Brutzeit: Legebeginn ab Mitte April, meist Ende April / Anfang Mai, im Norden etwas später, Brutdauer 26-28 Tage Gelege: 3 Eier, selten 2; 1 Jahresbrut, 2-3 Nachgelege, beide Eltern br ten K ken: nach dem Schl pfen sind die K ken etwa nach 45-50 Tagen fl gge, beide Eltern betreuen und f ttern bis zu 7 Wochen, in die- ser Zeit finden schon kurze Fl ge der Jungv gel statt
22.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 13 Jahre Ältester Ringvogel: 25 Jahre 9 Monate Sterblichkeit: ähnlich Silberm we (s. Kapitel 23)
326 22.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser (Teilmauser) beginnt zwischen August und November. Im April / Mai des 2. KJs vollzieht sich die 1. Postnuptialmauser (Vollmauser) bis Oktober / November. Adulte V gel beginnen mit der Vollmauser meist ab Mitte Mai, wobei ihre Handschwingenmauser in der Regel nach der Eiablage einsetzt und ca. 5-6 Monate dauern kann. Da M wen ihre Schwingen nicht synchron, sondern nacheinan- der erneuern, sind sie zu keiner Zeit in ihrem Flugverhalten eingeschränkt. An die im November / Dezember abgeschlossene Vollmauser schließt sich von Januar bis Mai die Pränuptialmauser (Teilmauser) an.
22.5.4 Wanderungen Nur die im äußersten Norden des Verbreitungsgebietes br tenden V gel wandern im Winter weit s dwärts, die brigen V gel ziehen nur ber kurze Distanzen. Ihre Wintergebiete erstrecken sich von der Packeisgrenze bis in die Nordsee und die s dliche Ostsee sowie am Atlantik bis zur Biscaya. Einzelne Individuen kommen bis Marokko vor. Die Brutv gel Finnlands berwintern in Gebieten von der s dlichen Ostsee bis nach S-Großbritannien, V gel aus Schweden und S-Norwegen kommen in die Bereiche der Nord- und Ostsee. Brutv gel aus Dänemark und Großbritannien legen ebenfalls nur kurze Strecken in ihre Überwinterungsgebiete zur ck. Der Abzug aus den Brutgebieten beginnt ab August, dementsprechend werden ab September an den deutschen K sten Mantelm wen in nennenswerter Anzahl festgestellt. Während nicht br tende V gel oft im Winterquartier oder in Gebieten zwischen Winterquartier und Geburtsort verbleiben, ziehen die Brutv gel ab Februar wieder zur ck zu ihren Brutplätzen.
22.5.5 Habitat Mantelm wen br ten auf Inseln, an felsigen K sten, aber auch in D nengebieten und Mooren (zur Verbreitung s. Kapitel 22.4.1). Zur Nahrungssuche halten sie sich hauptsächlich auf der Hochsee, aber auch auf k stennahen M lldeponien und in Seehäfen auf. Außerhalb der Brutzeit sind Mantelm wen meist an flachen, aber m glichst tidenunabhängigen Stränden zu beobachten. Fischereiaktivitäten spielen f r die Verbreitung der Mantelm wen in der Deutschen Bucht anscheinend eine zentrale Rolle.
GARTHE (1997, 1999, 2003b) beschrieb sowohl f r den Sommer als auch f r den Winter einen eindeutigen Zusammenhang zwischen den Verteilungsmustern der Art auf See und dem Vorkommen von Fischkuttern.
327 22.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Die Ernährungsweise der Mantelm wen ist sehr vielseitig. Sie erbeuten Nahrung von der Wasseroberfläche, k nnen durch Stoßtauchen bis zu einem Meter tief tauchen, sie rauben Beute von anderen V geln (z.B. VERBEEK 1979), ernähren sich regelmäßig von Lebensmittelresten auf M lldeponien, lassen wie Silberm wen (Larus argentatus) Muscheln aus der H he fallen, um sie zu ffnen und erbeuten Discards hinter Fischereifahrzeugen (GARTHE 2003b). Die Nahrung der Mantelm wen ist vergleichsweise vielseitig, es berwiegt jedoch marine, tierische Nahrung. Neben selbst gefangenen Fischen, Mollusken, Polychaeten, Crustaceen und Kleinsäugern kommt dem Discard eine hohe Bedeutung zu. Gadiden, die meist aus dem Discard von Fischereifahrzeugen stammen, sind die wichtigste Nahrung der Mantelm wen. Im Vergleich zu anderen M wenarten wird häufig M ll als Nahrungsquelle genutzt. Nordsee KOCK (1974) sowie PRÜTER (1988) untersuchten Mägen von Mantelm wen, die im Winter der Jahre 1971 / 72 bzw. 1983 / 84 auf Helgoland geschossen wurden. In 67 % bzw. 83 % der Mägen wurde Fisch gefunden. Gadiden machten dabei in beiden Studien den Großteil der Nahrung aus. Die brigen Nahrungsbestandteile waren Mollusken, Crustaceen, Insekten, Polychaeten, Echinodermaten, ein Kleinvogel und M ll.
Auch BUCKLEY (1990) fand in im Mai und Juli des Jahres 1986 gesammelten Speiballen einer irischen Brutkolonie hauptsächlich Gadiden. Im Gegensatz zu den Studien von Helgoland traten jedoch in 58 % der Proben V gel (hauptsächlich erwachsene Alken) auf. Bedeutung von Fischerei GARTHE (2003b) fand einen signifikanten Zusammenhang zwischen Mantelm wen- und Fischkutterverbreitung auf der Nordsee. Während des Heimzuges traten 4 % aller Individuen hinter Fischkuttern auf, während des Winters sogar 40 %. Auf der Ostsee stellten Mantelm wen nach Silberm wen die häufigste Art hinter Fischereifahrzeugen dar (GARTHE & SCHERP 2003). In Teilen der s dlichen Ostsee kamen bis zu 50 Individuen hinter einem Fischkutter vor. Je nach Region der Ostsee wurden 50-100 % aller Fischkutter von Mantelm wen begleitet. Mantelm wen sind unter den Schiffsfol- gern sehr konkurrenzstark, haben einen hohen Erfolgsindex im Erbeuten von Discard und zeigen aufgrund ihrer großen K rpergr ße nach Basst lpeln (Morus bassanus) den h chsten Erfolg beim Rauben von Beuteobjekten anderer Seev gel (GARTHE & HÜPPOP 1998). In den Herbst- und Wintermonaten treten auch hohe Zahlen in
328 Assoziation mit der k stennahen Garnelenfischerei der Nordsee auf (WALTER & BECKER 1997, FTZ unver ffentl. Daten). Dementsprechend stellt Discard eine wichtige Nahrungsquelle f r Mantelm wen dar. So gehen die winterlichen Rastzahlen der Mantelm wen auf Helgoland stark zur ck, wenn keine Fischerei stattfindet. Umgekehrt ist in Zeiten des Fischereibetriebs die K rpermasse der M wen im Durchschnitt 450-500 g gr ßer und die Speiballen der M wen enthalten einen hohen Anteil an Discardfisch (83-87 %) (HÜPPOP & WURM 2000). Findet keine Fischerei statt, so bestehen die Speiballen hauptsächlich aus Resten nat rlicher mariner und terrestrischer Nahrung (WURM & HÜPPOP 2003).
22.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Meist sind Mantelm wen tag- und dämmerungsaktiv, als Schiffsfolger aber auch nachtaktiv. Sie sind keine wendigen Flieger und zeigen einen eher langsamen Flug. Mantelm wen sind meist Koloniebr ter und kommen außerhalb der Brutzeit einzeln oder in kleinen Trupps vor.
22.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 22.6.1 Gefährdungsursachen Mantelm wen sind in Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Reduktion des Nahrungsangebotes, z.B. durch Abnahme des Fischereiaufwan- des und Discard-Aufkommens - Verfangen und Ertrinken in oberflächennahen Driftnetzen (Ostsee) In den Brutgebieten treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Direkte Verfolgung (bestandsregulierende Maßnahmen zum Schutz anderer K stenvogelarten: Gelegezerst rung, Eiersammeln, Abschuss, Vergiftung) - St rungen durch Tourismus und Freizeitaktivitäten
22.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Mantelm wen gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Mantelm wen sind vergleichsweise wenig empfindlich gegen ber den meisten anthropogenen Nutzungen und Gefährdungen auf See. So weisen sie eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.) und sind wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Vielmehr treten Mantelm wen bei der Suche nach Nahrung auch häufig als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen auf (GARTHE 2003b).
329 Da Mantelm wen einigermaßen wendige Flieger mit relativ hoher Man vrierfähigkeit sind, ist die Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, als gering einzustufen. Bei schlechten Sichtbedingungen kann es jedoch insbesondere wegen der hohen und bisweilen auch nächtlichen Flugaktivität zu Kollisionen kommen, zumal Mantelm wen oft in H he der Rotoren fliegen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (1994) liegt im mittleren Bereich aller untersuchten Arten und ist im Vergleich zur Silberm we deutlich h her. Obwohl beide Arten ein ähnliches Flugver- halten zeigen, liegt der Indexwert der Mantelm wen insbesondere aufgrund der h heren Werte in der Kategorie „Status“ deutlich ber dem der Silberm we. Da sie ihre Nahrung auf See nur an oder wenige Zentimeter unter der Oberfläche erbeuten, sind Mantelm wen nicht durch zufälliges Verfangen und Ertrinken in bodennahen Stellnetzen gefährdet. Allerdings kann es zu Verlusten in oberflächenna- hen Kiemennetzen f r den Lachsfang kommen, wie von SCHIRMEISTER (2003) f r die Pommersche Bucht beschrieben. Es ist davon auszugehen, dass die Netze einen Attraktionseffekt auf die M wen aus ben k nnen und sich diese beim Versuch, Fische aus den Netzen zu erbeuten, darin verfangen. Da sich Mantelm wen häufig schwimmend auf See aufhalten, besteht die Gefahr der Ver lung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichen- de“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Da sie aber, verglichen mit anderen Seev geln wie See- und Lappentaucher, Meeresenten oder Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil auf dem Wasser verbringen und – abgesehen von großen Ansammlungen hinter Fischereifahrzeugn – meist nicht in hohen Konzentrationen auftreten, ist die Gefahr der Kontamination einer großen Anzahl von Mantelm wen deutlich geringer. Ölverschmutzung kann aber auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwick- lungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Mantelm wen ernähren sich opportunistisch (vgl. Kapitel 22.5.6) und sind daher in der Lage, Nahrungsknappheit durch die Nutzung eines breiten Artenspektrums und verschiedener Beutegr ßen weitgehend zu entgehen. Zudem haben sie sich zunehmend
330 anthropogene Nahrungsquellen erschlossen, insbesondere durch das Erbeuten von Discard sowie die Nahrungssuche auf M llkippen. Diese verlässlichen und leicht zu nutzenden Nahrungsquellen haben – neben einem verstärkten Schutz – wahrscheinlich den Bestandsanstieg und die Ausweitung des Verbreitungsareals der Mantelm wen in Europa seit den 1920er Jahren unterst tzt, nachdem die Mantelm wen Anfang des 20. Jahrhunderts noch stark unter Verfolgung, insbesondere durch Jagd, gelitten haben (BAUER et al. 2005). Vor allem seit den 1990er Jahren kam es jedoch zu einer Reduktion des Discards in der Fischerei, was bei den gewachsenen Beständen der Mantelm wen vermutlich zumindest lokal zu einer Verschlechterung der Nahrungssi- tuation f hrte. In den letzten zehn Jahren konnte in der Deutschen Bucht ein deutlicher R ckgang der Mantelm wendichten auf See beobachtet werden (GARTHE & SCHWEMMER 2005). Untersuchungen auf Helgoland im Winter 1997 / 98 zeigten eine Abnahme des Rastbestandes der Mantelm wen um bis zu 80 %, wenn die Fischerei (und somit das Discardaufkommen) eingestellt bzw. deutlich reduziert wurde. Diejenigen Mantelm wen, welche die Insel nicht verließen, reagierten mit einer spontanen Umstellung der Nahrung (HÜPPOP & WURM 2000). Auch verschiedene Untersuchungen in v.a. schottischen Kolonien weisen auf eine opportunistische Ernährung der Mantelm wen und die Fähigkeit hin, sich schnell auf verschiedene Nahrungsbedingungen ein- und umzustellen (MITCHELL et al. 2004). Mantelm wen beginnen fr hestens mit 4-5 Jahren mit der Fortpflanzung und haben bei nur einer Brut pro Jahr eine relativ geringe Anzahl von Jungv geln bei einer sehr hohen Überlebensrate adulter Tiere. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Mantelm wen sind mit ber 50 % ihres Weltbestandes auf Europa konzentriert. Ihr Status wird dort nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. In Deutschland br ten Mantelm wen seit 1984 regelmäßig, aber mit nur wenigen Paaren. Sie sind daher in der Roten Liste Deutschlands, Schleswig-Holsteins und Niedersachsens als „selten, mit geografischer Restriktion“ aufgef hrt. In Meck- lenburg-Vorpommern gilt der Brutbestand als „stark gefährdet“ (Tab. 22-4). Gefähr- dungen an den Brutplätzen sind v.a. durch St rungen (z.B. Freizeitaktivitäten) und direkte Verfolgung gegeben.
331 Tab. 22-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Mantelm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + R R R 2 I I Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II Non-SPECE - - -
22.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zum Schiff sind vom Flugzeug aus keine detaillierten Verhaltensbeobachtungen m glich. K sten-Wasservogelzählungen (bei k stennahen Vorkommen)
22.8 Forschungsbedarf - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
332 23 Silberm we
Larus argentatus Pontoppidan 1763
GB: Herring Gull NL: Zilvermeeuw
DK: S lvmåge Foto: N. Sonntag S: Gråtrut Abb. 23-1: Silberm we im PK PL: Mewa srebrzysta
23.1 EU-Code A184
23.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
23.3 Kennzeichen Großm we mit hellgrauer Oberseite, gelbem Schnabel mit rotem Gonysfleck und rosafarbenen Beinen. Im Flug Handfl gel von unten hell und durchscheinend. Im PK Kopf weiß, im SK grau gestrichelt. Vierjahres-M we, graue Federn erscheinen ab dem 2. Winter. Im JK Oberseite hellbraun gefleckt mit hellem Handfl gelfeld und braun gemusterten Fl geldecken; Kopf und Brust bräunlich gestrichelt. B rzel weiß mit braunen Flecken, daher wenig Kontrast zur Schwanzendbinde. Verwechslungsm glichkeiten: Adulte V gel mit Sturmm we, Silberm we aber deutlich gr ßer, mit kräftigerer Gestalt und breiteren Fl geln, Oberseite heller grau, Kopf gr ßer und weniger rund wirkend, Schnabel kräftiger, gelb mit rotem Go- nysfleck. Im JK und 1. WK mit junger Heringsm we: Hauptunterscheidungsmerkmal ist der innere Handfl gel, der bei jungen Silberm wen ein helles Feld bildet, bei jungen Heringsm wen hingegen ganz dunkel ist. Junge Silberm wen sind zudem häufig insgesamt heller gefärbt und die Schwanzendbinde bildet meist nur wenig Kontrast zu den Oberschwanzdecken.
333 Im JK und 1. WK mit junger Mantelm we: Junge Silberm wen sind weniger kräftig, der Schnabel ist im Profil flacher als bei jungen Mantelm wen. Silberm wen sind meist dunkler und weniger kontrastreich gefärbt, die Schwanzendbinde hat oft weniger Kontrast zu den Oberschwanzdecken. Die Schirmfederspitzen haben nur schmale, helle Spitzen, der Kontrast zwischen dunkleren äußeren und helleren inneren Hand- schwingen ist bei Silberm wen stärker als bei Mantelm wen. Insbesondere mit Mittelmeer- und Steppenm wen, vor allem im JK und in den ersten Jahren, in denen die Bestimmung von Großm wen generell schwierig ist.
23.4 Verbreitung / Bestand 23.4.1 Welt / Europa Silberm wen sind in der borealen und gemäßigten Zone Europas beheimatet. Man kann zwei Unterarten unterscheiden. Die V gel der Nominatform kommen an den K sten Norwegens, Dänemarks und Schwedens bis nach Spitzbergen vor. An der Nordseek ste von Deutschland, den Niederlanden und Belgien mischt sich die Nominatform mit den V geln der Unterart argenteus, deren Areal von Island ber Großbritannien bis zur Nordk ste Frankreichs reicht. Die gelbf ßige Morphe der Nominatform „omissus“ wurde fr her als Unterart der Steppenm we (Larus cachinnans) aufgefasst und ist hauptsächlich im Binnenland Finnlands, dem Baltikum und W-Russland verbreitet. Der Weltbestnd von Silberm - wen beträgt etwa 2,69-4,66 Mio. Individuen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006), f r Europa gibt BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) einen Brutbestand von 760.000- 1,4 Mio. Paaren an. Bei den in Europa vorkommenden Silberm wen werden – entsprechend den zwei Unterarten – zwei biogeografische Populationen unterschieden (Tab. 23-1).
Tab. 23-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Silberm wen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Dänemark, Fennoskan- L. a. 1,7 Mio.- zuneh- - dien stl. bis N- & W-Europa 20.000 argentatus 3,6 Mio. mend Kola- Halbinsel Island, Irland, NW-Europa Großbritan- L. a. s dl. bis n rdl. 560.000 - abneh- - nien, NW- 5.900 argenteus Iberische 620.000 mend Frankreich bis Halbinsel Deutschland
334 23.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, Durchz gler, Wintergast. Die in Deutschland vorkommenden Silberm wen geh ren sowohl zur Unterart L. a. argentatus als auch zur Unterart L. a. argenteus, die beide an der deutschen Nordsee- k ste aufeinander treffen (BAUER & BERTHOLD 1997). Die an der Ostsee br tenden Silberm wen geh ren zur Nominatform. In Deutschland br ten etwa 39.000-46.000 Paare Silberm wen (Bezugszeitraum 1995- 1999, BAUER et al. 2002). An der deutschen Nordsee liegt der Brutbestand der beiden Unterarten bei 34.396 Paaren (Bezugszeitraum 2003, B. HÄLTERLEIN / NPA T nning briefl, DIERSCHKE et al. 2004a). An der deutschen Ostsee br teten im Jahr 2000 3.582 Paare der Nominatform (GARTHE et al. 2003a). Silberm wen sind auf der Nord- und Ostsee ebenso wie an den K sten die mit Abstand häufigsten Großm wen und k nnen ganzjährig in Deutschland beobachtet werden. Verbreitungsschwerpunkte sind nicht erkennbar (Abb. 23-3). Im Binnenland traten sie bislang insbesondere dort auf, wo durch M lldeponien reichlich Nahrung zur Verf gung stand (z.B. Rhein-Ruhr, Raum Halle-Leipzig). Seit der Schließung zahlreicher Deponien zum Juni 2005 und dem Verbot der Ablagerung unbehandelter, organischer Siedlungsabfälle (also auch Hausm ll) gingen die Bestände dort drastisch zur ck. Im s dlichen Binnenland kommen Silberm wen nur in geringer Zahl vor (< 500 Ind.) vor. F r den Zeitraum 2000-2005 wird der Mittwinterbestand auf ca. 210.000 Individuen geschätzt (DDA unver ffentl., Tab. 23-2 und 23-3), von denen zu diesem Zeitpunkt knapp 80.000 (ohne Hamburg und Bremen) auf das Binnenland entfallen. Angesichts unzureichender Informationen ber die Rastbestände in weiten Teilen des Binnenlands zwischen den Jahren 2000 und 2002 ist insbesondere die Schätzung eher als grober Näherungswert zu sehen (Beginn der bundesweiten M wen-Schlafplatzzählungen erst 2003 / 04). In den Sommermonaten sind Silberm wen auf Nord- und Ostsee eher k stennah verbreitet (Abb. 23-2). Auf der gesamten deutschen Ostsee und in den s dlichen Teilen der Deutschen Bucht sind sie jedoch flächendeckend vertreten. Das jahreszeitli- che Auftreten an der Nordseek ste mit den h chsten Rastbeständen im August / September (BLEW et al. 2005) unterscheidet sich deutlich vom Binnenland, wo die Maxima im Winter erreicht werden (NOWAKOWSKI & BUCHHEIM 1996, STEIOF 2006). An der deutschen Ostseek ste treten aufgrund des Zuzuges von V geln aus dem Ostseeraum (BØNLØKKE et al. 2006) und der geringen Zugneigung der Brutv gel der deutschen Ostseek ste (KLEIN 2001, MARKONES & GUSE 2007) die h chsten Rastbestände ebenfalls im Winter auf. Es ist daher anzunehmen, dass zwischen Dezember und Februar deutschlandweit das Rastbestandsmaximum erreicht wird.
335
Abb. 23-2: Verbreitung der Silberm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommer- halbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nordsee: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Abb. 23-3: Verbreitung der Silberm wen in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung (Kreise) sowie der M wen-Schlafplatzzählung (Quadra- te, gleiche Skalierung). Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000-2005 sowie der Schlafplatzzählungen 2004-2006.
336 Nordsee Die Verbreitung von Silberm wen auf der deutschen Nordsee ist stark an das Wattenmeer gebunden. Insbesondere im Fr hjahr, Sommer und Herbst kommen sie entlang der gesamten K ste in hoher Anzahl im Wattenbereich sowie im Übergangs- gebiet zwischen Watt und Offshore-Bereich vor. Schon im Fr hjahr sind Dichte- schwerpunkte in der Nähe der Kolonien auf Amrum und Trischen erkennbar. Zum Sommer hin nimmt der Gesamtbestand deutlich zu. Die Verbreitung ist dann noch enger an das Wattenmeer und die Brutkolonien gebunden und erstreckt sich mit hohen Dichten entlang der gesamten K ste. Zu dieser Zeit sind die Dichten im Offshore- Bereich eher gering. Große Anzahlen k nnen k stennah lokal hinter Fischkuttern beobachtet werden. Im Herbst zeigt sich ein ähnliches Bild, doch nimmt der Bestand in der AWZ im Vergleich zum Sommer zu. Im Winter verringern sich die Bestände im Wattenmeer während die in der AWZ zunehmen. In den K stengebieten ist die Verbreitung weiterhin weit verteilt, es gibt aber, verglichen mit den anderen Jahreszei- ten, lokal auch deutlich gr ßere Vorkommen in den k stenferneren Bereichen. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ halten sich Silberm wen ganzjährig auf, doch sind die Anzahlen im Vergleich zum gesamten deutschen Nordseebestand sehr gering. Im Winter und Fr hjahr werden die gr ßten Anzahlen erreicht (Tab. 23-2).
Tab. 23-2: Rastbestandszahlen der Silberm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 1996-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind.. Da im Be- reich der deutschen Nordsee beide Unterarten vorkommen, bezieht sich der pro- zentuale Anteil der Individuen auf den Weltbestand. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 74.000 2,3 1.200 <0,1 460 <0,1 Sommer 115.000 3,6 1.800 <0,1 III <0,1 Herbst 98.000 3,0 4.100 0,1 III <0,1 Winter 62.000 1,9 15.000 0,5 900 <0,1
Ostsee Die Silberm we ist die häufigste M wenart auf der deutschen Ostsee. Insbesondere im Winter und Fr hjahr tritt sie in großer Anzahl weit verbreitet in den K sten- und Offshore-Gewässern auf (Tab. 23-3). Im Sommer sind die Anzahlen deutlich geringer, zum Herbst hin nehmen sie wieder zu. Insbesondere im Winter und Fr hjahr sind sie recht homogen und flächendeckend vertreten. Ganzjährig gr ßere Konzentrationen treten nur in der Kieler und Mecklenburger Bucht sowie rund um Fehmarn und
337 n rdlich bzw. nordwestlich von R gen auf. Kurzfristige Aggregationen finden sich häufig in Gebieten mit Fischereiaktivität. Auf der Ostsee folgen Silberm wen von allen M wenarten am häufigsten und mit den gr ßten Individuenzahlen Fischereifahr- zeugen (GARTHE & SCHERP 2003). Im SPA „Pommersche Bucht“ werden Silberm wen ganzjährig beobachtet. Im Herbst und Winter halten sich dort die meisten Individuen auf (Tab. 23-3).
Tab. 23-3: Rastbestandszahlen von Silberm wen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugsraum: 2000-2005). Der prozentuale Anteil der Individuen bezieht sich auf den Bestand der Nominatform (vgl. Tab. 23-1). Be- Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an stand biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. dt. Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Ostsee Fr hjahr k.A. k.A. 4.900 0,2 300 <0,1 Sommer k.A. k.A. 2.200 0,1 240 <0,1 Herbst k.A. k.A. 2.100 0,1 1.000 <0,1 Winter 70.000 2,6 4.200 0,2 850 <0,1
23.4.3 Bestandsentwicklung Durch intensive Verfolgung der Silberm wen kam es in Mitteleuropa im Laufe des 19. Jh. zu einem starken Bestandsr ckgang. In den 1930er Jahren wurden nach einem drastischen Anstieg wieder sehr hohe Brutbestände erreicht (BAUER & BERTHOLD 1997). Danach fand erneut eine starke Verfolgung der Silberm wen an der Nordsee- k ste statt, zunächst während des Zweiten Weltkrieges, später durch sogenannte bestandsregulierende Maßnahmen zum Schutz von Seeschwalben und anderen See- und K stenvogelarten (THIESSEN 1986, GARTHE et al. 2000b). Nach Ende dieser Bestandsregulierung Anfang der 1970er Jahre stiegen die Brutbestände an der deutschen Nordseek ste bis Mitte der 1980er Jahre wieder deutlich an; seit Anfang der 1990er Jahre nehmen die Bestände aber wiederum leicht ab (GARTHE et al. 2000b, HÄLTERLEIN et al. 2000). An der deutschen Ostseek ste waren Silberm wen bis Anfang der 1960er Jahre eher seltene Brutv gel. Nachfolgend kam es zu Bestandszunahmen, die in den 1990er Jahren am stärksten waren und zu deutlichen Zuwächsen auf ber 3.500 Paare um die Jahrhundertwende f hrten (HÄLTERLEIN et al. 2000, GARTHE et al. 2003a). Mit der Brutbestandszunahme in den 1970er und 1980er Jahren einhergehend stiegen auch die Rastbestände deutlich an (BELLEBAUM et al. 2000, ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN-
338 BRANDENBURGISCHER ORNITHOLOGEN 2001). In den 1990er Jahren stabilisierten sie sich und fluktuierten an der K ste ohne erkennbaren Trend bis Mitte des aktuellen Jahrzehnts auf hohem Niveau (Abb. 23-4). Im Binnenland setzte mancherorts ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre ein R ckgang ein (z.B. BELLEBAUM et al. 2000, FLORE 2006). Nach der deutschlandwei- ten Schließung der meisten M lldeponien f r unbehandelte organische Abfälle (inkl. Hausm ll) im Sommer 2005 wurde im darauf folgenden Winter vor allem im Binnenland ein R ckgang um rund 60 % festgestellt (WAHL & BELLEBAUM 2006).
Abb. 23-4: Indexwerte der Bestandsentwicklung von Silberm wen in Deutschland im Januar 1968-2005 nach den Daten der Wasservogelzählung relativ zum Basisjahr 1990 (zur Berechnung s. Kapitel II). F r das Binnenland ist keine ausreichende Daten- grundlage vorhanden.
23.5 Biologie / Ökologie 23.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: mit 4-7 Jahren, Weibchen wahrscheinlich später als Männchen Paarbildung: monogame Saisonehen, hohe Nistplatz- und Partnertreue Brutzeit: Legebeginn ab Mitte April, an der Nordseek ste Ende April, meist im Norden etwas später, bis Anfang Juli; Brutdauer 26-32 Tage Gelege: 2-3 Eier; 1 Jahresbrut, bis mind. 2 Nachgelege nachgewiesen, beide Eltern br ten K ken: beide Eltern bewachen und f ttern die K ken nach dem Schl p- fen, K ken sind etwa nach 35-49 Tagen fl gge, danach noch 19-27 Tage im Territorium der Eltern, um sich f ttern zu lassen
339 23.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 13 Jahre Ältester Ringvogel: mit 33 Jahren noch fortpflanzungsfähig Sterblichkeit: Adulte: etwa 10 % pro Jahr, z.T. niedriger, im 1. Lebensjahr ist Sterblichkeitsrate wesentlich h her. Bei einer Nachwuchsrate von 0,6 w rde es ausreichen, wenn nur 22 % der Silberm wen ein Al- ter von 5 Jahren erreichen
23.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser (Teilmauser) beginnt ab August und vollzieht sich bis März / April. Ende April des 2. KJs setzt die 1. Postnuptialmauser (Vollmauser) ein und ist im Oktober / November abgeschlossen. Adulte V gel beginnen mit der Vollmauser meist ab Mitte Mai, wobei ihre Handschwingenmauser schon während der Bebr tung einsetzt und ca. 4-6 Monate dauern kann. Subadulte V gel mausern etwas fr her und etwas rascher. Da M wen ihre Schwingen nicht synchron, sondern nacheinander erneuern, sind sie zu keiner Zeit in ihrem Flugverhalten eingeschränkt. Zwischen Januar und April erneuern Silberm wen während der Pränuptialmauser (Teilmauser) ihr K rpergefieder.
23.5.4 Wanderungen Silberm wen sind Teilzieher, die häufig Streuungswanderungen durchf hren. Diese Dispersionen sind offenbar bei Immaturen im 2. Winter am stärksten ausgeprägt. Die adulten V gel verlassen gleich nach dem Fl ggewerden der K ken die Kolonien, daher sind im Wattenmeer die H chstzahlen an Silberm wen im Spätsommer / Herbst zu verzeichnen. Ihre Winterareale erreichen Silberm wen meist ab November und bleiben dort bis Mitte Januar. Die im Nordseeraum im Winter vorkommenden Silberm wen stammen aus Skandinavien, Finnland und den Nordseeanrainer-Staaten. Die Brutv gel der Ostsee verbleiben auch im Winter zu 75 % dort, während 20 % ins Binnenland und 5 % in die Nordsee abwandern. Immature V gel suchen entweder später die Kolonie auf oder bersommern abseits ihres Geburtsortes. Die V gel der Form „omissus“ sind meist Kurzsteckenzieher, die ihre Brutgebiete meist ab Ende Juli räumen, Nachz gler folgen bis spätestens Oktober. Der Heimzug von Brutv geln beginnt im März, während Nichtbr ter meist den Sommer zwischen Brut- und Wintergebiet verbringen.
340 23.5.5 Habitat Silberm wen kommen zu allen Jahreszeiten bevorzugt an K sten vor, jedoch sieht man sie im Winter häufig auch an M lldeponien weit im Binnenland. Abseits von Deponien bzw. den oft nahe gelegenen Schlafplätzen sind sie jedoch selten in gr ßerer Zahl anzutreffen. Im Winter sind Silberm wen auch auf der offenen See relativ weit verbreitet. Ihre Brutplätze befinden sich oft in D nen, in lockerem Gras, auf Kiesstränden oder Felsinseln (zur Verbreitung s. Kapitel 23.4.1). Im k stennahen Binnenland, z.B. an Orten entlang der Ostk ste Schleswig-Holsteins, k nnen zunehmend Dachbruten beobachtet werden. Des Weiteren br ten Silberm wen an einigen Seen im Binnenland.
23.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Silberm wen nutzen zahlreiche Nahrungshabitate. Am häufigsten kommen sie allerdings in K stennähe vor und nutzen dort vor allem den k stennahen Offshore- Bereich und das Wattenmeer. Im k stennahen Binnenland treten Silberm wen mit geringeren Zahlen auf. Im Binnenland oder im Wattenmeer suchen Silberm wen meist schreitend oder durch Fußtrampeln nach Nahrung. Im Offshore-Bereich zeigen sie am häufigsten flaches Sturztauchen, nehmen pickend im Schwimmen kleinere Partikel auf und fressen häufig im Schwimmen an gr ßeren Nahrungsobjekten (oft auch an Aas). Obwohl die meisten Silberm wen tagaktiv sind, zeigen sie an der Nordseek ste ein tidenabhängiges Aktivitätsmuster. Dabei fliegen die meisten Individuen um Niedrig- wasser von der Kolonie in die Gezeitenzone zur Nahrungsaufnahme (z.B. SPAANS 1971, SIBLY & MCCLEERY 1983, GALUSHA & AMLANER 1977, GARTHE et al. 1999). Von allen M wenarten sind Silberm wen am häufigsten auf M lldeponien anzutreffen und nutzen dort intensiv anthropogene Nahrung (z.B. SPAANS 1971, VERBEEK 1977, SIBLY & MCCLEERY 1983, PONS 1994, MARKONES & GUSE 2007). SIBLY & MCCLEERY (1983) wiesen nach, dass Silberm wen je nach Verf gbarkeit von Beuteorganismen zwischen terrestrischen (Wiesen mit Regenw rmern), tideabhängi- gen (Litoral mit Mollusken) und anthropogenen (M llhalden) Habitaten wechseln. Generell fressen Silberm wen hauptsächlich Wirbellose aus der Gezeitenzone. Oberflächennah lebende Muscheln sowie Strandkrabben (Carcinus maenas) sind die wichtigsten Beuteorganismen. In geringeren Mengen werden Fische erbeutet. Nordsee Die Nahrung von Silberm wen in den Kolonien des Wattenmeeres setzt sich berwie- gend aus Muscheln und Strandkrabben zusammen. Fische und terrestrische Nahrung
341 werden nur selten aufgenommen. Auf Helgoland werden allerdings häufiger Fische gefressen.
DERNEDDE (1993) untersuchte von August bis Dezember des Jahres 1991 im K nigshafen auf Sylt gesammelte Speiballen von Silberm wen. Die Nahrung variierte stark im Verlauf des Jahres. Es wurden aber am häufigsten Strandkrabben gefressen (in einigen Monaten in > 80 % der Proben enthalten), gefolgt von Miesmuscheln (Mytilus edulis; bis 60 %) und Amerikanischen Schwertmuscheln (Ensis directus; > 20 %). Andere Crustaceen sowie Seesterne, Fische und M ll dienten nicht so häufig als Nahrung (< 10 %). Fische traten in geringeren Mengen auf; es dominierten Dorsch (Gadus morrhua), Wittling (Merlangius merlangus) und Plattfische (Pleuronectidae).
Auch GARTHE et al. (1999) fanden eine Dominanz von marinen Wirbellosen: In den während der Inkubations- und K kenaufzuchtsphase des Jahres 1994 gesammelten Speiballen in einer Kolonie auf Amrum dominierten Muscheln (Cerastoderma spec.) (64 % während Inkubation; 30 % während K kenaufzucht). Als zweitwichtigste Nahrungskomponente traten Strandkrabben auf (28 % während Inkubation; 27 % während K kenaufzucht). Während der letztgenannten Phasen gewannen Schwimm- krabben (Liocarcinus spec.) an Bedeutung (23 %). Fisch sowie terrestrische Nahrung spielte keine nennenswerte Rolle.
