Corona: Was tut der öff entlich-rechtliche Rundfunk jetzt für die Kultur? Seiten 15 bis 18 , € März 3 

Zeitung des Deutschen Kulturrates www.politikundkultur.net In dieser Ausgabe: Wiebke Ahrndt Katrin Budde Umsatzminus . Wahlperiode Digitales Arabellion Amelie Deufl hard Die Umsätze der Kultur- und Die Bundestagswahl naht: Was Von #anstanddigital über ein Was ist aus dem Arabischen Moritz Eggert Kreativwirtschaft sind auf das haben die kulturpolitischen För derprogramm zur Sicherung Frühling geworden? Welche Jahr  zurückgeworfen: Was Sprecherinnen und Sprecher der Urheberrechte: Vieles ist in Aufbrüche, Umbrüche und Monika Grütters heißt das für die Zukunft? erreicht und was ist noch zu tun? Sachen Digitalisierung zu tun Abbrüche gibt es noch heute? und viele andere Seite  Seiten  und  Seiten  und  Seiten  bis  Abgeschoben In der Coronakrise stellen sich vie- le die Frage, warum der Kulturbe- reich eigentlich in den Medien so wenig gehört wird. Das ist nicht richtig, es werden viele aus dem Kulturbereich gehört, aber leider oft die Falschen. Ein schönes Beispiel ist der nicht off ene, aber in die Öff entlichkeit gespielte Brief von einigen Muse- umsdirektorinnen und Museumsdi- rektoren. Sie fordern richtigerweise eine schnelle Öff nung der Museen. Der Brief beschäftigt das Feuilleton wochenlang. Der Deutsche Muse- umsbund, der Interessenverband der Museen, der in der Krise eine sehr gute Arbeit macht und die Verhand- lungen über eine Wiedereröff nung mit der Politik führt, blieb weitge- Corona-Blues hend medial vor der Tür. Das Feuilleton nimmt sich kul- turpolitischer Fragen gerne so an, wie es vor der Krise über eine neue und dann? Inszenierung diskutiert hat. Der per- sönliche Standpunkt ist das Credo. So notwendig dieses Vorgehen bei Ein Jahr: Corona versus Kultur. Seiten  bis  Kunstkritik ist, so wenig hilfreich ist es bei der Einordnung von kul-

turpolitischen Erfordernissen in der HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Pandemie. Ein weiteres Beispiel dafür ist die Kritik an der Künstlersozialkasse. Künstlerinnen und Künstler fl iegen massenweise aus der Künstlersozi- alversicherung, so konnte man le- sen, weil sie entweder ihre Beiträge Mehr als ein Lichtblick im nicht mehr bezahlen können oder weil ihre Nebeneinkünfte aus nicht künstlerischer Tätigkeit mehr als Lockdown die Hälfte ihrer Gesamteinkünfte betrugen. Aber der Vorwurf ist un- Zwei Milliarden für NEUSTART KULTUR begründet, etwas Recherche bei der Künstlersozialkasse hätte Klarheit MONIKA GRÜTTERS Frühjahr  zunächst mit einer Milliarde Euro Nachdruck für eine massive Aufstockung der Mittel gebracht. ausgestattet, löst diesen Anspruch ein. Obwohl Kul- eingesetzt. Mit Erfolg: Der Koalitionsausschuss der Es ist eine unsägliche Aufteilung ann kann es endlich wieder losgehen? Wann tur in Deutschland bekanntlich in erster Linie in der Bundesregierung hat Anfang Februar entschieden, in den Medien. Immer wenn irgend- W können Museen, Kinos, Theater, Konzerthäuser Verantwortung und Zuständigkeit der Länder liegt, ist eine weitere Milliarde für NEUSTART KULTUR be- wo die Worte Kunst, Künstler oder und Musikclubs endlich wieder ihre Pforten öff nen? das Bundeskulturressort das einzige Ressort, das ein reitzustellen. Damit werden sich die Corona-Hilfen Kultur auftreten, wird das Thema Wann können Künstlerinnen und Künstler, Kulturein- eigenes Hilfspaket bekommen hat – eine Anerken- kurzerhand ins Feuilleton abge- richtungen und Kulturveranstalter ihre Kraft endlich nung der gesamten Bundesregierung für die immense schoben. Die Tagesschau und auch wieder frei entfalten? Ich wünschte, ich könnte diese Belastung, die wir der Kultur- und Kreativbranche Binnen kürzester Zeit hat das heute-journal machen das sehr ebenso dringlichen wie drängenden Fragen, die mich zumuten, aber auch eine Anerkennung ihrer gesamt- NEUSTART KULTUR seine schön deutlich. Die Not des Handels seit Monaten tagtäglich in Briefen, E-Mails und per- gesellschaftlichen Bedeutung. Mithilfe inhaltlicher Wirkung bundesweit entfaltet und der Gastronomie im Lockdown sönlichen Gesprächen erreichen, mit einem konkreten, Anregungen und administrativer Unterstützung von wird regelmäßig im ersten Teil der nicht allzu fernen Datum beantworten. Denn natür- Fonds, Verbänden und weiteren Kooperationspartnern und stößt in der Kunst- und Sendungen vorgestellt. Über die lich bewegen mich die Nöte und die Verzweifl ung all ist es ab dem Sommer  gelungen, ein Programm Kulturbranche auf enorme Not im Kulturbereich wird, wenn jener, denen der wochen-, ja mittlerweile monatelan- mit rund  einzelnen Förderlinien aufzusetzen. Es Resonanz überhaupt, kurz vor dem Wetter in ge Lockdown die Existenzgrundlage und die Zukunfts- berücksichtigt die Bedürfnisse einzelner Künstlerin- einer Homestory bei einem Künstler perspektiven raubt. Die vielen Einzelschicksale, um nen und Künstler ebenso wie die Belange kultureller berichtet. die es hier geht, aber auch die geistige und seelische Institutionen, die ihre Häuser auf pandemiegerechten im Rahmen dieses Programms auf insgesamt zwei In den großen Tageszeitungen Verarmung, die mit dem Verstummen der Kultur zu Betrieb umstellen. Die ersten Anträge konnten schon Milliarden Euro belaufen, also auf eine Summe, die herrscht derselbe Verschiebebahn- befürchten ist, können und dürfen nicht einfach als im September  gestellt werden, nicht zuletzt dank dem gesamten Jahresetat der BKM entspricht! Die hof vor. Kulturpolitik gehört ins Kollateralschaden notwendiger Infektionsschutzmaß- der guten Zusammenarbeit mit den Mitgliedsverbän- zusätzliche Kulturmilliarde versetzt uns in die Lage, Feuilleton und damit aufs politi- den des Deutschen Kulturrates. Ohne ihre Branchen- die zum Teil immensen Mehrbedarfe zu decken, die sche Abstellgleis. Nur der Hörfunk kenntnis, ohne den intensiven und engen fachlichen einzelne Programmlinien bereits zum Jahresende versucht gegenzusteuern. Austausch hätten wir so viele Förderlinien in so kurzer verzeichnet haben, und gleichzeitig dort neue Mittel Kein Wunder, wenn die Politik Infrastruktur sichern, damit Zeit wohl nicht an den Start bringen können. Bereits auszuschreiben, wo wir Bedürfnisse bisher noch nicht glaubt, der Kultur-Lockdown ist keine Arbeitsplätze wegfallen: zum Jahresende , also nach vier Monaten, war ausreichend berücksichtigen konnten. So ist es mir schon nicht so schlimm. Dieser Anspruch hatte dabei für mit rund  Millionen Euro beinahe das gesamte beispielsweise ein dringendes Anliegen, etwa in Form Ich wünsche mir sehr, dass der mich oberste kulturpolitische Budget konkret verplant, belegt und den Fonds und von Stipendien noch mehr direkte Unterstützungsan- Kultur-Lockdown endlich endet und Verbänden zur Verfügung gestellt. Bereits bewilligt gebote für individuell betroff ene Künstlerinnen und das Feuilleton dann endlich wie- Priorität waren  Millionen Euro. Künstler zu schaff en. der über neue Inszenierungen und Diese Zahlen und auch die Rückmeldungen der Ihren vielfältigen Lebens- und Arbeitsformen bes- Biennalen berichten kann. Viel- mittelausreichenden Partner belegen: Binnen kür- ser als zu Beginn der Pandemie Rechnung zu tragen leicht schaff t es die Kulturpolitik nahmen in Kauf genommen werden. Deshalb habe zester Zeit hat NEUSTART KULTUR seine Wirkung und passgenaue Unterstützung insbesondere auch dann einmal in den Politik- oder ich mich von Anfang an dafür eingesetzt, dass der bundesweit entfaltet und stößt in der Kunst- und Kul- für Soloselbständige und kurz befristet Beschäftigte Wirtschaftsteil der Kultur- und Kreativbereich in größtmöglicher Form turbranche auf enorme Resonanz. Es freut mich sehr, zu ermöglichen, war neben der Sicherung der kul- Medien, wo sie hin- von den Corona-Hilfen der Bundesregierung profi tiert. dass wir auf diese Weise die kulturelle Infrastruktur turellen Infrastruktur ein weiterer kulturpolitischer gehört. Infrastruktur sichern, damit keine Arbeitsplätze weg- und damit auch Arbeits- und Einkommensmöglich- Fortsetzung auf Seite  fallen: Dieser Anspruch hatte dabei für mich oberste keiten für Künstlerinnen, Künstler und Kreative er- Olaf Zimmermann kulturpolitische Priorität. halten können. Bei der ersten Aufl age des NEUSTART- Nr. / ist Herausgeber von Das Zukunfts- und Soforthilfeprogramm NEU- Programms  war der zweite Lockdown aber na- ISSN - Politik & Kultur START KULTUR, nach dem ersten Lockdown im türlich nicht eingepreist. Deshalb habe ich mich mit B   02 SEITE  www.politikundkultur.net

EDITORIAL

Abgeschoben Möller meint: Jüdisches Leben in Porträt Peter Raue: Inneres Feuer Musikbranche: Die lange Design: Sich neu und anders Olaf Zimmermann 01 Deutschland: Start ins Gedenkjahr für Kultur und Gerechtigkeit Wertschöpfungskette der Musik in erfi nden Johann Michael Möller 11 Andreas Kolb 21 den Blick nehmen Boris Kochan 35 Hans Jessen im Gespräch mit Christian LEITARTIKEL Keuchels Kontexte: Rückkehr Höppner 29 Industriedesign: Bitte bloß nicht EUROPA zu einer moralisierenden zurück zur Normalität NEUSTART KULTUR: Mehr als ein Gesellschaft? Orchester: Erfolge nicht verspielen Stefan Eckstein 35 Lichtblick im Lockdown Sieben Jahre Kreatives Europa Susanne Keuchel 21 Gerald Mertens 30 Monika Grütters 01 KULTUR Psychische Folgen: Lea Stöver 11 Personennachrichten 22 Deutscher Bühnenverein: Nutzen-Risiko-Abwägung Devise: Spielbereit sein Ulrich Hegerl 36 AKTUELLES Rezensionen 22 Marc Grandmontagne 30 INTERNATIONALES Claussens Kulturkanzel: Kulturwirtschaft und Corona: Dachverband Tanz: Arbeits- Langersehnte Freude Um Jahre zurückgeworfen Goethes Welt Afrika: Geschichten EIN JAHR: CORONA fähigkeit der Tanzszene erhalten Johann Hinrich Claussen 36 Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz 03 aus den Kästchen VERSUS KULTUR Michael Freundt 30 Salam Yousry 12 Was tun die Länder? Corona-Blues: Zombies geistern Berliner Clubs: Es geht um Nähe Länderprogramme und -initiativen INLAND Demokratie in Ägypten: durch die Städte Pamela Schobeß 31 zur Linderung der Corona-Not im Fata Morgana Arabischer Olaf Zimmermann 23 Kulturbereich 37-41 Kulturpolitik: Endspurt im Frühling Clubs und Festivals: Was jungen Deutschen Bundestag Reinhard Baumgarten 13 Bühnen: »Wir brauchen Scham Menschen fehlt Post-Corona-City: Die kulturpolitischen Sprecherinnen und und Ironie« Maike Karnebogen im Gespräch mit Marc Zurück in die Zukunft? Sprecher der im Bundestag Bildung in Tunesien: Zwischen Ludwig Greven im Gespräch mit Wohlrabe 31 Ulf Meyer 42 vertretenen Parteien geben Auskunft 04-05 Aufbruch und Reformstau Ulrich Khuon 24 Renate Dieterich 14 Film: Perspektiven schaff en Deutscher Landkreistag: Wichtige Stimme aus dem Parlament: Deutsche Jazzunion: Nicht allein Thomas Negele 32 kulturelle Substanz Das kulturelle Leben wieder an den auf Improvisation bauen Jörg Freese 43 Start bringen MEDIEN Urs Johnen 25 Film & Fernsehen: Über den Berg Katrin Budde 06 sind wir dennoch nicht Eine Perspektive für die Kultur in 50 Jahre Sendung mit der Maus: Freie Szene: Rasender Stillstand Christoph Palmer 32 den Städten Koloniales Erbe: Kooperation statt »Sie weiß Bescheid« Stephan Behrmann 25 Klaus Hebborn 43 Rückgabe? Sandra Winzer 14 Games-Branche: Spielend leicht Ludwig Greven im Gespräch mit Komponisten: Die eigentliche in der Krise? Kommunen: Wiebke Ahrndt 07 Öff entlich-rechtlicher Rundfunk: Krise kommt noch Felix Falk 32 Wege aus der Krise Kulturauftrag als Sparauftrag? Moritz Eggert 25 Uwe Lübking 43 Internet: #anstanddigital Helmut Hartung 15 Galerien und Kunsthändler: Johann Hinrich Claussen und Joachim Hake 08 Theater: »Wir müssen unsere Lights on – Unlock! Der öff entlich-rechtliche Relevanz klarer behaupten« Kristian Jarmuschek und DAS LETZTE NEUSTART KULTUR: Rundfunk als Kulturanbieter Ludwig Greven im Gespräch mit Amelie Birgit Maria Sturm 33 Geht nicht gibt’s nicht Statements der öff entlich-rechtlichen Deufl hard 26 Kurz-Schluss Robin Mishra 08 Rundfunkanstalten 16-18 Buchhandel: Wir brauchen Theo Geiẞler 44 Modedesign: Mode-Kultur geöff nete geistige Tankstellen 5 Minuten Urheberrecht: Mara Michel 27 Alexander Skipis 33 Die P&K Fake-News 44 Vorgehen bei OSTWEST Urheberrechtsverletzungen PERSPEKTIVEN Schriftsteller gehen bei den Bibliotheken: Analog geschlossen, Karikatur 44 Robert Staats 09 Bundeshilfen oft leer aus digital off en Orchester: Ein kulturpolitischer Lena Falkenhagen 27 Barbara Schleihagen 33 Impressum 44 Deutschlernen: »Sprache Kraftakt ist ein Schlüsselfaktor der Gerald Mertens 19 Bildende Kunst: Professionelle Museen: Kultur ist der Schlüssel Selbstverwirklichung und Arbeit professionell Sylvia Willkomm 34 Zugehörigkeit« vergüten DER AUSBLICK 4  Kristin Braband im Gespräch mit Bjeen KULTURELLES LEBEN Dagmar Schmidt 27 Soziokultur: Ein Auf und Ab Alhassan 10 Heike Herold und Georg Halupczok 34 Die nächste Politik & Kultur Bühnen nach Corona: Live-Kunst: Vorerst erscheint am . April . Reisebücher: Neuer deutscher Zurückgewinnung von Zuschauern geschlossen Krisengebeutelte Kulturelle Im Fokus steht das Thema Orientalismus Hans Jessen im Gespräch mit Sandra Winzer im Gespräch mit Sebastian Bildung nachhaltig stützen »Jüdisches Leben in Deutschland«. Ein Kommentar von Behrang Samsami 10 Berndt Schmidt 20 Nordmann 28 Susanne Keuchel 34

Fortsetzung von Seite 

Arbeitsschwerpunkt im zweiten Lock- zeit den Vorschlag zur Errichtung eines turellen Gemeinschaftserlebnissen im schutzaufl agen bestmöglich vorzube- down. Schon im Frühjahr und Sommer Internetportals um, das über diese För- Kino und bei Konzerten ebenso groß reiten. »In keinem Land weltweit wird  habe ich – so wie Kulturpolitike- dermöglichkeiten informiert und die ist wie die Sehnsucht der Künstlerin- die Kultur in Corona-Zeiten so üppig rinnen und Kulturpolitiker der Länder Antragstellung erleichtert. nen und Künstler nach Bühne und unterstützt«, kommentierte dies schon – solche Hilfen gefordert, unter anderem In den nächsten Wochen wird es nun Publikum und der Wunsch aller in der im August  die Kulturjournalistin im Corona-Kabinett. Mit den November- vor allem darauf ankommen, konkrete Kulturbranche Beschäftigten, mit Pla- Maria Ossowski im rbb. »Wenn ich mit und Dezemberhilfen, besonders aber Öff nungsperspektiven für Kulturein- nungssicherheit endlich wieder an die Kollegen aus Großbritannien und den mit der Neustarthilfe im Rahmen der richtungen und Kulturveranstalter zu Arbeit zu gehen. USA spreche, höre ich immer wieder, Überbrückungshilfe III gibt es für sie erarbeiten. Ich appelliere an die zustän- wie sehr sie uns in Deutschland um nun endlich auch eigenständige passge- digen Länderministerinnen und -mi- Jetzt kommt es vor die staatliche Hilfe beneiden«, sagte naue Hilfen. Sie haben die Möglichkeit, nister, dabei diff erenziert vorzugehen, der Kölner Kunsthistoriker und Mu- eine Pauschale von bis zu . Euro statt großfl ächig an pauschalen Schlie- allem darauf an, seumsdirektor Yilmaz Dziewior am zu beantragen – unabhängig von be- ßungen festzuhalten. Kultureinrich- konkrete Öff nungs- . Januar  in einem Interview im trieblichen Fixkosten. Dabei werden auf tungen waren die ersten, die schließen perspektiven für Kölner Stadtanzeiger. Selbst in der meine Initiative nun auch kurz befristet mussten, sie dürfen nicht die letzten Kultureinrichtungen Washington Post wurde das Engage-

Beschäftigte im Bereich der darstellen- JUNGWOLFF A. ELKE FOTO: sein, die wieder öff nen dürfen. Insbe- ment der BKM für die Kultur von ei- den Künste ausdrücklich einbezogen Monika Grütters sondere für Museen gilt: Ihre Lüftungs- und -veranstalter zu nem Theaterkritiker, Peter Marks, vor – ein wichtiges Signal gerade auch für anlagen sind in der Regel auf höchstem erarbeiten Kurzem ausdrücklich gewürdigt. Auf Schauspielerinnen und Schauspieler. ansetzen. Auch auf europäischer Ebene Niveau; außerdem haben sie hervorra- dieses Engagement können alle, die mit Ich hoff e sehr, dass die Hilfen des habe ich mich für Verbesserungen ein- gende Hygienestandards erarbeitet und Viele Kultureinrichtungen sind seit Kunst und Kultur ihren Lebensunter- Bundes der Kultur nicht nur in den gesetzt: Hier ist es im Rahmen der deut- umgesetzt. Auch in Konzerthäusern mittlerweile elf Monaten geschlossen. halt verdienen, auch weiterhin zählen. nächsten Monaten das Überleben schen EU-Ratspräsidentschaft gelun- mit guten Lüftungsanlagen ist das An- In einer europaweiten Studie hat Ernst Im intensiven und engen fachlichen sichern, sondern dass sie auch die gen, das für Kultur und Medien zentrale steckungsrisiko – das haben mehrere & Young festgestellt, dass die Kultur- Austausch mit dem Kulturrat und sei- langfristigen Folgen der Pandemie Förderprogramm »Kreatives Europa« ab wissenschaftliche Studien gezeigt – bei und Kreativwirtschaft mit  Prozent nen Mitgliedsverbänden werden wir lindern. In jedem Fall schaff en sie Be-  mit rund  Millionen Euro zu- Besetzung des Saals im Schachbrett- die mit am schwersten getroff ene Bran- – und damit meine ich insbesondere wegungsspielraum für die Kommunen, sätzlich – und das bedeutet: mit einem muster und Maskenpfl icht für das Pu- che ist – nach der Luftfahrt, aber sogar auch die BKM-Mitarbeiterinnen und die mit  Prozent den Löwenanteil Etat von mehr als , Milliarden Euro – blikum sehr gering. Kulturorte, die sich noch vor Tourismus und Autoindustrie. -Mitarbeiter, die dafür seit Monaten im der Kulturförderung in Deutschland auszustatten. Darüber hinaus haben wir von Anfang an solidarisch gezeigt und Die Darstellenden Künste leiden unter Dauereinsatz sind – weiterhin alles in leisten. Der Bund hat sie im Rahmen unter deutschem Ratsvorsitz den Rah- wirksame Hygienekonzepte entwickelt einem Minus von  Prozent. Deshalb unseren Möglichkeiten Stehende tun, der NEUSTART-Hilfen in zweistelliger men für weitere Unterstützungsmaß- haben, verdienen Öff nungsperspekti- müssen wir alle der Kultur wieder auf um Deutschlands kulturelle Vielfalt am Milliardenhöhe entlastet, damit sie bei nahmen geschaff en. Die Kultur kann ven, und zwar möglichst bald – zumal die Beine helfen. Die Mittel aus dem Leben zu erhalten. etwaigen Sparmaßnahmen nach dem nun z. B. stärker als zuvor an anderen die Sehnsucht der Menschen nach Soforthilfe- und Konjunkturprogramm Kassensturz am Jahresende nicht aus- EU-Förderprogrammen partizipieren. geistigen Naherholungsgebieten wie NEUSTART KULTUR helfen ihnen dabei, Monika Grütters MdB ist Staatsministe- gerechnet bei der Kultur den Rotstift Die Europäische Kommission setzt der- Museen und Bibliotheken, nach kul- die Wiedereröff nung unter Infektions- rin für Kultur und Medien Politik & Kultur | Nr. / | März  AKTUELLES 03

Für das Jahr  werden drei Szena- rien untersucht. Szenario  mit einem kurzen, harten Lockdown bis Anfang März, Szenario  mit einem langen harten Lockdown bis Ende März und Szenario  mit einem zweifachen har- ten Lockdown mit verfrühter Öff nung im März und erneuten Schließungen im April. Die Umsatzverluste der Kul- tur- und Kreativwirtschaft werden ge- genüber dem Vergleichsjahr , also dem Jahr vor der Pandemie, auf  bis  Prozent je nach Branche geschätzt. Selbst wenn eine positive Entwicklung im mittleren Szenario vorausgesetzt wird, wird davon ausgegangen, dass die Kultur- und Kreativwirtschaft le- diglich das Umsatzniveau des Jahres  erreichen wird. Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird also um Jahre zurückgeworfen.

Fazit In den genannten Studien wird allein die erwerbswirtschaftlich orientierte Kultur- und Kreativwirtschaft in den Blick genommen. Sie zeigen, dass die Auswirkungen der Pandemie und des ersten und des seit November  andauernden zweiten Lockdown noch über Jahre zu spüren sein werden. Selbst wenn, was nicht der Fall sein wird, morgen wieder geöff net werden könnte, wird es dauern, bis die Um- sätze wieder das Jahr  erreichen werden. Das bedeutet, dass die Corona-Hil- fen nicht einfach enden dürfen, wenn der Lockdown endet. Es gilt vielmehr, eine längerfristige Perspektive in den

FOTO: ADOBE STOCK / KOZLIK_MOZLIK / STOCK ADOBE FOTO: Blick zu nehmen. Jetzt sind Überbrü- Die wirtschaftlichen Einbrüche in der Kultur- und Kreativwirtschaft sind dramatisch – Studien belegen es jetzt ckungshilfen und Neustarthilfen von- nöten, um das wirtschaftliche Überle- ben von Unternehmen sowie von Un- ternehmerinnen und Unternehmern zu sichern. Darauf müssen Maßnahmen zur Sicherung von Unternehmen so- Um Jahre zurückgeworfen wie zur Umstrukturierung folgen. Auch werden insbesondere Künstlerinnen Kulturwirtschaft: Studien belegen dramatische Einbrüche durch die Pandemie und Künstler, deren Haupteinnahme- quelle Vergütungen aus Verwertungs- OLAF ZIMMERMANN UND Das erste Corona-Jahr  stellte ei- Verbreitungswege nicht kompensie- Die Umsatzverluste in der Kultur- und gesellschaften sind, noch über einen GABRIELE SCHULZ nen tiefen Einschnitt dar. Der Umsatz- ren. Darauf folgt, dass auch wenn die Kreativwirtschaft im Jahr  waren längeren Zeitraum Unterstützungen verlust der Kultur- und Kreativwirt- Pandemie einmal vorbei sein wird, die erheblich. Insgesamt wird ein Umsatz- benötigen. nfang dieses Jahres erschienen schaft in Europa beträgt im Vergleich Künstlerinnen und Künstler Corona einbruch von  Prozent verzeichnet. Neben Öff nungsszenarien, die jetzt zwei Studien, die die drama- zum Vorjahr  Prozent und ist damit noch unmittelbar bei ihren Einnah- Das ist der größte Verlust seit . In entwickelt werden müssen, geht es A tischen wirtschaftlichen Ein- größer als der Umsatzverlust der Tou- men spüren werden. D.h. auch, dass einigen Branchen der Kultur- und Kre- auch darum, Perspektiven zum Fort- brüche in der Kultur- und Kreativwirt- rismuswirtschaft mit  Prozent oder Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen ativwirtschaft sinkt das Umsatzniveau bestand und der befristeten Unterstüt- schaft mit Zahlen belegen. der Automobilbranche mit  Prozent. nicht nur für die Dauer der Pandemie, unter das des Jahres . Besonders zung der Kultur- und Kreativwirtschaft Innerhalb der Kultur- und Kreativwirt- sondern für die nächsten Jahre gedacht stark betroff en sind der Markt für dar- zu entwickeln. Indirekte Fördermaß- schaft ist der Umsatzverlust im Markt werden müssen. stellende Künste mit einem Umsatz- nahmen wie Steuervergünstigungen Europaweite Auswirkungen für darstellende Kunst europaweit mit verlust von  Prozent. Weiterhin stark können dabei ein probates Mittel sein. In der Studie »Rebuilding Europe. Die  Prozent am höchsten, gefolgt von betroff en sind der Musikmarkt (Um- Wichtig ist, nicht nur bis zur Bundes- Blick nach Deutschland Kultur- und Kreativwirtschaft vor und der Musikwirtschaft (minus  Pro- satzverlust  Prozent), der Kunstmarkt tagswahl im September dieses Jahres zu nach Covid-« wird aufgezeigt, welche zent), der Bildenden Kunst (minus  Im Auftrag des Bundesministeriums (Umsatzverlust  Prozent) und die denken, sondern darüber hinaus, denn Relevanz die Kultur- und Kreativwirt- Prozent) und der Architektur (minus für Wirtschaft und Energie sowie Der Filmwirtschaft (Umsatzverlust  Pro- die erwerbswirtschaftlich orientierte schaft in der EU noch bis einschließlich  Prozent). Beauftragten der Bundesregierung für zent). Diese deutschlandspezifi schen Kultur- und Kreativwirtschaft ist ein  hatte und wie tief der Fall in der Umsatzverluste unterhalb des Kultur und Medien hat das Kompe- Daten zeigen, dass die Umsatzverluste wichtiger Teil des Kulturbereiches und Corona-Pandemie ist. Die Studie wurde Durchschnittswerts haben folgende tenzzentrum Kultur- und Kreativwirt- in der deutschen Kultur- und Kreativ- spielt in mancher Kunstform eine weit- von der GESAC (European Grouping of Branchen zu verzeichnen: Werbung schaft des Bundes Mitte Februar eine wirtschaft teilweise größer sind als im aus bedeutsamere Rolle als die öff ent- Societies of Authors and Composers) (minus  Prozent), Buchbranche neue »Betroff enheitsanalyse der Kultur- EU-weiten Durchschnitt. Leidtragende liche Kulturförderung. bei der Wirtschaftsberatung Ernst & (minus  Prozent), Zeitungen und und Kreativwirtschaft von der Corona- auf der Seite der Erwerbstätigen sind Young in Auftrag geben. Für das Jahr Zeitschriften (minus  Prozent), au- Pandemie« vorgelegt. Die Analysen und neben den Soloselbständigen und Frei- Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer  wurde festgestellt, dass in der Kul- diovisuelle Inhalte (minus  Prozent). Trends wurden vom Forschungsinstitut berufl ern insbesondere auch geringfü- des Deutschen Kulturrates. Gabriele tur- und Kreativwirtschaft in Europa Einzig und allein die Gamesindustrie Prognos vorgenommen. Bereits im Jahr gig Beschäftigte und Mini-Jobber im Schulz ist Stellvertretende Geschäfts- mehr Menschen erwerbstätig waren als konnte europaweit einen Umsatzzu-  hatte Prognos zwei Betroffen- Kulturbereich. führerin des Deutschen Kulturrates in der Telekommunikationsbranche, der wachs von  Prozent aufweisen. Beson- heitsanalysen erstellt, die auch Eingang Chemie- oder auch der Autoindustrie. ders betroff en sind innerhalb der EU in den »Monitoring-Bericht Kultur- und Der Beschäftigungsaufwuchs betrug mittel- und osteuropäische Länder. In Kreativwirtschaft « gefunden ha- von  bis   Prozent. Der Ge- Bulgarien und Estland beträgt der Um- ben. Der »Monitoring-Bericht Kultur- samtertrag stieg im selben Zeitraum satzrückgang  Prozent und in Litauen und Kreativwirtschaft « wurde im HAND JETZT um  Prozent. Die Digitalisierung beispielsweise  Prozent. Auftrag des Bundesministeriums für DAS PDF führte auf der einen Seite zu einer Ernst & Young prognostizieren, dass Wirtschaft und Energie von Goldme- LADEN! HERAUSGEBER: starken Nachfragesteigerung, auf der die Auswirkungen noch lange zu spü- dia, der Media School und der OLAF ZIMMERMANN anderen Seite zu der Herausforderung, ren sein werden. Als Beispiel führen Hochschule für Wirtschaft, Technik und → ISBN 978-3-947308-22-4 · 288 SEITEN · 19,80 EURO UND FELIX FALK BUCH dass die Rechteinhaber angemessen sie die Einnahmeverluste der Verwer- Kultur erstellt. Im Monitoringbericht Warum sind Games Kultur? vergütet werden und angesichts der tungsgesellschaften im Jahr  von Kultur- und Kreativwirtschaft  Können Computerspiele sogar starken Marktmacht der Plattformen rund  Prozent an. Sie werden sich wurde bereits von starken Umsatzver- Kunst sein? Was haben Com - puter spiele mit Bildender Kunst, einen wirtschaftlichen Ertrag aus der bei den Ausschüttungen an die Urhe- lusten ausgegangen. GAMES Theater, Lite ratur, Musik, Film zu Verwertung ihrer Leistungen ziehen berinnen und Urheber in den Jahren Wie stark die Umsatzverluste sind tun? Sind Games immer Gewalt- können. Es war also keineswegs »alles  und  unmittelbar bemerkbar und wie langsam die Erholung erfol- haltig? Darf man Erinnerungs- kultur spielen? Was haben Spiele in Butter«, sondern die Branche stand machen. Deren Einnahmen werden aus gen wird, wird in der Prognos-Studie mit Sport zu tun? Und macht vor großen Herausforderungen. Denen diesem gerade im Musikbereich essen- »Betroff enheitsanalyse der Kultur- und KULTUR die Gamesbranche wirklich so wurde sich allerdings – so die erwähnte ziellen Bereich auch dann noch sinken, Kreativwirtschaft von der Corona-Pan- viel Umsatz wie Hollywood? Studie – in dem Bewusstsein gestellt, wenn der Kulturbetrieb wieder nach demie« deutlich. Betrachtet werden Das Handbuch Gameskultur gibt dass gerade die Kultur- und Kreativ- Ende der Pandemie langsam hochge- die Umsatzverluste des Jahres  im ÜBER DIE Antworten und Orientierung in der wirtschaft die Inhalte generiert, die die fahren sein wird. Auch können die Er- Vergleich zu den Vorjahren. In einer Sze- KULTURWELTEN vielfältigen Welt der Games. US-amerikanischen Plattformen brau- löse aus digitalen Verbreitungswegen narioanalyse werden drei Szenarien der Als Kostenfreies PDF verfügbar! VON GAMES kulturrat.de/publikationen chen, um erfolgreich zu sein. die wegfallenden Erlöse physischer künftigen Umsatzentwicklung geschätzt. 04 INLAND www.politikundkultur.net

Endspurt im Deutschen Bundestag Was wollen die kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprecher bis zur Wahl noch bewegen? Was haben sie schon geschaff t? FOTO: MARION SCHÖNEBEGER MARION FOTO: HAAR INGA / BUNDESTAG DEUTSCHER FOTO: MELDE ACHIM / BUNDESTAG DEUTSCHER FOTO: Elisabeth Motschmann Martin Rabanus Marc Jongen CDU/CSU SPD AfD

ELISABETH MOTSCHMANN MARTIN RABANUS MARC JONGEN

ir sind im Herbst  zuversichtlich in eine neue Wahl- ie Corona-Pandemie prägt auch in der Kulturpolitik die ie kulturpolitische Arbeit der AfD im Deutschen Bundestag periode gestartet. Im Koalitionsvertrag haben wir viele Agenda – natürlich und auch zu Recht. Denn es bestand steht ganz im Zeichen der Gefährdung unserer kulturel- W gute Vorhaben im Kulturbereich festgeschrieben und und besteht die Gefahr, dass hier irreparable Schäden D len Identität durch linksideologische Strömungen. Als Monika Grütters konnte ihr Amt als Kulturstaatsministerin fort- D entstehen. Deswegen war es so wichtig, einen eigenen einzige echte Opposition stehen wir einem relativ homogenen führen. Unser wichtigstes Ziel war es, die Kulturpolitik weiterhin Rettungsschirm für die kulturelle Infrastruktur aufzuspannen – Meinungsblock der übrigen Parteien gegenüber, der sein Heil in gut in der Bundespolitik zu platzieren und den Bundeskulturhaus- das Programm NEUSTART KULTUR haben wir zunächst mit einer einer künstlichen europäischen Einheitskultur sucht, geprägt halt weiter zu erhöhen. Das ist uns gelungen. Über zwei Milliarden Milliarde Euro ausgestattet und diese Summe jüngst verdoppelt. von einer sterilen politischen Korrektheit. Als Antidot fordern Euro stehen inzwischen jährlich für die Kultur zur Verfügung. Damit wird es gelingen, die schwersten Schäden für die Szene wir einen Nationalen Aktionsplan Kulturelle Identität, der auf Ein Schwerpunktthema war und bleibt für uns die Stärkung des vorerst abzuwenden. den Säulen Sprache, Bildung und Memorialkultur ruht, sowie ländlichen Raumes. Unsere erste Koalitionsinitiative haben wir zu Aber die Pandemie wirkt wie ein Brennglas auf die bestehen- die Gründung einer Deutschen Akademie für Sprache und Kultur diesem wichtigen Thema eingebracht. Kulturelle Teilhabe gehört den Probleme in der Kulturlandschaft. Es wird beispielsweise nach dem Vorbild der Académie française. zur Daseinsvorsorge – in der Großstadt wie in kleinen Orten. Mit deutlich, dass wir bei der sozialen Absicherung von Kulturschaf- Eines der großen Themen der . Legislaturperiode war der dem neuen Programm »Kultur im ländlichen Raum« konnten wir fenden und bei der Gleichstellung im Kulturbereich längst noch Postkolonialismus und die von ihm bestimmte Debatte über die viele Strukturen erhalten und Angebote fördern, ob in Heimatstu- nicht da sind, wo wir hin wollen. Darauf muss in den kommenden Rückgabe von Sammlungsgut aus kolonialem Kontext. Als einzige ben, Bibliotheken oder Kulturbegegnungsorten. Mit dem neuen Monaten und wahrscheinlich Jahren ein besonderes Augenmerk Fraktion fordert die AfD eine diff erenzierte, nicht einseitig schuld- »Zukunftsprogramm Kino« haben wir zudem die Grundlage für liegen. betonte Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte und setzt das Überleben von vielen Kinos gelegt. Die Corona-Pandemie hat Aber die Bewältigung der Corona-Pandemie war nicht alles. sich mit Blick auf das Bedürfnis der Museen nach Rechtssicherheit unsere Bemühungen hier leider quasi auf null gesetzt. Das ist sehr Schon im Kulturkapitel des Koalitionsvertrages haben wir neben für Rückgaben nur noch in wohlbegründeten Einzelfällen ein. schmerzlich. der Kernaufgabe der Bundeskulturpolitik im Rahmen der Haupt- Im Bereich der Erinnerungskultur arbeiten wir an einer Erwei- Ein weiterer Schwerpunkt in dieser Wahlperiode war die Erinne- stadtkultur und der Förderung herausragender Angebote mit terung auf die positiven Seiten deutscher Geschichte und haben rungskultur, auch weil wir / das -jährige Jubiläum der nationaler Bedeutung die Förderung von Kunst und Kultur in der anlässlich des . Jahrestages des Kriegsendes mit einer Plenarde- Friedlichen Revolution in der DDR und der deutschen Wiederver- Region in den Mittelpunkt gestellt. Das war nichts weniger als ein batte zu einer Gedenkstätte für die deutschen Opfer des Zweiten einigung feiern konnten. Wir haben ein neues Bundesprogramm Paradigmenwechsel: Der Bund übernimmt mehr Verantwortung Weltkriegs ein erinnerungspolitisches Zeichen setzen können. »Jugend erinnert« ins Leben gerufen, die parlamentarischen Vor- auch im Kulturbereich für die Herstellung gleicher Lebensver- Die Überführung der Stasiunterlagen ins Bundesarchiv durch die aussetzungen für ein Mahnmal für die Opfer von Kommunismus hältnisse in Stadt und Land. Bundesregierung haben wir sehr kritisch begleitet und Veranstal- geschaff en und die Überführung der Stasiunterlagen in das Bun- Ich vertrete einen ländlichen Wahlkreis und weiß, wie sich die tungen mit DDR-Bürgerrechtlern im Bundestag dazu organisiert. desarchiv einvernehmlich gesetzlich geregelt. Gravitation eines Oberzentrums auf den es umgebenden länd- Mit Blick auf den desaströsen Corona-Lockdown hat sich die Im Kontext der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit haben wir lichen Kulturraum auswirkt. Kulturpolitik auf dem Land muss AfD von Anfang an für eine möglichst rasche Wiederaufnahme uns für die Errichtung eines Dokumentationszentrums zum Zweiten daher in erster Linie Ermöglichungsräume und Infrastrukturen des Veranstaltungsbetriebes im Kultur- und Kreativbereich unter Weltkrieg eingesetzt und auf meine persönliche Initiative hin den schaff en und schützen. Denn Kultur ist nicht nur zentral für Wahrung hygienischer Schutzmaßnahmen ausgesprochen. Auch Widerstand der Frauen des . Juli  gewürdigt. Die Aufarbei- das demokratische Miteinander, sondern als Kultur- und Krea- dies gehört zu unseren Alleinstellungsmerkmalen. Eine konkrete tung und Vermittlung unserer Geschichte ist ein ganz wesentlicher tivwirtschaft mittlerweile integraler Bestandteil der deutschen Künstlerhilfe konnten wir durch hartnäckiges Thematisieren Auftrag der Kulturpolitik. Wirtschaft. der seit Jahren fälligen Ausschüttungen von Künstlervergütun- Persönlich ist mir auch das Thema Gleichstellung von Frauen Von der Ausweitung des Investitionsprogramms zur Sanierung gen erreichen. Im Herbst  erhielten viele Musiker von der besonders wichtig. Vor allem im Kultur- und Medienbereich gibt maroder Kulturbauten, »Invest Ost«, auf das gesamte Bundes- Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) es hier leider immer noch enorme Unwuchten. In den kommenden gebiet, ist uns über die Aufl age der Programme »LandKULTUR« endlich die ihnen zustehenden Vergütungen. Wochen werden wir als Koalitionsfraktionen dazu einen entspre- für mehr Integration und Inklusion sowie »Kultur in den Die Medienpolitik der AfD-Fraktion ist der freien individu- chenden Antrag einbringen. Regionen« ein wichtiger Schritt nach vorn gelungen. Wir haben ellen Meinungsbildung der Bürger verpfl ichtet. Sie setzt sich Eines der wichtigsten Vorhaben der Wahlperiode aus kultur- und die Mittel der Bundeskulturstiftung auf hohem Niveau ver- konsequent für die Freiheit der Verbreitung und des Zugangs zu medienpolitischer Sicht ist die Überführung des Urheberrechts stetigt und die Bundeskulturfonds fi nanziell deutlich besser Informationen, für Staatsunabhängigkeit und gegen jede Art von in die digitale Welt. Kreative aus Film, Musik, Literatur und Jour- ausgestattet. Zensur und Konzentration von Medienmacht ein. Diese Freiheiten nalismus müssen auch im Internet eine angemessene und faire Gleiches gilt für die demokratische Erinnerungskultur und sind aktuell bedroht: durch den Staat – Netzwerkdurchsetzungs- Vergütung für ihre Werke erhalten. Derzeit ist das zu selten der den kulturellen Bildungsbereich, in dem die Koalition über die gesetz –, durch Internet-Giganten – »Cancel-Culture« – und durch Fall. Der Kabinettsbeschluss der Bundesregierung bietet eine gute Aufstockung der Mittel eine deutliche Besserstellung gegenüber den öff entlich-rechtlichen Rundfunk – »Haltungsjournalismus«, Grundlage, angesichts des erheblichen öff entlichen Drucks, den vergangener Legislaturen erreichen konnte. Ich werde mich auch Framing, Marktmacht. Dem setzten wir die Initiative »Presse- und Demonstranten gegen Uploadfi lter vor zwei Jahren erzeugt haben. für eine weitere Verlängerung des Programms »Kultur macht Meinungsfreiheit schützen – EU-Aktionsplan zurückweisen« Leider hat die Corona-Pandemie unsere Kulturnation und die stark« einsetzen. sowie den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Deutsche- sie tragenden Menschen mit voller Wucht getroff en. Viel Erreich- Wie in der Kulturarbeit, so heißt es auch in der Politik, am Ball Welle-Gesetzes entgegen. tes hat das Virus torpediert. Von einem auf den anderen Tag sind zu bleiben: Zwar geht die Wahlperiode zu Ende, aber dennoch Die wichtigste medienpolitische Initiative war ein Antrag auf Veranstaltungen weggefallen und Einnahmen weggebrochen. Wir stehen wichtige Gesetzesberatungen an. Im Frühjahr kommt die Einsetzung einer Enquete-Kommission – Für eine neue Rund- haben reagiert: mit Soforthilfeprogrammen, der Gutscheinlösung, »kleine Novelle« des Filmförderungsgesetzes. Sie ist zugleich der funkordnung. Er verfolgt das Ziel, eine breite nationale Debatte mit Ausfallhonoraren und Existenzhilfen für Soloselbständige. Einstieg in die Debatte um die in zwei Jahren folgende dringend über eine Rundfunkordnung des . Jahrhunderts anzustoßen. Viele von ihnen sind freiberufl ich oder nur kurzfristig beschäftigt. erforderliche umfassende Reform des Gesetzes. Ausgangspunkt ist die Frage, ob angesichts der unbegrenzten Diesen besonderen Umständen müssen wir in Zukunft stärker Nicht unerwähnt bleiben darf an dieser Stelle auch die Um- Verfügbarkeit von Informationen und Inhalten sowie des ver- Rechnung tragen. setzung der europäischen Urheberrechtsrichtlinie in nationales änderten Nutzungsverhaltens ein ÖRR noch die ausreichende Mit dem Hilfsprogramm NEUSTART KULTUR stehen insgesamt Recht. Wir brauchen gute Regelungen für Künstlerinnen und Legitimation besitzt. zwei Milliarden Euro für die Rettung und den Erhalt unserer viel- Künstler, Kreative und Rechteinhaber und wirksamen Schutz ih- In der noch verbleibenden Zeit der . Legislaturperiode plant fältigen Kulturlandschaft zur Verfügung. Wir werden die Kreativ- res geistigen Eigentums. Wir müssen dafür sorgen, dass Kreative die AfD Initiativen zur Filmförderung, die wir von ideologisch szene in dieser Notlage nicht im Stich lassen. Die Hauptaufgabe in von ihrer Arbeit leben können. Zuletzt: Wir brauchen schnellst- motivierten Forderungen wie »Diversität« und »Geschlechterge- den nächsten Monaten und wahrscheinlich auch in der nächsten möglich Planungssicherheit und verlässliche Öff nungsperspek- rechtigkeit« befreien wollen, und zum Thema Urheberrecht, wo wir Legislaturperiode wird daher sein, weiterhin mit aller Kraft für tiven für den Kulturbereich, damit wir das erleben, was wir uns die Kreativen gegenüber den großen Konzernen besser schützen Lösungen und Perspektiven zu kämpfen. wünschen: einen Neustart. wollen, als der Gesetzesentwurf der Bunderegierung dies vorsieht.

