BREMISCHE BÜRGERSCHAFT Plenarprotokoll Landtag 18. Sitzung 20. Wahlperiode 30.11.2020

18. Sitzung am Montag, dem 30. November 2020

Inhalt

Regierungserklärung des Senats zum Abgeordneter Nelson Janßen (DIE LINKE) ....2325 Thema „Bekämpfung des Coronavirus, Abgeordnete Lencke Wischhusen (FDP) ...... 2329 der SARS-CoV-2-Pandemie“ Abgeordneter Thomas Röwekamp (CDU)...... 2332 Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte...... 2310 Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte ...... 2333 Abgeordneter Thomas Röwekamp (CDU) ...... 2316

Abgeordneter Mustafa Güngör (SPD) ...... 2320 Abgeordneter Björn Fecker (Bündnis 90/Die Grünen) ...... 2323

Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Sandra Ahrens, Sigrid Grönert, Volker Stahmann, Muhammet Tokmak, Holger Welt. 2310 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

Präsident Frank Imhoff eröffnet die Sitzung um Die Beratung ist eröffnet. 10:00 Uhr. Als erster Redner hat das Wort Bürgermeister Dr. Präsident Frank Imhoff: Die 18. Sitzung der Bür- Andreas Bovenschulte. – Bitte sehr! gerschaft (Landtag) ist eröffnet. Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte: Sehr ge- Guten Morgen meine Damen und Herren, ich be- ehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen grüße Sie hier in der ÖVB-Arena! und Herren, nun also zum vierten Mal eine Regie- rungserklärung zum Thema Corona. Das ist aller- Das ist das vierte Mal dass wir jetzt an einem ande- dings der Bedeutung des Themas durchaus ange- ren Ort tagen, aber wir hoffen, dass wir die Pande- messen. mie bald hinter uns lassen werden und wir hoffen auch, dass wir bald in unser Parlamentsgebäude Gestern brannten in vielen Haushalten die ersten zurückkehren können. Der Umbau ist im Zeitplan, Kerzen auf dem Adventskranz und insbesondere das kann ich Ihnen hier schon zusichern. dort, wo Kinder zur Familie gehören, wächst lang- sam aber sicher die Vorfreude auf das Weihnachts- Ich will Ihnen noch sagen, dass hier heute auch die fest. Abstandsregeln gelten und dass hier auch die Mas- kenpflicht gilt. Die Abstandsregeln gelten übrigens All das erinnert uns jeden Tag daran, wie auch die auch für die Personen, die von der Maskenpflicht festliche Beleuchtung draußen und viele andere befreit sind. Nicht dass Sie glauben, dass Sie sich Dinge mehr, dass das Jahr 2020 langsam, aber si- daran nicht halten müssen. cher, zu Ende geht. Zum Glück, werden viele von Ihnen und viele andere Menschen jetzt sagen, Zur Abwicklung der Tagesordnung wurden inter- denn das Jahr 2020 war mit Sicherheit kein einfa- fraktionelle Absprachen getroffen, die Sie der digi- ches Jahr. Im Gegenteil, das Jahr war für viele, tal versandten Tagesordnung entnehmen können. vielleicht sogar für die meisten von uns, ein Jahr voller Sorgen, voller Ungewissheit und, ja, bei etli- Wird das Wort zu den interfraktionellen Abspra- chen auch ein Jahr der Existenzangst. chen gewünscht? ─ Das ist nicht der Fall. Auch in unseren beiden Städten haben Menschen, Wer mit den interfraktionellen Absprachen einver- viel zu viele Menschen durch das Virus ihr Leben standen ist, den bitte ich um das Handzeichen. verloren. Wir haben bis heute allein in unserem kleinen Bundesland 121 Tote zu verzeichnen. Da- (Dafür CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE hinter stehen Schicksale, nicht nur die nackte Zahl LINKE, FDP, M.R.F., Abgeordneter Thomas Jürge- ist erschreckend. Dahinter stehen Menschen, die witz [AfD]) ohne Corona heute noch unter uns wären. Men- schen, die von ihren Angehörigen vermisst und be- Ich bitte um die Gegenprobe. trauert werden.

Stimmenthaltungen? Lassen Sie mich angesichts dieser Situation, ange- sichts der schlimmen Folgen der Coronapandemie (Abgeordneter Peter Beck [AfD]) auch bei uns, deshalb zu Beginn meiner Regie- rungserklärung kurz auf diejenigen eingehen, die Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) ist mit vor allem in den vergangenen Wochen immer ag- den interfraktionellen Absprachen einverstanden. gressiver gegen Parlamente und Regierungen, ge- gen Gesundheitsämter und Polizei, gegen Wissen- Wir treten in die Tagesordnung ein. schaft und Medien hetzen.

Regierungserklärung des Senats zum Thema „Be- Die sogenannten Querdenker, die schon die Exis- kämpfung des Coronavirus, der SARS-CoV-2- tenz des Virus leugnen, zumindest aber alle Be- Pandemie“ schränkungen ablehnen und ohne Maske und ohne Abstand und ohne Anstand zu Tausenden Der Senat hat mit dem Schreiben vom 24. Novem- durch die Innenstädte ziehen. Die sich mit Sophie ber 2020 gemäß § 50 Absatz 4 unserer Geschäfts- Scholl und Anne Frank vergleichen und die sich ordnung die Absicht mitgeteilt, eine Regierungser- damit mit von den Nazis ermordeten Widerstands- klärung abzugeben. kämpferinnen und -kämpfern auf eine Stufe stellen Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2311

und die das neue Infektionsschutzgesetz des Bun- Meine Damen und Herren, ich glaube allerdings, des allen Ernstes mit dem Ermächtigungsgesetz wenn wir in einigen Jahren zurückblicken, dann der Nationalsozialisten vergleichen und damit alle werden wir uns nicht nur an ein Jahr der Existenz- Opfer der Hitler-Diktatur öffentlich verhöhnen. angst, der Sorgen und der Nöte erinnern, ein Jahr, in dem durch die globale Pandemie alles aus den Meine Damen und Herren, lassen Sie uns dies alles Fugen geriet und in dem die tiefe Sehnsucht der als das benennen, was es ist: abstoßend, zynisch Menschen nach Sicherheit und Berechenbarkeit im und dumm. Leben enttäuscht, häufig bitter enttäuscht wurde. Wir werden uns vermutlich auch an ein Jahr, das (Beifall) klingt etwas paradox, der Hoffnung erinnern, weil wir uns immer wieder gefragt haben und immer ge- Ja, wir brauchen eine offene, eine lebendige, eine hofft haben, dass das kommende Jahr ein besseres streitbare und kontroverse Diskussion über den wird. Wer hofft nicht, dass die Sorgen verschwin- richtigen Umgang mit der Pandemie. Da gibt es den und wir wieder unbeschwert in die Zukunft bli- nicht nur eine Auffassung, da gibt es nicht nur eine cken können. Oder ganz konkret gefragt: Wer hofft Wahrheit. Da muss um den richtigen Weg gerun- nicht, dass endlich der Impfstoff kommt, mit dem gen werden, manchmal auch polemisch. Aber ge- das Virus wirksam eingedämmt werden kann. nau dazu, zu dieser Diskussion tragen die Quer- denker mit ihrem wissenschaftsfeindlichen Ge- Meine Damen und Herren, die Geschwindigkeit, schwurbel, ihren Verschwörungsmythen und ihren mit der in den vergangenen Monaten gleich meh- extremistischen Ideologieversatzstücken nicht bei. rere Impfstoffe entwickelt wurden, grenzt an ein – Hier sind wir als Demokratinnen und Demokraten, ich glaube man kann es so nennen – wissenschaft- ungeachtet unterschiedlicher Positionen im Einzel- liches Wunder, das nicht nur mich tief beeindruckt fall, aufgefordert, klare Kante zu zeigen. Ich bin hat. Das ist eine wirkliche Leistung der modernen froh und dankbar, dass ich in dieser Frage, dass ich Medizin und der modernen Wissenschaft. an diesem Punkt den allergrößten Teil der Men- schen im Land hinter mir weiß und natür- Wenn ich an dieser Stelle allerdings einen Wunsch lich auch den allergrößten Teil der Abgeordneten habe oder einen Wunsch äußern dürfte, würde ich hier in diesem Hohen Hause, und dafür möchte ich mich, ehrlich gesagt, freuen, wenn die Welt, wenn mich ganz herzlich bedanken! die Wissenschaft, wenn die Medizin demnächst den gleichen Aufwand treiben würden, um andere (Beifall) Geißeln der Menschheit zu besiegen, die es in vie- len Teilen der Welt, vielleicht nicht in Europa, aber Meine Damen und Herren, wenn wir an den bevor- anderswo, gibt. Ich würde mich freuen, wenn der stehenden Jahreswechsel denken, kommen ganz gleiche Aufwand getrieben würde, um zum Bei- unweigerlich Bilder der Neujahrsempfänge vom spiel die Malaria in Afrika endlich auszurotten. Jahresbeginn in den Sinn. Mit den vielen Gästen im Bremer Rathaus, in der Bremerhavener Stadt- Die Erfolge bei der Entwicklung des Impfstoffes ge- halle und – weil im Haus der Bürgerschaft ja derzeit gen COVID-19 zeigen, dass ist möglich, wenn wir die Handwerker das Sagen haben – auf Einladung es nur wollen. Wenn wir all unsere Kraft und unser des Bürgerschaftspräsidenten im Januar in der Glo- Geld in die medizinische Forschung fließen lassen, cke – dicht gedrängt, gut gelaunt, in großen und dann ist es auch möglich, noch ganz andere Krank- kleinen Gruppen beisammen stehend und voller heiten, die mindestens eine so große Geißel der Zuversicht in angeregte Diskussionen darüber ver- Menschheit sind, zu besiegen. Ich denke, das ist tieft, was das damals noch neue Jahr wohl bringen eine der wichtigen Lehren aus der Entwicklung des würde. COVID-19-Impfstoffs.

Das COVID-19-Virus spielte dabei, obwohl es zu (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) diesem Zeitpunkt natürlich schon bekannt war und wir wussten, was sich in China abspielt, fast keine Die Impfstoffe sind gefunden, die Mittel zur Über- Rolle in den Gesprächen. Und wohl niemand von windung der Pandemie sind grundsätzlich da und uns konnte sich damals, als wir bei den Empfängen dennoch – die Freiheit ist noch lange nicht zurück. miteinander plauderten, vorstellen, wie sich dieses Die Impfstoffe müssen noch zugelassen, produziert Jahr 2020 tatsächlich entwickeln würde. und ausgeliefert werden. Die Menschen müssen dafür gewonnen werden, sich impfen zu lassen und 2312 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

auf den Staat kommt eine logistische Herausforde- nicht mit dem Verweis auf eine geänderte Teststra- rung ohne Beispiel zu. Ich bin sicher, wir werden tegie erklären: Die deutliche Verbesserung der In- das bewältigen, wie wir so vieles in diesem Jahr mit zidenzzahl des Landes Bremen im bundesweiten Gemeinsinn und Solidarität bewältigt haben, aber Durchschnitt. Wir lagen Anfang November an der leicht wird es nicht – und wir werden dafür noch Spitze und wir liegen jetzt an achter oder neunter Zeit brauchen. oder zehnter Stelle der Bundesländer, ich weiß es nicht ganz genau. Deshalb, das ist leider so, müssen wir auch weiter- hin alle Maßnahmen jenseits des Impfens ergrei- Da alle Bundesländer ihre Teststrategie verändert fen, die erforderlich sind, um die Pandemie auch haben, kann diese relative Verbesserung nicht das ohne Impfstoffe zu kontrollieren. Wir müssen auch Ergebnis einer veränderten Teststrategie gewesen weiterhin alles unternehmen, um eine Überlastung sein. Auch sonst ist, ich habe es eben gesagt, der unseres Gesundheitssystems zu verhindern und Rückgang bei den Zahlen zu deutlich, als dass sie Gesundheit und Leben der Menschen zu schützen. ausschließlich oder zum größten Teil darauf zu- Aber wir können das jetzt immerhin mit einem rückgeführt werden könnten. hoffnungsvollen Blick in die Zukunft tun! Meine Damen und Herren, dass das so gekommen Meine Damen und Herren, die Ministerpräsiden- ist, ist, ich sage es ganz ehrlich, nur zum Teil eine tinnen und Ministerpräsidenten haben sich mit der Folge der getroffenen staatlichen Maßnahmen. Bundeskanzlerin am vergangenen Mittwoch da- Ganz wesentlich ist diese Entwicklung ein Erfolg rauf verständigt, die für den November gefassten der Bremerhavenerinnen und der Bremerhavener Beschlüsse in den Dezember hinein nicht nur zu und der Bremerinnen und Bremer, die sich ganz verlängern, sondern zum Teil auch zu verschärfen. überwiegend aus innerer Überzeugung an die Der Erfolg des bisherigen teilweisen Lockdowns ist Coronaregeln halten. Es ist ganz klar und ich habe umstritten, das ist mir bewusst, allerdings fällt mein es immer wieder gesagt: Erfolge bei der Bekämp- Fazit nicht so kritisch aus, wie das von anderen. fung der Pandemie haben wir nur, wenn wir die Köpfe der Menschen erreichen, wenn wir das Ver- Das erste Ziel der Maßnahmen der Novemberbe- halten jedes Einzelnen ändern, natürlich gestützt schlüsse war, daran müssen wir uns erinnern, das durch staatliche Maßnahmen, natürlich gestützt exponentielle Wachstum der Neuinfektionen zu durch staatliche Kontrollen. Aber der Kern ist die durchbrechen. Dieses Ziel ist, das kann man jetzt Verhaltensänderung in der Gesellschaft insgesamt. mit großer Sicherheit sagen, im Großen und Gan- Nur durch eine solche Verhaltensänderung können zen erreicht worden, und zwar in ganz Deutsch- Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie nach- land. Das zweite Ziel war, eine Trendumkehr zu er- haltig erzielt werden. reichen und die Zahlen der Neuinfektionen wieder deutlich nach unten zu drücken. Dieses Ziel, auch (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) da kann es keinen Zweifel geben, haben wir in vie- len Teilen Deutschlands noch nicht erreicht. In ei- Ich habe mir bei der Vorbereitung dieser Regie- nigen Teilen allerdings schon. rungserklärung angeschaut, wie die Lage im Früh- jahr war. Das hat mir noch einmal vor Augen ge- Was speziell das Land Bremen betrifft, kann man führt: Es dauert leider einfach, bis Maßnahmen be- mit aller gebotenen Vorsicht sagen: Die Entwick- ginnen zu wirken. In den ersten zwei Wochen nach lung verläuft durchaus positiv. Seit drei Wochen Verschärfungen oder Beschränkungen sieht man geht die sogenannte 7-Tage-Inzidenz langsam, praktisch noch gar keinen Effekt, im Gegenteil ist aber kontinuierlich von einem bundesweiten es gut möglich, dass die Zahlen erst einmal weiter Höchstwert von 255 in der ersten Novemberwoche, steigen. Erste wirkliche Effekte stellen sich nach die Zahl für das ganze Land, auf einen unter dem zwei bis drei Wochen ein und eine richtige Trend- Bundesdurchschnitt liegenden Wert von 115 am wende braucht zumeist deutlich länger. gestrigen Sonntag zurück. Meine Damen und Herren, damit allerdings kein Nun gibt es einige, die sagen, das sei doch nur die Missverständnis entsteht: Natürlich sind auch die Folge einer veränderten Teststrategie. Wenn man aktuellen Zahlen im Land Bremen noch viel zu sich die Zahlen anschaut, dann lässt sich dadurch hoch. Sie sind deutlich höher, als wir uns das wün- aber, auch wenn es gewisse Auswirkungen gehabt schen und sie sind auch deutlich höher, als dass sie haben mag, dieser starke Rückgang der Zahlen dauerhaft tragfähig sein könnten. Selbstverständ- nicht erklären. Vor allen Dingen lässt sich eines Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2313

