Küstenvögel Und Küstenvogelschutz in Mecklenburg- Vorpommern
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Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 41 (2010) 179 Küstenvögel und Küstenvogelschutz in Mecklenburg- Vorpommern Christof Herrmann HERRMANN , C. (2010): Küstenvögel und Küstenvogelschutz in Mecklenburg-Vorpommern. Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 41: 179-191. Die Arbeit gibt eine kurze Zusammenfassung der Geschichte des Küstenvogelschutzes in Mecklenburg-Vorpommern seit der Errichtung der ersten „Seevogelfreistätten“ in den Jahren 1909/10 bis zur Gegenwart. Die nun schon langjährige Betreuung der Brutgebiete und die damit verbundene Erfassung der Brutbestände ermöglichen es, für zahlreiche Vogelarten recht genaue, langfristige Bestandstrends darzustellen. Die hier vorgestellten Beispiele illus - trieren die hohe Dynamik der Brutbestände der Küstenvögel. Auch die Zusammensetzung der Arten ändert sich: Sowohl Rückzug als auch Einwanderungen sind zu beobachten. Ein allgemeiner Niedergang der Küstenvögel lässt sich aus den vorliegenden Daten nicht ableiten. Abschließend werden die wichtigsten Aufgaben und Herausforderungen des Küstenvogel - schutzes in der Gegenwart dargestellt: Schutz der Brutgebiete vor menschlichen Störungen, Wiederherstellung „verlorener“ Brutgebiete durch Renaturierungsmaßnahmen, Gewährleis - tung eines angepassten Beweidungsregimes für Salzwiesenlebensräume sowie Management von Raubsäugern, insbesondere auf Inseln und Halbinseln. C. H., AG Küstenvogelschutz MV, c/o Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Goldberger Str. 12, D-18273 Güstrow, Christof.Herrmann@lung. mv-regierung.de Küstenvogelschutz in Mecklenburg-Vor - sengebiete der Insel Poel erreicht werden. Zu den pommern – eine hundertjährige Ge - ersten Schutzgebieten, die zu jener Zeit in Meck - schichte lenburg-Vorpommern geschaffen wurden, gehörten weiterhin die Werderinseln und der Bock, die ab Die reich gegliederten Boddenküsten Mecklen - 1909 durch den Ornithologischen Verein Cöthen burg-Vorpommerns mit ihren dynamischen Anlan - mit einem Vogelwärter besetzt wurden. Auf Hid - dungsgebieten, Inseln und Halbinseln bieten für densee und den Inseln der westrügenschen Bodden Küstenvögel eine große Vielfalt an geeigneten waren ab den Jahren 1911-1914 der Bund für Vo - Brutplätzen. Die Bemühungen, diese Brutplätze zu gelschutz Stuttgart (Vitter Wiesen, Gellen und schützen, reichen nun schon mehr als ein Jahr - Gänsewerder), der Ornithologische Verein Stralsund hundert zurück. Die Gründung des „Vereins Jordsand (Fährinsel) und der Internationale Frauenbund für zur Begründung von Vogelfreistätten an den deut - Vogelschutz Charlottenburg (Bessin, Heuwiese, schen Küsten, Hamburg“ im Jahr 1907 war für Liebes und Mährens) aktiv ( SCHULZ 1947). den See- und Küstenvogelschutz in Deutschland zweifelsohne ein herausragendes Ereignis. Zwei Neben dem Schutz und der Betreuung der Brutko - Jahre nach seiner Gründung wurde der Verein lonien durch Vogelwärter bemühten sich die Orni - auch in Mecklenburg aktiv: Die von seinem Vorsit - thologen auch um eine Einstellung der Bejagung zenden Prof. Franz Dietrich initiierten Bemühungen der Küstenvögel. Auf der Insel Poel erreichte