KUBETZKI & GARTHE (2003) analysierten 1997 gesammelte Speiballen aus der Inkubations- und K kenaufzuchtsphase auf Juist und aus der Inkubationsphase auf Amrum. Auch hier dominierten Muscheln die Nahrung. Auf Juist war die Miesmu- schel (70 % während Inkubation; 52 % während K kenaufzucht) am wichtigsten, während auf Amrum Herzmuscheln (63 %) am häufigsten gefressen wurden. Andere Muscheln spielten in beiden Kolonien eine untergeordnete Rolle. Crustaceen hatten eine h here Bedeutung auf Amrum. Hier ist die Schwimmkrabbe erwähnenswert, die in 22 % aller Proben nachgewiesen wurde. Fisch und terrestrische Nahrung waren f r Silberm wen in beiden Kolonien kaum relevant.
DIERSCHKE & HÜPPOP (2003) analysierten währende der Brutphase im Jahr 2000 gesammelte Ausw rgungen und Speiballen von Silberm wenk ken auf Helgoland. Im Gegensatz zu den Kolonien des Wattenmeeres stellte Fisch hier die Hauptnahrung dar. Dabei machte nat rlich erbeuteter Fisch einen Anteil von 25-40 % aus, wohingegen Discardfisch eine Häufigkeit von 28-52 % erreichte. In der letztgenannten Kategorie dominierten Gadiden, während bei den nat rlich erbeuteten Fischen Sandaale (Ammodytidae) sowie Clupeiden eine wichtige Rolle spielten. Neben Fischen waren Crustaceen eine wichtige Beutequelle. Hier dominierten Strandkrabben (4-32 %) und Schwimmkrabben (9-19 %). In weitaus geringeren Mengen kamen andere marine Wirbellose, wie der Gemeine Seestern (Asterias rubens) oder Muscheln in der
342 Nahrung vor. Der hohe Anteil an Fischen in der Nahrung ist in der s dlichen Nordsee scheinbar ein Charakteristikum f r Helgoland. Auch ältere Studien von den Wattenmeerinseln der Nordsee weisen bereinstimmend auf die hohe Bedeutung von Mollusken und Crustaceen in der Silberm wennahrung hin, wohingegen terrestrischer Nahrung und Fisch eine weitaus geringere Bedeutung zukommt (z.B. EHLERT 1957, FOCKE 1959, EHLERT 1961, WIETFELD 1977, PRÜTER et al. 1988).
Studien von K stenkolonien aus Großbritannien (z.B. SIBLY & MECCLEERY 1983, KIM & MONAGHAN 2006) und aus den Niederlanden (z.B. SPAANS 1971, NOORDHUIS & SPAANS 1992) deuten auf eine ähnlich hohe Bedeutung von Mollusken und Crustaceen hin, wie dies in den Studien der deutschen Nord- und Ostseek ste gefunden wurde. Ostsee Auch an der Ostseek ste erbeuten Silberm wen hauptsächlich Muscheln und Crustaceen. Sie fressen hier aber im Gegensatz zur Nordsee etwas mehr Schnecken und M ll sowie Discardfisch.
GARTHE et al. (2003c) untersuchten Speiballen aus der Kieler F rde, die in den Jahren 1995-1996 (kalter Winter) und 1997-1998 (warmer Winter) sowie im Fr hling 1996 gesammelt wurden. Es gab keine deutlichen Unterschiede in der Nahrung zwischen den warmen und kalten Wintern. In allen beprobten Zeiträumen dominierten Muscheln (jeweils Mittelwert aus allen Beprobungen: 93 %; hauptsächlich Miesmuscheln) und Schnecken (35 %; hauptsächlich die Gattung Littorina) sowie Crustaceen (11 %; hauptsächlich Strandkrabben). Außerdem war in relativ vielen Proben M ll (14 %) und Pflanzenmaterial zu finden.
GARTHE & SCHERP (2003) beprobten Speiballen von zwei Silberm wenrastplätzen der Ostsee (Laboe und Warnem nde) von September-Oktober des Jahres 1998. Auch hier dominierten Muscheln (Mittelwerte beider Rastplätze: 87 %). Miesmuscheln stellten die wichtigste Beutekomponente dar. Schnecken traten mit einer Häufigkeit von 30 % (Laboe) und 7 % (Warnem nde) auf. Nur in Warnem nde war Fisch von gr ßerer Bedeutung (28 %). Dabei bestand der Großteil der Fische aus Arten, die mit großer Wahrscheinlichkeit hinter Fischkuttern erbeutet wurden. M ll machte mit 23 % einen weiteren wichtigen Bestandteil in der Nahrung der Silberm wen von Warnem nde aus. In einer Binnenlandskolonie am Großen Pl ner See wurden von 1979-1982 im April- Mai Silberm wen erschossen und deren Mageninhalte analysiert (DEMUTH 1983). Den Hauptanteil der Nahrung stellten Fische aus dem See (77 %) sowie Insekten (34 %)
343 dar. Unter den Fischen dominierte die Pl tze (Rutilus rutilus) (16 %) und der Flussbarsch (Perca fluviatilis) (12 %). Weitere andere S ßwasserfische sowie S ßwassermuscheln kamen in geringeren Häufigkeiten vor. Bedeutung von Fischerei Silberm wen sind regelmäßig und in großen Anzahlen hinter Fischereifahrzeugen anzutreffen. Auf der Nordsee ist die Silberm we die dominierende Art hinter Garnelenkuttern, wo sie von allen Arten den h chsten Erfolgsindex beim Erbeuten von Discard zeigte (WALTER & BECKER 1994, 1997). An Kuttern im Offshore-Bereich erreichten Silberm wen von allen dem Schiff folgenden Vogelarten einen mittleren Erfolgswert f r das Erbeuten von Discard (GARTHE & HÜPPOP 1998). Der Erfolgsin- dex f r das Stehlen von Beuteorganismen lag ebenfalls im mittleren Bereich. Aufgrund ihrer k stennäheren Verbreitung (GARTHE & HÜPPOP 1994) muss der Discard der Garnelenfischerei als besonders relevante Nahrungsquelle f r Silberm - wen in der Nordsee eingestuft werden. Nach neu erhobenen Daten kann es hier zu einer Konkurrenzsituation mit Heringsm wen kommen, die in den vergangenen Jahren ihre Verbreitungsschwerpunkte mehr in Richtung K ste verschoben haben und dort inzwischen häufiger hinter Garnelenkuttern auftreten (FTZ unver ffentl.). Ohne Zweifel ist aber zumindest f r die Brutv gel von Helgoland die k stenfernere Fischerei auch von hoher Bedeutung: HÜPPOP & WURM (2000) konnten zeigen, dass Silberm wen auf Helgoland während des Winters eine deutliche Abhängigkeit zur Kabeljaufischerei zeigten. 83-87 % aller Speiballen enthielten Discardfische. Die K rperkondition der Silberm wen verschlechterte sich, als die Fischerei f r einige Tage eingestellt wurde.
23.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Silberm wen sind sowohl tags ber als auch in der Dämmerung und nachts aktiv. Sie sind sehr gute Gleit- und Segelflieger, laufen und schwimmen aber auch häufig. Im Vergleich zur Heringsm we (Larus fuscus) haben sie eine geringere Fl gelspannweite und sind dadurch nicht so gut an sehr lange Nahrungsfl ge angepasst und etwas weniger wendig (VERBEEK 1977, CAMPHYUSEN 1995b).
23.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten
23.6.1 Gefährdungsursachen Silberm wen sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung
344 - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung, Beleuchtung) - Verfangen und Ertrinken in oberflächennahen Driftnetzen (Ostsee) Im Brutgebiet treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - Prädation durch Säugetiere, durch anthropogen bedingte Landschaftsverände- rungen wesentlich verstärkt (v.a. Ostsee) - Kontamination mit Umweltgiften - Direkte Verfolgung (bestandsregulierende Maßnahmen zum Schutz anderer K stenvogelarten: Gelegezerst rung, Eiersammeln, Abschuss, Vergiftung)
23.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Silberm wen gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Silberm wen sind vergleichsweise wenig empfindlich gegen ber den meisten anthropogenen Nutzungen und Gefährdungen auf See. So weisen sie eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.) und sind wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Vielmehr halten sich Silberm wen bei der Suche nach Nahrung häufig in unmittelbarer Nähe zu Schiffen auf und zählen zu den häufigsten Schiffsfolgern hinter Fischereifahrzeugen (z.B. CAMPHUYSEN 1995b, GARTHE & HÜPPOP 1998, GARTHE & SCHERP 2003). Da Silberm wen im Vergleich zu vielen anderen Seevogelarten relativ wendige Flieger mit einer hohen Man vrierfähigkeit sind, ist auch die Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore- Windenergieanlagen, als gering einzustufen. Der Wert im Windenergie- Sensitivitätsindex liegt im unteren Bereich aller untersuchten Arten (GARTHE & HÜPPOP 2004). Dennoch ist zu beachten, dass es insbesondere bei schlechten Sichtbedingungen zu Kollisionen mit technischen Bauwerken kommen kann, da Silberm wen eine hohe Flugaktivität auf See aufweisen, nachts flugaktiv sind und oft in H he der Rotoren fliegen. Silberm wen erwerben ihre Nahrung auf See durch Aufnahme von Beuteobjekten an der Wasseroberfläche, im Flug oder durch flaches Stoßtauchen. Dabei erreichen sie wahrscheinlich meist nur Tiefen bis etwa 0,5 m. Daher ist die Gefahr, dass sie sich in den meist tiefer ausgebrachten bodennahen Stellnetzen verfangen und ertrinken k nnen, gering. Allerdings kann es zu Verlusten in oberflächennahen Kiemennetzen f r den Lachsfang kommen, wie von SCHIRMEISTER (2003) f r die Pommersche Bucht beschrieben. Hier ist davon auszugehen, dass die Netze einen Attraktionseffekt auf die
345 M wen aus ben k nnen und sie beim Versuch, gefangene Fische aus den Netzen zu erbeuten, sich in diesen verfangen. Da sich Silberm wen häufig schwimmend auf See aufhalten, besteht die Gefahr der Ver lung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichen- de“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Da sie aber, verglichen mit anderen Seev geln wie See- und Lappentauchern, Meeresenten oder Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil auf dem Wasser verbringen und – abgesehen von großen Ansammlungen hinter Fischereifahrzeugem – meist nicht in hohen Konzentrationen auftreten, ist die Gefahr der Kontamination einer großen Anzahl von Silberm wen deutlich geringer. An der deutschen Nordseek ste lag die Ver lungsrate im Winter 2000 / 01 und 2001 / 2002 bei 4,2 % (FLEET et al. 2003). Ölverschmutzung kann aber auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substan- zen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Silberm wen ernähren sich opportunistisch (vgl. Kapitel 23.5.6) und sind daher in der Lage, Nahrungsknappheit durch die Nutzung eines breiten Artenspektrums und verschiedener Beutegr ßen weitgehend zu entgehen. Zudem haben sie sich zunehmend anthropogene Nahrungsquellen erschlossen, insbesondere durch das Erbeuten von Fischereiabfall, ungenutztem Beifang sowie durch die Nahrungssuche auf M llkippen. Diese verlässlichen und leicht zu nutzenden Nahrungsquellen haben den Bestandsan- stieg der Silberm wen in den letzten 20 Jahren unterst tzt (z.B. GARTHE et al. 2000b). Vor allem seit den 1990er Jahren kam es jedoch zu einer Reduktion von Discards in vielen Teilen der Fischerei, was bei den gewachsenen Beständen von Silberm wen und anderen M wenarten zumindest lokal zu einer Nahrungsverknappung gef hrt haben d rfte. Dies kann in einigen Gebieten eine erh hte Prädation von Seeschwal- benk ken und K ken anderer M wenarten durch Silberm wen zur Folge haben. KUBE et al. (2005b) beschreiben f r die Wismarbucht (s dwestliche Ostsee) im Jahr 2003 eine erh hte Prädation von Lachm wenk ken durch Silberm wen zu einer Zeit, in der die Schleppnetzfischerei auf Dorsch verboten war. Auf den Shetland-Inseln nimmt die Prädation von Seev geln durch Skuas bei Abnahme der Discard-Menge aus der Schleppnetzfischerei deutlich zu (insbesondere bei gleichzeitig verringerter Verf g- barkeit kleiner, pelagischer Schwarmfische) und stellt m glicherweise eine erhebliche
346 Bedrohung f r einzelne Seevogelpopulationen dar (FURNESS 1997, VOTIER et al. 2004). Aus diesem Zusammenhang wird auch ersichtlich, dass der Erhalt der Bestände kleiner pelagischer Schwarmfischarten als nat rliche Nahrungsquelle dringend erforderlich ist. Untersuchungen auf Helgoland im Winter 1997 / 98 belegten eine Reduktion der Rastzahlen und der K rpermasse von Silberm wen in Zeiten ohne oder mit verringertem Fischereiaufwand und Discardaufkommen und zeigen somit einen direkten Zusammenhang zwischen der Verf gbarkeit von Discard und der Anzahl sowie Kondition von Silberm wen (HÜPPOP & WURM 2000). Untersuchungen von DIERSCHKE & HÜPPOP (2003) zur Brutzeit auf Helgoland ergaben hingegen einen hohen Anteil nat rlich erworbener Beute im Nahrungsspektrum von Silberm wen. M glicherweise k nnen sich Silberm wen im Sommer bei Änderung der Nahrungsbe- dingungen durch Reduktion von Discard leichter auf nat rliche Nahrungsquellen umstellen, während es im Winter zu Nahrungsengpässen kommen kann. Die Nah- rungsknappheit im Winter k nnte auch durch die k rzlich vollzogene Schließung der M lldeponien verstärkt werden, die von Silberm wen an der deutschen Nordseek ste im Winter als zusätzliche Nahrungsquellen genutzt wurden. F r Kolonien in Großbri- tannien und den Niederlanden wurde vielfach die Abhängigkeit von Silberm wen von M ll als Nahrungsquelle und die Abnahme des Bruterfolges nach deren Wegfall beschrieben (siehe MITCHELL et al. 2004). Trotz opportunistischer Ernährung k nnen sich gravierende Änderungen in der Nahrungsverf gbarkeit daher durchaus auch f r Silberm wen bemerkbar machen. In den Niederlanden wurde eine Reduktion des nat rlichen Nahrungsangebotes f r Silberm wen durch die Abnahme der Anzahl von Miesmuschelbänken beschrieben (LEOPOLD et al. 2004). Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurden in Deutschland und anderen Ländern bestandslenkende Maßnahmen gegen Silberm wen und andere M wenarten durchge- f hrt, um die Bestände von K stenv geln wie z.B. Seeschwalben oder Regenpfeifern zu sch tzen. Dies f hrte in den 1950er Jahren zu einem Einbruch der Brutbestände der Silberm wen an der Nordseek ste. Die umfangreichen Eingriffe in Silberm wen- Kolonien haben jedoch nicht zum erhofften Anwachsen der Brutbestände anderer Arten gef hrt. Untersuchungen an Flussseeschwalben haben gezeigt, dass Silberm - wen den Bruterfolg dieser Art zwar lokal erheblich reduzieren k nnen, dass jedoch Verluste durch Prädation durch M wen an Bedeutung f r die gesamte Population der Flussseeschwalbe weit hinter anderen Faktoren wie Witterung, Ernährungssituation, nat rliche Sukzession oder Überflutung der Brutplätze zur ckstehen. Auch bei anderen K stenvogelarten sind M wen nicht der entscheidende Grund f r deren R ckgang, der somit langfristig auch nicht durch Bestandsregulierung von M wen aufgehalten werden kann. Nach Einstellung der M wenbekämpfung Mitte der 1970er Jahre haben trotz starker Zuwachsraten der M wenbestände auch die Seeschwalben
347 wieder zugenommen. Der Brutbestand und Bruterfolg von Silberm wen kann zudem auch durch umfangreiche Eingriffe nicht dauerhaft gesenkt werden. Vielmehr kann dadurch die dichteabhängige Selbstreduktion in den Kolonien reduziert werden, was zu vermehrter Immigration von Neuansiedlern, einer Konditionsstärkung br tender Silberm wen oder einer Verringerung des Erstbrutalters f hren kann (BECKER & ERDELEN 1986, 1987). Silberm wen beginnen meist zwischen dem 4. und 7. Lebensjahr mit der Fortpflan- zung und haben nur eine Brut pro Jahr. Adulte Tiere haben eine sehr hohe Überlebens- rate, die Anzahl von Jungv geln ist jedoch relativ gering. Durch das Reproduktionspo- tential k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Mehr als die Hälfte des Weltbestandes von Silberm wen br tet in Europa, wo ihr Status nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft wird. Als Brutvogel ist die Art in Deutschland derzeit nicht auf den Roten Listen aufgef hrt (Tab. 23-4). Da sich in den letzten Jahren jedoch eine Bestandsabnahme bemerkbar macht, ist eine sorgfältige Überwachung der Bestandsentwicklung in den Kolonien n tig, um m gliche Schutzmaßnahmen fr hzeitig einleiten zu k nnen.
Tab. 23-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Silberm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + + + + + + + Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA - Non-SPECE - II -
23.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zum Schiff sind vom Flugzeug aus keine detaillierten Verhaltensbeobachtungen m glich K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
23.8 Forschungsbedarf - Auswirkungen verschiedener Winterhärten auf die räumliche Verteilung und Stärke der Rastbestände
348 - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Austausch zwischen Offshore-, K sten- und Binnenland-Beständen außerhalb der Brutzeit - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
349 24 Heringsm we
Larus fuscus Linnaeus 1758
GB: Lesser Black-backed Gull NL: Kleine Mantelmeeuw
DK: Sildemåge Foto: S. Garthe S: Silltrut AAbb. 24-1: Heringsm we im PK PL: Mewa ż ltonoga
24.1 EU-Code A183
24.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Laridae - M wen
24.3 Kennzeichen Großm we mit schwärzlich-grauer Oberseite, Farbton variiert je nach Unterart. Schmaler, weißer Fl gelhinterrand, Armfl gel von unten gesehen dunkel und nicht durchscheinend, Beine gelb. Vierjahres-M we, schwärzliche Oberseite erscheint ab dem 2. Winter. Im Jugendkleid oberseits sehr dunkel, Oberschwanzdecken kontrast- reich hell, breite schwarze Schwanzendbinde. Verwechslungsm glichkeiten: Adulte V gel mit adulten Mantelm wen. Heringsm we aber kleiner, mit schlankerem K rper und längeren, spitzeren Fl geln. Schmaler, weißer Fl gelhinterrand geht nicht in weiße Fl gelspitzen ber. Schnabel weniger kräftig, Beine bei adulten Tieren gelb (bei Mantelm we fleischfarben). Im JK und 1. WK mit junger Silberm we. Hauptunterscheidungsmerkmal ist der innere Handfl gel, der bei jungen Heringsm wen ganz dunkel ist, bei jungen Silberm wen hingegen ein helles Feld bildet. Junge Heringsm wen sind zudem kleiner und langfl gliger und häufig auch insgesamt dunkler gefärbt, die Schwanzendbinde bildet meist einen scharfen Kontrast zu den Oberschwanzdecken. Im JK und 1. WK mit junger Mantelm we. Heringsm wen sind deutlich schlanker, der Schnabel ist im Profil flacher; sie sind insgesamt dunkler und weniger kontrastreich gefärbt, der Handfl gel ist spitz auslaufend und ganz dunkel, bei jungen Mantelm wen hingegen breiter und mit hellem Handschwingenfeld. Die Schirmfederspitzen junger
350 Heringsm wen sind schmal hellspitzig, bei jungen Mantelm wen haben sie breite weiße Spitzen. Des Weiteren mit Mittelmeer- und Steppenm wen, vor allem im JK und in den ersten Jahren, in denen die Bestimmung von Großm wen generell schwierig ist.
24.4 Verbreitung 24.4.1 Welt / Europa Heringsm wen sind von W-Europa (Island bis Spanien) bis NW-Russland verbreitet. Sie werden in der Literatur in zwei bzw. drei Unterarten aufgeteilt: L. f. fuscus br tet in Schweden und von N-Norwegen ostwärts bis ans Weiße Meer. Während des Zuges in die ostafrikanischen Winterquartiere werden sie regelmäßig an der deutschen K ste und gelegentlich im Binnenland Deutschlands beobachtet (v.a. in den stlichen Landesteilen). L. f. graellsii br tet von SW-Gr nland, Island, Großbritannien / Irland ber Frankreich bis zur Iberischen Halbinsel. Eine Hybridpopulation zwischen L. f. fuscus und L. f. graellsii, die als L. f. intermedius bezeichnet wird und deren taxonomischer Status noch umstritten ist, stellt den berwiegenden Anteil der Brutv gel des Nordseebereichs von den Niederlanden ber Dänemark bis S-Norwegen dar. Diese V gel berwintern wie L. f. graellsii großteils vor W-Europa und W-Afrika. Die Brutv gel N-Russlands ( stlich des Weißen Meeres) wurden j ngst als Tundram wen (L. heuglini) in den Artstatus erhoben (YÉSOU 2002). Der globale Brutbestand der Heringsm wen wird nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) auf 910.000-1,07 Mio. Individuen geschätzt. In Europa br ten von den hier genannten Unterarten insgesamt ca. 300.000-350.000 Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Bei den in Europa vorkommenden Heringsm wen werden – entsprechend den drei Unterarten – drei biogeografische Populationen unterschieden (Tab. 24-1).
351 Tab 24-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden Unterarten der Heringsm wen (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium N-Norwegen, O- O-Afrika Schweden, O- s dlich bis Dänemark, Tansania abneh- L. f. fuscus - 55.500 550 Finnland, Estland, (+ wenige mend W-Russland stl. auch in SW- bis Weißes Meer Asien) SW-Gr nland, Island, Fär er Inseln, Irland, W-Europa 530.000- zuneh- L. f. graellsii - 5.550 Großbritannien., bis W-Afrika 570.000 mend Belgien, Frankreich S-Norwegen, W- Schweden, Dänemark, L. f. W-Europa 325.000- zuneh- - Deutschland, 3.800 intermedius bis W-Afrika 440.000 mend Niederlande, Spanien (Ebro Delta)
24.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, seltener Wintergast, Durchz gler. Die in Deutschland vorkommenden Heringsm wen geh ren zum gr ßten Teil der Unterart L. f. intermedius an. Selten werden Individuen der Unterart L. f. fuscus beobachtet und nur in Ausnahmefällen Individuen der Unterart L. f. graellsii (NOESKE 1989, GARTHE et al. 2000b).
In Deutschland br ten etwa 34.000 Paare Heringsm wen (KOFFIJBERG et al. 2006, Bezugszeitraum: 2001; GARTHE et al. 2003a, Bezugszeitraum: 2000). Die Brutplätze befinden sich fast ausschließlich an der Nordseek ste (29.075 Paare, Bezugszeitraum 2001, KOFFIJBERG et al. 2006), jedoch nimmt die Zahl der an der Ostsee br tenden V gel in den letzten Jahren zu; im Jahr 2007 betrug der Brutbestand bereits ber 40 Paare (FTZ unver ffentl.). Auch aus den Seevogel-Erfassungen auf See wird die unterschiedliche Nutzung von Nord- und Ostsee bestätigt. Heringsm wen halten sich in zum Teil sehr hohen Dichten bevorzugt in k stennahen Bereichen der Nordsee auf, während in der Ostsee nur geringe und verstreute Vorkommen beobachtet werden (Abb. 24-2). In den Wintermonaten werden Heringsm wen auf See meist k stenferner als zur Brutzeit und nur in sehr geringer Anzahl beobachtet. Während der Zugzeiten treten Heringsm wen auch im Binnenland regelmäßig auf. Vor allem vor der Schließung vieler M lldeponien im Juni 2005 bersommerten lokal mehrere hundert Individuen (DEUTSCH et al. 1996). Im Winterhalbjahr werden im Rahmen der
352 landgest tzten Zählungen nur sehr geringe Bestände erfasst, die nur in milden Wintern wenige hundert Individuen umfassen (Abb. 24-3). Im Zuge der Brutbestandszunahme der Art an der deutschen Nordseek ste sind auch die Abundanzen auf See angestiegen (GARTHE & SCHWEMMER 2005). Auf Basis der geringen Anzahlen die ber die Wasservogelzählungen erfasst werden, lassen sich keine Aussagen zur langfristigen Bestandsentwicklung treffen. Nordsee Die Heringsm we ist eine der häufigsten Brutvogelarten der deutschen Nordseek ste. Im Fr hjahr ist die Verbreitung auf See sehr weiträumig und erstreckt sich entlang des gesamten K stengebietes sowie weit in den Offshore-Bereich hinein, insbesondere n rdlich der Ostfriesischen Inseln. Während des Sommers erh hen sich die Gesamt- dichten im Vergleich zum Fr hjahr nochmals deutlich. Die k stennahen Schwerpunkte verlagern sich dann noch stärker landwärts und somit in Richtung der Brutkolonien, doch auch in weiten Teilen des Offshore-Bereiches halten sich sehr hohe Anzahlen auf. Seit Anfang der 1990er Jahre hat es eine Verlagerung der Verbreitungsschwer- punkte während der Brutzeit gegeben, offensichtlich als Reaktion auf veränderte Nahrungsverf gbarkeit in der Deutschen Bucht (SCHWEMMER & GARTHE 2005). Im Herbst nimmt die Dichte von Heringsm wen im Untersuchungsgebiet gegen ber dem Sommer ab. Die Verbreitung gestaltet sich etwas gleichmäßiger und dehnt sich noch weiter in die Offshore-Gebiete aus, wohingegen die hohen Dichten im K stengebiet etwas zur ckgehen. Im Winter werden nur noch sehr vereinzelt Individuen nachgewie- sen. Im SPA „Östliche Deutsche Bucht“ k nnen während des gesamten Jahres Herings- m wen beobachtet werden, vor allem zwischen Fr hjahr und Herbst (Tab. 24-2).
Tab. 24-2: Rastbestandszahlen der Heringsm wen f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum: 1996-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind.. Da die auf der Nordsee vorkommenden Heringsm wen in der Regel zur Unterart intermedius geh ren, wird der prozentuale Anteil auf den Bestand dieser Unterart bezogen. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 41.000 10,7 14.500 3,8 1.000 0,3 Sommer 76.000 19,9 29.000 7,6 1.600 0,4 Herbst 33.000 8,6 14.500 3,8 1.100 0,3 Winter 1.200 0,3 550 0,1 III <0,1
353
Abb. 24-2: Verbreitung der Heringsm wen auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nord- see: 1990-2006; Ostsee: 2000-2006).
Abb. 24-3: Verbreitung der Heringsm wen in Deutschland im Januar, basierend auf den Daten der Wasservogelzählung (Kreise) sowie der M wen-Schlafplatzzählung (Quadrate, gleiche Skalierung). Dargestellt ist der Mittelwert der Mittwinterzählungen 2000- 2005 sowie der Schlafplatzzählungen 2004-2006.
354 Ostsee Heringsm wen halten sich in sehr geringer Anzahl auf der deutschen Ostsee auf. Im Herbst kommen sie verstreut im K sten- und Offshore-Bereich der Pommerschen Bucht vor. Im SPA „Pommersche Bucht“ k nnen im Sommer und Herbst regelmäßig einzelne Heringsm wen beobachtet werden.
Tab. 24-3: Rastbestandszahlen der Heringsm wen f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2006; Bezugszeitraum: 2000-2005). Gr ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): I: 1-5, III: 11-50 Ind.. Da die auf der Ostsee vorkommenden Heringsm wen in der Regel zur Unterart inter- medius geh ren, wird der prozentuale Anteil auf den Bestand dieser Unterart bezo- gen. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr 60 <0,1 III <0,1 0 0,0 Sommer 160 <0,1 100 <0,1 III <0,1 Herbst 130 <0,1 50 <0,1 I <0,1 Winter III <0,1 0 0,0 0 0,0
24.4.3 Bestandsentwicklung Die beiden Unterarten L. f. fuscus und L. f. graellsii zeigen gegenläufige Bestands- trends. L. f. fuscus hat in allen Ländern des Brutgebietes seit Mitte der 1960er Jahre zum Teil deutlich abgenommen. Die Brutplätze im russischen Binnenland sind vollständig aufgegeben worden, am Weißen Meer sind nur wenige hundert Brutpaare verblieben. Die in Europa häufigere Unterart L. f. graellsii, inklusive L. f. intermedius, hat hingegen deutlich zugenommen. Trotz der bereits 1927 erfolgten Ansiedlung von vermutlich L. f. intermedius im deutschen Wattenmeer blieb der Bestand bis 1970 unter 100 Paaren. Danach erfolgte ein exponentielles Wachstum, das fast bis zur Jahrhundertwende anhielt, so dass mittlerweile der deutsche Brutbestand bei 34.000 Paaren liegt (KOFFIJBERG et al. 2006, Bezugszeitraum: 2001 und GARTHE et al. 2003a, Bezugszeitraum: 2000). An der Ostseek ste Mecklenburg-Vorpommerns br ten seit 1974 regelmäßig, aber nicht alljährlich, einzelne Paare. Die ersten Bruten an der schleswig-holsteinischen Ostseek ste wurden 2001 mit drei Paaren auf dem M wenberg (Schlei) festgestellt (GARTHE et al. 2003a).Die Zunahme ist vermutlich vor allem auf einen R ckgang der menschlichen Verfolgung sowie die einfachere Nahrungsverf gbarkeit durch Fischerei und M lldeponien zur ckzuf hren (HAGEMEIJER & BLAIR 1997). F r den R ckgang
355 der fuscus-Population werden berfischte Fischbestände, Konkurrenz mit den Silber- m wen und menschliche St rungen verantwortlich gemacht (STRANN & VADER 1992).
24.5 Biologie / Ökologie 24.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: fr hestens mit 3 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, hohe Nistplatztreue, daher oft Wieder- verpaarungen Brutzeit: Legebeginn ab Ende April, meist Mai, im Norden etwas später, Brutdauer 26-31 Tage Gelege: 2-3 Eier; 1 Jahresbrut, Nachgelege m glich, beide Eltern br ten K ken: nach dem Schl pfen verlassen K ken schon nach wenigen Tagen das Nest, bleiben jedoch in der Nähe, sie sind nach 35-40 Tagen fl gge, beide Eltern betreuen und f ttern
24.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 11 Jahre Ältester Ringvogel: 31 Jahre 9 Monate Sterblichkeit: 9 % (WANLESS et al. 1996)
24.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser der jungen Heringsm wen (Teilmauser) beginnt Ende August. Die 1. postnuptiale Mauser (Vollmauser), bei der die Handschwingen nacheinander gemausert werden, setzt ab Mitte März ein, während die Postnuptial- mauser der Adulten etwa 2-3 Monate später beginnt. Meist wird diese Mauserphase im Winterquartier vor dem Heimzug beendet. Da Heringsm wen ihre Schwingen nicht synchron mausern, sind sie zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt.
24.5.4 Wanderungen Heringsm wen sind Teil-, Kurz- und Langstreckenzieher, wobei sie mittlerweile häufiger im Norden ihres Brutareals berwintern. Das Wintergebiet umfasst den N- Atlantik um Großbritannien / Irland, außerdem W-Europa, N-Afrika, Ostsee, Schwar- zes Meer, Mittelmeer, Vorderasien bis O-Afrika. Der Heimzug in die Brutgebiete setzt im März ein und erreicht im April seinen H hepunkt (FLORE 2006). Daher k nnen von März bis Anfang Oktober Heringsm - wen in der Deutschen Bucht k stennah beobachtet werden (MITSCHKE et al. 2001). Je
356 nach Brutgebiet und Unterart erfolgt der Wegzug zwischen Juli und November mit regional unterschiedlichen Maxima im August / September (W-Deutschland; DEUTSCH 1996, FLORE 2006) bzw. September / Oktober (O-Deutschland; ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN-BRANDENBURGISCHER ORNITHOLOGEN 2001). Die verschiedenen Unterarten zeigen unterschiedliche Zugstrategien, was Studien mit Satellitensendern zeigten: während ein Brutvogel Dänemarks (L. f. intermedius) Richtung SW bis nach Marokko flog und dabei meist nur 300 km pro Tag zur cklegte, sind zwei finnische V gel (fuscus) vom finnischen Meerbusen wahrscheinlich ohne Unterbrechung bis ins Schwarze Meer und dann weiter ins Nildelta und von dort direkt zum Viktoriasee (3.500 km) geflogen (KUBE et al. 2000).
24.5.5 Habitat Heringsm wen halten sich zu allen Jahreszeiten vorwiegend auf dem Meer oder in K stennähe auf. An der deutschen Nordseek ste liegen große Heringsm wenkolonien in D nengebieten (v.a. Weiß- und Braund nen), kleinere Kolonien etablieren sich zunehmend auch in Salzwiesen, an Flachk sten und auf vegetationsreichen K stenin- seln (zur Verbreitung s. Kapitel 24.4.1). Im Gegensatz zur Silberm we findet die Nahrungssuche kaum im Wattenmeer statt. Heringsm wen suchen oft in Entfernungen von 50-80 km (max. 135 km) zu den Brutkolonien berwiegend auf See nach Nahrung (NOORDHUIS & SPAANS 1992, CAMPHUYSEN 1995b, KUBETZKI & GARTHE 2003). Aktuelle Nahrungsuntersuchungen deuten darauf hin, dass im Vergleich zu fr heren Studien eine intensivere Nutzung von terrestrischen Nahrungshabitaten erfolgt (FTZ unver ffentl.). Flächige Kartierungen konnten allerdings bislang keine hohen Zahlen im k stennahen Binnenland nachweisen (SCHWEMMER & GARTHE unver ffentl.).
24.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Unter allen im deutschen Wattenmeer br tenden M wenarten hat die Heringsm we den gr ßten Aktionsradius und nutzt am intensivsten den Offshore-Bereich als Nahrungshabitat (z.B. CAMPHUYSEN 1995b, KUBETZKI & GARTHE 2003). Ihre Fl gelmorphologie (lange, schmale Fl gel) lässt sie gewandt und energiesparend ber große Distanzen fliegen (VERBEEK 1977, STRANN & VADER 1992, CAMPHUYSEN 1995b). Heringsm wen erwerben ihre Beute meist durch flaches Sturztauchen, wobei sie jedoch selten vollständig unter die Wasseroberfläche tauchen. In selteneren Fällen nehmen sie kleinere Nahrungspartikel im Flug oder schwimmend von der Wasserober- fläche auf. Im Gegensatz zu anderen M wenarten, die z.T. einen ausgeprägten Tidenrhythmus zeigen, ist die Aktivität von Heringsm wen am deutlichsten an die Tageszeit gekoppelt (GARTHE et al. 1999, SCHWEMMER & GARTHE 2005). Nachts
357 findet kaum Nahrungserwerb statt, obwohl Heringsm wen im Scheinwerferlicht von Fischereifahrzeugen nach Discard suchen (GARTHE & HÜPPOP 1996). Häufig sind Heringsm wen als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen anzutreffen (GARTHE & HÜPPOP 1994, SCHWEMMER & GARTHE 2005). Generell besteht ihre Nahrung berwiegend aus ungenutztem Fischereibeifang sowie aus nat rlich erbeuteten pelagischen Fischen und Krebsen. Nordsee Die Hauptnahrung der Heringsm wen in der Nordsee besteht aus „nat rlich“ erbeuteten Fischen, aus Fischen, die als Discard bei Fischereifahrzeugen erbeutet wurden, sowie aus Krebsen und zu einem geringeren Anteil aus Muscheln. Es liegen jedoch starke regionale Unterschiede in der Nahrungswahl zwischen Individuen verschiedener Brutkolonien vor. Generell dominieren an der deutschen Nordseek ste Crustaceen und Fisch, auf Helgoland und an der niederländischen K ste Fisch, wohingegen in Großbritannien Fisch und M ll am häufigsten gewählt wird.