lich, auch das muss gesagt werden, ist jeder Inzi- Wir werden die Vorgaben für den großflächigen denzwert nur eine Momentaufnahme. Wenn er Einzelhandel noch einmal verschärfen, um Men- ganz hoch liegt, ist er eine Momentaufnahme, und schenballungen und -ansammlungen in der Weih- wenn er niedrig liegt, ist er leider auch nur eine nachtszeit in den Geschäften zu verhindern und Momentaufnahme. Jeder Trend kann sich jederzeit wir werden auch noch an verschiedenen anderen wieder umkehren. Ich glaube, das müssen wir uns Punkten bestimmte Nachjustierungen vornehmen, immer wieder ganz deutlich sagen. Aber: Diese zum Beispiel was die Pflicht zum Tragen einer Vorbehalte gemacht, kann man doch abschließend Mund-Nasen-Bedeckung betrifft. feststellen, dass die Novembermaßnahmen wirken, dass die gewünschten Effekte eintreten und dass es Meine Damen und Herren, wir haben uns auch da- deshalb sinnvoll ist, auf dem eingeschlagenen Weg rauf verständigt, die Hot-Spot-Strategie weiterzu- weiter zu gehen und die Maßnahmen zu verlän- entwickeln. Bisher und auch weiterhin gilt: Es wer- gern. den lokale Beschränkungen in den Landkreisen und kreisfreien Städten ergriffen, die den nationa- Im Einzelnen hat die Konferenz der Ministerpräsi- len Schwellenwert einer Inzidenz von 50 über- dentinnen und -präsidenten deshalb beschlossen, schreiten. die Einschränkungen für den Kultur-, Veranstal- tungs- und Freizeitbereich, für die Gastronomie Nachdem aber fast ganz Deutschland zum Teil und Hotellerie und für weitere Bereiche jedenfalls deutlich über diesem Wert liegt, haben wir uns auf bis zum 20. Dezember fortzuschreiben. Bis zum weitere Maßnahmen geeinigt, sobald die Inzidenz 20. Dezember deshalb, weil Verordnungen grund- auf einen Wert von mehr als 200 bei einem diffusen sätzlich immer für einen Monat befristet sein sollen, Infektionsgeschehen steigt. Denn dort, wo das In- die das Coronaregime konterkarieren. Aber, ehr- fektionsgeschehen Extreme erreicht, dort müssen licherweise gehen wir, gehen alle davon aus, dass auch andere Regeln gelten. Das ist nicht nur im In- diese Maßnahmen bis in den Januar hinein erfor- teresse eines effektiven Gesundheitsschutzes erfor- derlich sein werden. derlich, sondern das gebietet auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Immerhin, auch das haben die Länder und die Bun- desregierung beschlossen: Wir lassen die Gastro- Welche Maßnahmen das dann im Einzelnen sind, nomie, die Hotellerie, die Kultureinrichtungen, die das kann und muss nur in den betroffenen Ländern Veranstaltungswirtschaft, die Schausteller und alle oder Regionen entschieden werden, denn der reine anderen, die ihre Geschäfte schließen müssen, Inzidenzwert sagt ja noch nichts über den konkre- auch künftig wirtschaftlich nicht im Stich. Es gab ten Ort des Infektionsgeschehens und die effek- den eindeutigen Beschluss: Die Novemberhilfen tivste Art, dieses Geschehen zu begrenzen, aus. O- werden durch die Dezemberhilfen ergänzt, damit der lassen Sie es mich anders ausdrücken: Wie die diejenigen, daran müssen wir uns ja erinnern, die Pandemie etwa im thüringischen Hildburghausen die Last der Pandemiebekämpfung tragen, obwohl am besten bekämpft wird, das wissen die Behörden es ja keinen absoluten Nachweis darüber gibt, dass dort viel besser als an allen anderen Orten der Re- das Infektionsgeschehen genau in den Branchen publik. Deshalb ist es richtig, die allgemein bun- entstanden ist, dass diejenigen, die im Gemein- desweit geltenden Beschlüsse durch eine spezifi- wohlinteresse Einbußen hinnehmen müssen, dafür sche Strategie für Orte mit ganz besonders extre- auch wirtschaftlich entschädigt werden. Das ist men Infektionsgeschehen zu begrenzen. nicht nur eine politische Entscheidung, sondern das ist auch ein Gebot der Fairness. Ich habe nur die Hoffnung, dass wir in unserem Land nicht mehr in diese Kategorie hineinfallen, (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) dass wir diesen Schwellenwert nicht überschreiten werden, aber richtig ist es in jedem Fall, eine Stra- Meine Damen und Herren, um das Infektionsge- tegie für besonders betroffene Hot-Spots entwi- schehen weiter zu bremsen, haben wir zudem die ckelt und beschlossen zu haben. Kontaktbeschränkungen nochmals verschärft. Nunmehr dürfen sich nicht mehr zehn, sondern nur Im Ergebnis hat sich die Konferenz der Minister- noch fünf Personen aus zwei Haushalten treffen, präsidentinnen und -präsidenten, auch das ist, wobei Kinder nicht mitgezählt werden. glaube ich, sehr wichtig, sehr einträchtig erneut dazu bekannt, Schulen und Kitas die allergrößte Priorität einzuräumen und so lange es geht, an ei- nem umfassenden Präsenzunterricht festzuhalten. 2314 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) Hintergrund der Idee war ja, dass sich Schülerin- nen und Schüler vor den Weihnachtsfeiertagen in Das heißt natürlich nicht, dass Halbgruppen-Unter- eine Art freiwillige Quarantäne begeben können, richt verboten ist, das heißt nicht, dass Schulen und um ganz sicher zu gehen, dass sie über die Weih- Kitas nicht doch zeitweise geschlossen werden dür- nachtstage nicht die Oma oder den Opa infizieren, fen oder vielleicht sogar müssen – aber immer nur wenn die zu Besuch kommen. Das ist ohne Zweifel im Einzelfall, in Ansehung des konkreten Infekti- sinnvoll und das werden wir auch ermöglichen, in- onsgeschehens vor Ort und immer nur für eine be- dem wir die Schulpflicht für die letzten beiden grenzte Zeit. Tage aufheben und damit freistellen, zu Hause zu bleiben. Alle anderen aber können und sollen zur Die Bundeskanzlerin, das wissen Sie, war da be- Schule gehen. Nicht nur, weil in diesem Jahr schon kanntermaßen anderer Meinung. Aber die Regie- genug Unterricht ausgefallen ist, sondern auch, rungschefs der Länder waren sich über Parteigren- weil viele Eltern ihren Urlaub bereits aufgebraucht zen hinweg einig: Wir werden diesen Schritt nicht haben und ein ernstes Betreuungsproblem bekom- leichtfertig, nicht vorschnell, vor allem aber nicht men würden, wenn es jetzt noch zwei Tage mehr pauschal und undifferenziert gehen. Denn die Bil- Ferien geben würde. dungszeit, die man durch Schließungen oder ver- gleichbare Maßnahmen verliert, die ist eben nicht Ferien übrigens, das haben wir in den diesjährigen nachholbar und die lässt sich auch durch staatliche Herbstferien gesehen, haben strukturell keinesfalls Hilfsprogramme nicht kompensieren. eine dämpfende Wirkung auf das Infektionsge- schehen. Denn die meisten Schülerinnen und (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) Schüler haben in den Ferien nicht weniger, son- dern mehr und insbesondere nicht wie in der Ich will das jetzt nicht erneut vertiefen, weil die Schule kontrollierte soziale Kontakte. Zum Teil Bürgerschaft dieses Thema in ihrer letzten Sitzung auch notgedrungen, weil die Betreuung in den Fe- bereits engagiert beraten hat. Lassen Sie mich aber rien und erst Recht in den vorgezogenen Ferien gar eins noch einmal betonen: Bei aller Begeisterung nicht anders sichergestellt werden kann. Dann sind für kleine Lerngruppen darf nicht vergessen wer- Freunde im Einsatz, Verwandte und Bekannte und den, dass nicht jedes Kind in Bremen ein eigenes möglicherweise auch Oma und Opa, sodass der Ef- Kinderzimmer und Eltern im Homeoffice hat, die in fekt dann ein ganz anderer ist, als man ihn sich er- der Lage sind zu helfen. Und wenn drei Kinder mit hofft hat. dem Handy oder dem Tablet am Küchentisch mit wackeliger Internetverbindung sitzen, während Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sagen, die Eltern zur Arbeit gehen – dann hat das mit Bil- Sie hätten sich eine klare Entscheidung des Senats dungsgerechtigkeit und Chancengleichheit nicht gewünscht. Ich kann Ihnen da nur entgegnen: Es mehr viel zu tun, meine Damen und Herren. gibt eine klare Entscheidung. Wir glauben nicht an den pauschalen Effekt vorgezogener Ferien und (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) haben uns deshalb dagegen entschieden. Wer al- lerdings zum eigenen Schutz und zum Schutz sei- Lassen Sie mich noch ein zweites, gerade in den ner Familie eine freiwillige Selbstquarantäne letzten Tagen engagiert diskutiertes Thema an- wählt, der kann das machen. Der Zentralelternbei- sprechen: die letzten beiden Schultage vor Weih- rat begrüßt diese Entscheidung übrigens ausdrück- nachten. lich und ich glaube, wir haben sie gut und richtig im Interesse der Eltern und der Schülerinnen und Zunächst einmal vorweg: In gut der Hälfte der Bun- Schüler getroffen. desländer stellte sich die Frage nach vorgezogene Ferien gar nicht, weil die Schulen dort bereits re- (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) gulär am 18. Dezember enden. Von sieben Bundes- ländern, in denen das anders ist, haben sich fünf für Meine Damen und Herren, ein zentrales Thema der vorgezogenen Ferien entschieden und zwei dage- letzten Regierungserklärung war der Schutz der so- gen. Ich will damit nur deutlich machen: So beson- genannten vulnerablen Gruppen durch Schnell- ders ist der angebliche Bremer Sonderweg also gar tests und FFP2-Masken. nicht, zumal wir ja alle auch das gleiche Ziel errei- chen wollen. Ich freue mich persönlich sehr, dass der Bund sich unsere Bremer Aktion zum Vorbild genommen hat Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2315

und ab Dezember nunmehr selbst die Risikogrup- Ende von der Einsicht der Menschen ab. Wir kön- pen mit FFP2-Masken versorgen will. Ich möchte nen vieles, aber nicht alles regeln und schon gar mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich bei nicht können und wollen wir kontrollieren, mit den Apothekerinnen und Apothekern bedanken, wem die Menschen in ihren eigenen vier Wänden dass sie sich mit großem Engagement an dieser Ak- die Feiertage verbringen. tion beteiligt haben. Wir haben damit gemeinsam einen ganz wichtigen Beitrag zum Schutz der Be- Deshalb brauchen wir lebensnahe Regelungen, die völkerung geleistet. die Menschen mitnehmen und dazu gehört dann eben auch, dass wir private Zusammenkünfte im (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) engsten Familien- und Freundeskreis zu Weih- nachten, Silvester und an Neujahr erlauben. Ich Ich weiß, das muss man ehrlicherweise sagen, es ist weiß, dass diese Entscheidung den Ministerpräsi- nicht alles so gelaufen wie geplant, und ich akzep- dentinnen und Ministerpräsidenten viel Kritik ein- tiere deshalb auch die Kritik, und dass wir bei der gebracht hat. Ich halte sie aber aus den genannten Umsetzung ein paar Punkte bei der B-Note abge- Gründen für richtig. zogen bekommen. Aber es ging uns darum, den Menschen schnell und unbürokratisch zu helfen. Zugleich bitte ich allerdings alle Bremerinnen und Vom ersten Ansturm war ich ehrlich gesagt auch Bremer und Bremerhavenerinnen und Bremer- ein bisschen überrascht, aber inzwischen haben havener ganz herzlich: Seien Sie auch an den Fest- wir eine Million Masken in Bremen und Bremer- tagen besonders vorsichtig, schützen Sie sich und haven ausgegeben. andere, denken Sie vor allem an Ihre Großeltern und Ihre lebensälteren oder erkrankten Verwand- Und auch, wenn die eine oder andere Maske viel- ten und Freunde. Nicht alles, was rechtlich erlaubt leicht ins niedersächsische Umland entführt wurde, ist, muss man in der Praxis auch ausschöpfen. Hier wenn der eine oder andere das Hamstern partout greift wieder die persönliche Verantwortung jeder nicht lassen konnte oder sich älter gemacht hat, als und jedes Einzelnen. er wirklich ist – der absolute Großteil der Masken ist bei genau den richtigen Personen angekommen. Meine Damen und Herren, und was kommt dann? Nämlich bei denen, die im Fall einer Coronainfek- Was kommt im Januar? Ich weiß, dass viele Men- tion mit einem besonders schweren Krankheitsver- schen sich mit dieser Frage quälen und von der Po- lauf rechnen müssten. Und das, meine Damen und litik eine Antwort erwarten. Verständlicherweise Herren, sollte es uns wert gewesen sein. vor allem die Wirte, die Hoteliers, die Künstlerin- nen und Künstler und alle anderen, die seit Wo- Ich habe jedenfalls bisher kaum jemanden getrof- chen und Monaten unter der Pandemie auch wirt- fen, der die Aktion im Grunde nicht richtig findet. schaftlich besonders leiden. Aber letztlich stellen Dass wir in Bremen damit Pate für ein bundeswei- wir uns alle die Frage: Was kommt dann im neuen tes Programm zum Schutz älterer Menschen ste- Jahr? hen, darauf dürfen wir, glaube ich, bei aller hanse- atischen Zurückhaltung auch ein wenig stolz sein. Wenn uns die Pandemie aber eines gelehrt hat, dann ist es, dass wir den Menschen die gewohnte Meine Damen und Herren, viele Menschen sehnen und zu Recht eingeforderte Verlässlichkeit und Be- sich gerade nach den vergangenen schweren Mo- rechenbarkeit nicht bieten können. Die Diskussio- naten danach, die Festtage und den Jahreswechsel nen in Politik und Wissenschaft sind, mehr als in zusammen mit ihrer Familie zu verbringen. Mit den vielen anderen Bereichen, geprägt von offenen Kindern, die vor Jahren weggezogen sind, mit den Fragen und der tastenden Suche nach den richti- Geschwistern, für die oft nur wenig Zeit ist, und na- gen Antworten. Wir haben dabei in den vergange- türlich mit den Großeltern. Ich denke, jeder von uns nen Monaten alle zusammen sicherlich den einen kann das nachempfinden und jeder von uns kann oder anderen Fehler gemacht, aber wir haben auch sich gut vorstellen, dass das so ist. viel gelernt.

Natürlich wäre es im Sinne des Infektionsschutzge- Doch obwohl unser Verständnis des Virus schon setzes konsequenter, wenn wir auf all das verzich- deutlich besser geworden ist: Wir sind nach wie vor ten würden. Denn, da sind die Mahnungen der Vi- nicht in der Lage, die Entwicklung über mehrere rologen ja richtig, das Virus feiert kein Weihnach- Wochen hinaus verlässlich zu prognostizieren. Ich ten! Aber, das habe ich auch immer gesagt und da- mag ja das Prognose-Tool der Universität des Saar- von bin ich mehr denn je überzeugt, alles hängt am landes, das prognostiziert, dass wir Weihnachten 2316 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

beim Inzidenzwert von 40 liegen werden. Ich Präsident Frank Imhoff: Als nächster Redner hat würde mir auch erhoffen, dass die Recht haben. das Wort der Abgeordnete Thomas Röwekamp. Aber wer hier im Raum würde sagen: Darauf setze ich, das wird so kommen. Ich nicht! Ehrlicherweise: Abgeordneter Thomas Röwekamp (CDU): Sehr Ich weiß nicht, wie die Entwicklung weitergehen geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da- wird. men und Herren! Zunächst einmal steckt hinter un- serem heutigen Zusammentreffen eine doppelt Deshalb kann ich, meine Damen und Herren, was gute Botschaft: Wir treffen uns heute als Lan- die nächsten Monate betrifft auch nicht von Sicher- desparlament, obwohl die neue Rechtslage, nach heiten, sondern nur von Hoffnungen sprechen. Ich der wir an Verordnungen des Senats im Zusam- habe unter anderem die Hoffnung, dass wir noch in menhang mit Corona zu beteiligen sind, noch nicht diesem Jahr mit den Impfungen beginnen können, gilt, sozusagen im vorauseilenden Gehorsam. Des- weil der Impfstoff kommt und es uns gelingt, die wegen möchte ich mich bei Ihnen, sehr geehrter Ausbreitung des Virus so zu begrenzen, dass sich Herr Bürgermeister Dr. Bovenschulte, aber auch das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben beim Senat dafür bedanken, dass Sie schon das schrittweise wieder normalisieren kann und wir praktizieren, was wir uns für die Zukunft auch von uns wieder wie gewohnt mit der Familie und den Verfassungs und Gesetzes wegen vorgenommen Freunden treffen dürfen, jedenfalls nach und nach. haben, nämlich dass die Regierung einen Anspruch Ich habe die Hoffnung, dass die Restaurants und darauf hat, zu erfahren, was das Parlament über Kneipen, die Museen, Kinos, Theater und Konzert- den Hintergrund und die Fortentwicklung dieser säle dann schon bald wieder öffnen können – wenn Verordnungen denkt, was es anders haben möchte, auch nur schrittweise und unter besonderen Aufla- was es unterstützt und dass wir darüber eine De- gen. Ich habe die Hoffnung, dass die Menschen batte führen. wieder im Verein, im Schwimmbad und im Fitness- studio Sport treiben können. Die zweite gute Botschaft ist, wir tagen in der ÖVB- Arena und nicht mehr in unserer gewohnten Um- Ich könnte diese Liste der Hoffnungen noch weiter gebung, weil die bisherige Halle 7 vorbereitet wird fortführen. Es sind keine Sicherheiten, aber in der für die Impfungen in unserem Bundesland. Das ist jetzigen Situation der zurückgehenden Zahlen, ein Sinnbild dafür, dass wir die lange Durststrecke, kombiniert mit dem bevorstehenden Einsatz des nunmehr seit acht Monaten, hinter uns haben, in Impfstoffs, sind es auch nicht einfach nur auf Sand der alle gebannt darauf gewartet haben, dass der gebaute, sondern durch konkrete Tatsachen ge- Impfstoff endlich verfügbar wird. Das bedeutet, wir stützte Hoffnungen. werden mit den ersten Impfungen in Deutschland und hoffentlich auch in Bremen und Bremerhaven Liebe Bremerinnen und Bremer, liebe Bremerhave- möglichst noch im Dezember beginnen können, nerinnen und Bremerhavener, Sie wissen, diese meine Damen und Herren. Und das ist gut so, weil Vorweihnachtszeit wird anders sein, als wir sie alles, was wir miteinander verabreden, was erfor- kennen. Es bleiben bei allen Hoffnungen auch Sor- derlich ist, was wir den Menschen zumuten, seine gen und Ängste und auch die Hoffnung auf eine Ursache darin hat, dass wir eine Immunität von unbeschwerte Zukunft ist, ich habe es eben ausge- Menschen oder einem Großteil der Bevölkerung führt, erst ganz zart. bis heute nicht herstellen konnten.