Prof. zur Unterschutzstellung des Langenwerders waren Dietrich im Jahr 1911, dass sich die Jagdinhaber von Erfolg gekrönt, und bereits ab 1910 wurde für 5 Jahre verpflichteten, Möwen, Seeschwalben, die Insel durch einen Vogelwärter betreut. Im glei - Limikolen und Mittelsäger nicht mehr zu bejagen chen Jahr konnte auch der Schutz einiger Salzwie - und die Jagd auf diese Arten auch durch andere 180 HERRMANN : Küstenvögel und Küstenvogelschutz in Mecklenburg-Vorpommern nicht zuzulassen. Diese Vereinbarung wurde später auf dem Beuchel, der Fährinsel und in anderen um weitere 5 Jahre verlängert ( SCHULZ 1947, B RENNING Schutzgebieten ( SCHULZ 1947, D OST 1959). 1964). Auf der Insel Hiddensee schloss der „Inter - nationale Frauenbund“ im Jahr 1910 Verträge mit Ab den 1950er bis zum Anfang der 1970er Jahre den Jagdpächtern ab, in denen diese sich gegen wurden weitere Küstenvogelbrutgebiete „entdeckt“, eine Entschädigung zur Einhaltung einer Jagdruhe deren Bedeutung zuvor überhaupt nicht bekannt von März bis August verpflichteten ( SCHULZ 1947). war. Das betrifft z. B. die Inseln Kirr und Barther Oie sowie die großen Salzwiesen an der Darß- Der Schutz der Küstenvogelbrutgebiete erfolgte in Zingster Boddenkette, aber auch die Salzwiesen - den Anfangsjahren durch private Vereine, denen gebiete am Greifswalder Bodden und Peenestrom. es gelang, Gemeinden, Grundeigentümer, lokale Für den Vogelhaken/Zudar, die Insel Koos und die Behörden und andere Akteure von ihren Ideen zu Kooser Wiesen, den Struck und die Freesendorfer überzeugen. Gesetzliche Unterschutzstellungen Wiesen, den Großen Wotig und die Inseln Böhmke wurden erst mit dem Erlass von Naturschutzgesetzen und Werder datieren die ersten Informationen möglich. In Mecklenburg-Schwerin wurde das erste über Brutbestände aus dem Zeitraum 1962 bis Naturschutzgesetz im Jahr 1923 verabschiedet und 1970. Die „neu entdeckten“ Gebiete wurden zum am 02.07.1924 auf dieser Grundlage der Langen - Teil kurzfristig unter Schutz gestellt, so z. B. die werder als Vogelfreistätte ausgewiesen. Der Lan - Inseln Barther Oie und Kirr (1963), die Inseln genwerder ist damit das älteste staatliche Schutz - Böhmke und Werder (1971) und der Rustwerder gebiet in Mecklenburg-Vorpommern. In Preußen, auf Poel (1971). Für einige der großen Salzwiesen - zu dem Vorpommern seinerzeit gehörte, wurde komplexe konnte die Erkenntnis ihrer Bedeutung 1920 mit der Änderung des § 34 des Feld- und als Brutgebiet für Wiesenlimikolen leider nicht ver - Forstpolizeigesetzes die rechtliche Grundlage für hindern, dass sie gegen Ende der 1960er Jahre der die Ausweisung von Naturschutzgebieten geschaf - Komplexmelioration unterzogen und damit als fen. Die ältesten Naturschutzgebiete in Vorpommern Wiesenvogellebensraum nahezu wertlos wurden sind der Peenemünder Haken, Struck und Ruden (NEHLS & H ERRMANN 2009). sowie einige Gebiete der Insel Hiddensee, die 1925 unter Schutz gestellt wurden. Im Jahr 1929 wurden Nach der politischen Wende 1989 wurde das auch die Werderinseln und der Bock als Natur - Schutzgebietssystem durch Ausweisung weiterer schutzgebiet ausgewiesen. Zu der Zeit hatte das bedeutsamer Brutgebiete vervollständigt (z. B. die Gebiet jedoch seine Bedeutung für brütende Küs - Insel Koos, Kooser