GARTHE et al. (1999) untersuchten während der Brutsaison 1994-1995 Speiballen aus einer Kolonie auf Amrum. Die Hauptnahrung der Heringsm wen bestand aus Fischen, Krebsen und Muscheln und stammte somit hauptsächlich aus dem Offshore-Bereich bzw. von Fischkuttern.
KUBETZKI & GARTHE (2003) analysierten im Juni 1997 Speiballen und Kotproben von Heringsm wen auf Amrum (Inkubationsphase) und im Mai 1997 und Ende Juni 1997 auf Juist (Inkubationsphase und K kenaufzuchtsphase). Hauptbeuteorganismen waren auch hier Fische und Krebstiere aus der offenen See.
Im Gegensatz zu den Kolonien des Wattenmeeres fanden DIERSCHKE & HÜPPOP (2003) in hervorgew rgten Nahrungsresten von Heringsm wenk ken (2000-2002) auf Helgoland Fisch und kaum Krebse. In 76 % der Nahrungsproben wurden Fischereiab- fälle gefunden.
SCHWEMMER & GARTHE (2005) analysierten Speiballen adulter Heringsm wen von Norderney aus dem Jahr 2002 sowie von Amrum aus dem Jahr 2003 (jeweils zur Inkubation und K kenaufzucht). Auf Norderney dominierten Fische (45 % zur Inkubation; 28 % zur K kenaufzucht), während auf Amrum Schwimmkrabben (Liocarcinus spec.) am häufigsten auftraten (71 % Inkubationsphase; 78 % in der K kenaufzuchtsphase). Im Vergleich zu den oben genannten, fr heren Arbeiten auf Amrum (GARTHE et al. 1999, KUBETZKI & GARTHE 2003) erh hte sich der Anteil terrestrischer Nahrung (v.a. terrestrische Insekten, andere Bodenarthropoden und Pflanzenmaterial) deutlich. Dieser ansteigende Trend konnte auch in folgenden Jahren nachgewiesen werden (FTZ unver ffentl.).
358 In den Niederlanden wurde durch Speiballenanalysen von Heringsm wen auf Terschelling Fisch als häufigste Nahrung nachgewiesen (im Jahr 1985 mit 82 %; im Jahr 1986 mit 95 %, NOORDHUIS & SPAANS, 1992). Da es sich bei den Fischen hauptsächlich um demersale Arten handelte, vermuten die Autoren, dass die Nahrung im Wesentlichen aus Discard von Fischereifahrzeugen stammte. Eine weitere Studie aus den Niederlanden beleuchtet die Nahrungszusammensetzung von im Jahr 1992 gesammelten Speiballen auf verschiedenen Westfriesischen Inseln (SPAANS et al. 1994). Auch hier enthielten die Proben berwiegend Fisch (81 % im Mittel aller beprobten Kolonien).
PEARSON (1968) untersuchte zwischen 1961 und 1963 ausgew rgte Beutereste von Heringsm wenk ken und Adulten in einer Kolonie auf den Farne Islands (NE- England). In 74 % aller Proben konnte Fisch nachgewiesen werden, wobei Sandaale (Ammodytidae) dominierten. Marine Invertebraten kamen nicht vor, während terrestrische Invertebraten in 20 % der Proben vorhanden waren. Die häufigste Nahrungskomponente in Speiballen von Heringsm wen der britischen Kolonie Walney Island aus den Brutphasen der Jahre 2002-2003 war M ll (2002: in 36 % der Proben; 2003: 31 %) (KIM & MONAGHAN 2006). Mit jeweils etwa 30 % kam Fisch am zweithäufigsten in den Speiballen vor. Bedeutung von Fischerei Die Fischerei spielt f r die Ernährung der Heringsm wen eine bergeordnete Rolle: Heringsm wen folgen in großer Anzahl v.a. k stenfern Fischereifahrzeugen (SCHWEMMER & GARTHE 2005). GARTHE & HÜPPOP (1998) stellten fest, dass Heringsm wen im Vergleich zu den brigen untersuchten Arten sehr erfolgreich beim Erbeuten von ber Bord gegebenen Fischen sind. In der k stennäheren Garnelenfi- scherei spielten Heringsm wen in den 1990er Jahren noch keine bergeordnete Rolle (WALTER & BECKER 1994, 1997). Allerdings gibt es Hinweise, dass seit Ende der 1990er Jahre die Zahlen von Heringsm wen hinter Garnelenkuttern deutlich angestie- gen sind (FTZ unver ffentl.).
24.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Heringsm wen sind hauptsächlich tagaktiv. Das Verlassen der Kolonie f r Nahrungs- fl ge unterliegt einem klaren zeitlichen Muster mit Aktivitätsmaxima in den Morgen- und Abendstunden und einem Minimum in der Mittagszeit (SCHWEMMER & GARTHE 2005). Aber auch nachts k nnen mitunter hohe Zahlen hinter Fischereifahrzeugen beobachtet werden (GARTHE & HÜPPOP 1996).
359 Heringsm wen sind sehr gewandte Flieger (z.B. STRANN & VADER 1992). Meistens fliegen sie flach bis in mittlere H hen ber dem Wasser, selten hoch (81 % <50 m; DIERSCHKE & DANIELS 2003). Außerhalb der Brutzeit sind sie gesellig und oft in gemischten Trupps mit anderen Großm wen zu beobachten. Allerdings fliegen sie auf dem Zug meist alleine oder in kleinen Gruppen.
24.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 24.6.1 Gefährdungsursachen Heringsm wen sind in Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Ver lung - Verfangen und Ertrinken in oberflächennahen Kiemennetzen (Ostsee) - Reduktion des Nahrungsangebotes, z.B. durch Abnahme des Fischereiaufwan- des und Discard-Aufkommens
24.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Heringsm wen gegen ber ausgewähl- ten anthropogenen Faktoren Heringsm wen sind, zusammen mit weiteren M wenarten, vergleichsweise wenig empfindlich gegen ber den meisten anthropogenen Nutzungen und Gefährdungen auf See. So besitzen sie eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen (GARTHE et al. 2004, FTZ unver ffentl.) und sind wenig empfindlich gegen ber St rungen durch Schiffsverkehr. Vielmehr halten sich Heringsm wen bei der Suche nach Nahrung häufig in unmittelbarer Nähe zu Schiffen auf und sind somit einer der häufigsten Schiffsfolger in der Seezungen- und Schollenfischerei (GARTHE 1993c, FLORE 1999). Da Heringsm wen wendige Flieger sind und eine hohe Man vrierfähigkeit zeigen, ist die Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, als gering einzustufen. Der Wert im Windenergie- Sensitivitätsindex liegt im unteren Bereich aller untersuchten Arten (GARTHE & HÜPPOP 2004). Dennoch ist zu beachten, dass es insbesondere bei schlechten Sichtbedingungen zu einer Kollision mit technischen Bauwerken kommen kann, da Heringsm wen eine hohe Flugaktivität auf See zeigen, auch nachts flugaktiv sind und oft in H he der Rotoren fliegen. An k stennahen Windparks wurde Mortalität nachgewiesen (DIERSCHKE & GARTHE 2006). Heringsm wen erbeuten ihre Nahrung auf See nur an oder bis maximal einen halben Meter unter der Wasseroberfläche. Daher ist die Gefahr, dass sie sich in den meist
360 tiefer ausgebrachten bodennahen Stellnetzen verfangen und ertrinken k nnen, gering. Allerdings kann es zu Verlusten in oberflächennahen Kiemennetzen f r den Lachsfang kommen, wie von SCHIRMEISTER (2003) f r andere M wenarten in der Pommerschen Bucht beschrieben. Da sich Heringsm wen häufig schwimmend auf See aufhalten, besteht die Gefahr der Ver lung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichen- de“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Allerdings verbringen sie, verglichen mit anderen Artgruppen wie See- und Lappentauchern, Meeresenten und Alken, einen deutlich geringeren Zeitanteil schwimmend auf dem Wasser. Auch treten sie – abgesehen von großen Ansammlungen hinter Fischereifahrzeugen – meist nicht in hohen Konzentrationen auf, so dass die Gefahr der Kontamination einer großen Anzahl von Heringsm wen deutlich geringer ist. Ölverschmutzung kann aber auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsun- fälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Heringsm wen ernähren sich opportunistisch (vgl. Kapitel 24.5.6) und sind daher in der Lage, Nahrungsknappheit durch die Nutzung eines breiten Arten- und Beutegr - ßenspektrums weitgehend zu entgehen. Zudem haben sie sich zunehmend anthropoge- ne Nahrungsquellen erschlossen, insbesondere durch das Erbeuten von Discard. In den letzten Jahren konnten bei den Heringsm wen Veränderungen im Nahrungsspektrum beobachtet werden, die neben einem verringerten Discard-Angebot m glicherweise auch Änderungen in der Verf gbarkeit nat rlicher Nahrung im Meer widerspiegeln. So nutzen Heringsm wen einiger Kolonien deutlich weniger Fisch, sondern ernähren sich zu großen Teilen von Schwimmkrabben und terrestrischen Wirbellosen wie Regen- w rmern und Insekten (SCHWEMMER & GARTHE 2005). In einigen Kolonien spielt jedoch Discard weiterhin eine große Rolle, und es ist nicht ausgeschlossen, dass es bei weiterer Reduktion des ungenutzten Beifangs schließlich zu Nahrungsengpässen kommen kann (vgl. auch Silberm we). Bisher deuten die beobachteten Umstellungen in der Ernährung jedoch darauf hin, dass Heringsm wen auf Veränderungen der Nahrungssituation flexibel reagieren k nnen und somit derzeit nicht durch Nahrungs- verknappung gefährdet sind. Es ist denkbar, dass eine reduzierte Discardverf gbarkeit, insbesondere bei gleichzeitig verringerter Verf gbarkeit nat rlicher Nahrung,
361 Kleptoparasitismus an Seeschwalben und direkte Prädation von deren K ken zur Folge haben k nnte. Heringsm wen beginnen fr hestens im 3. Lebensjahr mit der Fortpflanzung und haben nur eine Brut pro Jahr. Adulte Tiere haben eine sehr hohe Überlebensrate, die Anzahl an Jungv geln ist jedoch relativ gering. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Heringsm wen sind mit ber 50 % ihres Weltbestandes auf Europa konzentriert, ihr Status wird dort nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) derzeit als „gesichert“ eingestuft. Als Brutvogel ist die Art in Deutschland derzeit nicht auf den Roten Listen aufgef hrt (Tab. 24-4). An der deutschen Nordseek ste stiegen die Bestände seit Mitte der 1980er Jahre stark an (GARTHE et al. 2000b), seit der Jahrhundertwende hat sich die Zuwachsrate jedoch an der Wattenmeerk ste verringert, in einigen Kolonien scheinen die Bestände in j ngster Zeit zu stagnieren (B. HÄLTERLEIN / NPA T nning, pers. Mitt.). An der deutschen Ostseek ste hingegen sind Heringsm wen erst seit kurzem alljährliche Brutv gel und dort derzeit erst mit wenigen Paaren vertreten.
Tab. 24-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Heringsm wen in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + + + + + + I Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA II Non-SPECE - - -
24.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Im Gegensatz zum Schiff sind vom Flugzeug aus keine detaillierten Verhaltensbeobachtungen m glich K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
24.8 Forschungsbedarf - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See?
362 - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Discard als Nahrungsquelle: Bedeutung, m gliche Abhängigkeit und Konsequenzen - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
363 25 Brandseeschwalbe Sterna sandvicensis Latham 1787 Synonym: Thalasseus sandvicensis
GB: Sandwich Tern NL: Grote Stern Foto: J.O. Kriegs DK: Splitterne Abb. 25-1: Brandseeschwalben im PK S: Kentsk tärna PL: Rybitwa czubata
25.1 EU-Code A191
25.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Sternidae - Seeschwalben
25.3 Kennzeichen Gr ßte heimische Seeschwalbe, schlank und schmalfl gelig, mit langem, schmalem, schwarzem Schnabel mit heller Spitze. Im PK mit hellgrauer Oberseite, weißer Unterseite und breit weißem Fl gelhinterrand sowie schwarzer Kopfkappe. Äußere, nachdunkelnde Handschwingen erzeugen im Sommer einen schwarzen Keil. Im SK ab Juni Stirn und Vorderscheitel weiß, helle Schnabelspitze kleiner oder fehlend. Im JK oberseits kräftig geschuppt, Scheitel braun gestreift mit dunkler Stirn, Schnabel dunkel, k rzer als bei adulten Tieren. Fl gel stärker gemustert als bei adulten Tieren, Schwanzseiten dunkel. Verwechslungsm glichkeiten: mit Fluss- und K stenseeschwalbe. Brandseeschwalbe gr ßer, wirkt heller, Schnabel schwarz, Schwanzgabel vergleichsweise kurz.
25.4 Verbreitung / Bestand 25.4.1 Welt / Europa Brandseeschwalben werden weltweit in zwei bzw. drei Unterarten aufgeteilt. In Europa (Eurasien) br tet nur die Nominatform. Ihr Brutbestand wird auf 82.000- 130.000 Paare geschätzt (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Die in der Karibik und in
364 N- und Mittelamerika br tende Unterart S. s. acuflavida bleibt auch im Winter in der Neuen Welt. WETLANDS INTERNATIONAL (2006) betrachten die Brandseeschwalben der s dlichen Karibik bzw. der Ostk ste S damerikas als eigene Unterart (S. s. eurygnatha), BAUER et al. (2005) fassen sie jedoch zusammen mit den anderen Brandseeschwalben als Superspezies zusammen. Der Weltbestand der Art beträgt nach WETLANDS INTERNATIONAL (2006) 490.000-636.000 Individuen. In den K stenregionen des n rdlichen Mitteleuropas sind Brandseeschwalben relativ häufige und weit verbreitete Brut- und Sommerv gel. Die westeuropäische Population, zu der die deutschen Brutv gel geh ren, br tet an der franz sischen Atlantikk ste, den K sten Irlands und Großbritanniens, der Nordsee und mit geringerem Bestand an der Ostsee. Am Mittelmeer existieren kleine Bestände in Frankreich, Spanien, Griechen- land und Italien. Als Winterquartier werden nach einem Zug entlang der afrikanischen Westk ste die Gebiete von Mauretanien bis S dafrika aufgesucht. Innerhalb der Nominatform k nnen zwei biogeografische Populationen in Europa unterschieden werden (Tab. 25-1).
Tab. 25-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeografi- schen Populationen der Brandseeschwalben (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium K sten von Meist K sten von S. s. W-Europa 166.000 - W- & N- W- & NW-Afrika stabil 1.700 sandvicensis (Brutzeit) 171.000 Europa bis S-Afrika Schwarzes K ste K sten von S. s. 61.000 - fluktu- Meer Schwarzes Schwarzem Meer 1.300 sandvicensis 197.000 ierend (Brutzeit) Meer & Mittelmeer
25.4.2 Verbreitung in Deutschland Status: Brutvogel, Durchz gler. Die in Deutschland vorkommenden Brandseeschwalben geh ren zur biogeografischen Population "W-Europa (Brutzeit)". Der Brutbestand der Brandseeschwalben in Deutschland beträgt 9.700-10.500 Brutpaare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004; Bezugszeitraum: 1995-1999). Die Brutkolonien liegen ausschließlich in K stenregionen, so dass die Sommerverbreitung der Brandseeschwalben weitgehend auf Nord- und Ostsee beschränkt ist (Abb. 25-2). Im Binnenland wird die Art nur sehr selten beobachtet. Ergebnisse aus landbasierten Wasservogelzählungen liegen f r Brandseeschwalben nicht vor.
365 Abb. 25-2: Verbreitung der Brandseeschwalben auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nord- see: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Brandseeschwalben kommen im Sommerhalbjahr im Bereich der deutschen Nordsee vor (Tab. 25-2). Dabei sind sie im Fr hjahr, Sommer und Herbst nahezu flächig von der S dspitze Sylts entlang der K ste bis zu den ostfriesischen Inseln innerhalb des gesamten K stenmeeres verbreitet. Die h chsten Konzentrationen befinden sich in der Nähe der Brutkolonien. Nach Westen hin setzt sich das Vorkommen entlang der westfriesischen Inseln fort. Im Bereich außerhalb des K stenmeeres kommen Brandseeschwalben nur vereinzelt vor. Helgoland wird insbesondere im Fr hjahr und Sommer als Rastplatz genutzt. Im Winter halten sich keine Brandseeschwalben auf der deutschen Nordsee auf. Im k stenfern gelegenen SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Brandseeschwal- ben im Sommerhalbjahr vor, doch sind die Zahlen dabei im Vergleich zum Gesamtbe- stand in der Nordsee sehr gering (Tab. 25-2), da die Verbreitung auf die K stengebiete beschränkt ist. Auch während des Zuges werden nur geringe Anzahlen im SPA erreicht. Tab. 25-2: Rastbestandszahlen der Brandseeschwalben f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugszeit- raum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schifftransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum: 1996-2005). Gr - ßenklassen (in Anlehnung an Standarddatenbogen): III: 11-50 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 12.500 7,4 430 0,3 III <0,1 Sommer 21.000 12,4 130 0,1 140 0,1 Herbst 3.500 2,1 110 0,1 70 <0,1 Winter 0 0 0 0,0 0 0,0
366 Ostsee Brandseeschwalben kommen im Sommer in geringer Anzahl und nur im sehr k stennahen Bereich der deutschen Ostsee vor. Nachweise aus Schiffserfassungen stammen bisher v.a. aus dem Greifswalder Bodden. Als Nahrungshabitate f r V gel der Brutkolonien entlang der K ste dienen berwiegend die K stenregionen im unmittelbaren Umfeld der Kolonien, sowie die angrenzenden Boddengewässer oder k stennahe Binnenseen (KLAFS & STÜBS 1987, SCHELLER et al. 2002, KUBE et al. 2005a). In den eigentlichen Meeresgebieten werden Brandseeschwalben sehr selten und in geringer Zahl beobachtet (FTZ unver ffentl.). Im SPA „Pommersche Bucht“ kommen Brandseeschwalben nur unregelmäßig in geringer Anzahl vor. Bisher wurden einzelne fliegende Individuen im Zeitraum August bis Oktober beobachtet. Tab. 25-3: Rastbestandszahlen der Brandseeschwalben f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007), sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schifftransekt- zählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007). Gr ßenklassen (in An- lehnung an Standarddatenbogen): I: 1-5 Ind. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 0 0 0 0,0 Sommer k.A. k.A. 0 0 0 0,0 Herbst k.A. k.A. 0 0 I <0,1 Winter 0 0 0 0 0 0,0
25.4.3 Bestandsentwicklung Der europäische Brutbestand der Brandseeschwalben weist eine moderate Abnahme f r den Zeitraum 1970-1990 auf. F r das folgende Jahrzehnt sind nur geringf gige R ckgangstendenzen bilanziert, wobei die Bestände in den einzelnen Ländern deutlich schwankten (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004).
367 Der Brutbestand der Brandseeschwalben an der deutschen Nordseek ste unterlag in den letzten 100 Jahren starken Schwankungen. Während im Jahr 1965 der Minimalbe- stand der Brutv gel 2.243 Paare betrug, erreicht der Brutbestand 1996 mit 10.138 Paaren den H chststand des Jahrhunderts. In den Jahren danach fiel der Bestand wieder ab und erreichte 2005 mit nur 5.681 Brutpaaren den niedrigsten Wert der letzten 30 Jahre (GARTHE & FLORE 2007). Der Brutbestand an der deutschen Ostsee liegt derzeit unter dem Niveau der fr hen 1990er Jahre mit ber 1.200 Brutpaaren (1991). In Schleswig-Holstein br ten seit dem Erl schen der Brutplätze Oehe-Schleim nde (1987) und Graswarder (1991) nur noch Einzelpaare. F r das Jahr 2000 wird ein Bestand von 3 Brutpaaren angegeben (GARTHE et al. 2003a). Ehemals betrug der Gesamtbestand max. 165 Paare (1982; BERNDT et al. 2002). F r Mecklenburg-Vorpommern wird f r den Zeitraum 2001- 2003 ein Brutbestand von 600-700 Paaren angegeben (KUBE 2006).
25.5 Biologie / Ökologie 25.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: erste Brut meist mit 3, bisweilen erst mit 4 Jahren Paarbildung: grundsätzlich monogame Saisonehen, Umverpaarungen aber nachgewiesen Brutzeit: Legebeginn in Mitteleuropa fr hestens Ende April, Nordsee Anfang Mai, Brutdauer 22-26 Tage; erst br tet nur das Weibchen, später beide Eltern Gelege: 1-2 Eier, 1 Jahresbrut, Nachgelege auch nach Umsiedlung m glich K ken: werden von beiden Eltern betreut, verlassen das Nest in unterschiedlichem Alter je nach St rung; K ken sind nach 25-35 Tagen fl gge, bleiben bis zum Abzug ins Winterquar- tier von Eltern abhängig, Aufl sung der Familie wahrschein- lich erst im Winterquartier
25.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 9 Jahre Ältester Ringvogel: 29 Jahre 9 Monate, amerikanischer Brutvogel mit 34 Jahren kontrolliert Sterblichkeit: Jungv gel: 45-61 % pro Jahr, Adulte: 25-30 % pro Jahr
368 25.5.3 Mauser Bei der postjuvenilen Mauser der Brandseeschwalben handelt es sich um eine Vollmauser, jedoch kann z.T. auch nur eine Teilmauser stattfinden. Während ab August das Kleingefieder gemausert wird, setzt die Schwingenmauser anschließend im Winter ein und zieht sich bis in den Juli des 2. KJs. Gleichzeitig beginnt ab Mai / Juni des 2. KJs der 2. Mauserzyklus. Bei adulten V geln (ab 3. KJ) setzt die Vollmauser ab Juni ein. Die Erneuerung der Handschwingen vollzieht sich von Mitte Juli bis Januar. Die Schwingen werden nacheinander gemausert, so dass Brandseeschwalben zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit beeinträchtigt sind.
25.5.4 Wanderungen Brandseeschwalben sind Zugv gel, die oft nach der Jungenaufzucht einen Zwischen- zug vollziehen, der sie jedoch noch nicht in ihre Wintergebiete bringt. Z.T. fliegen sie dabei auch in N- und N- stliche Richtung. Der eigentliche Wegzug beginnt im August / September, wobei man zu dieser Zeit h here Konzentrationen von Brandsee- schwalben auf der Nordsee sowie vor Großbritannien beobachten kann. Von dort ziehen sie weiter in s dliche Richtung entlang der Atlantikk ste. Einige V gel berwintern im Mittelmeer, andere fliegen weiter bis an die Westk ste Afrikas. Vor Mauretanien bis Lagos berwintern hauptsächlich die Ein- bis Dreijährigen, während ältere V gel meist noch weiter nach S den ziehen. Diese älteren V gel begeben sich ab Februar auf den Heimzug und der Großteil kommt ab April in die Brutgebiete zur ck. J ngere Brandseeschwalben verhalten sich anders: während die Einjährigen meistens in den afrikanischen Winterquartieren bersommern, halten sich zweijährige V gel dort zwar lange auf, viele ziehen aber bereits in ihre Heimatgebiete und erreichen diese verspätet im Juni. Von den dreijähri- gen V geln ziehen die meisten in ihre Brutgebiete, jedoch treffen auch sie etwas später dort ein als die br tenden V gel.
25.5.5 Habitat Brandseeschwalben halten sich ganzjährig an Meeresk sten auf, insbesondere im Flachwasserbereich in K stennähe. Die Brutkolonien befinden sich meist auf vegetationslosen Sand- oder Kiesbänken, in D nen und in Salzwiesen, fast ausschließ- lich an Salz- und Brackwasser und nur ausnahmsweise kurzfristig an s ßen Binnenge- wässern (zur Verbreitung s. Kapitel 25.4.1). An der deutschen Nordseek ste liegen die Kolonien auf Inseln und Halligen mit sch tterer Vegetation und immer vergesellschaf- tet mit anderen Seeschwalben oder Lachm wen. Zur Brutzeit halten sich hohe Anzahlen zwischen den Kolonien und in einer Entfernung von bis zu 30 km seewärts
369 von ihnen auf. Die seewärtige Ausdehnung fällt in etwa mit der 20 m Wassertiefen- Linie zusammen. Der maximale Flugradius von Brandseeschwalben während der Nahrungssuche wird auf ca. 45 km geschätzt (Trischen), während der Flugradius von 95 % der V gel aller Kolonien etwa 34 km beträgt (GARTHE & FLORE 2007). Auch an der Ostsee br ten Brandseeschwalben fast ausschließlich in Lachm wen- Kolonien (KUBE 2006). Hier werden Nehrungshaken und Inseln besiedelt, im westlichen Teil im Anschluss an Lachm wenkolonien auch erh hte Bereiche in bewachsenem Gelände (Salzwiesen). In Mecklenburg-Vorpommern nutzen Brandsee- schwalben zur Brutzeit die äußeren K stengewässer zur Nahrungssuche und beschrän- ken sich dabei auf die unmittelbaren K stenregionen im Umfeld der Kolonien (KUBE et al. 2005a). Zur Rast bei Hochwasser nutzen Brandseeschwalben berwiegend flache Sandstrände. Während des Zuges sind sie regelmäßig in z.T. sehr geringer Anzahl auch im Binnenland anzutreffen.
25.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Die Nahrung von Brandseeschwalben besteht nahezu ausschließlich aus kleinen, energiereichen, marinen Fischen, die sich in der Nähe der Wasseroberfläche aufhalten. Brandseeschwalben erbeuten diese typischerweise stoßtauchend aus 5-10 m H he. Dabei taucht ihr K rper meist ganz ins Wasser ein. Wenn die Beute an oder knapp unter der Oberfläche schwimmt, tauchen Brandseeschwalben nur teilweise ins Wasser ein. Die maximale Tauchtiefe beträgt vermutlich nicht mehr als 2 m, sie ist damit jedoch tiefer als bei den meisten anderen paläarktischen Sterna-Arten. Üblicherweise wird bei jedem erfolgreichen Stoßtauchen nur ein Fisch erbeutet. Der Erfolg beim Tauchen hängt dabei von der Häufigkeit, Gr ße, Sichtbarkeit und Tiefe der Beutefi- sche ab, sowie vom Alter und der Erfahrung des Vogels. Sowohl der Gezeitenrhyth- mus als auch die Tageszeit wirken sich auf die Nahrungssuche aus. Während der Jungenaufzucht fischen Brandseeschwalben während des ganzen Tages, vor allem aber nach Sonnenaufgang, am Spätnachmittag und am Abend. Während der Brutzeit wird die Nahrung blicherweise in nur wenigen Kilometern Entfernung von der Brutkolonie gesucht, jedoch k nnen auch deutlich gr ßere Distanzen zur ckgelegt werden, um Nahrung f r die Jungen zu beschaffen. Brandseeschwalben profitieren von gr ßeren Fischen und Meeressäugern, wenn diese Beutefische an die Wasseroberfläche treiben. In der Nähe von Stränden oder ber Riffen und Sandbänken ist bei Niedrigwasser die Nahrungssuche ausgedehnter und die Tauchrate 2-3fach h her als bei Hochwasser, da bei dem geringeren Wasserstand die Fische leichter erreichbar sind.
370 Überwiegend ernähren sich Brandseeschwalben von Sandaalen (Ammodytidae) und Heringsartigen (v.a. Hering, Clupea harengus und Sprotte Sprattus sprattus) sowie teilweise auch von Dorschartigen (z.B. Wittling, Merlangius merlangus). Nordsee GARTHE & KUBETZKI (1998) beobachteten im Juni 1997 Brandseeschwalben, die in die Juister Kolonie zur ckkehrten. 72,5 % der V gel, die Fische trugen, brachten Sandaale (5-16 cm) in die Kolonie ein, 27,0 % Clupeiden (5-15 cm) und 0,5 % andere, nicht identifizierte Fischarten.
STIENEN et al. (2000) beobachteten die F tterung von Brandseeschwalbenk ken 1992- 1998 auf Griend (niederländisches Wattenmeer). Je gr ßer die K ken wurden, desto gr ßere Fische wurden von den Eltern verf ttert. Hering und Sandaal dominierten in der Nahrung, ihre Anteile unterschieden sich von Jahr zu Jahr. Die Länge der Fische lag zwischen 1,5 und 21,5 cm. Dabei waren die erbeuteten Sandaale durchschnittlich etwas länger als die Heringe. Unter schlechten Nahrungsbedingungen nahm der Anteil der Clupeiden ab. Die tageszeitlichen Unterschiede bei der Wahl der Beutetiere spiegeln die tageszeitlichen Vertikalwanderungen der Sandaale und Heringsartigen wider: Heringsartige wurden v.a. am fr hen Morgen und späten Abend erbeutet, während um die Mittagszeit v.a. Sandaale in die Kolonie eingetragen wurden.
25.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Brandseeschwalben sind berwiegend tagaktive V gel, je nach Wetter und Helligkeit jedoch auch nachtaktiv. Während der Jungenaufzucht fischen Brandseeschwalben während des ganzen Tages, vor allem aber nach Sonnenaufgang, am Spätnachmittag und am Abend. Brandseeschwalben ziehen vorwiegend in den Morgen- und Abend- stunden, selten nachts. Beobachtungen auf Wangerooge zeigten, dass die bevorzugte Flugh he bei Gegenwind zwischen 1,5 m und 12 m liegt (72 %), während Brandsee- schwalben bei R ckenwind häufiger zwischen 12 m und 25 m fliegen (65 %; KRÜGER & GARTHE 2001). Adulte V gel rasten selten auf der Wasseroberfläche, werden aber häufig auf Seezeichen und auf Treibholz sitzend beobachtet (FTZ unver ffentl.).
25.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 25.6.1 Gefährdungsursachen Brandseeschwalben sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropo- gene Gefährdungen betroffen: - Hindernisse in Form von technischen Bauwerken (Kollisionsrisiko; Irritation durch Scheuchwirkung und Beleuchtung)
371 - Reduktion des Nahrungsangebotes durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Fischerei oder Sedimentabbau - Umweltgifte (Anreicherung in der Fischnahrung) - Stärkerer Prädationsdruck und Kleptoparasitismus durch M wen im Falle einer veränderten Discardverf gbarkeit In den Brut- und Rastgebieten treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - St rung und Bruthabitatverlust durch anthropogene Aktivitäten (z.B. Touris- mus, K stenschutzmaßnahmen mit veränderten Sedimentations- und Überflu- tungsbedingungen, Landnutzung, Überbauung, Tiefflug); - Hohe Brutverluste durch Prädation (insb. M wen und Fuchs), häufig in Folge von St rungen, aber auch durch erleichterte Erreichbarkeit der Kolonien f r die Prädatoren durch Drainage und Grundwasserabsenkung - Direkte Verfolgung (Fang) in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten Brandseeschwalben sind insbesondere zu Beginn der Brutzeit extrem st rungsemp- findlich. Aufgrund der zahlreichen St rungen sind die Koloniestandorte an Nord- und Ostsee häufig auf Inseln und besonders gesch tzte Gebiete konzentriert. An der Nordseek ste br ten Brandseeschwalben alljährlich nur an wenigen Plätzen und sind somit sehr anfällig gegen ber anthropogenen St rungen, Umweltverschmut- zung und Fischereiaktivitäten (GARTHE & FLORE 2007). Da Brandseeschwalben an der Ostseek ste in Mecklenburg-Vorpommern fast ausschließlich in Lachm wen- Kolonien br ten, wodurch ein verbesserter Schutz gegen ber Prädatoren gegeben ist, besteht dort eine Gefahr durch den aktuellen Bestandszusammenbruch der Lachm we (KUBE 2006).