Ich wünsche Ihnen, ich wünsche uns allen, dass wir Trotzdem müssen wir uns heute treffen, weil die uns trotz aller Widrigkeiten auf die kommenden zuletzt von der Bundeskanzlerin mit den Minister- Wochen freuen können. Auf ein paar ruhige Tage präsidentinnen und Ministerpräsidenten verabre- mit unseren Liebsten, auch wenn die Rahmenbe- deten und auch in Bremen und Bremerhaven um- dingungen dafür in diesem Jahr schwieriger und gesetzten Maßnahmen nicht dazu geführt haben, anders sind als gewohnt. dass wir ab Dezember 2020 über Lockerungen der bisherigen Regelungen reden können. Die Ursache Ich wünsche Ihnen und uns allen zum Jahresende dafür ist nicht eindeutig festzustellen, aber es gibt und für das nächste Jahr alles Gute, Hoffnung, Zu- eine Bedingung, ohne die diese unveränderte Lage versicht und vor allem Gesundheit. – Herzlichen nicht eingetreten wäre: Die Menschen halten sich Dank für Ihre Aufmerksamkeit! nicht geschlossen an die verabredeten Regelun- gen. Weil einige Wenige meinen, dass sie andere (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) mit Verschwörungstheorien verunsichern müssen und in unsäglicher Weise die derzeitige Reaktion Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2317

von Regierungen auf das Infektionsgeschehen his- um die Menschen zusammenzuhalten und davon torisch quer vergleichen oder sogar für politische zu überzeugen, dass man sich an diese Regeln hal- Propaganda, viel auch für geschäftliche Einzelinte- ten muss. Ohne Einhaltung der Regeln, meine Da- ressen ausnutzen, gibt es eine Gruppe von denje- men und Herren, wird es auch im Dezember nicht nigen, die diese Maßnahmen insgesamt ablehnt. funktionieren, dass die Infektionszahlen sinken. Ich glaube, es ist gut, dass wir als demokratische Parteien geschlossen eine Antwort darauf finden (Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE und gemeinsam sagen, dass solche Verschwö- LINKE) rungstheorien und solche nicht zu verantworten- den Vergleiche mit der NS-Diktatur oder der Shoah Ich gebe zu, dass es immer schwieriger zu erklären in unserer Gesellschaft nichts zu suchen haben, wird, weil wir, und das ist gut, immer mehr wissen. meine Damen und Herren! Gut, dass wir Demokra- ten in dieser Frage zusammenstehen. Der Bürgermeister hat sehr viel über die Inzidenz gesprochen. Darüber haben wir im Frühjahr auch (Beifall CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE viel miteinander debattiert. Mittlerweile gibt es LINKE, FDP) aber fast so viele Faktoren, die Einfluss auf die Aus- breitung des Virus haben, wie es Wissenschaftler Diese Menschen sind nicht allein dafür verantwort- gibt. Die einen sagen, die Inzidenz ist das Maß aller lich, dass wir die Infektionszahlen in Deutschland Dinge. Die anderen sagen, es geht um die Repro- und in Bremen und Bremerhaven nicht nachhaltig duktionszahl. Die dritten sagen, eigentlich zählt die senken können, sondern es hängt damit zusam- Verdoppelungsrate. Am Ende, glaube ich, sind die men, dass einem Teil unserer Gesellschaft die not- Menschen anders als im Frühjahr verwirrt, weil sie wendige Solidarität fehlt. Wenn bei einer Trauer- im Frühjahr noch ganz klar wussten, da ist etwas, feier in Bremen-Blumenthal plötzlich 400 Men- das ist gefährlich und deswegen muss ich meine schen auftauchen, dann ist das nicht nur ein Ver- Lebensumstände einschränken. stoß gegen das Abstands- und Hygienegebot, das wir miteinander verabredet haben und wird geahn- Jetzt hat sich eine breite politische und wissen- det, sondern es ist auch eine Absage an die Solida- schaftliche Debatte darüber entfaltet, was richtig rität. Wenn Einzelne immer wieder glauben, sie und was falsch ist und ob man in der Schule dies seien von diesem Infektionsgeschehen nicht betrof- macht und in der Schule das macht. Am Ende ent- fen, ist es schwer, der Mehrheit der Menschen wei- steht für denjenigen, der sich an Regeln halten soll, ter zu erklären, warum wir ihnen weiterhin so ein sehr diffuses Bild darüber, warum er sich an starke Zumutungen abverlangen müssen. Es ist diese Regeln halten soll und welche im Einzelnen schwer vermittelbar, der Familie mitteilen zu müs- sinnvoll sind. Umso wichtiger ist es aus Sicht der sen, dass sie ihre Oma im Pflegeheim nicht besu- CDU-Fraktion, dass die Regeln, denen wir in unse- chen darf, weil es immer noch Menschen gibt, die rem Bundesland zur Wirkung verhelfen wollen, meinen, sie müssten ihren 18. Geburtstag stark al- klar strukturiert, einfach zu verstehen und am Ende koholisiert in irgendwelchen angemieteten Woh- auch wirkungsvoll zu überprüfen sind. Mir nützen nungen feiern. Es ist schwer, Eltern zu vermitteln, die kompliziertesten Regelungen nichts, wenn ich dass ihre Kinder wegen vorbeugender Quarantäne sie nicht überwachen und im Wege von Bußgel- nicht zur Schule oder nicht in die Kita gehen dür- dern und Ermahnungsgesprächen einhalten lassen fen, weil es andere gibt, die sich nicht an Abstands- kann. Die Lage ist deswegen etwas unübersichtlich und Hygieneregeln halten. und die Bereitschaft, sich einmal nicht an eine Re- gel zu halten, nimmt leider in den letzten Wochen Meine Damen und Herren, jeder, der sich nicht an und Monaten immer wieder zu. die Regeln hält, verwirklicht nicht nur einen Buß- geldtatbestand, sondern er erteilt unserem solidari- Ja, ich glaube, die für den November beschlosse- schen Miteinander eine Absage. Deswegen und nen Regelungen haben ihre Wirkung nicht entfal- nur deswegen müssen wir immer wieder in die tet. Wir haben sowieso nicht daran geglaubt, dass Verlängerung dieser Maßnahmen gehen, meine das meiste Infektionsgeschehen in den Gaststätten Damen und Herren. Sie sind keine Erfindungen stattfindet oder dass das größte Infektionsrisiko von von Regierung und Senat und politischen Parteien einem Nagelstudio ausgeht. Diese Betriebe, die ge- und sie sind auch nicht geeignet für den Wettbe- schlossen worden sind, sollten ein Symbol dafür werb, wer die besten inhaltlichen Konzepte hat. sein, dass die Menschen sich nicht nur in der Fre- Diese Maßnahmen sind unverändert notwendig, quenz solcher Betriebe, sondern auch im zivilen um Solidarität in unserer Gesellschaft zu erzeugen, Miteinander an die Regeln halten sollen. Ich 2318 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

glaube, es ist trotzdem richtig, dass wir die Maß- (Abgeordnete Sascha Aulepp [SPD]: Ich war da!) nahmen noch einmal verlängern. Ich sage gleich an dieser Stelle für die CDU-Fraktion, Herr Bürger- Sie waren da – und haben was gemacht? meister, weil Sie es angedeutet haben: Eine noch- malige Verlängerung mit so erheblichen Eingriffen Ich sage nur, ich habe den Eindruck, dass vielleicht in die unternehmerische Freiheit und den An- mit einem etwas milderen Mittel, in dem man bei spruch auf ein Erwerbsleben und eine Berufsaus- diesen Ständen gezielter darauf hinwirkt, dass die bildung lässt sich nur dann rechtfertigen, wenn der Abstands- und Hygieneregeln tatsächlich einge- Nachweis geführt wird, dass das Infektionsgesche- halten werden – –. Ich glaube trotzdem, dass der hen wirklich von der Schließung oder der Öffnung Senat mit dieser Einzelmaßnahme über das Ziel solcher Betriebe abhängt. Bis heute ist dieser Nach- hinausschießt. Sie können sich doch auch eine weis nicht geführt. Auf Dauer und ewig wird man Bratwurst an der Bratwurstbude kaufen, wie viele eine Maßnahme nicht verlängern können, wenn Menschen stellen sich dann mit ihrem Partner, ih- der Nachweis nicht geführt ist, dass sie tatsächlich rer Partnerin, oder ihrem Sohn, ihrer Tochter neben zur Linderung des Infektionsgeschehens beigetra- die Bude und essen die Bratwurst. Das ist auch gen haben, meine Damen und Herren! nicht verboten. Es ist auch nicht unzulässig, sich vor die Tür zu stellen und eine Zigarette zu rau- (Beifall CDU) chen. Warum ist es dann verboten, bei einem Ein- kaufsbummel in der Vorweihnachtszeit gemein- Deswegen ist es richtig, schon jetzt zu sagen, dass sam einen Glühwein zu trinken, wenn man sich an es ein einfaches „Weiter so“ im Januar nicht geben Abstandsregeln hält, meine Damen und Herren. kann. Wir können nicht auf Dauer Teile unserer Ich finde, das geht zu weit und deswegen halten Wirtschaft schließen, weil wir glauben, dass die wir diese Maßnahme nicht für gerechtfertigt und Menschen die Botschaft mitnehmen, sie müssen lehnen sie als CDU-Fraktion ab, Herr Bürgermeis- sich anders verhalten und die Einnahmeausfälle ter. solcher Betriebe mit monatlich 15 Milliarden Euro deutschlandweit unbegrenzt finanzieren. Meine (Beifall CDU, FDP) Damen und Herren, das ist am Ende nicht vertret- bar. Wie man generell, wie bei den Masken, die Sie er- neut angesprochen haben, sagen kann, es geht ei- Wenn es kein gestiegenes Infektionsgeschehen in niges besser in der Umsetzung – –. Dass wir in Bre- diesen Betrieben gibt und wenn keine größeren men beispielsweise keine Möglichkeit haben, in Gefahren von diesen Betrieben ausgehen, dann der Vorweihnachtszeit auch nur einzelne Schau- halte ich es für nicht länger zu rechtfertigen, solche stellerbuden in die Innenstadt zu stellen, finde ich Betriebe vollständig zu schließen, meine Damen auch schwierig zu vermitteln. Wenn die Wirt- und Herren. schaftssenatorin immer wieder behauptet, sie würde ganz viel von der Branche verstehen, weil Lassen Sie mich in dem Zusammenhang auch et- sie selbst einmal eine Kneipe betrieben hätte, was zu dem vom Senat verkündeten und in die Ver- meine Damen und Herren – –. Wenn sie wirklich so ordnung im Entwurf aufgenommenen Verbot von viel davon versteht, dann wüsste sie, dass solche Ausschank von Glühwein, sogenannten Glühwein- kleinen betrieblichen Einrichtungen in der Innen- buden, sagen. Ich weiß nicht, Herr Bürgermeister, stadt, in der Vorweihnachtszeit einmal ein ich habe vorhin mit einem Ohr gehört, Sie waren Schmalzkuchenstand oder einmal eine Glühwein- am Wochenende unterwegs und haben sich das an- bude, nicht dazu beitragen werden, dass das Infek- geschaut. Ich habe mir das auch angesehen und ich tionsgeschehen dramatisch steigt. Nein, so etwas muss sagen, sowohl in der Innenstadt, als auch vor gehört zu unserem Leben dazu. Es ist natürlich ein dem Theater oder am Ulrichsplatz, haben sich Stück Geselligkeit, aber Geselligkeit mit Abstand Menschen aufgehalten. Ja, aber sie halten sich, so- und Hygiene. weit ich das sehen konnte, mit Abstand auf. Ich hätte mir gewünscht, dass der Senat wie andere (Abgeordnete Sascha Karolin Aulepp [SPD]: Dann Städte, wie beispielsweise auch Bremerhaven, eine haben Sie Ihre Brille vergessen!) Möglichkeit findet, die sich an das anlehnt, was wir in diesen Tagen erleben und den Menschen, die Nein, ich habe meine Brille leider immer auf, Frau auf Vieles verzichten und sich an viele Regeln hal- Aulepp, sonst könnte ich Sie auch gar nicht sehen. ten, ein kleines bisschen die Möglichkeit gibt, die vorweihnachtliche Zeit gemeinsam zu genießen. Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2319

Ich hätte das gut gefunden und habe in der Begrün- Diese Entscheidungen in der Bildungspolitik eig- dung Ihrer Verordnung nur einen Satz gefunden, nen sich gerade nicht dafür, sie kleinräumig und warum ausgerechnet Glühweinbuden in Zukunft kleinteilig zu treffen, wir brauchen auch hier eine in Bremen nicht mehr erlaubt sein sollen: Weil Sie klare Linie des Senats. Was ist erlaubt, was ist nicht schreiben „Das Gleiche gilt für Glühweinbuden“. erlaubt, wann findet Unterricht statt, wann findet er Meine Damen und Herren, wenn Sie das wollen, nicht statt, wie findet der Unterricht statt. Ich finde, dann müssen sie das klar begründen. Bis heute ha- Eltern haben einen Anspruch darauf, das zu erfah- ben Sie keine nachvollziehbare Begründung dafür ren und Kinder haben einen Anspruch darauf, ver- gegeben und Akzeptanz hängt auch damit zusam- lässlich am Unterricht teilnehmen zu können. Ihre men, dass man es vernünftig erklärt, sehr geehrter Regelung ermöglicht das nicht, sehr geehrter Herr Herr Bürgermeister. Diese Regelung, finde ich, Bürgermeister. sollten Sie vor Erlass der Verordnung noch einmal sehr gründlich überdenken. (Beifall CDU)

(Beifall CDU) Ich bleibe dabei, weil Sie immer wieder so tun, als ob gar kein Unterricht ausfallen würde. Das betrifft Sie haben, Herr Bürgermeister, sehr wortreich dar- nicht nur diese beiden Tage. Jedes Infektionsge- gestellt, warum es so sinnvoll ist, keine zwei zusätz- schehen in jeder Schule sorgt dafür, dass Unterricht lichen Ferientage zu organisieren, sondern nur von für Kinder ausfällt, die nicht an dem Virus erkrankt der Schulpflicht zu befreien. Ich finde es ein biss- sind. Es wiegt unter dem Gesichtspunkt der Bil- chen leichtfertig, will ich einmal sagen, das mit ver- dungsgerechtigkeit noch schwerer, wenn die lorener Unterrichtszeit zu vergleichen. Ich weiß Frage, ob ich am Unterricht teilnehmen kann oder nicht, wie lange Ihre Erinnerungen an die Schulzeit nicht, nicht von meinem eigenen Verhalten ab- noch anhält, aus meiner Erinnerung heraus würde hängt, sondern von dem zufälligen Umstand, ob in ich sagen, dass an den letzten zwei Tagen vor den meiner Klasse jemand mit Infektionserscheinungen Ferien nicht mehr so viel Unterricht erteilt worden gewesen ist oder nicht, das ist doch nicht gerecht. ist. Wenn sich das alles geändert haben sollte, mag das so sein. Wenn Sie von der Schulpflicht freistel- Gerecht wäre es, dafür zu sorgen, dass ich mög- len und in der Zukunft nicht Sie als Senat, sondern lichst wenig Infektionsgeschehen an den Schulen jedes einzelne Elternteil darüber entscheidet, ob habe, dafür zu sorgen, dass ich möglichst wenige sein Kind zur Schule geht oder nicht, wenn Lehre- Kinder in Quarantäne schicken muss. Deswegen rinnen und Lehrer nicht wissen, wer am nächsten bleibe ich dabei: Wenn ich nur die Hälfte der Kin- Tag zum Unterricht kommt und wer nicht, wenn der in den Klassen und Fachräumen habe, redu- wir nicht wissen, in welchen Kohorten an diesen ziert sich dadurch das Infektionsrisiko. Damit ermä- Tagen Unterricht stattfinden kann oder nicht – –. ßigt sich Unterrichtsausfall, damit verringert sich Quarantäne und damit habe ich sichergestellt, dass Ich bin mir sicher, an diesen beiden Tagen, über beim Bildungserfolg in unseren Schulen Gerechtig- die wir reden, findet sowieso kein Unterricht statt keit möglich wird, nicht durch diese einzelnen und deswegen ist es einfach oberflächlich, darüber schulspezifischen Regelungen und durch eine De- hinwegzugehen und zu sagen, wir konnten keine legation der Verantwortung auf die Eltern. So funk- Ferientage genehmigen, weil dann Unterrichtszeit tioniert ein klarer Weg in der Bildungspolitik in verlorengegangen wäre. Meine Damen und Her- Coronazeiten gerade nicht, sehr geehrter Herr Bür- ren, an diesen Tagen findet definitiv sowieso kein germeister. Unterricht statt und dann wäre es auch nur konse- quent gewesen zu sagen, wir schicken die Kinder (Beifall CDU) in die Ferien. Eine Notbetreuung wäre natürlich für die Fälle, die Sie beschreiben, trotzdem möglich Meine Damen und Herren, ich glaube, wir müssen gewesen. Die Entscheidung auf die Eltern zu dele- den Menschen sagen, wie es ab Januar 2021 wei- gieren und zu sagen, ihr müsst selbst entscheidet, tergeht. Wir können nicht von Monat zu Monat ob ihr eure Kinder in die Schule schicken wollt, ist über die Frage des Infektionsgeschehens reden. gleichbedeutend damit, dass ich sage, ich als Staat Wir müssen ihnen eine Perspektive geben. Auch halte mich da bedeckt, wenn du dein Kind zur für die Betriebe, die jetzt von den weitreichenden Schule schickst und es sich ansteckt, ist es deine Maßnahmen betroffen sind, auch für die Kranken- Schuld, wenn es das nicht tut, ist es das nicht. häuser, auch für die Pflegeheime muss es eine Per- spektive geben. Mein Standpunkt lautet klar: Wenn die Maßnahmen, auf die wir uns verständigt 2320 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