Elisabeth Motschmann MdB ist kulturpolitische Sprecherin der Martin Rabanus MdB ist kulturpolitischer Sprecher der SPD- Marc Jongen MdB ist kulturpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag Fraktion im Deutschen Bundestag im Deutschen Bundestag Politik & Kultur | Nr. / | März  INLAND 05 FOTO: JENS LIEBCHEN JENS FOTO: FOTO: ROBERT PAUL KOTHE PAUL ROBERT FOTO: FOTO: DEUTSCHER BUNDESTAG / INGA HAAR INGA / BUNDESTAG DEUTSCHER FOTO: Hartmut Ebbing Simone Barrientos Erhard Grundl FDP Die Linke B.  / Die Grünen

HARTMUT EBBING SIMONE BARRIENTOS ERHARD GRUNDL

ach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition habe laubst du, dass es ›normal‹ ist, dass  Prozent aller In- ie Coroanakrise hat gezeigt, wie prekär die soziale Lage ich im Jahr  als kulturpolitscher Sprecher der FDP- tendanten in Deutschland weiße Männer sind?«, fragte vieler Kulturschaff ender ist. Sie, die vom Live-Act leben, N Bundestagsfraktion damit begonnen, eine weitgehend Julia Wissert, die  erste schwarze Intendantin an D tragen eine unfassbare Last im Corona-Lockdown. Nach brachliegende liberale Kulturpolitik auf Bundesebene zu neuem G einer deutschen Bühne wurde, in der taz. Die Antwort einem Jahr ohne Einkommen schmeißen viele jetzt hin: Das muss Leben zu erwecken. Zunächst mussten die gekappten Verbindun- heißt leider immer noch: Normal ist es nicht, aber Normalität verhindert werden. Denn Clubs, Off -Theater und Galerien, Kinos, gen in die deutsche Kulturszene neu verknüpft werden. Neben leider schon. Warum hat sich auch in dieser Legislatur so wenig die Festivals, die öff entlich geförderten Kultureinrichtungen – sie den bereits vorhandenen Kontakten habe ich insbesondere das getan in Sachen Gleichstellung in Kunst und Kultur? alle machen unsere kulturelle Vielfalt aus. Jahr  genutzt, um durchs Land zu reisen. Zeitgleich habe ich Immer wieder haben wir Kulturpolitikerinnen und -politiker im Zukünftig müssen die Menschen in der Kulturbranche sozial begonnen, gezielt mehrere große Themen zu besetzen. Kulturausschuss und im Deutschen Bundestag, auf Konferenzen besser abgesichert werden: Darum fordern wir die gesetzlichen Mit meinen Reformbemühungen der Limbach-Kommission und in Debattenbeiträgen über Geschlechtergerechtigkeit disku- Kranken-, Pfl ege- und Rentenversicherungen nach dem Modell konnte der Debatte zur Restitution von NS-Raubkunst nach tiert. Inzwischen kann man sich nicht mehr damit herausreden, der Bürgerversicherung weiterzuentwickeln und den Zugang zur Jahren des politischen Stillstandes und  Jahre nach Ende des dass es keine Zahlen gibt. Der Deutsche Kulturrat hat hier gute Arbeitslosenversicherung anzupassen. Die hybride Beschäftigung Zweiten Weltkrieges wieder frischer Wind verliehen werden. Die Arbeit geleistet. Allerdings war die Beauftragte für Kultur und nimmt weiter zu, also müssen auch die Zeiten für die Anwart- Kommission muss grundlegend reformiert werden, sie benötigt Medien, Staatsministerin Monika Grütters MdB,  noch der schaften für Versicherungsleistungen geändert werden. Und wir ein unabhängiges Forschungsinstitut und muss einseitig ange- Meinung, eine Quote sei von Frauen nicht gewollt. Inzwischen wollen die Künstlersozialversicherung weiterentwickeln. Aktuell rufen werden können. Die Bundesregierung hat hieraufhin viel äußert sie sich diff erenzierter und verweist bei jeder Gelegenheit sind gerade viele Mitglieder durch den Wegfall von Live-Auftritten versprochen, jedoch wenig gehalten. Ein weiterer Antrag noch auf das Projektbüro »Frauen in Kultur und Medien«, das beim darauf angewiesen anderer Erwerbstätigkeit nachzugehen und in dieser Wahlperiode wird von mir eingebracht werden, der die Deutschen Kulturrat angesiedelt ist. Ein gutes Projekt – und doch drohen dadurch das Anrecht auf ihre Mitgliedschaft in der KSK Stellung der Alteigentümer stärkt, einen rechtsverbindlichen viel zu wenig. zu verlieren. Bescheid durch die Kommission ermöglicht und insbesondere In den letzten  Jahren stieg der Frauenanteil in Führungs- Auch wenn Corona derzeit alles bestimmt, die Klimakrise ist diese endlich nachhaltig unabhängig von der Beauftragten der positionen an Theater- und Opernhäusern um gerade einmal die eigentliche Zukunftsfrage, auf die auch die Kultur reagieren Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) macht.  Prozent auf derzeit  Prozent. Der Gender Pay Gap bei den muss. Viele Künstlerinnen und Künstler wollen ihren Beitrag Trotz großer Widerstände aus dem BKM habe ich versucht, den Kulturschaff enden in der Künstlersozialkasse betrug  satte leisten, um den Klimawandel aufzuhalten. Politik muss jetzt Fall Gurlitt parlamentarisch aufzuarbeiten. Ich ging davon aus, . Euro – in den Bereichen Wort, Bildende Kunst und Musik zukunftsweisende Rahmenbedingungen schaff en und den Weg dass Sippenhaft abgeschaff t wurde. Zahlreiche Versäumnisse der ist er sogar gestiegen! Dass sich Pro-Quote-Initiativen in allen bereiten für Green Culture. Bundesregierung konnten nachgewiesen werden. Die FDP ist die Sparten immer lauter zu Wort melden, spricht Bände. Sie fordern Alle Studien zeigen: Frauen sind unterpräsentiert auf allen einzige Partei, die versucht hat, das zweifelhafte Verhalten der gleichberechtigten Zugang zu Führungspositionen, aber auch Entscheidungsebenen und unterbezahlt. Wir brauchen eine Quo- Bundesregierung aufzudecken. Frau Grütters würde das Thema mehr Sichtbarkeit von Frauen und deren Perspektiven. Sie for- te – als trauriges Eingeständnis fehlender Solidarität – wenn gern still und heimlich beerdigen, doch wir werden mit weiteren dern aber auch Rahmenbedingungen, die die gerechte Teilhabe wir, wie Margarete Stokowski schreibt, nicht einfach warten Initiativen den Finger erneut in die Wunde legen. an Kunst und Kultur, egal ob als Macherin oder als Publikum, für und sterben wollen, bevor es Gleichberechtigung gibt. Und wir Das sind nur beispielhaft zwei meiner Initiativen der bishe- alle Menschen ermöglichen. nicht länger der Hälfte der Gesellschaft ihre Chancen auf eine rigen Parlamentsarbeit. Ich hatte mir viel mehr vorgenommen. Fest steht: Ich bin froh, dass wir über Gleichstellung im Kultur- gerechte Verteilung von Geld und Perspektiven verwehren wol- Die Routine des Deutschen Bundestages beansprucht viel mehr betrieb sprechen, doch Geschlechtergerechtigkeit und Diversität len. Geschlechtergerechtigkeit ist die Voraussetzung für wahre Zeit, als ich angenommen habe. umfassen mehr als Mann und Frau. Das hat das empowernde Kunstfreiheit. Was bleibt bis zum Sommer neben der Corona-Pandemie zu Outing von  Schauspielerinnen und Schauspielern in der Auch  Jahre nach Kriegsende sind die Verbrechen, die im tun oder muss in die nächste Legislatur verschoben werden: Süddeutschen Zeitung gezeigt, die öff entlich gemacht haben, Nationalsozialismus begangen wurden, nicht aufgearbeitet. Der . Zur Neuausrichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz liegt dass sie lesbisch, schwul, bi, queer, nicht-binär und/oder trans Antrag der Grünen zur Anerkennung der sogenannten »Aso- von mir ein umfangreicher Antrag vor. sind. Wir dürfen nicht so tun, als hätten Geschlecht, race, Se- zialen« und »Berufsverbrecher« wurde zwar von der Koalition . Ein European Heritage Trust soll europäische Baudenkmäler xualität, Behinderung und soziale Herkunft nichts mit mehr abgelehnt, aber er hat schlussendlich doch über Umwege zur vor dem Verfall schützen. oder weniger Chancen, Bezahlung oder Beförderung zu tun. Die Anerkennung geführt. Auch über die Schicksale von Zwangsste- . Natürlich muss das Kulturgutschutzgesetz überarbeitet werden. Führungspositionen in Theatern haben ja nicht irgendwelche rilisation, Krankenmorden und »Euthanasie«-Verbrechen ist bis . Die Reform unseres Gemeinnützigkeitsrechtes – eine Herzens- Männer inne – siehe Julia Wisserts rhetorische Frage weiter oben heute vieles nicht bekannt und hinterlässt Lücken im kollektiven angelegenheit. – sondern die, die in unserer Gesellschaft standardmäßig die Gedächtnis und in den Familiengeschichten. Und schließlich . Die sinnvolle Reform des Urheberrechtes zum Wohl und Schutz Entscheidungen treff en. muss die Restitution von NS-Raubgut endlich vorzeigbare Ergeb- der Künstlerinnen und Künstler. Klassismus, also die Ausgrenzung und Benachteiligung auf- nisse bringen. Das Tauerspiel um die Guarneri-Geige, bei dem die . Der Bestand der Chöre und Orchester der Rundfunkanstalten grund von Armut und sozialer Herkunft, wird im Kunst- und Kul- Empfehlung der »Beratende Kommission im Zusammenhang mit muss langfristig abgesichert werden. tursektor zu Recht immer mehr thematisiert. Das ist auch dem der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter« . Immer wieder gilt es für die Erhöhung des Kulturhaushaltes zu Engagement von Initiativen wie »Diversity Arts Culture« und »Arts nicht umgesetzt wurde, darf sich nicht wiederholen. Bezüglich kämpfen, weg von einer Projektförderung hin zu mehr institu- of the Working Class« zu verdanken. Fakt ist, wer die Bedingungen der Entschädigungsforderungen der Hohenzollern geht es um tioneller Förderung. ändern will, muss an die Verhältnisse ran. Allen Menschen muss Wahrhaftigkeit in der deutschen Geschichte. Historische Tatsa- . Kulturförderung muss ins Grundgesetz. Dieser Schritt ist not- die Teilhabe an Kunst und Kultur off en stehen. chen wie die Vorschubleistung des Nationalsozialismus durch wendig und längst überfällig. Jeder Euro in die Kulturförderung Aus all diesen Gründen setze ich mich für eine nachhaltige Kronprinz Wilhelm von Preußen dürfen nicht der Geschichtsklit- spart zwei Euro bei unseren Sozialkosten. Kulturpolitik im Sinne einer sozialen und ökologischen Trans- terung Preis gegeben werde. Vor diesem Hintergrund müssen die Die stiefmütterliche Behandlung der Kulturpolitik tut mir jeden formation ein. Ich will bis Oktober nutzen, um eine De- seit Jahren andauernden vertraulichen Verhandlungen endlich Tag in der Seele weh. Kulturelle Bildung ist so dringend notwendig batte darüber anzustoßen, wie wir Kulturarbeit fair, divers und beendet werden. für die Kreativität und Innovationsfähigkeit unserer Menschen. geschlechtergerecht gestalten können. Kultur braucht links. Und Die Coronakrise hat uns gezeigt, was auf dem Spiel steht. Un- Das Verstehen unseres kulturellen Erbes und das anderer Nati- dieses Land braucht nicht nur eine Beauftragte, sondern ein Mi- sere Kulturlandschaft ist unser Resonanzraum, immer gut für eine onen ist dringend notwendig, um das »Anderssein« des anderen nisterium für Kultur und Medien! intellektuelle Kopfwäsche, für die Begegnung mit Schönheit, mit zu verstehen und nicht alle Fehler der Vergangenheit zu wieder- Blue Notes und Zwischentönen. Wir brauchen sie. Wir brauchen holen. Deshalb gilt es, unsere Kultureinrichtungen bestmöglich Simone Barrientos MdB ist kulturpolitische Sprecherin der mehr davon. Darum müssen wir sie stärken, sozial absichern, zu unterstützen. Wir brauchen ein Kulturministerium, und zwar Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag widerstandsfähiger machen gegen Krisen, wie diese. Und sie so für eine gemeinsame inländische und auswärtige Kulturpolitik. für uns alle erhalten!

Hartmut Ebbing MdB ist kulturpolitischer Sprecher der Erhard Grundl MdB ist kulturpolitischer Sprecher der Fraktion FDP-Bundestagsfraktion Bündnis /Die Grünen im Deutschen Bundestag 06 INLAND www.politikundkultur.net

Das kulturelle Leben wieder an den Start bringen Maßnahmen zur sozialen Absicherung von Kulturschaff enden

KATRIN BUDDE Recht immer wieder verwiesen. Deshalb wurde vonseiten der Kultur- or mehr als einem Jahr gab politikerinnen und Kulturpolitiker es die erste nachgewie- gegenüber den federführenden Mi- sene Corona-Infektion in nisterien dargelegt, dass die Hilfen für V Deutschland. Vor knapp ei- Kulturschaff ende angepasst werden nem Jahr hat der Deutsche Bundestag müssen, da sie nicht zielgenau helfen. eine epidemische Lage von nationaler Das Ergebnis: Es wurde nachgebessert. Tragweite festgestellt. Ende März  Sehr viel mehr Menschen können nun kam der erste Lockdown, der mit star- die staatlichen Hilfsprogramme nut- ken Kontakt- und Ausgangsbeschrän- zen, um ihr Überleben zu sichern. Aber kungen verbunden war. Für die ganze wegen der Vielfältigkeit und der Un- Kunst- und Kulturbranche hieß das: terschiedlichkeit in der Kultur- und Alles wird abgesagt, keine Konzerte, Kreativbranche bleibt trotzdem noch keine Ausstellungen, keine Veranstal- zu viel off en. tungen – nichts! Da die meisten Kul- Der Ausschuss für Kultur und Me- turschaff enden nicht fest angestellt dien des Deutschen Bundestages hat sind, war uns Kulturpolitikerinnen schnell reagiert und das Gespräch mit und Kulturpolitikern sofort klar, dass dem Deutschen Kulturrat gesucht. Da diese Branche besonders hart von dem wurde deutlich, was ich auch schon in Lockdown getroff en wird. zahllosen Gesprächen mit Kulturschaf- Die Bundesregierung hat rasch fenden erfahren habe: Es geht nicht umfangreiche Hilfen für betroffe- nur darum, den Lebensunterhalt der ne Branchen mit Unterstützung des Kulturschaff enden zu sichern, sondern Deutschen Bundestages auf den Weg auch darum, die kulturelle Vielfalt zu gebracht, Kurzarbeit ausgeweitet, den erhalten und eine Exit-Strategie für Zugang zur Grundsicherung erleichtert, die Zeit nach dem Lockdown zu ent-

Kreditprogramme aufgelegt. wickeln. Seit Beginn des ersten Lock- VORWERK/SULUPRESS.DE MARC | SULUPRESS.DE / ALLIANCE PICTURE FOTO: Doch es wurde auch sehr schnell downs hat sich der Kulturausschuss in Auch das Passage Kino in -Neukölln musste aufgrund des Coronavirus vorrübergehend schließen klar, dass diese Hilfen nicht bei allen elf Sitzungen mit der Corona-Pande- Kulturschaff enden ankommen, da sie mie intensiv beschäftigt, immer auch Deshalb haben wir uns in der ersten Flickenteppich aus unterschiedlichen Grundlegende Probleme in der Ab- nicht in »normalen« Arbeitsverhältnis- Betroff ene in das Gespräch einbezo- Ausschusssitzung im Jahr  erneut Regelungen in den einzelnen Bun- sicherung der Künstlerinnen und sen stecken, sondern soloselbständig, gen. Im Sommer war dann klar: Es wird mit der Corona-Pandemie und den desländern. Da Kulturschaff ende und Künstler bestehen, dies wurde in den unständig oder kurz befristet beschäf- eine Milliarde Euro für den Neustart Auswirkungen auf die Kulturbranche Kreative mittel- bis langfristig planen, Anhörungen im Kulturausschuss des tigt sind. Instrumente wie die Kurz- der Kulturbranche geben, für Hygie- und die Kulturschaff enden beschäftigt benötigen sie eine zeitliche Öff nungs- Deutschen Bundestages deutlich. Die arbeit funktionieren hier also nicht. nekonzepte, für die Entwicklung neuer und eine vorübergehende Bilanz des perspektive. Hier sind jetzt auch die verschiedenen Parteien und Fraktio- Darauf haben Kulturschaffende zu Formate. Das hat auch wirklich gut ge- Programms NEUSTART KULTUR gezo- Kulturministerinnen und Kulturmi- nen entwickeln hierauf ihre eigenen klappt, denn inzwischen sind bereits gen. Fazit: Das Programm ist mehrfach nister der Länder gefragt. Antworten, die sicherlich im anstehen- rund  Millionen Euro gefl ossen bzw. überzeichnet. Das Geld wird nicht rei- Auch wenn wir es bald schaff en, das den Bundestagswahlkampf deutlich NEUE REIHE zugesagt. chen, um einen zweiten Neustartanlauf kulturelle Leben in Deutschland wie- vorgetragen und akzentuiert werden. Nach der ersten Corona-Welle im zu schaff en. derzubeleben, so hat uns die Pandemie Für die SPD-Bundestagsfraktion kann In der Beitragsreihe »Stimme aus Frühjahr und den sinkenden Infekti- Deshalb hat der Koalitionsaus- aber bekannte Lücken in der sozialen ich sagen, dass wir uns für solidarische dem Parlament« berichten die Vor- onszahlen kam so etwas wie eine neue, schuss von SPD und CDU/CSU am . Absicherung von Selbständigen und Sicherungssysteme einsetzen werden, sitzende des Kulturausschusses des reduzierte Normalität in das kulturelle Februar  beschlossen, eine wei- unständig Beschäftigten noch deut- um sowohl abhängig Beschäftigte als Europäischen Parlaments, Sabine Leben. Unter Aufl agen konnten viele tere Milliarde für den Kulturbereich licher gezeigt. Sozialversicherungs- auch Selbständige besser abzusichern. Verheyen, und die Vorsitzende des Kultureinrichtungen wie z. B. Kinos bereitzustellen. pflichtige Arbeitnehmerinnen und Und auch ein neuer Anlauf, Kultur ins Kulturausschusses des Deutschen wieder öff nen. Doch dann stiegen die Jetzt geht es darum, das kulturelle Arbeitnehmer konnten auf Kurzarbeit Grundgesetz und in die Landesverfas- Bundestages, Katrin Budde, im Infektionszahlen im Herbst erneut an. Leben in Deutschland wieder an den oder Arbeitslosengeld I zurückgrei- sungen zu bringen, lohnt! Wechsel von der Ausschussarbeit. Es gab zunächst einen Teillockdown, Start zu bringen. Hygienekonzepte gibt fen. Das galt nicht für die meisten Den ersten Beitrag der Reihe aus der dann kurz vor Weihnachten wieder es ja bereits. Und nun brauchen wir eine Kulturschaff enden, für sie kam meist Katrin Budde ist Mitglied des Deut- Ausgabe / von Sabine Verheyen zu einem harten Lockdown wurde. Und Strategie, wie wir aus dem Lockdown nur der Bezug von Grundsicherung in- schen Bundestages und Vorsitzende des können Sie hier nachlesen: bit. die Kulturbranche war wieder mit am herauskommen. Wir brauchen einen frage. Corona hat sie mit voller Wucht Ausschusses für Kultur und Medien des ly/quRck härtesten betroff en. bundeseinheitlichen Plan und keinen getroff en. Deutschen Bundestages Ausgerechnet! Frauen und Männer Wie viele Frauen und Männer absolvieren eine duale Ausbildung im im Kulturmarkt Kulturbereich? Wie viele ein Studium? Wie viele Menschen sind im Bericht zur wirtschaftlichen Arbeitsmarkt Kultur beschäftigt? Wie ist es um ihr Einkommen bestellt? Wie viele Frauen und Männer sind im Kulturbereich freiberufl ich tätig? und sozialen Lage Was verdienen sie? Diese Fragen und mehr untersucht die neue Studie.

510 Seiten · ISBN: 978-3-947308-20-0 · , Euro

Frauen und Männer im Kulturmarkt Bericht zur wirtschaftlichen und sozialen Lage

Gabriele Schulz, Olaf Zimmermann Politik & Kultur | Nr. / | März  INLAND 07

Kooperation statt Rückgabe? Wie umgehen mit dem Vor allem aber, und das war ein nen des damaligen deutschen und Gastgeschenke, die mit Besonders umstritten ist die nur einmal zurückgeben, und kolonialen Erbe? Wunsch der Expertinnen und Reichs anzeigt, wo »die Sonne einer bestimmten Intention Frage der Rückgabe. deshalb muss man sicher sein, Experten, einen E-Reader mit nie unterging«. Die hingen gemacht wurden. So haben wir Weil es so komplex ist, haben dass es der richtige Adressat ist. Praxisbeispielen. Dafür haben damals in vielen deutschen einige Matten aus Samoa, die wir uns schon in der zweiten Wir raten im Leitfaden dazu, Die Leiterin des Bremer Über- wir auch international recher- Küchen. mit Landrechten verbunden Fassung des Leitfadens davon sich zumindest staatlichen see-Museums, Wiebke Ahrndt, chiert, auch in den Herkunfts- sind. Sie wurden damals dem gelöst, das nur unter rechtli- Rückhalt zu holen, um nicht hat mit einer Arbeitsgruppe des gesellschaften selbst. Zu allen Also ein sehr umfassender deutschen Kaiser gegeben, da- chen und ethischen Aspekten in innerstaatliche Konfl ikte Deutschen Museumsbunds den Bereichen: Sammeln, Forschen, Ansatz. mit er sie zurückschenkt und zu betrachten. Da, wo eindeu- verwickelt zu werden. Man darf Leitfaden »Umgang mit Samm- Ausstellen, Rückgabe – was Das koloniale Erbe zieht den Beschenkten damit einen tig geraubt wurde, muss es nicht immer davon ausgehen, lungsgut aus kolonialen Kontex- haben andere Museen schon sich durch, bis zu Kolonial- höheren Status verleiht. Der Konsequenzen haben. Aber es dass Rückgabe zu Frieden führt. ten« erarbeitet, der nun in der gemacht? Da ist schon viel Denkmälern, die nicht nur das Kaiser wusste davon nichts gibt auch Objekte, die ganz le- Die Frage ist allerdings, ob uns endgültigen Fassung vorliegt. passiert, wovon man lernen Stadtbild prägten, sondern und hat sie an die deutschen gal erworben wurden, auf nicht das dann noch etwas angeht. Ludwig Greven fragt nach. kann. sich auch in Sammlungen Museen verteilt. Wir wollten ethisch fragwürdige Weise, Genauso wie, ob den Stücken wiederfi nden. Dafür wollen wir wissen, ob dies ein potenzielles die jedoch in den Herkunfts- konservatorisch etwas passiert. Ludwig Greven: Wenn es in An welche Museen richtet sensibilisieren. Wir als eth- Rückgabegut wäre, aber man gesellschaften eine solche Das ist dann nicht mehr unsere einem afrikanischen Land sich der Leitfaden? nografi sche Häuser stehen im hat uns von samoanischer Sei- Bedeutung haben für deren Angelegenheit. ein Museum zu den alten Neben den wenigen ethnogra- Fokus. Wir machen schon sehr te dringend gebeten, das nicht kulturelle Identität, dass man wilden Germanen und Teu- fi schen Museen, die im Zent- viel zur Provenienzforschung. zu tun, weil damals neue Mat- sich vielleicht dennoch darauf Womöglich landen zurück- tonen gäbe, wie sähe das rum stehen, gibt es viele, die Aber man muss das weiter ten mit Landrechten angefer- verständigt, sie zurückzugeben. gegebene Objekte wieder wohl aus? so etwas in ihren historischen fassen. Wir springen zu kurz, tigt wurden und eine Rückgabe Das ist nicht leicht festzustel- auf dem internationalen Wiebke Ahrndt: Gezeigt wür- Sammlungen haben, bis hin wenn wir nur nach Zeugnissen nur zu ungeheuren Konfl ikten len, aber es ist auch ein Ergeb- Markt. den wahrscheinlich wenig zu Heimat-, Geschichts- und aus den ehemaligen Kolonien führen würde. nis unserer Diskussion mit den Das können wir nicht verhin- spektakuläre archäologische Naturkunde-Museen. Unser schauen. internationalen Expertinnen dern. Ich wünschte mir jedoch Funde, ein paar Schuhnägel Leitfaden nimmt explizit alle Es ist also nicht alles so und Experten, dass man da of- einen Etat, um Sammlungsstü- und Speerspitzen. Die Ausstel- Museen in den Blick. Es ist Machen Sie einen Unter- eindeutig, wie es manche fen sein und es partnerschaft- cke, die zurückgegeben wer- lung würde vielleicht abheben eine wichtige Erkenntnis, dass schied bei den Intentionen meinen? lich klären sollte. Unabhängig den, zurückkaufen zu können, auf den Unterschied zwischen sich das koloniale Erbe nicht der Sammlungen? Es ist ja In vielen Fällen lässt sich nicht von einem kolonialen Kontext. wie bei NS-Raubgut, damit sie den damaligen Germanen und nur auf Objekte bezieht, die nicht alles Beutekunst, man- restlos klären, wie Dinge in die in den Museen bleiben, denn den heutigen Deutschen. Aus aus den Herkunftsländern ches entsprang möglicher- Sammlungen gekommen sind. Gibt es denn viele Rückgabe- manches würde tiefe Löcher anderen Teilen der Welt guckt stammen und während der weise echtem Interesse an Im besten Fall war es für beide Forderungen? in unsere Sammlungen rei- man anders auf Europa, als wir Kolonialzeit nach Deutsch- anderen Kulturen. Seiten ein gutes Geschäft. Es So gut wie keine. Die, die es ßen. Bei der Rückgabe geht es das tun. Genauso umgekehrt. land kamen. Dazu gehören Wir nehmen nicht nur die Eu- geht nicht darum, Geschichte gibt, beziehen sich fast aus- ja auch um das Symbol, das auch Exponate, die koloniale ropäer in den Blick, als Täter, zu beschönigen, aber sie diff e- schließlich auf menschliche Anerkennen, dass Schuld auf Deutsche, die sich die Aus- Strukturen spiegeln, z. B. in Raubende, Mitnehmende, die renziert zu betrachten. Es hilft, Überreste. Da, wo sich be- sich geladen wurde. Viele stellung anschauten, wür- der Werbung, der Sarotti-Mohr, sich etwas angeeignet haben. es als gemeinsame Geschichte stimmen lässt, woher diese Herkunftsgesellschaften sa- den feststellen, dass die Tabak-Indianer und andere Wir stellen in dem Leitfaden zu betrachten und es nicht nur stammen, was nicht immer gen, Rückgabe ist nicht das Germanen keine weit ent- rassistische Werbefi guren, die heraus, dass es auch aufseiten auf die formale Kolonialherr- ganz einfach ist, werden sie Ende, sondern der Anfang. Für wickelte Kultur hatten. An- das Bild des Fremden stark der Herkunftsgesellschaften schaft zu beschränken und zurückgegeben und dann oft manche Herkunftsgesellschaft ders als die Römer, die Teile geprägt haben. Es gibt in den Handelnde gab. Eine Täter- auf die relativ kurze, regional beigesetzt. steht die Rückgabe gar nicht ihres Gebiets kolonisiert hatten. Ja, das könnte lehrreich sein.

Es gibt seit Langem eine Debatte über Sammlungs- gut aus der auch deutschen Kolonialgeschichte. Hat sich dadurch die Sicht auf »primitive« Völker gewan- delt, wie sie früher genannt wurden? Das ist Vergangenheit. Die Fachwelt hat schon lange ei- nen anderen Blick. Wir stellen ein großes Interesse an dem Thema und an Menschen aus anderen Kulturen insgesamt fest. Besucherinnen und Besucher schauen sich das natürlich immer mit ihrer Per- spektive an. Unser Way of Life wird da leicht zum Maßstab. Unsere Aufgabe in den ethno- logischen Museen ist, deutlich zu machen, dass das nicht der einzige Weg ist, wie man sein Leben glücklich gestalten kann, sondern einer von vielen. Sonst ist man schnell wieder in evolutionistischen Denkwei- sen, die westliche Zivilisation als das Ziel der kulturellen Entwicklung.

Sie haben mit einer Arbeits- gruppe des Museumsbunds in einem langen Diskussi- onsprozess einen Leitfaden HAASE /MATTHIAS ÜBERSEEMUSEUM FOTO: zum Umgang mit koloni- Die feine Matte »ie tonga« um  aus Samoa alem Sammlungsgut erar- beitet, nun in der dritten, Geschichtsmuseen vieles, was Opfer-Dichotomie entspricht begrenzte deutsche Koloni- Um welche Exponate kann im Fokus, sondern Koope- endgültigen Fassung. Was mit der Erschließung der Kolo- nicht der Realität, und es alzeit. Deshalb sprechen wir es noch gehen? ration. Wir raten daher im sind die Leitsätze? Und wie nien zu tun hat, die Waff en, die würde wieder Überheblichkeit im Leitfaden von kolonialen Herausragendes kulturell sen- Leitfaden dazu, off en über die unterscheiden sie sich von Flaggen. Im Technik-Museum zeigen, nach dem Motto: Wir Kontexten. Die Herausforde- sibles Sammlungsgut, so haben Wünsche zu reden. Im Moment der ersten Fassung? in Berlin steht die Bagdad- als Europäer konnten in die rung ist, dass die kolonialen wir es in dem Leitfaden formu- ist die Debatte bei uns sehr Starke Weiterentwicklungen Bahn. Bis hin zu den Kunst- Welt gehen und alles mitneh- Sammlungsgüter aus sehr liert, wie Herrschaftszeichen, verengt auf die Rückgabe. gab es zwischen der ersten museen, wo sich in vielen men. Das war nicht so. Es gab verschiedenen Teilen der Erde Throne z. B. Auch Alltagsge- und zweiten Fassung durch die Bildern Klischeevorstellungen in allen Ländern Leute, die stammen und damit aus sehr genstände, wenn sie eindeutig Vielen Dank. Diskussion mit Expertinnen etwa von Südsee-Paradiesen mit Kulturgütern Geschäfte unterschiedlichen histori- aus Plünderungen stammen. und Experten aus elf Her- oder von der Erschließung der machen, bis heute. Manches schen Bezügen. Die koloniale Es ist allerdings auch nicht Wiebke Ahrndt ist Direktorin kunftsländern, insbesondere Welt und der Erweiterung der wurde extra dafür hergestellt. Herrschaft hat in vielen Län- immer leicht zu klären, wer ei- des Übersee-Museums Bremen zur Frage der Rückgabe. In der eigenen Länder spiegeln. Und Wir haben Gegenstände in den dern nicht mit der staatlichen gentlich befugt ist, die Rückga- und Leiterin der Arbeitsgruppe dritten Version gibt es einige es geht auch um Alltagskultur. Sammlungen, die keinerlei Unabhängigkeit geendet. Für be zu fordern: die Herkunfts- »Kolonialismus« beim Präzisierungen und Ergänzun- Wir haben in unserer Samm- Gebrauchsspuren aufweisen. bestimmte Bevölkerungsgrup- gesellschaft, wenn ja, welche Deutschen Museumsbund. gen zur Zusammenarbeit mit lung eine Kolonialuhr, die die Da wurde auf einen Markt re- pen bestand sie viele Jahre Gruppe oder Familie, oder Ludwig Greven ist freier den Herkunftsgesellschaften. Zeit in den verschiedenen Zo- agiert. Es gab Tauschgeschäfte darüber hinaus. ein heutiger Staat? Man kann Publizist 08 INLAND www.politikundkultur.net

#anstanddigital  Gebote zu Haltung und Respekt im Netz

JOHANN HINRICH CLAUSSEN demokratische und digitale Kultur Gegen die Empörungsüberhitzungen Diese Liste hat nichts Spektakuläres, würden uns sehr darüber freuen, wenn UND JOACHIM HAKE grundlegend sind. Welche Maximen des Internets setzen die  Gebote auf und wirklich Neues fi ndet sich in dieser diese Gebote Anstoß für viele Gesprä- helfen uns im Netz zu mehr Anstand, moralinfreie und besonnene Abküh- Liste nicht. Und das ist gut so! Originell che werden – im Netz oder von Ange- mpörungen unterscheiden, nicht der eigentlich selbstverständlich sein lungen, auf die Kraft der Unterschei- kann, soll und darf diese Liste nicht sein. sicht zu Angesicht. richten, Abstand halten und sich sollte? dung und die kleinen Distanzen. Sie Gebote sind nie originell, sondern er- E nicht gemein machen … so be- Dabei geht es nicht um »muffi ge räumen in bestimmten Fällen das Recht öff nen, wenn sie überzeugend sind, aus Johann Hinrich Claussen ist Kulturbe- ginnen unsere  Gebote zu Haltung Benimmregeln« oder Etikette im Netz auf Anonymität ein, widersprechen dem Inneren des Bekannten heraus auftragter der EKD. Joachim Hake ist und Respekt im Netz. Sie vermeiden und auch nicht um jene Fragen, die das aber deutlich allen Versuchungen zur Spielräume der Freiheit. Aber: Listen Direktor der Katholischen Akademie das Ausrufezeichen, sind keine präpo- Recht lösen muss, sondern um jenen falschen Panzerung oder bösen Ver- haben dabei eine eigene, oft übersehene zu Berlin tenten Imperative, sondern Infi nitive, mittleren Korridor, in dem wir ohne steckspielen. Dagegen setzen sie einen Kraft. Ob Gebots- oder Inventurlisten, die das Selbstverständliche fordern, Anstand, Respekt und Haltung im Netz berührbaren Ernst, der in christlicher wir schaff en durch sie eine Übersicht, das in der digitalen Kommunikation nicht auskommen. Die Gebote und ihre Absicht das Vorletzte des Urteilens – rhythmisieren und hierarchisieren auch INFO im Netz leider viel zu häufi g verges- Begründungen sind auf einen eben- nicht richten – ebenso betont wie die und vor allem unsere täglichen Hand- sen wird. Wir klagen nicht, sehen aber so sanften wie widerständigen Ton Freude an den spielerischen Möglich- lungen. Wer sich an ihnen orientiert, #anstanddigital ist ein Projekt der Anlass, in den Fragen von Haltung und gestimmt. Zivilisierung im Netz keiten des Netzes. Sie achten auf die wird kräftiger und widerständiger, wer Katholischen Akademie in Berlin e.V. Respekt auf mehr Klarheit, Unterschei- braucht Zeit und Geduld, Wiederho- eigene Scham und die der anderen. Listen aufstellt, macht sich ehrlich über in Zusammenarbeit mit dem Kul- dung und Entschiedenheit zu drängen. lung, Übung, Praxis. Und das gemein- Von moralischen Schuldzuweisungen seine wirklichen Ressourcen und bändigt turbüro der Evangelischen Kirche Wir wünschen uns eine Zivilisierung same Gespräch. halten sie wenig. seine Unendlichkeitsfantasien, die allzu Deutschlands. Es wird gefördert von des Netzes, die durch das Recht allein Die mit den  Geboten angezielten Die  Gebote sind Niederschlag oft im Träumen und Nichtstun enden. der Beauftragten der Bundesregie- nicht geleistet werden kann. Das letzte Veränderungen stellen sich nicht von eines gemeinsamen Lern- und Ge- Von den Leserinnen und Lesern der rung für Kultur und Medien, Monika Gebot lautet denn auch: »Anstand und jetzt auf gleich ein, sondern gehen auf sprächsprozesses und Ausdruck der  Gebote wurde vielfach bemerkt, dass Grütters MdB. Recht unterscheiden«. Verwandlungen des kulturellen Habitus nüchternen Einsicht, dass den vielen das Selbstverständliche ihrer Weisun- Die  Gebote wurden am . Fe- An unseren  Geboten haben in zu und haben weniger die moralische Respektlosigkeiten und emotionalen gen so noch nicht gesagt wurde. Ja, auf bruar  in einer YouTube-Live- einem gut einjährigen Diskussions- Innerlichkeit als die äußerlichen Um- Entgleisungen im Netz etwas entgegen- das »Wie« kommt es an, und es wäre übertragung aus der Katholischen prozess viele Menschen mit Anregun- gangsformen im Blick. Damit stehen gehalten werden muss. Dass die Kraft schön, sie hätten recht. Das unschein- Akademie in Berlin der Öffent- gen, Beiträgen und Ideen mitgewirkt. sie – darauf wies Ijoma Mangold bei der von Listen unterschätzt wird, davon bare »Wie«, seine sanfte wie strenge lichkeit vorgestellt und mit Nora In Workshops, durch Fragebögen, Vi- Präsentation am . Februar hin – in der sind wir ebenso überzeugt, wie davon, Genauigkeit hat vielleicht die Kraft, die Bossong, Ijoma Mangold, Markus deo-Statements und Veranstaltungen Linie jener »Verhaltenslehren der Käl- dass wir ohne Gebote des Anstands Kommunikation im Netz menschen- Beckedahl und vielen anderen zur – mehr auf anstanddigital.de – wurde te« der er Jahre, von denen Helmut nicht auskommen, an denen wir unser freundlicher und sachlicher werden zu Diskussion gestellt. über die Frage nachgedacht, welche Lethen in seinem gleichnamigen Buch Verhalten zu messen und zu orientieren lassen, die Umgangsformen hin zu mehr Die  Gebote fi nden Sie unter Anstandsgebote und -regeln für eine sprach. haben. Respekt und Haltung zu verändern. Wir katholische-akademie-berlin.de. Geht nicht gibt’s nicht Bewusstseinswandel durch ben, wie sie konkret in der Krise die NEUSTART KULTUR-Hilfen Weichen für die digitale Zukunft des Kulturbetriebs stellen. Die Kulturstif- für die Digitalisierung tung des Bundes (KSB) fördert bei »dive in« spartenübergreifend neue Formen ROBIN MISHRA der Wissensvermittlung und künstleri- schen Auseinandersetzung, der spiele- ormalerweise tobt in den rischen Aneignung oder der Partizipa- Proberäumen der Kultur- tion mit Besucherinnen und Besuchern. etage in Salzwedel das kre- »Glücklich ist, wer in der Zwischenzeit N ative Leben. Doch während gelernt hat, sich im Digitalen mit der- der nicht enden wollenden Pandemie selben selbstverständlichen Schönheit können sich die jugendlichen Musi- zu bewegen wie ein Fisch im Wasser«, ker und Bands hier nicht treff en. Mit sagt Hortensia Völckers, Künstlerische seinen »Virtual Music Labs« überträgt Direktorin der KSB, sicher nicht nur im der Verein Aktion Musik / local heroes Blick auf die Proberäume in Salzwedel. seine analogen Räume nun in die di- Die Kulturstiftung der Länder (KSL) gitale Welt. Die jungen Musikerinnen hat mit »Kultur.Gemeinschaften« vor al- und Musiker können mit VR-Brillen in lem kleinere, auch ehrenamtlich geführ- virtuellen Proberäumen Instrumente te Kultureinrichtungen im Blick – zielt ausprobieren und gemeinsam spielen. damit auf eine digitale Transformation Eine Bundesförderung hat dieses Pro- in der Breite. Die KSL verzeichnete wie

jekt möglich gemacht. Der Verein aus die KSB eine Fülle guter Bewerbun- CHARISIUS CHRISTIAN | ALLIANCE/DPA PICTURE FOTO: Salzwedel erhält Mittel aus dem Pro- gen. Und bei »WissensWandel«, einem Da die Probenräume coronabedingt leer bleiben müssen, setzen im Rahmen von NEUSTART KULTUR geförderte Projekte gramm »dive in« der Kulturstiftung des vom Deutschen Bibliotheksverband alternative digitale Ideen um Bundes – und dieses wiederum wurde getragenen Hilfsprogramm für Biblio- aus NEUSTART KULTUR der Beauftrag- theken und Archive, gingen gleich am analoge Angebote auch nur annähernd Entscheidungsträgern zuweilen als Ent- verfestigt haben, geraten zu Recht auf ten der Bundesregierung für Kultur und ersten Bewerbungstag die Anträge im auff angen könnten. schuldigung für gepfl egtes Zuwarten den Prüfstand. Künftig wird es mehr Medien (BKM) fi nanziert. Minutentakt ein. Auch etablierte Ein- Und dennoch »könnte der Kulturbe- bei der Entwicklung digitaler Angebote. Raum für agiles und vernetztes Arbei- Es gibt viele Beispiele wie das aus richtungen und Netzwerke nutzen die reich stärker aus der Krise herauskom- Die falsche Annahme, die Präsenz im ten und Denken geben. Die sparten- Niedersachsen. Sie lassen lebendig Corona-Hilfen dazu, einen Sprung nach men, als er hineingegangen ist« – so hat Netz verleide den Museums- oder The- übergreifenden NEUSTART KULTUR- werden, was bei der Konzeption der vorne zu machen: Die Deutsche Digitale Kulturstaatsministerin Monika Grütters aterbesuch, unterschätzt grandios die Programme geben einen Vorgeschmack digitalen Unterstützungsangebote von Bibliothek arbeitet daran, ihr Angebot die schwungvolle Digitalisierung tref- Zuschauerinnen und Zuschauer. Das darauf, welche interessanten und un- NEUSTART KULTUR beabsichtigt war. eingängiger zu präsentieren. Das Ver- fend beschrieben. Über welchen Trend Gegenteil ist richtig: Wer den digitalen erwarteten Verbindungen schon heute Es sollten in der Kulturszene nachhal- bundprojekt »museumpunkt« wird in der schwer gebeutelten Kultursze- Anschluss verpasst, verscherzt es sich und künftig möglich sind. Das Gebot der tige Kompetenzen aufgebaut werden, zehn weitere Institutionen in sein Netz- ne könnte man das derzeit sonst noch mit seinem Publikum. Die attraktive Pandemie-Monate ist die kooperative die nicht nur heute in der Not, sondern werk aufnehmen und so noch stärker in sagen? digitale Präsentation macht Lust auf Suche der Kulturakteure nach gemein- auch morgen in der Zeit helfen. Es ging die Museumslandschaft hineinwirken. Neben der Fülle interessanter das analoge Kulturerlebnis, und das samen Lösungen – national, aber auch darum, den richtigen Moment zu tref- Bei aller Freude über diese Auf- Projekte macht insbesondere der Be- umso intensiver, je länger wir davon international. Kürzer gesagt: Geht nicht fen, den vielbeschworenen »Kairos«. bruchstimmung soll hier kein digitales wusstseinswandel Mut. In der gesell- durch die Pandemie abgeschnitten sind. gibt’s nicht. Die aktuelle Situation setzt digitale Kultur-Wintermärchen erzählt werden. schaftlichen Digitalisierungsdebatte Zweitens: Die Forderung nach Sicht- Mit seinen Corona-Hilfen hat der Ideen und Kreativität frei. Der dadurch Die Digitalisierung der Kulturprodukti- der letzten Jahre wirkte der Kulturbe- barkeit und Transparenz erweist sich Bund also nicht nur digitale Anschub- ausgelöste Digitalisierungsschub und on, Sammlungen, Archive und Bestände trieb eher »nur dabei« als »mittendrin«, als berechtigter Anspruch der Allge- hilfe gegeben, die er auch bei der Auf- die NEUSTART KULTUR-Zukunftshilfen bleibt eine anstrengende (Dauer-)Auf- schien Richtung und Tempo vor allem meinheit an Kultureinrichtungen. Das stockung von NEUSTART KULTUR greifen deshalb gerade jetzt gut inei- gabe, die sich auch mit und nach der Wirtschaft und Wissenschaft zu über- bedeutet nicht, dass auf Anhieb alles fortsetzen wird. Ebenso wichtig ist, nander. Pandemie nicht erledigt. Noch immer lassen. Die Krise könnte daran etwas Kulturgut digitalisiert werden könnte dass er im übertragenen Sinne digita- Wie das Rettungsprogramm ins- fehlt es bei manchen Kultureinrichtun- ändern. Sie hat veraltete Argumenta- oder sollte. Wohl aber braucht es Ansät- le Proberäume geöff net hat. Denn hier gesamt besteht auch der Baustein gen und bei einzelnen Künstlerinnen tionsfi guren ad absurdum geführt und ze und Pläne, wie sich Sammlungsbe- spielt die Musik – und manches Stück, für alternative, insbesondere digita- und Künstlern an der technischen Inf- macht strukturelle Veränderungen im stände und Wissensquellen intelligent das dargeboten wird, klingt ziemlich le Angebote aus verschiedenen Pro- rastruktur und der fachlichen Expertise. Kulturbereich unabweisbar. Dazu lassen digital aufbereiten und vermitteln las- verheißungsvoll. grammlinien, die möglichst konkret Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten sich drei Thesen aufstellen: sen – gerade wenn der analoge Zugang auf die Bedürfnisse der Betroff enen für digitales Arbeiten im Kulturbereich Erstens: Analoge und digitale Er- versperrt ist. Wer jetzt keine Strategie Robin Mishra leitet die Stabsstelle abgestimmt sind. In der letzten Aus- sind noch zu dünn gesät. Auch haben scheinungsformen der Kultur sind hat, schreibt sich keine mehr! Kommunikation und Digitalisierung gabe von Politik und Kultur haben die sich leider in der Krise kaum erkennba- Partner, keine Gegensätze. Die mitunter Drittens: Überkommene Hierarchien sowie die Projektgruppe Digitalisie- Verantwortlichen wichtiger NEUSTART re Geschäftsmodelle entwickelt, die den zelebrierte Angst vor dem Niedergang und kurzsichtiges Inseldenken, die sich rung bei der Beauftragten der Bundes- KULTUR-Digitalprogramme beschrie- Einnahmeausfall durch weggebrochene des realen Kulturerlebnisses diente nicht nur, aber auch im Kultursektor regierung für Kultur und Medien (BKM) Politik & Kultur | Nr. / | März  INLAND 09 FOTO: ADOBE STOCK / AKSMEDIA / STOCK ADOBE FOTO: Inwieweit haften Internetprovider selbst für rechtsverletzende Inhalte? Vorgehen bei Urheberrechtsverletzungen Das Gesetzgebungsverfahren zum Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz wird mit Spannung erwartet