25.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Brandseeschwalben gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren Brandseeschwalben weisen eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004). Die Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann daher als gering eingestuft werden. Auf See bewegen sich Brandseeschwalben fast ausschließlich fliegend fort und zeigen insbesondere zur Brutzeit eine hohe Flugaktivität zwischen Kolonie und Nahrungsge- bieten. Zug findet zum Teil auch in gr ßeren Flugh hen statt, die nächtliche Flugakti- vität ist jedoch gering. Brandseeschwalben k nnen sehr gut man vrieren. Ihre Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, ist daher als eher gering einzuschätzen. Bei schlechten Sichtbedingungen kann es jedoch insbesondere aufgrund der hohen Flugaktivität zu Kollisionen kommen. Brandseeschwalben weisen nach den Seetauchern und den
372 Samtenten den vierth chsten Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex aller untersuch- ten Vogelarten auf (GARTHE & HÜPPOP 2004). Obwohl Brandseeschwalben mit Ausnahme der Flugh he das gleiche (Flug)-Verhalten wie Fluss- und K stensee- schwalben zeigen, liegt ihr Windenergie-Sensitivitätsindex aufgrund der h heren Werte in der Kategorie „Status“ deutlich ber den Werten der beiden anderen Seeschwalbenarten. Brandseeschwalben erbeuten ihre Nahrung durch Stoßtauchen oder durch Aufnahme von Beuteobjekten an der Wasseroberfläche im Flug. Beim Stoßtauchen erreichen sie meist nur Tiefen bis etwa zwei Meter. Daher ist die Gefahr, dass sie sich in den meist tiefer ausgebrachten bodennahen Stellnetzen verfangen k nnen, gering. In oberflä- chennahen Kiemennetzen, wie sie z.B. f r den Lachsfang eingesetzt werden, k nnen sich Brandseeschwalben jedoch vermutlich beim Stoßtauchen verfangen und dadurch ertrinken. Aufgrund des relativ geringen Zeitanteils, der mit Schwimmen auf dem Wasser verbracht wird (auf See rasten Brandseeschwalben meist auf Seezeichen, Holz etc.), ist die Gefahr einer Ver lung durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen oder durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichen- de“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen) relativ gering. Allerdings kann es beim Stoßtauchen in ver lten Gewässern zu einer Kontamination kommen. Ölverschmut- zung kann zudem auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Als spezialisierte Fischfresser (vgl. Kapitel 25.5.6) haben Brandseeschwalben – im Gegensatz zu Fluss- und K stenseeschwalben – nur eingeschränkte M glichkeiten bei schlechter Nahrungsverf gbarkeit auf alternative Beutearten auszuweichen. Dies macht sie besonders empfindlich gegen ber zeitlichen und räumlichen Veränderungen im Beutevorkommen (STIENEN et al. 2000). Veränderungen in der Nahrungsverf g- barkeit k nnen bei Nahrungsspezialisten zu weitreichendem Brutausfall und Populati- onsr ckgang f hren. In den Niederlanden nimmt die Brutpopulation der Brandsee- schwalben in Jahren mit geringen Vorkommen von Heringen ab (STIENEN & BRENNINKMEIJER 1998). In der s dlichen Nordsee spielen bei der K kenaufzucht neben Heringsfischen insbesondere Sandaale eine große Rolle (GORKE 1990, GARTHE
373 & KUBETZKI 1998). Durch die Industriefischerei werden in der Nordsee große Mengen an Sandaalen und Heringsfischen entnommen, so dass hier eine starke Konkurrenz um die Nahrungsressourcen besteht. Indirekt kann zudem eine Beeinträch- tigung oder Zerst rung der Sandaal-Habitate beispielsweise durch Sedimentabbau zu einer deutlichen Verschlechterung der Nahrungssituation f hren. M wen sind vielfach als Kleptoparasiten von Brandseeschwalbennahrung dokumen- tiert worden (GARTHE & KUBETZKI 1998, STIENEN et al. 2000, STIENEN 2006). Im Fall von veränderten Ernährungsbedingungen f r M wen (z.B. Wegfall von Discards aus der Fischerei) ist damit zu rechnen, dass sich sowohl der Kleptoparasitismus an Seeschwalben als auch der direkte Prädationsdruck auf Seeschwalbenk ken verstärken kann (s. Silberm we). Eine starke Gefährdung besteht in der Kontamination mit Umweltgiften, die sich in der Fischnahrung anreichern und dann in Brandseeschwalben als Prädatoren am oberen Ende der Nahrungskette zu hoher Konzentrationen akkumulieren k nnen. In den Niederlanden wurden in den 1960er Jahren in toten Brandseeschwalben hohe Konzentrationen an Pestiziden (chlorierte Kohlenwasserstoffe) festgestellt. Sie werden als eine der Hauptursachen f r den dortigen enormen Bestandseinbruch der Brandsee- schwalben von 40.000 Paaren im Jahr 1954 auf 650 Paare im Jahr 1965 genannt (KOEMAN 1975). Ein weiteres Problem f r Brandseeschwalben k nnte sich k nftig durch die zuneh- menden Klima- und Wetterveränderungen ergeben. Die Art br tet im n rdlichen Mitteleuropa in vielen Kolonien entlang der K sten nahe der mittleren Hochwasserli- nie. Ihre Brutplätze sind daher durch Überflutungen gefährdet. Da Sturmfluten k nftig vermutlich häufiger auftreten werden, ist hier mit einer zunehmenden Gefahr f r die Brutgebiete der Brandseeschwalben zu rechnen. Brandseeschwalben beginnen ab dem 3. Lebensjahr mit der Fortpflanzung und haben eine hohe Überlebensrate adulter Tiere, jedoch eine relativ geringe Anzahl an Jungv geln. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden. Dies setzt einen umfassenden Schutz in den Brutgebieten voraus. Brandseeschwalben sind in ihrer Auswahl des Bruthabitates sehr eingeschränkt und br ten meist aggregiert in wenigen, dicht besiedelten Kolonien. Gefährdungen in diesen Kolonien k nnen somit weitreichende Konsequenzen f r die gesamte europäische Brutpopulation haben (STIENEN 2006). Insbesondere in der Brutansiedlungsphase sind Brandseeschwalben sehr st rungsanfäl- lig. Brandseeschwalben sind mit ber 50 % ihres Weltbestandes auf Europa konzentriert und besitzen dort zudem einen ung nstigen Erhaltungszustand (SPEC 2). Zudem ist
374 die Art auf dem Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistet (Tab. 25-4). In einem Versuch alle deutschen Brutv gel gemäß der Verantwortung Deutschlands f r ihren Schutz zu klassifizieren hat DENZ (2003) Brandseeschwalben vor allen anderen K sten- und Seev geln auf Platz 6 von insgesamt 255 Arten gesetzt.
Tab. 25-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Brandseeschwalben in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + V V 3 2 2, IntV 2 Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I 2 II II +
25.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: vom Schiff aus sind im Gegensatz zum Flugzeug detaillierte Verhaltens- beobachtungen m glich K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
25.8 Forschungsbedarf - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in Nord- und Ostsee - M glicher Einfluss der Industriefischerei auf die Nahrungsverf gbarkeit - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
375 26 Flussseeschwalbe
Sterna hirundo Linnaeus 1758
GB: Common Tern NL: Visdief
DK: Fjordterne Foto: N. Sonntag S: Fisktärna Abb. 26-1: Flussseeschwalbe im PK PL: Rybitwa rzeczna
26.1 EU-Code A193
26.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Sternidae - Seeschwalben
26.3 Kennzeichen Rotf ßige Seeschwalbe mit hellgrauer Oberseite und Brust, schwarzer Kopfkappe und rotem Schnabel mit dunkler Spitze. Im SK Stirn weiß und Schnabel dunkel. Die Schwanzspieße berragen die Fl gelspitzen nicht. Die äußeren Handschwingen sind dunkel und bilden einen Fl gelkeil, der im Fr hjahr noch sehr schwach ist und im Sommer durch Abnutzung stärker hervortritt. Im JK Oberseite gelbbraun gebändert, Armfl gel mit dunklem Vorderrand und dunklen Armschwingen. Handfl gel mit diffus dunklem Hinterrand. B rzel hellgrau, Schnabelbasis und F ße orange. Kopf mit schwarzer Maske und gelbbrauner Stirn. Verwechslungsm glichkeiten: sehr ähnlich K stenseeschwalbe. Flussseeschwalbe etwas gr ßer, Hals-Kopf-Profil im Flug länger, Kopf flacher mit längerem Schnabel. Fl gel etwas breiter und etwa in der K rpermitte ansetzend. Schwanzspieße k rzer. Handfl gel unterseits mit breitem, verwaschen dunklem Hinterrand, im Flug nur innere Handschwingen hell durchscheinend. Im Sommer deutlicher dunkler Fl gelkeil auf den Handschwingen. Flussseeschwalbe im JK mit dunklen Armschwingen und diffus dunklem Hinterrand der Handschwingen, Schnabelbasis auch im August noch orange; bei K stensee- schwalbe Armschwingen weiß und Handschwingen mit scharfem schwarzem Hinterrand, Schnabel dunkelt sehr schnell. Schnabel dunkelt sehr schnell.
376 26.4 Verbreitung / Bestand 26.4.1 Welt / Europa Flussseeschwalben br ten in weiten Teilen des gemäßigten und arktischen Eurasiens sowie in Amerika l ckenhaft von Kanada bis in die Karibik. An der afrikanischen Westk ste gibt es ebenfalls einige kleinere Kolonien. Flussseeschwalben werden in vier Unterarten aufgeteilt: Die Nominatform kommt in der gesamten Holarktis mit Ausnahme des nord stlichen Teils Asiens sowie Innerasiens vor, zwei Unterarten br ten im zentralen Asien (S. h. tibetana: tibetanisches Plateau, Tienshan; S. h. minussensis: Mongolei bis Baikalsee) und von Nordostsibirien bis Nordostchina br tet die Unterart S. h. longipennis. Der Weltbestand wird auf 1,61 Mio.- 4,56 Mio. Individuen geschätzt (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Flussseeschwalben halten sich in Europa berwiegend an den K sten auf, br ten im Gegensatz zu den anderen Seeschwalbenarten aber auch in weiten Teilen des europäischen Binnenlandes. Der europäische Gesamtbestand beträgt 270.000-570.000 Brutpaare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). Im Winter sind Flussseeschwalben an fast allen K sten um den Äquator und in der s dlichen Hemisphäre anzutreffen. Zwei der acht biogeografischen Populationen der Unterart S. h. hirundo br ten in Europa (Tab. 26-1).
Tab. 26-1:Verbreitungs- und Bestandsangaben zu den in Europa vorkommenden biogeogra- fischen Populationen der Flussseeschwalben (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium S. h. S-, W-Europa K sten W- 170.000 - S-, W-Europa stabil 1.900 hirundo (Brutzeit) Afrikas 210.000 NO-Europa, S. h. N-, O-Europa vor allem hauptsächlich 630.000 - stabil 11.000 hirundo (Brutzeit) Länder um S-Afrika 1,5 Mio. die Ostsee
26.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, Durchz gler. Die in Deutschland vorkommenden Flussseeschwalben geh ren zur biogeografischen Population „N-, O-Europa“. Der Brutbestand der Flussseeschwalben in Deutschland beträgt 9.500 Paare (Bezugs- zeitraum 2001-2003, GEDEON et al. 2004). Flussseeschwalben halten sich von April
377 bis September in Deutschland auf. Die Brutvorkommen befinden sich berwiegend in den K stenregionen von Nord- und Ostsee. Im Wattenmeer br ten etwa 6.400 Paare. Daneben gibt es auch Brutvorkommen im Binnenland. Die Verbreitung auf Nord- und Ostsee beschränkt sich berwiegend auf den k stennahen Bereich (Abb. 26-2). Daten der landbasierten Wasservogelzählung liegen f r das Sommerhalbjahr nicht vor.
Abb. 26-2: Verbreitung der Flussseeschwalben auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum Nord- see: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee Flussseeschwalben kommen auf der deutschen Nordsee nur im Sommerhalbjahr vor (Tab. 26-2). Während des Fr hjahrs ist die Elbm ndung ein wichtiger Konzentrations- bereich. Ein weiterer Schwerpunkt befindet sich vor Amrum und Sylt. Zur Brutzeit treten Flussseeschwalben v.a. im Übergangsbereich zwischen Wattenmeer und k stennahem Offshore-Gebiet auf und spiegeln die Lage der wichtigsten Brutkolonien wider. Die wichtigsten Brutgebiete liegen in der äußeren Jade im Einzugsbereich der Kolonie auf der Minsener Oog sowie im Bereich der Elbm ndung und im nordfriesi- schen K stengebiet. In großer Entfernung zur K ste fehlen Flussseeschwalben im Sommer fast vollständig. Während des Wegzuges im Herbst steigt die Gesamtabun- danz deutlich an. Außerdem halten sich Flussseeschwalben zu dieser Zeit auch deutlich weiter entfernt von der K ste auf. Im k stennahen Bereich liegt jedoch ein deutlicher Schwerpunkt vor den Nordfriesischen Inseln. Im Winter verlassen die Flussseeschwalben die Nordsee. Der Brutbestand der Flussseeschwalben entlang der deutschen Nordseek ste betrug im Jahr 2003 6.148 Brutpaare (HÄLTERLEIN / NPA T nning, briefl.). Im k stenfern gelegenen SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen Flussseeschwal- ben nur im Sommer und im Herbst vor (Tab. 26-3). Der gr ßte Bestand wird im Herbst erreicht, wenn die Verbreitung nach der Brutzeit stärker von der K ste gel st ist. Im
378 Sommer halten sich Flussseeschwalben in Kolonienähe auf, dementsprechend sind die Anzahlen im SPA, verglichen mit dem Gesamtbestand an der deutschen Nordseek ste, sehr gering.
Tab. 26-2: Rastbestandszahlen der Flussseeschwalben f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugs- zeitraum: 1993-2003), sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum: 1996-2005). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 10.000 0,9 150 <0,1 0 0,0 Sommer 19.500 1,8 0 0,0 240 <0,1 Herbst 5.800 0,5 800 <0,1 900 <0,1 Winter 0 0,0 0 0,0 0 0,0
Ostsee Auf der deutschen Ostsee treten Flussseeschwalben nur in sehr geringer Anzahl und fast ausschließlich in unmittelbarer K stennähe auf. Als Nahrungshabitate f r V gel der Brutkolonien im K stenbereich dienen berwiegend die angrenzenden Boddenge- wässer oder k stennahe Binnenseen, die eigentlichen Meeresgebiete werden kaum genutzt (KLAFS & STÜBS 1987, SCHELLER et al. 2002, FTZ unver ffentl.). In Mecklenburg-Vorpommern br ten Flussseeschwalben in den inneren K stengewäs- sern und suchen dort auch nach Nahrung. Im Fr hjahr und v.a. im Herbst findet entlang der Außenk ste Zug statt. Von KUBE et al. 2005a wurde die Art k stenfern insbesondere während des Herbstzuges in der Arkonasee beobachtet. Im Jahr 2003 betrug der Brutbestand der Flussseeschwalben an der deutschen Ostseek ste nur noch 774 Paare (BOSCHERT 2005). Im SPA „Pommersche Bucht“ wurden Flussseeschwalben bisher nur unregelmäßig und in sehr geringen Anzahlen in den Monaten Juni bis August beobachtet.
Tab. 26-3: Rastbestandszahlen der Flussseeschwalben f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2007). Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 0 0 0 0 Sommer k.A. k.A. 0 0 0 0 Herbst k.A. k.A. 0 0 0 0 Winter 0 0 0 0 0 0
379 26.4.3 Bestandsentwicklung Eine Einschätzung der Bestandsentwicklung der Flussseeschwalben ist schwierig, da der Bestand von Jahr zu Jahr starken nat rlichen Schwankungen unterworfen ist, die auf Nahrungsverf gbarkeit und Witterungsverhältnisse zur ckzuf hren sind. Außer- dem kann es zu großräumigen Umsiedlungen der Kolonien kommen. Dennoch ist es m glich, eine (mit gewissem Fehler behaftete) Einschätzung der Brutbestandsentwick- lung vorzunehmen: An der deutschen Nordseek ste haben die Brutbestände der Flussseeschwalben von etwa 1940 bis weit in die 1970er Jahre hinein deutlich abgenommen. Nach einer Erholung zu Beginn der 1980er Jahre stagnierte der Bestand zeitweise, verzeichnete aber seit Mitte der 1990er Jahre wieder eine Abnahme. Während an der Ostseek ste Schleswig-Holsteins der Bestand seit Ende der 1980er Jahre auf niedrigem Niveau stagniert, nahmen die Bestände an der Ostseek ste Mecklenburg-Vorpommerns ab. Im Binnenland nahmen die Brutbestände vielerorts bis Anfang der 1980er Jahre ab. Insgesamt konnte sich der binnenländische Bestand von den 1970er Jahren bis zum Jahr 2003 (2.300 Paare) mehr als verdreifachen; dies wird mit Maßnahmen zur Gewässerreinhaltung und mit dem Anlegen von k nstlichen Brutfl ßen begr ndet (GEDEON et al. 2004). Die Zunahmen im ostdeutschen Binnenland gingen zeitlich mit der Abnahme der Bestände an der K ste Mecklenburg-Vorpommerns einher; durch Ringfunde ist eine Umsiedlung aus den K stenkolonien nachweisbar (EICHSTÄDT et al. 2006).
26.5 Biologie / Ökologie 26.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: erste Brut meist mit 3, z.T. erst mit 4 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen, Partnertreue durch Nistplatztreue Brutzeit: Ankunft am Brutplatz in Deutschland ab April, Hauptlegezeit Mai, Nachgelege bis Anfang Juli; Brutdauer 20-26 Tage; beide Eltern br ten Gelege: 2-3 Eier; 1 Jahresbrut, Zweit- und Schachtelbruten bekannt, bis zu 2 Nachgelege m glich K ken: erst bernimmt das Männchen die Nahrungsversorgung, während das Weibchen hudert, nach 2 Tagen suchen K ken Verstecke in Nestnähe auf, später f ttern beide Eltern, K ken sind nach 23-27 Tagen flugfähig, werden jedoch noch 6 Wochen gef ttert, lernen offenbar durch Nachahmung Fischfang; Spätbruten werden mit- unter erst Ende August fl gge
380 26.5.2 Alter / Sterblichkeit Generationslänge: 9 Jahre Ältester Ringvogel: 30 Jahre 9 Monate Sterblichkeit: Adulte: 10 %. Bei Untersuchungen in Niedersachsen kehrten 61 % der fl ggen Jungv gel zur Brutkolonie zur ck, 27 % rekrutier- ten in den Brutbestand; es gab keine Geschlechtsunterschiede in der Sterblichkeit.
26.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser beginnt bisweilen schon im August, meist aber erst im November im Winterquartier. Flussseeschwalben durchlaufen bis zum Ende des 3. KJs verschiedene Mauserzyklen der Handschwingen. Bei den adulten V geln beginnt die Vollmauser und damit die Erneuerung der 1. Handschwinge meist im Brut- oder Mausergebiet ab Juli. Vor dem Wegzug wird die Schwingenmauser unterbrochen und erst im Winterquartier fortgesetzt. Wie bei den K stenseeschwalben werden die Schwingen nacheinander gemausert, so dass Flussseeschwalben zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit eingeschränkt sind.
26.5.4 Wanderungen Flussseeschwalben sind Langstreckenzieher, die vorwiegend entlang von K sten wandern. Die Brutv gel aus dem n rdlichen Mitteleuropa ziehen zunächst zur Nord- und Ostseek ste, bevor sie in ihre afrikanischen Winterquartiere fliegen. V gel des tieferen Binnenlandes folgen zunächst großen Fl ssen bis in den Mittelmeerraum, von wo aus sie in westliche Richtung weiterziehen. Brutv gel aus Deutschland berwintern vor allem an der K ste Westafrikas. Wie Brandseeschwalben vollziehen auch Flussseeschwalben, wenn die Jungen fliegen k nnen, mit diesen zusammen einen Zwischenzug in verschiedene Richtungen. Dabei kommt es z.B. bei Brutv geln der Nordsee zu zahlenstarken Einfl gen in die Unterelbe (GARTHE 1996b). Während die Jungv gel bis August in diesen Gebieten bleiben, beginnen die Altv gel schon Ende Juli ihren Wegzug in die Überwinterungsgebiete. Schon ab September erreichen die ersten V gel Westafrika. Der Heimzug erfolgt meist zwischen März und Mai. Einjährige V gel bersommern in ihren Winterquartieren, während die zweijährigen V gel meist später als die Adulten ihre Brutgebiete erreichen (Juni / Juli).
26.5.5 Habitat Flussseeschwalben br ten an bersichtlichen Plätzen in der Nähe ihrer Nahrungsge- wässer. Die meisten Kolonien, beispielsweise in Ostdeutschland, liegen direkt in oder an Gewässern, die auch als Jagdgebiete dienen (NEUBAUER 1998). Flussseeschwalben
381 bauen ihre Nester in kurzrasigen Salzwiesen an Flachwasserk sten, an Wattk sten und z.T. in D nen (zur Verbreitung s. Kapitel 26 1.4.1), sie br ten aber auch entlang von Fl ssen, an Seen und an gr ßeren Teichen. Flussseeschwalben nutzen auch Gebiete mit dichter und hoher Vegetation, jedoch muss die Sukzession z.B. durch Hochwasser hin und wieder unterbrochen werden, um eine zu starke Verbuschung zu verhindern. Flussseeschwalben passen sich den schnellen Veränderungen ihrer nat rlichen Nisthabitate an und k nnen neu entstandene Lebensräume in kurzer Zeit besiedeln. Diese Dynamik f hrt zu einer ständigen Veränderung ihrer regionalen Verbreitungs- muster, weshalb man bei Bestandsabschätzungen die berregionalen Veränderungen ber cksichtigen muss (SÜDBECK et al. 1998). Im Binnenland finden Flussseeschwal- ben nur noch selten nat rliche Brutplätze. Vielmehr nutzen sie dort inzwischen Inseln in Kies- und Sandgruben sowie k nstliche Schotterinseln oder Brutfl ße. Untersu- chungen von BECKER et al. (1993a) zeigten, dass Flussseeschwalben während der Brutzeit durchschnittlich im Umkreis von 6,3 ± 2,4 km der Kolonie nach Nahrung suchen. Der eigentliche Radius k nnte jedoch gr ßer sein, denn in 12 % der untersuch- ten Nahrungsfl ge lag die Entfernung der Tiere außerhalb der Reichweite der Messgeräte. Beobachtungen, die in NEUBAUER (1998) zusammengestellt sind, bestätigen, dass Flussseeschwalben auch noch in Gewässern nach Nahrung suchen, die bis zu 18 km von der Kolonie entfernt sind. Während der Zugperioden und im Winter nahezu ausschließlich im K stenbereich und auf der offenen See.
26.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie Flussseeschwalben ernähren sich hauptsächlich von kleinen, pelagischen Fischen, daneben werden auch Crustaceen und besonders im Binnenland Wasserinsekten erbeutet. Im Wattenmeer werden auch Polychaeten und andere Wirbellose gefressen. Flussseeschwalben sind insgesamt Nahrungsopportunisten, die schnell zwischen verschiedenen Beuteorganismen und Ernährungsmethoden wechseln k nnen. Fische werden berwiegend stoßtauchend nahe der Wasseroberfläche erbeutet. Vor dem Stoßtauchen, das meist aus geringer H he (1-6 m) stattfindet, wird oftmals in der Luft ger ttelt. Teilweise tauchen sie mit dem ganzen K rper ins Wasser ein, die Tauchtiefe liegt meist bei 20-50 cm. Dabei wird pro Tauchgang gelegentlich mehr als ein Fisch erbeutet. Die Nahrungssuchaktivität ist am fr hen Morgen und am Abend am gr ßten, wobei in einigen Studien auch ein Gezeiteneinfluss gezeigt werden konnte (z.B. BOECKER 1967, BECKER & SPECHT 1991, FRANK 1992, FRANK & BECKER 1992). Nordsee BOECKER (1967) untersuchte die Nahrung von Seeschwalben auf Wangerooge durch Beobachtung von K kenf tterungen. Zusätzlich untersuchte er Mageninhalte und
382 hervorgew rgte Nahrungsreste sowie fallengelassene Beutetiere, die er in der Kolonie fand. Nach seinen Beobachtungen verf tterten Flussseeschwalben gr ßtenteils Fische (75 %), wobei Heringsartige (Clupeidae) dominierten. Zu 25 % wurden Wirbellosen wurden verf ttert, gr ßtenteils waren es Crustaceen (Crangonidae und Portunidae). Die Nahrungsproben zeigten ähnliche Ergebnisse: Auch hier wurden berwiegend Fische gefunden (63 %), Polychaeten (18 %), Crustaceen (14 %) und Insekten (4 %) traten seltener auf.
BECKER et al. (1987) untersuchten 1981 bis 1984 Speiballen und umherliegende Nahrung (hauptsächlich während der K kenaufzuchtsphase) in sechs Brutkolonien an der Nordseek ste. Die Nahrung bestand je nach Kolonie zu unterschiedlichen Anteilen aus Stichlingen (Gasterosteidae), Heringsartigen, Plattfischen (Pleuronectidae), Seenadeln (Syngnathidae), sonstigen Fischen und Krebsen. Die Beutearten unterschie- den sich deutlich zwischen den sechs Kolonien, wobei jeweils die Arten berwogen, die in der Nähe der jeweiligen Kolonie am häufigsten zur Verf gung standen.
FRICK & BECKER (1995) untersuchten die Ernährung von Seeschwalbenk ken auf der Minsener Oldeoog. Sie beobachteten, dass Flussseeschwalben signifikant gr ßere Beute als K stenseeschwalben an ihre K ken verf ttern. Das Nahrungsspektrum bestand aus Heringsartigen, Fischlarven, Sandaalen (Ammodytidae), Seenadeln, Plattfischen und Garnelen. Im Gegensatz zu K stenseeschwalben nutzen diejenigen Flussseeschwalben, deren Kolonien einen Zugang zum Binnenland haben, regelmäßig limnische Habitate zur Nahrungssuche. Durch einen solchen Habitatwechsel k nnen Zeiten mit geringerer Nahrungsverf gbarkeit im marinen Bereich (v.a. während der Hochwasserphasen) berbr ckt werden (BECKER & SPECHT 1991, BECKER et al. 1997).
26.5.7 Sonstige Verhaltensweisen Flussseeschwalben sind tagaktive V gel, die teilweise schon in der Morgendämme- rung zu fischen beginnen. Zugaktivitäten k nnen auch nachts stattfinden. Flusssee- schwalben fliegen bei Nebel oder Dunkelheit meist relativ flach bers Wasser, bei gutem Wetter jedoch auch recht hoch. KRÜGER & GARTHE (2001) beobachteten, dass Fluss- / K stenseeschwalben bei Gegenwind zu 79 % in H hen zwischen 1,5 m und 12 m fliegen, während sie bei R ckwind tendenziell eher in H hen zwischen 12 m und 25 m ziehen. Während des Zuges k nnen Flussseeschwalben auch auf dem Wasser rastend beobachtet werden (FTZ unver ffentl.).
383 26.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 26.6.1 Gefährdungsursachen Flussseeschwalben sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropo- gene Gefährdungen betroffen: - Umweltgifte (Anreicherung in der Fischnahrung) - Reduktion des Nahrungsangebotes durch Beeinträchtigung oder Zerst rung von Nahrungsgr nden durch Fischerei oder Sedimentabbau - Stärkerer Prädationsdruck und Kleptoparasitismus durch M wen im Falle einer veränderten Discardverf gbarkeit In den Brut- und Rastgebieten treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - St rung und Verlust von Bruthabitaten durch anthropogene Aktivitäten (z.B. Tourismus, Gewässerausbau, Gewässerbegradigung, Überbauung, Kiesabbau an Fließgewässern) - Verlust von Bruthabitaten durch Aufforstungen, Überflutungen, aber auch durch fortgeschrittene nat rliche Sukzession. Flussseeschwalben waren fr her stark an Gebiete mit hoher nat rlicher Dynamik gebunden, die heute vielerorts fehlen - An Binnengewässern Nahrungsmangel durch fehlendes Jungfischaufkommen oder durch den Besatz mit zu großen Fischen - In Mecklenburg-Vorpommern Gefährdung der Bestände auf den Brutinseln in den inneren K stengewässern durch hohen Prädationsdruck, außerdem Verlust von Makrophytenbestände als Nahrungshabitat als Folge der Eutrophierung im Zuge der gegenwärtigen landwirtschaftlichen Praxis (KUBE et al. 2005a, 2005b) - Direkte Verfolgung in den Durchzugs- und Überwinterungsgebieten
26.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der Flussseeschwalben gegen ber ausge- wählten anthropogenen Faktoren Flussseeschwalben weisen eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004), die Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann als gering eingestuft werden. Vielmehr kann es durch Verwirbelungen im Schraubenwasser zu Attraktionseffekten hinter Schiffen kommen, wo Flussseeschwalben häufig nach Nahrung suchen. Auch als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen treten Flusssee- schwalben auf (FTZ unver ffentl.). Auf See bewegen sich Flussseeschwalben meist fliegend fort und zeigen insbesondere zur Brutzeit eine hohe Flugaktivität zwischen Kolonie und Nahrungsgebieten. Die
384 Flugh he ist meist gering, ebenso die nächtliche Flugaktivität. Zudem k nnen Flussseeschwalben sehr gut man vrieren. Die Empfindlichkeit gegen ber Kollisionen mit technischen Bauwerken wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen ist daher als eher gering einzustufen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im unteren Bereich aller untersuchten Arten. Bei schlechten Sichtbedingungen kann es jedoch insbesondere wegen der hohen Flugaktivität durchaus zu Kollisionen kommen. Flussseeschwalben erbeuten ihre Nahrung durch Aufnahme von Beuteobjekten an der Wasseroberfläche im Flug oder durch Stoßtauchen. Dabei erreichen sie nur die oberflächennahen Wasserschichten (vermutlich nicht tiefer als 0,5 m) und sind somit wenig gefährdet, sich in den meist bodennah ausgebrachten Stellnetzen zu verfangen. In oberflächennahen Kiemennetzen, wie sie z.B. f r den Lachsfang eingesetzt werden, k nnte es jedoch beim Stoßtauchen zu Verlusten durch Verfangen und Ertrinken kommen. Während des Zuges k nnen Flussseeschwalben auch fter auf dem Wasser rastend beobachtet werden (FTZ unver ffentl.). Sie sind damit empfindlicher als Brandsee- schwalben gegen ber Ölverschmutzung, sowohl durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen als auch durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen). Zudem kann es beim Stoßtauchen in ver lten Gewässern zu einer Kontamination kommen. Ölver- schmutzung kann auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwicklungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. Flussseeschwalben sind in den deutschen K stengewässern bei ihrer Nahrungswahl relativ opportunistisch (s. Kapitel 26.5.6). Neben verschiedenen Fischarten stellen lokal auch Crustaceen und Polychaeten einen großen Anteil der K kennahrung. Die Art nutzt zudem neben marinen Nahrungsgebieten auch limnische Habitate in Kolonienähe zur Nahrungssuche. Flussseeschwalben sind daher aktuell wenig durch Nahrungsreduktion, z.B. aufgrund von derzeit bestehenden Fischereien oder Sedi- mentabbau, gefährdet. M wen sind vielfach als Kleptoparasiten von Flussseeschwalbennahrung dokumentiert worden (z.B. GORKE 1990). Im Fall von veränderten Ernährungsbedingungen f r
385 M wen (z.B. bei Wegfall von Discards aus der Fischerei) ist damit zu rechnen, dass sich sowohl der Kleptoparasitismus an Seeschwalben als auch der direkte Prä- dationsdruck auf Seeschwalbenk ken verstärken kann (s. Silberm we). Eine starke Gefährdung besteht in der Kontamination mit Umweltgiften, die sich in der Fischnahrung anreichern und dann in Flussseeschwalben als Prädatoren am oberen Ende der Nahrungskette sehr hohe Konzentrationen erreichen k nnen. Eine signifikan- te Abnahme des Bruterfolges durch Belastung mit Umweltgiften konnte bereits 1988 im Elbeästuar belegt werden (BECKER et al. 1993b). In weiteren Untersuchungen Ende der 1990er Jahre wurden ebenfalls Auswirkungen von Umweltgiften auf den Bruter- folg der Flussseeschwalben festgestellt (BECKER et al. 1998). Ein weiteres Problem f r Flussseeschwalben k nnte sich k nftig durch die zunehmen- den Klima- und Wetterveränderungen ergeben. Die Art br tet im n rdlichen Mitteleu- ropa in vielen Kolonien entlang der K sten nahe der mittleren Hochwasserlinie. Ihre Brutplätze sind daher durch Überflutungen gefährdet. Da Sturmfluten k nftig vermutlich häufiger auftreten werden, ist hier mit einer zunehmenden Gefahr f r die Brutgebiete der Flussseeschwalben zu rechnen. Flussseeschwalben beginnen meist im 3. Lebensjahr mit der Fortpflanzung und haben eine relativ geringe Anzahl von Jungv geln bei einer hohen Überlebensrate adulter Tiere. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, was jedoch einen umfassenden Schutz in den Brutgebieten voraussetzt. In Deutschland stehen Flussseeschwalben auf der Vorwarnliste der Roten Liste, die Brutvorkommen in Niedersachsen und Mecklen- burg-Vorpommern gelten als stark gefährdet (Tab. 26-4). Flussseeschwalben sind im Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistet. In Europa wird ihr Status derzeit als „gesichert“ eingestuft (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004).
Tab. 26-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der Flussseeschwalben in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + V 2 + 2 2, IntV 3 Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I Non-SPEC II II +
386 26.8 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: Fluss- und K stenseeschwalben sind vom Flugzeug aus nicht auf Art bestimmbar; vom Schiff aus sind zudem im Gegensatz zum Flugzeug detaillierte Verhaltensbeobachtungen m glich K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
26.9 Forschungsbedarf - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Welche Faktoren bestimmen die Habitatwahl auf See? - Nahrungswahl und Ernährungs kologie in der Ostsee - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
387 27 K stenseeschwalbe Sterna paradisaea (Pontoppidan 1763)
GB: Arctic Tern NL: Noordse Stern DK: Havterne Foto: B. Mendel S: Silvertärna Abb. 27-1: K stenseeschwalbe im PK PL: Rybitwa popielata
27.1 EU-Code A194
27.2 Systematik Ordnung: Charadriiformes - Wat-, Alken- und M wenv gel Familie: Sternidae - Seeschwalben
27.3 Kennzeichen Rotf ßige Seeschwalbe mit hellgrauer Oberseite, schwarzer Kopfkappe und dunkelro- tem Schnabel. Brust und Bauch verwaschen grau. Im SK Stirn weiß und Schnabel dunkel. Lange Schwanzspieße, berragen die Fl gelspitzen deutlich. Handfl gel oberseits insgesamt hellgrau, mit schmalem, schwarzem und scharf abgesetztem Hinterrand. Im Flug von unten alle Schwungfedern durchscheinend. Im JK Oberseite mit halbmondf rmigen gelben Flecken, Armfl gel mit schmalem, diffus dunklem Vorderrand und weißen Armschwingen, die ein helles Dreieck am Fl gel bilden. Handfl gel mit scharf abgesetztem dunklen Hinterrand. B rzel weiß, Schnabel dunkel. Kopf mit schwarzer Maske und gelblicher Schnabelbasis. Verwechslungsm glichkeiten: sehr ähnlich Flussseeschwalbe. K stenseeschwalbe etwas kleiner, Hals-Kopf-Profil im Flug k rzer und Schwanzspieße länger, Fl gel scheinen daher vor der K rpermitte anzusetzen. Stirn steiler und Schnabel k rzer. Fl gel wirkt insgesamt heller, im Flug von unten alle Schwungfedern hell durchschei- nend, Oberfl gel ohne dunklen Keil wie bei Flussseeschwalbe. Fliegt oft elastischer und schwungvoller als Flussseeschwalbe. K stenseeschwalbe im JK mit hellen Armschwingen und scharf abgesetztem, dunklem Hinterrand der Handschwingen, Oberseite weniger kontrastreich und weniger braun gefärbt als bei Flussseeschwalbe, Schnabel ab August schwarz.
388 27.4 Verbreitung / Bestand 27.4.1 Welt / Europa K stenseeschwalben sind hocharktische V gel, die zirkumpolar verbreitet sind. In Europa erstreckt sich ihr Verbreitungsgebiet mit einem Schwerpunkt in der Subarktis ber Island, Skandinavien, Großbritannien und den Ostseeraum. Die Art erreicht in den Niederlanden, dem deutschen Wattenmeer und an der deutschen Ostseek ste die s dliche Verbreitungsgrenze. K stenseeschwalben haben einen der längsten Zugwege aller Vogelarten bis in die Antarktis, wo die Brutv gel der nordamerikanischen und der nordeurasischen biogeografischen Populationen berwintern. Zum Weltbestand gibt es nur ungenaue Angaben; WETLANDS INTERNATIONAL (2006) geben einen Bestand von > 2 Mio. Individuen an, MITCHELL et al. (2004) nennen 800.000-2,7 Mio. Paare. In den K stenregionen des n rdlichen Mitteleuropas sind K stenseeschwalben häufige Brut- und Sommerv gel. Auf der Nordsee kann man viele Durchz gler beobachten, die jedoch bereits im k stennahen Binnenland selten sind. Der Brutbestand von K stenseeschwalben in Europa wird mit 500.000-900.000 Paaren angegeben (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004). In Europa kommt nur eine biogeografische Population vor (Tab. 27-1).