haben, auf Dauer keine Wirkung zeigen, gibt es dann waren wir zum Zeitpunkt der Aktuellen keine Rechtfertigung, sie fortzusetzen. Stunde auf Platz fünf oder sechs und gestern und heute wären wir auf Platz zehn. Eine sachliche De- Wir müssen weiterhin energisch darauf achten, batte ist, glaube ich, der sinnvollere Weg, meine dass die einzigen Maßnahmen die helfen, nämlich Damen und Herren, es bleibt dabei, es sind nur Mo- die Kontaktbeschränkungen und das Abstands- mentaufnahmen. und Hygienegebot tatsächlich eingehalten werden und müssen durch das Gesundheitsamt endlich ge- (Beifall SPD, DIE LINKE) währleisten, dass die lückenlose Nachverfolgung erfolgen kann. Nur wenn wir diese Kernaufgaben Daher ist das aus Sicht der SPD-Bürgerschaftsfrak- wahrnehmen, wird es uns gelingen, die Menschen tion auch keine ausreichend gute Nachricht und für die Fortsetzung von einschränkenden Maßnah- noch nicht die Entwicklung, die wir uns erhofft ha- men zu gewinnen. Wenn sie das Gefühl haben, ben. Die Zahl der täglichen Neuinfektionen ist dass alle gemeinsam einen Weg aus der Bedrohung deutlich zu hoch, aber das zeigt vielleicht eine rich- dieses Virus finden, sind sie eher bereit mitzuge- tige Richtung der Maßnahmen auf, denn die Anste- hen, als wenn wir die Entscheidungen immer auf ckungswege sind nach wie vor diffus und nicht im- kleinere Einheiten vertagen und immer unüber- mer nachvollziehbar. Wir werden versuchen, diese sichtlicher und vielfältiger machen. Pandemie mit dem ab Morgen gültigen verschärf- teren Fahrplan weiter in den Griff zu bekommen. Wir als CDU-Fraktion unterstützen die Verlänge- Virologen sprechen davon, Herr Bürgermeister hat rung der Maßnahmen bis zum 20. Dezember 2020, es ausgeführt, dass der Impfstoff die bisherigen Er- auch wenn wir einiges an den Ausführungsbestim- wartungen übertrifft. Das macht Hoffnung. Die mungen Ihrer Verordnung anders gemacht hätten SPD-Bürgerschaftsfraktion begrüßt ausdrücklich, und verbinden damit die Hoffnung und den dass die Ende Oktober beschlossenen Maßnahmen Wunsch, dass wir mit der nächsten Ministerpräsi- nun zunächst bis zum 20. Dezember, vermutlich dentinnen- und Ministerpräsidentenkonferenz zu aber noch darüber hinaus verlängert und an eini- einer Perspektive kommen, die den Menschen über gen Stellen weitergehende Regelungen getroffen den Januar hinaus Verlässlichkeit und Sicherheit werden. bietet. – Vielen Dank! (Beifall SPD) (Beifall CDU) Meine Damen und Herren, die getroffenen Be- Präsident Frank Imhoff: Als nächster Redner hat schlüsse sind richtig. Sie gehen einerseits verant- das Wort der Abgeordnete Mustafa Güngör. wortungsvoll mit der Gesundheit der Bevölkerung um, andererseits sind die Einschränkungen für die Abgeordneter Mustafa Güngör (SPD): Herr Präsi- Bevölkerung in einem vertretbaren Rahmen. Wir dent, meine Damen und Herren! Vor ungefähr ei- schaffen damit einen angemessenen Ausgleich nem Monat hat sich Bürgermeister Dr. Andreas zwischen der Freiheit jeder und jedes Einzelnen Bovenschulte gemeinsam mit den anderen Regie- und dem Schutz der Gesundheit. Das viel beschwo- rungschefinnen und Regierungschefs der Länder rene Durchbrechen der Welle ist uns in Bremen, und der Bundeskanzlerin auf einschneidende Maß- aber auch deutschlandweit nicht ganz gelungen nahmen zur Eindämmung des Pandemiegesche- und die Verlängerung der Maßnahmen ist genau hens geeinigt. Heute, vier Wochen später, zeigt deshalb dringend geboten. Man kann deutlich sa- sich, dass all diese Bemühungen nicht ausgereicht gen, die Pandemie ist bisher in Deutschland noch haben. glimpflich verlaufen und wir wollen, dass das wei- terhin so bleibt. Die Gesundheit der Menschen In dem RKI-Bericht von gestern wird bestätigt, dass geht vor. in Deutschland in der Bevölkerung weiterhin eine hohe Anzahl an Übertragungen zu beobachten ist. (Beifall SPD, DIE LINKE) Trotz aller Beschränkungen liegt der Sieben-Tage- Inzidenzwert in Bremen aktuell bei 123, in Bremer- Eine wichtige Botschaft für viele Menschen war in haven bei 67,9. Diese Werte sind besser als die der der vergangenen Woche, Familien können mit bis letzten Woche, in der die CDU-Fraktion in der Ak- zu zehn Personen gemeinsam die Festtage verbrin- tuellen Stunde versucht hatte, das Ganze zu einem gen. Im zurückliegenden Jahr haben wir alle auf Bundesländerranking zu machen. Wenn es danach soziale Kontakte verzichten müssen. Hochzeiten, gehen würde: Wir waren einmal auf Platz zwei, Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2321

den Geburtstag der Kinder, den Besuch der Groß- tet weniger Lernen und damit auch verlorene Bil- eltern, Spieleabend unter Freunden, all das vermis- dungszeit. Gerade diejenigen Schülerinnen und sen wir schmerzlich, aber es ist genauso erfreulich, Schüler, das haben wir mehrfach ausgeführt, die im dass wir das Jahr im engsten Familien- und Freun- häuslichen Umfeld keine guten Lernbedingungen deskreis ausklingen lassen können. Wir verbinden haben, bleiben beim Fernunterricht zurück. Den damit die Bitte, auch beim Weihnachtsfest Verzicht Inzidenzwert für die gesamte Stadt als Anhalts- zu üben und die Kontakte weiterhin zu reduzieren, punkt zu nehmen ist daher begrenzt sinnvoll. denn Corona macht keine Weihnachtsferien. (Beifall SPD) Meine Damen und Herren, wenn wir uns verge- genwärtigen, was wir erwarten, was die wichtigs- Es kann zum Beispiel sein, dass das Infektionsge- ten Regelungen und Veränderungen sind, dann schehen vermehrt in bestimmten Betrieben oder In- muss man drei Maßnahmen besonders erwähnen: stitutionen auftritt, die mit keiner Schule Berüh- rungspunkte haben. Deshalb ist die pauschale For- Erstens, dass als Faustregel gilt: Maximal fünf Per- derung nach Halbgruppen eine sehr wenig abge- sonen aus zwei Haushalten, Kinder bis 14 Jahre wogene Antwort auf ein sehr differenziertes Pan- werden nicht mitgezählt. Mein eindringlicher Ap- demiegeschehen an unserer Schulen. Es bedarf pell an alle, auch an die Zuhörerinnen und Zuhörer: schulscharfe Entscheidungen, die die Verhältnisse Wägen Sie ab, ob Ihre Verabredungen wirklich vor Ort in den Blick nehmen. Darin sind sich alle 16 notwendig sind oder ob es einfach nur nett wäre. Bildungsministerinnen und -minister, Senatorin- Verzichten Sie, wo immer möglich auf jeden ver- nen und Senatoren einig. meidbaren Kontakt! (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) Zweitens, die Mund-Nase-Bedeckung ist im Kampf gegen das Virus eines unserer wichtigsten Instru- Meine Damen und Herren, sobald 25 Prozent der mente im geschlossenen Raum, in öffentlichen Schülerinnen und Schüler von den Quarantäne- Räumen sowie an der Arbeitsstätte, deshalb sollte maßnahmen betroffen sind oder Lehrkräfte in ei- sie immer getragen werden. nem Ausmaß, dass die ordnungsgemäße Beschu- lung nicht gewährleistet ist, haben wir den Über- Drittens, ich finde, eine der einfachsten Regeln: gang in den Hybrid- und Distanzunterricht im Abstand halten. Eineinhalb Meter Abstand schützt Wechselmodell ermöglicht. Dass Eltern freiwillig uns und vor allen Dingen unsere Mitmenschen. entscheiden können, ob die Weihnachtsferien ihrer Diese Regelung müssen wir immer wieder überall Kinder vorgezogen werden, finde ich zudem ein in Erinnerung rufen, es kommt auf uns alle an. Das sehr lebensnahes Vorgehen, das der Berufstätig- ist zwingend erforderlich. keit und Belastung vieler Eltern in diesen Tagen und gerade kurz vor Weihnachten gerecht wird. Im (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) Übrigen, eine nur angebotene Notbetreuung würde die vorhandenen Kohorten weiter durchei- Meine Damen und Herren, wir haben in der vor- nandermischen und das wäre auch nicht der rich- letzten Woche im Parlament über den richtigen tige Weg, meine Damen und Herren! Weg für die Schulen im Land Bremen gestritten. Es freut mich, dass unsere Senatorin Dr. Claudia Bo- (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) gedan durch den Beschluss der Ministerpräsiden- tenkonferenz in ihrer frühzeitigen Entscheidung Mir fällt der Übergang von Schule zu Glühwein et- bestätigt wurde, eine Maskenpflicht ab der Jahr- was schwer, das merke ich gerade, aber auch das gangsstufe sieben eingeführt hat oder einführen muss angesprochen werden. An den Glühweinbu- wird und sich gegen eine Maskenpflicht für alle den, unter anderem in Findorff und an der Jahrgangsstufen außerhalb der Grundschule aus- Schlachte soll der Außerhausverkauf von alkoholi- gesprochen hat. Ich glaube, dass die schulscharfen schen Getränken ab morgen verboten werden. Es Entscheidungen, und man darf immer wieder in Er- gibt einen sachlichen Grund: Es hilft nicht, wenn innerung rufen, dass wir in Bremen ungefähr 160, der Außerhausverkauf sich dazu entwickelt, dass 170 Schulen verwalten und nicht wie in Bayern das gekaufte Getränk wenige Meter weiter unter über 3 000 bis 4 000 Schulen, dass man die Verhält- der Nichteinhaltung der Abstände getrunken wird. nisse vor Ort in den Blick nimmt, immer noch der Wie so häufig stehen wir Individuen uns durch die richtige Weg ist. Eine teilweise Schließung bedeu- Nichteinhaltung so einfacher Regeln selbst im Weg. Zum Vergleich mit der Bratwurst: Mir fehlt 2322 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

die Idee, welche enthemmende Wirkung ein Brat- Existenz der vielen Unternehmen, sondern erhö- wurstverzehr im Verhältnis zu einem Glühwein o- hen die gesellschaftliche Akzeptanz der Maßnah- der alkoholischem Getränk haben soll, Herr Röwe- men. Die Überbrückungshilfen helfen gezielt den- kamp. jenigen, die zwar nicht von einer Schließung, aber von Einschränkungen ihres Geschäftsbereiches be- Es hilft nichts, erstens unpassende Vergleiche auf- troffen sind. Besonders wichtig ist uns, dass auch zuführen und zweitens hilft es auch nicht, wenn die Schaustellerinnen und Schausteller in die Un- sich der Verkauf zu einer faktischen Außengastro- terstützungsprogramme einbezogen werden und nomie entwickelt. Die Ministerpräsidentinnen und ihre Betroffenheit berücksichtigt wird, denn diese Ministerpräsidenten haben sich daher dazu ent- Branche konnte in diesem Jahr fast gar keine Um- schieden, auch hier den Außerhausverkauf zu re- sätze generieren. Sicherlich wäre es hilfreich, wenn geln. Ich gehe davon aus, liebe Kolleginnen und bundesweit auch die Gastronomen noch mehr Pla- Kollegen, dass der geschlossene Verkauf für zu nungssicherheit hätten. Hause möglich bleibt. Auch die Regelungen, die jetzt zusätzlich für den Einzelhandel getroffen wer- Meine Damen und Herren, Planungssicherheit auf den, besonders auch für die Einkaufscenter, bei de- der einen Seite, auf der anderen Seite ein funktio- nen ich es besonders sinnvoll finde, dass die Ge- nierender Staat. Das verlässliche Funktionieren der samtfläche zugrunde gelegt wird, sind richtig und Institutionen in dieser Zeit ist unerlässlich und des- nötig, denn die Bilder, die wir vom Black Friday ge- halb möchte ich noch einmal einen anderen Aspekt sehen haben waren keine guten, das hätte vermie- ansprechen: Der Terroranschlag in Wien hat uns den werden müssen. alle bis ins Mark erschüttert, und, wie aus den Me- dien bekannt, Verbindungen der Extremisten nach (Beifall SPD, DIE LINKE) Bremen offenbart. Damit diese Krise nicht von den falschen Kräften ausgenutzt wird, plädiere ich sehr Die gute Nachricht ist, dass die außerordentlichen dafür, dass auch bei Organen, wie dem Landesamt Wirtschaftshilfen über den November hinaus ver- für Verfassungsschutz, Coronaschnelltests einge- längert werden. Ein Finanzpaket von rund 17 Mil- führt werden. Dieses Amt muss handlungsfähig liarden Euro ist im Gespräch, um Betriebe, Selbst- bleiben, meine Damen und Herren! ständige, Vereine und Einrichtungen, die weiterhin schließen müssen im Dezember finanziell zu unter- (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen) stützen. Die Kontrolle der Maßnahmen hat auch für uns Nun haben Sie gesagt, Herr Kollege Röwekamp, eine zentrale Bedeutung. Wir haben die Masken- dass das mit ihrer Fraktion in den nächsten Wochen pflicht in der Öffentlichkeit erweitert, die Ord- nicht so einfach zu machen ist. Sie sagen, es kann nungskräfte der Polizei und des Ordnungsamtes kein einfaches „Weiter so“ geben, es müsse der sind täglich im Einsatz, um Verstöße zu ahnden. Nachweis geführt werden, dass das die Treiber des Dass es in der letzten Woche in Vegesack zu einer Infektionsgeschehens sind, ansonsten müsse man Trauerfeier mit rund 400 Trauergästen kam, das sich auf etwas anderes verständigen. Ich will in Er- darf nicht sein, meine Damen und Herren. Aller- innerung rufen, dass wir diese Maßnahmen treffen, dings, ich will das nicht rechtfertigen, das Ab- um soweit es geht die Kontakte in der Bevölkerung schiednehmen von einem Menschen ist eine zu reduzieren, Punkt eins. Das zweite ist, wir als schwierige Zeit. Daher bin ich sehr froh, dass die SPD-Bürgerschaftsfraktion haben weiterhin ein ho- Polizei schnell vor Ort war und die Trauergäste hes Interesse daran, dass die Ministerpräsidentin- sehr einsichtig waren. Mein Dank geht an die Ein- nen und Ministerpräsidenten und dass die Bundes- satzkräfte, die aus meiner Sicht sehr pietätvoll auf länder einheitlich vorgehen. Wenn es dazu kom- die Gäste eingewirkt haben. men sollte, dass es zu Lockerungen kommt, sind wir gern mit dabei. Ich glaube, zur Transparenz (Beifall SPD) und vor allen Dingen zur Akzeptanz in der Bevöl- kerung gehört es dazu, dass die Regelungen in al- Eine Trauerfeier, Abschied zu nehmen, ist, glaube len 16 Bundesländern einheitlich sind. ich, gerade in dieser Pandemie einer der schwie- rigsten Lebensmomente. Ich selbst war auf zwei (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) Coronabeerdigungen, die im Freien unter Einhal- tung der Abstände, mit Masken und begrenzter Im Übrigen, die Dezemberhilfen, die angekündigt Teilnehmerzahl stattgefunden haben. Das funktio- sind, sind notwendig und sichern nicht nur die niert und diese Ereignisse sind, wie gesagt, das Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2323

finde ich auch, die schwierigsten und emotionals- (Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE) ten Momente und besonders schwer in der Pande- mie. Deshalb habe ich auch dafür etwas Verständ- Dabei spüren wir allerorten auch die Ungeduld, nis und bin sehr froh, dass wir diese Teilnehmer- wann es wieder losgeht, die Zahlen sinken nicht zahl bis einhundert haben. schnell genug. Uns selbst hier im politischen Be- trieb geht es doch auch ähnlich, so angenehm Vi- Unverständnis habe ich genau an der anderen deokonferenzen auch sind, wir alle leben vom per- Stelle, für diese ganzen Querdenker-Demonstrati- sönlichen Gespräch, von der direkten Auseinan- onen, wie vorgestern in Frankfurt, wo etliche eng dersetzung und dem Dialog. Vielleicht darf ich nah beieinander ohne Maske für ihre vermeintli- aber einmal alle an unsere gemeinsame Zielset- chen Freiheitsrechte demonstrieren und das Leben zung im April erinnern: Flatten the curve! Sie erin- der Menschen aufs Spiel setzen. Dafür habe ich nern sich und genau darum ging es auch dieses kein Verständnis, meine Damen und Herren! Mal im ersten Schritt. Als erster Schritt musste das exponentielle Wachstum gestoppt werden. Das ist Ich habe es an verschiedenen Stellen bereits ge- gemeinsam gelungen, und zwar dieses Mal ohne sagt, ich betone es noch einmal: Ich habe volles Schulen und Kitas zu schließen und ohne das Land Verständnis für die Sorgen und Ängste, die mit die- fast in den kompletten Lockdown zu schicken. ser Pandemie verbunden sind. Ich habe aber kein Verständnis für die Pandemieleugner, die missach- (Vizepräsidentin Sülmez Dogan übernimmt den ten, dass jeden Tag in Deutschland bis zu 400 Men- Vorsitz.) schen sterben. Ich finde es beschämend, dass die Querdenker sich als Retter der Freiheit stilisieren, Ganz so falsch können die ergriffenen Maßnahmen während Menschen auf Intensivstationen um ihr dann doch nicht sein. Es ging immer um die Redu- Überleben kämpfen. zierung der Kontakte, nicht ausschließlich in den jeweiligen Wirtschaftsbetrieben, es ging auch da- (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) rum, in den Räumen insgesamt, auch auf der Straße, auch draußen, dort die Kontakte auf den Meine Damen und Herren, lassen Sie mich am Wegen entsprechend zu reduzieren. Auch das ist Ende noch sagen, ich bin trotzdem zuversichtlich, gelungen, meine Damen und Herren! weil unser Senat uns bisher gut durch die Krise ge- führt hat und eine überwiegende Mehrheit der Bre- (Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE) merinnen und Bremer sich an die Regeln hält, nicht alle, aber eine überwiegende Mehrheit. Solidarität Diese Welle hat aber bereits viele Menschen das ist der einzige Weg aus der Krise. Nur gemeinsam Leben gekostet, so viele Tote im November wie in können wir diese Pandemie bewältigen und dafür keinem anderen Monat. Unsere Gedanken sind da- brauchen wir alle noch ein wenig Durchhaltever- her auch bei all den Familien, deren erster Advent mögen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! und deren Weihnachtsfeiertage unter diesem be- sonderen Schicksalsschlag stehen. Dass es nicht (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) noch mehr Familien werden, dafür haben wir als Gesellschaft und als Politik eine besondere Ver- Präsident Frank Imhoff: Als nächster Redner hat pflichtung und Verantwortung. Zu dieser Ver- das Wort der Abgeordnete Björn Fecker. pflichtung gehört es auch, um den besten Weg zu streiten, aber verlieren wir dabei nie das Ziel, näm- Abgeordneter Björn Fecker (Bündnis 90/Die Grü- lich den Schutz der Bevölkerung, aus den Augen! nen): Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr ge- ehrten Damen und Herren! Wir als Fraktion Bünd- Mit den anstehenden neuen Kontaktbeschränkun- nis 90/Die Grünen tragen die hier in Bremen und gen wird der Senat diese nun noch einmal ver- bundesweit vereinbarten Maßnahmen mit, und schärfen. Diese Maßnahme ist notwendig, denn das zwar nicht aus Koalitionsräson, sondern weil wir private Umfeld gehört zu den Treibern der Infekti- davon überzeugt sind. Wir sind überzeugt davon, onen. So manche Meldung über Partys und Trau- dass eine klare Reduzierung der Kontakte notwen- erfeiern der vergangenen Tage, wie gerade schon dig ist, wir sind überzeugt davon, dass die Pande- häufig angesprochen, lässt einen nur noch fas- mie nur gemeinsam als Gesellschaft bekämpft wer- sungslos werden. Hier braucht es konsequente den kann, und wir sind überzeugt davon, dass un- Verfolgung und Ahndung der jeweiligen Verstöße, ser Hauptaugenmerk all jenen gelten muss, die be- denn wir alle tragen Verantwortung, alle von uns! sonderer Rücksichtnahme bedürfen. 2324 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

(Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE) man darüber trefflich streiten, aber war nicht unser gemeinsamer Ansatz, Kitas und Schulen längst Für Weihnachten wird es eine Lockerung der Kon- möglich offen zu lassen? War nicht eine der Analy- taktbeschränkungen geben, mit zehn Personen sen, dass geschlossene Schulen zulasten der Kinder wird das Familienfest bei vielen immer noch klei- und Jugendlichen gehen und betroffene Eltern vor ner ausfallen als in normalen Zeiten. Auch wenn große Herausforderungen stellen? Natürlich hat die Zahlen noch nicht tief genug sind, halten wir der Senat eine Entscheidung getroffen: Die Schu- die Entscheidung für richtig. Sie erfordert aber von len bleiben offen und wer zur Sicherheit in vorsorg- allen noch einmal mehr Disziplin, gerade auch vor liche Quarantäne gehen möchte, um Weihnachten den Feiertagen, um all jene zu schützen, die beson- beispielsweise mit den Großeltern zu feiern, der ders anfällig sind. Es wird ein anderes Weihnachts- darf die Kinder von der Schule abmelden. Der fest und da das Virus keine Weihnachtspause ma- Zentralelternbeirat nennt es einen, Zitat, „sinnvol- chen wird, darf auch die eigene Verantwortung len und gangbaren Kompromiss“, Zitat Ende. Dem über die Feiertage nicht pausieren. widersprechen wir nicht.

Unzufrieden sind wir mit der Lösung für die Silves- (Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE) tertage. Über die Gleichbehandlung von Weih- nachten und Silvester in Bezug auf Kontaktbe- Neben den aktuellen Regelungen müssen wir aber schränkungen kann man vortrefflich streiten. Un- auch den Blick auf die Zukunft werfen. Gleich verständlich bleibt aber in erster Linie der Kurs mehrere Impfstoffe sind zur Freigabe angemeldet beim Feuerwerk. Meine Damen und Herren, wir worden, es wirkt ein bisschen wie der Silberstreif hätten uns ein konsequentes Verbot der Böllerei an am Horizont, aber bis dahin ist es auch noch ein diesem Tag gewünscht! weiter Weg. Die Frage, wer geimpft wird, darf un- ser Land nicht spalten, das muss transparent und (Beifall Bündnis 90/Die Grünen) für alle nachvollziehbar sein. Auch für die konkre- ten Herausforderungen vor Ort braucht es gute Nun sind wir sowieso keine Freunde der Knallerei, Antworten. Wir wollen nicht wirklich Senioren oder aber in Zeiten, in denen der Staat jedes Bett in den andere Mobilitätseingeschränkte mit Bussen und Krankenhäusern im Blick hat, in denen das Perso- Bahnen quer durch die Stadt fahren lassen, da wird nal in den Krankenhäusern stark belastet ist und es sicherlich cleverere Lösungen mit Taxigutschei- jede Menschenansammlung ein Risiko darstellt, in nen oder dezentralen Impfungen geben können. der der Senat Volksfeste, Weihnachtsmärkte und einfache Glühweinstände konsequent untersagt, Gleichzeitig gibt es noch keine Entwarnung. Selbst soll weiter munter geknallt werden und wir belas- wenn der Impfstoff zugelassen wird, brauchen wir sen es bei einem erhobenen Zeigefinger. Aus unse- einen langen Atem. Das heißt, weiter konsequente rer Sicht ist das eine unnötige Belastung des Ge- Nachverfolgung aller Kontakte und konsequente sundheitssystems. Ahndung von Verstößen gegen die Regularien. Wir haben noch zu viele ungeklärte Infektionsketten (Beifall Bündnis 90/Die Grünen) und deswegen muss auch weiterhin darauf eine hohe Priorität liegen. Deswegen möchte ich auch Die Länder haben hier keine grundsätzliche Hand- einen Satz zur App sagen, vielleicht auch zwei: lungsmöglichkeit, deswegen auch kein Vorwurf an Bürgermeister Dr. Bovenschulte, und wenn ich den Ich glaube, dass man da die eine oder andere Ver- einen oder anderen Vorentwurf für die Minister- besserung hinbekommen kann, ohne gleich zur präsidentenkonferenz gesehen habe, dann war Verpflichtung zu greifen. Die Möglichkeit der frei- auch von der Seite der SPD-Länder dies ein Vor- willigen Kontakttagebücher soll ja nun angegan- schlag. Jetzt muss es darum gehen, mit dem Zu- gen werden, aber auch bei der Erkennung von In- stand zu arbeiten. Es muss jetzt große Böllerver- fektionsclustern kann man das Vorgehen zum bis- botszonen in Bremen geben und die Polizei muss herigen Status noch einmal verbessern. Abschlie- die Möglichkeit erhalten, das Böllern an den ande- ßend gab es auch Bestrebungen, spezielle elektro- ren Stellen der Stadt zu untersagen, wenn es zu nische Armbänder mit den Eigenschaften der App Menschenansammlungen kommt. zu entwickeln, für alle diejenigen, deren Handy gar nicht in der Lage ist, mit dieser App zu arbeiten. Sie Meine Damen und Herren, ein öffentlicher Aufre- sehen, meine Damen und Herren, bei dieser De- ger ist der Umgang des Senats mit einem möglich- batte bin ich sehr dafür, mehr am Konkreten und erweise früheren Ferienbeginn. Natürlich kann weniger am Abstrakten zu diskutieren. Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2325

Lassen Sie mich noch einen Satz zu den Wirt- breiten, der muss wissen, dass dieser Staat da ge- schaftshilfen sagen. Der Bund und natürlich auch nau hinschauen wird. Wir brauchen – daran will ich Bremen sind gefordert, die Auszahlung nun rasch gern noch einmal erinnern – ein bundesweites La- sicherzustellen. Die Fehler der Vergangenheit soll- gebild zu den sogenannten Querdenkern und de- ten sich nicht wiederholen und hoffentlich sind ren Vernetzung in die rechtsextreme Szene. Wir jetzt auch endlich alle Förderlücken geschlossen, müssen die von ihnen begangenen Straftaten als ansonsten muss es auch da schnelle Korrekturen das einstufen, was sie sind, nämlich als politische geben. Ich habe mit Interesse verfolgt, dass Bun- Kriminalität. – Haben Sie herzlichen Dank für Ihre destagsabgeordnete der Auffassung sind, die Län- Aufmerksamkeit! der sollten sich stärker an den wirtschaftlichen Hil- fen beteiligen. Die Rückzahlung der Summen aus (Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD, DIE LINKE) dem Bremen-Fonds wird unsere Haushalte über Jahre hinweg belasten und Spielräume gerade in Vizepräsidentin Sülmez Dogan: Als nächster Red- der Zukunft einengen. Der Bund ist da wesentlich ner hat der Abgeordnete Nelson Janßen das Wort. besser aufgestellt. Wir brauchen da jetzt auch wei- terhin die Solidarität mit den Ländern und Kommu- Abgeordneter Nelson Janßen (DIE LINKE): Sehr nen und kein Verschieben der Probleme auf unsere geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Zuhörer*in- engen Haushalte, meine Damen und Herren! nen! Wir sprechen heute in der Sondersitzung der Bremischen Bürgerschaft über die Regierungser- (Beifall Bündnis 90/Die Grünen) klärung des Senats anlässlich der aktuellen Coronalage und über die damit verbundenen Ver- Ich habe in meiner letzten Rede die Versamm- änderungen in der Rechtsverordnung. Eingangs lungsfreiheit verteidigt. Nun haben die sogenann- möchte ich noch einmal ganz kurz auf die Zahlen ten Querdenker ganz Deutschland und Europa, wie eingehen, sie sind auch bereits genannt worden. ich gelesen habe, zu einer Demonstration am kom- Am 7. November erreichte die Stadt Bremen mit ei- menden Samstag in Bremen aufgerufen. Das hast ner Sieben-Tage-Inzidenz von über 250 Neuinfek- du jetzt davon, habe ich mir gedacht. tionen den bisherigen Höchststand. Deutschland- weit lag sie an diesem Tag bei 133. Gestern lag Bre- (Heiterkeit Bündnis 90/Die Grünen, SPD) men bei 123, während der deutschlandweite Wert bei 136 lag. Dieser Tag soll laut Demonstrationsaufruf Bremen wieder in Freiheit bringen, also quasi die Freie Wir haben uns als Bundesland von der traurigen Hansestadt Bremen befreien. Wieder wird ein Spitzenposition Anfang November nun wieder in Weltbild propagiert, das an Begriffe wie Diktatur o- das untere Mittelfeld bewegt. Wir haben nur noch der Unfreiheit anschließt, aber das Gegenteil ist der ein Drittel weniger aktive Infektionen als vor vier Fall. Das Gegenteil findet gerade hier heute in die- Wochen. Es wäre dennoch deutlich zu früh, eine ser schmucklosen Halle statt. Die gewählten Volks- Entwarnung zu geben, aber der Trend zeigt in die vertreterinnen und Volksvertreter kommen zusam- richtige Richtung, und wir können vorsichtig an- men, um über die Einschränkungen zu diskutieren, nehmen, dass die beschlossenen Maßnahmen ei- um die politischen Unterschiede auch noch einmal nen Effekt erzielt haben. deutlich zu machen, um zu sagen, wer für welche Maßnahmen steht. Wir können sie sogar im Notfall Gleichzeitig merken wir aber auch, dass es ein gesetzlich verhindern. Überall, hier und insgesamt, Spannungsverhältnis zu den sich verbessernden darf jeder Mensch seine Meinung frei äußern, Zahlen und der Debatte gibt, wie sie geführt wird. selbst wenn sie der größte Blödsinn ist. Aber Blöd- Mehr als ein halbes Jahr nach Beginn der Corona- sinn darf man widersprechen, das ist unser aller ge- pandemie bemerken wir, dass in der politischen meinsame Freiheit und ich kann nur dazu motivie- Diskussion die Zuspitzungen zunehmen. Wir mer- ren, dies an jeder Stelle auch zu tun, auch in der ken in den Zuschriften von Gastronomen, Solo- Zukunft, meine Damen und Herren! Selbstständigen und Kulturschaffenden, dass sie um ihre Existenz bangen. Wir merken bei Pflege- (Beifall Bündnis 90/Die Grünen, SPD) personal, medizinischem Personal und Lehrkräf- ten, dass sie Sorge um ihre Gesundheit haben. Wir Ich sage das gern noch einmal: Wer unter dem merken in den Stadtteilen, dass es für Kinder und Deckmantel der Meinungsfreiheit meint, er oder Jugendliche schwer zu kompensieren ist, wenn sie müsse Lügen oder Verschwörungstheorien ver- Sportplätze und Jugendeinrichtungen geschlossen 2326 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

haben. Wir merken, dass es auch in unserem per- sie isolieren. Das ist aus unserer Sicht vollständig sönlichen Umfeld häufig zugespitzte Diskussionen indiskutabel. Ein Viertel der Bevölkerung können gibt, wenn Kontaktverzicht und Kontaktwunsch, und wollen wir nicht isolieren, das ist keine Diskus- Gesundheitsschutz und eingeübte Praxis auch zu sion, die wir verfolgen dürfen. Weihnachten in einen Konflikt treten. (Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) Während die Zahlen also auf eine Entspannung der Lage hinweisen, merken wir, dass die gesellschaft- Die Auswertung des RKI zu vermutlichen Anste- liche Diskussion durchaus rauer wird. Beim letzten ckungsorten sagt uns ja, dass nach der häuslichen Mal, Ende Oktober, haben wir hier die sogenann- Infektion oder der Infektion in Pflege- und Gemein- ten Novemberregelungen diskutiert und immer ge- schaftseinrichtungen nach wie vor mit Abstand der sagt, dass es notwendig ist, den Anstieg der Neuin- Arbeitsort und Schulen und Kitas Infektionstreiber fektionen zu brechen. „Wellenbrecher“ war da- sind. Auch Krankenhäuser und Gemeinschaftsun- mals das Stichwort, harte Maßnahmen für eine be- terkünfte spielen eine spürbare Rolle. Ferner weist grenzte Zeit, so der Stand der Diskussion. das RKI ausdrücklich darauf hin, dass Übertra- gungsorte, an denen sich Menschen anonym tref- Heute ist diese zeitliche Begrenzung vollständig in fen – das ist nun einmal genau in Bus und Bahn o- den Hintergrund getreten und es scheint, dass wir der auch in der Stadt oder beim Einkaufen –, nicht mit diesem Maßnahmenpaket eine ganze Zeit aus- systematisch nachgewiesen werden können und kommen müssen. Die Bundesregierung scheint wir hier mit einer hohen Dunkelziffer rechnen müs- sich entgegen der ursprünglichen Perspektive „Wir sen. Das sind also die Bereiche, an die wir auch retten Weihnachten“, so nenne ich das einmal als weiterhin noch heranmüssen, um sie ansteckungs- Überschrift, tatsächlich mit den jetzigen Maßnah- sicherer zu machen: Schulen, Betriebe, ÖPNV, ver- men auf einen Modus eingestellt zu haben, der ein mutlich auch nach wie vor öffentliche Orte, Plätze, Stück weiter verlängert wird, bis irgendwann dann Fußgängerzonen. über die Impfung ein Ausweg aufgezeichnet ist. Hier treffen wir bereits auf eine starke Haltung, die Das kann aber dauern. Im optimistischen Szenario im Grundsatz sagt, das brauchen wir jetzt nicht sind wir erst im Juli 2021, wenn so viele Einheiten mehr, das lohnt sich nicht mehr, wir haben es doch des Impfstoffs tatsächlich da sind, bei einer Bevöl- fast geschafft. Ich glaube, dass wir uns diese Dis- kerungsimmunität, die ausreichen würde. Möglich kussion, diese politische Bequemlichkeit nicht gön- ist aber auch, dass es Komplikationen gibt, die Wir- nen dürfen. Wir müssen weiterhin genau hin- kung sich doch nicht so flächendeckend durchsetzt, schauen, an welchen Stellen Übertragungen statt- es Menschen gibt, die sich der Impfung verweigern finden und dafür Konzepte finden, um zu vermei- – und die letzten Zahlen sind ja tatsächlich erschre- den, dass wir in eine Dauerverlängerung von glei- ckend hoch –, es könnte sein, dass Mutationen auf- chen oder verschärfenden Maßnahmen kommen. treten und wir noch länger warten müssen. Daher Unsere Aufgabe ist noch lange nicht gemacht, wir glaube ich, dass wir auch anhand dieses Maßnah- stecken immer noch mittendrin. menpakets gut darüber beraten müssen, was ei- gentlich die Perspektive ist, was auch für den Be- (Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) ginn des nächsten Jahres die Perspektive ist. Ich glaube, dass wir in dieser Diskussion grund- Zwei Alternativen, die derzeit bei den bisherigen sätzlich nach wie vor die Verantwortung haben, die Perspektiven diskutiert werden, kommen für mich bisherigen Maßnahmen, die mittelfristigen Maß- nicht in Frage: Die eine ist ein noch schärferer nahmen weiter zu begründen und in einem politi- Lockdown, um die Zahlen noch schneller herunter- schen Diskurs auszudiskutieren. Ich möchte aber zubringen und dann mit einer Lockerung endlich auch deutlich machen, dass es mir nicht darum wieder mehr Normalität zu erreichen. Wir wissen geht, diejenigen zu überzeugen, die nicht über- aber, dass der Stand der Infektionen derzeit so zeugt werden wollen, die als Verschwörungstheo- hoch ist, dass es uns nicht gelingen wird, ganze Ge- retiker*innen, als Leugner*innen gemeinsam oder biete quasi so coronafrei zu bekommen, dass man auch selbst als Rechtsradikale unter dem Deck- bei Lockerungen nicht wieder in eine ähnliche Ent- mantel der Kritik und Meinungsfreiheit vor dem wicklung kommen kann. symbolträchtigen Sturm auf die Institutionen der Demokratie keinen Halt mehr machen oder für ihre Der andere Lösungsweg sagt, wir schützen die vul- Zwecke auch Symbole der Nazidiktatur verwen- nerablen Bevölkerungsgruppen dadurch, dass wir Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2327