ROBERT STAATS werden, ist dies nach der Rechtspre- Für eine bestimmte Form von Inter- Richtlinie) beziehen. – Insgesamt also oder Songs,  Kilobyte eines Fotos) chung bereits seit Langem der Fall (sog. netplattformen, den sogenannten »Up- eine komplexe Ausgangslage. oder vom Nutzer als gesetzlich erlaubt er Schutz von Werken durch »GEMA-Zuschlag«). loadplattformen« wie bspw. YouTube, Auf die Regelungsvorschläge des »geflaggt« sind. Außerdem muss es das Urheberrechtsgesetz Nachdem der Europäische Gerichts- hat der Europäische Gesetzgeber dage- UrhDaG kann im Rahmen dieses Bei- sich stets um »User Generated Con- wäre wenig wert, wenn Ur- hof in einer Entscheidung aus dem Jahr gen mit der Richtlinie über das Urhe- trages nur verkürzt eingegangen wer- tent« handeln, bei dem weniger als die D heber oder Rechtsinhaber  klargestellt hat, dass das europä- berrecht im digitalen Binnenmarkt vom den. Grob gesagt, geht es darum, dass Hälfte eines fremden Werkes genutzt gegen Rechtsverletzungen nicht eff ek- ische Recht der Einführung eines sol- . April  (»DSM-Richtlinie«) be- Uploadplattformen »bestmögliche« wird und die Werkteile mit anderem tiv vorgehen könnten. Das Gesetz sieht chen Zuschlags nicht entgegensteht, sondere Haftungsregelungen geschaf- Anstrengungen unternehmen müssen, Inhalt kombiniert werden. Allerdings deshalb in einem besonderen Abschnitt wäre zu wünschen, dass sich auch der fen. Die einschlägige Vorschrift, Art.  um die erforderlichen Nutzungsrechte können »vertrauenswürdige Rechtsin- Bestimmungen vor, die das Vorgehen deutsche Gesetzgeber endlich mit der DSM-Richtlinie, war im europäischen für die Wiedergabe der urheberrecht- haber« auch bei mutmaßlich erlaubten bei Urheberrechtsverletzungen regeln. Frage eines generellen Zuschlags bei Gesetzgebungsverfahren höchst um- lich geschützten Werke zu erhalten. Nutzungen die sofortige Blockierung Urheberrechtsverletzungen gab es Urheberrechtsverletzungen befasst. stritten und steht jetzt in Deutschland Hierin liegt eine wichtige Klarstellung, verlangen, wenn durch die Wiedergabe immer, sie haben aber in der digitalen In anderen europäischen Mitglied- zur Umsetzung an. Anfang Februar  weil vor Inkrafttreten von Art.  DSM- während des Beschwerdeverfahrens die Welt eine völlig andere Bedeutung be- staaten, wie Österreich oder Polen, ist hat die Bundesregierung den »Entwurf Richtlinie rechtlich unsicher war, ob wirtschaftliche Verwertung des Wer- kommen. Neben den »traditionellen« eine Verdoppelung oder sogar Verdrei- eines Gesetzes zur Anpassung des Ur- Upload-Plattformen unmittelbar für die kes erheblich beeinträchtigt wird (sog. Instrumenten zur Durchsetzung des fachung der angemessenen Vergütung heberrechts an die Erfordernisse des di- Wiedergabe von Inhalten verantwort- »Red-Button«). Urheberrechts gegenüber dem unmit- bei schuldhaften Rechtsverletzungen gitalen Binnenmark- lich sind; die oben Mit dieser nicht gerade simplen Kon- telbaren Rechtverletzer geht es dabei bereits geltendes Recht. tes« verabschiedet, der erwähnten Vor- struktion versucht die Bundesregierung vor allem auch um die Frage, inwieweit Daneben bestehen auch noch weite- nunmehr in Bundesrat abentscheidungs- u. a. rechtlichen Bedenken zu begegnen, die Betreiber von digitalen Plattformen re Ansprüche, wie bspw. Vernichtungs-, und Bundestag bera- verfahren beim die gegenüber früheren Vorschlägen in die Verantwortung genommen wer- Rückruf- und Überlassungsansprüche ten werden wird. Da- EuGH belegen dies. für eine »Bagatellschranke« bestanden, den können. von rechtsverletzenden Vervielfälti- bei wird das Ziel ver- Die Pfl icht, sich um wonach Werknutzungen in einem be- gungsstücken. Wichtig sind ferner folgt, dass das Gesetz Lizenzen zu bemü- stimmten Umfang stets gesetzlich er- Aus kunftsansprüche, die gegenüber am . Juni , dem hen, gilt aber nicht laubt waren. Unterlassung und Schadensersatz dem Verletzer, aber unter bestimmten Stichtag zur Umset- uneingeschränkt, Bemerkenswert ist ferner, dass für Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Voraussetzungen auch gegenüber Drit- zung der DSM-Richtlinie, in Kraft tre- und sie besteht überhaupt nicht, wenn gesetzlich erlaubte oder mutmaßlich Beseitigung der Beeinträchtigung und ten geltend gemacht werden können. ten kann. Teil des Vorschlags ist dabei es um gesetzlich erlaubte Nutzungen erlaubte Nutzungen Vergütungsan- bei Wiederholungsgefahr ein Anspruch Letzteres kann insbesondere bei Ur- ein eigenständiges Urheberrechts- wie die Verwendung von fremden Wer- sprüche vorgesehen sind, die nur durch auf Unterlassung. Bei einer bereits be- heberrechtsverletzungen im Internet Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG), das ken für Zwecke des Zitats, der Karikatur, Verwertungsgesellschaften geltend ge- gangenen Rechtsverletzung wird da- eine Rolle spielen, wenn Auskünfte von sich ausschließlich mit der Verantwort- Parodie oder des Pastiches geht. Diese macht werden können. Außerdem sieht bei die Wiederholungsgefahr vermutet. Internetprovidern verlangt werden. lichkeit der Upload-Plattformen befasst. »Schranken des Urheberrechts« wer- der Entwurf einen sogenannten »Di- Ferner gibt es auch die Möglichkeit von den durch die DSM-Richtlinie zwingend rektvergütungsanspruch« des Urhebers vorbeugenden Unterlassungsklagen, vorgegeben, dürften aber in der Praxis gegenüber der Plattform vor, der immer Haftung von Internetprovidern Urheberrechts-Diensteanbieter- wenn eine Rechtsverletzung erstmals noch zu einigen Auseinandersetzungen dann besteht, wenn der Upload-Platt- Gesetz droht. Vor einer gerichtlichen Geltend- Umstritten ist seit vielen Jahren, in- führen. Dabei spielt insbesondere eine form von einem Dritten, wie bspw. dem machung des Unterlassungsanspruchs wieweit Internetprovider für rechts- Der Entwurf des UrhDaG ist – wenig Rolle, dass nach wie vor off en ist, was Filmproduzenten, die erforderlichen soll dabei der Verletzer zunächst abge- verletzende Inhalte selbst haften. Dabei überraschend – sehr umstritten. Da- unter einem Pastiche genau zu verste- Nutzungsrechte eingeräumt wurden. mahnt und ihm Gelegenheit gegeben spielt insbesondere eine Rolle, dass die bei spielt vor allem eine Rolle, dass hen ist. Auch dieser Vergütungsanspruch, mit werden, eine sogenannte strafbewehrte E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr die Bundesregierung sich nicht darauf Fehlt es an einer Lizenzierung und dem eine angemessene Vergütung der Unterlassungserklärung abzugeben. , die mit dem Telemediengesetz beschränkt hat, Art.  DSM-Richtlinie verlangt der Rechtsinhaber, die Wie- Urheber sichergestellt werden soll, ist Bei schuldhaften Urheberrechtsver- in Deutschland umgesetzt wurde, Haf- : umzusetzen, sondern ein kompli- dergabe von bestimmten Werke zu verwertungsgesellschaftspfl ichtig aus- letzungen kann außerdem Schadens- tungsprivilegien für Provider vorsieht. ziertes Regelungssystem vorschlägt, blockieren, muss die Plattform dem gestaltet. ersatz verlangt werden. Die Höhe des Allerdings hat der Bundesgerichtshof mit dem versucht wird, die Interessen zwar grundsätzlich nachkommen. Das Insgesamt ist der Ausgang des Ge- Schadens kann dabei auf drei unter- (BGH) – trotz dieser Privilegien– bei von Urhebern, Verwertern, Plattformen gilt aber, soweit automatisierte Filter setzgebungsverfahrens mit Spannung schiedliche Arten berechnet werden: als Beseitigungs- und Unterlassungsan- und Nutzern auszubalancieren. Ob dies eingesetzt werden, nicht bei »mut- abzuwarten; viel Zeit für die parlamen- Ersatz des konkreten Schadens nebst sprüchen eine sogenannte »Störer-Haf- gelungen ist, wird sehr unterschiedlich maßlich erlaubten Nutzungen«; hier tarischen Beratungen bleibt dabei nicht. entgangenem Gewinn, im Umfang einer tung« angenommen, wenn bestimmte bewertet; letztlich sind fast alle Betei- ist zunächst ein Beschwerdeverfahren angemessenen Lizenzgebühr oder in Prüfungspfl ichten seitens der Plattform ligten mehr oder weniger unzufrieden. durchzuführen, welches höchstens Robert Staats ist Geschäftsführendes Form der Herausgabe des Verletzerge- verletzt wurden. Es kommt hinzu, dass das Gesetzge- eine Woche dauern darf. Bei Nutzun- Vorstandsmitglied der VG WORT winns. Darüber hinaus wird seit Lan- Die Haftung von Internetprovidern bungsverfahren fl ankiert wird von einer gen, die mutmaßlich erlaubt sind, wird gem – auch vom Deutschen Kulturrat ist nunmehr auch Gegenstand des Ent- Klage der Republik Polen gegen Art.  die gesetzliche Erlaubnis (»Schranke«) – gefordert, dass im Rahmen des Scha- wurfs für eine Verordnung über digitale DSM-Richtlinie sowie zwei Vorabent- zunächst vermutet, kann aber im Be- INFO densersatzes nicht nur eine einfache Dienste (»Digital Services Act«), den die scheidungsverfahren des BGH zum schwerdeverfahren vom Rechtsinhaber Lizenzgebühr, sondern eine doppelte EU-Kommission im Dezember  vor- EuGH, die sich auf die Verantwort- widerlegt werden. Derartige Nutzungen Mit dieser Ausgabe schließt die Reihe Lizenzgebühr verlangt werden kann. gelegt hat. Der Verordnungsvorschlag lichkeit der Plattformen YouTube und liegen vor, wenn sie im Sinne des Geset- » Minuten Urheberrecht«. Alle bisher Bei bestimmten Rechtsverletzungen, knüpft dabei an die bisherigen Rege- Uploaded nach dem bisherigen Recht zes geringfügig sind (bis zu  Zeichen erschienenen Beiträge fi nden Sie unter: die von der GEMA geltend gemacht lungen der E-Commerce-Richtlinie an. (vor Inkrafttreten von Art.  DSM- eines Textes,  Sekunden eines Films bit.ly/JGhPD 10 INLAND www.politikundkultur.net

»Sprache ist ein Schlüsselfaktor der Selbstverwirklichung und Zugehörigkeit« Kristin Braband im Bjeen Alhassan: Während meines nung und Motivation verbreiten. Syrien. Als Minderheit aufzuwachsen einem besseren Ort machen, für uns Gespräch mit Bjeen Masterstudiums habe ich als Dol- Gefl üchtet und eine Frau zu sein, ist war nicht einfach für mich. Wir durf- und für die nächsten Generationen. metscherin gearbeitet. Ich habe den schwer genug, und wenn ich die Frau- ten in der Öff entlichkeit nicht Kur- Unsere unterschiedlichen Kulturen Alhassan gefl üchteten Frauen Fragen gestellt, en auf irgendeine Weise unterstützen disch sprechen, also habe ich zu Hau- sollten ein Grund sein, zusammenzu- wie: Was wollen Sie machen? Warum kann, dann mache ich das natürlich. se Kurdisch gesprochen und in der kommen, um voneinander zu lernen, »Lernen mit Bij in« heißt die Facebook- haben Sie noch nicht Deutsch gelernt? Schule Arabisch gelernt. Ich achtete unsere eigene Kultur zu kennen und Gruppe, in der Bjeen Alhassan gefl üch- Ich habe gesehen, wie sehr sie sich Momentan arbeiten Sie für die darauf, perfekt Kurdisch zu sprechen, uns weiterzuentwickeln. tete Frauen beim Deutschlernen und mit wünschen, in Deutschland etwas Koordinierungsstelle für Wei- weil es meine Muttersprache ist, aber Meine Lieblingsthese ist These : praktischen Tipps für den Berufsweg Eigenes auf die Beine zu stellen. Im terbildung und Beschäftigung in auch fl ießend Arabisch zu sprechen, »Bildung schaff t den Zugang zur unterstützt. Für dieses wertvolle Enga- März  habe ich von zu Hause ge- Hamburg e.V. (KWB). In welchem um dazuzugehören. So begann meine Gesellschaft«. Bildung hat mir ge- gement wurde sie mit dem Nationalen arbeitet und dachte an die Frauen, die Bereich sind Sie tätig? Beziehung zu Sprachen und ich lernte, holfen, Schwierigkeiten im Leben zu Integrationspreis  ausgezeichnet. jetzt ebenfalls zu Hause sitzen und Ich bin in zwei Projekten tätig. In jede Sprache, jeden Dialekt und sogar überwinden. Angefangen in Syrien Nominiert wurde sie von der Bundes- keine Kurse besuchen können oder dem Projekt »Fachkräfte für Ham- jeden Akzent zu schätzen. Ich fi nde, als Frau und kurdische Minderheit vereinigung der Deutschen Arbeitge- keine Kurse besucht haben. Da habe burg« arbeite ich zusammen mit der Sprache ist ein Schlüsselfaktor der bis hin zu meinem Leben in Deutsch- berverbände (BDA) und dem Bundes- ich an eine Plattform für sie gedacht Sozialbehörde im Hamburg Welcome Selbstverwirklichung und Zugehö- land. Bildung hat mir geholfen, verband der Deutschen Industrie (BDI). und eine Facebook-Gruppe gegründet. Center (HWC) und berate Menschen rigkeit. selbstbewusst zu sein und zu glau- Bjeen Alhassan ist in Rojava im Norden mit Fluchtgeschichte. Meine Aufgabe ben, dass ich alles erreichen kann, Syriens aufgewachsen, lebt seit  in Mit der Gruppe ermutigen Sie Frau- ist es, ihnen einen Ausbildungsplatz Die  Thesen der Initiative kultu- wovon ich träume. Sie hat mich Deutschland und absolvierte  ihren en, ihr Leben in Deutschland selbst zu vermitteln. In dem anderen Projekt relle Integration tragen den Titel glauben lassen, dass ich trotz meiner Masterabschluss in Business Manage- in die Hand zu nehmen, und un- »Talent Day« arbeite ich im Event »Zusammenhalt in Vielfalt«. Was ethnischen Zugehörigkeit, meines ment. Neben dem Engagement in der terstützen sie unter anderem beim Management und im Bereich der Be- bedeutet für Sie »Zusammenhalt Geschlechts und meines Glaubens in Facebook-Gruppe arbeitet sie aktuell in Einstieg in die Arbeitswelt. Welche rufsorientierung für Jugendliche in in Vielfalt« und welche der  The- der Lage bin, die Welt mit den Mit- der Koordinierungsstelle für Weiterbil- Motivation steckt dahinter? Medien und IT. sen ist Ihre »Lieblingsthese«? teln, die ich habe, zu einem besseren dung und Beschäftigung e.V. in Hamburg. Damals, im Jahr , habe ich mir »Zusammenhalt in Vielfalt« bedeutet Ort zu verändern. eine ähnliche Facebook-Gruppe Sie sprechen Kurdisch, Arabisch, für mich, dass bei aller Unterschied- Kristin Braband: Für Ihre Facebook- gewünscht. Ich habe mir auch ge- Deutsch und Englisch. In Ihrer lichkeit unserer Kulturen es doch Vielen Dank. Gruppe »Lernen mit Bij in« wurden wünscht, jemanden zu haben, zu dem Facebook-Gruppe unterstützen Sie eine Sache gibt, die uns alle verbindet Sie im vergangenen Jahr mit dem ich aufschauen kann. Zu sehen, dass andere Frauen beim Sprachunter- und die wir erreichen wollen: Und Bjeen Alhassan ist Gewinnerin des Nationalen Integrationspreis der eine Frau es schaff t, Deutsch zu ler- richt. Welche Rolle spielt Sprache zwar wollen wir alle hier leben und Nationalen Integrationspreises der Bundeskanzlerin ausgezeichnet. nen, in sechs Jahren einen Abschluss in Ihrem Leben? unabhängig von unserer Herkunft Bundeskanzlerin . Kristin Braband Wie kam es zu dieser Gruppe? Und zu erlangen und zu arbeiten – dann Geboren und aufgewachsen bin ich zusammenarbeiten. Dadurch können ist Referentin für kulturelle Integrati- was passiert da genau? kann ich das auch. Ich möchte Hoff - in der kurdischen Stadt Qamishlo in wir unsere Gesellschaft täglich zu on beim Deutschen Kulturrat Neuer deutscher Orientalismus Von »Couchsurfi ng in Saudi-Arabien« und anderen Reisebüchern, die Aufklärung versprechen und in Klischees verharren

EIN KOMMENTAR VON hinter verschlossene Türen« (), schlagen. (…) Mitten rein ins Leben, lernt wohlhabende saudische Frau- Hinter verschlossene Türen BEHRANG SAMSAMI »Couchsurfi ng in Russland. Wie ich rein ins Private, Türschwellen als en kennen, die von ihrem Leben im blicken – ein altes Muster fast zum Putin-Versteher wurde« Last Frontier.« Dass Couchsurfi ng in streng religiösen Land berichten. Die Schlüsselloch-Perspektive, die A uf in den »Orient«? Seitdem die Co- () und »Couchsurfi ng in China. einem stark religiös geprägten Land Dazu baut der Ich-Erzähler mehrfach Neugierde für das Sexuelle im »Ori- rona-Pandemie uns fest im Griff hat, Durch die Wohnzimmer der neuen wie Saudi-Arabien, in dem die Türen, Informationen über die Politik des ent«, die Konstruktion des »Fremden« ist an Reisen in den Nahen und Mitt- Supermacht« () hat Autor Ste- wie es im Buch heißt, »absolut blick- Landes ein, die vom Kronprinzen als Spiegel des Eigenen: Wir kennen leren Osten nicht zu denken. Doch phan Orth, ein ehemaliger Spiegel- dicht« sind, nicht so einfach ist, wie Mohammed Bin Salman dominiert diesen »Orientalismus« aus der west- die Bürgerinnen und Bürger der Bun- Online-Redakteur, ein viertes Mal es sich der Ich-Erzähler wohl vorge- wird. lichen Literatur und Malerei – nicht desrepublik gelten als Weltmeister in ein Buch vorgelegt, in dem er – es stellt hat, sei bereits erwähnt. Was »Couchsurfi ng in Saudi-Arabien« zuletzt des . Jahrhunderts – und Sachen Reisen. Vielleicht – so mögen ist wohl kein Zufall – wieder ein au- problematisch macht, ist seine Hal- fi nden ihn auch bei Orth, der ihn be- die Verantwortlichen beim Piper toritär geführtes Land besucht und Der touristische, im Grunde tung und sein Ton. Der Ich-Erzähler nutzt, um Spannung in mehrfacher Verlag in Köln gedacht haben – wird angibt, eine »Reise durch ein Land desinteressierte Blick spricht zwar von »wunderbar gast- Hinsicht zu erzeugen. Hier fi nden der eine oder andere, wenn er schon zwischen Mittelalter und Zukunft« Stephan Orth wirft in seinem Buch freundlichen Menschen«, die ihn sich übrigens einige Gemeinsamkei- nicht selbst auf große Auslandstour zu machen. einen touristischen und voyeuris- aufgenommen hätten. Er macht sich ten zu anderen Büchern, die in den gehen kann, ersatzweise zum Buch Der Ich-Erzähler, der im Buch an tischen, einen privilegierten Blick aber auch immer wieder über sie lus- vergangenen Jahren erschienen sind: greifen, um »die Fremde« zumindest einer Stelle »Stephan« genannt wird, auf Saudi-Arabien, der gar nicht erst tig – ob es nun mangelnde Englisch- Neben »Couchsurfi ng in Iran« geht oder geografi sche Kenntnisse in es um »Das verbotene Kopftuch. Wie Bezug auf Mitteleuropa sind oder die der Iran mein Herz berührte« () falsche Aussprache von Orten, etwa von Nadine Pungs und »Iran, Ordi- »Selamsi« statt Zell am See. Auch behescht « () von Christian verallgemeinert er, ohne dies zu re- Welzbacher. fl ektieren. Als einmal ein Gesprächs- Ihnen ist gemeinsam, dass ihre partner Frauen »auf das rein Sexuelle Rückklappentexte Aufklärung und reduziert«, ist der Ich-Erzähler völlig Neues – in dem Fall über den Iran – zu Recht entrüstet und widerspricht. versprechen, die Bücher selbst aber Er schießt aber über das Ziel hinaus, häufi g Klischees (re-)produzieren wenn er von diesem Mann gleich und leider wenig Erkenntnisgewinn auf das ganze Land schließt: »Einer bringen. Es kann gut sein, dass die Gesellschaft, die auf so strenger Ge- Autorinnen und Autoren glauben, schlechtertrennung basiert, fehlt of- tradierte »Orient«-Themen wie etwa fenbar nicht nur Empathie, sondern Sexualität abhandeln zu müssen. auch manches Vokabular.« Die Ich-Erzählerinnen und -Erzäh- Doch mehr als Empörung und Kopf- ler wirken teilweise aber auch stark schütteln ist hier nicht beabsichtigt. überfordert von dem, was sie in der »Couchsurfi ng in Saudi-Arabien« soll fremden Umgebung erleben. Die feh- unterhalten, aber nicht anstrengen. lenden tiefen Kenntnisse über Politik Anstrengend ist aber die Lektüre und Geschichte der Region, aber auch

FOTO: PICTURE ALLIANCE / DPPI MEDIA | FREDERIC LE FLOC H FLOC LE FREDERIC | MEDIA DPPI / ALLIANCE PICTURE FOTO: für diejenigen, die nicht zuletzt die mangelnden Orts- und Sprach- Über eine Wüstentour mit Einheimischen berichtet der Autor in »Couchsurfi ng in Saudi-Arabien« mehr über die Hintergründe der ge- kenntnisse sowie über die dortigen sellschaftlichen Strukturen in den Kulturtechniken engen die Themen in seiner Vorstellungswelt zu erleben und der daher als Alter Ego des Au- in die Tiefe blicken, sondern an der Ländern des Nahen und Mittleren weiter ein und verstärken so teilweise und schon einmal Ziele für die Zeit tors anzunehmen ist, erkundet mit Oberfl äche bleiben will. Er besucht Ostens wissen wollen. Das Bedauer- die Oberfl ächlichkeit der Texte. Den nach Corona abzustecken. Saudi-Arabien ein Land, das sich seit Konzerte, die etwas Neues im sunni- liche: Der Ich-Erzähler scheint kein spöttischen Ton und das Sich-lustig- »Couchsurfi ng in Saudi-Arabien«: So einigen Jahren ausländischen Touris- tischen Königreich sind, feiert Weih- Interesse für Saudi-Arabien zu haben. Machen über die Einheimischen hat heißt ein Reisebuch, das im Februar ten öff net. Und wie auf seiner Iran- nachten mit anderen Christen und Der Aufenthalt dient letztlich nur Orth bei »Couchsurfi ng in Saudi-  bei Malik, einem Imprint von Reise will Orth auch hier »herausfi n- wird von Einheimischen auf Wüsten- dem Schreiben eines Buches über ein Arabien« auch wieder eingesetzt. Mal Piper, erschienen ist und sich, wenig den, was sich dahinter verbirgt«. Mit touren mit Geländewagen eingela- autoritär geführtes, »orientalisches« schauen, ob er mit seinem bekannten überraschend, hauptsächlich an eine »dahinter« sind die Türen gemeint: den. Er besucht historische Stätten, und »exotisches« Land. Tatsächlich, Strickmuster wieder Erfolg haben jüngere Leserschaft richtet. Der Ver- »Ich will bei Einheimischen wohnen, die zum UNESCO-Weltkulturerbe so schreibt er einmal, unterbricht er wird. lag geht kein großes Risiko ein. Nach mit ihnen den Alltag verbringen und gehören, wohnt bei Deutschen in die Reise für mehrere Woche, um zu »Couchsurfi ng in Iran. Meine Reise alles ausprobieren, was sie mir vor- streng bewachten Compounds und Hause Vorträge zu halten. Behrang Samsami ist freier Journalist Politik & Kultur | Nr. / | März  INLAND / EUROPA 11

Start ins Gedenkjahr . Jahre jüdisches Leben in Deutschland

JOHANN MICHAEL MÖLLER Leben in Deutschland. Wie leben vor Posen die Begründung für Preußen allem junge Menschen ihr Judentum schrieb, die deutsche Nation zu voll- lter geht nicht. Weiter als heute in einem Land, in dem es auf enden, das habe ich erst aus diesem . Jahre kann man in der furchtbare Weise beendet erschien. Leo Buch gelernt. Es wäre vielleicht eine Geschichte kaum zurückgrei- Baecks bitteres Wort hallt immer noch akademische Fußnote geblieben, wenn Ä fen, um der Tradition jüdi- nach, dass »die Epoche der Juden in diese Idee von der Nation als Bekennt- schen Lebens in Deutschland gerecht Deutschland ein für alle Mal vorbei« sei. nis, als »Erfi ndung«, wie man heute zu werden. Ein bisschen waghalsig ist Das Gedenkjahr hat sich vorgenom- etwas abschätzig sagt, nicht ganz wo- dieser Zeitsprung in das Jahr  n. Chr. men, das Gegenteil zu beweisen, so anders Furore gemacht hätte. Wir zi- schon, obwohl sich das Datum belegen schwer das nach Halle und einer wach- tieren gerne Ernest Renan mit seinem lässt. Man landet auch nicht in Deutsch- senden Gefährdung auch fällt. Aber es berühmten Wort von der Nation als land oder im heutigen Köln, sondern in sind nicht nur die mahnenden Worte einem täglichen Plebiszit. Wir wissen der römischen Rheinprovinz Niederger- wie in der Kölner Synagoge, es sind die nur nicht, woher er das hat, dass La- manien und jener Colonia Agrippina, Menschen selbst, denen das tagtäglich zarus ihm diese Idee schenkte. Wenn für die man schon damals das Kürzel gelingt. In den für die Auftaktveran- man das weiß, begreift man die näheren CCAA erfand. Dort siedelten auch kei- staltung gefi lmten Porträts wollen sie Umstände: Am Vorabend der Reichs- ne Deutschen, sondern germanische ihren Betrachtern allesamt sagen: Seht gründung denkt ein preußischer Jude Stämme und jenes kaiserliche Dekret, her, wir sind Leute wie ihr! In Erinne- über die Frage der Zugehörigkeit nach wonach Juden in Ämter der Kurie und rung geblieben ist mir der Satz eines und wie man Teil wird am Werden der der Stadtverwaltung berufen werden Jungen, der auf die Frage, was ihm sein eigenen Nation. Man darf das Ende der konnten, war Teil der konstantinischen Jüdischsein denn bedeute, zur Antwort Geschichte nicht verschweigen. Auch Politik. Aber wir wollen gar nicht so gab: Meine Geschichte. Lazarus wurde vom Antisemitismus des pingelig sein. Manchmal versöhnt der Dieser Satz berührt eine zweite, Kaiserreichs überrollt. Am Ende seines Zweck eben doch mit den Mitteln. Die nicht verheilen wollende Wunde. Mit wissenschaftlichen Lebens schien ihm geografi sche Richtung stimmt immer- den Menschen wurde auch ihre Ge- die Frage nach dem Wesen des eige-

hin und – die Kölner mögen verzeihen schichte zerstört. Das meint nicht nur nen Judentums wichtiger. Trotzdem BIANCHETTI/LEEMAGE / ALLIANCE PICTURE FOTO: – das religiöse und geistige Zentrum die mittelalterlichen Steine, die man verkörperte er jenen öff entlich wirk- Das Verschwinden von jüdischen Intellektuellen wie Moritz Lazarus aus dem des frühen aschkenasischen Judentums in Köln jetzt aus dem Erdboden gräbt. samen jüdischen Intellektuellen, von deutschen Gedächtnis ist symptomatisch. Schaff t das Gedenkjahr Veränderung? lag ungefähr in dieser Region. Da sind Es sind auch all die vielen Kapitel seit- denen es in der deutschen Geschichte wir freilich fast tausend Jahre weiter her. Man sollte in Berlin einmal in die so viele gab. Auch sein Verschwinden wir können es nur vermuten. Aber seine die verbriefte Frage an seine Schüler und bei den berühmten, nach einem Mendelssohn-Remise gehen und sich aus dem deutschen Gedächtnis ist sym- Herkunft lässt sich zurückverfolgen. Er bekommen: Warum gehöre ich nicht hebräischen Akronym benannten ober- das ansehen, was vom alten Bankhaus ptomatisch und gilt für viele ähnliche stammt aus einer alteingesessenen jüdi- mehr zu euch und warum nicht mehr rheinischen SchUM-Städten: Mainz, noch übrig ist. Man triff t dort auf die Biografi en. Karl Wolfskehl hat das in schen Familie aus dem unterfränkischen zu diesem Land? Speyer und Worms. Ahnengalerie einer seinem neuseeländischen Exil bitter Urspringen; seinen Stammbaum hat er Wir können solche Geschichte Dort entfaltet sie großen Familie und beklagt. Er wähnte sich in Deutschland in Form einer Eiche gemalt. In Fränkels überall fi nden. Sie liegen nicht . sich dann wirklich, sieht den Stolz, mit so sehr vergessen, dass niemand mehr Landschaften konnte man wohl gebor- Jahre zurück. Die Archäologie, um die die große gelehrte dem sie auf die Be- wisse, dass es ihn jemals gab. gen sein. Er selber war es am Ende nicht. es hier geht, gräbt in unserer jüngs- jüdische Tradition. sucher von heute Die ungezählten unbekannten Le- Es ist dieses nahe Verschwinden, das ten Geschichte. Sie fördert auch nicht Das soll der Köl- blickt. Die dort von bensläufe endeten häufi g im Nichts; uns immer wieder von Neuem bestürzt. längst vergangene, fremde Dinge zu- ner Idee keinen den Wänden zu uns und die Chancen stehen nicht gut, sie Mehr als jede andere Form des Geden- tage, sondern abgebrochene Teile von Abbruch tun, auch herunterschauen jemals zu Ende erzählen zu können. kens weisen gerade die Stolpersteine uns selbst. Ich glaube kaum, dass der wenn man sich bei dem gewaltigen mussten sich nicht erklären. Sie wa- Durch Zufall bin ich auf Clemens Frän- auf diese Einzelnen hin. Es waren die Junge, der bei der Auftaktveranstaltung Zeithorizont, der dort aufgemacht wird, ren Teil der deutschen Gesellschaft; sie kel gestoßen, einem Frankfurter Maler, Nachbarn, die Lehrer und Freunde. dieses Gedenkjahres von seiner jüdi- schon fragt, ob die Werbebotschaft wohl haben sie oftmals repräsentiert. der im weitesten Sinne zur Münchner Fremde waren sie nicht. Der verehrte schen Geschichte sprach, die Zeit der noch die passende ist, die da auf einer Vor Kurzem ist eine grundgescheite Schule gehört. Seine Lebensspur ver- Latein- und Griechischprofessor Otto Römer gemeint hat. Ich glaube vielmehr, blauen Straßenbahn durch die Stadt Biografi e über Moses Lazarus erschie- liert sich  in Cortina d‘Ampezzo. Morgenstern hat Generationen von dass er wissen will, wer vor ihm hier fährt: »Schalömchen«, wie man wohl nen, Moritz, wie er sich später nannte. Die SS hatte ihn kurz vor Kriegsende Berliner Kindern im berühmten Schil- war. Um als Jude, als Jüdin hier wieder sagt. Ein bisschen ernsthafter könnte Die wenigsten kennen ihn heute noch noch in das Durchgangslager Fossoli lergymnasium humanistisches Denken leben zu können, braucht es auch den es für den Nichtkölner schon sein. und wenn, dann als Erfi nder einer so verschleppt. Von dort ging der Transport beigebracht. Dann hat man ihn hoch- historischen Grund. Denn die Idee, die hinter diesem Ge- merkwürdigen Disziplin wie der Völ- weiter nach Auschwitz. Primo Levi, der betagt und vor aller Augen die Straßen denkjahr steht, strahlt natürlich weit kerpsychologie. Dass aber ein junger dabei war, hat die Ankunft beschrieben. kehren lassen; schließlich wurde er ab- Johann Michael Möller ist freier über Köln hinaus: Es geht um jüdisches jüdischer Gelehrter aus der Provinz Wir kennen Fränkels Todesdatum nicht, geholt. Er hat keine Antwort mehr auf Publizist Sieben Jahre Kreatives Europa KULTUR Die EU-Kulturförderung also mit dem Ziel verbunden sein, einen Bereiche des Kultur- und Kreativsek- ordnen: Die meisten Projekte fanden  und  Prozent, in Deutschland zwi- in Deutschland Beitrag zum Erhalt und zur Förderung tors und stärken die Vernetzung und die im Bereich Darstellende Künste (%) schen  und  Prozent. europäischer Kulturen zu leisten. Im Kapazitäten ihres Sektors. Gleich fünf statt, gefolgt von Musik (%). Mit nur In über . Beratungen haben die Förderbereich Kooperationsprojekte Netzwerke vertreten von Deutschland einem Projekt war der Bereich Design Mitarbeiterinnen des Creative Europe LEA STÖVER heißt das konkret, dass jedes Projekt aus eine Sparte in Europa: der »Euro- am wenigsten vertreten. Die anderen Desk KULTUR in den letzten sieben eine Kooperation aus mindestens drei pean Music Council« und die »European Bereiche sind: Interdisziplinär (%), Jahren viele der geförderten Projekte ie Europäische Union fördert Partnern aus drei Ländern umfasst. Die Choral Association« für die Musik, das Bildende Kunst (%), Kulturerbe (%), begleitet. Und zum Glück gilt auch für mit dem Programm »Kreatives meisten Kooperationen entstanden »Network for European Museum Or- Literatur (%), Medienkunst (%). Das den Desk: Nach der Laufzeit ist vor der D Europa KULTUR« den Kultur- hierbei mit Partnern aus Italien, Frank- ganisations« für die Museen, die »Eu- Zentrum für Medien und Kunst Karls- Laufzeit. Der CED KULTUR wird wei- und Kreativsektor in Europa. Und wie reich und Großbritannien. Festzustellen ropean Route of Industrial Heritage« ruhe (ZKM) war an acht Kooperations- terhin zu den Fördermöglichkeiten des für alle EU-Programme ging mit dem ist, dass Kooperationen mit Ländern aus für den Bereich Kulturerbe und die projekten beteiligt und ist damit die Programms beraten und durch die EU Jahr  die siebenjährige Laufzeit Westeuropa überwiegen. Als östliches »European Theatre Convention« für erfolgreichste geförderte Organisati- und die Beauftragte der Bundesregie- (-) des Programms zu Ende. Nachbarland liegt Polen auf dem achten öff entliche Theater. Die Werkleitz Ge- on aus Deutschland. Aktuell leitet das rung für Kultur und Medien gefördert. Ein guter Anlass also, um zurückzu- Platz, gefolgt von Slowenien auf Platz sellschaft in Halle erhielt als einzige ZKM das Projekt »Beyond Matter«, ein Das Programm Kreatives Europa startet schauen und zu fragen, bei wem diese neun der meisten Kooperationen mit Einrichtung in Deutschland eine För- praxisbasiertes Forschungsprojekt, das dieses Jahr in die neue siebenjährige Förderung in Deutschland ankam und Deutschland. Aber was neue Partner- derung im Bereich Plattformen. Mit der neuartige Lösungen für die digitale Laufzeit (-) und ist mit über , wofür sie verwendet wurde. Der Crea- schaften angeht, sind deutsche Kultur- »European Media Art Platform«, einem Dokumentation und Präsentation von Milliarden Euro ausgestattet. Das ist ein tive Europe Desk KULTUR (CED Kul- einrichtungen nicht zurückhaltend. So Zusammenschluss europäischer Me- bereits durchgeführten Ausstellungen Mittelaufwuchs von über  Prozent im tur) legt mit der Veröff entlichung »Eine ging die erste Kooperation mit einem dienkunstlabors, werden talentierte erarbeitet. Vergleich zum Vorgängerprogramm. Die Auswertung des EU-Kulturförderpro- armenischen Partner auf die Initiative Künstlerinnen und Künstler unterstützt. Das Interesse an europäischer Ko- Aufteilung in die Teilprogramme MEDIA gramms - für Deutschland« der Kölner »Un-Label Performing Arts Die Literaturübersetzungen waren operation war in den vergangenen zur Förderung der audiovisuellen Bran- nun Zahlen und Fakten aus sieben Jah- Company e.V.« zurück. Mit Partnern aus im Programm Kreatives Europa KUL- sieben Jahren deutschlandweit groß. chen und KULTUR für den Kultur- und ren EU-Kulturförderung vor. Italien und Griechenland entstand so TUR der einzige Bereich mit einer sek- Im Hinblick auf die Anzahl der ge- Kreativsektor bleibt bestehen. Die ers- Und in der Kurzfassung hört sich das das Projekt »ImPArt«, das sich um in- torspezifi schen Förderung. Gefördert förderten Organisationen führt Ber- ten Ausschreibungen werden für April/ so an:  deutsche Kultureinrichtun- klusive Auff ührungsformate in den Dar- wurden Verlage, die mehrere belletris- lin im Bundesländervergleich mit  Mai  erwartet. gen waren an  Projekten beteiligt stellenden Künsten dreht. Im Programm tische Werke von einer europäischen geförderten Organisationen das Feld Die Publikation »Eine Auswertung und erhielten dafür , Millionen Euro. Kreatives Europa KULTUR waren insge- Sprache in eine andere übersetzten. Aus an. Mit  geförderten Organisationen des EU-Kulturförderprogramms - Diese Auswertung berücksichtigt die samt  Länder (EU-, Großbritannien Deutschland wurden sieben Projekte in folgt Nordrhein-Westfalen. Es schlie-  für Deutschland« mit allen Zahlen Ergebnisse aus den vier Förderberei- und  Länder aus dem Nachbarschafts- diesem Bereich gefördert – wobei das ßen sich an: Sachsen (), Bayern (), und Fakten zu sieben Jahren Kreatives chen des Programms: Kooperations- raum der EU) antragsberechtigt. Interesse von Verlagen in den beiden Baden-Württemberg () und Hamburg Europa KULTUR fi nden Sie auf der Web- projekte, Netzwerke, Plattformen und Auch in den Förderbereichen Netz- letzten Antragsjahren zunahm. (). Aus gesamtdeutscher Sicht ist er- site des CED KULTUR: kultur.creative- Literaturübersetzungen. Allen Förder- werke und Plattformen stand die eu- Trotz der spartenoff enen Förderung freulich, dass Anträge aus Deutschland europe-desk.de bereichen ist gleich, dass geförderte ropäische Zusammenarbeit im Vor- des Programms in den meisten Förder- überdurchschnittlich erfolgreich waren. Projekte einen europäischen Mehrwert dergrund. Europäische Netzwerke bereichen lassen sich die Projekte mit Im Bereich Kooperationsprojekte lag Lea Stöver leitet den Creative Europe besitzen müssen. Jede Projektidee muss vertreten als europäische Verbände deutscher Beteiligung einer Sparte zu- die Förderquote europaweit zwischen Desk KULTUR 12 INTERNATIONALES www.politikundkultur.net

Geschichten aus den Kästchen Bericht aus dem Workshop Ich begann das neue Jahr mit einem schen meinen Büchern und Magazinen. Lebensgeschichte nieder, in der sie in von einem großen Skorpion gestochen »Ihre Geschichten« digitalen Meeting und dem Ziel, die Ich liebe es, der tiefen, beruhigenden zehn Abschnitten die einfl ussreichs- und noch im selben Jahr fi el ich in den Workshopteilnehmerinnen auch ein- Stimme meines Vaters zuzuhören. Ich ten Ereignisse ihres Weges schilderten. Kanal.« mal offl ine kennenzulernen. Wir hatten lache mit den Kindern, die mich über- Die Abstraktion ließ viel Spielraum für Halas Geschichte handelte von Ver- SALAM YOUSRY uns bereits den ganzen Monat lang auf reden, mit ihnen zu spielen. Ich fühle Details. lust. Während des Workshops erzählte Zoom getroff en und waren uns einig, mich immer noch sehr jung.« »Ich bin die Geschichte, ich bin Zein- sie uns, dass sie zum ersten Mal wie- reundinnen in Kästchen. Käst- dass wir unsere Treffen fortsetzen Die Frauen erzählten vom Schmerz ab, das Lachen, das von Herzen kommt. der farbige Kleidung trägt, nachdem sie chen, fragen Sie? Ja, in den Käst- wollten. des Verlustes, von Unfällen, dem Wider- Das Kind, das selber zweifache Mut- lange Zeit nur Schwarz getragen hatte. F chen bei Zoom. Wir waren Frauen, Der Workshop »Ihre Geschichten« stand, vom abgeschlossenen Bildungs- ter wird. So wie es für den Menschen Hala, die sich selbst als »Cinderella mit wir lebten, lehrten, lernten. Doch dann wurde im November und Dezember weg, der Unabhängigkeit, der Ehe und Lektionen zu lernen gibt, so erhält der schwarz geschminkten Augen« bezeich- suchte uns ein Dämon heim, er heißt:  vom Goethe-Institut organisiert. der Scheidung, von der Bindung an Va- Mensch auch hier und da einen Klaps.« net, lebte neu auf. Obwohl manchmal Corona. Aus Angst stecken wir nun in Auf die Ausschreibung hatten sich Dut- ter und Familie, dem Dorf, der Bezie- »Ich bin Queen S., mächtiger Ceau- noch die Traurigkeit in ihren Blick zu- Kästchen. zende Bewerberinnen aus verschiede- hung zur Umwelt, dem Nil, von Selbst- sescu, das Zwillingsmädchen aus Ober- rückkehrte, hat sie mit ihrer Anwesen- Wissen Sie, was es bedeutet, Vögel, nen Regionen Ägyptens gemeldet, aus vertrauen, den persönlichen Errun- ägypten, das bekommt, was es will. Va- heit die Gruppe aufgeheitert. »Ich bin die in die Ferne streben, einzufangen denen die Teilnehmerin- genschaften, dem Gesang, ter ist morgens Offi zier und nachmit- die Tochter meines Vaters, Badri. Ich und in einen Kasten zu sperren? nen ausgewählt wurden. Es dem Essen, der Mitarbeit tags auf unserem Feld in den Bergen. bin Hala, Mutter, Schwester, Tochter, Ich werde die Geschichten von Frau- waren  Stunden für den in der Kirche, der Spiritua- Mutter ist Professorin an der Univer- Ehefrau, Kind. Ich kann meinen Liebs- en erzählen, die voller Energie und Le- Workshop angesetzt, auf- lität, von Radiosendungen sität in einem anderen Gouvernement. ten keine Bitte ausschlagen. Ich bin bensfreude waren, die aus dem Haus geteilt auf zehn Termine. und Schwarz-Weiß-Filmen, Ihre Arbeit und Forschung sind ihr das Hala. Ich fülle das Haus mit Lachen und gingen und viele andere Menschen tra- Wir wollten die Frauen so Ahmed Zeki, den Haus- Wichtigste im Leben. Ich bin Schaimaa, Freude und schminke meine Augen tief- fen. Frauen, deren Herzen hoff nungs- kennenlernen, wie sie sich arbeiten, dem Tee, dem auch Schuschu genannt, besondere schwarz. Ich wuchs auf und heiratete, voll waren. Es ist keine Geschichte über selbst sehen, in ihrem per- Morgengebet, von über- Kräfte kannst du nicht zurückhalten.« bekam die süßesten Kinder und meine die Sorgen dieser Welt. Denn die ha- sönlichen Umfeld zu Hau- lieferten Sprichwörtern, »Ich bin Alaa: Ich bin geheimnisvoll, Freunde nannten mich Cinderella. Als ben wir hinter uns gelassen, in unseren se. Nicht aus der Perspek- von Zecken, den Dialekten, ich hasse die Einsamkeit und liebe mit mein Vater starb, konnte ich nicht auf- Kästchen müssen wir lachen, damit das tive der Medien oder den Kairo, von Theaterstücken all meiner Kraft. In der Zeit der Trau- hören zu weinen. Es war, als wäre mir Bild gut aussieht, nicht wahr?« Theorien irgendeiner Forscherin bzw. und Auff ührungen, der Poesie, dem Ge- er bin ich schwächer, als ihr es euch mein Herz herausgerissen worden. Ich So erzählte Hafsa von ihrem Treff en irgendeines Forschers. In den zehn Sit- lächter, von schwarz geschminkten Au- vorstellen könnt. Doch wenn sich die zerbrach innerlich, als ich ihn in seinem mit Hala, Hagar, Mirna, Riham, Randa, zungen zeigten uns die Teilnehmerin- gen, den Kindern, der Mutterschaft, der Trauer lichtet, werde ich eine Kraft in Leichentuch sah.« Zeinab, Hind, Youmna, Asma, »Queen nen, wie sie ihre Umgebung wahrneh- Straße, von Vorträgen, der Stunde, der mir tragen, dass es niemand wagen wird, Ein Satz von Hagar blieb uns allen S«, Alaa, Asmaa und mir: Salam. Oder men, wenn sie aus dem Fenster schauen, Zeit, der Stimme, von Rhythmus, von mir zu nahe zu kommen … Wenn der im Gedächtnis und wir sangen ihn zu »Salami«, »mein Friede«, wie mich As- und inwiefern sie sich von der Welt, in Performances, Mohamed Mounir, von LKW vorbeirauscht, jaulen die Hunde Hagars eigener Melodie, dann zu Me- maa gleich am ersten Tag des Work- der sie leben, wahr- und angenommen Zugfahrten, dem Reisen, dem Studium, … Bereue nicht den Krieg, der dich stark lodien von Randa, Shaimaa, Alaa und shops nannte. fühlen. Ohne die individuellen Erfah- den Freunden, vom Partner. Oft waren gemacht hat.« Mirna. Schließlich sangen wir ihn noch Ich bin Salam. Ich komme aus Kai- rungen als solche »der Oberägypterin- die Vorträge aufgrund der schlechten So wie das Schreiben waren auch die ein letztes Mal zu einer Melodie, die ro und bin ein Reisender in den Ge- nen« zu verallgemeinern, sollte viel- Internetverbindung holprig. Diskussionen untrennbar mit den per- Hafsa auf einer Fünftonskala kompo- schichten anderer. Irgendwo zwischen mehr das Bild einer Frau aus dreizehn »Warum gibt es den Tod? Warum gibt sönlichen Perspektiven der Frauen auf niert hatte: »Ich bin nicht schwach, ich Gesang, Schreiben, Schauspiel, Tanz Facetten zusammengesetzt werden. Sie es Schmerz? Warum bin ich manchmal die Gesellschaft und die Art und Weise, habe bloß all die verderblichen Bedürf- und Malerei. Heute bin ich in der Rolle hoff t auf eine bessere Zukunft, lernt mit auf alles wütend? Wie fi nden wir Si- wie sie sich in ihr bewegen, verknüpft. nisse des Lebens.« Hagar beendete ihre des Moderators, mitten unter dreizehn ihrer Stärke und der Macht ihrer Stim- cherheit im Leben? Ich bin Riham: In »Sobald ein Mädchen geboren wird, farbenfrohe Geschichte mit einer pro- Frauen im Alter zwischen  und  me Veränderung herbeizuführen. Sie mir ist Leere, die ich füllen will mit dem, gesellen sich einige Dinge zu ihr, bei- fessionellen Gesangsvorführung einiger Jahren. Sie stammen aus den ägypti- handelt und hat Einfl uss. Sie akzeptiert was das Leben zu bieten hat. Ich weiß, spielsweise: Schäm dich! Das gehört Lieder aus den achtziger Jahren und ein sich nicht für ein Mädchen … als wäre paar Sätzen, die sie einmal für National sie stigmatisiert. Was mich aus die- Geographic geschrieben hatte: »Ich bin sem Trauerspiel herausholt, ist, dass viel gefallen, ich falle und stehe wieder ich Menschen vorlese, die mir ähnlich auf. Vielleicht falle ich ein weiteres Mal, sind: verärgert und gewillt, sich zu än- dann stehe ich ein weiteres Mal auf. Ich dern. Ich schreibe über das, was mich im bin stark, ich bin kämpferisch. Alles ist Innersten bewegt, über meine Träume, in seiner Hand, die Zeit und die Men- mein Äußeres und meine Ideen. Denn schen sind in seiner Hand.« wenn die Gesellschaft mich drängt und In den letzten Stunden, bevor wir mich verformen will, dann erinnere ich auseinandergehen würden, entspann mich daran, wer ich bin und fi nde zu sich eine Diskussion zwischen Alaa und mir zurück«, erzählt Asma, dann hören Youmna. Alaa sprach von den mangeln- wir Hind: den Möglichkeiten und wie schwierig »Ich bin Hind, Nubierin aus Assuan. es sei, ausreichend Interessenten zu- Ich vereine in mir Teile des Oberägyp- sammenzubringen, um eine Auff ührung tischen, der Al-Hilali-Region um So- der Geschichten zu organisieren. Ins- hag und des Nubischen. Wir befi nden besondere, da es für so etwas so gut wie uns im Land der Klassifi kationen, ob- keine fi nanziellen Mittel gebe. Alaa ist wohl ich dies überhaupt nicht leiden eine erstklassige Geschichtenerzählerin, kann. Ich bin Nubierin, ein Kind der ausgesprochen talentiert, sie hat Er- Vertreibung, genau genommen kom- fahrung und eine gewisse Leichtigkeit, me ich aus Ballana. Ich bin nicht wie ist intelligent und geschickt. Youmna, die anderen Vertriebenen, vermutlich, Anfang , ist gleichermaßen professi- weil ich weit weg in Assuan lebe. Ich onell, aber sie interessiert sich nicht für trage viel der oberägyptischen Men- das Geschichtenerzählen an sich. Sie talität in mir, habe aber auch viel von nahm an dem Workshop teil, weil sie den Leuten in Assuan übernommen. etwas Neues lernen, sich ausprobieren