Tab. 27-1: Verbreitungs- und Bestandsangaben zu der in Europa vorkommenden biogeogra- fischen Population der K stenseeschwalben (WETLANDS INTERNATIONAL 2006). Art / Biogeogr. Brut- Winter- Bestand 1 % Trend Unterart Population verbreitung verbreitung (Ind.) Kriterium Europa n rdl. Frankreichs Antarktische N-Eurasien S. paradisaea Skandinavien, Meeresge- >1 Mio. k.A. k.A. (Brutzeit) Russland n rdl. wässer des Polarkreises
27.4.2 Deutschland Status: Brutvogel, Durchz gler. Die in Deutschland br tenden K stenseeschwalben geh ren zur biogeografischen Population „N-Eurasien“. Der Brutbestand der K stenseeschwalben in Deutschland beträgt 6.100 bis 6.700 Paare (BIRDLIFE INTERNATIONAL 2004; Bezugszeitraum: 1995-1999). Die Art hält sich von Mai bis August und damit k rzer als die anderen Seeschwalbenarten in Deutschland auf. Die Brutkolonien liegen fast ausschließlich in K stenregionen (und nur selten an Fl ssen und Seen des k stennahen Binnenlandes), so dass die Sommerverbreitung der
389 K stenseeschwalben auf Nord- und Ostsee und die angrenzenden K stengebiete beschränkt ist (Abb. 27-2). Daten der Wasservogelzählung liegen f r K stensee- schwalben nicht vor.
Abb. 27-2: Verbreitung der K stenseeschwalben auf der deutschen Nord- und Ostsee im Sommerhalbjahr, basierend auf Schiffstransektzählungen (Bezugszeitraum: Nord- see: 1990-2006, Ostsee: 2000-2006).
Nordsee K stenseeschwalben kommen nur im Sommerhalbjahr auf der deutschen Nordsee vor (Tab. 27-2). Im Fr hjahr konzentriert sich die Verbreitung berwiegend auf das watt- und k stennahe Seegebiet der Nordfriesischen Inseln, während im k stenfernen Bereich nur sehr geringe Anzahlen vorkommen. Niedrige Konzentrationen befinden sich auch im M ndungsbereich von Elbe und im Jade-Weser-Dreieck. Im Sommer liegen die Verbreitungsschwerpunkte im inneren und äußeren Wattenmeer nahe den wichtigsten Brutkolonien auf den Halligen Nordfrieslands, kleinere Vorkommen befinden sich zudem in der äußeren Elbe und entlang der Ostfriesischen Inseln. Während der Brutzeit k nnen gr ßere Ansammlungen von Nichtbr tern oder Brutabbrechern im Offshorebereich vorkommen (CAMPHUYSEN & WINTER 1996). Im Herbst nehmen die Zahlen deutlich ab, und die Verbreitung ist weitgehend von der K ste losgel st. Die Art kommt nun verstreut im K sten- und Offshore-Bereich vor, mit einem gehäuften Vorkommen in der äußeren Elbm ndung. Im Winter halten sich keine K stenseeschwalben auf der deutschen Nordsee auf. Der Brutbestand der K stenseeschwalben entlang der deutschen Nordseek ste betrug im Jahr 2003 4.964 Brutpaare (HÄLTERLEIN / NPA T nning, briefl.). Im k stenfern gelegenen SPA „Östliche Deutsche Bucht“ kommen K stensee- schwalben in geringen Anzahlen im Sommerhalbjahr vor (Tab. 27-2). Der h chste Bestand wird im Herbst erreicht, wenn die Verbreitung nach der Brutzeit stärker von der K ste gel st ist.
390 Tab. 27-2: Rastbestandszahlen der K stenseeschwalben f r die gesamte deutsche Nordsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (GARTHE et al. 2007a; Bezugs- zeitraum: 1993-2003) sowie f r das SPA „Östliche Deutsche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (SONNTAG et al. 2007; Bezugszeitraum 1996-2005). Da die Angaben zur Gr ße der biogeografischen Population sehr ungenau sind, wurde der Anteil der V gel an der biogeografischen Population nicht berechnet. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Östl. biogeogr. Nordsee Pop. (%) Nordsee Pop. (%) Dt. Bucht Pop. (%) Fr hjahr 7.500 k.A. 120 k.A. 190 k.A. Sommer 15.500 k.A. 210 k.A. 100 k.A. Herbst 3.100 k.A. 1.700 k.A. 650 k.A. Winter 0 0 0 0 0 0
Ostsee Auf der deutschen Ostsee treten K stenseeschwalben nur in sehr geringer Anzahl und fast ausschließlich in unmittelbarer K stennähe auf. Als Nahrungshabitate f r V gel der Brutkolonien entlang der K ste dienen berwiegend die angrenzenden Boddenge- wässer oder k stennahe Binnenseen, die eigentlichen Meeresgebiete werden kaum genutzt (KLAFS & STÜBS 1987, SCHELLER et al. 2002, FTZ unver ffentl.). In Mecklenburg-Vorpommern br ten K stenseeschwalben nur in der Wismarbucht, wo sie auch nach Nahrung suchen. Im Fr hjahr und v.a. im Herbst findet Zug entlang der Außenk ste statt. K stenfern wurde die Art insbesondere während des Herbstzuges in der Arkonasee beobachtet (KUBE et al. 2005a). Der Brutbestand der K stenseeschwalben an der deutschen Ostsee betrug im Jahr 2000 136 Paare (GARTHE et al. 2003a). Im SPA „Pommersche Bucht“ wurden K stenseeschwalben bisher nicht nachgewie- sen.
Tab. 27-3: Rastbestandszahlen der K stenseeschwalben f r die gesamte deutsche Ostsee, f r die AWZ, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeit- raum: 2000-2007) sowie f r das SPA „Pommersche Bucht“, basierend auf Schiffstransektzählungen (FTZ unver ffentl.; Bezugszeitraum: 2000-2006). Da die Angaben zur Gr ße der biogeografischen Population sehr ungenau sind, wurde der Anteil der V gel an der biogeografischen Population nicht berechnet. Bestand Anteil an Bestand Anteil an Bestand Anteil an dt. biogeogr. dt. AWZ biogeogr. SPA Pomm. biogeogr. Ostsee Pop. (%) Ostsee Pop. (%) Bucht Pop. (%) Fr hjahr k.A. k.A. 0 0 0 0 Sommer k.A. k.A. 0 0 0 0 Herbst k.A. k.A. 0 0 0 0 Winter 0 0 0 0 0 0
391 27.4.3 Bestandsentwicklung Eine Einschätzung der Bestandsentwicklung gestaltet sich schwierig, da der Bestand der K stenseeschwalben starken nat rlichen Schwankungen von Jahr zu Jahr unterliegt, die auf Nahrungsverf gbarkeit und Witterungsverhältnisse zur ckzuf hren sind. Außerdem kann es zu unvorhergesehenen großräumigen Umsiedlungen der Kolonien kommen. Längerfristige Bestandstrends an der deutschen Nordseek ste sind wegen oft ungen - gender Artidentifizierung schwer zu beurteilen, doch scheinen die Schwankungen in der Vergangenheit geringer als bei Flussseeschwalben gewesen zu sein (SÜDBECK et al. 1998, HÄLTERLEIN et al. 2000). Während sich an der Nordseek ste in den 1990er Jahren ein leichter Aufwärtstrend andeutete, nahm der Bestand an der deutschen Ostseek ste um mehr als die Hälfte ab (HÄLTERLEIN et al. 2000). In Mecklenburg- Vorpommern ist der einzige Brutstandort in der Wismarbucht von der Aufgabe bedroht (EICHSTÄDT et al. 2006).
27.5 Biologie / Ökologie 27.5.1 Fortpflanzung / Brutbiologie Geschlechtsreife: mit 3-5 Jahren, wahrscheinlich mit 4 Jahren Paarbildung: monogame Saisonehen mit Neigung zur Partnertreue; junge Paare trennen sich fter Brutzeit: Legebeginn an der Nordsee fr hestens Anfang Mai, meist Mitte Mai bis Juni, in der Arktis ab Juni; Brutdauer 20-22 Tage, beide Eltern br ten Gelege: 1-3 Eier; 1 Jahresbrut, im S den auch Nachgelege m glich K ken: K ken werden von beiden Eltern betreut, k nnen nach 2 Tagen schwimmen, sind nach 21-24 Tagen flugfähig, werden aber noch längere Zeit gef ttert
27.5.2 Alter Generationslänge: 14 Jahre Ältester Ringvogel: Europa: 29 Jahre 9 Monate; USA: Ringvogel 34-jährig br tend kontrolliert Sterblichkeit: im 1. Lebensjahr nach Erreichen der Flugfähigkeit 19 % (Großbritannien); Adulte: 11-13 % pro Jahr (Deutschland)
392 27.5.3 Mauser Die postjuvenile Mauser (Vollmauser) beginnt bei den meisten V geln ab Ende Oktober, ist aber vor Ankunft ins Winterquartier wenig umfangreich. Die Schwingen werden hauptsächlich von Dezember / Januar des 1. Winters bis zum April / Mai erneuert. Die darauf folgenden Mauserperioden sind ähnlich wie bei adulten V geln. Die Vollmauser der adulten K stenseeschwalben beginnt im Winterquartier meist ab Oktober, Nichtbr ter und erfolglose Brutv gel beginnen vermutlich fr her. Wie auch bei den Flussseeschwalben werden die Schwingen nacheinander gemausert, so dass die Seeschwalben zu keiner Zeit in ihrer Flugfähigkeit eingeschränkt sind. Die Pränupti- almauser (Teilmauser) vollzieht sich von Februar bis Mitte März und ist bei Zugbe- ginn gr ßtenteils abgeschlossen.
27.5.4 Wanderungen K stenseeschwalben sind ausgesprochene Langstreckenzieher mit dem längsten Zugweg aller Vogelarten: ihre Winterquartiere erstrecken sich von den K sten Chiles und S dafrikas bis an den Rand der antarktischen Packeiszone. Von arktischen Brutgebieten nahe dem Nordpol ziehen sie somit fast bis zum S dpol. In Mitteleuropa werden die letzten Beobachtungen von ziehenden K stenseeschwalben meist im November gemacht. Es gibt nur wenige Nachz gler, die sich noch im Dezember in mitteleuropäischen Gewässern aufhalten. Der Heimzug entlang der westafrikanischen K ste vollzieht sich meist im April. Die fr hesten Ankunftsnachweise von K stenseeschwalben in den Niederlanden und an der Ostseek ste stammen von Mitte April.
27.5.5 Habitat Zur Brutzeit sind K stenseeschwalben in M- und NW-Europa ausgeprägte K stenv - gel, in den borealen Wald- und Tundrenzonen kommen sie jedoch auch weit im Binnenland vor (zur Verbreitung s. Kapitel 27.4.1). Die Brutplätze befinden sich an den K sten auf kurzrasigen Salzwiesen oder an Primärd nen, auf Muschelschill- und strukturierten Strandabschnitten. In der Deutschen Bucht sind K stenseeschwalben bei der Nahrungssuche noch stärker als Flussseeschwalben auf das k stennahe Watt mit seinen Prielen und auf die Flussm ndungen fixiert. Während der Zugperioden und im Winter halten sie sich nahezu ausschließlich im K stenbereich und auf der offenen See auf.
393 27.5.6 Ernährungs kologie Ernährungsstrategie K stenseeschwalben ernähren sich berwiegend von kleinen marinen Fischen, Krebsen und in geringeren Mengen von Insekten. Fische werden dabei berwiegend stoßtauchend erbeutet, wobei die Seeschwalben oftmals zuvor r ttelnd in der Luft stehen. Das Tauchen erfolgt meist aus geringer H he (1-5 m), meist tauchen die K stenseeschwalben dabei nur flach unter die Wasseroberfläche, vermutlich nicht tiefer als 0,5 m. Wenn die Beute direkt an oder sehr nahe der Oberfläche ist, tauchen die Seeschwalben nur teilweise ins Wasser ein. Kleine Beuteobjekte wie Krebstiere und Insekten werden oftmals aus dem Fluge von der Wasseroberfläche erbeutet. Insekten werden auch in der Luft verfolgt. K stenseeschwalben suchen teilweise einzeln oder in kleinen Gruppen nach Nahrung, wobei insbesondere Fischschwärme große Mengen nahrungssuchender V gel anziehen k nnen. Im Vergleich zu Flusssee- schwalben ist die Nahrung vielfältiger, oft mit einem etwas geringeren Fischanteil. Es kann allerdings starke Unterschiede in der Beutequalität und -quantität zwischen Kolonien oder verschiedenen Jahren geben (z.B. MONAGHAN et al. 1989, 1992). Die h chste Nahrungssuchaktivität ist meist am fr hen Morgen und vor Sonnenuntergang festzustellen. In einigen Studien ließ sich ein Gezeiteneinfluss auf den Erfolg bzw. die Intensität der Nahrungssuche feststellen (z.B. BOECKER 1967, FRICK & BECKER 1995, SCHWEMMER 2007). Als Beutefische nutzen K stenseeschwalben häufig Sandaale (Ammodytidae) sowie Heringsartige, v.a. Hering (Clupea harengus) und Sprotte (Sprattus sprattus). Nordsee BOECKER (1967) untersuchte die Nahrung von K stenseeschwalben auf Wangerooge durch Beobachtung von K kenf tterungen, Analyse von Mageninhalten und hervor- gew rgten Nahrungsresten. Nach seinen Beobachtungen verf tterten die K stensee- schwalben 51,8 % Fische, davon die Hälfte Heringsartige. Mit 48,2 % stellten Wirbellose, gr ßtenteils Crustaceen (Portunidae und Crangonidae), den Rest. Die Nahrungsproben bestanden zu 44,6 % aus Fischen, zu 33,9 % aus Crustaceen, zu 10,7 % aus Polychaeten und zu 10,7 % aus Mollusken.
HARTWIG et al. (1990) beobachteten in eine Kolonie auf Scharh rn (Hamburgisches Wattenmeer) eingebrachte Nahrung. Unbestimmte Jungfische machten 29 % der Nahrung aus, Sandaale 17,8 %, unbestimmte Kleinfische 16,1 %, Sprotten 12,1 % und Garnelen 9,7 %. Der Rest setzte sich aus unbestimmten Heringsartigen, Stichlingen, Plattfischen, und Strandkrabben zusammen.
FRICK & BECKER (1995) beobachteten die Ernährung von Seeschwalbenk ken auf Minsener Oldeoog (ostfriesisches Wattenmeer). Sie stellten fest, dass K stensee-
394 schwalben signifikant kleinere Beuteobjekte an ihre K ken verf tterten als Flusssee- schwalben. Das Nahrungsspektrum der K ken bestand aus Garnelen, Krabben, Plattfischen, Fischlarven und Heringsartigen.
NIEDERNOSTHEIDE (1996) konnte auf Nigeh rn und Scharh rn bei K stenseeschwal- ben, im Gegensatz zu Flussseeschwalben, eine h here Bedeutung von Crustaceen in der Ernährung feststellen. Ostsee In Kolonien der Ostsee scheinen Wirbellose (zumindest phasenweise) eine bedeuten- dere Rolle in der Nahrung von K stenseeschwalben einzunehmen als in der Nordsee: DIERSCHKE & KLÜMANN (1988) beobachteten während der Brutzeit 1986 die an K ken verf tterten Nahrungsbestandteile in einer Kolonie bei Oehe-Schleim nde (Schleswig-Holsteinische Ostseek ste). Sie fanden einen großen Anteil von Poly- chaeten ( berwiegend Seeringelw rmer Nereidae), der an den einzelnen Tagen zwischen 58 % und 71 % schwankte. Fische (29-38 %), dabei berwiegend Dreistach- lige Stichlinge (Gasterosteus aculeatus), und besonders Krebse (0-8 %) waren quantitativ von geringerer Bedeutung. Mit der gleichen Methodik wurden K stensee- schwalben im selben Gebiet auch 1995 untersucht: MARAHRENS (2001) ermittelte junge Heringe mit 62 % als die Hauptnahrung der K ken, gefolgt von Nordseegarne- len (Crangon crangon, 17 %) und Seeringelw rmern (Nereidae, 14 %).
27.5.7 Sonstige Verhaltensweisen K stenseeschwalben sind tagaktiv. Sie sind außerhalb der Brutzeit gesellig, fliegen während des Zuges oft in kleinen Trupps oder alleine. Im Überwinterungsgebiet kommen sie in großen Schwärmen vor.
KRÜGER & GARTHE (2001) beobachteten, dass Fluss- / K stenseeschwalben bei Gegenwind zu 79 % in H hen zwischen 1,5 und 12 m fliegen, während sie bei R ckenwind tendenziell eher h her (12-25 m) ziehen. Während des Zuges k nnen K stenseeschwalben auch auf dem Wasser rastend beobachtet werden (FTZ un- ver ffentl.).
27.6 Gefährdungen, Empfindlichkeiten, Verantwortlichkeiten 27.6.1 Gefährdungsursachen K stenseeschwalben sind auf Nord- und Ostsee insbesondere durch folgende anthropogene Gefährdungen betroffen: - Umweltgifte (Anreicherung in der Fischnahrung) - Anfälligkeit gegen ber Veränderungen im Nahrungsangebot
395 - Reduzierung kleiner Beutefische als Effekt kommerzieller Fischerei - Stärkerer Prädationsdruck und Kleptoparasitismus durch M wen im Falle einer veränderten Discardverf gbarkeit In den Brut- und Rastgebieten treten v.a. folgende Gefährdungen auf: - St rung und Bruthabitatverlust durch anthropogene Aktivitäten (z.B. Touris- mus, K stenschutzmaßnahmen mit veränderten Sedimentations- und Überflu- tungsbedingungen, Überbauung) - Bruthabitatverlust durch Winderosion, Überflutungen, und v.a. nat rliche Sukzession. K stenseeschwalben sind im Vergleich zu Flussseeschwalben stärker von Überflutungen (auch durch globale Erwärmung) bedroht, da sie näher an der mittleren Hochwasserlinie br tet - Brutverluste durch Prädation (M wen, Krähen, Raubsäuger) - Direkte Verfolgung (Fang) in den Rast- und Überwinterungsgebieten
27.6.2 Besondere Empfindlichkeiten der K stenseeschwalben gegen ber ausgewählten anthropogenen Faktoren K stenseeschwalben weisen eine sehr geringe Fluchtdistanz gegen ber Schiffen auf (GARTHE et al. 2004), die Empfindlichkeit gegen ber Schiffsverkehr kann als gering eingestuft werden. Vielmehr kann es durch Verwirbelungen im Schraubenwasser zu Attraktionseffekten hinter Schiffen kommen, wo K stenseeschwalben häufig nach Nahrung suchen. Auch als Schiffsfolger hinter Fischereifahrzeugen wird die Art regelmäßig beobachtet (FTZ unver ffentl.). Auf See bewegen sich K stenseeschwalben meist fliegend fort und zeigen insbesonde- re zur Brutzeit eine hohe Flugaktivität zwischen Kolonie und Nahrungsgebieten. Die Flugh he ist meist gering, ebenso die nächtliche Flugaktivität. Zudem k nnen K stenseeschwalben sehr gut man vrieren. Die Empfindlichkeit gegen ber einer Kollision mit technischen Bauwerken, wie z.B. Offshore-Windenergieanlagen, ist daher als eher gering einzustufen. Der Wert im Windenergie-Sensitivitätsindex nach GARTHE & HÜPPOP (2004) liegt im unteren Bereich aller untersuchten Arten. Bei schlechten Sichtbedingungen k nnte es jedoch insbesondere wegen der hohen Flugaktivität durchaus zu Kollisionen kommen. K stenseeschwalben ernähren sich durch Aufnahme von Beuteobjekten an der Wasseroberfläche im Flug oder durch Stoßtauchen. Dabei erreichen sie nur die oberflächennahen Wasserschichten (vermutlich nicht tiefer als 0,5 m) und sind somit wenig gefährdet, sich in den meist bodennah ausgebrachten Stellnetzen zu verfangen. In oberflächennahen Kiemennetzen, wie sie z.B. f r den Lachsfang eingesetzt werden,
396 k nnte es jedoch beim Stoßtauchen vermutlich zu Verlusten durch Verfangen und Ertrinken kommen. Während des Zuges k nnen K stenseeschwalben auch fter auf dem Wasser rastend beobachtet werden (FTZ unver ffentl.). Sie sind damit stärker als z.B. Brandsee- schwalben durch Ver lung gefährdet, die durch große Ölteppiche in Folge von Ölunfällen sowie durch kleinere Ölflecken z.B. als Folge von illegalen oder legalen Einleitungen („schleichende“ Ver lung, z.B. durch Tankreinigungen) hervorgerufen werden kann. Zudem kann es beim Stoßtauchen in ver lten Gewässern zu einer Kontamination kommen. Ölverschmutzung kann auch durch die Aufnahme belasteter Beuteorganismen negative Auswirkungen auf Seev gel haben, da kleinste Mengen Öl im Meerwasser gel st und von zahlreichen Organismen aufgenommen werden. Ölpartikel oder beim Abbau entstehende Substanzen gelangen so in die Nahrungskette, wo sie sich als Schadstoffe anreichern und zu Verhaltens-, Wachstums- und Entwick- lungsst rungen f hren k nnen. Eine derartige Gefahr besteht insbesondere nach dem Auftreten großflächiger Ölverschmutzungen durch Schiffsunfälle, die meist zu einer weitreichenden und ber Jahre hinweg andauernden Belastung der Meeresumwelt f hren. K stenseeschwalben weisen in den deutschen K stengewässern ein relativ breites Nahrungsspektrum auf (vgl. Kapitel 27.5.6). Neben verschiedenen Fischarten stellen gebietsweise auch Crustaceen und Polychaeten einen großen Anteil der K kennah- rung. Die Art ist daher aktuell wenig durch Nahrungsreduktion, z.B. aufgrund von derzeit bestehenden Fischereien oder Sedimentabbau, gefährdet. Studien auf den Shetland-Inseln haben jedoch gezeigt, dass K stenseeschwalben anfällig gegen ber Nahrungsverknappung sein k nnen. Starke Brutausfälle Ende der 1980er Jahre resultierten daraus, dass in dem räumlich begrenzten Aktionsradius von K stensee- schwalben während der Brutzeit nicht ausreichend Kleinfische verf gbar waren (MONAGHAN 1996, UTTLEY et al. 1992). M wen sind vielfach als Kleptoparasiten von Seeschwalbennahrung dokumentiert worden (z.B. GORKE 1990, GARTHE & KUBETZKI 1998). Im Fall von veränderten Ernährungsbedingungen f r M wen (z.B. Wegfall von Discards aus der Fischerei) ist damit zu rechnen, dass sich sowohl der Kleptoparasitismus an Seeschwalben als auch der direkte Prädationsdruck auf Seeschwalbenk ken verstärken kann (s. Silberm we). Eine starke Gefährdung besteht in der Kontamination mit Umweltgiften, die sich in der Fischnahrung anreichern und dann in K stenseeschwalben als Prädatoren am oberen Ende der Nahrungskette zu hoher Konzentrationen akkumulieren k nnen. In der s dlichen Nordsee haben Umweltgifte Mitte der 1960er Jahre zu einem deutlichen Be-
397 standsr ckgang der K stenseeschwalben gef hrt, der bis heute nicht wieder voll ausgeglichen ist (z.B. KOEMAN 1975, BECKER & ERDELEN 1987). Ein weiteres Problem f r K stenseeschwalben k nnte sich k nftig durch die zuneh- menden Klima- und Wetterveränderungen ergeben. Die Art br tet im n rdlichen Mitteleuropa in vielen Kolonien entlang der K sten nahe der mittleren Hochwasserli- nie. Ihre Brutplätze sind daher durch Überflutungen gefährdet. Da Sturmfluten k nftig vermutlich häufiger auftreten werden, ist hier mit einer zunehmenden Gefahr f r die Brutgebiete der K stenseeschwalben zu rechnen. K stenseeschwalben beginnen zwischen dem 3. und 5. Lebensjahr mit der Fortpflan- zung und haben eine relativ geringe Anzahl von Jungv geln bei einer gleichzeitig hohen Überlebensrate adulter Tiere. Durch das Reproduktionspotential k nnen Mortalitätsverluste daher nur bis zu einem gewissen Grad ausgeglichen werden, was jedoch einen umfassenden Schutz in den Brutgebieten voraussetzt. In Niedersachsen stehen K stenseeschwalben als Brutv gel auf der Vorwarnliste der Roten Liste (Tab. 27-4). In Mecklenburg-Vorpommern sind K stenseeschwalben auf wenige Kolonien in der Wismarbucht beschränkt und dort insbesondere durch starke Prädation durch F chse vom Aussterben bedroht (EICHSTÄDT et al. 2006). In Europa wird der Status nach BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004) vorläufig als „gesichert“ eingestuft. K stenseeschwalben sind auf dem Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie gelistet.
Tab. 27-4: Rote-Liste- und Schutzstatus der K stenseeschwalben in Europa (Erläuterungen s. Kapitel II). Rote Listen D Nds. SH M-V Dt. Wattenmeer Dt. Ostsee Europa (2002) (2002) (1995) (2003) (1995) (1996) + - V - 1 2 2 Schutzstatus EU-VSchRL SPEC Bonner Konvention Berner Konvention AEWA I Non-SPEC II II +
27.7 Erfassung Schiffs- und Flugzeugtransektzählungen Zu beachten: K sten- und Flussseeschwalben sind vom Flugzeug aus nicht auf Art bestimmbar; vom Schiff aus sind zudem im Gegensatz zum Flugzeug detaillierte Verhaltensbeobachtungen m glich K sten-Wasservogelzählung (bei k stennahen Vorkommen)
398 27.8 Forschungsbedarf - Rolle des k stennahen Binnenlandes sowie der Flussunterläufe von z.B. Elbe und Eider f r die Ernährung - Populationsbiologische Untersuchungen der heimischen Brutv gel - Abschätzung m glichen Habitatverlustes durch anthropogene Aktivitäten auf See - Abschätzung der Auswirkungen klimatischer Veränderungen auf heimische Brutv gel: Lage der Brutplätze, Bruterfolg, Bestandsentwicklung
399 IV Literatur ADAMS, G. (2000): AEWA-Umsetzung in Deutschland: Handlungsbedarf, Aufgaben- verteilung und m gliche Überlappungen mit der Ramsar-Konvention und der EG- Vogelschutzrichtlinie. – In: HAUPT, H., LUTZ, K. & BOYE, P. (Hrsg.): Internatio- nale Impulse f r den Schutz von Wasserv geln in Deutschland. Ziele und Anfor- derungen des afrikanisch-eurasischen Wasservogelabkommens (AEWA) aus na- tionaler Sicht. – Schriftenr. Landschaftspfl. Naturschutz 60: 21-29. ADRIAENSEN, F., ULENAERS, P. & DHONDT, A.A. (1993): Ringing recoveries and the increase in numbers of European Great Crested Grebes Podiceps cristatus. – Ardea 81: 59-70. ALERSTAM, T., BAUER, C.-A. & ROOS, G. (1974): Fält- och radarstudier av stersj e- jdrarnas Somateria mollissima vårsträck. – Vår. Fågelvärld 33: 15-27. ANON. (2000): Offshore wind farms – Proposals for criteria for acceptable impacts on bird populations. – National Environmental Research Institute, Kal . ARBEITSGEMEINSCHAFT BERLIN-BRANDENBURGER ORNITHOLOGEN (Hrsg.) (2001): Die Vogelwelt von Brandenburg und Berlin. – Rangsdorf (Natur & Text). ARBOUW, G.J. & SWENNEN, C. (1985): Het voedsel van de Stormmeeuw Larus canus op Texel. – Limosa 58: 7-15. ARNOTT, S.A. & RUXTON, G.D. (2002): Sandeel recruitment in the North Sea: demographic, climatic and trophic effects. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 238: 199- 210. AUBRECHT, G., LEUZINGER, H., SCHIFFERLI, L. & SCHUSTER, S. (1990): Starker Ein- flug von Samtenten Melanitta fusca ins mitteleuropäische Binnenland in den Wintern 1985/86 und 1988/89. – Ornithol. Beob. 87: 89-97. BARNETT, P.R., WHITTINGHAM, M.J., BRADBURY, R.B. & WILSON, J.D. (2004): Use of unimproved and improved lowland grassland by wintering birds in the UK. – Agric. Ecosyst. Environ. 102: 49-60. BARRETT, R.T. (2001): Monitoring the Atlantic Puffin Fratercula arctica, Common Guillemot Uria aalge and Black-legged Kittiwake Rissa tridactyla breeding populations on Horn ya, northeast Norway, 1980-2000. – Fauna Norvegica 21: 1-10. BAUER, H.-G. & BERTHOLD, P. (1997): Die Brutv gel Mitteleuropas. Bestand und Gefährdung. 2. Aufl. – Wiesbaden (Aula-Verlag). BAUER, H.-G., BERTHOLD, P., BOYE, P., KNIEF, W., SÜDBECK, P. & WITT, K. (2002): Rote Liste der Brutv gel Deutschlands. – 3., berarbeitete Fassung, 8.5.2002. – Ber. Vogelschutz 39: 13-60. BAUER, H.-G., BEZZEL, E. & FIEDLER, W. (2005): Das Kompendium der V gel Mit- teleuropas. Band 1: Nonpasseriformes – Nichtsperlingsv gel. – Wiebelsheim (Aula-Verlag).
400 BAUER, K.M. & GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.N. (1966): Handbuch der V gel Mitteleu- ropas. Band 1. Gaviiformes – Phoenicopteriformes. – Frankfurt am Main (Aka- demische Verlagsgesellschaft). BAUER, K.M. & GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.N. (1968): Handbuch der V gel Mitteleu- ropas. Band 2. Anseriformes (1. Teil). – Frankfurt am Main (Akademische Ver- lagsgesellschaft). BAUER, K.M. & GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.N. (1969): Handbuch der V gel Mitteleu- ropas. Band 3. Anseriformes (2. Teil). – Frankfurt am Main (Akademische Ver- lagsgesellschaft). BEAMAN, M. & MADGE, S. (1998): Handbuch der Vogelbestimmung. Europa und Westpaläarktis. – Stuttgart (Ulmer). BEAUGRAND, G. (2004): The North Sea regime shift: evidence, causes, mechanisms and consequences. – Prog. Oceanogr. 60: 245-262. BECKER, P.H., FRANK, D. & WALTER, U. (1987): Geographische und jährliche Varia- tion der Ernährung der Flußseeschwalbe (Sterna hirundo) an der Nordseek ste. – J. Ornithol. 128: 457-475. BECKER, P.H. & ERDELEN, M. (1986): Die Bestandsentwicklung von Brutv geln der deutschen Nordsseek ste seit 1950: Aspekte f r den Artenschutz. – Ber. Dtsch. Sekt. Int. Rat Vogelschutz 26: 63-73. BECKER, P.H. &. ERDELEN, M. (1987): Die Bestandsentwicklung von Brutv geln der deutschen Nordseek ste 1950-1979. – J. Ornithol. 128: 1-32. BECKER, P.H., FRANK, D. & SUDMANN, S.R. (1993a): Temporal and spatial pattern of Common Tern (Sterna hirundo) foraging in the Wadden Sea. – Oecologia 93: 389-393. BECKER, P.H., FRANK, D. & WAGENER, M. (1997): Luxury in freshwater and stress at sea? The foraging of the Common Tern Sterna hirundo. – Ibis 139: 264-269. BECKER, P.H., FRANK, D. & WALTER, U. (1987): Geographische und jährliche Varia- tion der Ernährung der Flußseeschwalbe (Sterna hirundo) an der Nordseek ste. – J. Ornithol. 128: 457-475. BECKER, P.H., SCHUHMANN, S. & KOEPFF, C. (1993b): Hatching failure in Common Terns (Sterna hirundo) in relation to environmental chemicals. – Environ. Pollut. 79: 207-213. BECKER, P.H. & SPECHT, R. (1991): Body mass fluctuations and mortality in Common Tern Sterna hirundo chicks dependent on weather and tide in the Wadden Sea. – Ardea 79: 45-55. BECKER, P.H., THYEN, S., MICKSTEIN, S., SOMMER, U. & SCHMIEDER, K.R. (1998): Monitoring Pollutants in Coastal Bird Eggs in the Wadden Sea. Final Report of the 1 Pilot Study 1996-1997. – Wadden Sea Ecosyst. 8: 59-101.
401 BELLEBAUM, J. (2002): Ein "Problemvogel" bekommt Probleme: Bestandsentwick- lung der Lachm we Larus ridibundus in Deutschland 1963-1999. – Vogelwelt 123: 189-201. BELLEBAUM, J., BUCHHEIM, A., NOWAKOWSKI, J. & SELL, M. (2000): Was tun, wenn der M ll knapp wird? 25 Jahre berwinternde M wen (Laridae) im Ruhrgebiet. – Vogelwelt 121: 165-172. BELLEBAUM, J., DIEDERICHS, A., KUBE, J., SCHULZ, A., & NEHLS, G. (2006): Flucht- und Meidedistanzen berwinternder Seetaucher und Meeresenten gegen ber Schiffen auf See. – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 45, Sonderheft 1: 86-90. BENVENUTI, S., DALL'ANTONIA, L. & LYNGS, P. (2001): Foraging behaviour and time allocation of chick-rearing Razorbills Alca torda at Græsholmen, central Baltic Sea. – Ibis 143: 402-412. BERNDT, R.K. & BUSCHE, G. (1993): Vogelwelt Schleswig-Holsteins. Band 4: Enten- v gel II (Kolbenente – Ruderente). – Neum nster (Wachholtz Verlag). BERNDT, R.K. & DRENCKHAHN, D. (1990): Vogelwelt Schleswig-Holsteins, Band 1., 2. Aufl. – Neum nster (Wachholtz Verlag). BERNDT, R.K., HEIN, K., KOOP, B. & LUNK, S. (Hrsg.) (2005): Die V gel der Insel Fehmarn. – Husum (Husum Druck- und Verlagsgesellschaft). BERNDT, R.K., KOOP, B. & STRUWE-JUHL, B. (Hrsg., 2002): Vogelwelt Schleswig- Holsteins. Band 5: Brutvogelatlas. – Neum nster (Wachholtz Verlag). BEZZEL, E. (1985): Kompendium der V gel Mitteleuropas, Nichtsingv gel. – Wiesba- den (Aula-Verlag). BEZZEL, E. & PRINZINGER, R. (1990): Ornithologie. – Stuttgart (Ulmer). BIRDLIFE INTERNATIONAL (2004): Birds in Europe: Population estimates, trends and conservation status. BirdLife Conserv. Ser. 12. – Cambridge (BirdLife Interna- tional). BLAKE, B.F. (1983): A comparative study of the diet of auks killed during an oil inci- dent in the Skagerrak in January 1981. – J. Zool. 201: 1-12. BLAKE, B.F. (1984): Diet and fish stock availability as possible factors in the mass death of auks in the North Sea. – J. Exp. Mar. Biol. Ecol. 76: 89-103. BLAKE, B.F., DIXON, T.J., JONES, P.H. & TASKER, M.L. (1985): Seasonal changes in the feeding ecology of Guillemots (Uria aalge) off north and east Scotland. – Es- tuar. Coast. Shelf Sci. 20: 559-568. BLEW, J., GÜNTHER, K. & SÜDBECK, P. (2005): Bestandsentwicklung der im deut- schen Wattenmeer rastenden Wat- und Wasserv gel von 1987/1988 bis 2001/2002. – Vogelwelt 126: 99-125.