den. Die Opfer dieser Menschheitsverbrechen wer- Schulen häufig kohortenweise Quarantäne hatten. den dadurch verhöhnt, meine sehr geehrten Da- Parallel sind dann ergänzende Maßnahmen entwi- men und Herren! Für all dies habe ich nicht das ge- ckelt worden, um eine Infektionsvermeidung an ringste Verständnis und bedanke mich dafür, dass den Schulen zu etablieren, und Unterrichtsmaterial das in diesem Rahmen auch so breit mitgetragen und Didaktik wurden auf die neuen Unterrichtsfor- und diskutiert wird. men umgestellt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) Mit der letzten Verordnung haben wir dann aller- dings eigentlich die Schulquarantäne ausgesetzt, Als Fraktion DIE LINKE haben wir immer gesagt, da wir von der Perspektive weggegangen sind, dass man nicht per Coronaverordnung die Ver- dass bei einem positiven Fall in einer Schule ganze sammlungsfreiheit des Grundgesetzes abschaffen Kohorten oder Klassenzüge in die Quarantäne ge- oder einschränken darf. Das hat Bremen deshalb gangen sind. Im Endeffekt hat das dazu geführt, auch anders als viele andere Bundesländer im har- dass Lehrkräfte, genau wie die Mitschülerinnen ten Lockdown im Frühjahr nicht gemacht. Gerichte und Mitschüler, nur dann nach Kontakt mit einer haben diese Linie ja auch an vielen anderen Stellen infizierten Person effektiv geschützt werden konn- korrigiert. Bilder wie in oder Leipzig kann ten, wenn jemand eingeräumt hätte, die Auflagen ich mir allerdings angesichts der derzeitigen Coro- nicht zu erfüllen. naleugner auch in Bremen schwer vorstellen. Ich gehe deshalb davon aus, dass das Innenressort die Deshalb halte ich es für richtig, dass dieser zwi- Demonstrationen unter Beibehaltung der grundge- schenzeitliche – ich nenne es jetzt einmal so – „Feh- setzlich verankerten Versammlungsfreiheit mit ler“ in dieser Verordnung geheilt wurde, indem ge- entsprechenden Auflagen versieht und diese sagt wurde, dass jetzt wieder die Möglichkeit be- selbstverständlich auch konsequent durchsetzt. steht, eine Quarantäne anzuordnen, wenn ein Kon- takt mit positiv getesteten Personen bestand, und (Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) jetzt aber versucht wird, dadurch auch den Ge- sundheitsschutz in den Schulen wieder zu ver- Ich spreche heute als Fünfter, daher werde ich schärfen. nicht noch einmal die ganzen Rahmensetzungen, die auf der Ministerpräsidentinnen- und -präsiden- (Vizepräsidentin Antje Grotheer übernimmt den tenkonferenz gemeinsam mit der Bundeskanzlerin Vorsitz.) vereinbart wurden, wiederholen und nur einmal im Schnelldurchlauf noch einige nennen. Wir sind Eine Herausforderung wird das allemal werden, weiterhin auf dem Weg, die Zusammenkünfte von insbesondere weil die Möglichkeit geschaffen Personen auf fünf Personen und zwei Haushalte zu wird, diese angeordnete Quarantäne frühzeitig zu beschränken. Der Verzicht auf nicht notwendige beenden. Das ist eine Neuerung, und ich glaube Reisen bleibt aufrechterhalten, auch die Schließun- auch, diese Neuerung ist viel diskutiert und nicht gen in vielen Bereichen des Kulturbetriebes und ganz leicht zu beantworten. Es soll ja nun so sein, der Gastronomie gehen in die Verlängerung und dass ich mich nach fünf Tagen nach Letztkontakt strengere Maskenpflichten werden aufgenommen testen lassen kann und mit einem negativen Test- sowie Beschränkungen auch in Geschäften. All ergebnis die Quarantäne beende. Im Grundsatz ist diese Regelungen zielen weiterhin darauf ab, die das nachvollziehbar, um die Bildungsmöglichkei- Kontakte zu reduzieren und dadurch die besonders ten aufrechtzuerhalten und den Menschen die vulnerablen Bevölkerungsgruppen zu schützen. Rückkehr in die Schule wieder zu ermöglichen. Gleichzeitig ist das ein erheblicher organisatori- Es sollen auch FFP-2-Masken an Risikogruppen scher Aufwand, brauchen wir doch in erheblichem verteilt werden, wie es in Bremen schon länger ge- Umfang Testkapazitäten und geschultes Personal, macht wird. Wie zu erwarten, ist insbesondere der um diese Testungen zu ermöglichen. Bereich, den ich jetzt noch nicht genannt habe, nämlich der Bildungsbereich, Ausdruck von unter- Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist schiedlichen gesellschaftlichen Perspektiven und ein politischer Kompromiss, den ich für angemes- auch von Streit in diesem Raum. Nach den Som- sen halte und der uns dennoch vor einige Heraus- merferien hatten wir eine Entwicklung, in der die forderungen stellt. Ich bin mir sicher, wir werden Zahlen getrieben durch Reiserückkehrer*innen, dazu noch viele Diskussionen führen, wie wir das aber insbesondere auch durch die Witterungsver- dezentral ermöglichen können. schlechterung hochgegangen sind und wir in den 2328 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

Ich möchte mit zwei Sätzen noch einmal auf die Für die sogenannten Dezember- und Januarhilfen Frage der Ferien eingehen. Wir haben in Bremen müssten die Länder eigene Anteile erbringen, das eine Regelung eingeführt, die darauf abzielt, den würde insbesondere Bremen heftig treffen und be- Ferienbeginn auf freiwilliger Basis vorzuziehen. nachteiligen. Ich möchte für die Fraktion DIE Die allermeisten Bundesländer haben ja eine LINKE an dieser Stelle unmissverständlich klarma- grundsätzliche Regelung getroffen. Auch in dem chen, dass diese „Absetzungsbewegung“ eine Art Fall, dass man die Ferien grundsätzlich vorzieht, Worst Case darstellen sollte, da wir im Endeffekt brauchen wir eine Notbetreuung, die organisiert auf größeren finanziellen Herausforderungen sit- werden muss, für die sich Eltern anmelden müssen, zen bleiben würden. Bundeseinheitliche Regeln mit der wir dann auch weitere Schwierigkeiten ha- können nur dann aufrechterhalten werden, wenn ben. Das heißt, wir hätten möglicherweise ein Not- die Kosten auch gemeinschaftlich über den Bund system über das Risiko, dass die Klassen vor Ort abgedeckt werden. größer sind als die jetzt wahrscheinlich an vielen Orten dünn besetzten Klassen, und gleichzeitig Sollten die Länder in die Pflicht genommen wer- hätten wir eine Durchmischung bestehender Ko- den, die Pandemiekosten noch stärker zu tragen, horten, was aus epidemiologischen Gesichtspunk- dann wird der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ten durchaus Risiken beinhaltet. im Zweifelsfall an der finanziellen Leistungsfähig- keit des Landes hängen. Hier nachzusteuern, zu- Fakt bleibt für diese Regelung aber auch, dass die sammengenommen mit den beschränkten Landes- Freiwilligkeit der Unterrichtsteilnahme für viele kompetenzen auf der Einnahmeseite, wäre eine keine echte Wahlmöglichkeit ist, sondern, als Bei- drastische Entwicklung, der wir uns aus Länder- spiel, eine berufstätige Alleinerziehende in den perspektive so deutlich entgegenstellen müssen. meisten Fällen nur schwer eine private Notbetreu- ung aus dem Hut zaubern kann und so darauf an- (DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) gewiesen sein wird, das Kind in die Schule zu schi- cken. Wenn wir aber über die Frage der Lastenverteilung sprechen, möchte ich auch noch einmal einen Ich sehe also durchaus Licht und Schatten, glaube Punkt anmerken. Wir werden in der Coronanach- aber, dass es die Freiwilligkeit am Ende des Tages bereitungszeit – und ich glaube, es ist nie zu früh, ermöglichen wird, hier eine Betreuung für die El- darüber nachzudenken – darüber sprechen, wer tern zu ermöglichen, ohne dazu ein gesondertes und wie wir diese aufgehäuften öffentlichen Schul- System aufzustellen. Wir werden damit die Durch- den ausgleichen werden. Deshalb glaube ich auch, mischung der Kohorten verhindern. Ich glaube, der dass wir beginnen müssen, eine Debatte über eine Senat hat einen gangbaren Weg gewählt, und wir Vermögensabgabe zu führen. Damit meinen wir unterstützen diese Entscheidung. nicht Omas Haus, damit meinen wir nicht den klei- nen und mittelständigen Betrieb, der in der Krise (Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) vor erheblichen Herausforderungen stand, damit meinen wir das obere eine Prozent, das insgesamt Die Pandemiebewältigung kostet den Staat gewal- 32 Prozent des Gesamtvermögens hat, und übri- tige Mengen an Geld, die in den regulären Haus- gens haben zwischen März und November die 119 halten nicht abgebildet werden können. Für diese Milliardäre noch einmal 600 Milliarden Euro zuge- Notlage greift eine Regelung der Landesverfas- legt. sung, mit der wir das Neuverschuldungsverbot aus- setzen können, um die erheblichen Kosten für die Es gibt zwei Alternativen, mit den Schulden umzu- Krisenbewältigung in den Griff zu bekommen. Das gehen. Erstens, wir kürzen drastisch in die öffentli- Land Bremen hat einen Fonds in Höhe von 1,2 Mil- chen Haushalte hinein – das betrifft dann Soziales, liarden Euro aufgestellt, insbesondere im Verhält- das betrifft dann Bildung, das betrifft aber auch die nis zum Haushalt eine gewaltige Summe. Ich habe Polizei, das betrifft die Krankenhausinvestitionen – daher überhaupt kein Verständnis dafür, wenn der oder wir führen eine gesellschaftliche Debatte über Vorsitzende der Bundestagsfraktion der CDU nun Umverteilung. Wir plädieren für das Zweite, wir schildert, dass er in Zukunft auf die Solidarität der brauchen nach der Krise eine Lastenverteilungsdis- Länder setzen wird. Als ob dies nicht schon lange kussion, und die kann nur über eine Vermögensab- geschehe! gabe gelöst werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) (Beifall DIE LINKE, SPD) Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2329

Einen Punkt möchte ich noch zu den Impfstoffen letzt, nämlich das Vertrauen in die Verantwortli- sagen. Das hatte der Bürgermeister eingangs schon chen. Den Verantwortlichen glaubt man weniger geschildert, welchen enormen Erfolg die internati- und weniger. onale Forschungsgemeinschaft geleistet hat. Gleichzeitig glaube ich aber auch, dass wir drin- Momentan stellt sich täglich, ja stündlich die Frage: gend über die Frage der Patente diskutieren müs- Trauen wir wirklich noch den Entscheidungen der sen, und in dieser Situation dringender als an vie- Verantwortlichen? Traut die Bevölkerung den Poli- len anderen Stellen. tikern, den Politikerinnen zu, dass sie mit ihrer Ver- antwortung richtig handeln? Trauen wir den Zah- Viele Länder des globalen Südens haben innerhalb len des RKI, der Begründung zum Lockdown? Ist der WHO dafür plädiert, dass die Patentrechte für der Lockdown light wirklich light, wenn es für diese Lage ausgesetzt werden, um eine weltweite manche Branchen das komplette Aus bedeutet? Ist Verteilung des Impfstoffes zu ermöglichen. „Ärzte dann Lockdown light nicht eher richtig heavy, ohne Grenzen“ hat einen ähnlichen Vorschlag ge- schwer und einschränkend, wie für die Veranstal- macht. Die Länder des globalen Nordens und leider tungsbranche, die Gastronomie, Kinos, Theater, auch die EU stehen diesem Vorschlag entgegen. Kosmetikerinnen, Bühnendarsteller, Musiker, Ho- Wir brauchen dringend eine derartige Regelung teliers und viele mehr? Die betroffenen Unterneh- und müssen die Patente hier aussetzen, um eine merinnen und Unternehmer, Soloselbstständige, weltweite Verteilung des Impfstoffs zu ermögli- Künstler und viele mehr sehen den Begriff light chen. Das ist unsere Pflicht, alles andere wäre fahr- dann ganz anders. Für die ist es eine existenz- lässig. bedrohende Krise. Es geht um Verantwortung und Vertrauen in unserem Land. (Beifall DIE LINKE, SPD) Wenn wir die Bevölkerung mitnehmen wollen und Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich Verständnis für die Maßnahmen erhalten wollen, möchte es dabei belassen. Wir werden uns in Bre- dann muss sich etwas ändern. Selbst men den vereinbarten Regelungen des Bundes an- sagte, so kann es nicht weitergehen. Wir fordern schließen. Wir werden auf Dauer eine neue und mehr Transparenz bei der Entscheidungsfindung. eine erweiterte Debatte um die strategische Lösung An dieser Stelle möchten wir dafür danken, dass dieser Krise brauchen. Es ist unsere gemeinsame wir heute über die Beschlüsse diskutieren, bevor Verantwortung, durch zielgerichtete Maßnahmen sie dann morgen in Kraft treten. Das ist ein ganz soziale Härten aufzufangen, und es wird unsere wichtiger Schritt, denn es geht hier um nichts we- Aufgabe sein, über einen Lastenausgleich zu dis- niger als die Balance zwischen Sicherheit, Gesund- kutieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! heit und persönlicher Freiheit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, Bündnis 90/Die Grünen) (Beifall FDP)

Vizepräsidentin Antje Grotheer: Als nächste Red- Erst wenn wir die Prozesse und Entscheidungsfin- nerin hat die Abgeordnete Lencke Wischhusen das dungen transparent gestalten, können wir auch Wort. Akzeptanz flächendeckend erreichen. Die Bevöl- kerung bekommt nur so das Gefühl, mitgenommen Abgeordnete Lencke Wischhusen (FDP): Frau Prä- statt vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. sidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Herzstück jeder Zivilisation und deren Entwick- (Präsident Frank Imhoff übernimmt wieder den lung sind Werte, die unser Handeln und unsere Zu- Vorsitz.) kunft definieren. Die beiden wichtigsten Merkmale unseres Zusammenlebens sind Vertrauen und Ver- Wir erwarten eine klare Linie im Handeln, und vor antwortung. Vertrauen und Verantwortung sind allem erwarten wir Planbarkeit. zwei verbundene Ringe, denn sie sind voneinander abhängig und bedingen sich stetig. Betrachten wir Für unsere Schülerinnen und Schüler gibt es nur jetzt die derzeitige Politik in der Coronasituation im einmal die Chance, zur Schule zu gehen. Es ist sehr Hinblick auf diese beiden wichtigen Werte, wird ei- richtig, die Schulen und Kitas offen zu halten und nes sehr schnell deutlich: Einer der wichtigen Indi- dieser Weg ist ein wichtiger Schritt, um Kindern katoren, wie Menschen sich fühlen, ist derzeit ver- auch das soziale Miteinander zu ermöglichen. Nicht jeder hat Geschwister und ein sorgenfreies, liebevolles Elternhaus. 2330 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

Doch wir müssen dafür sorgen, dass Schule von Ein Paar, das seine goldene Hochzeit hat, darf nicht Lehrkräften nicht als Ort der Angst wahrgenom- mit Hygienekonzept im Restaurant feiern und da- men wird, sondern Schule sollte Ort des miteinan- mit stolz mit Freunden und Familie auf das Lebens- der Lebens, Lehrens und Forschens sein. Wir soll- werk und die Lebensliebe zurückblicken. Was ist ten Innovationen genau an dieser Stelle zulassen. denn die Konsequenz aus solchen Verboten? Es Technische Innovationen, die die Luft reinigen, wird eben Menschen geben, die sich dann nicht an und auch mentale Innovationen, dass wir nämlich die Regeln halten und doch zu Hause feiern, nur vom neuen Lernen profitieren und damit auch et- eben ohne Abstandsregeln, ohne Kontrollen und was Neues ausprobieren können. So wird die Krise ohne Hygienekonzept. Eine goldene Hochzeit, den tatsächlich zur Chance. 80. Geburtstag, den Abschied von Verstorbenen und die Geburt oder den 18. Geburtstag des Kindes Doch leider sind Menschen zunehmend verunsi- gibt es nur das eine Mal im Leben. chert. Es gibt Fragen: Wie lange dauern die Ein- schränkungen noch an? Hält das Unternehmen, für Ja, natürlich geht es um Solidarität, um Verantwor- das ich arbeite, durch? Verliere ich bald meine Ar- tung für uns und unsere Mitmenschen, doch dann beit? Wann dürfen meine Freunde mich wieder be- sollten wir auch Lösungen anbieten. Die getroffe- suchen? Wann darf ich wieder Geburtstage feiern? nen Maßnahmen, Hotels und Restaurants wieder Fragen, die viele Menschen beschäftigen. zu schließen, haben, zumindest den Zahlen nach, keine erkennbaren Verbesserungen der Infekti- Denn eines ist klar: Wir kommen aus einer Evolu- onszahlen ergeben, und trotzdem halten wir daran tion heraus, in der wir es geschafft haben, das starr fest, obwohl Pandemie und Virologen bereits Credo „wir leben um zu arbeiten“ umzudrehen. kritisch und medienunterstützt die Regierung dafür Jahrhunderte haben wir gearbeitet, um zu leben. kritisiert haben. In Restaurants und Hotels können Doch genau das, was das Leben lebenswert macht, wir kontrollieren, zu Hause leider nur schwer. das Vergnügen, die Werte von Freunden und Fa- milie, das Miteinander, etwas erleben, ausgehen, So oder so müssen wir jetzt in der Konsequenz da- feiern, Kultur genießen und sich dabei fortbilden, rauf drängen, dass die Maßnahmen auch für alle das alles wird uns jetzt zum Teil genommen. Der gelten. Der Rechtsstaat muss greifen und, auch Aufruf der Bundesregierung: „Bleibt zu Hause!“, wenn es unangenehm ist, handeln. Wir dürfen begleitet von Bildern des auf dem Sofa Liegens, eben nicht bei Hochzeiten und Beerdigungen mit Faulenzens und Fernsehens, widerspricht allen hunderten Leuten die Augen verschließen und Werten von Fleiß und Strebsamkeit, die uns von dann beim 80. Geburtstag mit fünf Freunden die Kindesbeinen an antrainiert wurden. großen Kontrollen fahren.