FOTO: GOETHEINSTITUT KAIRO/SALAM YOUSRY KAIRO/SALAM GOETHEINSTITUT FOTO: Haitham, mein Verlobter, sagt: ›Sorge und Erfahrung sammeln wollte. Und Die Teilnehmerinnen des Workshops »Ihre Geschichten«, organisiert vom Goethe-Institut dich nicht, wenn wir heiraten, wirst doch entgegnete sie Alaa mit größtem du meine Königin sein. Ich liebe dich Selbstbewusstsein: Wenn man etwas schen Städten Al-Minya, Sohag und die Umstände, in denen sie lebt, aber dass der Kampf zwischen Liebe und mit all deinen Ecken und Kanten‹. Oh wolle, dann könne man es auch errei- Assuan und sind in einem Workshop gibt ihnen nicht klein bei. Und jedes Angst in meinem Inneren mein Leben ja. Ich habe Ecken und Kanten und ich chen, selbst mit wenigen Mitteln. Die zusammengekommen, um ihre Ge- Mal begrüßten wir uns mit denselben bestimmt, und ich weiß, dass die Natur liebe die Traurigkeit.« Diskussion lief noch eine Weile fort und schichten zu erzählen. Ich beschäfti- Worten: »Ihr habt mir gefehlt!«. sich kraftvoll ihren Weg in die Unend- Die Teilnehmerinnen sprachen über vielleicht ist in unseren Treff en eine ge mich seit  mit dem Erzählen »Wir versuchen es immer noch … lichkeit bahnt.« Leid und Reife, von der Kindheit und echte, positive Energie entstanden, die persönlicher Geschichten und habe immer noch habe ich mein Haus nicht Die Geschichten waren universell der Freude am Spiel. In einem Meeting uns antreiben wird weiterzumachen. überall auf der Welt, in Dörfern und gesehen … die Stimme meiner Gedan- und lokal zugleich, die Fragen mensch- wurde geweint, im nächsten konnten Wie alle talentierten Menschen warten Großstädten, mit unterschiedlichen ken ist lauter als die Eisenbahn … die lich in ihrer Generalität, die Ideen ins- wir nicht aufhören zu lachen. In der diese Frauen auf eine Gelegenheit. Wer- Gruppen gearbeitet. Das Geschich- Stimme der Leute im Zug ist lauter als pirierend in ihrer Spezifi tät. Pause begann Hagar zu singen und den sie sie für sich erschaff en? tenerzählen als Zugang zum künst- die Stimme meiner Gedanken, ich laufe Wir konzentrierten uns auf das Alaa und Youmna stimmten mit ein. lerischen Schaff en habe ich gewählt, mit dem Zug um die Wette … ich renne, Schreiben persönlicher Geschichten Wir entdeckten, was für eine tolle Stim- Salam Yousry lebt als multidiszipli- weil es direkter Ausdruck der gelebten so lange, bis mich jemand stoppt …«, und diskutierten das Bewusstsein da- me Zeinab hat und Hafsa begleitete uns närer Künstler in Kairo. Seit  leitet Erfahrung einer Person ist, und man beschreibt Youmna. für, den Rhythmus einer Erzählung auf der Daf. er zudem Workshops in den Bereichen sich dadurch umfassend und tiefgrün- Ich erinnere mich, dass Asmaa an nicht aus dem Blick zu verlieren. Die Dann ist Mirna an der Reihe, sich Songwriting und Performance im dig kennenlernt. Die verschlungenen unserem achten Termin nur einge- Teilnehmerinnen schrieben Witze mit vorzustellen: »Ich bin Mirna Lawen- Nahen Osten, Europa und den USA Pfade eines Menschenlebens sind für schränkt teilnehmen konnte, denn vier verschiedenen Enden: komisch, dy. Ich liebe das Essen über alles und mich wie eine Quelle, aus der ich Kraft eine Maus hatte sich zum Frühstück melodramatisch, tragisch und scherz- ich liebe meine Familie, Amr Diab und schöpfe. ihr Internetkabel vorgeknöpft und es haft. Sie schrieben eine dialogbasierte meine Arbeit. Sie nennen mich Toch- GOETHES WELT Die Moderation dieses Workshops zerbissen. »Ich bin Asmaa, Tochter des Geschichte und sahen, welche Wirkung ter des Todes, denn als meine Mutter übernehmen zu dürfen, freute mich Hagg Mustafa Al-Sayyd. Ich bin wie der die Dialoge haben. Sie lernten, die mit mir schwanger war, wollte sie ab- In Zusammenarbeit mit dem Goe- sehr. Normalerweise hätte wohl eher Herbst, in dem die Blätter der Bäume Charaktere sowie den Ort der Hand- brechen. Doch ich war sehr sanft und the-Institut veröff entlicht Politik & eine Moderatorin einen Workshop mit zu Boden fallen und sich zersetzen, um lung zu beschreiben. Sie verfassten ei- unkompliziert und so kam ich auf die Kultur in jeder Ausgabe einen Bei- dreizehn Teilnehmerinnen geleitet. dann neues Leben hervorzubringen. Ich nen persönlichen Bericht, in dem sie Welt. Nach meiner Geburt bekam ich trag aus einem afrikanischen Land Doch hier war ich nun und die Frauen hasse Streitereien und Kriege und liebe ihre Sicht auf die Welt darlegten. Und schweres Gelbfi eber, danach war ich zu spezifi schen Aspekten der Kul- haben mich viel gelehrt. Fairuz. Meine Tage verbringe ich zwi- schließlich schrieben die Frauen ihre zwei Jahre lang krank. Dann wurde ich turszenen vor Ort. Politik & Kultur | Nr. / | März  INTERNATIONALES 13

Fata Morgana Arabischer Frühling Demokratie in Ägypten – dieser Traum ist in den vergangenen zehn Jahren nicht in Erfüllung gegangen

REINHARD BAUMGARTEN

amals, Ende Januar/An- fang Februar , herrscht eine unbeschreibliche At- D mosphäre im Herzen Kai- ros. Wochenlang ist der Tahrir-Platz Spielwiese demokratischer Wünsche, Träume und Utopien. Zehntausende Demonstrantinnen und Demonstran- ten kommen täglich, Tausende über- nachten auf dem Platz der Befreiung in bunten Campingzelten oder selbst gebastelten Unterständen. »Irhal« ru- fen sie aus voller Kehle, hau ab. »Isqat, isqat Husni Mubarak«, brüllen sie. Be- gleitet von rhythmischem Trommeln fordern Tausende lautstark Mubaraks Rücktritt. Die Protestler vom Maidan at-Tahrir sind jung, kreativ und ent- schlossen. Künstler und Musiker treten auf. Lehrer, Imame, Bankangestellte, Fußballfans, Studenten und Schüler, Rechtsanwälte und Richter, Ladenbe- sitzer und Taxifahrer – der Tahrir ist in jenen Tagen ein Schmelztiegel politi- scher Sehnsüchte und Fantasien. Ein- zeln mit Plakaten oder in organisierten Gruppen tragen sie ihre Forderungen nach politischen Veränderungen vor. Das bislang Unmögliche scheint vielen damals möglich: ein demokratisches Ägypten. Demokratie in Ägypten – dieser Traum ist in den vergangenen zehn Jahren nicht in Erfüllung gegangen. Im Gegenteil: Er ist zu einem Albtraum geworden. Die Hoff nung auf funda- mentale politische Veränderungen hat sich als Illusion herausgestellt. Das

euphemistisch »Arabischer Frühling« NABIL AMR | PHOTO AP / ALLIANCE PICTURE FOTO: genannte Aufbegehren war eine Fata Ein Graffi ti erinnert in der Nähe des Tahrir-Platzes in Kairo an die bei den Protesten im Jahr  gestorbenen Menschen Morgana. Meinungs- und Pressefrei- heit zählen heute viel weniger als noch Am . Februar  wird der Langzeit- Die Installierung des Betriebssystems heute noch augenscheinlicher, weil das Der Arabische Frühling war eine Fata zu Husni Mubaraks Zeiten. Die wirt- diktator Husni Mubarak von seinem Amt Demokratie fi el fehlerhaft aus, weil die Land seine Bewohner nicht mehr nährt. Morgana und er war eine westliche schaftliche und soziale Lage hat sich als Präsident Ägyptens zurücktreten. Programmierer – die alte Machtelite – Die in der Bibel gerühmten Fleischtöpfe Projektion, die sich von der Vorstel- für viele einfache Ägypter dramatisch Wochenlang hat er sich verbissen ge- kein Interesse an grundlegenden Ver- Ägyptens sind leer. Ägypten gehört zu lung nährte, dass die wetterwendische verschlechtert. weigert, die Macht abzugeben. Während änderungen hatten und bis heute nicht den größten Getreideimporteuren der Region Naher Osten dank demokrati- Wer spricht heute überhaupt noch die Demonstrationen häufi ger, größer haben. Welt, es kann sich schon lange nicht scher Umbrüche zu Frieden, Prosperität von Ägypten? Wer weiß, wie groß das und bunter werden, klammert er sich Ägypten ist dieser Tage in einem be- mehr selbst versorgen und ist auf In- und Wohlstand fi nden könnte. Doch Land ist? Wer weiß, dass sich auf gut an die Vorstellung, die Situation mit ein klagenswerten Zustand. Einer der Grün- vestitionen und milde Gaben aus den neben dem nach Jahrzehnten der Be- . Quadratkilometer bewohn- paar in Aussicht gestellten Reformen de: Die Elite des Landes interessiert Golfstaaten angewiesen. Nähe und Ab- vormundung und Diktatur schwach ent- barer Fläche mehr als  Millionen beruhigen zu können. Kurz vor  Uhr sich nicht für das Wohl des Volkes. Sie hängigkeit zu den Autokraten am Golf wickelten demokratischen Verständnis Menschen drängen, dass die Bevölke- Ortszeit gibt Geheimdienstchef Omar denkt vor allem an ihr eigenes Nutzen erklären auch, warum der neue Dikta- in breiten Teilen der Bevölkerung spra- rung jährlich um , bis  Millionen Suleiman den Rücktritt Mubaraks be- und Frommen. Wohlstand und Reich- tor in Kairo, Abdel-Fatah al-Sisi, die chen und sprechen auch heute noch Menschen wächst, die Arbeitslosigkeit kannt. In Kairo bricht ein Sturm der tum des Landes sind extrem ungleich Muslimbrüder so gnadenlos verfolgen viele sozioökonomische Gründe dage- hoch und die Produktivität niedrig ist Begeisterung los. Auf dem Balkon des verteilt. Sinnbild und Symbol Ägyptens ließ und immer noch lässt. Ägyptens gen, dass sich demokratische Struktu- und viel zu wenige junge Menschen ARD-Hörfunkstudios im elften Stock ist seit Urzeiten die Pyramide: Ganz Muslimbrüder stellen ebenso wie ihre ren westlichen Zuschnitts durchsetzen einen Job fi nden, von dem sie oder gar werde ich Augenzeuge unbändiger Freu- oben thront der Pharao, darunter Pries- zahlreichen Ableger in anderen arabi- können. Das betriff t ausnahmslos alle eine ganze Familie leben könnten? Das de. Zehntausende Menschen drängen an ter, Hofstaat und Günstlinge. Den brei- schen Staaten die Systemfrage. Sie wol- arabischen Länder. Demokratische Ver- bevölkerungsreichste arabische Land Panzern und Militärtransportern vorbei ten Sockel bildet das minderbemittelte len eine Gesellschaftsordnung, die das hältnisse – wie wir sie kennen, schützen taucht in westlichen Medien auf, wenn auf die abgeriegelte Corniche el-Nil, wo Volk. An diesem Aufbau der ägyptischen Ende der autokratischen Monarchien und bewahren sollten – wird es dort auf Amnesty International oder Human das ägyptische Rundfunkgebäude sowie Gesellschaft hat sich in Jahrtausenden am Golf ebenso einleiten würde wie das unabsehbare Zeit nicht geben. Rights Watch ihre Jahresberichte ver- zahlreiche ausländische Korresponden- nicht viel geändert – auch wenn die ein- Ende der arabischen »Erbrepubliken«, öff entlichen. Wenn sie auf die verhee- tenbüros angesiedelt sind. Menschen zelnen Schichten mittlerweile anders in denen die Macht gerne innerhalb von Reinhard Baumgarten ist Redakteur rende Lage der Menschenrechte dort umarmen sich und tanzen auf der Stra- heißen. Die krassen Unterschiede sind Familien und Clans weitergegeben wird. bei SWR Ausland und Europa hinweisen. Wenn sie über gut . ße, Frauen trällern, Männer trommeln, politische Gefangene in dem Land am Tränen fl ießen, Augen leuchten. Viele Nil berichten, über Folter und Tod in schwenken glückselig ägyptische Flag- dessen Gefängnissen. gen. Ein wenig Aufmerksamkeit ernten   – dem Datum sprechen auch die Treff en von Angela Merkel und damals vor allem junge Ägypter eine Ägyptens neuem Diktator Abdel Fatah magische Bedeutung zu.  Jahre Dik- el-Sisi, bei denen die Bundeskanzlerin tatur sind zu Ende. Das Land kann den das Land am Nil gerne als wichtigen bleiernen Mantel der Mubarak-Zeit ab- Auschwitz gilt als die Chiffre der Vernichtung der Juden Die Auseinandersetzung strategischen Partner in Nordafrika streifen. Viele hoff en, dass politischer Die Auseinandersetzung Europas. Am 27. Januar wird jährlich der Befreiung des mit der Geschichte beschreibt. Pluralismus und Mitsprache das krea- mit der Geschichte Konzentrations- und Vernichtungslagers durch die Rote ist nie abgeschlossen Armee gedacht. Welche Relevanz hat dieser Tag für die Dieser Tage wird Ägypten wieder et- tive Potenzial der jungen ägyptischen ist nie abgeschlossen in Deutschland lebenden Menschen heute noch – außer was mehr Beachtung geschenkt, denn Bevölkerung abrufen werden. 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz einer kurzen Sequenz in den Nachrichten? Wie kann 75 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz es gilt Bilanz zu ziehen. Der Arabische Warum hat das nicht funktioniert, in einer multiethnischen Gesellschaft an das Verbrechen an den Juden Europas erinnert werden? Wie kann Erin- Frühling, oft auch als »Arabellion« ver- warum sind Erwartungen und Hoff- nerung gelingen, wenn das Geschehen von Zeitgeschichte klärt, hat seinen Ausgangspunkt nicht nungen so jäh enttäuscht worden? Die zu Geschichte wird? Der Sammelband sucht Antworten in Ägypten, sondern im Dezember damals aufgrund der Teilnahme von auf diese Fragestellungen und bietet einen Ausblick in die Zukunft des Erinnerns, denn: »Die Auseinandersetzung  in Tunesien. Doch weil Ägypten vielen technik-affi nen jungen Leuten mit der Geschichte ist nie abgeschlossen«. jahrzehntelang als der kulturelle und sogenannte »Facebook-Revolution« politische Taktgeber der arabischen hatte keine echte Chance. Um im Bild

Welt galt, schauen dort im Frühjahr zu bleiben: Wenn die ägyptische Gesell-  viele Beobachter genauer hin: schaft mit all ihren Facetten die Hard- Herausgegeben von Doron Kiesel, Herausgegeben von Kommt der große Umbruch, kommt die ware ist, dann ist das Regierungs- und Natan Sznaider undDoron Kiesel, Bestellen unter Olaf ZimmermannNatan Sznaider und kulturrat.de/publikationen Befreiung von Diktatur und Unterdrü- Herrschaftssystem die Software. Nach Olaf Zimmermann 224 Seiten, 19,80 Euro ckung, erkämpfen sich die Menschen dem Rücktritt von Husni Mubarak hätte ISBN 978-3-947308-30-9 Mitsprache, Meinungs- und Presse- ein neues Betriebssystem – Demokra- freiheit? tie genannt – installiert werden müssen. 14 INTERNATIONALES /MEDIEN www.politikundkultur.net

Zwischen Aufbruch und Reformstau Zehn Jahre Arabischer Frühling: Auswirkungen auf das tunesische Bildungssystem

RENATE DIETERICH gen stellen. Lehrende sind gewerkschaft- auf einen guten Job für junge Akade- bar. Neueinstellungen im öff entlichen deutsche Hochschulen ist Tunesien in- lich organisiert und wirken als politische miker ist heute deutlich kleiner als für Dienst sind daher kaum möglich. zwischen dank des guten Ausbildungsni- uf den ersten Blick ist die Bi- Einfl ussgruppen. Auch die Studierenden Nichtstudierte. Während die Arbeitslo- Auch die sinkenden Studierenden- veaus und der interkulturellen Kompe- lanz ernüchternd: Zehn Jahre haben Interessenvertretungen gebildet sigkeit landesweit offi ziell bei rund  zahlen bereiten mit Blick auf den ge- tenz der Studierenden zu einem interes- A nach Beginn der Arabellion und melden sich lautstark zu Wort. Zwar Prozent liegt, ist sie unter Akademikern wünschten Sprung in eine Wissens- und santen Kooperationspartner geworden. haben sich die großen Hoff nungen der hat das Hochschulministerium durch mit  Prozent knapp doppelt so hoch. Bildungsgesellschaft Sorge:  waren Das tunesische Hochschulministerium Menschen auf tiefgreifenden demokra- seine Budgethoheit weiterhin großen Eine der Ursachen ist die fehlende Ver- . junge Menschen in Tunesien fi nanziert zudem gemeinsam mit dem tischen Wandel kaum erfüllt. Selbst in Einfl uss auf die Entwicklung der Hoch- knüpfung zwischen den Anforderungen eingeschrieben,  ist die Zahl auf Bundesministerium für Bildung und Tunesien, Vorzeigeland des demokrati- schulen und Forschungseinrichtungen, des Arbeitsmarktes und den Qualifi kati- . gesunken. Auch die Internati- Forschung (BMBF) Forschungsprojekte schen Umbruchs, ist die Unzufrieden- doch das Selbstbewusstsein der Uni- onen der Absolventen. Sie sind zumeist onalisierung der Hochschulen kommt in Kooperation mit Wirtschaftsunter- heit groß. Die wirtschaftliche Lage ist versitäten ist gewachsen. Waren die auf gutem fachlichen Niveau, jedoch kaum voran. Der Anteil ausländischer nehmen, um den Anwendungsbezug zu schlecht, die Arbeitslosigkeit gerade Hochschulstandorte in den ersten Jah- ohne Praxisbezug ausgebildet und so für Studierender ist zwischen  und stärken.  nahm darüber hinaus das unter jungen Menschen hoch. Auf den ren nach der Revolution Schauplatz er- viele Arbeitgeber uninteressant. Zudem  nur von  auf , Prozent gestie- vom BMBF geförderte »Merian Center for zweiten Blick gibt es allerdings gerade bitterter Auseinandersetzung zwischen besteht die tunesische Wirtschaft fast gen. Dem selbsterklärten Ziel, ein at- Advanced Studies in the Maghreb« sei- im Bildungssystem Veränderungen, die radikalislamischen und laizistischen ausschließlich aus kleinen und mittle- traktives Ziel für Studierende aus dem ne Arbeit zur Internationalisierung der Hoff nung auf eine bessere Zukunft ma- Kräften, ist heute mehr Sachlichkeit in ren Unternehmen mit zumeist wenigen frankofonen Subsahara-Afrika zu sein, Geistes- und Sozialwissenschaften auf. chen. den Debatten eingekehrt. Aktuell drehen Angestellten. Die vielen arbeitslosen kommt Tunesien damit kaum näher. Für die tunesischen Hochschulen So haben die tunesischen Universi- sich Diskussionen zum Beispiel um die Akademiker im Land können sie nicht Auch die  eingeführten Studien- stellen die Kooperationen mit deut- täten von der demokratischen Trans- Frage, inwieweit die Corona-Pandemie aufnehmen. gebühren für afrikanische Studierende schen Hochschulen also eine gute formation profi tiert und mehr Gestal- soziale Ungleichheiten verstärkt, fehlen Rund . arbeitslose Promovier- bremsen die Attraktivität des Studien- Möglichkeit zum Netzwerkausbau bei tungsmöglichkeiten und Meinungs- Studierenden aus einkommensschwa- te suchen aktuell nach passenden Jobs, standorts Tunesien. Zwar ist das Budget knappen Kassen dar. Diese internatio- freiheit gewonnen. Auch die fi nanzielle chen Verhältnissen doch oft die tech- weitere . Doktoranden werden des tunesischen Hochschulministeri- nalen Verbindungen müssen zukünftig Unterstützung ausländischer Geber als nischen Möglichkeiten, um an digitalen in den kommenden Jahren auf den Ar- ums seit der Revolution gestiegen, bei sinnvoll genutzt werden, um die Ausbil- »Revolutionsdividende« hilft bei natio- Lehrangeboten teilzuhaben. beitsmarkt drängen. Viele von ihnen gleichzeitigem massivem Kursverlust dung zu modernisieren, die Strukturen nalen Reformanstrengungen, gerade im Dennoch steht das tunesische Hoch- wünschen sich eine sichere Stelle im des Dinars und der Zunahme der Zahl zu reformieren und die Beschäftigungs- Bildungswesen. Der Gewinn an akademi- schulsystem vor großen strukturellen staatlichen Sektor. Trotz Pandemie de- an Hochschuleinrichtungen ist eine fähigkeit der Absolventen zu steigern. scher Freiheit an den Universitäten ist und fi nanziellen Herausforderungen, die monstrieren daher seit Sommer  echte Qualitätssteigerung so kaum zu So kann Tunesien Anschluss an den besonders hoch: Herrschte bis  in nicht allein durch den Demokratisie- täglich arbeitslose Akademiker vor dem erreichen. internationalen Wissenschaftsdiskurs gesellschaftlichen und politischen Fra- rungsschub gelöst werden können. Es tunesischen Hochschulministerium und Gleichzeitig sorgten EU-fi nanzierte finden und mehr jungen Menschen gen Grabesstille, sind die Diskussionen fehlt an langfristigen und tragfähigen verlangen eine Einstellungsgarantie. Das Angebote und bilaterale Programme Hoff nung auf Aufstieg durch Bildung heute frei und lebhaft. Universitätsprä- Strategien, um das große Potenzial des Ministerium hat dabei wenig Spielraum: – beispielsweise vom Deutschen Aka- bieten. sidenten und Dekane, früher vom Hoch- Hochschulsystems auszuschöpfen. So Tunesien will weitere Kredite des Inter- demischen Austauschdienst (DAAD) schulministerium eingesetzt, werden bietet beispielsweise der Hochschulab- nationalen Währungsfonds (IWF) in An- – in den vergangenen Jahren für einen Renate Dieterich ist seit  Leiterin heute direkt gewählt und müssen sich schluss derzeit kaum Vorteile auf dem spruch nehmen, dafür ist eine deutliche spürbaren Ausbau internationaler Ko- der DAAD-Außenstelle Tunesien mit dem Urteil ihrer Kolleginnen und Kolle- Arbeitsmarkt. Im Gegenteil: Die Chance Reduzierung der Staatsquote unabding- operationen im Hochschulsystem. Für Sitz in Tunis

»Sie weiß Bescheid«

Ein besonderes Jubiläum: sie eine hohe Akzeptanz.« Die Maus ist  Jahre Maus nicht Punk und nicht Spießer, es gibt kein Fashion-Statement, das polarisie- ren würde. Ihre gewissermaßen absicht- SANDRA WINZER liche Neutralität macht sie universell – und lenkt gleichzeitig vom Inhalt nicht ie weiß Bescheid, die Maus, ab, weil sie nicht lauter sein will als er. die kleine süße Maus«… mit Sie ist zurückhaltend und unaufdring- Hornbrille und orangefarbe- lich, allumfassend in Ordnung quasi. S nem Hemdkragen rappt der Gezeichnet hat sie die Illustratorin Entertainer Stefan Raab diese Zeilen in Isolde Schmitt-Menzel. Mit dem groß- den er Jahren auf einem quietsch- äugigen, orangefarbenen Tier setzt sie grünen Sofa in die Kamera. Zu diesem in den er Jahren ein Statement. Ihr Zeitpunkt ist die Maus  Jahre alt. Sie Äußeres hat die Maus seitdem nicht weiß Bescheid, also, die Maus. Und es verändert. Auch akustisch ist sie un- stimmt: Spaß am Lernen – das ist das verkennbar und sicher würde fast jeder Konzept der Lach- und Sachgeschichten, das Augenklappern und das »Törööö« das Konzept der Sendung, für das sie des Elefanten nach Sekunden erkennen. berühmt ist. Die Neugierde für Groß und Gleiches gilt für das Sendungskon-

Klein leistet die Maus Woche für Woche zept. Sicher – es gibt Veränderung: Seit WDR FOTO: – und jetzt wird Mausgeburtstag gefeiert. den er Jahren spinnt Käpt’n Blau- Die Maus wird . Seit ihrem ersten Auftritt erklärt sie Jung und Alt die Dinge des Lebens » Jahre« – ein Jubiläum, bei dem bär sein Seemannsgarn, auch neue Cha- man vielen Menschen eine Art »Ange- raktere wie Shaun das Schaf oder der Oder könnte es daran liegen, dass die Die Reporterinnen und Reporter wer- Maus erklärt und das ist in Ordnung. kommen-Sein« attestieren würde. Ein Maulwurf treten auf. Die Technik wird Maus nicht spricht? Zu keinem Zeit- den zu Heldinnen und Helden der Kind- Wäre ein Lehrer das Gesicht der Sen- »erwachsenes Leben«; der Körper ver- moderner, die Maus-Webseite mehrfach punkt selbst erklärt? Die Maus bietet heit ganzer Generationen. An Christoph dung, würden einige sich ausklinken. liert künftig an Muskelmasse, prägende preisgekrönt. Auch als Digitalradio und den Rahmen für das, was sie uns vor- mit dem grünen Pulli sehen die Kinder: Das passiert durch die Mausfi gur nicht«, Lebenserfahrungen liegen scheinbar als Podcast gibt es die Sendung. stellt – ohne sich gemein zu machen. Schau, der weiß ja auch nicht alles so ergänzt auch Lale Degoutrie. Auch sie zurück. Das stimmt nicht, beweist die Und trotzdem bleibt sie konstant, Das macht unabhängig – und glaub- genau. Wie wird Eis so cremig? Wie unterrichtet an einer Grundschule. orangefarbene Zeichentrick-Maus. Ja, eine gesicherte Quelle. Sie macht sich würdig. kommen die Streifen in die Zahnpas- Eines ist klar: Kinder sind Fachleute sie wird  – aber: nicht älter. Armin unabhängig von Trends, unterliegt Die Fragen: nur scheinbar trivial, ta? Wie arbeitet ein richtiger Detektiv? in Sachen Neugier. Obwohl sich das me- Maiwald ist einer der Erfi nder und heu- keiner journalistischen Glaubwürdig- hochkomplex ihre Zusammenhänge Alltagsfragen, die kindgerecht beant- diale Angebot massiv erweitert, hat die te schon . »Niemand wollte damals keitskrise. Damit erreicht sie eine brei- und deren Aufdeckung. Auch Bundes- wortet werden. Maus keine Sorge unterzugehen. Am . die Sendung, sie wirkte für viele zu te Zielgruppe. Egal ob  oder  Jahre: tagswahlen oder der Tod werden be- In Anbetracht all dessen ist die Über- März wird sie  und ARD, WDR und schnell, mit zu viel Musik«, erzählt er. Sonntagvormittags schaut ein Millio- handelt. In einem Kinderlied wirft die zeugung zu wagen, dass Maus, Elefant KiKa feiern das mit vielen Events. Auch »Vorwürfe, die man sich heute gar nicht nenpublikum die Maus. Die Kinder wer- Maus schon in den er Jahren keck und Ente wahrhaftig als kulturelle Musiker Mark Forster hat einen Song mehr vorstellen kann.«. den nicht vor dem Fernseher geparkt, die feministische Grundhaltungen ins Ge- Einrichtung, als politisches Bildungs- getextet: »Ich frag die Maus – ich will Generationen kennen Maiwalds Ge- Eltern gucken gerne mit. Im Schnitt sind spräch: »Wer sagt, dass Mädchen düm- instrument gesehen werden können. es wissen, genau – und so schnell gehen sicht, mindestens aber seine ruhige Er- die Zuschauer  Jahre alt, hat der West- mer sind? Der spinnt!«, wird gesungen. Möglicherweise sogar als Ikone. Denn mir die Fragen nicht aus«, singt er da zählerstimme. Hunderte Sachgeschich- deutsche Rundfunk (WDR) ermittelt. Es sind eben diese Haltungen, die Ikonen gelten, so sagt es der Duden, für das -jährige Jubiläum. Sogar das ten hat er mit ihr erklärt. »Brötchen« Die ganze Familie also will »Lach- die Maus schon früh zum Politikum als »Verkörperung bestimmter Werte, Bundesfi nanzministerium hat sich eine war die erste von ihnen. Er klärte, wo und Sachgeschichten« sehen. Ge- machen. Mit unauff älligen Lerneff ekten Vorstellungen, eines bestimmten Le- -Euro-Sondermünze zum Mausge- Brötchen, Milch und Eier beim Früh- schichten zum Lachen, Geschichten zu – seit Folge  im Januar  läuft jeder bensgefühls o.Ä.«. Das mag zutreff en: burtstag ausgedacht. stück herkommen. Sachen und Geschichten, die mit Spaß Vorspann zweisprachig – und mit Kon- Die Maus ist eventuell eine Ikone, min- Und ob ,  oder : Die Maus Doch was hat sie, die Maus, die uns Informationen vermitteln – beides also. stanten, die sie tragen: Reporter Armin destens aber eine Institution. wird ja doch immer gleich alt bleiben. immer wieder anzieht und die meisten Ein Spagat, der journalistisch nicht ein- und Christoph etwa; Letzterer unschwer Eine Institution, die Dinge erklärt – Vergänglichkeit geht der Maus ab. Sie dabei off ensichtlich nicht abstößt? »Sie fach ist, kaum etwas ist komplexer, als zu erkennen am grünen Pullover. Seine und zwar so gut, dass die Inhalte auch bleibt die Clevere, die helfen kann. Die ist unaufdringlich«, sagt Eberhard Beut- schwierige Sachverhalte einfach zu On-Air-Karriere bei der Maus startet er in Corona-Lockdown-Zeiten von Leh- nicht als Streber abgestempelt oder von ler, Kommunikationsberater aus Frank- erklären. Jeden Dienstag setzt sich die mit dem Film » Arten, über einen Fluss renden etwa für den Sachunterricht anderen Kindern geschubst wird. Das furt am Main. »Die Maus ist für eine Redaktion zusammen und entscheidet, zu kommen«. »Ich musste neunmal im genutzt werden. »Die Videos werden mag eines ihrer Geheimnisse sein. breite Zielgruppe geeignet, weil sie als wie die Sendung am Sonntag aussehen Fluss landen«, erzählt der Redakteur. an die Kinder geschickt und die Kinder Cartoon-Figur keinen Trend vorgibt. Sie soll. Ist es die personelle Konstanz, die »Das wollte ich keinem Schauspieler zu- nehmen es an«, sagt Elke Fröhlich. Sie Sandra Winzer ist ARD-Journalistin schließt niemanden aus – damit erzeugt der Maus ihren Erfolg verleiht? muten. Da habe ich es selber gemacht«. ist Grundschullehrerin in Hessen. »Die beim Hessischen Rundfunk Politik & Kultur | Nr. / | März  MEDIEN 15

Kulturauftrag als Sparauftrag? Öff entlich-rechtliche soll das Social-Media-Angebot, neben zwischen Hannah Arendt und Renaud Dazu gehört, dass Kultur in ihrer gan- der Debatte um die Beitragserhöhung Sender reduzieren ihr den bereits bestehenden Formaten » Camus philosophieren; der Sloterdi- zen Breite auch im öff entlich-rechtli- bestand. Das ZDF habe diesen Auftrag Fragen« und »Germania«, ausgeweitet jk-Schüler Marc Jongen ist nicht nur chen Rundfunk erlebbar ist.« Damit der zügig umgesetzt, die ARD lange vor sich Kulturangebot und scha- werden. Als die Idee für ZDFkultur ent- AfD-Abgeordneter, sondern auch Ob- öff entlich-rechtliche Rundfunk seiner hergeschoben. Der öff entlich-rechtli- den damit der Demokratie stand, hatte man der ARD angeboten, mann des Ausschusses für Kultur und Aufgabe gerecht werden könne, müsse che Rundfunk, so Robra weiter, ist ein sich zu beteiligen und eine gemeinsa- Medien im Bundestag; in Radebeul man ihn aber auch so ausstatten, dass wichtiger Eckpfeiler im demokratischen HELMUT HARTUNG me öff entlich-rechtliche Kulturplatt- ist der völkische Dichter Jörg Bernig er seinen Auftrag erfüllen kann. Und Diskurs und dafür sei Akzeptanz wichtig form zu schaffen. Das hätte Kosten als Kulturamtsleiter im vergangenen zu dem gehörten kulturelle Angebote und eine Profi lschärfung des Auftrages m . Februar hat in Frank- gespart und endlich einen einheitli- Jahr nur mit Ach und Krach verhindert unzweifelhaft dazu. Sie sind seit jeher notwendig. »Kultur muss dabei eben- reich ein der Kultur gewid- chen beitragsfi nanzierten digitalen worden. Die Rechten drängen in den so, wie beispielsweise Bildung oder meter Sender der öff entlich- Kulturraum ermöglicht. Doch die ARD kulturellen Raum, wo immer sie können, Information, prominent präsent sein. A rechtlichen Fernsehanstalt lehnte aus organisatorischen Gründen auf nationaler, regionaler, kommunaler Der öff entlich-rechtli- Nicht ohne Grund wird in der Öff ent- France Télévisions namens »Kulturbox« ab. Die neue Intendantin des Bayeri- Ebene, in den sozialen Netzwerken in che Rundfunk verstößt lichkeit immer gerne auf das Leitbild den Betrieb aufgenommen. Nach In- schen Rundfunks (BR), Katja Wilder- Wort und Schrift, um ihre Sprache und von ARTE verwiesen«, formuliert der formationen der Frankfurter Allgemei- muth, bekräftigte gegenüber DWDL.de, ihre Begriff e zu platzieren.« Natürlich mit der Reduzierung Kulturminister und Medienpolitiker aus nen Zeitung (FAZ) steht ein Budget von dass sich die Frage nach der digitalen sei mit Literaturkritik nicht das große des Kulturangebotes Sachsen-Anhalt seine Vorstellung vom fünf Millionen Euro zur Verfügung. Der Kulturplattform derzeit nicht stelle. Geld zu machen. Aber man stelle sich gegen seinen Auftrag Kulturauftrag des öff entlich-rechtli- Sender soll jeden Abend eine Theater- Wenn es in Sachen Rundfunkbeitrag vor, schreibt die SZ, es gäbe so etwas chen Rundfunks. Dieses Meinungsbild auff ührung oder ein Konzert übertra- eine Entscheidung gebe, werde sie sich wie eine öff entlich fi nanzierte Sende- lässt hoff en, dass die Bundesländer, die gen. Auch die darstellende Kunst soll das Projekt für den BR – der sich an der anstalt, in der sich Literaturkritik ent- Teil der DNA des öff entlich-rechtlichen eine baldige Reform des Auftrages der gepfl egt werden. Rund um die Insze- ARD-Kulturplattform nicht beteiligen falten kann, ohne ökonomischem Druck Programms. Im Zusammenhang mit der öff entlich-rechtlichen Sender angekün- nierungen werden Berichte und Live- wollte – erneut anschauen. ausgesetzt zu sein. aktuellen Debatte über eine Novellie- digt hatten, den kulturellen Auftrag für Interviews mit Darstellern, Autoren Leider entsteht anhand der konkre- rung des Auftrages äußert Brosda die den öff entlich-rechtlichen Rundfunk und Kritikern ausgestrahlt. Wie die ten Sparkonzepte der Eindruck, dass Erwartung, dass mit diesem Auftrag ernster nehmen als die Sender und ihn Kultur ist Teil der DNA des Intendantin Delphine Ernotte gegen- »derzeit« »niemals« bedeutet, dass »auch die Breite der Kultur weiter im quantitativ eindeutiger fassen als bis- öff entlich-rechtlichen Rundfunks über der FAZ sagte, habe die zuständige die langsame, aber stetige Absenkung öff entlich-rechtlichen Rundfunk ab- her. Die Kultur benötigt, um ihre wich- Ministerin »voller Begeisterung« zuge- des Kulturniveaus der ARD Teil einer Der öff entlich-rechtliche Rundfunk gebildet werden muss«. Es sei wichtig, tige gesellschaftliche Aufgabe erfüllen stimmt. Das Kulturangebot soll so lange Strategie ist, nur noch Programme zu verstößt mit der Reduzierung des Kul- dass man die Relevanz der Inhalte nicht zu können, ein Nachdenken über unsere ausgestrahlt werden, bis der Kulturbe- fi nanzieren, die ein Massenpublikum turangebotes gegen seinen Auftrag. So nur an der sicheren Quote misst, son- Demokratie zu befördern, verlässliche reich wieder öff net. Aber auch danach, erreichen. Der Stopp der ARD-Kultur- heißt es im Medienstaatsvertrag: »Ihre dern es auch als Auftrag versteht, für Partner und nicht gelegentliche Good- so verspricht die Intendantin, werde plattform passt zu einer Vielzahl von Angebote haben der Bildung, Informati- attraktives Programm Reichweite zu will-Aktionen und lockere Verhältnisse. man »fünfmal mehr Zeit« als bisher für Meldungen der letzten Wochen aus on, Beratung und Unterhaltung zu die- erzeugen. Es ist angesichts der katastrophalen die Kultur zur Verfügung stellen. Wäh- Landesrundfunkanstalten wie dem nen. Sie haben Beiträge, insbesondere Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei Auswirkungen der Corona-Pandemie rend in Paris der Start der »Kulturbox« Hessischen Rundfunk (HR), Nord- zur Kultur, anzubieten.« Dazu stellt und Kulturminister in Sachsen-Anhalt, auf die Kulturlandschaft Zeit für ein bekannt gegeben worden ist, teilte der deutschen Rundfunk (NDR), West- Carsten Brosda, Senator für Kultur und verweist darauf, dass bei der Argumen- Kultur-Bündnis. Einer der wichtigsten federführende ARD-Sender MDR mit, deutschen Rundfunk (WDR) und dem Medien Hamburgs, gegenüber medien- tation der Anstalten unterschlagen Verbündeten muss der öff entlich-recht- dass die geplante ARD-Kulturplattform Rundfunk-Berlin- (rbb), politik.net fest: »Der öff entlich-rechtli- werde, dass die Kulturplattform auf liche Rundfunk sein. vorerst nicht entwickelt werde. Für Kulturangebote einzustellen oder zu che Rundfunk muss auch künftig seiner einen Auftrag aus dem schon  be- dieses digitale Angebot hatte die ARD reduzieren. France Télévisions will nach gesellschaftlichen, journalistischen und schlossenen . Rundfunkänderungs- Helmut Hartung ist Chefredakteur von ebenfalls einen Etat in Höhe von fünf der Coronakrise »fünfmal mehr Zeit« kulturellen Aufgabe gerecht werden. staatsvertrag zurückgehe, der schon vor medienpolitik.net Millionen Euro veranschlagt. als bisher für die Kultur zur Verfügung Diese unverständliche, kulturlose stellen. Für die ARD anscheinend eine Verfügung der ARD überrascht nicht. irrationale Vorstellung. Im Gegenteil, Der ARD-Vorsitzende Tom Buhrow hat- der ARD-Vorsitzende hat ja bereits Pro- te bereits im November, noch vor dem grammreduzierungen angekündigt, die endgültigen Plazet in Sachsen-Anhalt anscheinend zuerst die Kultur treff en über die Erhöhung des Rundfunkbei- könnten. Und wahrscheinlich wird man trags, angekündigt, dass das Kulturpro- es noch öfter zu hören bekommen, dass jekt abgesagt werden könnte. Ohne die die Abgeordneten in Sachsen-Anhalt kultur Beitragserhöhung würde der ARD das daran schuld seien, dass der öff entlich- Geld dafür fehlen, erklärte Buhrow ge- rechtliche Rundfunk beim Kulturange- genüber der Berliner Zeitung. Drohge- bot sparen müsse, da das relativ teuer bärden und Entscheidungen gegen die sei und man damit nicht so viele Hörer in der Corona-Pandemie stark leidende oder Zuschauer erreiche, wie beispiels- Kultur sind ein Armutszeugnis für die weise mit einem »Tatort« oder »Traum- stellen ARD. Dem französischen öff entlich- schiff «. rechtlichen Rundfunk stehen jährlich Für viel Kritik hat jüngst das Vorha- , Milliarden Euro zur Verfügung, der ben des WDR gesorgt, das Literaturpro- ARD fast  Milliarden. Während es in gramm bei WDR zu reduzieren. So hat Frankreich ohne jahrelange Debatte der Sender in einer internen E-Mail an markt über den Auftrag möglich ist, kurzfris- seine Mitarbeiter die massiven Strei- tig  Millionen Euro für ein kulturelles chungen verkündet. Schon von März www.nmz.de/stellenmarkt Projekt zur Verfügung zu stellen, ist der an soll es in der Sendung »Mosaik« im Print & Online reichere Verbund der neun Landesrund- WDR keine Buchrezensionen als feste seriös – aktuell funkanstalten dazu nicht in der Lage. Rubrik mehr geben. Insgesamt stehen vier Literatursendungen und -rubriken seit 68 Jahren vor einer ungewissen Zukunft. Gerade ARD lehnte gemeinsame erst hatte der NDR das »Bücherjour- Kulturplattform mit dem ZDF ab nal« abgeschaff t, der HR sein Kultur- Lobenswerterweise produzieren ARD, programm »reformiert«. ZDF und Deutschlandradio während der Corona-Pandemie zusätzliche Kul- Die Rechten drängen in den turformate, übertragen Konzerte aus kulturellen Raum Wohnzimmern oder leeren Sälen, ver- schaff en Künstlern eine Auftrittschance »Die neue Rechte freut sich – sie baut und den Zuschauern ein zusätzliches die Literaturkritik nämlich gerade aus«, kulturelles Erlebnis. Doch diese Initia- resümiert die Süddeutsche Zeitung (SZ) tiven können den systematischen Pro- am . Januar  diese Entwicklung: grammabbau in den Kulturangeboten »Richtig bitter wird es dadurch, dass der ARD und des ZDF nicht überdecken. man in Deutschland natürlich nicht Auf einer ARD-Kulturplattform könn- einfach aufhört, über Bücher zu dis- ten auch diese Initiativen und Ideen ge- kutieren, nur weil der WDR dafür keine bündelt werden und so mehr Zuschauer Energie mehr aufbringt. Diese Energie erreichen, wie es bei ZDFkultur der Fall fi ndet sich woanders: Die Zeitschriften ist. Das digitale Kulturangebot des ZDF und Blogs der ganz rechten Infosphäre konzentriert und präsentiert Inhalte bauen ihre Literaturkritik kontinuier- aus diversen Genres der Hoch- und Pop- lich aus, und sie unterbreiten den freien kultur. Hier können auch Konzerte, die Kritikern, die von den öff entlich-recht- während der Pandemie entstanden sind, lichen Medien stempeln geschickt wer- wie »Klassik auf der Couch«, erlebt wer- den, Angebote. Die antiglobalistische, den. Auf Facebook ist ZDFkultur bereits völkische, deutschblütige Rechte hat www.nmz.de seit dem Start aktiv und verzeichnet genau verstanden, dass ein Land mor- dort mehr als . Abonnentinnen gen von jenen geführt wird, die heute neue musikzeitung und Abonnenten sowie zuletzt durch- den Kanon formulieren. Auf YouTube schnittlich acht Millionen Videosich- wimmelt es von völkischen Diskussi- tungen im Monat. Auch auf YouTube onsrunden, die über die Verbindungen 16 MEDIEN www.politikundkultur.net