402 BOECKER, M. (1967): Vergleichende Untersuchungen zur Nahrungs- und Nist kologie der Flußseeschwalbe (Sterna hirundo L.) und der K stenseeschwalbe (Sterna pa- radisea Pont.). – Bonn. zool. Beitr. 18: 15-126. BÖHME, D. (1993): Zur Nahrungs kologie berwinternder Tauchenten in der Wohlen- berger Wiek/Wismarbucht. – Beitr. Vogelkd. 39: 257-284. BØNLØKKE, J., MADSEN, J.J., THORUP, K., PEDERSEN, K.T., BJERRUM, M. & RAHBEK, C. (2006): Dansk Trækfugleatlas. – K benhavn (Forlaget Rhodos A/S & Zoologisk Museum, K benhavns Universitet). BOSCHERT, M. (2005): Vorkommen und Bestandsentwicklung seltener Brutvogelarten in Deutschland 1997 bis 2003. – Vogelwelt 126: 1-51. BRÄGER, S. & NEHLS, G. (1987): Die Bedeutung der schleswig-holsteinischen Ostsee- Flachgr nde f r berwinternde Meeresenten. – Corax 12: 234-254. BREGNBALLE, T., ENGSTRÖM, H., KNIEF, W., VAN EERDEN, M.R., VAN RIJN, S., KIECKBUSCH, J. & ESKILDSEN, K. (2003): Development of the breeding populati- on of Great Cormorants Phalacrocorax carbo sinensis in The Netherlands, Ger- many, Denmark, and Sweden during the 1990s. – Vogelwelt 124, Suppl.: 15-26. BREGNBALLE, T., NOER, H., CHRISTENSEN, T.K., CLAUSEN, P., ASFERG, T., FOX, A.D. & DELANY, S. (2006): Sustainable hunting of migratory waterbirds: the Danish approach. – In: BOERE, G.C., GALBRAITH, C.A. & STROUD, D.A. (Eds.): Waterbirds around the world. – Edinburgh (The Stationary Office): 854-860. BRENNING, U., BERNDT, R.K., EICHSTÄDT, W., KNIEF, W., SCHRÖDER, H., SELLIN, D. & STRUWE-JUHL, B. (1996): Rote Liste der Vogelarten des deutschen Meeres- und K stenbereichs der Ostsee. – In: MERCK, T. & NORDHEIM, H. VON: Rote Liste und Artenlisten der Tiere und Pflanzen des deutschen Meeres- und K sten- bereichs der deutschen Ostsee. – Schriftenr. Landschaftspfl. Natursch. 48: 95-104. BRUNS, H.A. & BERNDT, R.K. (1999): Ornithologischer Jahresbericht f r Schleswig- Holstein 1997. – Corax 17: 279-319. BUCHHEIM, A. (1998): Erfassung in Nordrhein-Westfalen rastender Kormorane – Er- gebnisse landesweiter Synchronzählungen 1992 bis 1997 mit Angaben zum Brut- bestand. – LÖBF-Mitt. 3/98: 59-68. BUCKLEY, N.J. (1990): Diet and feeding ecology of Great Black-backed Gulls (Larus marinus) at a southern Irish breeding colony. – J. Zool. 222: 363-373. BURGER, A.E. & PIATT, J.F. (1990): Flexible time budgets in breeding Common Mur- res: buffers against variable prey abundance. – Stud. Avian Biol. 14: 71-83. BWPi (2004): The birds of the western Palearctic. Interactive DVD Birdguides. – Shrewsbury.
403 BZOMA, S. & MEISSNER, W. (2005): Some results of long-term counts of waterbirds wintering in the western part of the Gulf of Gdańsk (Poland), with special empha- sis on the increase in the number of Cormorants (Phalacrocorax carbo). – Acta Zool. Lit. 15: 105-108. CAIRNS, D.K. (1987): The ecology and energetics of chick provisioning by Black Guillemots. – Condor 89: 627-635. CAMPHUYSEN, C.J. (1989): Beached bird surveys in The Netherlands 1915-1988; sea- bird mortality in the southern North Sea since the early days of oil pollution (technisch Rapport). – Amsterdam (Werkgroep Noordzee). CAMPHUYSEN, C.J. (1990): Massastranding van Alk Alca torda en Zeekoet Uria aalge op de Nederlandse kust, Jan-Feb 1990. – Sula 4: 23-25. CAMPHUYSEN, C.J. (1995a): Het voedsel van Zeekoeten Uria aalge voor de Zeeuwse kust, december 1991. – Sula 9: 164-166. CAMPHUYSEN, C.J. (1995b): Herring Gull Larus argentatus and Lesser Black-backed Gull L. fuscus feeding at fishing vessels in the breeding season: competitive scav- enging versus efficient flying. – Ardea 83: 365-380. CAMPHUYSEN, C.J. (1998): Het voorkomen van de Alk Alca torda in Nederlandse wateren. – Limosa 71: 69-77. CAMPHUYSEN, C.J. (2001): Northern Gannets Morus bassanus found dead in The Netherlands, 1970-2000. – Atlantic Seabirds 3: 15-30. CAMPHUYSEN, C.J. (2005): Understanding marine foodweb processes: An ecosystem approach to sustainable sandeel fisheries in the North Sea. IMPRESS final report. – NIOZ-rapport 2005-5. – Texel (Netherlands Institute for Sea Research). CAMPHUYSEN, C. J., BERREVOETS, C.M., DEKINGA, A., DEKKER, R., ENS, B.J., VAN DER HAVE, T.M., KATS, R.K.H., KUIKEN, T., LEOPOLD, M.F., VAN DER MEER, J. & PIERSMA, T. (2002): Mass mortality of Common Eiders (Somateria mollissima) in the Dutch Wadden Sea, winter 1999/2000: starvation in a commercially ex- ploited wetland of international importance. – Biol. Conserv. 106: 303-317. CAMPHUYSEN, C.J., CALVO, B., DURINCK, J., ENSOR, K., FOLLESTAD, A., FURNESS, R.W., GARTHE, S., LEAPER, G., SKOV, H., TASKER, M.L. & WINTER, C.J.N. (1995a): Consumption of discards by seabirds in the North Sea. Final report EC DG XIV research contract BIOECO/93/10. – NIOZ-rapport 1995-5. – Texel (Netherlands Institute for Sea Research). CAMPHUYSEN, C.J. & DERKS, P.J.T. (1989): Voorkomen en sterfte van de Fuut Po- diceps cristatus voor de Nederlandse kust 1974-86. – Limosa 62: 57-62. CAMPHUYSEN, C.J., FOX, A.D., LEOPOLD, M.F. & PETERSEN, I.K. (2004): Towards standardized seabirds at sea census techniques in connection with environmental impact assessments for offshore wind farms in the U.K. Final report. to COWRIE-BAM-02-2002.
404 CAMPHUYSEN, C.J. & GARTHE, S. (1997): An evaluation of the distribution and scav- enging habits of Northern Fulmars (Fulmarus glacialis) in the North Sea. – ICES J. Mar. Sci. 54: 654-683. CAMPHYUSEN, C.J., NEESSEN, H.J.L. & WINTER, C.J.N. (1995b): Distant feeding and association with cetaceans of Gannets Morus bassanus from the Bass Rock, May 1995. – Seabird 17: 36-43. CAMPHUYSEN, C.J. & VAN DER MEER, J. (2005): Wintering seabirds in West Africa: foraging hotspots off Western Sahara and Mauritania driven by upwelling and fisheries. – S. Afr. J. Mar. Sci. 27: 427-437. CAMPHUYSEN, C.J. & VAN DIJK, J. (1983): Zee- en kustvogels langs de Nederlandse kust, 1974-79. – Limosa 56: 117-120. CAMPHUYSEN, C.J. & WINTER, C.J.N. (1996): Arctic Terns Sterna paradisaea in the central northern North Sea in July: offshore staging area for failed breeders? – Seabird 18: 20-25. CASAS, J.M. & PAZ, J. (1996) Recent changes in the feeding of cod (Gadus morhua) off the Flemish Cap, Newfoundland 1998-1993. – ICES J. Mar. Sci. 53:750-756. CRAMP, S. (Ed.) (1985): Handbook of the birds of Europe, the Middle East and North Africa. The birds of the Western Palaearctic. – Vol. 4. Terns to Woodpeckers. – Oxford (Oxford Univ. Press). CREUTZ, G. (1963): Ernährungsweise und Aktionsradius der Lachm we (Larus ridi- bundus L.). – Beitr. Vogelkd. 9: 3-58. CUENDET, G. (1983): Predation on earthworms by the Black-headed Gull Larus ridibundus. – In: Satchell, J.E. (Ed.) Earthworm ecology – from Darwin to ver- miculture. – New York (Chapman and Hall): S. 415-424. CURTIS, D.J., GALBRAITH, C.G., SMYTH, J.C. & THOMPSON, D.B.A. (1985): Seasonal variations in prey selection by estuarine Black-headed Gulls Larus ridibundus. – Estuar. Coast. Shelf Sci. 21: 75-89. CZYBULKA, D. (2007): Der Kormoran als gesch tzte Art. – In: HERZIG, F. & BÖHNKE, A.: Fachtagung Kormorane 2006. – BfN-Skripten 204: 15-27. DAGYS, M. & ZYDELIS, R. (2002): Bird bycatch in fishing nets in Lithuanian coastal waters in wintering season 2001-2002. – Acta Zool. Lituanica 12: 276-282. DAUNT, F., BENVENUTI, S., HARRIS, M.P., DALL'ANTONIA, L., ELSTON, D.A. & WANLESS, S. (2002): Foraging strategies of the Black-legged Kittiwake Rissa tri- dactyla at a North Sea colony: evidence for a maximum foraging range. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 245: 239-247. DELANY, S. & SCOTT, D. (2006): Waterbird population estimates. 4. ed. – Wagenin- gen (Wetlands International). DEL HOYO, J., ELLIOTT, A. & SARGATAL, J. (1996): Handbook of the birds of the world. Vol. 3. Hoatzins to auks. – Barcelona (Lynx Edicions).
405 DEMUTH, M. (1983): Untersuchungen zur Nahrung der Silberm we (Larus argenta- tus) in einer Binnenlandkolonie Schleswig-Holsteins zur Brutzeit. – Seev gel 4: 19-23. DENZ, O. (2003): Rangliste der Brutvogelarten f r die Verantwortlichkeit Deutsch- lands im Artenschutz. – Vogelwelt 124: 1-16. DEPPE, L. (2003): Die Trauerente (Melanitta nigra) in der Deutschen Bucht – GIS- basierte Bewertung räumlicher und zeitlicher Parameter. – Hamburg (Univ. Ham- burg – Diplomarbeit). DEPPE, L. (2005): Die Trauerente (Melanitta nigra) in der Deutschen Bucht - GIS- basierte Bewertung räumlicher Parameter. – Seev gel 26: 13-19. DERNEDDE, T. (1993): Vergleichende Untersuchungen zur Nahrungszusammenset- zung von Silberm we (Larus argentatus), Sturmm we (L. canus) und Lachm we (L. ridibundus) im K nigshafen/Sylt. – Corax 15: 222-240. DESHOLM, M., CHRISTENSEN, T.K., SCHEIFFARTH, G., HARIO, M., ANDERSSON, Å., ENS, B., CAMPHUYSEN, C.J., NILSSON, L., WALTHO, C.M., LORENTSEN, S.-H., KURESOO, A., KATS, R.K.H., FLEET, D.M. & FOX, A.D. (2002): Status of the Baltic/Wadden Sea population of the Common Eider Somateria m. mollissima. – Wildfowl 53: 167-203. DEUTSCH, A. (1996): Zum Vorkommen der Heringsm we (Larus fuscus) in den Rie- selfeldern M nster (1962-1996). – Charadrius 32: 220-227. DEUTSCH, A., PLEINES, S., SENNERT, G. & HUBATSCH, K. (1996): Die Heringsm we (Larus fuscus) als Sommergast in Nordrhein-Westfalen. – Charadrius 32: 206- 219. DIERSCHKE, A.K. & HÜPPOP, O. (2003): Langfristige Veränderungen in der Ernäh- rung von Silberm wen (Larus argentatus) auf Helgoland unter dem Einfluss der Fischerei mit Vergleichen zur Heringsm we (Larus fuscus). – Seev gel 24: 3-15. DIERSCHKE, J., DIERSCHKE, V., JACHMANN, F. & STÜHMER, F. (2002): Ornithologi- scher Jahresbericht 2001 f r Helgoland. – Ornithol. Jber. Helgoland 12: 1-69. DIERSCHKE, J., DIERSCHKE, V., JACHMANN, F. & STÜHMER, F. (2003): Ornithologi- scher Jahresbericht 2002 f r Helgoland. – Ornithol. Jber. Helgoland 13: 1-75. DIERSCHKE, J., DIERSCHKE, V., JACHMANN, F. & STÜHMER, F. (2004a): Ornithologi- scher Jahresbericht 2003 f r Helgoland. – Ornithol. Jber. Helgoland 14: 1-77. DIERSCHKE, J., DIERSCHKE, V., JACHMANN, F. & STÜHMER, F. (2005): Ornithologi- scher Jahresbericht 2004 f r Helgoland. – Ornithol. Jber. Helgoland 15: 2-59. DIERSCHKE, J., DIERSCHKE, V., JACHMANN, F. & STÜHMER, F. (2006a): Ornithologi- scher Jahresbericht 2005 f r Helgoland. – Ornithol. Jber. Helgoland 16: 1-60. DIERSCHKE, V. (2002): Durchzug von Sterntauchern Gavia stellata und Prachttau- chern G. arctica in der Deutschen Bucht bei Helgoland. – Vogelwelt 123: 203- 211.
406 DIERSCHKE, V. (2003): Quantitative Erfassung des Vogelzugs während der Hellphase bei Helgoland. – Corax 19, Sonderheft 2: 27-34. DIERSCHKE, V., BELLEBAUM, J., DIEDERICHS, A. & KEMPF, N. (im Druck): Die flug- zeugbasierte Erfassung von Seev geln auf See. – In: WAHL, J., GARTHE, S., BOSCHERT, M., HEINICKE, T., KRÜGER, T. & SUDFELDT, C. (Hrsg.): Methoden- standards zur Erfassung rastender Wasserv gel. – Dachverband Deutscher Avi- faunisten. DIERSCHKE, V. & DANIELS, J.-P. (2003): Zur Flugh he ziehender See-, K sten- und Greifv gel im Seegebiet um Helgoland. – Corax 19, Sonderheft 2: 35-41. DIERSCHKE, V. & GARTHE, S. (2006): Literature review of offshore wind farms with regards to seabirds. – BfN-Skripten 186: 131-198. DIERSCHKE, V., GARTHE, S. & MARKONES, N. (2004b): Aktionsradien Helgoländer Dreizehenm wen Rissa tridactyla und Trottellummen Uria aalge während der Aufzuchtphase. – Vogelwelt 125: 11-19. DIERSCHKE, V., GARTHE, S. & MENDEL, B. (2006b): Possible conflicts between off- shore wind farms and seabirds in the German sectors of North Sea and Baltic Sea. – In: KÖLLER, J., KÖPPEL, H., PETERS, W. (Eds.): Offshore wind energy. Re- search on environmental impacts. – Berlin (Springer): S. 121-143. DIERSCHKE, V. & HELBIG, A.J. (1997): Zum Vorkommen von Tordalk Alca torda, Trottellumme Uria aalge und Gryllteiste Cepphus grylle auf der Ostsee bei Hid- densee. – Vogelwelt 118: 321-324. DIERSCHKE, V., HELBIG, A.J. & BARTH, R. (1995): Ornithologischer Jahresbericht 1994 f r Hiddensee und Umgebung. – Ber. Vogelwarte Hiddensee 12: 41-96. DIERSCHKE, V. & KLÜMANN, H. (1988): Zur Nahrung nestjunger K stenseeschwalben (Sterna paradisaea) im Naturschutzgebiet Oehe-Schleim nde. – Seev gel 9: 26- 27. DIERSCHKE, V. & LORENTZEN, N.H. (2006): Phänologie s dnorwegischer Mantel- m wen Larus marinus auf Helgoland (Deutsche Bucht). – Vogelwelt 127: 31-36. DIETRICH, F. (1928): Hamburgs Vogelwelt. Unter Ber cksichtigung der benachbarten Gebiete nämlich von Schleswig-Holstein, Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Bremen und Westfalen. – Hamburg (Otto Meißners). DITTBERNER, H. & DITTBERNER, W. (1989): Zum Kommensalismus und Kleptopara- sitismus der Zwergm we (Larus minutus) an der mecklenburgischen Ostseek ste. – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg 32: 34-36. DRENCKHAHN, D. (1969): Mauser und Vorkommen von Eiderente, Somateria mollis- sima, Trauerente, Melanitta nigra, und Samtente, Melanitta fusca, während der Ölpest im Herbst 1968 an der Nordseek ste Schleswig-Holsteins. – Corax 3: 23-30.
407 DUNN, E.K. & STEEL, C. (2001): The impact of long-line fishing on seabirds in the north-east Atlantic: recommendations for reducing mortality. – Sandy. – Royal Society for the Protection of Birds / Joint Nature Conservation Committee. DURINCK, J., CHRISTENSEN, K.D., SKOV, H. & DANIELSEN, F. (1993): Diet of the Common Scoter Melanitta nigra and Velvet Scoter Melanitta fusca wintering in the North Sea. – Ornis Fennica 70: 215-218. DURINCK, J., SKOV, H. & DANIELSEN, F. (1991): F devalg hos overvintrende Lomvier Uria aalge i Skagerrak. – Dansk Ornitol. Foren. Tidsskr. 85: 145-150. DURINCK, J., SKOV, H., DANIELSEN, F. & CHRISTENSEN, K.D. (1994a): Vinterf den hos R dstrubet Lom Gavia stellata i Skagerrak. – Dansk Ornitol. Foren. Tidsskr. 88: 39-41. DURINCK, J., SKOV, H., JENSEN, F.P. & PIHL, S. (1994b): Important marine areas for wintering birds in the Baltic Sea. – Ornis Consult report, Kopenhagen. EADES, R.A. (1982): Notes on the distribution of Little Gulls at sea in Liverpool Bay. – Seabird Rep 6: 115-121. EHLERT, W. (1957): Zur Ernährung der Silberm we (Larus argenatatus Pont.) in der Vorbrutzeit. – Ornithol. Mitt. 9: 201-203. EHLERT, W. (1961): Weitere Untersuchungen ber die Nahrungswelt der Silberm we (Larus argentatus) auf Mellum. – Vogelwarte 21: 48-50. EICHSTÄDT, W., SCHELLER, W., SELLIN, D., STARKE, W. & STEGEMANN, K.-D. (2006): Atlas der Brutv gel in Mecklenburg-Vorpommern. – Friedland (Steffen Verlag). EICHSTÄDT, W., SELLIN, D. & ZIMMERMANN, H. (2003): Rote Liste der Brutv gel Mecklenburg-Vorpommerns. – Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommern. ERIKSSON, M.O.G., JOHANSSON, I. & AHLGREN, C.-G. (1992): Levels of mercury in eggs of Red-throated Diver Gavia stellata and Black-throated Diver Gavia arc- tica in south-west Sweden. – Ornis Svecica 2: 29-36. ERIKSSON, M.O.G. & SUNDBERG, P. (1991): The choice of fishing lakes by the Red- throated Diver Gavia stellata and Black-throated Diver Gavia arctica during the breeding season in south-west Sweden. – Bird Study 38: 135-144. ERLEMANN, P. (2001): Vogelwelt von Stadt und Kreis Offenbach. – Neu-Isenburg (AK "Rodgau und Dreieich" der HGON). EVANS, C. (1989): Little Gulls associating with auks in winter. – Brit. Birds 82: 373. EVERT, U. (2004): Nahrungs kologie von Meeresenten in der Pommerschen Bucht. – Kiel (Univ. Kiel. – Diplomarbeit). EWINS, P.J. (1990): The diet of Black Guillemots Cepphus grylle in Shetland. – Holarctic Ecol. 13: 90-97. FJELDSÅ, J. (2004): The Grebes. – New York (Oxford University Press).
408 FLEET, D., (1984): Changes in the numbers of breeding Kittiwakes in Helgoland. – Ring. Migr. 5: 32-34. FLEET, D.M. (2001): Numbers of Common Eider beached on the German North Sea coast during the mass mortality in the winter of 1999/2000. – Wadden Sea News- letter 2001-1: 6-7. FLEET, D.M., GAUS, S., HARTWIG, E., POTEL, P., REINEKING, B. & SCHULZE- DIECKHOFF, M. (1999): Ölopfer in der Deutschen Bucht im Zeitraum 01. Juli 1994 bis 30. Juni 1998. – Seev gel 20: 43-48. FLEET, D.M., GAUS, S. & SCHULZE DIECKHOFF, M. (2003): Zeigt die Ausweisung der Nordsee als MARPOL-Sondergebiet f r Öl die ersten Erfolge? Ölopfer in der Deutschen Bucht in den Wintern 2000/2001 und 2001/2002. – Seev gel 24: 16- 23. FLORE, B.-O. (1999): High numbers of Lesser Black-backed Gulls Larus fuscus forag- ing at trawlers and in natural feeding flocks in the southeastern North Sea. – At- lantic Seabirds 1: 182-186. FLORE, B.-O. (2006): Phänologie und Bestandsentwicklung der Schlafplatz-Bestände von M wen (Laridae) 1989/90-2005/06 am Alfsee (s dwestliches Niedersach- sen). – Vogelwarte 44: 209-227. FLORE, B.-O. & HÜPPOP, O. (1997): Bestandsentwicklung, Durchzug und Herkunft des Kormorans Phalacrocorax carbo an einem Winterrastplatz auf Helgoland. – J. Ornithol. 138: 253-270. FOCKE, E. (1959): Zur Ernährung der Silberm we (Larus argentatus). – Vogelwarte 20: 86-88. FOWLER, J.A., & DYE, A.P. (1987): Sandeels Ammodytes marinus in the diet of the Fulmar Fulmarus glacialis in Shetland, Scotland. – Seabird 10: 71-74. FOX, A.D. (2003): Diet and habitat use of Scoters Melanitta in the Western Palaearctic – a brief overview. – Waterfowl 54: 189-208. FOX, A.D., PETERSEN, A.E. & FREDERIKSEN, M. (2003): Annual survival and site- fidelity of breeding female Common Scoter Melanitta nigra at M vatn, Iceland, 1925-58. – Ibis 145: E94-E96. FRANK, D. (1992): The influence of feeding conditions on food provisioning of chicks in Common Terns Sterna hirundo nesting in the German Wadden Sea. – Ardea 80: 45-55. FRANK, D. & BECKER, P.H. (1992): Body mass and nest reliefs in Common Terns Sterna hirundo exposed to different feeding conditions. – Ardea 80: 57-69. FREDERIKSEN, M., WANLESS, S., HARRIS, M.P., ROTHERY, P. & WILSON, L.J. (2004): The role of industrial fisheries and oceanographic change in the decline of North Sea Black-legged Kittiwakes. – J. Appl. Ecol. 41: 1129-1139.
409 FREDERIKSEN, M., WRIGHT, P.J., HARRIS, M.P., MAVOR, R.A., HEUBECK, M. & WANLESS, S. (2005): Regional patterns of Kittiwake Rissa tridactyla breeding success are related to variability in sandeel recruitment. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 300: 201-211. FRICK, S. & BECKER, P.H. (1995): Unterschiedliche Ernährungsstrategien von Fluß- und K stenseeschwalbe (Sterna hirundo und S. paradisea) im Wattenmeer. – J. Ornithol. 136: 47-63. FURNESS, R.W. (1997): The impact of predation by Great Skuas on other seabird spe- cies, with particular reference to special protection areas in Shetland. – Lerwick. – Report to Scottish Natural Heritage. FURNESS, R.W. & BRYANT, D.M. (1996): Effect of wind on field metabolic rates of breeding Northern Fulmars. – Ecology 77: 1181-1188. FURNESS, R.W. & TODD, C.M. (1984): Diets and feeding of Fulmars Fulmarus gla- cialis during the breeding season: a comparison between St Kilda and Shetland colonies. – Ibis 126: 379-387. GALUSHA, J.G. JR. & AMLANER, C.J. JR. (1977): The effect of diurnal and tidal peri- odicities in the numbers and activities of Herring Gulls Larus argentatus in a col- ony. – Ibis 120: 322-328. GARTHE, S. (1993a): Durchzug und Wintervorkommen der Zwergm we (Larus minu- tus) bei Helgoland in den Jahren 1977 bis 1991. – Vogelwarte 37: 118-129. GARTHE, S. (1993b): M wen und Seeschwalben auf der Unterelbe zwischen Hamburg und Pagensand 1987 bis 1991. – Corax 15: 261-269. GARTHE, S. (1993c): Quantifizierung von Abfall und Beifang der Fischerei in der s d- stlichen Nordsee und deren Nutzung durch Seev gel. – Hamburger avifaun. Beitr. 25: 125-237. GARTHE, S. (1996a): Distribution and abundance of North Sea seabirds and their feed- ing ecology in relation to fisheries and hydrography. – Kiel (Univ. Kiel – Disser- tation). GARTHE, S. (1996b): Die Vogelwelt von Hamburg und Umgebung. Band 3. – Neu- m nster (Wachholtz Verlag). GARTHE, S. (1997): Influence of hydrography, fishing activity and colony location on summer seabird distribution in the south-eastern North Sea. – ICES J. Mar. Sci. 54: 566-577. GARTHE, S. (1998): Gleich und doch anders: Zur Habitatwahl von Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) und Sturmm we (Larus canus) in der Deutschen Bucht. – Seev gel 19, Sonderheft: 81-85. GARTHE, S. (1999): The influence of fishing activities on the distribution and feeding ecology of seabirds at sea. – In: ADAMS, N.J. & SLOTOW, R.H. (Eds.): Int. Orni- thol. Congr., Durban. – Johannesburg. – BirdLife South Africa, Proc. 22: 706-716.
410 GARTHE, S. (2003a): Erfassung von Rastv geln in deutschen AWZ von Nord- und Ostsee. Abschlussbericht zum F+E-Vorhaben im Auftrag des Bundesamtes f r Naturschutz. GARTHE, S. (2003b): Verbreitung, Bestand und Jahresdynamik der Mantelm we Larus marinus in der Deutschen Bucht, Nordsee. – Corax 19, Sonderheft 2: 43-50. GARTHE, S., BENVENUTTI, S. & MONTEVECCHI, W.A. (2000a): Pursuit plunging by Northern Gannets (Sula bassana) feeding on Capelin (Mallotus villosus). – Proc. R. Soc. London 267: 1717-1722. GARTHE, S., BENVENUTI, S. & MONTEVECCHI, W.A (2003b): Temporal pattern of foraging activities of Northern Gannets, Morus bassanus, in the northwest Atlan- tic Ocean. – Can. J. Zool. 81: 453-461. GARTHE, S., DIERSCHKE, V., WEICHLER, T. & SCHWEMMER, P. (2004): Rastvogel- vorkommen und Offshore-Windkraftnutzung: Analyse des Konfliktpotenzials f r die deutsche Nord- und Ostsee. Abschlussbericht des Teilprojektes 5 im Rahmen des Verbundvorhabens "Marine Warmbl ter in Nord- und Ostsee: Grundlagen zur Bewertung von Windkraftanlagen im Offshorebereich (MINOS)". GARTHE, S. & FLORE, B.-O. (2007): Population trend over 100 years and conservation needs of breeding Sandwich Terns (Sterna sandvicensis) on the German North Sea coast. – J. Ornithol. 148: 215-227. GARTHE, S., FLORE, B.-O., HÄLTERLEIN, B., HÜPPOP, O., KUBETZKI, U. & SÜDBECK, P. (2000b): Brutbestandsentwicklung der M wen (Laridae) an der deutschen Nordseek ste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. – Vogelwelt 121: 1-13. GARTHE, S., FREYER, T., HÜPPOP, O. & WÖLKE, D. (1999): Breeding Lesser Black- backed Gulls Larus graellsii and Herring Gulls Larus argentatus: coexistence or competition? – Ardea 87: 227-236. GARTHE, S., GUSE, N. & SONNTAG, N. (2008): Spatio-temporal patterns of inshore and offshore foraging by Great Cormorants in the southwestern Baltic Sea. – In: WOLLNY-GOERKE, K. & ESKILDSEN, K. (Eds.): Marine mammals and seabirds in front of offshore wind energy. MINOS – Marine warm-blooded animals in North and Baltic Seas. – Wiesbaden (Teubner). GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (1994): Distribution of ship-following seabirds and their utilization of discards in the North Sea in summer. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 106: 1-9. GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (1996): Nocturnal scavenging by gulls in the southern North Sea. – Colon. Waterbirds 19: 232-241. GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (1997): Can seabirds be used as hydrocasts? – Ber. Zent- rum Meeres- u Klimaforschung Hamburg. Reihe Z: 77-81. GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (1998): Foraging success, kleptoparasitism and feeding techniques in scavenging seabirds: does crime pay? – Helgoländer Meeresunters. 52: 187-196.
411 GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (2004): Scaling possible adverse effects of marine wind farms on seabirds: developing and applying a vulnerability index. – J. Appl. Ecol. 41: 724-734. GARTHE, S., HÜPPOP, O. & WEICHLER, T. (2002): Anleitung zur Erfassung von See- v geln auf See von Schiffen. – Seev gel 23: 47-55. GARTHE, S. & KUBETZKI, U. (1998): Diet of Sandwich Terns Sterna sandvicensis on Juist (Germany). – Sula 12: 13-18. GARTHE, S., KUBETZKI, U., HÜPPOP, O. & FREYER, T. (1999): Zur Ernährungs kolo- gie von Herings-, Silber- und Sturmm we (Larus fuscus, L. argentatus und L. ca- nus) auf der Nordseeinsel Amrum während der Brutzeit. – Seev gel 20: 52-58. GARTHE, S., MONTEVECCHI, W.A., CHAPDELAINE, G., RAIL, J.-F. & HEDD, A. (2007b): Contrasting foraging tactics by Northern Gannets (Sula bassana) breed- ing in different oceanographic domains with different prey fields. – Mar. Biol. 151: 687-694. GARTHE, S. & SCHERP, B. (2003): Utilization of discards and offal from commercial fisheries by seabirds in the Baltic Sea. – ICES J. Mar. Sci. 60: 980-989. GARTHE, S. & SCHWEMMER, P. (2005): Seabirds at Sea-Untersuchungen in den deut- schen Meeresgebieten. – Vogelwelt 126: 67-74. GARTHE, S. & SONNTAG, N. (im Druck): Die schiffsbasierte Erfassung von Seev geln auf See. – In: WAHL, J., GARTHE, S., BOSCHERT, M., HEINICKE, T., KRÜGER, T. & SUDFELDT, C. (Hrsg.): Methodenstandards zur Erfassung rastender Wasserv - gel. – Dachverband Deutscher Avifaunisten. GARTHE, S., SONNTAG, N., SCHWEMMER, P. & DIERSCHKE, V. (2007a): Estimation of seabird numbers in the German North Sea throughout the annual cycle and their biogeographic importance. – Vogelwelt: im Druck. GARTHE, S., ULLRICH, N., WEICHLER, T., DIERSCHKE, V., KUBETZKI, U., KOTZERKA, J., KRÜGER, T., SONNTAG, N. & HELBIG, A.J. (2003a): See- und Wasserv gel der deutschen Ostsee – Verbreitung, Gefährdung und Schutz. – Bonn (Bundesamt f r Naturschutz). GARTHE, S., WIENCK, K. & CASSENS, I. (2003c): Herring gull Larus argentatus win- ter diet at the western Baltic Sea coast: Does ice cover make a difference? – At- lantic Seabirds 5: 13-20. GASTON, A.J. & JONES, I.L. (1998): The Auks. Alcidae. – Oxford (Oxford Univ. Press). GEDEON, K., MITSCHKE, A. & SUDFELDT, C. (Hrsg., 2004): Brutv gel in Deutsch- land. – Hohenstein-Ernstthal (Stiftung Vogelmonitoring). GERASIMOVA, O.V. & KISELEVA, V.M. (1998) Long-term variations in cod distribu- tion and feeding on the Newfoundland Shelf in spring and summer. – Northwest Atl. Fish. Organ Sci. Counc. Stud. 31: 79-110.
412 GILISSEN, N., HAANSTRA, L., DELANY, S., BOERE, G. & HAGEMEIJER, W. (2002): Numbers and distribution of wintering waterbirds in the Western Palearctic and Southwest Asia in 1997, 1998 and 1999. Results from the International Waterbird Census. – Wetlands International Global Series No. 11. – Wageningen (Wetlands International). GLOE, P. (1987): Zwergm wen (Larus minutus) Vorkommen 1979-1985 an der Mel- dorfer Bucht (Westk ste von Schleswig-Holstein). – Seev gel 8: 41-44. GLUTZ VON BLOTZHEIM, U.N. & BAUER, K.M. (1982): Handbuch der V gel Mitteleu- ropas. Band 8, Charadriiformes (3.Teil). – Wiesbaden (Akademische Verlagsge- sellschaft). GORKE, M. (1990): Die Lachm we (Larus ridibundus) in Wattenmeer und Binnen- land. Ein verhaltens kologischer Vergleich. – Seev gel 11. Sonderheft 3: 1-48. GORKE, M. & BRANDL, R. (1986): How to live in colonies: spatial foraging strategies of the Black-headed Gull. – Oecologia 70: 288-290. GÖTMARK, F. (1984): Food and foraging in five European Larus gulls in the breeding season: a comparative review. – Ornis Fennica 61: 9-18. GÖTMARK, F., NEERGAARD, R. & ÅHLUND, M. (1989): Nesting ecology and man- agement of the Arctic Loon in Sweden. – J. Wildl. Manage. 54: 429-432. GREENWOOD, J.J.D. (1972): The attendance of Guillemots and Razorbills at a Scottish colony. – In: Proc. XVth Int. Ornithol. Congr. 1972. – 30.08.-05.09.1970 Hague. – Leiden (Brill): 648. GRELL, M.B. (1998): Fuglenes Danmark. – K benhavn (Gads Forlag). GRÉMILLET, D., ARGENTIN, G., SCHULTE, B. & CULIK, B.M. (1998): Flexible foraging techniques in breeding coromorants Phalacrocorax carbo and shags Phalacrocorax aristotelis: benthic or pelagic feeding? – Ibis 140: 113-119. GRIMM, P. (1985): Die Stellnetzfischerei als eine wichtige Form nicht nur der ornitho- faunistischen Nachweisf hrung. – Naturschutzarb. Mecklenburg 28: 104-106. GRUNSKY, B. (1994): Trottellummen (Uria aalge) in der Brutkolonie auf Helgoland: Anwesenheitsmuster der Altv gel, Bestand und Nahrungs kologie der Jungen. – Acta ornithoecol. 3: 33-45. GRUNSKY-SCHÖNEBERG, B. (1998): Brutbiologie und Nahrungs kologie der Trottel- lumme (Uria aalge Pont.) auf Helgoland. – Ökol. V gel 20: 217-274. GUSE, N. (2005): Diet of a piscivorous top predator in the Baltic Sea – the Red- throated Diver (Gavia stellata) in the Pomeranian Bight. – Kiel (Univ. Kiel, – Diplomarbeit). GUSE, N., FLEET, D., VAN FRANEKER, J. & GARTHE, S. (2005): Der Eissturmvogel (Fulmarus glacialis) – M lleimer der Nordsee? – Seev gel 26: 3-12. HAGEMEIJER, W.J.M. & BLAIR, M.J. (1997): The EBCC Atlas of European breeding birds. – London (Poyser).