und Karrendorfer Wiesen, tenvögel bereits weitgehend verloren, da infolge Großer Wotig). Gegenwärtig befinden sind alle zunehmender Verlandung, Aufspülung und Auf - bedeutsamen Gebiete entweder im Nationalpark forstung der Bock für Füchse und Wildschweine Vorpommersche Boddenlandschaft oder sind als leicht zugänglich geworden war und diesen Prä - NSG geschützt. datoren günstigen Lebensraum bot. Die Betreuung der Brutgebiete wurde im Laufe Auf der Grundlage des Reichsnaturschutzgesetzes der Zeit erheblich erweitert und verbessert. Dazu von 1935 wurden weitere Küstenvogelbrutgebiete hat nicht zuletzt auch die Gründung der „Kom - unter Schutz gestellt. So wurde die Heuwiese 1939 mission Seevogelschutz“ im Jahr 1963 beigetragen, Naturschutzgebiet, die Insel Beuchel folgte 1940. die später in „Kommission Küstenvogelschutz der Die Insel Pulitz im Kleinen Jasmunder Bodden DDR“ umbenannt wurde. Die Kommission war ein wurde wegen ihrer Kormorankolonie 1937 zum beratendes Organ zwischen dem Rat des Bezirkes Naturschutzgebiet erklärt. Rostock, der Vogelwarte Hiddensee und dem Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz In den Gebieten, die nicht durch Vogelwärter (ILN) Halle, Zweigstelle Greifswald. Ihr gehörten betreut und bewacht wurden, stand der Schutz je - neben den genannten Institutionen auch mehrere doch vielfach nur auf dem Papier. Fischer und Be - ehrenamtliche Mitglieder an. Die Vogelwarte Hid - wohner des Umlandes sammelten weiterhin die densee, ab 1964 „Zentralstelle für den Küstenvo - Eier der Küstenvögel, wie z. B. auf der Heuwiese gelschutz der DDR“, übernahm die Koordination und in den Jahren des Zweiten Weltkrieges auch und Sekretariatsführung. Zu den Aufgaben der Vogelkdl. Ber. Niedersachs. 41 (2010) 181 Abb. 1: Die gegenwärtig betreuten Küstenvogelbrutgebiete in Mecklenburg-Vorpommern. – Breeding sites of coastal birds in Mecklenburg-Western Pomerania which are surveyed and managed by the “Working Group for Coastal Bird Conservation” (AG Küstenvogelschutz). Kommission gehörte die Organisation und Koordi - sind auch zu Beginn der 1990er Jahre keine Da - nation der Betreuung der Brutgebiete, die Durch - tenlücken entstanden. führung von Schutz- und Managementmaßnahmen sowie die Erfassung der Brutbestandszahlen. Auch die Unterschutzstellung von mehreren Brutgebieten Langfristige Bestandsentwicklungen ist ihrer Initiative zu verdanken ( NEHLS & H ERRMANN von Küstenvögeln in Mecklenburg-Vor - 2009). pommern Die nun schon langjährige Betreuung der Brutgebiete Mit dem Ende der DDR stellte die „Kommission und die damit verbundene Bestandserfassung Küstenvogelschutz“ ihre Arbeit ein. Erst im Januar haben einen Datenfundus geschaffen, welcher 1994 wurde am damaligen Landesamt für Umwelt recht genaue Darstellungen der Bestandsentwicklung und Natur – heute Landesamt für Umwelt, Natur - unserer Küstenvögel über lange Zeiträume ermög - schutz und Geologie – in ihrer Nachfolge die AG licht. Die Trends der einzelnen Arten sind dabei Küstenvogelschutz MV gegründet. Das System der recht unterschiedlich. Betreuung der Küstenvogelbrutgebiete war jedoch so fest etabliert, dass es auch in den Jahren ohne Zu den Arten, die sich langfristig auf dem Rückzug zentrale Leitung weiter funktionierte.