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Kulturanbieter Was tut er wirklich für die Kultur in Corona-Zeiten?

terstützt. Ein aktuelles Beispiel ist die und so versucht, kulturelles Leben als auch für die Künstlerinnen und rechtlichen Sender mit der Kulturszene BR Aktion »Gemeinsam lauter«, die für re- nicht der Pandemie anheimzugeben. Künstler. Konzerte unseres Sinfonie- im ganzen Land. gionale Bands und DJs Auftrittsmög- Als Ersatz für Konzerte, die vor Pub- orchesters und unserer Big Band mit Hier zeigt sich bereits im Kleinen die KATJA WILDERMUTH lichkeiten schaff t – auf BR-Digitalplatt- likum nicht stattfi nden konnten, ha- externen Musikern: nicht nur eine Stärke von kreativen Kulturräumen im formen genauso wie im Radioprogramm ben wir sie für das Radio produziert, in Bereicherung für unser Publikum, Netz. Mitten in der Pandemie triff t die ie wichtig ist uns die Kul- oder auch in der BR Mediathek. unserem Kammermusiksaal im Kölner sondern auch für das Repertoire und ARD dazu eine weitere wichtige Ent- tur? Diese Frage muss sich Mit all diesen Initiativen versucht Funkhaus und in Berlin »Funkhaus- unsere Klangkörper. Ein -Stunden- scheidung. Im November  wird das W die Gesellschaft nach fast der BR das Kultur- und Klassikleben konzerte« veranstaltet, häufi g sogar Comedy-Marathon, im hr-Fernsehen Konzept für ein innovatives, digitales einem Jahr Coronakrise stellen. Ein trotz schwierigster Produktionsbedin- live übertragen. Einige Konzerte von und der ARD-Mediathek übertragen: Kulturangebot mit Fokus auf eine junge Jahr, das für viele Kulturschaff ende gungen und allgemeiner Mittelknapp- Festivals, die abgesagt werden mussten, Ablenkung für vom Homeschooling Zielgruppe mit Sitz beim Mitteldeut- wirtschaftlich verheerend war. Für den heit zu unterstützen – gerade weil wir haben so bei uns stattfi nden können. geplagte Eltern und ihre Kinder – und schen Rundfunk verabschiedet. BR steht die Antwort fest, schließlich die Vielfalt auch während der allgemei- Etwa vom »Heidelberger Frühling« oder eine dringend benötigte Bühne für Das Angebot will einerseits das be- haben wir den Auftrag, die Menschen nen Beschränkungen aufrechterhalten vom Festival »Spannungen« in Heim- diejenigen, deren »richtige« Bühnen stehende Portfolio im Kulturbereich im Land umfassend mit vielfältigen und abbilden wollen. bach. Mit unseren Ensembles, dem seit Monaten geschlossen sind. Selbst ergänzen und andererseits den Kul- Angeboten rund um das Thema Kultur Deutschen Symphonie-Orchester DSO, Fastnacht, also bodenständige Regi- turschaff enden des Landes eine neue, zu versorgen. Katja Wildermuth ist Intendantin dem Rundfunk-Sinfonieorchester Ber- onalkultur zu Hause? Ja, aber nur mit große Plattform geben. Neben einem Aus diesem Grund hat der BR sein des Bayerischen Rundfunks (BR) lin RSB, dem Rundfunkchor Berlin und Sendungen, in denen die Künstlerinnen suchmaschinenoptimierten Netzan- Engagement für die Kultur bereits mit dem RIAS Kammerchor haben wir auf und Künstler eine dringend benötigte gebot für den mobilen Bildschirm, liegt dem ersten Lockdown sogar verstärkt. diese Weise immerhin Teile der geplan- Auftrittsmöglichkeit bekommen. der Schwerpunkt des Konzepts auf Pro- So hat der Programmbereich Kultur in- ten Saison im Radio stattfi nden lassen Corona nervt alle. Für die Kultursze- duktion neuer Kulturformate für die di- nerhalb kürzester Zeit eine eigene di- können. Für diese »Geisterkonzerte« ne ist diese Pandemie aber existenz- gitale Welt, insbesondere die Mediathek gitale Plattform ins Leben gerufen, die Deutschland- haben wir eine eigene Webseite gebaut bedrohend. Daher betreten wir im hr und Audiothek der ARD. »BR KulturBühne«. Unter br.de/kultur und sie unter dem Titel »Unsere Mik- seit einem Jahr Neuland, entwickeln Die Stärken der ARD im Kulturbe- bringt sie den Menschen in Bayern den radio ros – Ihre Konzerte« leicht auffi ndbar neue Formate, spielen in kleinerer Be- reich, nämlich inhaltliche Exzellenz, die Konzertsaal, die Theater- oder Opern- gemacht. Da viele Ensembles für Neue setzung als bisher und geben so den regionale Kompetenz durch ein föderal bühne nach Hause. HANS DIETER HEIMENDAHL Musik über eigene Produktionsstudios Kulturschaff enden eine Plattform und gut aufgestelltes Redaktionsnetzwerk Mit dem Angebot hat der BR einen verfügen, haben wir sie eingeladen, un- dem Publikum das, was es derzeit so und die langjährigen, vertrauensvollen Nerv getroff en. Institutionen, aber auch ulturberichterstattung nimmt in ter der Überschrift »Aus den Werkstät- schmerzlich vermisst. Viele kulturelle Kulturpartnerschaften in den Regionen einzelne Künstlerinnen und Künstler den Programmen von Deutsch- ten Neuer Musik« mit Gesprächen und Sehnsüchte konnten durch die Pan- werden hier unter Berücksichtigung »senden« dort ihre Wohnzimmerkon- K landradio großen Raum ein. Im Konzerten Gast in unserem Programm demie nicht erfüllt werden, aber dafür digitaler Publikationsstrategien in ei- zerte oder lesen aus ihren Werken. Auch Deutschlandfunk berichtet »Kultur heu- zu sein. Unser Festival für Neue Musik wurde neuen Erfahrungen zumindest nem neuen Angebot zusammengeführt. Museen und Bühnen, die auf digitale te« werktäglich aktuell aus der Kultur, in »Ultraschall Berlin« schließlich, das wir ein Raum gegeben. Wir werden be- Künftig soll es mit der neuen GSEA Kul- Ersatzformate ausweichen, fi nden hier Deutschlandfunk Kultur blickt »Fazit« gemeinsam mit dem RBB immer am stimmt etwas von dem, was wir in den tur einen gemeinsamen digitalen Kul- einen festen Platz – das Münchner jeden Tag auf die Kultur vom Tage, »Der letzten Januar-Wochenende veranstal- vergangenen Monaten entwickelt ha- turraum geben – in Zusammenarbeit Gärtnerplatztheater, das auf der Kultur- Kompressor« verfolgt die Popkultur, die ten, haben wir – durch große Mengen ben, auch weiterhin beibehalten. Dass mit ZDF und Deutschlandradio und in Bühne seine aktuelle Spielzeit eröff net »Tonart« berichtet werktäglich über von Schnelltests – fast im gewohnten Kultur wichtig ist, hört man derzeit an enger Partnerschaft mit der Kulturszene. hat, genauso wie kleinere Spielstätten Themen aus Musikszene, Kulturpoli- Umfang ohne Publikum für das Radio jeder Ecke. Dass die aktuelle Situation Mit diesem Beschluss zeigt sich die wie die Marionettenbühne in Lindau. tik und Musikwirtschaft, ebenso wie ermöglicht. Damit haben wir zwar nicht uns aber zu einem »Jetzt erst recht!« ARD erneut als verlässlicher Partner der Seit dem Start am . April  ist die das wöchentliche »Musikjournal« und die Zahl von Originalkonzerten in un- auff ordert – das setzen wir ganz kon- Kulturschaff enden im Land und setzt da- BR KulturBühne zu einer Ersatzbühne die »Musikszene« im Deutschlandfunk. seren Programmen erhöhen, aber fast kret um. Lesungen, Hörspiele, Podcasts, rüber hinaus mit der Standortentschei- für viele tolle künstlerische Angebote Schließlich spielt die Kultur auch in der aufrechterhalten können. Damit ist aus Konzerte – vieles davon steht immer dung beim Mitteldeutschen Rundfunk geworden. tagesaktuellen Magazinsendung »Stu- unserer Sicht viel gelungen – den Kol- noch in ARD-Audiothek und -Media- ein Zeichen für eine längst überfällige Auch darüber hinaus engagiert dio «auf Deutschlandfunk Kultur eine leginnen und Kollegen sei Dank! thek bereit und erreicht so mehr Men- verstärkte Wahrnehmung des Ostens als sich der BR in der Krise: Trotz coro- prominente Rolle. Nimmt man allein schen, als dies mit einer einmaligen starke Kulturregion in Europa. nabedingter Einschränkungen ist es diese zwei Programme in den Blick, er- Hans Dieter Heimendahl ist Deutsch- Auff ührung gelungen wäre. Dass in dieser Situation ausge- dem Bereich Hörspiel und Podcast geben sich sieben Stunden Fachsendun- landradio Kulturkoordinator Trotzdem: Dem Publikum fehlt da- rechnet Sachsen-Anhalt, als einziges gelungen, nahezu alle Produktionen gen täglich, zuzüglich der Themenplät- bei das Gemeinschaftserlebnis. Und so Land, durch die Ablehnung der KEF- im Audiobereich aufrechtzuerhalten. ze für Kultur in den aktuellen Strecken freue nicht nur ich mich darauf, wenn Empfehlung zum neuen Rundfunk- Hunderte Kreative – allen voran Au- sind es über  einzelne Themen in der endlich die Bühnen wieder öff nen und beitrag, dieses engagierte Kulturpro- toren, Schauspielerinnen, Regisseure, Kulturberichterstattung pro Tag. die Säle ausverkauft sind. jekt hart abbremst, könnte man als Musikerinnen und Sprecher aus der In unseren Programmen waren die hr Treppenwitz der Mediengeschichte freien Szene – konnten auf diese Weise Pandemie, der Lockdown und insbe- Manfred Krupp ist Intendant des sehen, wenn es nicht so enttäuschend weiter beschäftigt werden. Als die ge- sondere auch die aktuellen Auswir- MANFRED KRUPP Hessischen Rundfunks (hr) für hochmotivierte Kolleginnen und plante Urauff ührung des Theaterstücks kungen und möglichen Folgen für die Kollegen wäre, die das Projekt mit mir »M – eine Stadt sucht einen Mörder« Kultur sehr präsent. Gespräche mit nzwischen ist es ein Jahr her, dass im MDR vorantreiben und für die tolle im Münchner Residenztheater pande- betroff enen Leiterinnen und Leitern ich eine Opernauff ührung besucht kreative Zusammenarbeit mit vielen miebedingt ausfallen musste, brachte von Orchestern, Theatern oder Gale- I habe und vor vier Monaten durfte Kulturschaff enden, die bereits große der BR das Stück als eigens realisierte rien, Reportageserien von betroff enen ich zuletzt ein faszinierendes Konzert MDR Erwartungen und Hoff nungen in dieses Audiofassung ins Radio. Institutionen und Gespräche mit Kul- live mit anderen Menschen erleben. Und Angebot stecken. Zudem hat der BR mehrere Zehntau- turschaff enden über ihre Lebenssituati- wenn man mich vorher gefragt hätte, REINHARD BÄRENZ Die Pandemie hat gezeigt, wie wich- send Euro in Sonderprojekte investiert, on haben in großer Zahl stattgefunden wie ich so lange ohne größere Kultur- tig ein am Gemeinwohl orientiertes und um Künstlerinnen und Künstlern so- und ein diff erenziertes Bild vermittelt. veranstaltungen überleben könnte, hät- ahrestage sind geeignet, kollektiv gesellschaftlich beauftragtes Rund- wie Verlagen die Möglichkeit zu geben, Die Maßnahmen zur Unterstützung te ich gesagt: Das geht doch gar nicht! innezuhalten und Geschehenes zu funksystem vor allem für die Kultur sicht- und hörbar zu bleiben. Dazu ge- der Kultur des Bundes wie der Länder Seit vergangenem Jahr lernen wir, J refl ektieren. Dies gilt auch für den ist. Die Unterstützung, die die Sender hören etwa die Podcast-Staff eln »Som- haben wir in Diskussionsrunden erör- dass es gehen muss – aber nur einer- Jahrestag, den wir aktuell begehen der an der Existenz angegriff enen Kre- merlesungen« und »Herbstlesungen«: tert, mit Betroff enen besprochen und seits. Denn andererseits haben wir und auf deren Anlass wir alle gerne ativlandschaft haben zukommen lassen, Schauspieler und Sprecherinnen, die verglichen und die Aufgaben, die auf auch gelernt, dass die Bewältigung der verzichtet hätten. Am . März  zeigt, dass die Verantwortlichen ihren gerade ihren Beruf nicht ausüben kön- die Kulturetats in der Zukunft zukom- Corona-Pandemie der Kultur trotz al- beschließen Bund und Länder aufgrund Auftrag verstanden haben. nen, lesen aus Werken von Schriftstel- men, mit Kulturpolitikern analysiert. ler Einschränkungen auch einen Schub des besorgniserregenden Anstiegs von lern, die gerade nicht auf Lese-Tour Das Thema war also Thema. Aber wir gegeben hat, den vorher wahrscheinlich Ansteckungen mit Sars-Cov- strenge Reinhard Bärenz ist Leiter der Haupt- gehen können, und bekommen neben haben auch nach neuen Wegen gesucht, niemand für möglich gehalten hatte. Im Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen. redaktion MDR KULTUR und Projekt- einer Vergütung wertvolle öff entliche Künstlerinnen und Künstler unmittel- vergangenen Jahr ist so viel gewach- Deutschland geht in den ersten leiter ARD KULTUR beim Mitteldeut- Aufmerksamkeit. Auf diese Weise bleibt bar im Programm zu Wort kommen zu sen, so viel Neues entstanden, ist so viel Shutdown der Covid--Pandemie. Be - schen Rundfunk (MDR) die Kultur trotz Krise weiter sichtbar lassen, um sie zu hören, aber auch, um Energie und Kreativität gefl ossen, um reits kurz davor wird die Leipziger und lebendig. sie fi nanziell auf diese Weise immerhin den Menschen die Teilhabe an Kultur Buchmesse als erstes großes nationales Das gilt gerade auch für die Musik. im kleinen Maßstab unterstützen zu zu ermöglichen. Die Leute können nicht Kulturereignis von der Virusverbreitung So verzeichnete unser Online-Angebot können. So haben wir beispielsweise in ins Theater? Dann kommt das Theater überrollt und muss abgesagt werden. BR-KLASSIK.de in den Lockdown-Mo- »Fazit« mit der Reihe »Was mich trös- zu ihnen! Keine Konzertbesuche mög- Damit die Autorenschaft nicht heimat- NDR naten deutlich erhöhte Zugriff szahlen. tet« freie Künstler und Künstlerinnen lich? Dann den Laptop aufklappen und und die Leserschaft inspirationslos in In zwei großen Benefi zaktionen war- eingeladen, uns Sprachnachrichten zu zu Hause zuhören. Klar, das ist nicht das diesen Frühling  gehen müssen, JOACHIM KNUTH ben die Klangkörper des BR und freie senden, die wir veröff entlicht und ho- Gleiche wie ein persönlicher Besuch im erfi ndet MDR KULTUR die »Virtuelle Künstlerinnen und Künstler erfolgreich noriert haben. Konzerthaus. Buchmesse«, realisiert sie innerhalb s sollte ein großes musikalisches um Spenden für den Nothilfefonds der Darüber hinaus haben wir produ- Kultur ist elementar für unseren einer Woche als großen digitalen Live- Fest werden, ein magischer Mo- Deutschen Orchesterstiftung. Eigent- ziert bis an die Grenze des organisa- Zusammenhalt, sie gibt den Menschen event für die ganze ARD und setzt damit E ment zu einem besonderen Ju- lich für Festivals in Bayern geplante torisch Möglichen. Wir haben Räume etwas, regt sie zum Nachdenken an oder ein Zeichen des Schulterschlusses mit biläum:  Jahre NDR Elbphilharmonie Kammerkonzerte holte BR-KLASSIK umgewidmet, um unter Wahrung von schenkt ihnen Entspannung. Wer das der Kreativszene, dem viele in diesem Orchester. Dutzende Musikerinnen und spontan ins Studio. Seit März  hat vernünftigen Hygieneregeln weiterhin vorher nicht wusste, müsste es nach Jahr folgen werden. Musiker und hunderte Konzertbesu- BR-KLASSIK sechs »Geister-Konzerte« Features und Hörspiele produzieren – inzwischen einem Jahr Zwangspause Die WDR Kulturambulanz, die BR cherinnen und -besucher hatten sich mit freien Musikerinnen und Musikern und unser hohes Produktionsniveau verstanden haben. KulturBühne, Kultur trotz Corona vom auf diesen Abend gefreut. Am Ende war veranstaltet,  weitere aufgezeichnet, halten zu können. Wir haben Preisen Daher haben wir im Hessischen NDR oder der SR Corona Culture Club, der große Saal der Elbphilharmonie fast einige davon als Videostream. Und auch wie dem der Leipziger Buchmesse ein Rundfunk weiterhin ein Angebot – so- diese und viele andere Formate bestäti- leer, die Pulte standen weit auseinander. die Popkultur wird vom BR gezielt un- neues, temporäres Zuhause gegeben wohl für die Nutzerinnen und Nutzer gen die enge Verbindung der öff entlich- Wir waren froh, dass überhaupt gespielt Politik & Kultur | Nr. / | März  MEDIEN 17

werden konnte, nachdem ein Mitglied des Orchesters positiv auf Corona ge- testet worden war. Mit großen Anstren- gungen konnten wir das Konzert mit der Solistin Julia Fischer und dem Solisten Daniel Müller-Schott zumindest per Livestream und am darauff olgenden Abend im Fernsehen in die Wohnzim- mer der Menschen bringen. Dies ist nur ein Beispiel für hunderte Kulturveranstaltungen im Norden, die abgesagt werden mussten, ohne Pub- likum stattfanden oder grundlegend verändert wurden – mit verheerenden Folgen für Künstlerinnen und Künstler. Der NDR leistet während dieser schwie- rigen Phase als Kulturveranstalter ei- nen wichtigen Beitrag – etwa durch anhaltende Auftrittsmöglichkeiten für freie Solistinnen und Solisten mit den Orchestern und der Bigband des NDR. Darüber hinaus initiierten die Mitglieder der Ensembles selbst eine umfangreiche Spendenaktion für die Deutsche Orchesterstiftung, zudem beteiligte sich der NDR durch nicht abgerufene Ticketrückerstattungen am Elbphilharmonie Hilfsfonds für frei- schaff ende Musikerinnen und Musiker. »Kultur hält zusammen« ist der Name einer Hamburger Initiative, mit deren Unterstützung die Vielfalt der

Hamburger Kulturlandschaft erhalten ALIAKSEI / STOCK ADOBE FOTO: bleiben soll. Der NDR ist Medienpart- Dreharbeiten mit Hygieneaufl agen in Corona-Zeiten ner. Die Initiative trägt aus meiner Sicht einen sehr treff enden Titel: Denn Expertise und programmliche Stärke ständnis, weshalb Radio Bremen in den oder Theaterbesuch durch das Pro- ist dabei. Das überraschendste Ergebnis Kunst und Kultur konstituieren eine in einem neuen crossmedialen Pro- vergangenen Monaten viel für die freie gramm von Radio Bremen doch noch ist, dass der rbb mehr Kulturberichter- demokratische Gesellschaft – indem sie grammbereich Kultur bündeln. Das Musik- und Kulturszene in der Region möglich wird. Das stärkt nicht nur An- stattung gesendet hat und sendet als für Diskurs und Austausch sorgen, für gemeinsame Ziel: mit neuen, gemein- getan hat. So hat unsere Hörfunkwel- bieter von Kunst und Kultur, sondern zuvor, und zwar auf allen Ausspielwe- wechselnde Perspektiven, für mensch- sam entwickelten Angeboten mehr le für neue Kultur und Unterhaltung, bietet auch ein Hör- und Sehvergnügen gen. Manches wie der neu entstandene, liche Nähe. Menschen erreichen. Bremen Zwei, mit Orchestern, Bands, sowie die Möglichkeit für kulturellen gemeinsame literarische Podcast vom Drei Beispiele von vielen: Während Mit Beethoven, Brahms und Tschai- Künstlerinnen und Künstlern Konzerte Input, für Anregung und Dialog für und Literarischen Colloquium Berlin und der Weihnachtszeit schenkten Schau- kowsky sandte das NDR Sinfonieorches- produziert und diese per Livestream zu mit unserem Publikum. rbb Kultur, »Weiterlesen«, wird sicher spielerinnen und Schauspieler des ter vor  Jahren eine musikalische Bot- den Menschen nach Hause übertragen. die Krise überstehen. Hamburger Thalia Theaters den Hö- schaft in die Welt, eine Botschaft der Bremen Zwei weist aktuell einmal pro Yvette Gerner ist Intendantin von Denn auch als Kulturanbieter ist der rerinnen und Hörern von NDR Kultur Hoff nung auf kulturellen Wiederaufbau. Stunde auf (Online-)Aktionen, Events Radio Bremen rbb noch aktiver geworden. In unserer einen persönlichen Auftritt am Telefon Die Coronakrise hat uns eindringlich etc. von Kulturschaff enden aus Bremen, Region ist der Wunsch, Kultur zu erleben, – und damit Momente der Nähe zwi- vor Augen geführt, wie wertvoll Kunst Bremerhaven und der Region hin. sehr groß. Nach dem beeindruckenden schen Theaterleuten und ihrem Publi- und Kultur für den Zusammenhalt un- Das junge crossmediale Angebot Erfolg des Streamings von »Carmen« kum, die einander dringlich vermissen. serer Gesellschaft sind. Die Kultur im Bremen NEXT hat im Sommer  ver- aus der publikumsleeren Staatsoper Zudem sendet die Musikredaktion von Norden begegnet der Pandemie mit schiedene Podcasts für ein kleines Pu- rbb Unter den Linden im vergangenen Jahr NDR Kultur derzeit verstärkt Titel von Fantasie, Improvisation und Kreativität. blikum vor Ort auf die Bühne gebracht wurde nun am . Februar  die Pre- Musikerinnen und Musikern aus Nie- Wir als NDR verstehen uns als verläss- und sie live gestreamt. Unter anderem PATRICIA SCHLESINGER miere von Leoš Janáčeks Oper »Jenůfa«, dersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, licher Partner in herausfordernder Zeit. hat Bremen NEXT bekannten DJs und in Zusammenarbeit mit dem BR, sat, Hamburg und Schleswig-Holstein, wo- Nachwuchskünstlerinnen und -künst- an kann es nicht schönre- UNITEL und MEZZO TV, im rbb-Radio, von diese fi nanziell profi tieren. Und in Joachim Knuth ist Intendant des lern aus der Region die Möglichkeit den: Die Kultur leidet. Die auf rbbKultur und im Livestream auf »NDR Kultur à la carte EXTRA« lädt un- Norddeutschen Rundfunks (NDR) gegeben, per Livestream bei den Fans M Umsatzverluste der Kultur- rbbkultur.de gefeiert. Damit streamte ser Kulturprogramm jede Woche nord- zu Hause für Partystimmung zu sorgen. und Kreativwirtschaft in Deutschland der rbb bereits zum dritten Mal unter deutsche Musikerinnen und Musiker ins Alle Radio Bremen-Programme ge- durch Corona gehen in die Milliarden- dem Motto »Der rbb macht’s« aus der Studio; sie spielen live für unser Publi- ben seit Beginn der Pandemie den Kul- höhe. Im zweiten Jahr der Krise kämp- Staatsoper in die Wohnzimmer der Ber- kum im Radio und im Netz – erhalten turschaff enden aller Couleur in vielen fen Kulturschaff ende in allen Sparten linerinnen und Brandenburger. dafür eine Gage – und geben Auskunft Radio Beiträgen und Interviews eine Platt- mehr denn je um das Überleben – vor Der rbb bringt jedoch nicht nur per über ihre persönliche Situation wäh- form und eine Stimme für ihr Anliegen. allem fi nanziell, aber auch psychisch. Übertragungen in Radio, Fernsehen rend der Pandemie. Bremen In diesem Zusammenhang möchte ich Im Kulturmagazin »rbb Kultur« vom . und Online Konzertsaal und Opern- Der Literatur widmen der NDR Hör- nur einige der Beiträge erwähnen: So Januar  beschreibt Regisseur Barrie bühne zum Publikum, sondern präsen- funk, das NDR Fernsehen und seine YVETTE GERNER die Streamingverknüpfungen mit den Kosky, der Autorin Charlotte Pollex bei tiert unter anderem mit interaktiven Onlineangebote besondere Aufmerk- Bremer Philharmonikern und der Deut- den Proben zur »Dreigroschenoper« am -Grad-Rundgängen auch aktuelle samkeit.  Buchrezensionen sendete n den vergangenen zwölf Monaten schen Kammerphilharmonie, die Unter- Berliner Ensemble besuchte, diese Ar- Ausstellungen und Museen im Netz. allein NDR Kultur im vergangenen Jahr war unser Alltag und damit auch stützung des Kultursommers »Summa- beit für sich und sein Team beglückt als Der rbb-Beitrag zur Beschäftigung und beauftragte gemeinsam mit den an- I das kulturelle Leben durch corona- rum« und – ganz aktuell – unser Beitrag »medizinisch für die Seele. Das ist ein von Künstlern und Freischaff enden in deren ARD-Kulturprogrammen zudem bedingte Einschränkungen bestimmt. zu dem bundesweit einmaligen Projekt Paradies.« Auch wenn es noch keinen diesen Zeiten besteht maßgeblich da-  neue Erzählungen bei deutschen Au- »Eigentlich« wollten wir Konzerte, The- »Club«, ein Zusammenschluss aus Premierentermin gibt. rin, weiter zu drehen. Ob »Tatort« und torinnen und Autoren für das bundes- ater, Lesungen, Kinos etc. viel häufi ger Veranstaltern und Clubs, die unter Mit der innovativen Platzierung »Polizeiruf«, die Vorabendserie »WaPo weit ausgestrahlte ARD-Radiofestival besuchen, als es möglich war. Wir muss- Einhaltung der Infektionsschutzmaß- des rbb Kulturmagazins im Vorabend- Berlin«, die Primetime-Serie »Die Hei- der Kulturprogramme. Das breite lite- ten uns neu orientieren, neue digitale nahmen Kultur auf die Bühne und ins programm hatte der rbb sich bereits land« oder neue Miniserien – der rbb rarische Programmportfolio des NDR Möglichkeiten fi nden, die dieses »ei- Internet bringen. vor Corona vorgenommen, ein breites ermutigt und ermöglicht Dreharbeiten, ergänzen nun frische non-lineare Ange- gentlich« unnötig machen – nicht nur Die Pandemie verlangt von uns ei- Publikum für Kultur zu begeistern, in- indem er die zur Wahrung aller Sicher- bote, wie der erfolgreiche Literatur-Pod- privat, sondern gerade auch als Sender. niges an Kreativität, um neue Fäden dem man es dorthin mitnimmt, wo sie heitsmaßnahmen am Set erforderlichen cast »eat.READ.sleep«. Und es kommen Als öff entlich-rechtliche Rundfunk- zwischen der Szene und dem Publikum entsteht. Im vergangenen Jahr konnte Maßnahmen anteilig bezahlt hat und weitere Reihen hinzu: wie der Podcast anstalt haben wir den Auftrag, Men- zu spinnen. Durch die Übertragung von man dann bewundernd beobachten, bezahlt – nicht unerhebliche, im Etat »Land in Sicht, Bücher zum Überleben« schen und Meinungen zusammenzu- Live-Konzerten, die Unterstützung von dass sich die schwer getroff ene Kul- natürlich nicht vorgesehene Mehr- oder das Online-Literaturformat »Reh bringen, den Zusammenhalt zu fördern. (virtuellen) Veranstaltungen oder durch turszene in einer Metropole wie Berlin kosten. Der rbb geht auch im zweiten und Rakete« mit Julia Westlake. Oft geschieht dies in Zusammenarbeit Beiträge über lokale Künstlerinnen und einer kulturell so erschlossenen Corona-Jahr den oben skizzierten Weg In einer krisenhaften Zeit, die auch mit Kulturschaff enden, bieten Kunst und Künstler leistet Radio Bremen ei- Region wie Brandenburg mit seinen zwischen Kulturberichterstattung und für den NDR vor allem in wirtschaftli- und Kultur doch vielfältigste Möglich- nen Beitrag, um auf die Situation der Bühnen, Festivals und Orchestern al- Kulturangebot, um Kultur und Kultur- cher Hinsicht keine einfache ist, stehen keiten, sich mit gesellschaftlich rele- Branche aufmerksam zu machen und len Einschränkungen zuwider nicht schaff ende zu unterstützen. Getragen wir zu unserem Kulturauftrag – und zu vanten Themen auseinanderzusetzen, ihr eine Bühne zu bieten. Eine digita- geschlagen geben wollte und will und von der Hoff nung, wenigstens die eine den Künstlerinnen und Künstlern im sind Theater, Konzertsäle und Museen le Plattform schaff t das umfangreiche wie vital Kultur trotz Corona ist. Es wird oder andere Leerstelle im gesellschaft- Norden. Unsere Programme investie- Orte der Begegnung. Für die schwierige Angebot in der ARD-Audiothek und der geprobt, musiziert, gefi lmt, fotografi ert, lichen und kulturellen Leben zu füllen. ren in neue lineare und non-lineare – häufi g existenzbedrohende – Situation, -Mediathek. Unserem gesellschaftlichen geschrieben, kuratiert, gemalt, insze- Kulturformate und werden noch in in der sich Kunst- und Kulturschaff ende Auftrag folgend, suchen wir neue Wege, niert, Lesungen, Konzerte und Theater- Patricia Schlesinger ist Intendantin des diesem Jahr ihre kulturjournalistische aktuell befi nden, haben wir großes Ver- wie der »eigentlich« geplante Konzert- auff ührungen gestreamt – und der rbb Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) 18 MEDIEN www.politikundkultur.net

ausnahmslos im Internet und teilweise Keine Konzerte, keine Partys, keine satz zu unzähligen Kolleginnen und defi niert. Von heute auf morgen ent- SR im SR Fernsehen stattgefunden haben. kulturellen oder gesellschaftlichen Kollegen in aller Welt. fi elen die meisten kulturellen Events Auch das »Hemmersdorf Pop Festival« Festlichkeiten. In diesem einen Jahr In der Coronakrise haben wir wie – und damit ein wesentlicher Teil der THOMAS KLEIST UND hätte ohne Hilfe der ansässigen Lan- ist die Sehnsucht nach echten Begeg- unter einem Brennglas gesehen, wo Inhalte unserer Kulturberichterstat- RICARDA WACKERS desrundfunkanstalt nicht umgesetzt nungen, nach Erlebnissen im Theater, die Schwächen in unserer Gesellschaft tung. Das ZDF hat ausführlich über werden können. Hinzu kommen zahl- in Ausstellungen, in Clubs und auf liegen – und die Stärken. Sicher ist: die prekäre Situation der Kulturschaf- ie Zuschauerplätze in den reiche Video-Livestreams und Radio- Konzerten immer größer geworden. Die Kultur gehört zu unseren großen fenden in dieser Zeit berichtet. Aber Theatern leer, die Kunst in übertragungen von Konzerten etwa Die Sehnsucht nach der Vielfalt der Stärken. Und der öff entlich-rechtli- schnell war klar: Die Menschen brau- D den Museen für das Publikum des rundfunkeigenen Klangkörpers, Kultur und ihrer verbindenden Kräfte. che Rundfunk trägt einen großen Teil chen den medialen Zugang zu Kultur unerreichbar und Künstlerinnen und der Deutschen Radio Philharmonie Dabei dürfen wir immer noch nicht dazu bei. Denn in Zeiten geschlosse- mehr denn je. Und umgekehrt braucht Künstler ohne Auftritts- und Verdienst- Saarbrücken Kaiserslautern, des Saar- vergessen: Für viele von uns ist es eine ner Theater, Musiksäle und Museen die Kultur mehr denn je Plattformen, möglichkeiten – diese nie gekannte Si- ländischen Staatsorchesters, regionaler Sehnsucht nach Leichtigkeit. Für mehr unternehmen wir besonders viel, um um die Menschen zu erreichen. tuation stellt auch für den öff entlich- Bands und Ensembles und – ein beson- als eine Million Kulturschaff ende in Kultur zu den Menschen nach Hause Die digitale Welt als ein eigener rechtlichen Rundfunk mit seinem deres Highlight – das Videostreaming Deutschland ist Corona aber nach wie zu bringen: mit Konzerten im Live- kreativer Entfaltungsraum spielt da- gesetzlich verbrieften Kulturauftrag des Weihnachtsmärchens des Saarlän- vor der bedrohliche Entzug ihrer Le- Stream, Lesestunden, Hörspielen oder bei eine besondere Rolle. Mit seinem eine Herausforderung und moralische dischen Staatstheaters »Donkey der bensgrundlage. neuen Musikkompositionen, im line-  gestarteten digitalen Angebot Verpfl ichtung dar. Hier ist er gefordert Schotte und das Pferd, das sich Rosi Im SWR und in der ARD sind wir aren Programm und auf den digitalen ZDFkultur konnte das ZDF schnell auf in seiner Doppelrolle: Als Medium, das nannte«. Während der Weihnachtszeit uns von Beginn an unserer besonderen Plattformen. zahlreiche gefestigte Partnerschaften die Probleme der künstlerisch tätigen war es für Kinder und ihre Familien Rolle in der Corona-Zeit bewusst gewe- Ein paar Beispiele aus dem WDR: mit bedeutenden Bühnen, Museen, Menschen und Institutionen in der einen ganzen Monat lang unter ande- sen: Indem wir diese Sehnsucht in der Der Westart-Lieferservice bringt Kul- Klangkörpern sowie Solistinnen und Berichterstattung in die Öff entlichkeit rem in der ARD-Mediathek abrufbar. Zu Gesellschaft mit unserem Programm tur live und real in die Vorgärten, Hin- Solisten aufbauen und ihnen auch bringt, und als Kulturfaktor, der das ge- erwähnen ist auch die Preisverleihung stillen. Indem wir Verantwortung ge- terhöfe und Treppenhäuser. Er liefert während des Lockdowns Präsenz und nuine Erschaff en von Kunst und Kultur des zweisprachigen und grenzüber- genüber der Kulturszene übernehmen, Lesung, Konzert oder Kunstwerk frei Aufmerksamkeit ermöglichen. So hat ermöglicht. schreitenden Festivals »Primeurs« für sie auch fi nanziell unterstützen und die Haus zu den Menschen in den Dörfern unsere Digitale Kunsthalle seit Beginn Der crossmedial aufgestellte Kul- frankofone Gegenwartsdramatik, die kulturelle Vielfalt stärken. Mit großen und Städten unseres Landes. Ab März der Pandemie sieben neue Ausstellun- turbereich des SR (Hörfunk, Fernsehen, ins Radio verlegt wurde, um sie über- multimedialen Schwerpunkten in al- geht die Aktion in die nächste Runde. gen eröff net. Das interaktive Litera- Online) hat in den zurückliegenden Mo- haupt stattfi nden lassen zu können. len Programmen, wie »#ZUSAMMEN- Auch das Sinfonieorchester war im turangebot »Dein Buch« nahm rund naten versucht, diesen Spagat mit viel Fazit: Der SR pfl egt als kleine Lan- HALTEN für die Kultur«, aber auch Sommer unterwegs. Peter Mönkediek  neue Titel in sein Repertoire auf. Elan und im Rahmen des Möglichen desrundfunkanstalt von jeher enge mit einzelnen Beiträgen, Porträts oder hat uns geschildert, wie das Orchester Die Menschen begeisterten sich immer zu bewältigen. Sowohl im Fernsehma- Verbindungen in die Kulturszene des Reportagen über die Kulturschaff en- seine Abonnentinnen und Abonnen- mehr für unsere Kulturangebote: Die gazin »Wir im – Kultur« als Landes, und die Coronakrise hat diese den. Wir berichten über die Notsitua- ten besucht und in kleinen Ensembles Sichtungen von ZDFkultur-Inhalten in auch auf SR  KulturRadio und in den direkten Kontakte noch vertieft. tion und sind Kulturproduzent. Damit Mini-Open-Air-Konzerte gegeben hat. der Mediathek stiegen um  Prozent, Social-Media-Kanälen wurde konti- kommen wir gleichermaßen unserem Der Lohn: Es gab kaum Kündigungen, der Facebook-Account des Angebots nuierlich und umfassend in Beiträgen, Thomas Kleist ist Intendant des Saar- Kultur- und unserem Informations- obwohl der Konzertbetrieb eingestellt wuchs fast um das Fünff ache – mit zu- Interviews und Kommentaren über die ländischen Rundfunks (SR). Ricarda Auftrag nach. ist. Außerdem wird heute so gut wie je- letzt durchschnittlich sieben Millionen unterschiedlichen Facetten der Corona- Wackers ist Leiterin des Bereichs Kultur »Weiterspielen!« heißt so zum Bei- des Konzert gestreamt, früher war das Videosichtungen im Monat. Auswirkungen auf die Kultur berichtet. des Saarländischen Rundfunks spiel unsere Konzertreihe von SWR, eher die Ausnahme. Seit Beginn der Im TV haben unsere Kulturma- Dabei kommen und kamen die zum eine Verbindung von Livemusik und Pandemie haben wir fast  »Geister- gazine der Berichterstattung über Teil prekäre Lage von Künstlerinnen Talk. Freiberufl iche Musikerinnen und konzerte« der vier WDR-Ensembles di- die negativen Corona-Folgen für die und Künstlern, Veranstaltern, Bands, Musiker spielen Konzerte, es treff en gital und auf WDR  verbreitet. Zusam- Branche ganz bewusst die schönen Ensembles etc. zur Sprache, aber auch sich dazu Gäste aus dem Kulturle- men kommen die Projekte der Klangkör- Seiten der Kultur und damit auch ein konstruktive Ansätze, mit denen der SWR ben zum Gespräch. Das Jugendradio per allein bei Facebook und YouTube auf Stück Hoff nung entgegengesetzt. Das Krise begegnet wurde und wird. Neben »DASDING« hat Newcomerinnen und über  Millionen Videoabrufe. Kulturmagazin »aspekte« verließ das der Produktion von Einzelporträts von KAI GNIFFKE Newcomern extra Sendezeit zur Ver- Auch die WDR -Kulturambulanz Fernsehstudio und öff nete für das Pu- Künstlerinnen und Künstlern in ihrer fügung gestellt und ihre Darbietun- ist eine ständig wachsende Streaming- blikum geschlossene Kulturorte wie jeweiligen persönlichen Situation oethes Osterspaziergang muss gen natürlich honoriert. Ebenso gab Plattform für Musik, Theater und Li- das Neue Museum in Berlin oder die wurden – um nur einige Beispiele zu noch ein wenig warten. Mit es Bühnen für Kulturschaff ende bei teratur. Das Kölner Schauspiel ist mit Staatsbibliothek. Dazu kamen digitale nennen – Gespräche mit den führenden G Versen daraus und dem dort SWR, SWR und SWR. Wir haben den »Don Karlos« dabei, die Leverkusener Sonderformate wie die »Hauskonzerte«. Köpfen der kulturellen Institutionen geschilderten verheißungsvollen Ge- Wettbewerb »Klangspektrum BW« un- Jazztage bieten den Fans unterschied- In der sat-Kulturzeit-Reihe »Kultur des Landes geführt, der stärker als bis- fühl hatte ich vor gut einem Jahr die terstützt – . freie Musikerinnen lichste Stilrichtungen, rockpalast@ trotzt Corona« traten über  freie her zutage tretende Konfl ikt zwischen Stimmung beschrieben, die uns nach und Musiker haben jeweils . Euro kulturambulanz produzierte »Corona Künstlerinnen und Künstler auf. Auf freier und subventionierter Kulturszene Corona hoff entlich alle erfasst. Aber, für ihre Einreichung bekommen. Mit Sessions« unter anderem mit Doro dem »Digitalen Blauen Sofa« fanden journalistisch aufgearbeitet oder auch wie sagt man so schön und durchaus rund , Stunden Musik und Videos Pesch und »Fortuna Ehrenfeld«. Sie Gespräche mit mehr als  Auto- eine Sendereihe über Exponate von Mu- pragmatisch: Aufgeschoben ist nicht am Stück ist daraus ein Mega-Clip ent- fi nden dort Lesungen mit Ann-Kathrin rinnen und Autoren im Rahmen der seumsausstellungen, die nicht eröff net aufgehoben. Strom und Bäche sind zwar standen – inklusive Weltrekordversuch. Kramer, Jan Costin Wagner oder Bibi- Frankfurter Buchmesse statt. werden konnten, programmiert. noch nicht vom Eise befreit. Im Tale Diese Lust auf Kultur im SWR Fern- ana Beglau. Überhaupt hat das Vorle- Aus dem Theater an der Wien wur- Die journalistische Berichterstat- grünet aber trotzdem Hoff nungsglück. sehen, im Radio, online oder auch ge- sen in den vergangenen Monaten eine de »Fidelio« bei ARTE übertragen. Wir tung wurde und wird fl ankiert von der Hoff nung, die bitter nötig ist nach meinsam mit dem SWR Symphonieor- Renaissance erlebt: Auf die WDR - sind dabei nicht nur der Vermittler, der unmittelbaren Unterstützung regiona- einem Jahr Corona-Frust. Jubiläen sind chester steckt an. Nach einem unserer Fortsetzungslesungen von Klassikern Kultur und Publikum – auch in die- ler Kulturveranstaltungen und Festivals, meist ja etwas sehr Schönes, gehören Berichte hat sich ein Hörer bei uns der Weltliteratur – von Jane Austens ser begegnungsarmen Zeit – zusam- die zu einem großen Teil ohne die Hil- gefeiert. Im Fall des »Corona-Jubilä- gemeldet. Er habe sich entschlossen, »Stolz und Vorurteil« bis zu »Die Sil- menbringt. Wir schaffen Auftritts- fe des SR gar nicht hätten stattfi nden ums« jedoch nicht. Die traurige Ironie bis auf Weiteres zehn Prozent seines vesterglocken« von Charles Dickens – möglichkeiten, damit auch Einkünfte, können. So etwa das »Bundesfestival dabei wäre sowieso: Selbst wenn wir Nettogehalts an den Nothilfefonds haben wir sehr viele begeisterte Rück- wenigstens für einige Künstlerinnen junger Film« und das Nachwuchsfi lm- diesen Jahrestag hätten feiern wollen der Deutschen Orchester-Stiftung zu meldungen unserer Hörerinnen und und Künstler. festival »Max Ophüls Preis«, die beide – es wäre gar nicht möglich gewesen. spenden und so auch dazu beizutra- Hörer bekommen, die uns von einem Und auch das gehört zu unserem gen, dass Künstlerinnen und Künstler großen Suchtfaktor dieser Lesungen Beitrag für die Kulturlandschaft: Wir durch die Krise kommen. Wie war das berichtet haben. produzieren weiter Filme und Serien. noch bei Goethe? Im Tale grünet Hoff - Auch wenn wir es uns noch nicht Mit Produktionen wie »Drinnen« oder nungsglück … richtig vorstellen können: Irgendwann »Liebe.jetzt!« haben wir gemeinsam wird die Zeit geschlossener Kulturein- mit Kreativen und Produzentinnen und Kai Gniff ke ist Intendant des richtungen vorbei sein. Dann sehen wir Produzenten schnell neue fi ktionale Südwestrundfunks (SWR) uns wieder: im Theater, im Museum, Erzählformen etabliert. Das ZDF ver- bei Diskussionen, bei Konzerten. Wir gibt auch aktuell in gewohntem Umfang werden um viele Ideen und Erfahrun- Aufträge an Produktionsfi rmen. gen reicher sein, können Kunst und Der Sender beteiligt sich mit bis Kultur noch individueller und vielfälti- zu  Prozent an zusätzlichen Kosten WDR ger präsentieren. Und unser Trompeter bei Drehunterbrechungen infolge der Peter Mönkediek kann wieder das tun, Coronakrise – wenn diese nicht vom TOM BUHROW was er an seinem Beruf am meisten Ausfallfonds II der Länder abgedeckt liebt: »Live spielen vor Publikum bleibt werden. Die zusätzlichen Kosten etwa er Betriebsarzt ist mittlerweile für uns Musiker immer das Wichtigste«. für neue Hygienemaßnahmen über- praktisch Teil unseres Ensem- nimmt das ZDF voll. D bles – er gibt uns den Takt vor Tom Buhrow ist Intendant des West- Die Pandemie ist noch nicht vorbei – für das, was geht und was nicht«. Das deutschen Rundfunks (WDR) und das wissen die Kulturschaff enden wohl Jetzt Abo sagt Peter Mönkediek, Solotrompeter Vorsitzender der ARD am besten. Auch deshalb machen wir 25%sichern! in unserem Sinfonieorchester. In der in diesem Jahr weiter. Ein Beispiel: In Konsequenz heißt das: Statt der ge- legendären Clubs treten Newcomerin- planten zweiten Sinfonie von Gustav nen und Newcomer aus Pop und Rock Mahler, ein Werk für großen Chor und für das neue Dokuformat »Stay Live« das gesamte Orchester, gibt es jetzt Lie- ZDF auf. Die Konzerte werden den Beteilig- der von Alma Mahler, die eine erheb- ten kostenfrei zur weiteren Nutzung lich kleinere Besetzung fordern. Mehr THOMAS BELLUT überlassen. kleine Produktionen statt weniger gro- Wir können nicht im Ansatz erset- Abonnieren Sie jetzt »Politik & Kultur« für  Euro ßer, das ist der Weg, den das Orchester anz, Musik, Theater, Kino – Kul- zen, was an Kulturleben mindestens im Jahr inkl. Versand unter www.kulturrat-shop.de gerade geht. Immer mit dabei ist der tur lebt von Gemeinschaft, vom zeitweise verloren geht. Aber wir kön- Orchesterwart, der mit dem Zollstock T sozialen Erlebnis. Die Pandemie nen ein Angebot aufrechterhalten, das oder per Email an [email protected] und die Abstände misst. So herausfordernd hat das öff entliche Kulturleben fast es den Menschen ermöglicht, Kultur sparen Sie  % im Vergleich zu den Einzelheften. die Situation für die Musikerinnen und zum Erliegen gebracht. Und damit auch wenigstens mittelbar zu erleben. Musiker ist: Es ist ein Privileg, dass sie die Rolle von Medien als Vermittler überhaupt spielen können, im Gegen- und Bewahrer kultureller Leistung neu Thomas Bellut ist Intendant des ZDF Politik & Kultur | Nr. / | März  OSTWESTPERSPEKTIVEN 19