413 HÄLTERLEIN, B., HECKENROTH, H. & MERCK, T. (1995): Rote Liste der Brutvogelar- ten des deutschen Wattenmeer- und Nordseebereichs (mit Anhängen: nicht ge- fährdete Brut- und Gastvogelarten besonderer Bedeutung). – Schriftenr. Land- schaftspfl. Natursch. 44: 119-133. HÄLTERLEIN, B., SÜDBECK, P., KNIEF, W. & KÖPPEN, U. (2000): Brutbestandsent- wicklung der K stenv gel an der Nord- und Ostsee unter besonderer Ber cksich- tigung der 1990er Jahre. – Vogelwelt 121: 241-267. HAMER, K.C., HUMPHREYS, E.M., GARTHE, S., HENNICKE, J., PETERS, G., GRÉMILLET, D., PHILLIPS, R.A., HARRIS, M.P. & WANLESS, S. (2007): Annual variation in diets, feeding locations and foraging behaviour of Gannets in the North Sea: flexibility, consistence and constraint. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 338: 295-305. HAMER, K.C., PHILIPPS, R.A., HILL, J.K., WANLESS, S. & WOOD, A.G. (2001): Con- trasting foraging strategies of Gannets Morus bassanus at two North Atlantic colonies: foraging trip duration and foraging area fidelity. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 224: 283-290. HAMER, K.C., PHILIPPS, R.A., WANLESS, S., HARRIS, M.P. & WOOD, A.G. (2000): Foraging ranges, diets and feeding lociations of Gannets Morus bassanus in the North Sea: evidence from satellite telemetry. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 200: 257- 264. HAMER, K.C., THOMPSON, D.R. & GRAY, C.M. (1997): Spatial variation in the feed- ing ecology, foraging ranges, and breeding energetics of Northern Fulmar in the north-east Atlantic Ocean. – ICES J. Mar. Sci. 54: 645-653. HARRIS, M.P. & RIDDIFORD, N.J. (1989): The food of some young seabirds on Fair Isle in 1986-88. – Scot. Birds 15: 119-125. HARRIS, M.P. & WANLESS, S. (1985): Fish fed to young Guillemots, Uria aalge, and used in display on the Isle of May, Scotland. – J. Zool. 207: 441-458. HARRIS, M.P. & WANLESS, S. (1986): The food of young Razorbills on the Isle of May and a comparison with that of young Guillemots and Puffins. – Ornis Scand. 17: 41-46. HARRIS, M.P. & WANLESS, S. (1989): Fall colony attendance and breeding success in the Common Murre. – Condor 91: 139-146. HARTWIG, E. (1971): Ein Beitrag zur Nahrungs kologie der Lachm we (Larus ridi- bundus) auf der Nordseeinsel Sylt. – Vogelwelt 92: 181-184. HARTWIG, E. & MÜLLER-JENSEN, G.B. (1980): Zur Nahrung der Lachm we (Larus ridibundus) an einem Brutplatz in der Schlei bei Schleswig zur Zeit der Eiablage und Bebr tung. – Seev gel 1: 38-45. HARTWIG, E., REINEKING, B., SCHREY, E. & VAUK-HENTZELT, E. (1985): Auswir- kungen der Nordsee-Verm llung auf Seev gel, Robben und Fische. – Seev gel 6, Sonderband: 57-62.
414 HARTWIG, E., STÜHMER, F. & CLEMENS, T. (1990): Zur Ernährungs kologie der K s- tenseeschwalbe (Sterna paradisea) auf Scharh rn. – Seev gel 11: 53-59. HEDGREN, S. (1976): Om sillgrisslans Uria aalge f da vid Stora Karls . – Vår Fågel- värld 35: 287-290. HEINE, G., JACOBY, H., LEUZINGER, H. & STARK, H. (1999): Die V gel des Boden- seegebietes. – Ornithol. Jahresb. Baden-W rttemberg 14/15: 1-847. HEINICKE, T. (2005): Zur Situation des Kormorans (Phalacrocorax carbo sinensis) in Mecklenburg-Vorpommern. – Ber. Vogelschutz 42: 97-122. HELBIG, A.J., HEINICKE, T., KUBE, J., ROEDER, J. & STEUDTNER, J. (2001): Ornitho- logischer Jahresbericht 1998 f r R gen, Hiddensee und Greifswalder Bodden. – Ber. Vogelwarte Hiddensee 16: 77-149. HELDBJERG, H. (2001): The recent decline in the population of Black-headed Gulls Larus ridibundus in Denmark and its plausible causes. – Dansk Ornithol. Foren. Tidsskr. 95: 19-27. HEMMINGSSON, E. & ERIKSSON, M.O.G. (2002): Ringing of Red-throated Diver Ga- via stellata and Black-throated Diver Gavia arctica in Sweden. – Newsletter Diver/Loon Specialist Group, Wetlands International, 4: 8-13. HENNIG, V. (2001): An evaluation of available knowledge on the necessity of undis- turbed moulting sites for seaducks in the offshore area, in order to investigate the possibilities for creating such undisturbed moulting sites. – Unver ff. Gutachten im Auftrag des Landesamtes f r den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wat- tenmeer. HENNIG, V. & HÄLTERLEIN, B. (2000): Trauerente – Erfassungsschwierigkeiten einer Offshore-Vogelart. – In: LANDESAMT FÜR DEN NATIONALPARK SCHLESWIG- HOLSTEINISCHES WATTENMEER (Hrsg): Wattenmeermonitoring 1999: 20-23. HERBST, H.G. (1956): Die Ernährung der Sturmm we (Larus canus L.) und ihre land- wirtschaftliche Bedeutung. – Albrecht.-Thaer-Archiv 1: 249-273. HÖLZINGER, J. & BOSCHERT, M. (Hrsg.) (2001): Die V gel Baden-W rttembergs. Bd. 2.2: Nicht-Singv gel 2 – Stuttgart (Ulmer). HÜPPOP, O. (1996): Causes and trends of the mortality of Guillemots (Uria aalge) ringed on the island of Helgoland, German Bight. – Vogelwarte 38: 217-224. HÜPPOP, O., DIERSCHKE, J. & WENDELN, H. (2004): Zugv gel und Offshore- Windkraftanlagen: Konflikte und L sungen. – Ber. Vogelschutz 41: 127-218. HÜPPOP, O., GARTHE, S., HARTWIG, E. & WALTER, U. (1994): Fischerei und Schiffs- verkehr: Vorteil oder Problem f r See- und K stenv gel? – In: LOZAN, J.L., RACHOR, E., REISE, K., WESTERNHAGEN, H. VON, LENZ, W. (Hrsg.): Warnsigna- le aus dem Wattenmeer. Wissenschaftliche Fakten. – Berlin (Blackwell Wissen- schafts-Verlag): 278-285.
415 HÜPPOP, O. & WURM, S. (2000): Effects of winter fishery activities on resting num- bers, food and body condition of large gulls Larus argentatus and L. marinus in the south-eastern North Sea. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 194: 241-247. ICES (2003): Report of the working group on seabird ecology. (WGSE). – ICES Doc CM 2003/C:03. 92 S. ICES (2005): Report of the working group on seabird ecology (WGSE). – ICES Doc CM 2005/G:07. 45 S. ICES (2006): Report of the working group on seabird ecology (WGSE). – ICES Doc CM 2006/LRC:08. 80 S. IL'IČEV, V.D. & FLINT, V.E. (Hrsg.) (1985): Handbuch der V gel der Sowjetunion. Band 1. Erforschungsgeschichte, Gaviiformes, Podicipediformes, Procellariifor- mes. – Wittenberg Lutherstadt (A. Ziemsen Verlag). IL'IČEV, V.D. & FLINT, V.E. (Hrsg.) (1990): Handbuch der V gel der Sowjetunion. Band 6/Teil 1. Charadriiformes/Lari: Stercorariidae, Laridae (Larinae und Sterni- nae). – Wittenberg Lutherstadt (A. Ziemsen Verlag). IL'IČEV, V.D. & FLINT, V.E. (Hrsg.) (2004): Handbuch der V gel der Sowjetunion. Band 2. Pelecaniformes, Ciconiiformes, Phoenicopteriformes, Anseriformes. – Wittenberg Lutherstadt (Westarp Wissenschaften). ISENMANN, P. (1973): Observations sur la moutte pygmée Larus minutus en Camargue de 1971 á 1974. – Terre et vie 39: 77-88. JOENSEN, A.H. & HANSEN, E.B. (1977): Oil pollution and seabirds in Denmark 1971- 1976. – Dan. Rev. Game Biol. 10: 1-31. JONSSON, L. (1992): Die V gel Europas und des Mittelmeerraumes. – Stuttgart (Franckh-Kosmos). JÖRGENSEN, J. (1965): Zwergm wen an der Schlei-Leitlinie. – Corax 1: 111-113. KAISER, M.J., GALANIDI, M., SHOWLER, D.A., ELLIOTT, A.J., CALDOW, R.W.G., REES, E.I.S., STILLMAN, R.A. & SUTHERLAND, W.J. (2006): Distribution and be- haviour of Common Scoter Melanitta nigra relative to prey resources and envi- ronmental parameters. – Ibis 148: 110-128. KALLENBORN, R., HARTWIG, E. & HÜHNERFUSS, H. (1994): Vergleich der Nahrung von Eiderenten (Somateria mollissima (L.)) aus Oehe-Schleim nde mit Ergebnis- sen aus unterschiedlichen Nord- und Ostseegebieten. – Seev gel 15: 31-37. KALLENBORN, R. & HÜHNERFUSS, H. (1993): Vergleich der Verteilungen von ausge- wählten chlorierten organischen Schadstoffen in den Eiderenten (Somateria mol- lissima [L.]) aus den Einzugsbereichen der Naturschutzgebiete Neuwerk und Oe- he-Schleim nde. – Seev gel 14: 23-31. KEIJL, G.O. & LEOPOLD, M.F. (1997): Massaal fouragerende dwergmeeuwen Larus minutus voor de Hollandse kust in April 1996. – Sula 11: 17-20.
416 KEMPF, N., PIPER, W. & LACZNY, M. (2005): Meeresenten im schleswig- holsteinischen Ostseebereich. – Zwischenbericht der Flugerfassung 2005. – Un- ver ffentlichtes Gutachten f r das Ministerium f r Umwelt, Naturschutz und ländliche Räume des Landes Schleswig-Holstein. KELLER, V. & BURKHARDT, M. (2007): Monitoring Überwinternde Wasserv gel: Ergebnisse der Wasservogelzählungen 2005/06 in der Schweiz. – Sempach (Schweizerische Vogelwarte). KETZENBERG, C. (1993): Auswirkungen von St rungen auf nahrungssuchende Eider- enten (Somateria mollissima) im K nigshafen/Sylt. – Corax 15: 241-244. KIEKBUSCH, J.J. (1993): Beobachtungen zur Nahrungswahl des Kormorans (Phalac- rocorax carbo sinensis) in der Umgebung des Naturschutzgebietes „Oehe- Schleim nde“. – Seev gel 14: 19-22. KIECKBUSCH, J.J. & KNIEF, W. (2007): Brutbestandsentwicklung des Kormorans (Phalacrocorax carbo sinensis) in Deutschland und Europa. – BfN-Skripten 204: 28-47. KIEKBUSCH, J.J. & KOOP, B. (1996): Brutbestand, Rastverbreitung und Nahrungs ko- logie des Kormorans (Phalacrocorax carbo sinensis) in Schleswig-Holstein. – Corax 16: 335-355. KIM, S.Y. & MONAGHAN, P. (2006): Interspecific differences in foraging preferences, breeding performance and demography in Herring (Larus argentatus) and Lesser Black-backed Gulls (Larus fuscus) at a mixed colony. – J. Zool. 270: 664-671. KIRCHHOFF, K. (1979): Nahrungs kologische Untersuchungen an benthosfressenden Enten in der Hohwachter Bucht. – Kiel (Univ. Kiel – Diplomarbeit). KIRCHHOFF, K. (1982): Wasservogelverluste durch die Fischerei an der schleswig- holsteinischen Ostseek ste. – Vogelwelt 103: 81-89. KLAFS, G. & STÜBS, J. (Hrsg.) (1987): Die Vogelwelt Mecklenburgs. – Jena (Gustav Fischer Verlag). KLEIN, R. (2001): Raum-Zeit-Strategien der Silberm we Larus argentatus und ver- wandter Taxa im westlichen Ostseeraum. – Rostock (Univ. Rostock – Dissertati- on). KNIEF, W. (1994): Zum sogenannten Kormoran-„Problem“. Eine Stellungnahme der deutschen Vogelschutzwarten zum Kormoran – Bestand, Verbreitung, Nahrungs- kologie, Managementmaßnahmen. – Natur Landsch. 69: 251-258. KNIEF, W., BERNDT, R.K., GALL, T., HÄLTERLEIN, B., KOOP, B. & STRUWE-JUHL, B. (1995): Die Brutv gel Schleswig-Holsteins – Rote Liste. – Flintbek (Landesamt f r Natur und Umwelt des Landes Schleswig-Holstein). KOCK, K.H. (1974): Nahrungs kologische Untersuchungen an Mantelm wen (Larus marinus) auf Helgoland. – Helgoländer wiss. Meeresunters. 26: 88-95.
417 KOEMAN, J.H. (1975): The toxicological importance of chemical pollution for marine birds in The Netherlands. – Vogelwarte 28: 145-150. KOFFIJBERG, K., DIJKSEN, L., HÄLTERLEIN, B., LAURSEN, K., POTEL, P. & SÜDBECK, P. (2006): Breeding birds in the Wadden Sea in 2001. Results of the total survey in 2001 and trends in numbers between 1991-2001. – Wadden Sea Ecosyst. 22. – Wilhelmshaven (Common Wadden Sea Secretariat). KOOP, B. (1985): Rast und Zug der Zwergm we (Larus minutus) am Großen Pl ner See 1982-1984. – Corax 11: 70-78. KOOP, B. (1997): Bemerkenswerter Heimzug der Zwergm we Larus minutus im stli- chen Schleswig-Holstein 1996. – Seev gel 18: 123-125. KOOP, B. & KÖHLER, P. (2007): Die Erfassung mausernder Wasserv gel. – In: WAHL, J., GARTHE, S., BOSCHERT, M., HEINICKE, T., KRÜGER, T. & SUDFELDT, C. (Hrsg.): Methodenstandards zur Erfassung rastender Wasserv gel. – Dachverband Deutscher Avifaunisten. KOEPPEN, U. (2007): Saisonale Wanderungen und Ansiedlungsmuster des Kormorans Phalacrocorax carbo sinensis – eine Ringfundanalyse aus ostdeutscher Sicht. – In: HERZIG, F. & BÖHNKE, A.: Fachtagung Kormorane 2006. – BfN-Skripten 204: 165-191. KORN, M. (1997): Lachm we – Larus ridibundus. – In: HESSISCHE GESELLSCHAFT FÜR ORNITHOLOGIE UND NATURSCHUTZ (Hrsg.): Avifauna von Hessen, 3. Liefe- rung. KRAUSE, G., BUDEUS, G., GERDES, K., SCHAUMANN, K. & HESSE, K. (1986): Frontal systems in the German Bight and their physical and biological effects. – In: NIHOUL J.C.J. (Eds): Marine Interfaces Ecohydrodynamics. – Amsterdam (El- sevier): 119-140. KREMENTZ, D.G., BARKER, R.J. & NICHOLS, J.D. (1997): Sources of variation in wa- terfowl survival rates. – Auk 114: 93-102. KROHN, H. (1925): Die Vogelwelt Schleswig-Holsteins und ihre Erforschung im Ver- lauf von f nf Jahrhunderten von 1483 bis zur Gegenwart. – Hamburg (Sonnen- schein). KRÜGER, T. & GARTHE, S. (2001): Flight altitudes of coastal birds in relation to wind direction and speed. – Atlantic Seabirds 3: 203-216. KUBE, J. (2004): 50 Jahre Niederhof – die Geschichte einer deutschen Kormorankolo- nie. – Falke 51: 256-262. KUBE, J. (2006): Stummer Fr hling am Bodden: Bestandssituation und Bestandstrends von bodenbr tenden K stenv geln in Mecklenburg-Vorpommern (Stand: 2003). – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 45, Sonderheft 1: 41-54.
418 KUBE, J., HELBIG, A.J., BERTHOLD, P., KAATZ, M., QUERNER, U., PEDERSEN, K., RAHBEK, C., JUVASTE, R. & SAUROLA, P. (2000): Kleine Schritte und große Spr nge: Unterschiedliche Zugstrategien von baltischen Heringsm wen (Larus fuscus intermedius und L. f. fuscus). Vortrag 133. Jahresversammlung der Deut- schen Ornithologen-Gesellschaft, Leipzig. KUBE, J., BELLEBAUM, J., SCHULZ, A. & GRIEGER, C. (2005a): Gutachtlicher Vor- schlag zur Identifizierung, Abgrenzung und Beschreibung sowie vorläufigen Be- wertung der zahlen- und flächenmäßig geeignetsten Gebiete zur Umsetzung der Richtlinie 79/409/EWG in den äußeren K stengewässern Mecklenburg- Vorpommerns. Unver ff. Gutachten f r das Landesamt f r Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern. KUBE, J., BRENNING, U., KRUCH, W. & NEHLS, H.W. (2005b): Bestandsentwicklung von bodenbr tenden K stenv geln auf Inseln in der Wismar-Bucht (s dwestliche Ostsee): Lektionen aus 50 Jahren Prädatorenmanagement. – Vogelwelt 126: 299- 320. KUBE, J. & SKOV, H. (1996): Habitat selection, feeding characteristics, and food con- sumption of long-tailed ducks, Clangula hyemalis, in the southern Baltic Sea. – Meereswiss. Ber. Warnem nde 18: 83-100. KUBETZKI, U. (1997): Ernährungs kologie von Sturmm wen (Larus canus) verschie- dener Kolonien Norddeutschlands. – Hamburger avifaun. Beitr. 29: 5-84. KUBETZKI, U. (2000): Untersuchungen zum Bestandsr ckgang der Sturmm we in den Ostseebrutkolonien als Grundlage f r Erhaltungsmaßnahmen in Besonderen Schutzgebieten nach Art. 4 VSchRL (17/409/EWG). Gutachten im Auftrag des Landesamtes f r Natur und Umwelt. KUBETZKI, U. (2001): Zum Bestandsr ckgang der Sturmm we (Larus canus) an der schleswig-holsteinischen Ostseek ste – Ausmaß, Ursachen und Schutzkonzepte. – Corax 18: 301-323. KUBETZKI, U. (2002): Verbreitung, Bestandsentwicklung, Habitatnutzung und Ernäh- rung der Sturmm we (Larus canus) in Norddeutschland: Ökologie einer anpas- sungsfähigen Vogelart im Übergangsbereich zwischen Land und Meer. – Kiel (Univ. Kiel – Dissertation). KUBETZKI, U. & GARTHE, S. (2003): Distribution, diet and habitat selection by four sympatrically breeding gull species in the south-eastern North Sea. – Mar. Biol. 143: 199-207. KUBETZKI, U. & GARTHE, S. (2007): Nest with a view: Distribution, nest habitats and diets of roof-breeding Common Gulls (Larus canus) in northern Germany. – Wa- terbirds 30: im Druck. KUBETZKI, U., GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (1999): The diet of Common Gulls Larus canus breeding on the German North Sea coast. – Atlantic Seabirds 1: 57-70.
419 KUSCHERT, H. & WITT, H. (1985): Zug- und Dispersionsverhalten der Brutpopulation von Silber- und Mantelm wen (Larus argentatus und Larus marinus) in Nord- und Mitteleuropa. – Corax 11: 121-136. LAURSEN, K., PIHL, S., DURINCK, J., HANSEN, M., SKOV, H., FRIKKE, J. & DANIELSEN, F. (1997): Numbers and distribution of waterbirds in Denmark 1987- 1989. – Danish Rev. Game Biol. 15 (1). LEHIKOINEN, A. (2006): Cormorants in the Finnish archipelago. – Ornis Fennica 83: 34-46. LEIPE, T. (1985): Zur Nahrungs kologie der Eisente (Clangula hyemalis) im Greifs- walder Bodden (unter Ber cksichtigung einiger anderer nordischer Tauchentenar- ten). – Beitr. Vogelkd. 31: 121-140. LEIPE, T. (1986): On factors causing nocturnal activity of Scaup (Aythya marila) and Tufted Ducks (Aythya fuligula) on the Greifswald Bay in the non-breeding sea- son. – Mitt. Zool. Mus. Berl. 62, no. suppl.: 117-125. LENTEN, B. (2000): Das afrikanisch-eurasische Wasservogelabkommen (AEWA) und sein Aktionsplan – Inhalte, Wege und Ziele der Umsetzung. – In: HAUPT, H., LUTZ, K. & BOYE, P.: Internationale Impulse f r den Schutz von Wasserv geln in Deutschland. Ziele und Anforderungen des afrikanisch-eurasischen Wasservogel- abkommens (AEWA) aus nationaler Sicht. – Schriftenr. Landschaftspfl. Natur- schutz 60: 13-20. LEOPOLD, M.F. (1993): Spisula's, zeeëenden en kokkelvissers: een nieuw milie- uprobleem op de Noordzee. – Sula 7: 24-28. LEOPOLD, M.F., BAPTIST, H.J.B., WOLF, P.A. & OFFRINGA, H. (1995): De Zwarte Zeeëend Melanitta nigra in Nederland. – Limosa 68: 49-64. LEOPOLD, M.F., SMIT, C.L., GOEDHART, P.W., VAN ROMMEN, M., VAN WINDEN, E. & VAN TURNHOUT, C. (2004): Langjarige trends in aantallen wadvogels in relatie tot de kokkelvisserij en het gevoerde beleid in deze. EVAII deelrapport C2, Al- terra, Wageningen, Alterra rapport 1-139. LEOPOLD, M.F., & VAN DAMME, C.J.G. (2002): Great Cormorants Phalacrocorax carbo and polychaetes: can worms sometimes be a major prey of a piscivorous seabird? – Mar. Ornithol. 31: 83-87. LEOPOLD, M.F., VAN DAMME, C.J.G., & VAN DER VEER, H.W. (1998): Diet of Cormo- rants and the impact of Cormorant predation of juvenile flatfish in the Dutch Wadden Sea. – J. Sea Res. 40: 93-107. LEOPOLD, M.F., WOLF, P.A., & HÜPPOP, O. (1992): Food of young and colony- attendance of adult Guillemots Uria aalge on Helgoland. – Helgoländer Meere- sunters. 46: 237-249. LEWIS, S., BENVENUTI, S., DALL´ANTONIA, L., GRIFFITHS, R., MONEY, L., SHERRATT, T.N., WANLESS, S. & HAMER, K.C. (2002): Sex-specific foraging be- haviour in a monomorphic seabird. – Proc. R. Soc. Lond. B 269: 1687-1693.
420 LEWIS, S., BENVENUTI, S., DAUNT, F., WANLESS, S., DALL´ANTONIA, L., LUSCHI, P., ELSTON, D.A., HAMER, K.C. & SHERATT, T.N. (2004): Partitioning of diving ef- fort in foraging trips of Northern Gannets. – Can. J. Zool. 82: 1910-1916. LEWIS, S., SHERRATT, T.N., HAMER, K.C., HARRIS, M.P. & WANLESS, S. (2003): Contrasting diet quality of Northern Gannets Morus bassanus at two colonies. – Ardea 91: 167-176 LEWIS, S., SHERRATT, T.N., HAMER, K.C. & WANLESS, S. (2001): Evidence of intra- specific competition for food in a pelagic seabird. – Nature 412: 816-819. LEWIS, T.L., ESLER, D., BOYD, W.S. & ZYDELIS, R. (2005): Nocturnal foraging be- haviour of wintering Surf Scoters and White-winged Scoters. – Condor 107: 637- 647. LINDEINER, A. VON (2004): Massaker im Naturschutz- und EU-Vogelschutzgebiet "Anklamer Stadtbruch". – Ber. Vogelschutz 41: 253-255. LINDELL, L., MELLIN, M., MUSIL, P., PRZYBYSZ, J. & ZIMMERMANN, H. (1995): Status and population development of breeding Cormorants of the central Euro- pean flyway. – Ardea 83: 81-92. LØKKEBORG, S. (2000): Review and evaluation of three mitigation measures – bird- scaring line, underwater setting and line shooter – to reduce seabird bycatch in the Norwegian longline fishery. – ICES Doc. C.M. 2000/J:10. LØKKEBORG, S. & ROBERTSON, G. (2002): Seabird and longline interactions: effects of a bird-scaring streamer line and line shooter on the incidental capture of North- ern Fulmars Fulmarus glacialis. – Biol. Conserv. 106: 359-364. LORCH, H.-J., SCHNEIDER, R. & LOOS-FRANK, B. (1982): Parasitologische Untersu- chungen nestjunger Lachm wen (Larus ridibundus) in Brutkolonien des Binnen- landes und der K ste. – J. Ornithol. 123: 29-39. LORENTSEN, S.-H. & ANKER-NILSSEN, T. (1999): Diet of Common Murres wintering in the northern Skagerrak during 1988-1990: Variation with sex, age and season. – Waterbirds 22: 80-89. LYNGS, P. (1992): Ynglefuglene på Græsholmen 1925–90. – Dansk Ornitol. Foren. Tidsskr. 86: 1-93. LYNGS, P. (2001): Diet of Razorbill Alca torda chicks on Græsholmen, central Baltic Sea. – Dansk Ornitol. Foren. Tidsskr. 95: 69-74. LYNGS, P. & DURINCK, J. (1998): Diet of Guillemots Uria aalge in the central Baltic Sea. – Dansk Ornitol. Foren. Tidsskr. 92: 197-200. MADSEN, F.J. (1954): On the food habits of the diving ducks in Denmark. – Dan. Rev. Game Biol. 2: 157-266. MADSEN, F.J. (1957): On the food habits of some fish-eating birds in Denmark. Di- vers, grebes, mergansers, and auks. – Dan. Rev. Game Biol. 3: 19-83.
421 MÄDLOW, W. (1994): Winterbestand der M wen (Laridae) in der Berliner Innenstadt. – Berliner ornithol. Ber. 4: 110-128. MARAHRENS, M. (2001): Hering satt und doch keine Chance: F tterungsbeobachtun- gen bei K stenseeschwalben (Sterna paradisaea) an der deutschen Ostseek ste. – Seev gel 22: 18-24. MARKONES, N. (2003): Multivariate Analyse des Vorkommens von Seev geln in der Deutschen Bucht (Nordsee). – Kiel (Univ. Kiel – Diplomarbeit). MARKONES, N. (2007): Habitat selection of seabirds in a highly dynamic coastal sea: temporal variation and influence of hydrographic features. – Kiel (Univ. Kiel – Dissertation). MARKONES, N. & GUSE, N. (2007): Räumlich-zeitliche Verteilung und Nahrungser- werbsstrategien von Silberm wen Larus argentatus der westlichen Ostsee: Er- kenntnisse einer Ringfundanalyse. – Vogelwarte 45: 1-13. MAUL, A.M. (1994): Ernährungsweisen und Brutbiologie der Dreizehenm we Rissa tridactyla (Linnaeus, 1758) auf Helgoland. – Graz (Universität Graz – Diplomar- beit). MAVOR, R.A., PARSONS, M., HEUBECK, M., PICKERELL, G. & SCHMITT, S. (2003): Seabird numbers and breeding success in Britain and Ireland, 2002. UK Nature Conservation Report No. 27. – Peterborough (Joint Nature Conservation Commit- tee). MENDEL, B., SONNTAG, N. & GARTHE, S. (2007): GIS-gest tzte Analyse zur Verbrei- tung und Habitatwahl ausgewählter Seevogelarten in der Ostsee. – In: TRAUB, K.-P. & KOHLUS, J. (Hrsg.): Geoinformationen f r die K stenzone. Beiträge des 1. Hamburger Symposiums zur K stenzone. – Heidelberg (Wichmann Verlag) S. 196-206. MEISSNER, J. (1992): Untersuchungen zum Vorkommen berwinternder Meeresenten in Abhängigkeit vom Nahrungsangebot in der Kieler Bucht. – Kiel (Univ. Kiel – Diplomarbeit). MEISSNER, J. & BRÄGER, S. (1990): The feeding ecology of wintering Eiders Somate- ria mollissima and Common Scoters Melanitta nigra on the Baltic Sea coast of Schleswig-Holstein, FRG. – Wader Study Group Bull. 58: 10-12. MIKOLA, J., MIETTINEN, M., LEHIKOINEN, E. & LEHTILAE, K. (1994): The effects of disturbance caused by boating on survival and behaviour of Velvet Scoter Melanitta fusca ducklings. – Biol. Conserv.67: 119-124. MITCHELL, P.I., RATCLIFFE, N., NEWTON, S.F. & DUNN, T.E. (2004): Seabird popula- tions of Britain and Ireland. Results of the Seabirds 2000 census. – London (Poy- ser).
422 MITSCHKE, A., GARTHE, S. & HÜPPOP, O. (2001): Erfassung der Verbreitung, Häu- figkeiten und Wanderungen von See- und Wasserv geln in der deutschen Nord- see und Entwicklung eines Konzeptes zur Umsetzung internationaler Natur- schutzziele. – BfN-Skripten 34: 1-100. MÖLLER, H. (1984): Daten zur Biologie der Elbfische. – Kiel (M ller). MONAGHAN, P. (1996): Relevance of the behaviour of seabirds to the conservation of marine environments. – Oikos 77: 227-237. MONAGHAN, P., UTTLEY, J.D., BURNS, M.D., THAINE, C. & BLACKWOOD, J. (1989): The relationship between food supply, reproductive effort and breeding success in Arctic Terns Sterna paradisaea. – J. Anim. Ecol. 58: 261-274. MONAGHAN, P., UTTLEY, J.D. & BURNS, M.D. (1992): Effect of changes in food availability on reproductive effort in Artic Terns Sterna paradisaea. – Ardea 80: 71-81. MONTEVECCHI, W.A. (1991): Incidence and types of plastic in Gannet's nests in the Northwest Atlantic. – Can. J. Zool. 69: 295-297. MONTEVECCHI, W.A. & MYERS, R.A. (1997): Centurial and decadal oceanographic influences on changes in Northern Gannet populations and diets in the northwest Atlantic: implications for climate change. – ICES J. Mar. Sci. 54: 608-614. MUDGE, G.P. & FERNS, P.N. (1982): The feeding ecology of five species of gulls (Aves: Larini) in the inner Bristol Channel. – J. Zool. 197: 497-510. MÜLLER, S. (2004): Bemerkenswerte avifaunistische Beobachtungen aus Mecklen- burg-Vorpommern – Jahresbericht f r 2001 (mit Nachträgen und Berichtigungen zu den bisher erschienenen Berichten). – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg- Vorpommern 45: 62-102. MÜLLER, S. (2005): Bemerkenswerte avifaunistische Beobachtungen aus Mecklen- burg-Vorpommern – Jahresbericht f r 2002. – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg- Vorpommern 45: 216-254. MUUS, B.J. & NIELSEN, J.G. (1999): Die Meeresfische Europas in Nordsee, Ostsee und Atlantik. – Stuttgart (Franckh-Kosmos). MYRES, M.T. (1963): Observations with radar of feeding flights of Kittiwakes. – Bird Study 10: 34-43. NEHLS, G. (1991): Bestand, Jahresrhythmus und Nahrungs kologie der Eiderente, Somateria mollissima, L. 1758, im Schleswig-Holsteinischen Wattenmeer. – Co- rax 14: 146-209. NEHLS, G. (1995): Strategien der Ernährung und ihre Bedeutung f r Energiehaushalt und Ökologie der Eiderente (Somateria mollissima) (L., 1758). – Berichte aus dem Forschungs- und Technologiezentrum Westk ste der Universität Kiel 10. NEHLS, G., BRÄGER, S., MEISSNER, J. & THIEL, M. (1988): Zum Bestand der Eideren- te (Somateria mollissima) an der deutschen Nordseek ste. – Corax 13: 41-58.
423 NEHLS, G., DIEDERICH, S., THIELTGES, D.W. & STRASSER, M. (2006): Wadden Sea mussel beds invaded by oysters and slipper limpets: competition or climate con- trol? – Helgol. Mar. Res. 60: 135-143. NEHLS, G. & GIENAPP, P. (1997): Nahrungswahl und Jagdverhalten des Kormorans Phalacrocorax carbo im Wattenmeer. – Vogelwelt 118: 33-40. NEHLS, H.W. & SPERLICH, W. (1986): Erste Brut der Mantelm we in der DDR. – Falke 33: 143-145. NEHLS, H.W. & STRUWE-JUHL, B. (1998): Die Wasservogelbestände der deutschen Ostseek ste in den Mildwintern 1991-1995. – Seev gel 19: 105-115. NEHLS, H.W. & ZÖLLICK, H.H. (1990): The moult migration of the Common Scoter (Melanitta nigra) off the coast of the GDR. – Baltic Birds 5: 36-46. NELSON, B. (2002): The Atlantic Gannet. 2.. Aufl. – Norfolk (Fenix Books). NELSON, J.B. (2005): Pelicans, cormorants and their relatives. Pelecanidae, Sulidae, Phalacrocoracidae, Anhingidae, Fregatidae, Phaethontidae. – Oxford (Oxford Univ. Press). NETTLESHIP, D.N. & BIRKHEAD, T.R. (1985): The Atlantic Alcidae. The evolution, distribution and biology of the auks inhabiting the Atlantic Ocean and adjacent water areas. – London (Academic Press). NEUBAUER, W. (1998): Habitatwahl der Flussseeschwalbe Sterna hirundo in Ost- deutschland. – Vogelwelt 119:169-180. NIEDERNOSTHEIDE, N. (1996): Vergleichende nahrungs kologische Untersuchungen an Fluß- und K stenseeschwalben (Sterna hirundo und S. paradisaea) auf Nige- h rn und Scharh rn (Elbm ndung). – Seev gel 17: 40-45. NILSSON, L. (1970): Food-seeking activity of south Swedish diving ducks in the non- breeding season. – Oikos 21: 145-154. NILSSON, L. (1972): Habitat selection, food choice, and feeding habits of diving ducks in coastal waters of south Sweden during the non-breeding season. – Ornis Scand. 3: 55-78. NILSSON, L. (2005): Forty years of midwinter counts of waterfowl along the coasts of Scania, south Sweden, 1964-2003. – Ornis Svecica 15: 127-148. NILSSON, S.G. (1977): Adult survival rate of the Black-throated Diver Gavia arctica. – Ornis Scand. 8: 193-195. NOESKE, A. (1989): Die systematische Stellung der an der deutschen Nordseek ste br tenden Heringsm wen (Larus fuscus). – Bremen (Univ. Bremen – Diplomar- beit). NOORDHUIS, R. & SPAANS, A.L. (1992): Interspecific competition for food between Herring Gull Larus argentatus and Lesser Black-backed Gull L. fuscus in the Dutch Wadden Sea area. – Ardea 80: 115-132.