(Beifall FDP) Unter dem Strich heißt das, dass die innere Logik der Maßnahmen endlich erkennbar sein muss, aber Um es noch einmal deutlich zu sagen, es fehlt die genau diese innere Logik fehlt zum Teil. Erklären klare Linie, wohin der Weg eigentlich führt. Eine Sie uns doch bitte, warum ein Geschäft mit 801 Exit-Strategie ist nicht erkennbar. Gefühlt gibt es Quadratmetern vom Virus stärker bedroht ist als ei- für viele keinen Ausweg aus der Krise und das für nes mit 799 Quadratmetern. Diese innere Logik er- uns Normale ist irgendwie nicht in Sicht. schließt sich uns nicht.

Es ist sowieso fraglich, ob wir uns nicht bereits jetzt Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Men- so an die Regeln gewöhnt haben, dass unser „altes schen, um zu dem Geschäft zu kommen, gern mit Normal“ von vor zwölf Monaten so nicht mehr zu- dem Bus und der Bahn fahren. Ich glaube, ich muss rückkommen wird. Was machen die neu getroffe- Ihnen nicht sagen, wie es dort aussieht. Der ÖPNV nen Maßnahmen beziehungsweise die verlänger- ist oft sehr überfüllt, und auch in den Zügen der ten Maßnahmen auch emotional mit uns? Es gibt Deutschen Bahn sitzen Menschen auf dem Boden, Menschen, die haben seit fast einem Jahr ihre En- weil die Plätze alle belegt sind. So ein Waggon hat kelkinder nicht gesehen. Jetzt zur Adventszeit keine 800 Quadratmeter, dort sitzt man eng neben- müssen Eltern mit großen Kindern entscheiden, einander und die Luftmenge ist weitaus kleiner. wen sie sehen wollen, da nur zwei Haushalte er- Das meinen wir mit innerer Logik. Es ist einfach laubt sind. Sie müssen sich entscheiden. zum Teil nicht nachvollziehbar, was an Maßnah- men beschlossen wurde. Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2331

Und es geht weiter: Wir erlauben keine Weih- Wir sollten doch versuchen, die vor allem vulnerab- nachtsmärkte im Freien unter Auflagen der Hygie- len Gruppen zu schützen. Das sollte unser Ziel sein, neregeln. Übrigens, in diesem Zusammenhang von denn die sind von der Sterblichkeit durch das Virus Weihnachtsmarkt und Ausschank, Herr Röwe- bedroht. Es müssten für zusätzliche Zielgruppen kamp, habe ich mich eben über Sie ganz schön ge- spezifische Präventionsmaßnahmen getroffen wer- wundert. Ich darf mich ja wundern, denn beim letz- den, um gezielter Menschen zu schützen und damit ten Mal haben Sie uns vorgeworfen, Sie könnten ein Leben mit dem Virus zu ermöglichen. nicht begründen private Treffen einzuschränken und dafür eine Party auf dem Marktplatz zuzulas- Jetzt reden zunehmend mehr Menschen über ei- sen. Heute sind Sie bei der Party dabei. Ganz ver- nen Impfstoff und die Hoffnung ist groß, dass end- standen haben wir das ehrlich gesagt nicht und lich einer kommt. Ziel muss sein, die Epidemie auch da erschließt sich, uns jedenfalls, die innere stabil zu kontrollieren, wenn es auch zu Verzöge- Logik nicht. rungen in der Entwicklung und später Bereitstel- lung des Impfstoffs kommt. Es wird Jahre dauern, Was spricht gegen kleine Buden draußen in der In- bis die ganze Bevölkerung geimpft ist. Auch hier nenstadt? Wir würden den Menschen ihr Weih- fehlt für uns insofern ein wenig die innere Logik, nachtsgefühl zurückgeben und den Betreibern die als dass für Bremerhaven ein Impfzentrum und für Sorgen um ihre Existenz nehmen. Wir haben sie Bremen mit knapp viermal so vielen Einwohnern doch alle heute Morgen wieder gesehen. Es sind auch erst einmal nur ein Impfzentrum geplant ist. verantwortungsvolle Unternehmerinnen und Un- ternehmer. Warum vertrauen wir nicht auch in ihr Zur Wahrheit gehört auch, dass die Gesundheits- Verantwortungsgefühl? Herr Bürgermeister Dr. ämter schon jetzt massiv überfordert sind und mit Bovenschulte lobte heute Morgen die Eigenverant- dem Testen nicht hinterherkommen. Wie soll das wortlichkeit der Bremerinnen und Bremer, der Bre- also funktionieren? Wie ist das Impfkonzept für merhavenerinnen und Bremerhavener. Ja, wir ha- Bremen? Wie sieht die Impfstrategie aus? Wir for- ben alle Respekt vor dem Virus. Wir alle stellen den dern technische Innovationen, dass endlich die Gesundheitsschutz in den Mittelpunkt des Lebens, App funktioniert und Anwendungen integriert und genau deshalb sollten wir Leben verantwor- werden, denn so könnten auch Restaurantbesuche tungsbewusst ermöglichen. ohne Probleme ermöglicht werden.

Was wir hingegen nahezu gar nicht regulieren ist Die Pandemie drückt unseren Wohlstand und unser das Einkaufen in Supermärkten. Das geht selbst- Vertrauen massiv nach unten. Die Unternehmen verständlich unter Einhaltung der Abstands- und haben stark zu kämpfen, und es ist absolut positiv Hygieneregeln relativ normal weiter. Doch wie zu sehen, was an Hilfsmaßnahmen getroffen sieht denn das aus? Menschen, die ihr Einkaufs- wurde. Doch die müssen jetzt auch fließen. Es darf körbchen am Eingang greifen, sich dann das nicht sein, dass Unternehmen so lange auf Auszah- schönste Stück Obst heraussuchen und erst einmal lung warten oder einige jetzt am Beratungsstau der zehn andere Orangen angefasst haben, bevor die Steuerberater leiden, weil sie die geforderten Infor- richtige gefunden ist, dann die Kühlschranktüren mationen nicht bereitgestellt bekommen und so- betätigen, um an der Kasse kontaktlos zu bezahlen, lange der Zugang zu den Mittel verwehrt bleibt. damit man dann doch seinen PIN in das Gerät ein- Die Auszahlung dauert für einige, die eben kein tippt. Polster haben, leider viel zu lange.

Es wird darüber diskutiert, dass sich Viren auf glat- Es gibt auch immer noch Gruppen, die von den Hil- ten Oberflächen lange halten. Das bedeutet, dass fen ausgeschlossen sind, und die Schulendlast, die Selbstbedienungskassen, Auskunftsbildschirme in sich auftürmt, drückt schon jetzt auf die Schultern Shoppingcentern und viele andere Flächen, die be- der kommenden Generation. Diese Handlungs- rührt werden, so zu einer echten Bedrohung wer- spielräume, die wir hatten, werden die künftigen den können. Leider ist das aber viel zu wenig er- Generationen leider so nicht erleben dürfen. forscht. Es wäre dringend geboten, unser Wissen dort zu erweitern. Überall sind die Viren verteilt, Die Regierung fordert jetzt die Firmen auf, zwi- aber das nehmen wir in Kauf, und Lösungen und schen den Feiertagen Betriebsferien zu ermögli- Regulierungen sind in dem Fall noch lange nicht in chen. Doch für viele ist genau das der In- Sicht. ventur. Es ist also ein frommer Wunsch, der viele vor Probleme stellen wird, zumal es bei den Be- schäftigten zu einer Erwartungshaltung kommt, die 2332 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

mit Frust einhergeht, sofern sie dann nicht erfüllt Ein solcher Weihnachtsmarkt ist in Zeiten wie die- werden kann. sen nicht vorstellbar. Er ist nicht planbar, dort kön- nen Abstands- und Hygienemaßnahmen nicht flä- Wir müssen zu einer Strategie kommen, die uns ein chendeckend eingehalten werden, und deswegen Leben mit dem Virus ermöglicht. Ein Leben, das ist die Absage des Weihnachtsmarkts in Bremen noch lebenswert ist, damit das Vertrauen in die Re- wie an vielen anderen Orten dieses Landes natür- gierenden erhalten bleibt und die Perspektiven für lich richtig. Ein Weihnachtsmarkt passt nicht in das Morgen wieder gestärkt werden. Dabei hilft diese Zeit von Corona, Frau Wischhusen. Als CDU eben nicht nur das „zu Hause bleiben“ und „auf bleiben wir dabei. dem Sofa faulenzen“ zu propagieren. Wir haben alle großen Respekt vor dem Virus, wir wollen ihn Das schließt aber nicht aus, dass man, wie andere eindämmen und genau deshalb verhalten wir uns Städte auch, vielleicht hier und da eine Bude auf- entsprechend verantwortungsvoll. stellen kann, einen Imbiss oder einen Verkaufs- stand auch für Glühwein. Herr Güngör, wenn Sie Das Verantwortungsgefühl ist etwas sehr Essenzi- sagen – –. Ich weiß ja nicht, wie Glühwein auf Sie elles für unser gemeinschaftliches und sicheres Zu- wirkt, sonst würde ich sagen, lassen Sie uns einmal sammenleben, denn wir sind nicht nur verantwort- einen trinken. lich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun, sagte schon Molière und Albert (Heiterkeit – Beifall CDU) Camus fügte hinzu, dass die Freiheit in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten besteht. Wenn Sie schon nach einem Glühwein völlig ent- hemmt sind, finde ich, dann könnten wir einmal ei- Wir sind davon überzeugt, das Virus eindämmen zu nen trinken. Vielleicht gelingt Ihnen das ja schon können mit Innovationen, Kontrollen, mehr Tests, nach Kinderpunsch. Kontaktbeschränkungen, Erforschung der Viren- verteilung über Oberflächen, Hygieneregeln, FFP- (Heiterkeit) 2-Masken für vulnerable Gruppen, Sonderöff- nungszeiten für vulnerable Gruppen, Ermöglichen Die Wahrheit ist doch aber, es ist ein riesengroßer von echter Quarantäne – da geht auch Berlin einen Unterschied, ob ich ein Massenbesäufnis habe, wie ganz spannenden Weg durch das Anmieten von Sie es hier zeichnen, oder ob es darum geht, wie Hotels, um Quarantäne zu ermöglichen –, und na- jetzt am Wochenende in der Innenstadt, dass die türlich die Erforschung eines Impfstoffs. Daran soll- Leute, wenn sie in der Innenstadt vielleicht ihre ten wir alles setzen, uns vorbildlich verhalten und Einkäufe getätigt haben, kurz mit ihrem Ehepart- dem Virus mit entsprechendem Respekt begegnen. ner, Lebenspartner oder mit ihrem Sohn oder ihrer – Danke! Tochter einen Glühwein trinken.

(Beifall FDP) (Zuruf Abgeordneter Mustafa Güngör [SPD])

Präsident Frank Imhoff: Gibt es weitere Wortmel- Das ist doch ehrlicherweise noch kein Alkoholex- dungen? zess.

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete (Abgeordneter Mustafa Güngör [SPD]: Aber wer Thomas Röwekamp. trinkt denn nur einen?)

Abgeordneter Thomas Röwekamp (CDU): Sehr Was erlaubt bleibt, ist, dass Sie sich einen Sechser- geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da- pack bei Karstadt kaufen, um sich dann hinterher men und Herren! Lassen Sie mich zum Verlauf der unter die Rathausarkaden zu setzen und mit Ihren Debatte nur noch zu zwei Themen etwas sagen. Kumpels zu feiern. Warum ist das eine zulässig und das andere nicht? Die Verordnung, und nur das Frau Wischhusen, Weihnachtsmarkt und Glüh- habe ich gesagt, die gibt darauf keine Antwort. Le- weinbude ist, wenn man Bremen ein wenig kennt, sen Sie sich die Begründung einmal durch. Da ein großer Unterschied. Der Weihnachtsmarkt ist steht, warum wir Gastronomie nicht öffnen. Weil eines der großen touristischen Ereignisse, über die Menschen in geschlossenen Räumen, insbeson- viele Jahre mit Traditionen gewachsen. Er zieht dere unter Alkoholeinfluss, dazu neigen, Abstand hunderttausende von Menschen in unsere Stadt. und Hygiene nicht einzuhalten. Aber, meine Da- Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2333

men und Herren, wir reden nicht über geschlos- (Zuruf Abgeordneter Mustafa Güngör [SPD]) sene Räume, wir reden darüber, dass das draußen stattfindet. Deswegen bleibe ich dabei! Die GEW ist gegen Sie, der Personalrat der Schulen ist gegen Sie, Schülerinnen und Schüler verstehen Natürlich schmeckt ein Glühwein anders als eine dieses Durcheinander nicht und wollen jetzt wie- Bratwurst, Herr Güngör, aber die Verkaufssituation der, zumindest in Bremerhaven, morgen und am ist dieselbe. Verkaufen Sie den Leuten doch keine Freitag in den Streik treten. Es ist doch nicht so, blauen Brillen, wenn Sie hier sagen, der Außer- dass das, was Sie hier den Menschen als Ihre Lö- Haus-Verkauf bleibt trotzdem wirksam. Ja, Sie sung verkaufen, nachvollziehbar, schlüssig und für können sich ab morgen in der Innenstadt den Ther- jeden auch tatsächlich begründet erscheint. Das mobecher, den Verpackungsbecher geben lassen, Gegenteil ist der Fall. mit Glühwein befüllen und den zu Hause kalt trin- ken. Die Möglichkeit zum Außer-Haus-Verkauf Wir haben nicht die eine Regelung, die für alle besteht. Aber das ist doch kein Ersatz für das, über Schulen in unserem Land gilt. In einige Schulen das wir hier reden und das übrigens in anderen werden Schülerinnen und Schüler gehen, in an- Ländern, Kommunen und Städten auch stattfinden dere Schulen werden sie nicht gehen. Die einen El- kann, ohne dass die Menschen gleich massenweise tern werden sie schicken, die anderen Eltern wer- sturzbetrunken gegen Abstandsregeln verstoßen. den sie nicht schicken. Die einen über 18-Jährigen werden selbst hingehen, die anderen über 18-Jäh- (Abgeordneter Mustafa Güngör [SPD]: Wer trinkt rigen werden es nicht tun. denn nur einen Glühwein, Herr Röwekamp?) Meine Damen und Herren, das ist doch keine ge- Ich halte diese Regelung unverändert nicht für schlossene Botschaft zur Bekämpfung einer Pande- tragfähig, sehr geehrter Herr Kollege Güngör. mie. Hier ist doch gefordert, dass der Staat eine ver- nünftige Lösung, die alle Kinder gleichermaßen be- (Beifall) handelt, findet und nicht ein solches Zuständig- keitschaos verursacht. – Ganz herzlichen Dank! Dann finde ich Ihre Pirouetten in Sachen Bildung immer ein bisschen merkwürdig. Auf der einen (Beifall CDU) Seite loben Sie den Senat, dass der genau das macht, was die Ministerpräsidenten mit der Bun- Präsident Frank Imhoff: Als nächster Redner hat deskanzlerin verabredet haben. Das finde ich auch, das Wort der Bürgermeister Dr. Andreas Boven- das finden wir richtig. Dann sagen Sie, deswegen schulte. ist es ein Riesenerfolg dieses Senats, dass alles gut klappt, obwohl der Senat ja nur das macht, was vor- Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte: Sehr ge- her andere miteinander verabredet haben. Dann ehrter Herr Präsident! sagen Sie am Ende, wir in Bremen haben eigentlich die beste Lösung für die zwei Tage vorgezogene 17 Bundesländer? Ich frage nicht, wo zur Schule Ferien oder Unterrichtsfreistellung. gegangen wurde, das wäre zu billig.