bis zum . Dezember  entschieden werden, ob Einrichtungen der Bezirke vom Ein kulturpolitischer Land übernommen oder in kommunale Trägerschaft übergeben werden sollten. Die Landesregierung war aber erst seit Ende November  im Amt. Da sei eine Kraftakt »sehr sportliche Entscheidungsfi ndung angesagt« gewesen. Trotz mancher Durst-  Jahre wiedervereinigte Orchesterlandschaft Deutschland strecken bei der Finanzierung, auch durch das Land, sei inzwischen eine stabile Basis, GERALD MERTENS haben Orchester und Theater die ersten beitsplatzes standen. Fast . Musiker- Bis heute zum Teil auch über den kommunalen Fi- Monate der neuen Saison umgeplant: stellen sind seit  verloren gegangen. besteht ein nanzausgleich erreicht worden. Die heute esellschaftliche Relevanz ist er- kleinere Werke und Besetzungen, größere  wurden insgesamt . Planstellen geltende Brandenburger Formel der Or- reicht, wenn man seine Arbeit nicht Abstände auf der Bühne, stark limitierte in den Orchestern gezählt, heute sind es strukturelles chester- und Theaterfi nanzierung von G rechtfertigen muss, weil sie als un- Besucherkapazitäten, verunsicherte Abon- noch .. Im Osten betrug der Abbau  Gefälle zwi- -- (% Land, % Kommunaler verzichtbarer Teil des Zusammenlebens nenten. Private Konzertveranstalter und Prozent, im Westen  Prozent der Orches- schen Ost und Finanzausgleich, % Sitzkommune) hat verstanden und gelebt wird«. Mit diesen -agenturen kämpfen um ihre Existenz. Der ter-Arbeitsplätze, unstreitig ein gravie- sich bewährt und zu einer echten Kon- Worten bringt Martin Eifl er im Interview Tourneebetrieb ist zusammengebrochen, render Kulturverlust. Ob die Klausel des West: Während solidierung der verbliebenen Standorte auf den Punkt, welche Daseinsberechti- international sowieso – die Budgetfolgen Einigungsvertrages, wonach die »kultu- in den west- geführt. Ein Vorbild auch für andere Bun- gung Kultureinrichtungen – namentlich sind kaum absehbar. Dieser krasse Szenen- relle Substanz im Beitrittsgebiet« keinen lichen Bun- desländer? Orchester und Theater –  Jahre nach wechsel innerhalb weniger Monate beein- Schaden nehmen dürfe, das Papier wert desländern Hans Joachim Meyer, von  bis  der Wiedervereinigung beanspruchen druckt. Aber darf er auch verunsichern? Er war, auf dem sie geschrieben wurde, kann Sächsischer Staatsminister für Wissen- könnten. Es ist gleichzeitig eine kluge darf, sollte es aber nicht. heute rein zahlenmäßig bezweifelt werden. zwölf Orchester schaft und Kunst, ist der bis heute bun- Aussage dazu, warum die seit dem ersten Aber wie sind die Veränderungen nach drei – meist auf der desweit einzigartige sächsische Sonderweg Corona-Lockdown sehr robust vorgetra- Jahrzehnten inhaltlich zu bewerten? eines Kulturraumgesetzes zuzuschreiben, Umbruchsituation Grundlage von gene Behauptung der »Systemrelevanz« Der Kölner Musikwissenschaftler Ar- Haustarifverträ- dessen Entstehung ohne die besondere von Kultur am Kern der Sache vorbeigeht. Auch  waren die Menschen verunsi- nold Jacobshagen hat sich bereits in den Situation nach der Wiedervereinigung Martin Eifl er kennt sich aus, schließlich chert; zugegeben, im Osten mehr als im er Jahren intensiv mit dem Struktur- gen – unterhalb unvorstellbar gewesen wäre. Kultur per ist er seit  Referatsleiter für Musik Westen. Was ist von der Euphorie über wandel in der Orchesterlandschaft befasst. der üblichen Gesetz zur Pfl ichtaufgabe der Kommunen und darstellende Künste bei der Beauf- die staatliche Einheit geblieben? Welche Versehen mit dieser Expertise kommt er tarifl ichen Flä- zu machen – eine politische Forderung, tragten der Bundeskanzlerin für Kultur Hoff nungen haben sich erfüllt, welche Er- nach  Jahren zu der Einschätzung und die auch in anderen Bundesländern ganz und Medien. Seine Erfahrung speist sich wartungen wurden enttäuscht? Helmut Bewertung, dass es in den östlichen Bun- chenvergütung aktuell immer häufi ger erhoben wird – und aus über  Jahren Berufstätigkeit in der Kohls Vision von »blühenden Landschaf- desländern zwar zahlenmäßig Einbußen bezahlt werden, gleichzeitig den Freistaat Sachsen dauer- Kulturverwaltung, auch aus der Endzeit ten« im Osten wich bekanntlich ziemlich an Orchestern und Musikerstellen gege- sind es im Osten haft zu verpfl ichten, die neu gegründeten des Kulturministeriums der DDR. bald einer großen Ernüchterung. Der Kul- ben hat. Andererseits fällt aber auf:  von , und das bei Kulturräume fi nanziell verlässlich zu un- Das Jubiläum  Jahre Deutsche Einheit turbereich, namentlich Theater, Orches- insgesamt  ostdeutschen Orchestern terstützen, gilt unverändert als Pionier- im Oktober  war und ist ein angemes- ter und Rundfunkklangkörper, wurde mit sind in Städten mit weniger als . proportional leistung. Bei allen Schwierigkeiten und sener Anlass, für einen Moment innezu- gravierenden Veränderungen konfrontiert. Einwohnern angesiedelt. Dies sei, so Ja- geringerer Be- Diskussionen zwischen Kommunen und halten. Innezuhalten und zu refl ektieren Aufl ösung alter, Bildung neuer Rundfunk- cobshagen, ein wesentlicher Unterschied völkerungszahl Land um die fi nanzielle Lastenverteilung wie, warum und wohin sich die deutsche strukturen in Berlin und Leipzig, aber auch zu den westdeutschen Ländern, in denen der Finanzierung von Orchestern und Theatern, aber auch anderer Kulturein- richtungen haben sich inzwischen stabile Entscheidungs- und Förderstrukturen ent- wickelt und bewährt. Zeitweise sachfremde Eingriff e des Freistaates und ausbleibende Dynamisierungen der Landesmittel ge- hören hoff entlich der Vergangenheit an.

Strukturelle Schiefl age dauert an Befragt man Musikerinnen und Musiker, die bereits vor  in einem Orchester in den östlichen Bundesländern gespielt haben, heute nach ihren Einschätzungen, wird einerseits die befreiende Aufbruch- stimmung der Nachwendezeit hervorgeho- ben, andererseits aber auch auf die Sorge um immer wieder drohende Einschnitte durch Stellenkürzungen oder Fusionspläne mit benachbarten Orchestern hingewiesen. Und bis heute besteht ein strukturelles Gefälle zwischen Ost und West: Während in den westlichen Bundesländern zwölf Orchester – meist auf der Grundlage von Haustarifverträgen – unterhalb der übli- chen tarifl ichen Flächenvergütung bezahlt werden, sind es im Osten , und das bei proportional geringerer Bevölkerungszahl. Der öff entliche Dienst hat inzwischen die vollständige Lohnangleichung zwischen Ost und West abgeschlossen. Für einige Orchester und ihre öff entlichen Rechts- träger besteht hier also noch dringender Handlungsbedarf.

Fazit FOTO: RONNY RISTOK RONNY FOTO: Akademistinnen und Akademisten der Dualen Orchesterakademie Thüringen Trotz aller Brüche und Widersprüche in  Jahren Vereinigungsgeschichte bleibt Orchester- und Musiklandschaft in drei Veränderungen im Westen, z. B. mit Fusion Orchester ganz überwiegend eher in Groß- festzuhalten, welches Geschenk, aber auch Jahrzehnten entwickelt hat; und darüber von SWF und SDR zum SWR, Veränderun- städten zu fi nden seien. In diesem Sinne welche Herausforderungen die Wiederver- nachzudenken, was die nahe Zukunft an gen der Landes- und Kommunalstrukturen sei also durchaus die kulturelle Substanz einigung der Orchester und Theater zu neuen Herausforderungen bringt. Gerade sowie der Besucher- und Abonnentensitu- im Osten und dort vor allem in Mittelstäd- einer gesamtdeutschen Landschaft mit die Zukunftsprognose hat eine begrenzte ation im Osten. ten erhalten geblieben. sich gebracht hat. Gerade die aktuellen Halbwertzeit. Wie begrenzt sie sein kann, Beschränkungen unseres Alltags durch die lehrt uns gegenwärtig die seit zwölf Mona- Corona-Pandemie zeigen, dass einer Ge- Durchgreifender Strukturwandel Politischer Handlungsdruck ten andauernde Corona-Pandemie. sellschaft ohne ein aktives und vielfältiges Im Januar  war die (Kultur-)Welt In Zahlen wird der Strukturwandel beson- Blickt man auf die Zeit der Entstehung des Kulturleben etwas Essenzielles fehlt. Und noch halbwegs intakt: die kommende ders deutlich: Von  Orchestern bei der Einigungsvertrages im Jahr  zurück dass es sich lohnt, für den Erhalt und die Konzertsaison fertig geplant, sommerliche ersten gesamtdeutschen Erfassung  und konsultiert man politische Protago- Weiterentwicklung dieser Vielfalt immer Open-Air-Konzerte mit mehreren Zehn- existieren heute noch .  Orchester nisten von damals, so wird deutlich, was wieder aufs Neue einzutreten. tausend Besuchern in München, Nürn- sind durch Fusionen oder Abwicklungen für ein gewaltiger Kraftakt in kürzester berg, Leipzig oder Berlin in Vorbereitung, endgültig von der Landkarte verschwun- Zeit zu leisten war. Hinrich Enderlein, von Gerald Mertens ist Geschäftsführer der Orchester national und international auf den, ganz überwiegend im Osten, verein-  bis  erster Minister für Wissen- Deutschen Orchestervereinigung. Reisen, vielerorts gestiegene Besucher- zelt im Westen. Heutige Doppelnamen schaft, Forschung und Kultur des Landes In der Edition der Zeitschrift »das und Abonnentenzahlen, ausgeglichene von Orchester- und Theaterstandorten Brandenburg, berichtet rückblickend von Orchester« hat er im Oktober  das Budgets. Im Herbst  ein völlig anderes wie Gera-Altenburg oder Gotha-Eisenach einem immensen Handlungsdruck. Da das Buch »Orchesterland Deutschland – Wie Bild. Nach Monaten mit geschlossenen zeugen von Fusionsgeschichten, hinter Land Brandenburg beschlossen hatte, die die deutsche Einheit die Orchesterland- Opern- und Konzerthäusern, mit abgesag- denen auch immer menschliche Schick- mittlere Verwaltungsebene der ehemali- schaft verändert hat« (Schott Music ten oder stark abgespeckten Musikfestivals sale und Ängste um den Verlust des Ar- gen DDR-Bezirke abzuschaff en, musste Mainz) herausgegeben 20 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

Zurückgewinnung von Zuschauern Hans Jessen im Gespräch mit Berndt Schmidt

Expertinnen und Wissenschaft- Sie haben sich zusammen- mehr erlaubt haben. Abstände mit Antigen-Schnelltests kom- Wie sind die Reaktionen aus deswegen glaube ich, die Fi- ler verschiedener Fachrichtun- geschlossen mit Dachver- von drei bis sechs Metern zwi- biniert, könnte man dort bis der Politik auf Ihre Initia- xierung auf die Inzidenz wird gen haben ein gemeinsames bänden des Sports und der schen den einzelnen Tänzern hin zur Vollauslastung Publi- tive? Bislang fährt die Poli- nicht mehr lange zu halten modulares Konzept mit Blick Gastronomie und ein Dis- wurden diskutiert. Auf diese kum zulassen. tik, wie schon angesprochen, sein, ich vermute, wir werden auf eine kontrollierte Rückkehr kussionspapier vorgelegt: Weise kann ich vielleicht ein mehrheitlich einen eher spätestens im Frühjahr an- von Zuschauern und Gästen zu »Rückkehr von Zuschauern Cardio-Training machen, aber Die Schließungen der Kul- rigiden Kurs der Mobilitäts- dere Entscheidungsmatrixen Veranstaltungen entwickelt. Das und Gästen – Ein integrier- überhaupt nicht choreogra- tureinrichtungen wie auch reduzierung und hält die haben, die nicht allein auf Diskussionspapier »Schrittweise ter Ansatz für Kultur und fi sch arbeiten, in einen Rie- der Gastronomie wurden Kultureinrichtungen ge- Inzidenzen beruhen. Wenn Rückkehr von Zuschauern und Sport«. Wie kam dieses senballettsaal kriegen Sie viel- allerdings damit begründet, schlossen. wir sagen: Unter , würde das Gästen - Ein integrierter Ansatz ungewöhnliche Bündnis leicht acht Leute. Wir wunder- dass das Infektionsrisiko in Der Berliner Kultursenator doch bedeuten, dass Theater für Kultur und Sport« wird von zustande? ten uns, dass es da überhaupt körperlicher Nähe bei An- Klaus Lederer gehört eher zur in diesem Jahr gar nicht mehr mehr als  führenden Einrich- Aus Perspektive der Bühnen nicht weiterging und haben und Abfahrt bestehe. Das vorsichtigen Seite, aber den- aufmachen. tungen und Organisationen aus betrachtet: Berufssportler – uns entschlossen, die Sache bekommen Sie mit Ihrem noch möchte er natürlich Kul- den Bereichen Kultur und Sport das sind nicht nur Fußballer, selbst in die Hand zu nehmen. Konzept doch aber nicht in tur im verantwortungsvollen Wie sieht die Perspektive für unterstützt. Darunter auch der sondern auch Basketballer, Sechs Institutionen haben sich den Griff ? Rahmen ermöglichen. Seine Ihr Haus, den Friedrichstadt- Friedrichstadt-Palast Berlin. Der Wintersportler, Ringer und zusammengeschlossen: Staats- Stimmt, die Politik setzt im Kulturverwaltung war betei- Palast, aus, wenn – aus wel- Intendant Berndt Schmidt gibt viele andere – durften schon ballett Berlin, Volksbühne, Moment auf Mobilitätsein- ligt an der Entwicklung des chen Gründen auch immer – im Gespräch mit Hans Jessen kurz nach Ende des ersten Sascha Waltz & Guests, Hebbel schränkung. Die Leute sollen »Berliner Modell Tanz« und Ihr Modell der stufenweisen Auskunft. Lockdown wieder unter Nor- am Ufer, Friedrichstadt-Palast, zu Hause bleiben, man möchte steht dazu. Klaus Lederer, der Öff nung doch nicht realisiert malbedingungen trainieren, Maxim Gorki Theater. Wir sind ihnen gar keine Anreize geben, zurzeit ja auch Vorsitzender werden kann? Hans Jessen: Herr Schmidt, wenn PCR-Corona-Screenings zu Professor Wohlfarth an der das Haus zu verlassen. Aber der Kultur-Ministerkonferenz Ich denke, dass es gemacht der Friedrichstadt-Palast ist installiert waren. Charité, dem Arzt der Olym- ich denke, allen ist klar, dass ist, steht nach meinem Ein- werden muss. Ich habe den eine Bühne des Landes Ber- Wir haben gesagt: Unsere Tän- piamannschaft. Er hat uns Dr. solche Konzepte nicht ewig druck auch hinter unserem Eindruck, dass in der Mehrzahl lin. Bedeutet das fi nanzielle zerinnen und Tänzer sind auch Kainzinger empfohlen, der für durchzuhalten sind. Man kann Öff nungskonzept. Er scheint der Bühneneinrichtungen die Sicherheit in der Krise? Tra- Berufssportler. den Leistungssport, die großen das nicht noch drei oder vier im Moment abwartend, weil Leute es nicht hinnehmen ditionell erwirtschaften Sie Profi tanz ist Profi sport. Wenn Profi ligen, Gesundheitskon- Monate durchziehen, die Leute er auch nicht weiß, wie die würden, wenn sie dann deut-  Prozent des Etats durch Tänzerinnen und Tänzer oft zepte entwickelt hatte. Mit ihm würden irgendwann doch auf Gefährlichkeit der Mutatio- lich über ein Jahr geschlossen eigene Einnahmen. Die mit  oder  ihre aktive Kar- haben wir vier Monate lang die Barrikaden gehen. nen sich entwickelt. Aber er wären. Sie würden irgendwann fehlen jetzt – insgesamt  riere beenden, weil es nicht Transfermöglichkeiten für den Man muss jetzt Angebote ma- unterstützt das Konzept, weil revoltieren. Ich kenne Thea- Millionen aus den letzten  mehr geht, dann haben sie ihre Tanz erarbeitet. Das »Berliner chen – unser Vorschlag sieht er weiß, dass wir in der Kultur terleiter, die berichten, dass in Monaten. Wurde das durch Körper geschunden wie Leis- Modell Tanz«, mit dem arbei- übrigens nicht vor, abrupt da- wieder etwas machen müssen ihren Ensembles langsam die Geld aus öff entlichen Kassen tungssportler. Wir wollen, dass ten wir jetzt im Probenbetrieb mit anzufangen. Allen ist klar, –immer unter der Vorausset- Stimmung kippt. Dort fi nden kompensiert – oder mussten für sie die gleichen Bedingun- auf der Bühne. dass solche Öff nungsschritte zung, dass die Entwicklung der auch Polarisierungen statt: Sie Kosten reduzieren z. B. gen gelten. Deswegen haben nicht vor April möglich sein Pandemie diese Spielräume zwischen denen, die vorsich- durch Entlassungen? wir die seit einem Jahr im Be- Ihre jetzige Initiative heißt: werden. Im April wissen wir auch hergibt. In Berlin sind wir tig sein wollen, weil sie auch Berndt Schmidt: Die  Mil- rufssport erprobten Konzepte »Zurückgewinnung von Zu- auch mehr über die Mutanten insofern auf der sicheren Sei- Angst um die Gesundheit ha- lionen fehlen uns, allerdings: auf den Tanz übertragen. schauern«. Ist das, nach dem des Virus, wir können dann te, als wir Theaterleiterinnen ben, und anderen, die sagen: Wir sind schon kurz nach Zweiter Verbindungspunkt: Konzept für die Tänzer und auch vergleichen mit Öster- und -leiter im Gespräch mit »Lasst uns die Bühne kapern, Einstellung des Spielbetriebs, Indoor-Sportveranstaltungen Tänzerinnen, nun der Hygie- reich, wo ja bei einer höheren dem Kultursenator gemeinsam wir machen jetzt einfach wie- Ende März , in Kurzarbeit etwa im Handball oder Basket- neplan fürs Publikum? Inzidenz gelockert werden soll. erklärt haben, dass wir vor Os- der auf. Wir haben ein Recht gegangen – dann übernimmt ball weisen Parallelen auf zu Richtig. Für alle, die auf der Unsere Initiative wirbt auch tern sowieso nicht an den Start zu spielen.« die Bundesagentur für Arbeit kulturellen Indoor-Veranstal- Bühne arbeiten, machen wir dafür, mehr zu betrachten als gehen. Faktisch bedeutet das Die Politik muss nach meinem die Gehälter. Wir hatten deut- tungen wie etwa Theater oder regelmäßige PCR-Tests in en- nur die Inzidenz. Man könnte wohl bis nach den Osterferien, Eindruck jetzt etwas machen. bis dahin sind es von heute aus Wenn sie sagen würde: »Wir rund zwei Monate. bleiben jetzt zu bis August«, also praktisch die Spielzeit Sie verfolgen auch die Dis- aufgeben – ich glaube, die kussion zwischen Wissen- Leute würden das nicht akzep- schaft und Politik über den tieren. Wir sprechen ja nicht Umgang mit der Pandemie. von Vollauslastung, aber man Eine Gruppe von Fachwis- muss Angebote machen. senschaftlern wirbt für die Es darf nicht daran scheitern, »NoCovid-Strategie«. Sie ein paar Hundert Leute in besagt, dass zunächst durch große Säle hereinzulassen. eine längere Restriktions- Oder wenn jetzt Museen off en phase die Inzidenz unter  wären: Selbst wenn in eine gebracht werden müsse, ehe große Ausstellungshalle nur Lockerungen möglich wären  Leute dürften – dann ist – ansonsten drohe ein ewiges das eben so. Aber ich hätte Lockdown-Jo-Jo zwischen doch das Gefühl: Ich tue et- Öff nungen und Schließun- was für meinen Intellekt, für gen. Wie nehmen Sie diese meinen Geist. Konkret für uns Diskussion wahr? als Friedrichstadt-Palast: Wir Wenn das eine Strategie ge- denken, dass das erste halbe wesen wäre ab März/April Jahr sehr wackelig würde und , hätte ich gesagt: Das ist haben uns entschlossen, erst extrem klug. Im vierten Monat im August mit einer neuen eines zweiten Lockdowns im Produktion wieder zu öff nen, Februar  mit solchen Kon- die wir aber ab April bis Juli zepten zu kommen, ist wirk- produzieren wollen. lichkeitsfremd. Wir wären ab dann im Deutschland hat neun Nach- Probenbetrieb unter den oben barstaaten mit sehr unter- skizzierten sicheren Bedin- schiedlichen Corona-Kon- gungen und würden im August

FOTO: NADY ELTOUNSY NADY FOTO: zepten. Die Grenzen sind und anfangen zu spielen. Insofern Tänzerinnen und Tänzer sind auch Berufssportler – Berndt Schmidt, Intendant des Friedrichstadtpalastes, fordert Gleichbehandlung und bleiben durchlässig. Es gibt sind wir raus aus der Proble- unterstützt gemeinsames Vorgehen in Sport und Kultur Berufspendler und Warenver- matik: sofort aufmachen. kehr. Inzidenzen unter  sind Aber ich als Staatsbürger und liche Einspareff ekte, die man Oper. Also versuchen wir auch ger Taktung. Das kann ich mit auch einen komplexeren Modus Labor-Überlegungen. Ich kann Kulturschaff ender sage: Es zu den fehlenden Millionen in da, ähnliche Regelungen zu Gästen natürlich nicht machen. machen, in dem neben der Inzi- dem Gedanken eigentlich viel muss ein kulturelles Angebot Relation setzen muss. Bisher fi nden. Besucher sind Besucher, Das Diskussionspapier ist ein denz auch die Impfquoten und abgewinnen. Ich kenne auch geben. Nullkommanull geht sind wir ohne Entlassungen da muss es Regeln geben für schrittweises Konzept. Die Ba- die Auslastung des Gesund- die Interviews der Virologin nicht.  Prozent geht auch durchgekommen, allerdings An- und Abreise. sisstufe gilt für nicht so große, heitssystems und die Todesfall- Professor Brinkmann dazu. nicht. Vielleicht geht  Pro- besetzen wir derzeit frei wer- nicht besonders gut belüftete quoten erfasst werden. Kluge Überlegungen – vor zent im Moment auch noch dende Stellen nicht neu. Von wem ging die Initiative Räume, mit Auslastungen von Wenn diese Indikatoren in ge- einem Jahr wäre es machbar nicht mal. Aber irgendetwas Staatliche Bühnen stehen für diese Kooperation aus?  bis  Prozent bei durchge- fährliche Richtungen weisen, gewesen. Im letzten Sommer muss gehen. durch ihre Gesellschafter Wer ist auf wen zugegangen? hender Maskenpfl icht. ist klar, dass man die Öff nungs- waren wir fast an dem Punkt, fi nanziell anders und besser Wir haben festgestellt, dass Die nächste Stufe betriff t schritte wieder zurücknehmen im Osten war Deutschland Vielen Dank. da als freie und private sich in der Tanzwelt kaum große Räume mit leistungs- muss. Unser Konzept lautet annähernd coronafrei, man Bühnen. Für die gibt es zwar etwas bewegte. Es gab eine Art fähigen Lüftungsanlagen, die nicht: Wir machen jetzt auf und hätte die Möglichkeit nutzen Berndt Schmidt ist Intendant auch Fördertöpfe, aber man Schockstarre nach der ersten Frischluft zuführen. Solche nie wieder zu, sondern: Wenn können, um durch geeignete des Friedrichstadt-Palastes muss schon sagen, dass die Welle. Dann kamen unglaub- Räume können mit  bis  es Spielräume gibt, spielen wir, Maßnahmen eine zweite Welle Berlin. Hans Jessen ist freier staatliche Trägerschaft ein lich kulturfeindliche Vorschlä- Prozent ausgelastet werden. wenn die Spielräume eng wer- zu verhindern. Jetzt haben wir Journalist und ehemaliger ARD- Vorteil ist. ge, die unsere Kunst gar nicht Wenn man das in der . Stufe den, dann geht’s nicht mehr. in jedem kleinen Ort Corona, Hauptstadtkorrespondent Politik & Kultur | Nr. / | März  KULTURELLES LEBEN 21

Inneres Feuer für Kultur und Gerechtigkeit Ein Porträt des Juristen und über Hamburg – mit dem Studium der menzugehen, reagierte der Berliner Ju- sche Geschichte. Wir saßen in Schöne-  in Berlin das MoMA, also die Neue Kunstmäzens Peter Raue Rechts-, Theaterwissenschaft und Philo- rist und gründete mit seinen engsten berg in einer wunderbaren, versiff ten Nationalgalerie – die Ikone moderner sophie an der Freien Universität Berlin. Partnern den heutigen »Raue-Laden«, Kneipe und unterhielten uns über die Museumsarchitektur – und nun kehrt »Ich hatte ein Elternhaus, in das nicht wie er salopp sagt. »Das Geheimnis ist, temporäre Schließung des MoMa we- das MoMA, das sich im Wesentlichen ANDREAS KOLB zurückzukehren ich allen Grund und dass wir das Büro nur in Berlin haben, gen Renovierungsarbeiten und darüber, aus der europäischen ›entarteten‹ Kunst Anlass hatte. Ich wollte aus München aber du kannst natürlich heute auf der dass eigentlich Berlin der richtige Ort speist, nach Deutschland zurück, zeigt ein größter Coup? Im Jahr  raus, mir war München viel zu reakti- ganzen Welt Prozesse führen, was wir für eine MoMA-Ausstellung sei. Das Ge- die Arbeiten, die in Deutschland und holte er die Gemäldesammlung onär. Dann kam der Bau der Mauer in auch tun.« spräch gehört zu den schönsten meines Europa zum Zeitpunkt ihrer Entstehung des New Yorker MoMA für acht Berlin. Da musste ich hin! Die Uni war Von  bis  war Raue Vorsit- Lebens: weil es wirklich ein wunderba- nicht gezeigt werden konnten. Lowry S Monate in die Neue National- halb leer, weil die Leute aus der »Zone« zender des Vereins der Freunde der Na- res Spinnen von Ideen war. Wir spra- sagte zu mir, das würde ich ganz gerne galerie in Berlin. Als Rechtsanwalt ver- nicht mehr in den Westen kamen.« tionalgalerie und durch einen Zufall und chen darüber, dass Alfred Barr jr.  mit euch machen, aber das kannst du trat er unter anderem Heiner Müller im Vor wenigen Wochen hat sich zum natürlich durch seine zupackende, die nach Deutschland kommt, es förmlich nicht bezahlen. Da sagte ich, lass das Streit mit den Brecht-Erben. Er war an fünfzigsten Mal die Zulassung Peter Gelegenheit ergreifende Art kam Raue riecht, dass die Nazis und das ganze bitte mal meine Sorge sein. Heute kann der Umwandlung der Berliner Philhar- Raues zur Anwaltschaft gejährt. In der  zu dem Spitznamen »Mr. MoMA«. rechte Gesocks die moderne Kunst ver- man es ja sagen: Wir haben damals fünf moniker in eine Stiftung beteiligt.  Kanzlei Raue am Potsdamer Platz arbei- »Ich habe auch hier einen Schutzengel bieten werden, was Barr veranlasst, nach Millionen als Fee gezahlt. Ich rief ihn vertrat er den Bild-Chefredakteur Kai ten heute  Anwälte. Wie entwickelt gehabt. Glenn Lowry war der damalige New York zu gehen und dort das MoMA drei Tage später an und sagte, ich habe Diekmann im sogenannten »Penis- sich so etwas? Auch darauf bleibt er eine Chef des MoMA und ich hatte mit ihm zu gründen. Mies van der Rohe wollte eine traurige Nachricht für dich: ›Wir Prozess« gegen die Tageszeitung taz. Raue-typische Antwort nicht schuldig: einen Termin wegen einer Restitutions- das MoMA-Gebäude bauen, den Auftrag wollen es unbedingt machen‹. Da sag-  erstritt er das in der Club- und »Erstens habe ich immer gesagt, ich sache, also eine ganz normale juristi- hat er nicht bekommen. Er baut dann te er: ›Ich bin auch völlig erschüttert, elektronischen Musikszene vielbeach- weiß nicht, ob ich an Gott glaube, aber mein Board hat sofort zugestimmt.‹ Das tete »Berghain Urteil«, das den Berliner ich glaube an meinen Schutzengel. Und: Tolle war, dann haben wir eine Ausstel- Techno-Club Berghain der Hochkultur Ich habe ein paar richtige Entscheidun- lung gemeinsam gemacht, die uns  zuschreibt. Die Aufzählung könnte wei- gen getroff en. Ich war zunächst bei einer Millionen gekostet hat, sogar etwas tergehen, aber Sie, liebe Leser, wissen damals größeren Sozietät in Berlin und mehr, ohne einen schriftlichen Vertrag, bereits seit den ersten Worten, dieses habe nach reifl icher Überlegung  ohne alles. Am Ende machten wir sechs Porträt kann nur von Peter Raue han- entschieden, dort raus zu gehen und Millionen Überschuss: Geld, mit dem deln, dem Berliner Anwalt für Kunst- meinen eigenen Laden aufzumachen: wir eine Stiftung gegründet haben, die recht, Presserecht und Urheberrecht. Meinekestraße , Briefkopf Peter Raue, zeitgenössische Kunst für die National- Uns PuK-Lesern war Peter Raue selbst- sonst gar nichts. Das war der Start. Ich galerie kauft.« verständlich als langjähriger Vorsitzen- bemühte mich aber doch sehr schnell, Nach all den Rückblicken: Ein Mann der des Fachausschusses Steuern im in den Bereich vorzudringen, den ich wie Peter Raue lebt auch mit  Jahren Deutschen Kulturrat bekannt. Am . Fe- jetzt seit Jahrzehnten geliebt und mit nicht in der Vergangenheit, sondern bruar  ist Peter Raue  geworden, dem ich gelebt habe: Kunst-, Urheber-, aktiv in der kulturpolitischen Gegen- die Gratulation durch die Redaktion zog Verlagsrecht zu betreiben aufgrund mei- wart. Die Debatte um die EU-Urheber- dieses Porträt geradezu nach sich. ner Nähe zur Kunst und auch meiner rechtsrichtlinie und deren Umsetzung Peter Raue wuchs in München auf Nähe zu vielen Künstlern. Mein erstes in deutsches Recht verfolgt er auf- und machte dort sein Abitur. Von Kind Mandat war Robert Wilson, damals in merksam. Schließlich gehört das Ur- an wollte er auf die Bühne und als er der Auseinandersetzung mit der Schau- heberrecht seit Jahrzehnten zu seinen sich als Erwachsener schweren Her- bühne. So etwas prägt und hilft. Dann Kernthemen: »Das ist ein ganz sensibles zens von diesem Wunsch verabschie- hat das Schillertheater geschlossen, da und schwieriges Kapitel. Ich bin natür- det hatte, blieb das Theater lebenslang habe ich alle Schauspieler des Schiller- lich gar nicht zufrieden mit dem, was sein »inneres Feuer«, wie er heute sagt. theaters vertreten, mit dem Ziel, dass sich da zusammenbraut, aber immer- Doch auch eine zweite Leidenschaft sie bis zum Ende bezahlt werden. Das hin, es hätte noch schlimmer kommen war stets in Raues Leben, die Juriste- haben wir auch alles gewonnen, sodass können.« Was versöhnlich klingt, bleibt rei: »Ic h habe mich sehr für die The- der Senat besser noch zwei Spielzeiten in der Haltung hart: »Alle die, die für orie des Strafrechts interessiert. Kenn gespielt hätte, als das Geld so rauszu- die freie Nutzung des Internets sind, wir die Schuld eines Täters wirklich schmeißen.« Die Sozietät wuchs, es gab kapieren überhaupt nicht, dass die ge- messen? Wenn jemand ein grausames mehrere Assoziationen mit anderen samte Kunstwelt davon lebt, dass der Verbrechen begeht, das ich nie begehen Büros, zuletzt mit Hogan & Hartson, Künstler für seine Leistungen auch könnte, warum bin ich dann eigentlich einem großen amerikanischen Büro, bezahlt wird.« besser, nur weil ich es gar nicht könnte? das weltweit tätig ist. Als die Ameri-

Was ist die Fleur du Mal, die Blume, die kaner entschieden, zu wachsen und mit STANG FELIX PR FOTO: Andreas Kolb ist Redakteur von Politik das Böse im Menschen blühen lässt? einer großen englischen Firma zusam- Der Jurist und Kunstmäzen Peter Raue & Kultur Charles Baudelaire sagt in den Fleurs de Mal: ›Wenn Gift und Dolch/Gewalt an Frauen/In ihres Schicksals jämmerli- chen Riss/Ihr spaßig Bild noch nicht in unser Herz geschnitzt/Gewiss nur/weil die Seelen, leider! Sich nicht trauen‹. Rückkehr zu einer moralisierenden Und kann man eigentlich von einem freien Willen sprechen? Was heißt ei- gentlich angesichts eines Verbrechens Gesellschaft? freiwillig und unfreiwillig? Ein bedeu- tender Strafrichter hat einmal gesagt: Das Fundament für eine Koexistenz unterschiedlicher Milieus bröckelt ›Ob der Mensch einen freien Willen hat, das wissen wir nicht, aber wir müssen es SUSANNE KEUCHEL allem unter Berücksichtigung un- ralisierung und Technokratisierung natürlich auch Gruppen argumentie- fi ngieren, um die Würde des Menschen terschiedlicher Fachdisziplinen, wie in der politischen Argumentation. ren, die sich gegen Rassismus oder zu wahren.‹ Denn wenn man sagt, du Mit der sogenannten er Bewe- dies jüngst auch die Pandemie zeigt, Beispielsweise werden im Umgang Klimaerwärmung einsetzen. In einer kannst nichts dafür, dann kann man gung begann ein Prozess der Libe- wo Virologen, Ärzte, Familien- oder mit der Corona-Pandemie auf der ei- Demokratie müssen unterschiedliche niemanden ins Gefängnis sperren, nie- ralisierung und Technokratisierung. Wirtschaftsexperten zu unterschied- nen Seite Statistiken zur Verbreitung Positionen verhandelbar sein und manden bestrafen.« Gesellschaftliche Normen und Werte lichen Schlussfolgerungen kommen. des Virus, hier vor allem der soge- Entscheidungen letztlich von den Weil sein leiblicher Vater, Wolf- wurden hinterfragt. Dies führte wie- Als Moral wird die Gesamtheit ver- nannte Inzidenzwert als Richtwert gewählten Repräsentanten getroff en gang Vrieslander, in der Diktion der derum zu einer Fragmentierung und bindlicher ethisch-sittlicher Normen, für notwendige, nicht verhandelbare werden, unter Einhaltung des Grund- Nationalsozialisten ein Halbjude war, Individualisierung der Gesellschaft, Grundsätze und Werte verstanden, Handlungsstrategien herangezogen. gesetzes, das eben die Akzeptanz wurde seinen Eltern im Jahr  die zu einer Pluralität an Lebensstilen die das zwischenmenschliche Verhal- Zugleich wird diese Argumentation einer politischen Opposition, Mei- Eheschließung untersagt. Erst im Alter und Milieus mit eigenen Wertekon- ten einer Gesellschaft oder auch von mit einer moralisierenden Argumen- nungs-, Religions- und Kunstfreiheit von  Jahren erfuhr Raue von der Iden- stellationen. Mit der zeitgleich wach- Milieus regulieren. Als »moralisie- als demokratische Werte schützt. In tität seines Vaters. In den Tagebüchern senden technokratischen Grund- rend« handelt der Einzelne oder eine einer demokratischen Debatte kann des jungen Raue fi nden sich Einträge haltung in der Gesellschaft, stärker Gruppe, wenn diese oder der Einzel- mit Werten, Moral und auch mit wie »Ich habe den Eindruck, ich bin jü- wissenschaftliche Erkenntnisse als ne den Anspruch verfolgt, dass die wissenschaftlichen Erkenntnissen disch, aber ich weiß nicht, woher ich das Werte für politische Entscheidungen eigenen Werte und Positionen nicht argumentiert werden. Daraus einen weiß.« Als zentrale Erlebnisse nennt heranzuziehen, entstand zugleich nur für sich selbst als richtig erachtet Absolutheitsanspruch abzuleiten, ist Peter Raue die Lektüre des Tagebuchs ein gewisses Fundament für eine Ko- werden, sondern für alle als richtig jedoch eine gefährliche Gratwande- der Anne Frank im Alter von ,  Jah- existenz unterschiedlicher Milieus. gelten sollen, beispielsweise wenn rung. Denn moralisieren, seinen Mit- ren oder den Film »Nacht und Nebel« Diese technokratische Grundhal- der- oder diejenige, die oder der aus tation verbunden: der Solidarität, menschen Werte oder Prinzipien auf- von Alain Resnais mit . Allmählich tung wird aktuell auch kritisch Überzeugung ein Kopftuch trägt, die dem »Leben retten«, dem »herzlich zuerlegen und damit das Aushandeln habe er kapiert, dass »unsere Lehrer, betrachtet. Denn der Nimbus ei- eigene Sprache gendert oder sich und vernünftig handeln«, so jüngst ihrer Positionen einzuschränken, ist unsere Professoren alle Nazis waren. ner wissenschaftlich-technischen vegan ernährt, von anderen fordert, die Bundeskanzlerin. Das heißt im letztlich eine Form von Gewalt in ei- Es war schon immer ein Lebensthema Argumentation, die zu konkreten dies auch zu tun. Moralisiert wird Umkehrschluss, wer bestehende ner Demokratie. Vielleicht muss eine von mir, das natürlich noch mal einen Handlungsnotwendigkeiten führt aktuell bei vielen gesellschaftlichen Maßnahmen in Frage stellt, handelt Gesellschaft, die lange Zeit sehr libe- Schub bekommen hat durch das Auf- und sozusagen alternativlos ist, lässt Themen wie Gender, Diversität oder unherzlich, unvernünftig und ge- ral und technokratisch argumentiert decken meiner Identität. Und ich habe politisch-demokratische Willens- dem Umgang mit der Corona-Pande- fährdet Leben. hat, erst wieder lernen moralische meinen echten Vater dann noch fast  bildung außer Acht. Zugleich lassen mie. Moralisierung spielt auch eine Jetzt kann argumentiert werden, dass Debatten zu führen. Jahre erleben dürfen!« sich aus wissenschaftlichen Erkennt- Rolle bei dem aktuellen Phänomen der Zweck die Mittel heiligt und es  verließ Raue München und nissen durchaus unterschiedliche des »Cancel culture«. Beunruhigend hier wirklich keine alternative Hand- Susanne Keuchel ist Präsidentin des begann – nach einem kurzen Umweg Handlungsstrategien ableiten, vor sind dabei neue Allianzen von Mo- lungsstrategie gibt. Aber so können Deutschen Kulturrates 22 KULTURELLES LEBEN www.politikundkultur.net