424 NOWAKOWSKI, J. & BUCHHEIM, A. (1996): Die Phänologie der Großm wen an zwei Schlafplätzen im stlichen Ruhrgebiet. – Charadrius 32: 156-163. OFFRINGA, H. & LEOPOLD, M.F. (1991): Het tellen van Zwarte Zeeenden Melanitta nigra voor de Nederlandse kust. – Sula 5: 154-157. OJOWSKI, U., EIDTMANN, C., FURNESS, R.W. & GARTHE, S. (2001): Diet and nest attendance of incubating and chick-rearing Northern Fulmars (Fulmarus gla- cialis) in Shetland. – Mar. Biol. 139: 1193-1200. OLDÉN, B., PETERZ, M. & KOLLBERG, B. (1985): Fisknätsd d bland sj fåglar – särskilt med avseende på problematiken i Nordvästskåne. – Anser 24: 159-180. OLSSON, O., NILSSON, T. & FRANSSON, T. (2000): Long-term study of mortality in the Common Guillemot in the Baltic Sea. Analysis of 80 years of ringing data. – Swedish Environmental Protection Agency, Report No. 5057. ÖSTERBLOM, H., BIGNERT, A., FRANSSON, T. & OLSSON, O. (2001): A decrease in fledging body mass in Common Guillemot Uria aalge chicks in the Baltic Sea. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 224: 305-309. ÖSTERBLOM, H., CASINI, M., OLSSON, O. & BIGNERT ,A. (2006): Fish, seabirds and trophic cascades in the Baltic Sea. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 323: 233-238. ÖSTERBLOM, H., FRANSSON, T. & OLSSON, O. (2002): Bycatches of Common Guil- lemot (Uria aalge) in the Baltic Sea gillnet fishery. – Biol. Conserv. 105: 309- 319. OUWEHAND, J., LEOPOLD, M.F. & CAMPHUYSEN, C.J. (2004): A comparative study of the diet of Guillemots Uria aalge and Razorbills Alca torda killed during the Tri- color oil incident in the south-eastern North Sea in January 2003. – Atlantic Sea- birds 6: 147-164. PANNEKOEK, J. & VAN STRIEN, A. (2001): TRIM 3 Manual trends & indices for moni- toring data. Research paper no. 0102. – Vorrburg (CBS Statistics Netherlands). PEARSON, T.H. (1968): The feeding biology of sea-bird species breeding on the Farne Islands, Northumberland. – J. Anim. Ecol. 37: 521-552. PETERSEN, I.K., PIHL, S., HOUNISEN, J.P., HOLM, T.E., CLAUSEN, P., THERKILDSEN, O. & CHRISTENSEN, T. K. (2006): Landsdækkende optællinger af vandfugle, januar og februar 2004. Faglig rapport fra DMU nr. 606, Danmarks Milj unders gelser. PHILLIPS, R.A., PETERSEN, M.K., LILLIENDAHL, K., SOLMUNDSSON, J., HAMER, K.C., CAMPHUYSEN, C.J. & ZONFRILLO, B. (1999): Diet of the Northern Fulmar Fulmarus glacialis: reliance on commercial fisheries? – Mar. Biol. 135: 159-170. PIATT, J.F. & NETTELSHIP, D.N. (1985): Diving depths of four alcids. – Auk 102: 293-297. PIERSMA, T. (1987): Population turnover in groups of wing-moulting waterbirds: the use of a natural marker in Great Crested Grebes. – Wildfowl 38: 37-45.
425 PIERSMA, T. (1988): Body size, nutrient reserves and diet of Red-necked and Sla- vonian Grebes Podiceps grisegena and P. auritus on Lake IJsselmeer, The Neth- erlands. – Bird Study 35: 13-24. PIERSMA, T., LINDEBOOM, R. & VAN EERDEN, M.R. (1988): Foraging rhythm of Great Crested Grebes Podiceps cristatus adjusted to diet variations in the vertical distri- bution of their prey Osmerus eperlanus in a shallow eutrophic lake in The Nether- lands. – Oecologia 76: 481-486. PIHL, S. (1995): Post-breeding occurrence of the Red-necked Grebe Podiceps grisegena in two marine areas in Denmark. – Dansk Ornithol. Foren. Tidsskr. 89: 83-86. PONS, J.-M. (1994): Feeding strategies of male and female Herring Gulls during the breeding season under various feeding conditions. – Ethol. Ecol. Evol. 6: 1-12. POULTON, V.K., LOVVORN, J.R. & TAKKEKAWA, J.Y. (2002): Clam density and Scaup feeding behaviour in San Pablo Bay, California. – Condor 104: 518-527. PREUß, D. (2002): Nahrungs kologische Untersuchungen zu Einfluss des Kormorans Phalacrocorax carbo sinensis auf die Fischerei im K stenbereich Vorpommerns. – Naturschutzarb. Mecklenburg-Vorpommern 45: 57-67. PRÜTER, J. (1986): Untersuchungen zum Bestandsaufbau und zur Ökologie der M - wen (Laridae) im Seegebiet der Deutschen Bucht. Hannover – (Univ. Hannover – Dissertation). PRÜTER, J. (1988): Weitere Untersuchungen zur Ernährung von Mantel- (Larus mari- nus) und Silberm we (Larus argentatus) bei Helgoland im Winterhalbjahr. – Seev gel 9, Sonderband: 79-91. PRÜTER, J. (1989): Phänologie und Ernährungs kologie der Dreizehenm wen (Rissa tridactyla)-Brutpopulation auf Helgoland. – Ökol. V gel 11: 189-200. PRÜTER, J., SAHMOW, A. & VAUK-HENZELT, E. (1988): Untersuchungen zur Ernäh- rung der Silberm we (Larus argentatus) auf der Insel Scharh rn (Elbm ndung) während der Brutzeit. – Seev gel 9: 56-58. REHFELDT, G. (1986): Zur Ökologie und Brutbiologie einer binnenländischen Popula- tion des Mittelsägers (Mergus serrator). – Ökol. V gel 8: 133-144. REQUATE, H. (1954): Die Entenvogelzählung in Deutschland. – Biol. Abh. 10. RUTTLEDGE, R.F. (1974): Unprecedented numbers of Little Gulls in Ireland. – Brit. Birds 67: 166-167. SCHEIFFARTH, G. & FRANK, D. (2005): Shellfish-eating birds in the Wadden Sea – what can we learn from monitoring programs? – Wadden Sea Ecosyst. 20: 185- 200. SCHELLER, W., STRACHE, R.-R., EICHSTÄDT, W. & SCHMIDT, E. (2002): Important Bird Areas (IBA) in Mecklenburg-Vorpommern – die wichtigsten Brut- und Rastvogelgebiete Mecklenburg-Vorpommerns. – Schwerin.
426 SCHIFFERLI, L., BURKHARDT, M. & KESTENHOLZ, M. (2005): Bestandsentwicklung des Kormorans Phalacrocorax carbo in der Schweiz 1967-2003. – Ornithol. Beob 102: 81–96. SCHIRMEISTER, B. (1992/93): Zu Verlusten von Wasserv geln in Fischnetzen der K s- tenfischerei. – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 35: 23-27. SCHIRMEISTER, B. (2001): Ungew hnliche Ansammlungen der Zwergm we Larus minutus in der Pommerschen Bucht vor Usedom im Spätsommer 2000. – Orni- thol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 43: 35-48. SCHIRMEISTER, B. (2002): Durchzug und Rast der Zwergm we Larus minutus in der Pommerschen Bucht vor Usedom in den Jahren 2001 und 2002. – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 44: 34-46. SCHIRMEISTER, B. (2003): Verluste von Wasserv geln in Stellnetzen der K stenfi- scherei – das Beispiel der Insel Usedom. – Meer Museum 17: 160-166. SCHLEGEL, R. (1977): Zur Nahrung der Lachm we an Oberlausitzer Karpfenteichen. – Falke 24: 198-203. SCHREY, E. (1984): Zur Nahrung der Lachm we (Larus ridibundus) im Bereich der Stadt Cuxhaven. – Seev gel 5: 73-79. SCHÜTT, R. (2001): Zur Biologie der Tauchenten der Gattungen Aythya und Bucepha- la auf dem Unterlauf der Trave bei L beck – Bestand und Geschlechterverhältnis im Jahresverlauf, langfristige Bestandsentwicklung, Nahrungsreviere. – Ökol. V gel 23: 1-150. SCHWEMMER, P. (2007): Habitat use of the coastal zone of the German North Sea by surface-feeding seabirds. – Kiel (Univ. Kiel – Dissertation). SCHWEMMER, P. & GARTHE, S. (2005): At-sea distribution and behaviour of a surface- feeding seabird, the Lesser Black-backed Gull Larus fuscus, and its association with different prey. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 285: 245-258. SCHWEMMER, P. & GARTHE, S. (2006): Spatial patterns in at-sea behaviour during spring migration by Little Gulls (Larus minutus) in the south-eastern North Sea. – J. Ornithol. 147: 354-366. SCHWEMMER, P. & GARTHE, S. (2007) Regular habitat switch as an important feeding strategy of an opportunistic seabird species at the interface between land and sea. – Estuar. Coast. Shelf Sci.: im Druck. SCOTT, D.A. & ROSE, P.M. (1996): Atlas of Anatidae Populations in Africa and West- ern Eurasia. – Wageningen (Wetlands International). SELL, M. & VOGT, T. (1986): Zur Winter kologie der Silberm we (Larus argentatus) im Binnenland: Wahl und Zuordnung der Freß- und Schlafplätze im Ruhrgebiet. – Vogelwelt 107: 18-35. SELLIN, D. (1990): Fischlaich als Nahrung von V geln. – Vogelwelt 111: 217-224.
427 SIBLY, R.M. & MCCLEERY, R.H. (1983): The distribution between feeding sites of Herring Gulls breeding at Walney Island, UK. – J. Anim. Ecol. 52: 51-68. SJÖBERG, K. (1985): Foraging activity patterns in the Goosander (Mergus merganser) and the Red-breasted Merganser (M. serrator) in relation to patterns of activity in their major prey species. – Oecologia 67: 35-39. SJÖBERG, K. (1989): Time-related predator/prey interactions between birds and fish in a northern Swedish river. – Oecologia 80: 1-10. SKOV, H., DURINCK, J., LEOPOLD, M.F. & TASKER, M.L. (1995): Important Bird Ar- eas for seabirds in the North Sea including the Channel and the Kattegat. – Cam- bridge (BirdLife International). SKOV, H. & PRINS, E. (2001): Impact of estuarine fronts on the dispersal of piscivo- rous birds in the German Bight. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 214: 279-287. SNOW, D.W. & PERRINS, C.M. (1998): The birds of the western Palaearctic. Concise Edition. – Oxford (Oxford University Press). SONNTAG, N. (2001): Winterverbreitung der Trottellumme (Uria aalge) in der Nord- see und Koloniebesuche auf Helgoland: Einfluss von Wassertemperatur und Nah- rungsverf gbarkeit. – T bingen (Univ. T bingen – Diplomarbeit). SONNTAG, N., ENGELHARD, O. & GARTHE, S. (2004): Sommer- und Mauservorkom- men von Trauerenten Melanitta nigra und Samtenten M. fusca auf der Oderbank (s dliche Ostsee). – Vogelwelt 125: 77-82. SONNTAG, N. & HÜPPOP, O. (2005): Snacks from the depth: summer and winter diet of Common Guillemots Uria aalge around the island of Helgoland. – Atlantic Seabirds 7: 1-14. SONNTAG, N., MENDEL, B. & GARTHE, S. ( 2006): Die Verbreitung von See- und Wasserv geln in der deutschen Ostsee im Jahresverlauf. – Vogelwarte 44: 81- 112. SONNTAG, N., MENDEL, B. & GARTHE, S. (2007): Erfassung von Meeressäugetieren und Seev geln in der deutschen AWZ von Ost- und Nordsee. Teilvorhaben See- v gel. Abschlussbericht f r das Bundesamt f r Naturschutz. SPAANS, A.L. (1971): On the feeding ecology of the Herring Gull Larus argentatus Pont. in the northern part of the Netherlands. – Ardea 59: 75-188. SPAANS, A.L., BUKACIŃSKA, M., BUKACIŃSKI, D. & VAN SWELM, N.D. (1994): The relationship between food supply, reproductive parameters and population dy- namics in Dutch Lesser black-backed Gulls Larus fuscus: a pilot study. – BEON Report 94-15. – Wageningen (Institute for Forestry and Nature Research). STEGEMANN, L. & DEN OUDEN, J.E. (1995): Paralduikers Gavia arctica in de Neder- landse kustwateren. – Sula 9: 65-73.
428 STEIOF, K. (2006): Zur Phänologie von Silber-, Mittelmeer- und Steppenm we Larus argentatus, L. michahellis, L. cachinnans in Berlin in den Jahren 2000-2004. – Vogelwelt 127: 99-117. STEMPNIEWICZ, L. (1994): Marine birds drowning in fishing nets in the Gulf of Gdansk (southern Baltic): numbers, species composition, age and sex structure. – Ornis Svecica 4: 123-132. STEMPNIEWICZ, L. (1995): Feeding ecology of the Long-tailed Duck Clangula hye- malis wintering in the Gulf of Gdansk (southern Baltic Sea). – Ornis Svecica 5: 133-142. STEMPNIEWICZ, L. & MEISSNER, W. (1999): Assessment of the zoobenthos biomass consumed yearly by diving ducks wintering in the Gulf of Gdansk (southern Bal- tic Sea). – Ornis Svecica 9: 143-154. STIENEN, E.W.M. (2006): Living with gulls. Trading off food and predation in the Sandwich Tern Sterna sandvicensis. – Alterra Scientific Contributions 15. STIENEN, E.W.M. & BRENNINKMEIJER, A. (1998): Effects of changing food availabil- ity on population dynamics of the Sandwich Tern Sterna sandvicensis. – BEON Rep. 98-3. – Wageningen (Institute for Foresty & Nature Research). STIENEN, E.W.M., VAN BEERS, P.W.M., BRENNINKMEIJER, A., HABRAKEN, J.M.P.M., RAAIJMAKERS, M.H.J.E. & VAN TIENEN, P.G.M. (2000): Reflections of a special- ist: patterns in food provisioning and foraging conditions in Sandwich Terns Sterna sandvicensis. – Ardea 88: 33-49. STONE, C.J., WEBB, A. & TASKER, M.L. (1995): The distribution of auks and Procel- lariiformes in north-west European waters in relation to depth of sea. – Bird Study 42: 50-56. STRANN, K.-B. & VADER, W. (1992): The nominate Lesser Black-backed Gull Larus fuscus fuscus, a gull with a tern-like feeding biology, and its recent decline in northern Norway. – Ardea 80: 133-142. STRUNK, G. & STRUNK, P. (2005): Die Entwicklung des Kormoranbestandes Phalac- rocorax carbo sinensis am Strelasund und in der vorpommerschen Boddenregion. – Meer Museum 18: 150-156. STRUWE, B. (1993): die Tauchenten (Aythya)-Rastbestände an den Tagesschlafplätzen der Eckernf rder Bucht 1985/86 bis 1990/91. – Corax 15: 167-181. SÜDBECK, P., BAUER, H.-G., BERTHOLD, P., BOSCHERT, M., BOYE, P. & KNIEF, W. (2005): Das Kriteriensystem der nächsten Roten Liste der Brutv gel Deutsch- lands. – Ber. Vogelschutz 42: 137-140. SÜDBECK, P., HÄLTERLEIN, B., KNIEF, W., & KÖPPEN, U. (1998): Bestandsentwick- lung von Fluss- Sterna hirundo und K stenseeschwalbe S. paradisaea an den deutschen K sten. – Vogelwelt 119: 147-163. SÜDBECK, P. & WENDT, D. (2002): Rote Liste der in Niedersachsen und Bremen ge- fährdeten Brutv gel. Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen 5/2002.
429 SUDFELDT, C., ANTHES, N. & WAHL, J. (2000): Stand und Perspektiven des Wasser- vogelmonitorings in Deutschland. – Vogelwelt 121: 307-317. SUDFELDT, C., WAHL, J., MITSCHKE, A., GRÜNEBERG, C., HÖTKER, H. & BOSCHERT, M. (im Druck): Vogelmonitoring in Deutschland. Naturschutz und Biologische Vielfalt: in Vorb. SVAZAS, S., DAGYS, M., ZYDELIS, R. & RAUDONIKIS, L. (2001): Changes in numbers and distribution of wintering waterfowl populations in Lithuania in the 20th cen- tury. – Acta Zool. Lituanica 11: 243-254. SVORKMO-LUNDBERG, T., BAKKEN, V., HELBERG, M., MORK, K., RØER, J.E. & SÆBØ, S. (2006): Norsk Vinterfugl Atlas. Fuglens utbredelse, bestandsst rrelse og kologi vinterstid. – Trondheim (Norsk Ornitologisk Forening). SWANN, R.L., HARRIS, M.P. & AITON, D.G. (1991): The diet of some young seabirds on Canna, 1981-90. – Seabird 13: 54-58. SWENNEN, C. (1991): Fledgling Production of Eiders Somateria mollissima in The Netherlands. – J. Ornithol. 132: 427-437. SVENSSON L., GRANT, P.J., MULLARNEY, K. & ZETTERSTRÖM, D. (1999): Der neue Kosmos Vogelf hrer. Alle Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens. – Stutt- gart (Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co). TASKER, M.L., HOPE JONES, P., DIXON, T. & BLAKE, B.F. (1984): Counting seabirds at sea from ships: a review of methods employed and a suggestion for a standard- ized approach. – Auk 101: 567-577. TAYLOR, K. & REID, J.B. (1981): Earlier colony attendance by Guillemots and Razor- bills. – Scot. Birds 11: 173-180. TEMME, M. (1991): Der Wegzug der Zwergm we Larus minutus vor Norderney in Beziehung zum Wettergeschehen. – Vogelkd. Ber. Niedersachsen 23: 77-89. TEUNISSEN, W.A. & GMELIG MEYLING, A.W. (1999): TRIM versus Uindex. Een praktische vergelijking tussen twee methoden voor het bereken van index bij wa- tervogels. – SOVON onderzoeksrapport 1999/11. – Beek-Ubbergen (SOVON Vogelonderzoek Nederland). THIEL, M., NEHLS, G., BRÄGER, S. & MEISSNER, J. (1992): The impact of boating on the distribution of seals and moulting ducks in the Wadden Sea of Schleswig- Holstein. – Neth. Inst. Sea Res. Publ. Ser. 20: 221-233. THIEL, R. & POTTER, I.C. (2001): The ichthyofaunal composition of the Elbe estuary: an analysis in space and time. – Mar. Biol. 138: 603-616. THIESSEN, H. (1986): Zur Bestandsentwicklung und Situation von M wen Laridae und Seeschwalben Sternidae in Schleswig-Holstein – sowie Gedanken zum "M wen- problem". – Seev gel 7: 1-12. THOMPSON, D.B.A. (1986): The economics of kleptoparasitism: optimal foraging, host and prey selection by gulls. – Anim. Behav. 34: 1189-1205.
430 THOMPSON, P.M. & OLLASON, J.C. (2001): Lagged effects of ocean climate change on Fulmar population dynamics. – Nature 413: 417-420. TUCKER, G.M. & HEATH, M.F. (Eds.) (1994): Birds in Europe. Their conservation status. – BirdLife Conservation Series 3. UBL, C. (2004): Untersuchungen zum Nahrungsspektrum des Kormorans im Bereich des Greifswalder Boddens. Fischerei Fischereimarkt Mecklenburg-Vorpommern 4: 32-38. ULBRICHT, J. (2005): Stauseen und Tagebauseen in Sachsen als bedeutende Rastge- wässer f r durchziehende Prachttaucher (Gavia arctica). – Mitt. Ver. Sächs. Orni- thol. 9: 565-568. VAN EERDEN, M.R., DUBBELDAM, W. & MULLER, J. (1999). Sterfte van watervogels door visserij met staande netten in het IJsselmeer en Markermeer. – RIZA rapport 99.060. VAN EERDEN, M. & GREGERSEN, J. (1995): Long-term changes in the northwest Euro- pean population of cormorants. – Ardea 83: 61-79. VAN FRANEKER, J.A., MEIJBOOM, A. & DE JONG, M.L. (2004): Marine Litter Monitor- ing by Northern Fulmars in the Netherlands 1982-2003. – Alterra-rapport 1093. – Wageningen (Alterra). VAN ROOMEN, M., VAN WINDEN, E., HUSTINGS, F., KOFFIJBERG, K., KLEEFSTRA, R., SOVON GANZEN- EN ZWANENWERKGROEP & SOLDAAT, L. (2005): Watervogels in Nederland in 2003/2004. SOVON-monitoringrapport 2005/03, RIZA-rapport BM05/15. – Beek-Ubbergen (SOVON Vogelonderzoek Nederland). VAN ROOMEN, M., VAN WINDEN, E., KOFFIJBERG, K., BOELE, A., HUSTINGS, F., KLEEFSTRA, R., SCHOPPERS, J., VAN TURNHOUT, C., & SOVON GANZEN- EN ZWANENWERKGROEP (2004): Watervogels in Nederland in 2002/2003. SOVON- monitoringrapport 2004/02, RIZA-rapport BM04.09. – Beek-Ubbergen (SOVON Vogelonderzoek Nederland). VAN ROOMEN, M., VAN WINDEN, E., KOFFIJBERG, K., ENS, B., HUSTINGS, F., KLEEFSTRA, R., SCHOPPERS, J., VAN TURNHOUT, C., SOVON GANZEN- EN ZWANENWERKGROEP & SOLDAAT, L. (2006): Watervogels in Nederland in 2004/2005. SOVON-monitoringrapport 2006/02, RIZA-rapport BM06.14. – Beek-Ubbergen (SOVON Vogelonderzoek Nederland). VAUK, G., HARTWIG, E., REINEKING, B. & VAUK-HENTZELT, E. (1989): Losses of seabirds by oil pollution at the German North Sea coast. – Sci. Mar. 53: 749-759. VAUK, G. & PRÜTER, J. (1987): M wen – Arten, Bestände, Verbreitung, Probleme. – Otterndorf (Niederelbe-Verlag). VAUK-HENTZELT, E. & BACHMANN, L. (1983): Zur Ernährung nestjunger Dreize- henm wen (Rissa tridactyla) aus der Kolonie des Helgoländer Lummenfelsens. – Seev gel 4: 42-45.
431 VAUK-HENTZELT, E. & SCHUMANN, K. (1980): Zur Winterernährung durchziehender und rastender Sturmm wen (Larus canus) aus dem Bereich der Insel Helgoland. – Angewandte Ornithol. 5: 178-184. VERBEEK, N.A.M. (1977): Comparative feeding ecology of Herring Gulls Larus ar- gentatus and Lesser Black-backed Gulls Larus fuscus. – Ardea 65: 25-42. VERBEEK, N.A.M. (1979): Some aspects of the breeding biology and behaviour of the Great Black-backed Gull. – Wilson Bull. 91: 575-582. VERNON, J.D.R. (1970): Feeding habitats and food of the Black-headed and Common gulls. Part 1 – Feeding Habitats. – Bird Study 17: 287-296. VERNON, J.D.R. (1972): Feeding habitats and food of the Black-headed and Common gulls. Part 2 – Food. – Bird Study 19: 173-186. VLUG, J.J. (1996): Fr hzeitiges Verlassen der Brutgebiete und Mauserzug bei vier europäischen Lappentaucherarten, insbesondere dem Rothalstaucher (Podiceps grisegena). – Corax 16: 373-387. VLUG, J.J. (2000): Zur Brutbestandsentwicklung und Ökologie des Rothalstauchers (Podiceps grisegena) in Schleswig-Holstein und Hamburg 1969-1998 – mit er- gänzenden Bemerkungen zur fr heren Situation und zu den Verhältnissen in den Nachbarländern. – Corax 18: 160-179. VORBERG, R. & BRECKLING, P. (1999): Atlas der Fische im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. – Heide (Boyens). VOTIER, S.C., FURNESS, R.W., BEARHOP, S., CRANE, J.E., CALDOW, R.W.G., CATRY, P., ENSOR, K., HAMER, K.C., HUDSON, A.V., KALMBACH, E., KLOMP, N.I., PFEIFFER, S., PHILLIPS, R.A., PRIETO, I. & THOMPSON, D.R. (2004): Changes in fisheries discard rates and seabird communities. – Nature 427: 727-730. WAHL, J. (2002): Biogeografische Populationen bei rastenden und berwinternden Wasserv geln in Deutschland am Beispiel der Schnatterente Anas strepera. – M nster (Universätit M nster – Diplomarbeit). WAHL, J. & BELLEBAUM, J. (2006): Bundesweite M wen-Schlafplatzzählungen – Ergebnisse der Zählsaison 2005/06. – Vogelwelt 127, DDA-Aktuell: V-VII. WAHL, J., BLEW, J., GARTHE, S., GÜNTHER, K., MOOIJ, J. & SUDFELDT, C. (2003b): Überwinternde Wasser- und Watv gel in Deutschland: Bestandsgr ßen und Trends ausgewählter Vogelarten f r den Zeitraum 1990-2000. – Ber. Vogelschutz 40: 91-103. WAHL, J., KELLER, T. & SUDFELDT, C. (2004): Verbreitung und Bestand des Kormo- rans Phalacrocorax carbo in Deutschland im Januar 2003 – Ergebnisse einer bundesweiten Schlafplatzzählung. – Vogelwelt 125: 1-10. WAHL, J., SUDFELDT, C. & FISCHER, S. (2003a): Trau keinem ber 30? Die „Wasser- vogelzählung“ stellt sich vor. – Falke 50: 276-281.
432 WALTER, U. & BECKER, P.H. (1994): The significance of discards from the brown shrimp fisheries for seabirds in the Wadden Sea – preliminary results. – Ophelia 6: 253-262. WALTER, U. & BECKER, P.H. (1997): Occurrence and consumption of seabirds scav- enging on shrimp trawler discards in the Wadden Sea. – ICES J. Mar. Sci. 54: 684-694. WANLESS, S., HARRIS, M.P. & MORRIS, J.A. (1990): A comparison of feeding areas used by individual Common Murres (Uria aalge), Razorbills (Alca torda) and an Atlantic Puffin (Fratercula arctica) during the breeding season. – Colon. Water- birds 13: 16-24. WANLESS, S., HARRIS, M.P., REDMAN, P. & SPEAKMAN, J.R. (2005b): Low energy values of fish as a probable cause of a major seabird breeding failure in the North Sea. – Mar. Ecol. Prog. Ser. 294: 1-8. WANLESS, S., FREDERIKSEN, M., DAUNT, F., SCOTT, B.E. & HARRIS, M.P. (2007): Black-legged Kittiwakes as indicators of environmental change in the North Sea: Evidence from long-term studies. – Prog. Oceanogr. 72: 30-38. WANLESS, S., HARRIS, M.P., CALLADINE , J. & ROTHERY, P. (1996): Modelling re- sponses of Herring Gull and Lesser Black-backed Gull populations to reduction of reproductive output: implications for control measures. – J. Appl. Ecol. 33: 1420- 1432. WANLESS, S., MURRAY, S. & HARRIS, M.P. (2005): The status of Northern Gannet in Britain & Ireland in 2003/04. – Brit. Birds 98: 280-294. WERNHAM, C.V., TOMS, M.P., MARCHANT, J.H., CLARK, J.A., SIRIWARDENA, G.M. & BAILLIE, S.R. (2002): The migration atlas: movements of the birds of Britain and Ireland. – London (Poyser). WETLANDS INTERNATIONAL, INTERNATIONAL WATERBIRD CENSUS (2005): unpub- lished data, See:http://www.wetlands.org/listmenu.aspx?id=56f39008-f9a9-4569- 92c1-a0457e95eeaf WETLANDS INTERNATIONAL (2006): Waterbird population estimates. 4. Aufl. – Wa- geningen (Wetlands International). WIETFELD, J. (1977): Untersuchungen an Speiballen der Silberm we (Larus argenta- tus) im Naturschutzgebiet Großer Knechtsand (Elbe-Weser-M ndung). – Vogel- welt 98: 221-229. WILSON, L.J., DAUNT, F. & WANLESS, S. (2004): Self-feeding and chick provisioning diet differ in the Common Guillemot Uria aalge. – Ardea 92: 197-208. WINSLADE, P. (1974): Behavioural studies on the Lesser Sandeel Ammodytes marinus (Raitt) I. The effect of food availability on activity and the role of olfaction in food detection. – J. Fish Biol. 6: 565-576. WOOLFENDEN, G.E. (1967): Selection for a delayed simultaneous wing moult in Loons (Gaviidae). – Wils. Bulletin 79: 416-420.
433 WURM, S. & HÜPPOP, O. (2003): Fischereiabhängige Veränderungen in der Ernährung Helgoländer Großm wen im Winter. – Corax 19, Sonderheft 2: 15-26. YÉSOU, P. (2002): Systematics of Larus argentatus-cachinnans-fuscus complex revis- ited. – Dutch Birding 24: 271-298. ZANG, H., GROßKOPF, G. & HECKENROTH, H. (Hrsg.) (1991): Die V gel Niedersach- sens und des Landes Bremen. Raubm wen bis Alken. – Naturschutz Land- schaftspfl. Niedersachsen, Sonderreihe B, Heft 2.6. ZIMMERMANN, H .(2004): Bestandssituation des Kormorans in Mecklenburg- Vorpommern. – Ornithol. Rundbr. Mecklenburg-Vorpommern 45: 19-26. ZYDELIS, R. (2002): Habitat selection of waterbirds wintering in Lithuanian coastal zone of the Baltic Sea. – Vilnius (Univ. Vilnius – Dissertation).
434 V Abk rzungsverzeichnis und Glossar Im Folgenden werden nur spezielle Abk rzungen und Begriffe erklärt, die f r das Verständnis der Texte wichtig sind. Gängige Abk rzungen und biologische Fachbegriffe bleiben weitgehend unber cksichtigt.
Abb. Abbildung AEWA Afrikanisch-Eurasisches Wasservogelabkommen AWZ Ausschließliche Wirtschaftszone (Erklärung siehe unten) D Deutschland DDA Dachverband Deutscher Avifaunisten DK Dänemark ESAS European Seabirds-at-Sea Specialist Group EU Europäische Union dt. deutsch, deutsche EU-VSchRL EU-Vogelschutzrichtlinie FTZ Forschungs- und Technologiezentrum Westk ste GB Großbritannien Ind. Individuen insb. insbesondere IUCN Weltschutzorganisation (International Union for the Conservation of Nature and Natural Resources) JK Jugendkleid Juv. Juvenil k.A. keine Angabe KJ Kalenderjahr M- Mittel- M-V Mecklenburg-Vorpommern N Nord, Norden Nds. Niedersachsen NL Niederlande NO Nordost, Nordosten NPA Nationalparkamt NW Nordwest, Nordwesten O Ost, Osten OSPAR Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des NO- Atlantiks (Oslo-Paris-Konvention)
435 pers. Mitt. Pers nliche Mitteilung PK Prachtkleid PL Polen Pop. Population S S d, S den SAS Seabirds-at-Sea SH Schleswig-Holstein SK Schlichtkleid Sm Seemeilen SO S dost, S dosten SPA Special Protection Area SPEC Species of European Conservation Concern SW S dwest, S dwesten Tab. Tabelle u.A. unter Anderem u.U. unter Umständen W West, Westen WK Winterkleid
Glossar
AWZ-Grenze: Seewärtige Begrenzung des Festlandsockels und der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der BRD Discard: ungenutzter, auf See ber Bord gegebener Beifang in der Fischerei EcoQO: Ökologisches Qualitätsziel (Ecological Quality Objective) der EU zur Erreichung eines kologisch gesunden Zustandes der Nordsee Fulmar-Litter-EcoQO: Beurteilung der M llbelastung der Meere anhand von Untersuchungen zum Vorkommen von Plastikm ll in Eis- sturmv geln (Fulmars) im Rahmen der → EcoQOs Gammelfischerei: Fischerei, deren Fang zur Herstellung von Fischmehl oder - l verwendet wird (Gammel: i.e.S. unverkäuflicher Rest beim Krabbenfang) Hoheitsgrenze: Seewärtige Begrenzung des K stenmeeres (12 Sm Zone) der BRD inkl. Tiefwasserrede (letzteres bei Nordsee) Langleinenfischerei: Fischerei, bei der mit K dern best ckte Haken an einer Leine ausgelegt werden
436 Monofilament-Netz: Netz, dessen Material aus nur einer Nylonfaser besteht Offshore: etwa 3 km von der K stenlinie entfernte Meeresgebiete in seewärtige Richtung Stellnetze: Passive Fischerei mit Netzwänden aus feinem Garnmaterial, die (häufig in Bodennähe) in der Wassersäule aufgestellt werden
437 Zum Schutz der küstenfern überwinternden und mausernden See- und Wasser- vögel wurde 2005 in der deutschen Ausschließlichen Wirtschaftszone (12-200 Seemeilenzone) je ein Teilbereich von Nord- und Ostsee als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Diese beiden Gebiete, die „Östliche Deutsche Bucht“ und die „Pommersche Bucht“, sind Bestandteil des europäischen Schutzgebietsnetz- werks Natura 2000 und zählen mit insgesamt mehr als 5000 km2 zu den größten Vogelschutzgebieten Europas. Für die Entwicklung der gebietsspezifischen Managementpläne werden in die- sem Buch die wissenschaftlichen Grundlagen über die Ökologie der nach europä- ischem Recht geschützten Vogelarten dargestellt. Dies geschieht anhand einer Zusammenfassung von neuen und bestehenden Daten über die biologischen Charakteristika der 27 für die Gebiete bedeutsamsten Arten. Eine vergleichbare Zusammenstellung fehlte bislang, ist aber eine wesentliche Voraussetzung, um für jede Art spezifische Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Zusätzlich werden auf der Grundlage ihrer morphologischen, verhaltens-biologischen und ernäh- rungsökologischen Eigenschaften die spezifischen Empfindlichkeiten der Arten gegenüber menschlichen Aktivitäten im Meer abgeleitet. Die Artensteckbriefe der See- und Wasservögel in Nord- und Ostsee fassen das bestehende Wissen für die Praxis leicht verständlich und übersichtlich zusam- men und sind damit eine essentielle Grundlage für die Entwicklung von Schutz- maßnahmen und die Bewertung von Eingriffen in die Lebensräume der Seevögel auf unseren Meeren.