Ehrlicherweise, ist doch die Wahrheit: 17 Länder (Zuruf Abgeordneter Thomas Röwekamp [CDU] – machen es anders als wir. 17 Länder leben mit der Heiterkeit) Gefahr der Durchmischung von Schülerkohorten. Ich will an dem Punkt nur noch einmal anknüpfen, (Abgeordnete Sophia Leonidakis [DIE LINKE]: 17?) denn Sie haben es nicht verstanden, Herr Röwe- kamp. Für den Großteil der Länder hat sich die 17 Länder leben damit oder 16 Länder, ich weiß Frage überhaupt nicht gestellt, weil die gar keine nicht, ob das 17. Land es genauso macht wie wir, Ferien verlängert haben. Das haben sie nämlich aber 16 Länder leben auf jeden Fall mit diesen von nicht gemacht, sondern die haben die Ferien da, wo Ihnen an die Wand gemalten Riesengefahren für jetzt die anderen sieben Länder ihre verlängerten Schülerinnen und Schüler. Nur Bremen sei sicher. Ferien haben wollen. Für zum Beispiel Das ist doch Unsinn, Herr Güngör, das wissen Sie hat sich die Frage nicht gestellt, insofern ist es nur ganz genau und Sie wissen es auch genau, wenn ein Teil. Von den Ländern, die sich dazu neu posi- Sie hier immer sagen, der Zentralelternbeirat sei da tioniert haben, hat Thüringen auch einen anderen an ihrer Seite, was sein mag. Weg eingeschlagen. Insofern sind die Verhältnisse nicht so eindeutig, wie Sie es benennen. 2334 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

Ansonsten sind dazu die Argumente ausgetauscht. werfen, jeden Begriff, Wechselunterricht, Hybrid- Wenn man bundesweit Familie hat – zum Beispiel unterricht, Halbklassen und so weiter und so fort, in Nordrhein-Westfalen, und mein Brüderchen und sondern man muss schon wissen, was man mit wel- seine Familie jetzt überlegen müssen, wie sie das cher Sache meint. machen und in Nordrhein-Westfalen handhaben, oder die Frage mit der Notbetreuung und der Un- Natürlich ist völlig klar, dass man in Pandemiezei- sicherheit, gibt es eine Notbetreuung, gibt es keine ten auch Distanzunterricht machen kann und Notbetreuung, in welchem Zusammenhang ist das, braucht, dass die ganze Klasse dann eine Zoom- haben die Lehrer Präsenzpflicht, ja, sie haben übri- Vorlesung oder Zoom-Unterricht hat, wenn denn gens Präsenzpflicht, oder haben sie keine Präsenz- die technischen Voraussetzungen da sind und das pflicht – dann stellt man fest, Diskussionen gibt es Infektionsgeschehen es erfordert und sie nicht phy- natürlich überall, weil ganz viele Menschen keiner- sikalisch vor Ort anwesend sind. Ja, das kann not- lei Urlaub oder andere Möglichkeiten mehr haben, wendig sein. Es kann auch notwendig sein, dass, ihre Kinder zu betreuen. wenn das Infektionsgeschehen ganz schlimm ist, eine Schule oder ein Teil einer Schule geschlossen Da muss man doch nicht so tun, wenn die Ferien wird – aber schulscharf! vorgezogen werden, dass damit die Probleme ge- löst sind. Nein, die fangen in den Ländern erst an, Es kann auch notwendig sein, dass Klassen geteilt weil völlig unklar ist, gibt es Notbetreuung, in wel- werden. Nur muss man sich doch dann deutlich chem Umfang gibt es sie, in welchen Kohorten wird machen, dass geteilte Klassen eben bedeuten, dass sie durchgeführt? In Bremen gibt es da eine abso- der Lehrer oder die Lehrerin immer nur dieser hal- lute Klarheit: Wer sein Kind nicht zu Hause lässt, ben Klasse die Aufmerksamkeit widmen kann und, der schickt es ganz normal in die Schule. Das ist wenn die halbe Klasse sich in der Schule befindet, klar, einfach und präzise, aber das ist nicht die die Lehrerin oder der Lehrer zur selben Zeit nicht beste aller Welten. Die beste aller Welten wäre, über Zoom oder über andere Dinge den anderen wenn wir ganz normal Schule hätten. Teil der Klasse unterrichten kann, sondern die mit einer Aufgabe zu Hause sitzen, aber ohne Unter- (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen) richt im eigentlichen Sinne zu haben.

Das ist aber mindestens so klar und präzise wie das Das kann notwendig sein, aber wir wissen doch, Vorziehen von Ferien. Das muss an dieser Stelle dass das dann nur in der Tendenz die Hälfte des noch einmal deutlich gesagt werden. Hören Sie Unterrichts bedeutet. Ja, das wird dann ein wenig doch auf mit Ihrer Legendenbildung. dadurch kompensiert, dass die Lerngruppen klei- ner sind. Aber man glaubt doch nicht, dass man in (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) zwei Wochenstunden Deutsch das Gleiche lernt wie in vier Wochenstunden Deutsch. Selbst wenn Dann gibt es natürlich auch noch die Länder, die es in den kleinen Gruppen besser läuft. Trotzdem jetzt vor den vorgezogenen Ferien noch einmal kann es aus Gründen des Infektionsschutzes im Tage vorschalten, an denen es den Eltern freige- Einzelfall notwendig sein, wo man sich die Situa- stellt wird, ihre Kinder herauszunehmen oder nicht tion in den Schulen vor Ort genau anschaut. Ich herauszunehmen. Die haben sozusagen die dop- plädiere sehr dafür, diese sachliche Klarheit und pelte Regelung, die vorgezogenen Ferien mit dem Nüchternheit in der gesamten Diskussion nicht zu Problem der Notbetreuung und dann noch einmal vergessen. zwei Tage vorher, an denen es den Eltern freige- stellt wird, die Kinder zur Schule zu schicken oder Dritter Punkt: Es ist richtig, dass man kritisch mit nicht. Wenn uns hier der Vorwurf gemacht wird, es Zahlen umgeht. Man muss aber auch ein wenig wäre unklar und nicht stringent, dann wüsste ich aufpassen, dass man nicht so tut, als ob Zahlen jetzt nicht, wie Ihre Wertung an anderer Stelle ausfallen gar nichts mehr aussagen. Wenn man das nämlich würde. tut, dann zerstört man die Grundlage von rationaler Debatte. Herr Röwekamp, Sie haben gesagt, der Der zweite Punkt: Ich will zum Thema Schule nicht Bürgermeister hat da von den ganzen Inzidenzen zu viel sagen. Ich will nur dafür plädieren, die geredet, was sagt das denn schon alles aus? Da gibt Dinge einfach sachlich zu diskutieren. Dann kann es ja ganz viele Indikatoren. man immer noch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, aber man muss sie wenigstens sachlich Zum einen normiert das Bundesinfektionsschutz- diskutieren. Man darf nicht alles durcheinander gesetz ausdrücklich, dass es entscheidend auf die Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2335

Inzidenz ankommt, die sieben-Tage-Inzidenz, das so geht das nicht, dass die Trauerfeier aufgelöst steht in § 28a Absatz 3 des Bundesinfektionsschutz- wurde und dass darauf mit den notwendigen recht- gesetzes. Das ist ja immerhin schon etwas, sodass lichen Mitteln geantwortet wird. Das ist die Anfor- man nicht sagen kann, ach, ob Inzidenz oder etwas derung, aber genau das machen wir doch. Es kann anderes, ist doch alles egal, einmal umgerührt, doch niemand sagen, dass man bei den Kontrollen Hauptsache man hat Zweifel daran gesät, ob das wegschaut. irgendetwas aussagt. Wer sich die Leistungsbilanz des Ordnungsamtes Meine These ist, sehr kritisch mit den Zahlen um- und der Polizei in den letzten Wochen anschaut, die zugehen, aber nicht so zu tun, als ob sie gar nichts kann man in vielen Pressemitteilungen nachlesen, aussagen. Wenn sich die Inzidenz des Landes von der wird feststellen, es gibt einen ganz klaren und 225 auf 115 verringert, dann mag das nicht die ab- deutlichen Kontrolldruck. Unsere Linie ist, wir solute Realität abbilden, veränderte Teststrategie, glauben, die meisten Menschen übernehmen Ver- andere Gründe und so weiter und so fort, aber dass antwortung, aber wer das nicht tut und wer nicht es gar nichts aussagt, stimmt nicht. hören will, der muss fühlen. Das ist die klare Hal- tung des Senats, und die setzen wir auch in die Pra- Wenn in Bremen der Reproduktionswert, also die xis um. Dafür brauchen wir keine Belehrung der Zahl, die darüber Aufschluss gibt, wie viele Men- Opposition. schen ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, bei 0,76 liegt und damit der niedrigste Wert von allen (Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) Bundesländern ist, dann mag das so nicht richtig sein. Vielleicht ist er auch 0,84 oder 0,92, aber dass Quadratmeterzahlen in Geschäften: Frau Wisch- er der niedrigste Wert von allen Bundesländern als husen, es ist nicht so, dass ein Geschäft mit 801 Momentaufnahme ist und doch etwas aussagt, das Quadratmetern plötzlich 20 Quadratmeter pro kann man gar nicht bestreiten. Kunde vorhalten muss, sondern es geht immer um den 800 Quadratmeter übersteigenden Anteil. Wa- Wenn die Verdopplungszeit, also die Zeit, in der rum haben wir diese Differenzierung gemacht? sich die Infektionsbestandsrate verdoppelt, in Bre- Weil das Leben natürlich auch ein Ausgleich von men die höchste von allen Bundesländern ist und Interessen ist. Wenn man die 20-Quadratmeter-Re- gestern bei 55, glaube ich, lag, dann mag es sein, gel für jedes kleine Geschäft gemacht hätte, hätte dass die absolut nicht richtig ist, vielleicht lag sie man zwar erreicht, dass kein Kunde mehr darin ist, auch nur bei 40 oder bei 32, aber dass es gar nichts dann hätte man aber diese Geschäfte zugrunde ge- aussagt, das glaube ich nicht. richtet.

Wenn die Zahl der Bremerinnen und Bremer, die Deshalb, ja, gilt für kleinere Geschäfte die 10- im Krankenhaus sind, jetzt langsam zurückgeht, Quadratmeter-Regel, und für den 800 Quadratme- dann muss das nicht so bleiben, leider, dann kann ter übersteigenden Anteil der Verkaufsfläche die der Trend sich auch wieder umkehren. Dass es 20-Quadratmeter-Regel, weil wir gesagt haben, wir aber gar nichts aussagt, stimmt nicht! müssen etwas tun, wir müssen in den großen Ein- heiten, auch in den Shoppingmalls und in den gro- Wir müssen aufpassen in der rationalen, wissen- ßen Geschäften versuchen, die Zusammenballung schaftlich gestützten Argumentation, dass wir uns von Menschen herunterzufahren und zu regulieren nicht selbst die rationale Grundlage nehmen. Wenn als einen Beitrag dazu, das Infektionsgeschehen in etwas so aussieht wie es aussieht, ich wollte jetzt den Griff zu bekommen. keinen unpassenden Vergleich bringen, dann ist häufig auch etwas daran, und man kann die Dinge Natürlich ist das eine Einschränkung, aber es ist nicht vollständig von der Hand weisen. Wenn wir keine willkürliche, sondern es ist eine, die versucht, das tun, können wir gar nicht mehr miteinander die Schwierigkeit des Interessenausgleichs aufzu- diskutieren. nehmen und mit einer differenzierten Regel zu be- antworten. Ich sage nicht, dass man nicht eine an- Ich wollte dann zum Punkt der Kontrolle kommen. dere hätte machen können. Willkür ist das aber Ja, natürlich ist es richtig, dass keine Trauerfeiern überhaupt nicht, sondern dahinter stehen ein kla- mit hunderten von Leuten stattfinden können. Das res Ziel und eine klare Haltung. Ob das die best- Entscheidende ist aber doch, dass kein Mensch mögliche Regelung ist oder ob es noch bessere gibt, wegschaut, sondern das Entscheidende ist doch, darüber mag jeder streiten. Es ist jedenfalls eine, dass reagiert wurde, dass ganz klar gesagt wurde, die ein klares Ziel verfolgt. 2336 Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) mehr und was wir haben, ist eine faktische Außen- gastronomie. Da fehlt noch der Tisch zum Abstellen Ich habe extra das Thema Glühwein zuletzt ge- des Glühweins, dann hätten wir eine Außengastro- nommen, damit nicht gesagt wird, wir haben nichts nomie. anderes und nichts Besseres zu tun, als die Glüh- weinfrage zu erörtern, und wie enthemmend er Jetzt stellt sich die Frage, wie konsequent das denn wirkt und wie es mit Punsch ist und mit dem Eis- ist? Können wir jetzt die Außengastronomie an- brecher und den verschiedenen Zubereitungsarten sonsten verbieten und an der anderen Stelle eine des Glühweins. Ich finde aber die Debatte richtig, faktische Außengastronomie zulassen? Das ist ja vielleicht wegen der Bedeutung selbst. Das glaube erst einmal ein Problem, das kann man nicht weg- ich aber nicht einmal, sondern wegen der Sache, diskutieren und sagen, der Senat hat wieder kein die sich darin zeigt, und der Schwierigkeit, die sich Verständnis für die Leute. Nein, das ist ein echtes darin zeigt. Nämlich die Schwierigkeit, das richtige Problem. Dann überlegt man sich, wie man mit Maß, die richtige Mitte und die richtige Abgren- dem Problem umgehen kann, weil man ja auf der zung zu finden. anderen Seite möchte, dass da etwas passiert und weil die Leute ja auch gern einen Glühwein trin- Mir hat diese Debatte wieder etwas gebracht. Wir ken. Wie bekommt man das jetzt in den Griff? Da werden als Senat auch noch einmal darüber nach- sagt man, na ja, wir wollen keine faktische Außen- denken. Ich werde das auch ganz offen sagen. gastronomie, aber vielleicht wollen wir ja die Mög- lichkeit nicht ruinieren. Es ist das Richtige, so steht Die Problematik ist doch folgende: Wir schließen es jetzt in der Verordnung, man kann den Glüh- die Gastronomie und auch die Außengastronomie, wein bedeckt, also nicht offen, verkaufen. nicht nur innen, auch die Außengastronomie, weil wir sagen, wir wissen nicht genau, wie das Infekti- Dann sagt man, ja, das ist ja auch ein bisschen blöd, onsgeschehen ist, aber bestimmte Bereiche führen dann trägt man ihn mit nach Hause, dann ist er kalt, zu vermehrten sozialen Kontakten. Die haben wir und dann fehlt auch jede soziale Interaktion, die geschlossen, um die Kontaktdichte zu reduzieren damit ja auch verbunden ist. Wenn man es aber als einen Beitrag zur Eindämmung des Virus. Das nicht reguliert, stehen am Ulrichsplatz, wo Mas- ist die Logik. Das haben hier auch alle in der De- kenpflicht ist, viele Gruppen und trinken den Glüh- batte so benannt, nicht weil wir gesagt haben, laut wein und damit ist es eine faktische Außengastro- Untersuchung XY, sind die Kneipen an der und der nomie ohne Maske. Was macht man? Vielleicht Stelle für X-Prozent des Infektionsgeschehen ver- müssen wir die Verordnung dahingehend ergän- antwortlich, sondern aus der grundsätzlichen Ar- zen, dass wir sagen, es ist nicht erlaubt, Glühwein gumentation heraus. Wir haben nicht nur die In- zum Zwecke des Verzehrs vor Ort zu verkaufen o- nenräume, sondern auch die Außengastronomie der eine ähnliche Regelung, damit wir die Grenze geschlossen. zwischen dem, was möglich ist, und dem, was nicht möglich ist, noch genauer ziehen können. Wir haben richtigerweise auch den Weihnachts- markt als zentrale touristische Veranstaltung unter- Meine Damen und Herren, ich stelle das aber des- sagt, was ganz bitter ist, aber weil wir wissen, da halb so dar, weil man mit jeder denkbaren Rege- kommen, das ist ja der Sinne der Sache, viele Men- lung natürlich eine Schwierigkeit hat, die Grenze schen zusammen. Die stehen dicht an dicht, und genau zu ziehen und Gefahr läuft, Widersprüche zu die stehen dann auch draußen und trinken Glüh- produzieren. Nicht, weil der Senat nicht nachden- wein. Diesen Effekt wollen wir nicht, insbesondere ken kann, sondern weil die Materie so ist, dass die auch, weil wir die Gastronomie und die Außengast- Abgrenzung immer schwierig ist und man Gefahr ronomie geschlossen haben. läuft, Widersprüche zu produzieren. Deshalb wer- den wir eine Entscheidung treffen müssen. Jetzt haben wir Glühweinbuden. Die fangen an, Glühwein zu verkaufen. Das war ja auch gar kein Bei jeder Entscheidung, die wir treffen, wird es Problem, da haben wir gesagt, die verkaufen halt aber auch die entsprechende Kritik geben. Trotz- Glühwein. Im Laufe der Zeit, weil die Menschen dem fand ich es gut und richtig, denn das ist die natürlich auch etwas anderes haben wollen, stehen Aufgabe der Debatten. Nicht, dazu ist es nicht immer mehr Menschen dort herum, trinken Glüh- wichtig genug, an der Glühweinfrage festgemacht, wein. Das lässt sich am Ulrichsplatz, da sehe ich es aber grundsätzlich ist die Debatte darüber, was in am häufigsten, aber ich sehe es auch an anderen Pandemiezeiten die richtige Grenzziehung ist, zwi- Punkten, sehr gut beobachten. Es werden also schen den notwendigen Einschränkungen aus Bremische Bürgerschaft (Landtag) – 20. Wahlperiode – 18. Sitzung am 30.11.2020 2337

Gründen des Gesundheitsschutzes und den mil- Dann sind wir mit diesem Tagesordnungspunkt desten Mitteln aus Gründen der Verhältnismäßig- fertig und die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von keit und weil das Leben ja auch anders weiterge- der Regierungserklärung des Senats Kenntnis. hen muss. Das kann man an dieser Frage exempla- risch deutlich machen. Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der Tagesordnung dieser Sondersitzung angekom- Insofern habe ich mir jetzt einmal mit den verschie- men. Ich bedanke mich, schließe die Sitzung und denen Punkten etwas mehr Zeit genommen, auf wünsche Ihnen eine schöne Woche. die Debatte einzugehen als bei den letzten Regie- rungserklärungen. – Herzlichen Dank!

(Beifall SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE) (Schluss der Sitzung 12:14 Uhr)

Präsident Frank Imhoff: Ich schaue jetzt noch ein- mal in die Runde. Gibt es noch weitere Wortmel- dungen? – Das ist nicht der Fall.