ZUR PERSON ... Miteinander »Schweigepflicht« Komponist Hans Zimmer erhält Frankfurter Goetheplakette Jüdisch-muslimischer der anhand konkreter Fragestellungen, Auf der Suche nach der Wahrheit Der Filmkomponist, Musikproduzent Dialog in der Praxis praktischer Tipps und Querverweisen und Oscarpreisträger Hans Zimmer auf passende Artikel im Buch an die enn man über etwas wird von der Stadt Frankfurt mit der Planung eines eigenen jüdisch-mus- nicht spricht, braucht Goetheplakette geehrt. Der -Jährige üdisch-muslimische Dialog- limischen Dialogformates heranführt. es vielleicht einfach wurde in Frankfurt am Main geboren formate sind nichts Neues und Wichtig ist vor allem die Einigkeit W noch ein wenig Zeit – und lebte zwölf Jahre in der Stadt. J dennoch ist der Bedarf aktuell darüber, dass es Diff erenzen geben oder ist es dann so, als wäre es nie Seine Werke zu Dutzenden Filmen besonders groß, die Bereitschaft für wird. Doch diese können und sollten passiert? Diese Frage stellt sich auch erreichen die ganze Welt, darunter den gemeinsamen Dialog hoch. »Und auch als Basis dienen: Worin ist man Ada in dem gleichnamigen Buch beispielsweise die Filmmusik zu endlich konnten wir reden …«, ist die sich hingegen auch einig? Und wel- des Schauspielers Christian Berkel. Hollywood-Berühmtheiten wie »Rain Aussage eines Teilnehmenden einer che Themen möchte man gemeinsam Ihre Geschichte auf der Suche nach Man«, »König der Löwen« und »Fluch Veranstaltung im Rahmen der lang- diskutieren und angehen? Denn beim der Wahrheit nimmt einen mit ins der Karibik«. Die  vom Magistrat jährigen Zusammenarbeit zwischen Dialog soll es nicht bleiben. Gemein- Deutschland der Nachkriegsjahre. der Stadt Frankfurt neu begründete dem jüdischen Ernst Ludwig Ehrlich sam aktiv werden ist das Ziel. Kurz vor Ende des Zweiten Welt- Goetheplakette wird an Persönlich- Studienwerk und dem muslimischen Kristin Braband krieges in Leipzig geboren, fl ieht ihre keiten des kulturellen Lebens verge- Avicenna-Studienwerk, und Titel der jüdische Mutter mit ihr nach Buenos ben. Sobald die Corona-Pandemie es Handreichung zu jüdisch-muslimi- Rachel de Boor et al. (Hg.). »Und endlich Aires, wo sie beide zum Christentum zulasse, wird Hans Zimmer die Pla- schen Dialogformaten in der Praxis. konnten wir reden …«. Eine Handrei- konvertierten. Mitte der er-Jahre kette erhalten. Die Geschehnisse der letzten Jahre, chung zu jüdisch-muslimischem Dialog kommen sie zurück nach Deutschland. der europaweite Rechtsruck sowie der in der Praxis. Freiburg im Breisgau  Doch dort scheint für die neunjährige Kathrin Mädler wird neue Inten- wachsende Druck auf beide Gruppen Ada irgendwie alles anders als in Ar- dantin des Theaters Oberhaus zeigen den dringenden Bedarf zum gentinien: »Die Schultern hochgezo- In einem mehrstufi gen Auswahl- Austausch. Dieser darf sich dabei nicht gen, die Köpfe geduckt, schienen alle verfahren wurde Kathrin Mädler als in vordefi nierte Muster begeben, son- Menschen etwas zu verbergen.« Doch Ada stellt Fragen und je älter Intendantin des Theaters Oberhausen dern sollte mutig neue Themen er- In Berlin fi ndet die Mutter den ehe- sie wird, desto mehr puzzelt sie sich gewählt. Die neue Intendanz wurde kunden: Mit- statt übereinander ist maligen Geliebten wieder, woraufhin ein Bild von der Gesellschaft, in der unter Beteiligung einer Findungs- das Motto. alles recht schnell geht: Umzug in ein sie lebt, und dem Geschehenen selbst kommission mit Fach-Expertinnen Viele Autorinnen und Autoren der gemeinsames Haus, Ada bekommt zusammen. und -Experten der deutschen Thea- Handreichung waren Teilnehmende einen kleinen Bruder und fi ndet in Ihr Weg führt sie aus Berlin zu Ver- terszene sowie Vertretern der Politik des Programms der »Dialogpers- der Schule glücklicherweise eine gute wandten nach Paris bis in die USA. Da- und einem Votum des Haupt- und pektiven. Religionen und Weltan- Freundin. Doch irgendwie wirkt vieles bei begleitet sie vor allem ein Gefühl: Finanzausschusses in Oberhausen ge- schauungen im Gespräch«, welches verschwommen und unklar. Ist der Va- das Anderssein als die Generation der funden. Zur Spielzeit / wird die unter anderem den  gegründe- ter des Bruders wirklich auch der eige- Eltern. promovierte Theaterwissenschaftle- ten jüdisch-muslimischen Think- ne? Irgendetwas verschweigt nicht nur Ein mitreißendes Buch über das rin Kathrin Mädler die Nachfolge von tank »Karov-Qareeb« betreut. Ihre die eigene Mutter, sondern es scheint, Finden einer eigenen Stimme. Die Florian Fiedler antreten. Seit  ist Beiträge verschaff en einen Einblick als will die gesamte Gesellschaft et- Geschichte eines Menschen, der sich sie Intendantin des Landestheaters in die jüdisch-muslimische Zusam- was verheimlichen – eine allgemein nirgends richtig zugehörig fühlt und Schwaben in Memmingen und seit menarbeit. Neben einem historischen geltende »Schweigepfl icht«. Als gäbe versucht, den eigenen Weg inmitten  Co-Vorsitzende der Intendan- Überblicksbeitrag zum jüdisch-mus- es keine Vergangenheit, sondern nur einer schweigenden Masse zu gehen. tinnen- und Intendantengruppe des limischen Dialog und Beiträgen zur ein stetiges Bergauf, ausgehend von Kristin Braband Deutschen Bühnenvereins. Kathrin Veranstaltungsumsetzung bildet das einem Punkt null. Über das, was davor Mädler studierte Dramaturgie, Thea- Herzstück des Buches ein Leitfaden, war, spricht niemand. Christian Berkel. Ada. Berlin  terwissenschaft und Komparatistik an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Bayerischen Thea- terakademie August Everding sowie in Ohio und Kalifornien.  von  Millionen Steile Thesen Udo Kittelmann ist neuer künst- Die deutsch-jüdische Familie Scholem Zur Geschichte der tische Reformen.  Jahre nach der lerischer Leiter am Museum deutschen Demokratie Reichsgründung spannende Thesen. Frieder Burda n seiner Danksagung zum nissen in Breslau zu einer anerkann- Das einzige kleine Manko, an dem Udo Kittelmann, ehemaliger Direktor Schluss des Buches »Die Scho- ten, bibliophilen Druckerfamilie. Im ansonsten uneingeschränkt zu emp- der Berliner Nationalgalerie, ist neuer lems. Geschichte einer deutsch- Mittelpunkt stehen dabei die Söhne wei Thesen tragen durch das fehlenden und sehr lesenswerten künstlerischer Leiter am Museum I jüdischen Familie« benennt Jay von Arthur Scholem, geboren Ende Buch von Hedwig Richter »De- Buch ist, dass solide Grundkenntnisse Frieder Burda in Baden-Baden. Laut H. Geller sechs Namen, die in dem des . Jahrhunderts. Z mokratie. Eine deutsche Aff äre: in deutscher Geschichte vorausgesetzt Museum wird er unter anderem für Buch nie genannt werden. Namen von Reinhold Scholem, ältester Sohn, Vom . Jahrhundert bis zur Gegen- werden. die im Jahr  geplanten Aus- Mitgliedern des deutsch-jüdischen deutsch-national gesonnen, ausge- wart«. Zum einen die These, dass Gabriele Schulz stellungen »Margaret und Christi- Bürgertums, Namen aus einer Fami- zeichneter Frontkämpfer im Ersten zur Durchsetzung der Demokratie ne Wertheim« und »Die Maler des lie von Druckern, Namen von sechs Weltkrieg, führte zusammen mit dem weniger die revolutionären Massen Hedwig Richter. »Demokratie. Eine Heiligen Herzens« verantwortlich der sechs Millionen ermordeten Juden zweitältesten Sohn, Erich, liberal ge- als vielmehr die Eliten beigetragen deutsche Aff äre: Vom . Jahrhundert sein. Darüber hinaus erhoff t sich das Europas. In diesem letzten Satz wird sonnen, die Druckerei des Vaters bis haben. Zum anderen die These, dass bis zur Gegenwart. München  Museum laut eigenen Angaben von das Anliegen des Buches prägnant zur Mitte der er Jahre in Berlin. der Umgang mit dem menschlichen Kittelmanns Leitung eine stärkere zusammengefasst: Es geht um die Zusammen mit ihrer Mutter gelingt Körper ein Gradmesser für die Demo- zeitgenössische Ausrichtung. Der aus Erinnerung an ein deutsch-jüdisches die Emigration ans andere Ende der kratisierung ist. Düsseldorf stammende Udo Kittel- Bürgertum, das verfolgt wurde, deren Welt, nach Australien. Reinhold Scho- Diese beiden Thesen geht Richter mann war bis  Direktor des Köl- Mitglieder, wenn sie Glück hatten, im lem nimmt die australische Staatsbür- ausgehend vom . Jahrhundert bis nischen Kunstvereins und bis Oktober Exil überlebten, oder in den Konzen- gerschaft an und identifi ziert sich mit zur Gegenwart nach. Sie konzentriert vergangenen Jahres Chef der Berliner trationslagern ermordet wurden. seiner neuen Heimat so intensiv wie sich dabei vor allem auf Deutschland. Nationalgalerie. Geller erzählt die Geschichte am zuvor mit Deutschland, so meldet er Das Buch besticht durch eine elegan- Beispiel der Familie Scholem aus sich zur australischen Armee während te und zugleich mitreißende Sprache. Susanne Chrudina übernimmt Berlin. Diese Familie steht für pars des Zweiten Weltkriegs. Erich Scho- Richter versteht es, die Geschichte Leitung der Bundeswettbewerbe pro toto für Formen des deutsch- lem hingegen verband eine lebenslan- der Demokratie wie einen fesselnden der Berliner Festspiele jüdischen Bürgertums. Zunächst für ge Sehnsucht mit Deutschland. Roman zu erzählen, mit Auf und Abs, Seit Ende Februar  gestaltet die den Aufstieg aus ärmlichen Verhält- Der dritte Scholem-Bruder, Wer- Haupt- und Nebencharakteren. Eine Berliner Regisseurin, Autorin und ner, Kommunist in den er Jahren, Besonderheit liegt darin, wie durch Kulturmanagerin Susanne Chru- Reichstagsabgeordneter, wird gleich kleine sprachliche Feinheiten schein- dina die vier Nachwuchsformate nach der Machtergreifung inhaftiert bar allgemein gültige Wahrheiten hin- »Theatertreff en der Jugend«, »Tanz- und stirbt im KZ Buchenwald. Ger- terfragt werden. So benennt Richter treff en der Jugend«, »Treff en junger hard, später Gershom, Scholem, Zi- das mühsam errungene allgemeine Autor*innen« und »Treff en junge onist, Philosoph, Judaist, wandert in Wahlrecht bis , dem Jahr, als end- Musik-Szene«. Damit folgt sie auf den er Jahren nach Palästina aus lich auch Frauen wählen durften, stets Christina Schulz, die nach elf Jahren und baut die Hebräische Universität als allgemeines Männerwahlrecht. die Intendanz des Theaters an der in Jerusalem mit auf. Er gehört zu den Diese und weitere Feinheiten Parkaue Berlin in einer Doppelspitze weltweit anerkannten Spezialisten jü- machen das Buch so lesenswert. Ein antritt. Susanne Chrudina studierte discher Mystik, speziell der Kabbala. Buch, das durchdrungen ist, von ei- PERSONEN & Theaterwissenschaften, Literaturwis- Im Buch verknüpft Gellert sehr an- nem großen Optimismus an die Kraft REZENSIONEN senschaften, Philosophie und Sozio- schaulich deutsch-jüdische Geschichte der Demokratie. logie und ist seit  als Regisseurin des . und . Jahrhunderts mit einer Besonders interessant sind die Politik & Kultur informiert an und Autorin tätig. Ihre Arbeiten Familiengeschichte. Der einzige Wer- Ausführungen zur deutschen Reichs- dieser Stelle über aktuelle Perso- führten sie unter anderem ans mutstropfen ist, dass das Buch teilwei- gründung  und insbesondere zum nal- und Stellenwechsel in Kultur, Maxim Gorki Theater Berlin, ans se sprachliche Eleganz vermissen lässt. Staat Preußen. Richter zeigt auf, dass Kunst, Medien und Politik. Zudem Deutsche Theater Berlin, ans Staats- Gabriele Schulz der Staat Preußen weitaus mehr war stellen wir in den Rezensionen alte theater Hannover, ans Düsseldorfer als Pickelhaube und Militarismus. und neue Klassiker der kulturpoli- Schauspielhaus, ans Theater Magde- Jay H. Geller. Die Scholems. Geschichte Preußen steht ebenso für Aufklärung, tischen Literatur vor. Bleiben Sie burg und nach Prag an das Theater einer deutsch-jüdischen Familie. Berlin für wissenschaftlichen Fortschritt, all- gespannt – und liefern Sie gern Letí.  gemeine Schulpfl icht und demokra- Vorschläge an [email protected]. Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 23 FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Shutdown in Berlin, . April : Sonnenbaden in den eigenen vier Wänden Corona-Blues: Zombies geistern durch die Städte Perspektiven für die Kultur te zu befassen. Im Musikbereich stand noch verbessert oder ausgeweitet wer- die Gelegenheit bieten, mit dem einen anschaue. Die Aura des Originals und sind dringend nötig das große Jubiläum zum . Geburtstag den, aber vieles ist auch geschehen und oder der anderen dieses oder jenes The- des Live-Erlebnisses, sie werden jetzt von Ludwig van Beethoven vor der Tür. gelungen. ma ganz en passant anzusprechen. Ich besonders deutlich. Darüber hinaus Manche hatten bereits seit Jahren darauf Mein Eindruck ist überdies, dass die vermisse in den Zoom-Sitzungen den vertraue ich der kathartischen Wirkung OLAF ZIMMERMANN hingearbeitet. Die Berlinale war abge- Nöte des Kulturbereiches in der Politik direkten Austausch mit den Kolleginnen der Kunst. Das gemeinsame Lachen und schlossen, aber die Filmwelt freute sich wahrgenommen werden. Deshalb kann und Kollegen aus anderen Verbänden Weinen, so trivial es für manchen klin- ch gebe zu – auch mich packt allzu noch auf weitere »Rote Teppiche«, sprich mit den Politikerinnen und Politikern und Organisationen. Selbst die vielen gen mag, ist eine wesentliche Funktion oft der Corona-Blues. Jetzt liegen auf andere Festivals. Aus jeder künstle- zurzeit nicht nur über die Nothilfe in Dienstreisen, über die ich mich manch- gerade des Theaters oder auch des Kinos. I elf Monate Kultur-Lockdown hinter rischen Sparte und jedem Bereich des der Pandemie, sondern auch über die mal beklagt habe, fehlen mir. Jeden Tag Für uns Menschen zählt eben nicht nur uns. Fast immer hart, also vollständig, kulturellen Lebens lassen sich Beispiele mittel- und langfristigen Fragen zur der Verstand, sondern auch die Emotion. nur in den Sommermonaten des letzten von geplanten Veranstaltungen, Tagun- Verbesserung der grundsätzlichen Si- – Und wenn ich dies alles so schmerzlich Jahres gab es eingeschränkte Öff nungen gen, Ausstellungen, Auff ührungen und tuation im Kulturbereich gesprochen Unsere Forderungen vermisse, wie wird es Künstlerinnen und unter strengen Hygienebedingungen. vielem anderen mehr aufzählen, die werden. Nutzen wir dieses Zeitfenster, nach Öff nungsszena- Künstlern gehen, die der unmittelbaren Der März letzten Jahres war noch nach Beginn der Pandemie in Deutsch- um grundlegende Fragen der sozialen Auseinandersetzung mit dem Publikum ganz davon geprägt, schnell Hilfspro- land nicht oder zumindest nicht so, wie Absicherung jetzt anzusprechen, um rien im Kulturbereich beraubt sind. Wer von Kindesbeinen an gramme auf den Weg zu bringen. geplant, stattfi nden konnten. das Verhältnis zwischen Projekt- und sind ein Hilferuf nach auf eine künstlerische Karriere hinar- Die in der Künstlersozialkasse ver- Jetzt fast Ende Februar  befi ndet Infrastrukturförderung jetzt zu hin- einer Perspektive beitet, ist nun auf null gestellt. Neben sicherten Künstlerinnen und Künst- sich der Kulturbereich immer noch im terfragen, um über das Verhältnis zwi- allen ökonomischen Problemen, die der lern hatten noch im November  Lockdown. Die Buchmesse in Leipzig schen abhängiger Beschäftigung und Lockdown verursacht, ist dies ein The- geschätzt, dass  ihr Einkommen fi ndet auch in diesem Jahr nicht statt. Selbständigkeit aktuell nachzudenken, schaue ich auf viele kleine Kästchen mit ma, das meines Erachtens viel zu selten wieder steigen wird. Viele Planungen In den letzten  Monaten wurden um eine sinnvolle Digitalisierung im Menschen drin. Fast jedes digitale Kon- angesprochen wird. bestanden. Vor den meisten lag ein viele Hilfsprogramme auf den Weg ge- Kulturbereich voranzubringen. Und ferenzprogramm habe ich inzwischen Wenn ich in meiner Stadt Berlin normales Jahr, mit den ganz normalen bracht, vom Bund und auch von den ich bin fest davon überzeugt, dass der ausgiebig testen dürfen. Technisch funk- durch die Straßen gehe, sehe ich, was Aufs und Abs. Die Leipziger Buchmesse Ländern. Neben den Programmen, die anstehende Bundestagswahlkampf die tionieren fast alle hervorragend. Und der Lockdown mit den Menschen macht. stand Ende Februar  noch vor der sich an alle von der Pandemie Betrof- Off enheit in der Politik für unsere An- doch fehlt etwas Entscheidendes: die Fast wie Zombies geistern wir durch Türe. Lesungen von Autorinnen und fenen richten, gibt es auch spezifi sche liegen noch einmal erhöhen wird. menschliche Begegnung. die Städte. Ich bin daher fest davon Autoren waren geplant und auch ich ausschließlich für den Kulturbereich Der Corona-Blues macht aber mehr Auch Live-Kunst kann durch den überzeugt, dass wir dringend eine Per- freute mich, mich wieder in das Lese- – und zwar sowohl in den Ländern als aus. Mir fehlt es, mit anderen Menschen Bildschirm nicht ersetzt werden. Für spektive für menschliche Begegnungen paradies Leipzig zu stürzen. auch mit NEUSTART KULTUR vom zusammenzukommen, ganz zufällig bei mich liegt ein großer Unterschied darin, brauchen. Unsere Forderungen nach In der Initiative kulturelle Integrati- Bund. Der Deutsche Kulturrat und viele einer Tagung oder einer anderen Veran- ob ich ein Bild tatsächlich im Original Öff nungsszenarien im Kulturbereich on hatten wir noch Ende Januar eine seiner Mitgliedsverbände sind seit ei- staltung neben jemandem zu sitzen und betrachten kann oder am Bildschirm sind ein Hilferuf nach einer Perspektive, Fachtagung zum Gedenken an  Jah- nem Jahr im Ausnahmezustand. So vie- ins Gespräch zu kommen. Ein Gespräch, sehe, ob ich mich freue auf eine Auf- wann wieder Begegnungen möglich sind, re Befreiung des Konzentrationslagers le Gespräche zwischen den Verbänden, das fortgesetzt wird und aus dem sich führung im Theater, das Klingeln höre, wann wieder Live-Kunst möglich ist! Auschwitz durchgeführt, weitere Ver- der Politik und der Verwaltung, so viele neue Ideen oder auch neue Formen der das letzte Räuspern, bevor der Vorhang anstaltungen waren in Planung, um sich gemeinsam angeschobene Programme Zusammenarbeit ergeben. Mir fehlen die hochgeht und das Spiel beginnt, oder Olaf Zimmermann ist Geschäftsführer mit diesem Thema und vor allem dem und Hilfsmaßnahmen hat es noch nie Pausen bei den Sitzungen der Ausschüs- ob ich am Bildschirm, unterbrochen des Deutschen Kulturrates und Heraus- jüdischen Leben in Deutschland heu- gegeben. Und ja natürlich, vieles kann se des Deutschen Kulturrates, die immer vom Holen eines Getränks, mir etwas geber von Politik & Kultur 24 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

»Wir brauchen Scham und Ironie« Ulrich Khuon im Gespräch Die Künstlerinnen und Künstler sind werden die Folgen der Pandemie noch so zerrissen wie die übrige Gesell- über Jahre spüren. Wir müssen um Ludwig Greven spricht mit dem Inten- schaft auch. Ihnen fehlt ihr Wirkungs- jedes Haus kämpfen. Die großen sind danten des Deutschen Theaters Berlin raum, gleichzeitig haben sie Ängste. nicht gefährdet. Umso wichtiger ist, per Zoom über Perspektiven für die Ich beobachte in meinem Ensemble auch nach Kiel, Konstanz oder Dessau Bühnen nach der Pandemie und die alle Schattierungen von »ich will gar zu schauen. Empfi ndsamkeit von Künstlerinnen nicht mehr raus« bis »ich will mor- und Schauspielern. gen auf die Bühne«. Wenn man viel Welche Erfahrungen nehmen Sie zu Hause ist, wächst die Angst. Man mit aus dem Lockdown? Was wer- Ludwig Greven: Sie seien eigent- kann sie gut bearbeiten, wenn die den Sie auch in Zukunft nutzen? lich zu nett für einen Intendanten, Praxis gelingt. Seit dem Lockdown Neugier und Beweglichkeit. Die sind schrieb die Süddeutsche Zeitung bin ich jeden Tag im Theater. Wenn immer gefragt, aber in den Routinen zu Ihrem . Geburtstag Ende Ja- ich merke, dass die Hygiene- und Ab- werden sie oft verschüttet. Mit unse- nuar. Müssen Sie als Vertreter der standsregeln funktionieren, macht ren Streams, die immerhin kosten- deutschen Bühnen lauter werden, mich das vertrauensvoller, als wenn pfl ichtig sind, haben wir ein Publikum um sich und der Kultur in der Co- ich nur daheim wäre und ab und zu erreicht über Berlin hinaus, das wir ronakrise Gehör zu verschaff en? auf den Balkon ginge. Für Künstler ist sonst nicht bekommen würden. Das Ulrich Khuon: Eruptive Menschen ha- ihre Arbeit noch existenzieller als in merken wir auch an den Reaktionen. ben vielleicht kurzfristig mehr Erfolg. vielen anderen Berufen. Aber da sie, Nicht mehr, als wenn wir real spielen Aber ich glaube, dass sich meine ruhi- wie Martin Walser mal gesagt hat, be- würden, aber es spricht sich rum. Wir gere Art auch in dieser Krise bewährt sonders typische Menschen sind, sen- haben digitale Abendauff ührungen hat. Seit Beginn der Pandemie vor sibler, hellhöriger, sind viele mit Blick gemacht mit Nachgesprächen über einem Jahr haben wir als Deutscher auf das Virus auch ängstlicher. Meine Zoom, mit einer ungeheuren Resonanz. Bühnenverein und als Intendanten Hauptaufgabe ist im Moment dafür Viele Theater haben diese digitale unablässig unsere Forderungen vor- zu sorgen, dass wir nicht auseinan- Beweglichkeit nicht nur als Notnagel gebracht und einiges erreicht, z. B., derstreben, sondern handlungsfähig entdeckt, sondern als Option erkannt, dass wir im vergangenen Sommer bleiben. Viel zu kommunizieren und ästhetisch wie strukturell. Wir haben spielen durften. Der Minilockdown durch Konzepte, die gut funktionie- gelernt, Routinen zu durchbrechen. im November allerdings hat nur uns ren, Ruhe reinzubringen. Wir proben. Das werden wir nicht wieder verlernen. und den Gastronomen geschadet, Jetzt müssen wir es nur noch auff üh- ohne etwas zu bewirken. Tagsüber ren dürfen. Aber es ersetzt nicht die festen war die Hölle los, um  Uhr gingen Häuser?

die Rollläden runter. Davor haben wir Machen Sie Schnelltests bei den Nein, das ist, als wenn man an ei- HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: gewarnt, aber die Politik hat anders Proben? nem künstlichen Herz hängt. Das Der erste Tag der Kontaktbeschränkung in Berlin am . März  entschieden. Nun ist praktisch die Damit fangen wir gerade an. Wir ha- eigentliche Herz schlägt woanders. halbe Spielzeit weg. ben Inszenierungen auf Abstand ge- Aber selbst Opernintendanten, die Ich bin da nicht so pessimistisch. Selbstverständlich. Wir haben intern macht, wir tauschen die Luft aus. Die sonst drei Jahre an einer Auff ührung Wenn wir alle durchgeimpft sind, wird diese gemeinsame Erfahrung stark Auch bei der vorsichtigen Öff - Tests steigern das Sicherheitsgefühl, arbeiten, haben gesagt, mal schnell es vielleicht im nächsten Jahr wieder besprochen, Schmerz, Angst, Ver- nungsperspektive wird der Kultur- auch deshalb machen wir das. Aber reagieren zu müssen, hat etwas Erfri- eine gewisse Normalität geben, mit zweifl ung, auch mit Soziologen und bereich wieder hintenangesetzt. die Hygieneregeln sind wichtiger. schendes. halbwegs vollen Häusern. Doch es Psychologen. Bayerns Ministerpräsident Markus wird nicht alles weg sein. In der »Pest« Als Intendant verstehe ich mich Söder will z. B. erst die Läden und Die angestellten Schauspieler der Verändert es die Ästhetik des The- von Albert Camus verschwindet der ein Stück weit auch als Seelsorger. Gärtnereien öff nen. großen Häuser müssen anders als aters, wenn man für ein Online- Erreger irgendwann, aber er bleibt Das Tolle ist: Wenn es keine Krisen Was diejenigen, die die Macht besit- freie Darsteller und Künstler nicht Publikum inszeniert? in den Ritzen und Vorhängen. Die gäbe, gäbe es keine Kunst. Sie ist zen, wirklich denken, kann man in um ihre Stellen und Existenz ban- Bei einigen Auff ührungen haben wir nicht sichtbare Gefahr wird uns nicht das krisenverarbeitende Medium diesen Tagen gut erkennen. Eine Qua- gen. Fühlen Sie sich auch für die uns sehr ans Filmische angenähert, verlassen. Eine Grunderfahrung des schlechthin. Auch die Komödie, das lität und Eigenart der Künste ist ihre verantwortlich? bei anderen nicht. Da hat sich die Menschen ist, dass Tod und Krankheit Lachen ist Trost. Wir brauchen, wie Machtlosigkeit. Die Kultur hat eine Als Deutscher Bühnenverein haben Spielweise nicht verändert. Schau- nie verschwinden. Wer einmal einen Michael Maar schreibt, Scham und leise Stimme. In einer Gesellschaft, in wir ab der ersten Minute an die The- spieler spielen nicht anders, wenn sie nahestehenden Menschen verloren Ironie, sonst sind wir Dampfplaude- der nur gehört wird, wer am lautesten ater appelliert, juristisch abgesichert: kein Publikum haben, aber sie sind hat, der wird das nicht wieder los. Der rer. schreit, kommen wir gegen die Tou- Zahlt eure Gastdarstellerinnen und befreiter, wenn es wieder atmet. weiß, dass alles gefährdbar ist, von rismus- und Autoindustrie nicht an. Gastdarsteller, mit denen ihr Verabre- heute auf morgen, dass wir verletzlich Vielen Dank. Aber schon Bertolt Brecht hat gesagt, dungen habt, bezieht euch nicht auf Das Virus wird bleiben, es kann sind. Die Scheinstärke hinter sich zu dass das weiche Wasser den mächti- höhere Gewalt. Wenn man in einem jederzeit eine neue Pandemie kom- lassen, ist gut. Ulrich Khuon ist Intendant des Deut- gen Stein besiegt. Darauf vertraue ich. Vertrags- und Vertrauensverhältnis men. Werden Sie auf Dauer mit schen Theaters in Berlin. Bis November Es hat immer wieder Phasen gegeben, ist, muss man auch entsprechend Hygieneregeln arbeiten müssen? Werden Sie diese Erfahrungen, das  war er Präsident des Deutschen in denen die Kultur unter Druck stand. handeln. Die Solidargemeinschaft mit Oder hoff en Sie, dass das irgend- Leid, die Vereinsamung, künstle- Bühnenvereins. Ludwig Greven ist Doch seit dem Krieg ist sie in Wel- denen, mit denen wir arbeiten, neh- wann entfällt? risch aufgreifen? freier Publizist lenbewegung erstarkt – bis Corona men wir ernst. Die meisten Theater kam. Bis dahin waren die Theater und haben das gemacht. Ich halte das für Opernhäuser so stabil wie nie zuvor, eine Selbstverständlichkeit. Das ist ÜBERBLICK SCHWERPUNKT auch weil es der öff entlichen Hand allerdings auch ein Grund, weshalb gut ging. Es gibt kein anderes Land wir darauf drängen, wieder spielen zu Seit einem Jahr befi nden wir uns in- über die Erschließung eines neuen hagen. Wie es um die soziokulturellen mit einer so ausgebauten, mit der dürfen. Sobald wir Stücke ansetzen mitten der Pandemie, seit einem Jahr Publikums durch Digitalangebote. Zentren, die kulturelle Bildung und die freien Szene verknüpften Theater- können, können wir auch wieder Ver- leben wir mit dem Virus, seit einem Mara Michel, Dagmar Schmidt und Museen bestellt ist, beschreiben Heike landschaft. Langfristig macht es sich träge mit freien Künstlerinnen und Jahr halten wir uns an zahlreiche Lena Falkenhagen berichten auf S. Herold und Georg Halupczok, Susanne bezahlt, hartnäckig zu bleiben und Künstlern und Sängerinnen und Sän- Restriktionen, seit einem Jahr leidet  vom Modedesign, der Bildenden Keuchel und Sylvia Willkomm auf der auch mal Umwege zu gehen. gern machen. nicht nur, aber insbesondere die Kultur Kunst und der Literatur. Im Interview S. . Einen Einblick in die Designwirt- darunter. Doch wie kann und muss es auf S.  spricht Sebastian Nordmann schaft geben auf S.  Boris Kochan Immerhin bekommen die Theater Weil Sie sie brauchen? jetzt weitergehen? Welche Perspek- über neue Online-Angebote und den und Stefan Eckstein. Über die psychi- großzügige fi nanzielle Unterstüt- Es gibt mehr Menschen, die Kunst tiven können aufgezeigt werden? Zauber des Live-Events am Konzert- schen Folgen der Maßnahmen gegen zung. machen wollen als an Theatern, Wann kann wie geöff net werden? Der haus Berlin. Auf S.  richtet Chris- Corona schreibt auf S.  Ulrich Hegerl, Die Politik schützt uns dadurch, Konzert- und Opernhäusern spielen Schwerpunkt »Vom Corona-Blues zu tian Höppner den Blick auf die lange ebendort berichtet Johann Hinrich wenn auch unterschiedlich. Und uns können. Aber das darf man nicht aus- Zukunftsperspektiven: Ein Jahr Corona Wertschöpfungskette in der Musik. Claussen in seiner Kolumne über die schützt, dass wir feste Häuser haben. nutzen. Die tiefe Zerstrittenheit von versus Kultur« wirft einen Blick auf das Gerald Mertens, Marc Grandmontag- wohltuende Erfahrung eines Ausstel- Es ist schwerer, diese zu zerstören etablierten Häusern und der freien Kommende und dringend Notwendi- ne und Michael Freundt beschreiben lungsbesuches. Auf den S.  bis  als Gruppen, denen man nur für be- Szene in den er Jahren war un- ge – quer durch alle Sparten unserer auf S.  die Perspektiven für Orches- gibt es Antworten auf die Frage »Was stimmte Zeiträume Zuwendungsga- fruchtbar und zerstörerisch. Das ha- Kulturlandschaft. ter, Bühnen und Tanz. Über die Lage tun die Länder jetzt zur Linderung der rantien gibt. Dass die Kultur aber bei ben wir gemeinsam verbessert. Heute Auf S.  zeigt Ulrich Khuon Per- und die Möglichkeiten der Clubs und Corona-Not im Kulturbereich?«. Ulf der Öff nungsstrategie wieder ganz ist es viel durchlässiger. Wir müssen spektiven für die Bühnen nach der Musikspielstätten berichten auf S.  Meyer skizziert auf S. , wie es sich an den Schluss gestellt wird, ist ein daran arbeiten, schnell wieder dahin Pandemie und spricht über die Emp- Pamela Schobeß und Marc Wohlrabe. in der Post-Corona-City leben könnte. Debakel. Dabei werden wir von Wis- zu kommen. fi ndsamkeit von Künstlerinnen und Wie sieht es aktuell im Bereich Film Auf der folgenden Seite geben zum Ab- senschaftlern gestützt, die bestätigen, Schauspielern. Auf S.  berichten und Fernsehen aus, was ist geplant? schluss des Schwerpunktes Jörg Free- dass vom Theaterbesuch so gut wie Welche fi nanziellen Auswirkungen Urs Johnen und Moritz Eggert jeweils Thomas Negele und Christoph Palmer se, Klaus Hebborn und Uwe Lübking keine Infektionsgefahr ausgeht. hat die Schließung für Ihr Haus? über die aktuelle Situation der deut- wissen es auf S. . Geht die Games- Einblick in die Situation in deutschen Wir haben deutlich weniger einge- schen Jazzmusiker und Komponisten. Branche gestärkt aus der Krise? – Fe- Landkreisen, Städten und Gemeinden Was bewirkt es bei den Schauspie- nommen. Dafür haben wir eine Aus- Ebendort fordert Stephan Behrmann, lix Falk kennt die Antwort ebendort. und zeigen Perspektiven auf. lerinnen und Schauspielern, bei gleichszahlung vom Berliner Senat die Hilfsprogramme aus der Perspek- Die Situation der Galerien und des Was hat sich in diesem einen Jahr den Dramaturginnen und Regis- bekommen. Es gibt jedoch Häuser, tive der Freien Szene zu vereinfachen. Kunsthandels, des Buchhandels so- Corona versus Kultur getan? Werfen seuren, wenn sie über Monate z. B. in München – à propos Söder Letztere kennt Amelie Deufl hard wie wie der Bibliotheken kennen Kristian Sie einen Blick zurück und lesen Sie allenfalls virtuell auftreten und –, denen mitgeteilt wurde, dass sie keine andere: Auf S.  zieht sie Leh- Jarmuschek und Birgit Maria Sturm, hier den erste n Schwerpunkt zum The- inszenieren können? weniger Zuschuss bekommen. Wir ren aus dem Lockdown und spricht Alexander Skipis sowie Barbara Schlei- ma: bit.ly/pIPUk Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 25

Nicht allein auf Die eigentliche Krise Improvisation bauen kommt noch Die Lage deutscher Jazzmusiker Komponisten in der rechtlichen Sender nach Corona mit Coronakrise denselben Etats weiterarbeiten kann, URS JOHNEN Hilfen nicht an. Die Situation im föde- Doch es gibt zumindest in einer Hin- ist ungewiss. Auch die fehlende Kino- ralen Deutschland gleicht einer Lotte- sicht Hoff nung. Angesichts der existen- MORITZ EGGERT auswertung macht Sorgen, da sie doch um Glück können Jazzmusi- rie – abhängig von der Meldeadresse ziellen Krise eines milliardenschweren einen nicht unwesentlichen Teil der kerinnen und -musiker im- greifen zum Teil völlig unterschiedliche Wirtschaftszweigs – nämlich der ge- ls Vertreter der komposi- Einnahmen ausmacht. Auch hier sind Z provisieren.« So etwas höre Regeln und Rahmenbedingungen bei samten Kulturwirtschaft in Deutsch- torisch Schaff enden dieses die »Etablierten« besser dran als der ich in letzter Zeit immer wieder. Ob- den fi nanziellen Nothilfen. Denn die land, in dessen Zentrum wir Kunst- Landes weiß ich, wie unter- junge Nachwuchs – im Moment fi nden wohl derartige Bemerkungen auch nach wie vor völlig unzulänglichen schaff enden und Kreativen stehen –, A schiedlich Lebensmodelle nur wenige Festivals und Fachmessen von Menschen geäußert werden, die Bundeshilfen werden erfreulicher- sehe ich auch in Politik und Gesell- sein können. Das Klischee einer Künst- statt, und dann auch nur online, sodass selbst Teil der Jazzszene und damit weise aus Landesmitteln aufgestockt schaft ein neues Bewusstsein erwachen. lerin, die in stiller Abgeschiedenheit man schwer wichtige Kontakte knüpfen nicht verdächtig sind, uns Musikerin- – nur eben nicht überall. Wer etwa in Dieses neue Bewusstsein betriff t nicht ihre Streichquartette zum eigenen Ver- kann, die auf persönlichen Begegnun- nen und Musikern Böses zu wünschen, Baden-Württemberg oder Nordrhein- allein den gesellschaftlichen Stellen- gnügen schreibt – wenn sie die Muse gen beruhen. so entbehrt dieses romantische Bild Westfalen gemeldet ist, kann von Glück wert von Kunst und Kultur (Stichwort küsst –, und der daher die Pandemie Ganz besonders hart hat es die große des »Lebenskünstlers« angesichts der reden und seine Lebenshaltungskosten »Systemrelevanz«), sondern auch die relativ wenig ausmacht, wird nur in den Zahl der Kolleginnen und Kollegen ge- Corona-Pandemie doch nicht einer ge- im besten Fall aus den staatlichen Hil- Lebensrealität von Hunderttausenden wenigsten Fällen zutreff en. Tatsächlich troff en, die live auftreten und z. B. ihre hörigen Portion Zynismus. fen fi nanzieren. Die meisten anderen Soloselbständigen in Deutschland mit sind die meisten Kolleginnen und Kol- eigene Musik spielen. Ihr Einkommen Aus wissenschaftlicher, aus gesell- aber haben Pech gehabt und schauen ihren höchst individuellen und oftmals legen so vielfältig unterwegs, wie auch ist ausschließlich an den Liveauftritt schaftlicher – ja, sogar aus berufspoli- aufgrund der in unserem Beruf kaum hybriden Erwerbskonzepten. Und mit die Kultur unseres Landes vielfältig ist. gebunden, sowohl in »U« als auch »E« tischer Sicht mag es eine interessante unmittelbar zuzuordnenden Betriebs- dem Bewusstsein wächst auch das Ver- Daher wird jeden die momentane Situ- gab es hier massivste Einbrüche. Viele Frage sein, ob Jazzmusikerinnen und ausgaben in die Röhre. ständnis dafür, dass es maßgeschnei- ation unterschiedlich hart treff en. mehrgleisig arbeitende Komponistin- -musiker, weil sie das Improvisieren ge- Dieses Problem besteht natürlich derte Lösungen für Kunst- und Kultur- Klassische »Auftragskomponistin- nen und Komponisten sind zudem in lernt und perfektioniert haben, besser nicht nur für Jazzmusikerinnen und schaff ende in der Coronakrise braucht, nen und -komponisten« in sowohl »U« ihren Brotarbeiten auf die eine oder mit der Coronakrise zurechtkommen -musiker, sondern betrifft sparten- um eine dauerhafte Schädigung unserer als auch »E« mussten natürlich erle- andere Weise von Jobausfällen und als andere Menschen. Doch kann dies übergreifend alle diejenigen, deren stolzen Kulturnation abzuwenden. Mit ben, dass fast alle Liveauff ührungen Kürzungen betroff en, das fängt schon ernsthaft der Anspruch sein? Kann unternehmerisches Handeln sich nicht einem »one size fi ts for all«-Ansatz ist ausfielen oder verschoben wurden. bei den Studierenden an, denen das es der Anspruch einer freiheitlich- auf Gewinnmaximierung, sondern Fi- jedenfalls kaum jemandem geholfen. In der Regel wurden schon zugesagte studienermöglichende Zubrot als z. B. demokratischen Gesellschaft an sich nanzierung eines kreativen Outputs fo- Wichtig erscheint mir mit Blick auf Auftragshonorare zwar bezahlt, doch Kellner komplett wegfällt. selbst sein, dass eine ganze Berufsgrup- kussiert. Denn gerade in diesen Lebens- eine Zeit nach der Krise für den Jazzbe- ohne Liveauff ührungen kann nicht die Das mit Abstand größte Problem pe nur durch Improvisation über die und Arbeitskonzepten sind fi nanzielle reich vor allem eines: Die vielen kleinen, Aufmerksamkeit generiert werden, die sind jedoch die Tantiemen, die zum Runden kommen kann? Sollten nicht Rücklagen die Ausnahme und zugleich ehrenamtlich getragenen und aus kom- für Folgeaufträge so wichtig ist. Gerade größten Teil über die GEMA einge- gerade Menschen, die ihren ureigenen fl iegen die meisten Akteurinnen und munalen Mitteln fi nanzierten Veran- vielversprechende Karriereanfänge sind nommen werden. Die GEMA kann nur Beitrag zum gesellschaftlichen Mitei- Akteure »unter dem wirtschaftlichen staltungsorte und Konzertreihen in un- somit auf nach wie vor unbestimmte ausschütten, was sie einnimmt, und das nander zum Lebenszweck erheben, in Radar«. serer Szene müssen auch bei absehbar Zeit »eingefroren«, wogegen die schon meiste nimmt sie über Livemusik ein. schweren Zeiten auf die Solidarität der Die Lage ist dramatisch. In der knapperen Gemeindekassen verlässlich etablierten Namen es etwas besser ha- Es ist hierbei wichtig zu verstehen, dass Gesellschaft zählen können – auf die Pandemie ist deshalb nicht nur spar- fi nanziert werden. Denn nur so können ben. Das hat viele in eine Schaff enskrise gestreamte Konzerte – die ja als Ersatz- Solidarität eben jener Gesellschaft, in tenübergreifende, sondern mehr denn wir Musikerinnen und Musiker wieder geworfen, da sie oft nicht mehr wissen, veranstaltungen momentan zuhauf deren Dienst sie sich stellen, und zwar je internationale Solidarität gefragt. in die Lage versetzt werden, unsere »wofür« sie jetzt eigentlich kompo- stattfi nden – gar nicht oder nur man- Letzteres meist zum Preis der wirt- Eine aktuelle Umfrage zur Situation Brötchen zu verdienen. Allein auf die nieren, wenn jedes Konzert bis zuletzt gelhaft und in geringen Dimensionen schaftlichen Prekarität? Ganz abgese- der Jazzmusikerinnen und -musiker hohe Kunst der Improvisation zu bauen, ungewiss ist. lizensiert werden. Wo eine Auff ührung hen davon, ob die musikalische Impro- in ganz Europa zeigt, dass wir alle im wäre wohl selbst für die schwer unter- Viele Werke mussten auf den letz- mit Orchester z. B.  Euro einbringen visationskunst nicht am Ende vielleicht selben Boot sitzen: Europaweit spielt zukriegende Jazzszene ein Todesurteil. ten Drücker für kleinere Besetzungen kann, ist dieselbe Auff ührung online eben doch nur ein anspruchsvolles kaum noch jemand Konzerte, nur  umgeschrieben werden. Das schützt vielleicht nur  Cent oder gar nichts Handwerk ist, und keine »Lebenskunst«. Prozent der Befragten gehen davon Urs Johnen ist freischaff ender Kon- aber nicht immer vor einem Ausfall, wert. Die allermeisten Auftragshono- Fakt ist: Bei vielen Kunstschaff en- aus, ihren Beruf mit Sicherheit weiter trabassist und Geschäftsführer der denn auch das adaptierte Konzert kann rare sind ohne GEMA-Einnahmen zu den kommen die staatlichen Corona- ausüben zu können. Deutschen Jazzunion von heute auf morgen als nicht mehr niedrig kalkuliert. Wenn die Tantiemen durchführbar gelten. Die sogenannte also ausbleiben, erfolgt spätestens Ende »Freie Szene« erwies sich hier teilwei-  – wenn die GEMA-Auswertung des se fl exibler in der Durchführung von Jahres  beendet ist – ein böses Er- dern immer in einer noch weiteren coronagerechten Auff ührungen als die wachen beim Lesen der Kontoauszüge. Verkomplizierung. Die Systeme und subventionierten Häuser, weil der Auf- Gekoppelt mit den zu erwartenden Rasender Stillstand unser Denken, wie Hilfen konstruiert wand und die Anzahl der beteiligten Kürzungen und Sparmaßnahmen al- werden, brauchen eine radikale Verein- Personen geringer sind. lerorten »nach« Corona, baut sich also Freie Szene: Hilfssysteme umplanen, Hygienemaßnahmen vor- fachung. Die Hilfen sind letztlich vom Kommerzielle Arbeit wie z. B. für für die Riege der komponierenden Zunft radikal vereinfachen bereiten, Veranstaltungen erneut um- Misstrauen bestimmt, von der Sorge, Film- oder Computerspielmusik traf in diesem Land langsam, aber sicher planen, Geld zurücklegen, Geld lieber dass es Mitnahmeeff ekte bzw. einen es bisher etwas weniger hart, da die ein vorhersehbares Horrorszenario auf, nicht zurücklegen, nochmals Beratung unberechtigten Zugriff auf Steuergel- Film- und Computerspielindustrie vor dem man nicht früh genug warnen STEPHAN BEHRMANN suchen, widersprüchliche Auskünfte der gibt und dass Ungleichheiten ent- nach wie vor einen großen Bedarf hat sollte. erhalten, Verwendungsnachweise er- stehen. Der Witz ist: Mitnahmeeff ekte und weiter produziert. Im Moment ist a, die Kulturmilliarde war wich- stellen, Sachberichte schreiben, Neben- und Ungleichheiten gibt es trotz der das sogenannte »Home-Entertain- Moritz Eggert ist Präsident des tig und dass eine zweite Milliarde jobs organisieren, Nebenjobs machen, Komplexität der Systeme. ment« vermutlich so wichtig wie noch Deutschen Komponistenverbandes, J kommen wird, ist gut. Ja, in der parallel die Kinder ganztags betreuen Im Grunde braucht es in Ausnahme- nie, daher muss auch weiterhin viel freischaff ender Komponist, Pianist, Überbrückungshilfe III werden die und alles wieder von vorne. Das Zer- situationen einen Vertrauensvorschuss Musik geschrieben werden. Aber ob Blogger (»Bad Blog of Musick«) sowie Künste inzwischen gesehen, auch mürbende hat am Ende wenig mit der und die Grundannahme, dass es denen, das so bleibt und ob die in Deutsch- Professor für Komposition an der das Bewusstsein, dass bei den Solo- Pandemie selbst zu tun, sondern vor die die Hilfen in Anspruch nehmen, land so wichtige Basis der öff entlich- Musikhochschule München selbständigen etwas passieren muss, allem mit einem viel zu komplizierten nicht um Bereicherung und persönli- ist inzwischen stärker vorhanden als Apparat und mit Systemen, für die die che Vorteilnahme geht, sondern dar- noch vor Monaten. Aber die Proble- Arbeitsrealität der Selbständigen, der um – ohne Berufswechsel – durch die me sind dabei mitnichten vom Tisch. hybrid Arbeitenden und der kleinen, Krise zu kommen. Es braucht Hilfen, Viel zu lange hat es gedauert, bis die freien Unternehmen nach wie vor et- die grundsätzlich von der Praxis aus- Interessenvertretungen durchgedrun- was Fremdes ist. Die überbordende gehen und nicht von den Haushalts- gen sind. Noch immer fallen zu viele Bürokratie der Corona-Hilfen ist eine ordnungen. Mit Blick auf die Zukunft durch das Raster und selbst für die, die gigantische Vernichtungsmaschine für sollten wir bereits in der Krise mit Zugang zu staatlichen Hilfen haben, Zeit, Energie und Zuversicht. ei ner kritischen Durchsicht unserer hören die Probleme nicht auf. Das gilt für die Kunstschaff enden. Haushaltsordnungen und Förderver- Seit fast einem Jahr befi nden sich Aber das gilt in gleichem Maße auch fahren beginnen. Ähnliches gilt für un- alle – Geförderte und Ungeförderte – in für die Politik und die Verwaltung, die sere sozialen Sicherungssysteme, die einem ermüdenden Mahlstrom: Den sich zunehmend in ihren selbst ge- noch immer weitgehend aus der Logik Förder-Dschungel durchforsten, die schaff enen Konstrukten verheddern. des Normalarbeitsverhältnisses ge- Widersprüche zwischen Pressemit- Die Komplexität der Systeme – ins- dacht sind. Mehr als zuvor braucht es teilungen und FAQ erforschen, eigene besondere bei den Wirtschaftshilfen einen breiten ressort- und branchen- Umsätze berechnen, mit Außenständen – versetzen auch die Interessenvertre- übergreifenden Dialog, auch unter Ein- jonglieren, Steuerberatung konsultie- tungen in ein merkwürdiges Dilemma. beziehung der Interessenvertretungen. ren, die Künstlersozialkasse kontaktie- Je mehr die Szene-Vertretungen gehört Bei dieser Gelegenheit reden wir dann ren, mit Interessenvertretungen spre- werden, je öfter die Rechtsgrundlagen auch noch einmal über die Behaup- chen, auf die Möglichkeit der Antrag- der Fördersysteme infolgedessen rich- tung, die Kunst gehöre zum Bereich stellung warten, Anträge stellen, die tigerweise angepasst werden, desto Freizeitgestaltung. FAQ screenshotten, weil sie sich ver- unübersichtlicher wird es. Die Politik mutlich bald schon wieder geändert ha- ist inzwischen durchaus zugänglich; Stephan Behrmann ist Sprecher ben werden, auf die Bewilligung warten, es gibt beachtliche Lernkurven und der Allianz der Freien Künste und

auf Geld warten, mit Sorge vor Rück- viel ehrliches Bemühen. Aber all das Geschäftsführer des Bundesverbandes HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: forderungen leben, Veranstaltungen mündet nie in Vereinfachung, son- Freie Darstellende Künste (BFDK) Shutdown in Berlin, . März : Tanzen im Schnee 26 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

»Wir müssen unsere Relevanz klarer behaupten« Amelie Deufl hard im Gespräch

Ludwig Greven spricht mit extrem viel unterwegs, fahre Auch die Zuschauer bleiben stellen, enorm wichtig. Wir erreichen können? Wir ma- und dessen unmittelbare Re- der Intendantin der Hambur- auf Festivals, zu Kongressen, alleine – die prägende Er- brauchen Künstlerinnen chen inzwischen viele digitale aktion, und die Zuschauer die ger Spielstätte Kampnagel für politischen Tagungen. Ich fahrung in dieser Krise. und Künstler, die über an- Projekte, aber ohne unmittel- Begegnung nach der Vorstel- freie Kultur, Amelie Deufl hard, treff e viele Menschen in der Wir Bühnen stehen in der dere Systeme nachdenken. baren Austausch. Die Interak- lung im Foyer oder im Restau- über Lehren aus dem Lockdown Welt, in der Stadt oder bei uns Pandemie auf der Blacklist der Wir glauben, wir sind eine tion fehlt. rant. Beides ist unersetzlich. und wie Online-Angebote den auf Kampnagel. Jeden Abend besonders gefährlichen Orte Kulturnation. Aber Kultur Das fehlt auch mir viel mehr Theatern neues Publikum ver- öff nen sich hier die Türen. ziemlich weit oben, obwohl scheint weniger wichtig zu Das Virus mit seinen Mu- als z. B. das Reisen. schaff en können Dass das alles fehlt, daran Studien eher das Gegenteil sein als Konsum. Im zweiten tanten wird bleiben. Es kann ich mich nur ungern ge- belegen: Theater sind ziem- Lockdown blieben die Läden kann irgendwann die Die Krise fördert die soziale Ludwig Greven: Kampnagel wöhnen. Aktuell machen wir lich sichere Orte. Auff üh- zunächst off en, um das Weih- nächste Pandemie kommen. Ungleichheit. Digitale Kul- ist wie alle Bühnen seit No- viele Online-Veranstaltungen. rungen sind Versammlungen. nachtsgeschäft zu retten, aber Werden Sie in Zukunft alle turangebote, die umsonst vember wieder dicht, wann Die haben eine sehr gute Re- Dort triff t man Menschen, alle Kulturstätten wurden Auff ührungen auch digital sind oder deutlich weniger es erneut losgehen kann, ist sonanz, aber sie schaff en kei- die man kennt und die man geschlossen. Am Ende hat produzieren? kosten als der normale Ein- off en. Haben Sie sich an den ne Live-Begegnung. nicht kennt. Das ist einer der beides nicht funktioniert. We- Nicht alle. Aber ganz sicher tritt, ermöglichen dagegen Krisenmodus gewöhnt? Gründe, warum man zu Kul- der wurde das Virus gestoppt werden wir zukünftig auf die Menschen, die es sich sonst Amelie Deufl hard: Der erste Was macht es mit den turveranstaltungen geht. Man noch der Kommerz gerettet. Möglichkeiten des Digitalen nicht leisten können oder Lockdown war ein Schock. Als Künstlern, wenn sie nur vir- verabredet sich und geht hin- nicht mehr verzichten. Unser wollen, den Zugang. Hoff en der zweite kam, dachten wir, tuell auftreten können? terher zusammen noch einen Andererseits leiden auch Programm ist online auch für Sie auch dadurch auf neue das können wir schon. Aber Einige entwickeln Ideen, wie Wein trinken, um sich auszu- andere extrem unter der diejenigen zugänglich, die Publika? es geht jetzt in Richtung De- sie trotzdem ihr Publikum tauschen. Das fehlt total. Man Krise. Nehmen sich Kultur- uns analog aus unterschiedli- Ja. Wenn unser Programm im pression wegen dieser langen erobern. Eine Band z. B. macht sieht den Menschen an, dass schaff ende zu wichtig? chen Gründen nicht besuchen Internet zugänglich ist, kön- zähen Ungewissheit. Das zieht Konzerte in einem Bus, da darf sie zu einsam sind. Die, die in der Kultur am können, und schaff t so eine nen es selbst Menschen auf meine Mitarbeiterinnen und immer ein Zuschauer rein. Die meisten klagen, sind die, die große, auch internationale anderen Kontinenten sehen. Mitarbeiter und die Künst- Wohnzimmerkonzerte nut- In Supermärkten dürfen sie ihre Privilegien nicht verloren Reichweite. Im Februar fi ndet Bislang hat man internatio- lerinnen und Künstler ganz zen sich allerdings ab. Viele sich treff en. haben. Den alleinigen Fokus, unser Festival FOKUS TANZ nal immer nur an Tourneen schön runter. Von den Künst- Künstlerinnen und Künstler Es ist kontraproduktiv, einen wir sind die Allerwichtigs- statt, das sich mit dem Genre gedacht. Kulturinstitutionen lerinnen und Künstlern sind machen Streaming-Angebote. Bereich gegen den anderen ten, uns darf man auf keinen Videotanz beschäftigt – also aus aller Welt könnten auch praktisch alle, mit denen wir Auch wir entwickeln viele Din- auszuspielen. Letztendlich Fall schließen, halte ich für Tanz explizit für die Kamera kooperieren, indem sie gegen- arbeiten, freischaff end. Bei ge für die Zukunft, die auch haben wir alle gemeinsam falsch. Viele Menschen, nicht und nicht für die Bühne. Da- seitig ihre Programme auf den ihnen geht es an die Existenz, oder nur digital nutzbar sind. ein Ziel – die Pandemie ein- nur Künstler, haben gerade mit beschäftigen sich Choreo- jeweiligen Webseiten zugäng- zudämmen, und dafür sind sehr reale Existenzängste. grafi nnen und Choreografen lich machen und so quasi digi- eben auch Maßnahmen wie Am härtesten triff t es die, die eigentlich schon, seitdem es tale Gastspiele ermöglichen. die Schließung von Veran- ohnehin prekär leben, auch in den Film gibt. Aber ich den- staltungsorten notwendig. der Kunst. Den festangestell- ke, viele Künstlerinnen und Aber dann braucht niemand Supermärkte sind keine Ver- ten Darstellerinnen, Musikern, Künstler werden generell ganz mehr hinzugehen. sammlungsorte. Versammlun- Tänzerinnen passiert erst anders über Aufzeichnungen Ich bin überzeugt, dass wir gen haben eine Kraft, etwas mal nichts, außer dass ihre ihrer Arbeiten nachdenken. uns damit nicht abschaff en. Subversives. Menschen kom- gewohnte künstlerische Tä- Wie macht man die so, dass es Wenn man die Digitalisierung men zusammen, debattieren, tigkeit eingeschränkt ist. In- quasi zum künstlerischen Stil- der Kultur innovativ und gut vielleicht nicht nur über die teressant fi nde ich die unter- mittel wird? Ich habe selbst betreibt, wird das nicht die gesehene Auff ührung, son- schiedlichen Wertigkeiten, die in den vergangenen Monaten Theater, Konzert-, Ballett- und dern auch über Politik. Viele sich im zweiten Lockdown ge- auch sehr viel über digitale Opernhäuser sterben lassen. Diktaturen sehen Kultur- zeigt haben. Zugesperrt wurde Zukunftstools gelernt und wie Das Fernsehen hat ja auch veranstaltungen deshalb als als Erstes das Vergnügen, das wir die in unserem Programm nicht die Kinos abgelöst und gefährlich an. Ich glaube nicht, Sinnstiftende, die direkte nutzen können. Wir haben die Schallplatte nicht Konzer- dass das bei uns jemand aktiv Kommunikation. Der Konsum eine App entwickelt, mit der te überfl üssig gemacht. Im Ge- denkt. Aber symbolpolitisch durfte erst mal weiterlaufen. man sich auf einem Spazier- genteil schaff t es zusätzliche könnte es eine Rolle spielen. Über diese Priorisierung soll- gang rund ums Kampnagel- Publika. Bei einem virtuellen ten wir uns Gedanken machen, Gelände Augmented-Reality- Gemeinschaftsprojekt hatten Auch bei den Öff nungsplä- statt sie nur zu beklagen. Videos anschauen kann, die wir Zuschauer in  Städten. nen steht die Kultur hinten per Bilderkennung an mar- Das hätten wir sonst nie. an. Geöff net werden sollen Wenn die Bühnen irgend- kierten Punkten auf dem Han- die Bühnen erst, wenn alle wann wieder öff nen dürfen: dybildschirm aufpoppen. Das Wann rechnen Sie wieder Läden wieder off en sind. Was wird von den Erfah- Publikum ist also wieder vor mit vollen Sälen, wenn Sie Es nagt an den Kulturschaf- rungen der Pandemie und Ort und hat die Bühne buch- öff nen dürfen? fenden, dass die Häuser, in dieser tiefen gesellschaft- stäblich in der Hand. Das wird länger dauern. Im denen sie auftreten, immer lichen Krise bleiben? Was vergangenen Sommer war die ersten sind, die zugemacht, kann, was muss man daraus Live-Auftritte haben den- selbst das Viertel der Plätze, und die letzten, die wieder lernen? noch eine andere Ausdrucks- das wir belegen durften, gera- aufgemacht werden. Genau- Ein wichtiger Teil wird sein, stärke und Präsenz, sie sind de so besetzt. Die Verunsiche- so wie die Aussage, dass wir uns darüber Gedanken zu im Grunde jeweils ein Uni- rung und die Angst sind groß. nicht systemrelevant seien. machen, wie wir noch klarer kat. Geht das nicht verloren, Wir haben aber auch viele Für mich ist es keine Frage, unsere Relevanz behaupten wenn man alles auch als Veranstaltungen Open Air auf dass die Menschen Kultur können. Kulturschaff ende Konserve produziert? unserem Außengelände an- genauso brauchen wie andere haben sich lautstark über Es wäre ein attraktiver Gedan- geboten, da war der Andrang Sachen. Sich an Orten zu tref- Schließungen beklagt, aber ke, die Live-Auftritte jeden riesig. Das planen wir auch in fen und Dinge zu sehen, die ich habe von keiner Bewegung Abend neu aufzuzeichnen, diesem Jahr. unterhalten, die aufrütteln von Zuschauerinnen und um sie parallel zu streamen,

FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: und aufklären über das, was Zuschauern etwas mitbe- aber das wäre natürlich ein Arbeiten Sie und Ihr Am Alexanderplatz: Die Ladenschließungen aufgrund des in der Welt geschieht, das ist kommen, die gesagt haben, ungeheurer Aufwand. Das Team daran, die Corona-Zeit Coronavirus stehen kurz bevor, . März  für mich absolut relevant und wir können ohne euch nicht wird keiner machen, schon künstlerisch zu verarbeiten? überlebensnotwendig. Künst- leben. gar nicht in Krisenzeiten, wo Natürlich. Die Künstler, mit zumindest haben sie existen- Dennoch: Bühnenkünstler ler leisten wichtige Beiträge uns praktisch alle Einnahmen denen wir arbeiten, sehen das zielle Sorgen. Die Corona- brauchen die reale Interaktion zu Diskursen. Sie sind unver- Online schon. fehlen. Niemand will mittel- allerdings unterschiedlich. Hilfen fangen nicht alle auf, mit dem Publikum. Und auch zichtbar, gerade weil sie oft Zum Glück, aber nicht für fristig das Live-Erlebnis erset- Manche wollen von Corona viele freie Künstler fallen für die Zuschauer ist es etwas gesellschaftskritisch sind. alle Menschen sind wir so zen, aber die digitale Bühne nichts mehr wissen, die haben durch das Raster, wenn sie anderes, im Theater oder wichtig, wie wir es gern wären. erreicht auch ein neues Pub- keine Lust, sich damit ausein- noch jung sind, wenn sie erst Konzertsaal zu sitzen oder Wahrscheinlich ist genau Das heißt, wir müssen noch likum. Menschen z. B., die in anderzusetzen. Andere sagen, vor Kurzem eingewandert sind sich zu Hause eine abgefi lmte das das Subversive der Kul- genauer schauen, wie wir zu- anderen Städten wohnen und wir können uns gar nichts oder wenn sie eine Fluchtge- Auff ührung anzusehen. Wobei tur, dass sie nicht in eine künftig auch für diejenigen nicht extra anreisen wollen anderes vorstellen. Oft wird es schichte haben. Trotzdem le- das Live-Streaming gewisser- Verwertungslogik passt, son- relevant sein können, die oder können, Menschen, die eher subkutan in Stücke und ben wir in Deutschland immer maßen das neue Live ist. Al- dern einen Wert für sich hat. nicht zum Stammpublikum krank sind, eine Behinderung Auff ührungen einfl ießen. noch auf der privilegierten lein die Vorstellung, dass das, Nicht jeder Künstler will das der Hochkulturinstitutionen haben, jemanden pfl egen, die Seite der Welt. was ich auff ühre, in derselben System verändern. Doch der zählen. Nach dem ersten keine Zeit haben und viele Vielen Dank. Sekunde beim Zuschauer an- interessante Punkt ist, ob die Lockdown war mein erster Ge- andere mehr. Die können sich Was fehlt Ihnen selbst? kommt, erzeugt ein anderes potenzielle Absicht, das Sys- danke: Wie können wir unsere unsere Programme dann an- Amelie Deufl hard ist Am meisten fehlt mir das öf- Gefühl als bei einer Aufzeich- tem zu sprengen, systemre- Bedeutung als gesellschaft- schauen, wann es ihnen am Intendantin des internationalen fentliche Leben. Freunde kann nung. Trotzdem kann das levant sein kann. Dialektisch licher Kulturort behaupten, besten passt. Aber die Akteure Produktionshauses Kampnagel man weiter sehen, einzeln. die echte Auff ührung nicht betrachtet, sind Menschen, wenn wir nicht mehr spielen auf der Bühne brauchen weiter in Hamburg. Ludwig Greven Aber ich bin normalerweise ersetzen. die unser System infrage und Publikum nicht direkt die vierte Wand, das Publikum ist freier Publizist Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 27

Mode-Kultur Professionelle Modedesign: Mut haben, Den Mut haben, wieder regional zu und Designern zugute. Und bis dahin? wieder regional zu produzieren, kleine Mengen zu wa- Designerinnen und Designer goes Arbeit professionell gen: statt . der Stückzahlen, die LABEL, heißt, sie sind gezwungen, produzieren am Ende dem Feuer anheimgegeben eigene Marken aufzubauen – und da werden, weil sie niemand braucht; kommt die Politik ins Spiel. Hier lohnt vergüten MARA MICHEL statt Rabattschlachten und Black Fri- sich nachhaltige Förderung. Bedeu- days, einen Dienstag in der Woche für tet: Bestandsfi rmen fördern, die fünf n einem langen Gespräch mit nachhaltige Produkt-Qualität einfüh- Jahre lang die Produktionskosten der Die Situation in der sich auch im nächsten Koalitionsver- Wolfgang Grupp, Inhaber der ren, einen Dienstability-Day mit dem Designerware übernehmen für den Bildenden Kunst trag widerspiegeln. Konkrete Maßnah- nachhaltigen Firma Trigema, Mut zum echten Preis. NEUSTART KULTUR, einfache Wege men zur Sicherung des künstlerischen I durfte ich seinen Kernsatz er- Sich abgewöhnen, mit dem Gehirn zulassen in den Arbeitsagenturen für DAGMAR SCHMIDT Einkommens sind zu vereinbaren – die fahren: Ein Unternehmer muss Ver- der Kunden denken zu wollen. Statt- fünf Jahre Grundeinkommen über Zeit der ehrenamtlichen Arbeit für antwortung übernehmen für alles, dessen dem neuen Kaufverhalten der . Euro. uch für Bildende Künstlerin- Ruhm und Ehre muss auch für Bildende was er tut. Nicht das Mehr darf Ziel Bevölkerung vertrauen. In Drittlän- Verbände fördern, die das nötige nen und Künstler ist der lange Künstlerinnen und Künstler ein Ende sein, sondern Tiefe in der Qualität. dern mit erzielten Euro-Überschüssen Know-how vermitteln. Diesen krea- A Lockdown eine existenzielle He- fi nden, ihre Leistungen sind wie in an- Auch in Corona-Zeiten ist er seinem menschenwürdige Betriebe aufbauen tiven – im Übrigen alle der Nachhal- rausforderung: Die Aufträge bleiben deren Kunstsparten grundsätzlich an- Prinzip treu geblieben und hat sei- mit der Unterstützung zu dauerhaft tigkeit verpfl ichteten – kleinen Labels aus, neue Projekte sind nur schwer zu gemessen zu vergüten. Dies ist in allen ne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachhaltiger Selbsthilfe. So wäre eine wieder den Zugang zur Künstlersozi- akquirieren bzw. planbar, Nebenjobs, Förderrichtlinien der öff entlichen Hand weder entlassen noch in Kurzarbeit Marge da, mit der auch die Designab- alkasse ermöglichen, wie es noch vor ob im künstlerischen oder nichtkünst- und letztlich auch im Urheberrechts- geschickt. Fazit: Also, geht doch? Lei- teilungen und Freelancer honoriert acht Jahren  Jahre lang von Beginn lerischen Bereich, sind vielfach weg- gesetz zu verankern. Ich verweise auf der off ensichtlich nicht. werden können für Mode-Kultur statt an möglich war. gebrochen. Die Neustarthilfe für Solo- unsere aktualisierte »Leitlinie Ausstel- Zu viele Textilfirmen benutzen Bekleidung. Für die dafür ausstehenden Ge- selbständige geht zwar in die richtige lungsvergütung«. Im Urheberrecht ist die Pandemie, um von ihren bereits Und der Handel? Er möge sich drin- spräche mit Politikerinnen und Poli- Richtung, wie sie konkret ausgestaltet bei der Umsetzung der DSM-Richtlinie vorhandenen Problemen abzulenken gend die Krämer-Mentalität abgewöh- tikern habe ich viel gelernt aus dem ist, ist bis zum Redaktionsschluss dieser zu gewährleisten, dass Urheberinnen und trennen sich von Mitarbeitern, nen und statt der »Nur-Produkte« die neuen Buch »Die Stunde der Politik« Zeitung aber noch nicht bekannt. Die und Urheber selbstverständlich auch um nicht an Profi t zu verlieren. Am Dienstleistung nach vorne bringen. von Günther Bachmann, der  Jah- Bundeshilfen gehen vor allem deswe- für die digitale Nutzung ihrer Wer- meisten betroffen sind davon die Voll Freude und Elan die Digitalisie- re lang Generalsekretär des Rats für gen zumeist an Kunstschaff enden vor- ke angemessen vergütet werden. Die Designabteilungen und die Freelance- rung anpacken, um mit den Kunden nachhaltige Entwicklung war. Die Po- bei, weil deren Einkommen allgemein Förderung freien Kunstschaff ens ist Designerinnen und -Designer. zusammen im Internet spazieren zu litikerinnen und Politiker hören zu so gering sind, dass sie als anteilige auszubauen, besonders geeignet sind Sie sind mit ihrer Kreativarbeit der gehen. und ich bin mir sicher, dass sie sich Referenzgröße kaum etwas bringen. hier Stipendien und Projektzuschüsse. Anfang der Liefer- und Wertschöp- Das Internet zum gemeinsamen auch der Kraft bewusst werden, In- Von Anfang an fehlte es bei den Bun- Wir fordern einen deutlichen Aufwuchs fungskette. Der kaufende Kunde Abenteuerurlaub werden lassen. In- novationen sinnvoll zu steuern, und deshilfen an einem Unternehmerlohn, des Budgets der Stiftung Kunstfonds. Es selbst das Ende des langen und ver- ternetbestellungen nicht mehr mit das nachhaltig. einer berufsgerechten Einkommens- sind funktionierende Regelungen für knoteten Fadens. Verpackungsmüll verschicken, son- ausfallhilfe. den Zugang von Soloselbständigen zu Sterben uns die Designerinnen und dern im örtlichen Einzelhandel ab- Mara Michel ist Modedesignerin, Aber vor allem vermissen wir das: den sozialen Sicherungssystemen zu Designer in Mode und Textil also weg? holen lassen. So geht Dienstleistung Geschäftsführerin des VDMD, Netz- Den künstlerischen Diskurs, der mit der treff en: Die Grundsicherung ist radi- In Weiterführung gewohnter Haltun- inklusive nachhaltigem Handeln. werk für Mode- und Textil-Designer analogen Präsentation und Rezeption kal zu reformieren, pandemiebedingte gen und Wege der Industrie: Ja. Was Auch die dadurch ansteigenden Ver- sowie Vizepräsidentin des Deutschen von Werken verbunden ist. Wir hoff en, Erleichterungen beim Zugang sind zu ist zu tun? käufe kommen den Designerinnen Designtages dass die Forderung nach einer schritt- verbessern und untaugliche Einschrän- weisen Wiedereröff nung von Kunst- kungen freiberufl icher Selbständiger orten Gehör fi ndet. In Kunstvereinen, abzubauen. Das Gesetz zur Einführung Galerien, Off spaces und Museen hat der Grundrente muss nachgebessert Abstand schon immer Tradition – zum werden, damit mehr Künstlerinnen Schutz der Exponate und aus Respekt und Künstler etwas davon haben. Über Schriftsteller gehen vor dem Kunstgenuss anderer Kunstbe- ein Modell für eine Sicherung bei Ein- trachtenden. Strenge Hygienevorschrif- kommensausfällen ist zu diskutieren. ten sind problemlos umsetzbar. Und wir Und dann gibt es da noch die lang- bei den Bundeshilfen erwarten, dass der Wert der Kunst und fristige Perspektive, die Zukunft: Hier die Arbeits- und Einkommensbedin- brauchen wir Rahmenbedingungen, die gungen freischaff ender Künstlerinnen einen freien, einen von reinen Markt- und Künstler nun dauerhaft ein grö- mechanismen befreiten kunst- und kul- oft leer aus ßeres Gewicht in der öff entlichen Dis- turwissenschaftlichen Diskurs zulassen. kussion erfahren. Die Sicherung ihres Dazu gehört auch eine spartenspezifi - NEUSTART KULTUR unterstützt Verlage und Buchhandlungen direkt Einkommens gehört für eine Kulturna- sche Strukturförderung. Es gibt viel zu tion verbindlich zur Daseinsvorsorge. tun. Packen wir es an. LENA FALKENHAGEN die Verlage und Buchhandlungen di- branche hat einen ordentlichen Dämp- Abgesehen von Nachbesserungen in rekt. Schriftstellerinnen sind in ihrer fer erfahren. Neueinsteigerinnen und den Corona-Hilfen erwarten wir, dass Dagmar Schmidt ist Vorsitzende des m März  verfasste ich einen Förderung aber immer noch abhängig Jungautoren haben es schwer, einen Lehren gezogen werden aus der Zeit des Bundesverbandes Bildender Künstle- Artikel für »Politik und Kultur«, von Veranstaltungen Dritter. Das erste Verlag zu fi nden, da die Verlage auf Corona-Brennglases. Und die müssen rinnen und Künstler um zu schildern, wie es den Förderprogramm wurde gut abgerufen, sich gut verkaufende Profis setzen. I Schriftstellerinnen und Schrift- im Sommer fanden Lesungen statt; die Die gesunkenen Verkäufe  – im stellern in Deutschland mit der Coro- zweite Aufl age scheitert jedoch genau Schnitt , Prozent – und  bedeu- na-Pandemie ging. Ich schrieb damals: an der Möglichkeit, die Veranstaltun- ten auch geringere Tantiemenzah- »Ich fordere von der Politik eine zügige gen im Lockdown tatsächlich durchzu- lungen sowie geringere Vorschüsse und unbürokratische Bereitstellung führen. Die Mittel werden nicht mehr für neue Bücher in den nächsten Jah- von Mitteln. Schriftstellerinnen und abgerufen. Der Verband deutscher ren. Schriftsteller, Übersetzerinnen und Schriftstellerinnen und Schriftsteller Der Verband deutscher Schriftstel- Übersetzer in Deutschland sind, wie so (VS in ver.di) organisiert daher die VS- lerinnen und Schriftsteller fordert von viele Selbständige auch, unverschuldet Onlesung auf der Streamingplattform der Politik eine sinnvolle, unbürokra- in eine tiefe Krise geraten.« twitch von Anfang bis Ende vollständig tische und vor allem direkte Wirt- digital – mit großem Erfolg. schaftshilfe auch für soloselbständige Ich habe gerade für den »Spiegel« Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Die Perspektiven für die Kalkulation aufgestellt, dass im Jahr die als Unternehmerlohn angerechnet  deutschlandweit – konservativ werden kann: entweder prozentual  die nächsten Jahre kalkuliert – . bis . Lesun- Prozent vom durchschnittlichen Mo- bleiben düster gen ausgefallen sind. Wenn man für natseinkommen  – parallel zum diese Lesungen das vom VS empfohle- Kurzarbeitergeld für Angestellte –, oder ne Mindesthonorar von  Euro an- als schnellen und unkomplizierten Fix- Diesen Text könnte ich heute beina- setzt, dann sind im letzten Jahr durch betrag, z. B. wie in Baden-Württemberg he unverändert wiederverwenden. die Hygieneverordnungen rund um die die . Euro. Zwölf Monate Pandemie liegen hinter Pandemie ca. sechs bis acht Millionen Zudem muss das Urhebervertrags- uns, fünf Buchmessen wurden abge- Euro ausgefallen, die den Autorinnen recht angepasst werden, damit Schrift- sagt, und noch immer verkennen die und Autoren niemand ersetzt. Ich stellerinnen und Schriftsteller ihre meisten Coronahilfspakete die Le- schätze, dass der Ausfall sogar über Rechte mithilfe ihrer Verbände besser bens- und Verdienstwirklichkeit der zehn Millionen Euro liegt. durchsetzen können. Leider sieht der oft soloselbständigen professionellen Bereits im Sommer  haben Entwurf der Bundesregierung zur Um- Schriftstellerinnen und Schriftsteller. über  Prozent der deutschen Verlage setzung der Urheberrechtsrichtlinie in Ich schätze, dass der Anteil jener, die Titel verschoben,  Prozent der Ver- deutsches Recht diese Verbesserung tatsächlich Hilfe erhalten, wegen der lage ganz abgesagt. Meist triff t es die der Situation der Urheberinnen und Einschränkungen und Bedingungen Kaum- oder Unveröff entlichten. Mit Urheber nicht vor. im einstelligen Prozentbereich liegt. jedem verschobenen oder abgesagten Allein einige Hilfen der Bundesländer Buch wird aber auch eine Zahlungsrate Lena Falkenhagen ist Schriftstellerin erreichten Hilfebedürftige. an den Autor, die Autorin verschoben und Games-Autorin sowie Bundes- Das Programm NEUSTART KULTUR oder abgesagt. vorsitzende des Verbandes deutscher der Bundesbeauftragten für Kultur und Die Perspektiven für die nächsten Schriftstellerinnen und Schriftsteller HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Medien unterstützt glücklicherweise Jahre bleiben düster, denn die Buch- (VS in ver.di) Shutdown in Berlin, . April : Polizeibeamte im Einsatz 28 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

Vorerst geschlossen Uns fehlt das Publikum im Saal – das menschliche Gefühl, das Miteinander

Sandra Winzer spricht mit Intendant Unbedingt weiterführen. Die Pan- Sebastian Nordmann über neue digi- demie ist ein starker Katalysator in tale Formate, den Zauber von Live- Bezug auf die Digitalisierung. Dass Auff ührungen, das Projekt #Freiraum wir digitale Streaming- und Vermitt- und Solidarität in der Kunstszene,  lungsangebote umsetzen müssen, Jahre Konzerthaus Berlin und anderes wussten wir schon länger. Sie aber mehr. in einer solchen Geschwindigkeit, binnen eines Jahres, auf die Beine zu Sandra Winzer: Herr Nordmann, stellen und zu fi nanzieren – das hat- »Vorerst geschlossen« – diese ten wir nicht erwartet. Jedes Online- beiden Wörter liest man zuerst, Konzert braucht außerdem einen vi- wenn man den Online-Auftritt des suellen Mehrwert. Das kann nicht nur Konzerthauses Berlin aufruft. Wie eine Kamera mit einer Totalen sein. geht es Ihnen damit? Beschreiben Man braucht eine Regisseurin, einen Sie bitte die aktuelle Situation in Schnitt, einen Tonmeister. Ein hoher Corona-Zeiten. Anspruch, den man binnen kürzester Sebastian Nordmann: »Vorerst ge- Zeit zur Perfektion treiben musste, schlossen«, so wie wir es online damit die Konzertbesucherinnen und schreiben, ist eigentlich zu kurz ge- -besucher treu bleiben. fasst. Aktuell sind wir für Publikums- Ich glaube, dass uns dieser digitale verkehr geschlossen. Digital fi ndet Antrieb guttut. Wir werden weiterhin ja unheimlich viel im Haus statt. Wir ein Konzerthaus mit  analogen produzieren Streams, arbeiten an Veranstaltungen im Jahr sein. Zusätz- digitalen Formaten wie Rundgängen lich aber werden wir digital streamen oder Mitmachprogrammen für Kinder. und eigene Formate entwickeln, die Konzertstreamings sind wichtig, auch, es im Analogen nicht gibt. Es geht um international Zuschauerinnen nicht um digitale Kopien von analo- und Zuschauer erreichen zu können. gen Konzerten, sondern um eigene

Aber: Uns fehlt das Publikum im Saal Ideen. HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: – das menschliche Gefühl, das Mitei- Geschlossene Geschäfte am Kurfürstendamm, . April  nander. Der Applaus oder auch Ru- Das Konzerthaus am Berliner hemomente zwischen zwei Noten, in Gendarmenmarkt für neue Ideen dern Ergänzung der Kulturszene? Sie auch die Corona-Pandemie schaff en. Ansonsten wären wir mit ei- denen das ganze Publikum den Atem zu öff nen, dafür stehen Sie schon Durch das Projekt befürworten Sie durch eine Inszenierung aufgrei- nem riesigen Rucksack losmarschiert, anhält. Das schmerzt und wir werden länger. Sie haben die »Mittendrin- ja quasi eine Verschmelzung der fen? hätten sparen müssen und Dinge kämpfen müssen, all das nach Corona Konzerte« ins Leben gerufen, bei beiden Sphären. Da sprechen Sie einen wichtigen nicht umsetzen können. Jetzt aber zurückzuholen. denen das Publikum zwischen Mit der Freien Szene kooperieren wir Punkt an. Digital ja, daran arbeiten können wir nach der Krise quasi bei den Musikerinnen und Musikern schon seit vielen Jahren.  Veran- wir gerade. Mehr kann ich noch nicht null starten, ohne Millionen-Minus Die Atmosphäre im Saal kann sitzt. Auch das Virtuelle Kon- staltungen sind nicht durch unser verraten. In unserer -jährigen Ge- im Rücken. man digital nicht ersetzen. zerthaus. Jetzt folgte ein neuer Orchester, sondern durch Veranstal- schichte wird das Jahr der Pandemie Dennoch ist in den vergangenen Vorschlag: Sie möchten nach dem terinnen, Musiker, Ensembles gefüllt. aber eine ganz besondere Rolle spie- Herr Nordmann, wenn Sie sich ei- Monaten viel Neues entstanden. Lockdown das Konzerthaus der Mit dem Projekt #FREIRAUM wollen len. Alles bleibt anders. Wir hoff en nen idealen weiteren Verlauf wün- Zu welchen (digitalen) Alter- Freien Szene für eine geraume wir vor allem auch politisch ein Zei- z. B., dass wir im Mai den Freischütz schen könnten. Wie ginge es weiter nativen hat Sie die Pandemie Zeit zur Verfügung zu stellen: chen setzen. Häuser, die können, soll- gemeinsam mit arte aufnehmen kön- mit dem Konzerthaus Berlin? bewegt? »Freie Räume für Freie Szene«. ten Ausfallhonorare zahlen oder Räu- nen, haben außerdem ein Open Air Ich wünsche mir, dass wir unser Schon im März , mit dem Das ist ein ungewöhnlicher Schritt me zur Verfügung stellen. Uns hat das und eine Gala organisiert. Florian Il- Stammpublikum halten. Dass das Ver- ersten Lockdown, haben wir alle Stüh- – was hat Sie zu diesem Vorschlag unser Schirmherr, der Kultursenator lies wird einen Text zur -jährigen trauen in große Veranstaltungen und le ausgebaut und Künstlerinnen und bewegt? Klaus Lederer, bewilligt und möglich Geschichte vorlesen. Wir haben viel den großen Musiksaal nicht verloren Künstler im Großen Saal musizieren Wir alle haben miterlebt, wie schwer gemacht. vor und hoff en, dass das auch alles geht. Die Lust auf klassische Musik lassen. Musik vor dem »leeren Saal«, freie Musikerinnen und Musiker stattfi nden kann. Die Krise wird dabei soll die Angst, in einen Saal zurückzu- quasi als Sinnbild. Das war eine Art durch die Krise kommen. Wir fühlen Sollte der Lockdown aufgehoben defi nitiv sichtbar werden – auch digi- kehren, überwinden. Ich wünsche mir Initialkonzert mit einer starken Bild- und leiden mit. Das Konzerthaus Ber- werden – wie kurzfristig könnten tal soll man sehen, was passiert ist in gleichzeitig, dass wir durch die neuen sprache. Digitale Kulturformate, die lin ist als Institution einigermaßen Sie ein Programm auf die Beine dieser Zeit. digitalen Formate auch ein neues auch langfristig funktionieren, müs- abgesichert. stellen? Wären Sie bereit für den Publikum gefunden haben. Und dass sen aber noch weitergedacht werden. Wir fühlen uns verantwortlich für Neustart? Ende des Sommers  ist be- sie auf analoge Konzerte Lust machen. Gerade, wenn sie Gefühle transpor- die Musikerinnen und Musiker, die Ja. Wir überarbeiten permanent unser kannt geworden, dass Ihr Vertrag Unser Haus ist kein Elfenbeinturm für tieren sollen. Mit unserem digitalen wir sonst engagieren: Solisten, En- Hygienekonzept. Wie viele Musikerin- bis  verlängert wird. Als dann ein paar wenige. Wir stehen für jeden Online-Angebot »#konzertZUhaus« sembles, Orchester, Chöre ... ihnen nen und Musiker dürfen auf der Büh- die Pandemie so heftig einschlug off en und bieten viele spannende haben wir unterschiedliche Formate wollen wir die Hand reichen. Durch ne sein? Welchen Abstand müssen sie – gab es Momente, in denen Sie die- Konzertformate. gebündelt: Vermittlung für Kinder, #FREIRAUM können die fi nanziellen haben? Darf gesungen werden? Wie sen Schritt bereut haben? Ich wünsche mir außerdem sehr, dass Führungen durchs Haus, Playlists usw. Einbußen der Krise zwar nicht ersetzt werden Mitarbeiterinnen und Mit- Nein, ganz ehrlich – daran habe nie wir in der Kultur weiterhin Brücken Entscheidend dabei ist: Wir leiden werden. Wir wollen aber ein Zeichen arbeiter getestet? Wie gelingt Publi- gedacht. Ich war zu diesem Zeitpunkt bilden – auch zwischen Staaten. Das nicht nur – wir erfi nden uns neu. der Solidarität setzen. kumsverkehr? All das diskutieren wir bereits seit zehn Jahren an Bord. betriff t insbesondere das Touring. Deswegen stellen wir den Raum zur kontinuierlich. Das Ziel muss immer Vielmehr habe ich Dankbarkeit emp- Tourneen haben durch ihren Um- Das Konzerthaus am Gendarmen- Verfügung. Sämtliche Konzertein- sein: Wenn wir öff nen dürfen, wollen funden, dass ich das Haus und das welteinfl uss einen negativen Touch markt ist ein prachtvoller Bau nahmen gehen an die Ausführen- wir auch wirklich öff nen können. Ak- Orchester durch all die gemeinsamen bekommen. Gleichzeitig ist der mit eigener Ausstrahlung. Spielt den. tuell peilen wir Mitte April an, nach Jahre so gut kenne und nun durch Austausch zwischen Kulturnationen auch das eine Rolle für Sie beim Ostern. Darauf arbeiten wir hin. die Krise hindurchsteuern kann. Ein unglaublich wichtig. Trotzdem be- Thema »Präsenzkonzert vs. On- Ist das Angebot noch aktuell? Da- persönlicher Neuanfang in der Krise fürworte ich aber natürlich, dass man line«? Rezipieren die Menschen mals haben Sie ja sicher noch nicht Jetzt ist auch in diesem Jahr die wäre viel schwieriger gewesen, weil hier runterfahren und die Umwelt anders? mit der Länge des aktuellen Lock- Jubiläums-Saison dran unter dem man die Bedingungen eines fremden im Blick behalten muss. Wir müssen Unbedingt. Jeder, der schon mal zu downs gerechnet ... Motto: »Alles bleibt anders« ... Was Hauses nicht kennt. So aber konnten vernünftig mit unseren Ressourcen Hause  Minuten lang eine Sym- Unser Angebot gilt nach wie vor. Ur- bedeutet das? wir schnell handeln. Eine Task-Force umgehen. phonie am Rechner gehört hat, merkt, sprünglich sollten die Konzerte im »Alles bleibt anders« lautete das Mot- bilden, aus Orchester, Personalrat, Und zum Schluss wünsche ich mir, dass man ständig abgelenkt ist. Han- Februar/März stattfi nden. Durch den to für das Jubiläum. Zum damaligen Leitung. So ist uns auch schnell der dass nach Corona kein Verdrän- dyklingeln, Essen, Kühlschrank, ein verlängerten Lockdown haben wir Zeitpunkt war es nicht auf Corona Umstieg ins Digitale geglückt. Bei all gungswettbewerb entsteht, à la »nur Kind kommt rein ... das ist etwas sie in den Juni verlegt. Die letzten bezogen. Jetzt aber passt es natürlich der Unruhe in Bezug auf die Finanzen der Stärkere gewinnt«. Die kulturelle anderes, als wenn man konzentriert Termine werden gerade vergeben. Wir perfekt. Wir wollen zum Ausdruck bleibe ich als langjähriger Intendant Vielfalt in Deutschland ist großartig, mit vielen im Saal sitzt. Das beginnt waren von der Resonanz überwältigt. bringen, dass eine Jubiläums-Saison vielleicht auch gelassener. Die Ver- in vielen Orten gibt es Konzerthäuser, mit dem Gemurmel im Saal am An- Mehr als  Bewerbungen sind ein- auch ein Blick nach vorne sein sollte. tragsverlängerung hat mich insofern Opern, Theater. Wir dürfen nicht den fang des Konzerts. Es folgt das Ein- gegangen. Das ist toll, es zeigt, dass Wir feiern nicht nur  Jahre Rück- eher positiv beeinfl usst. Fehler machen, bei der Kultur als Ers- spielen des Orchesters. Abläufe, die das Projekt den richtigen Nerv triff t blick, sondern bleiben in Bewegung. tes zu sparen. Es darf nicht passieren, Menschen helfen, runterzufahren und dass die Hilfe wirklich gebraucht Nun konnten wir viele Kompositi- Was hat das Konzerthaus in dass am Ende nur noch Konzerthäu- und den Alltag auszuschalten. In der wird. Die Berliner Szene ist unglaub- onsauftragswerke nicht spielen. Die Corona-Zeiten fi nanziell getragen – ser in drei großen deutschen Städten schnellen Zeit, in der wir leben, ist ein lich vielfältig. Jeder Antrag war groß- holen wir / nach und verlän- sind es die Abonnenten? stehen und unter Tourismusfaktoren Konzerthausbesuch immer auch ein artig, am liebsten hätten wir noch gern die Jubiläums-Saison. Wir möch- Ja, auf jeden Fall. Die Abonnenten abgerechnet wird. Vielfalt muss aus »Nur-auf-die-Musik-Konzentrieren«. mehr Musikerinnen und Musikern ten vielen Musikerinnen, Kompo- hatten ja schon ihr Abonnement dem Wunsch heraus erhalten bleiben, Alles andere wird ausgeblendet. Das Konzerte zur Verfügung gestellt. Wir nisten, Ensembles die Chance geben, bezahlt. Fast  Prozent haben ihr dass Bildung und Kultur wichtig sind. ist, fi nde ich, am Rechner fast nicht hoff en sehr, dass die Konzerte dann ihre Werke, die sie für das Jubiläum Abo in Gutscheine umgewandelt und möglich. im Juni wieder analog mit Publikum geplant haben, auch aufzuführen. wollten ihr Geld nicht zurück haben. Vielen Dank. stattfi nden können. Das war eine riesige Hilfe. Aber auch Sind die digitalen Formate dem- Online sprechen Sie davon, auch das Land Berlin hat uns unheimlich Sebastian Nordmann ist Intendant am nach nur Ersatz für das analoge Höre ich da raus – eine freie, leben- die bewegte Geschichte des Hauses unterstützt und unsere Schulden, die Konzerthaus Berlin. Sandra Winzer Konzert? Oder können Sie sich vor- dige Szene ist keine Konkurrenz zu zu inszenieren, sprich: Bomben, wir im letzten Jahr gemacht haben, ist ARD-Journalistin beim Hessischen stellen, sie weiterzuführen? großen Spielstätten wie Ihrer, son- Feuer, Wiederaufbau etc. Werden ausgeglichen. Das hat Entlastung ge- Rundfunk Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 29

Die lange Wertschöpfungskette der Musik in den Blick nehmen Hans Jessen im Gespräch sen und fi nanzielle Unterstützung ation vermutlich noch länger hinzie- An solchen Diskussionen mangelt sie im Nachkriegsdeutschland noch mit Christian Höppner aus öff entlichen Haushalten gefor- hen, auch wenn wir auf ein baldiges es derzeit. nicht kannten. Es steht zu befürch- dert. Wie sehen Sie die Lage heute, Ende hoff en; zum anderen wird es mit ten, dass alles, was nicht niet- und ein Jahr später? Inwieweit sind die Abfl auen des Infektionsgeschehens Wie bewerten Sie die Reaktionen nagelfest ist, gestrichen oder radikal Welche weiteren Auswirkungen bringt Forderungen erfüllt – oder hat sich nur schrittweise Öff nungen geben. der politischen Institutionen in gekürzt werden wird. die Corona-Pandemie in der Musikszene die Situation noch verschärft? Überdies brauchen die Akteure der Bund, Ländern und Kommunen auf Deswegen brauchen wir solche Siche- mit sich? Wie geht es jetzt weiter mit Es ist ein unglaubliches Bündel von Kulturszene Zeit, um wieder hochfah- die Notlage? Im Bundestag beklagt rungsinstrumente, damit ein Grund- Musikveranstaltungen? Welche politi- ausdiff erenzierten Hilfsprogrammen ren zu können. Das Publikum wird die Opposition, dass im Februar pfeiler unseres Zusammenlebens, die schen Forderungen gilt es zu verdeutli- entstanden. Wenn ich allein an die wegen der Corona-Ängste auch nicht noch immer an der Auszahlung der kulturelle Vielfalt, nicht wegbricht. chen? Hans Jessen spricht über dies und  Teilprogramme von NEUSTART von heute auf morgen wieder zu den Novemberhilfen gearbeitet wird. Bekenntnisse zur Bedeutung unseres mehr mit dem Generalsekretär des Deut- KULTUR denke: Das ist insgesamt ein Kulturorten pilgern. Wenn wir nicht Sind die besonderen Bedingungen Kulturlebens sind gut und wichtig, schen Musikrates Christian Höppner. erfolgreich aufgelegtes Programm, bald das Signal eines schrittweisen der Arbeit im Kultursektor noch reichen aber in dieser beispiellosen wenngleich noch ergänzungsbedürftig Plans für die Öff nung setzen, müssen immer nicht auf allen staatlichen Krise nicht, um die wachsende Dis- Hans Jessen: Herr Höppner, wenn in Einzelbereichen. Der Kulturstaats- wir in Anbetracht der besonders pre- Ebenen angekommen? krepanz zwischen Sonntagsrede und man die Mitglieder all der Vereine ministerin ist es gelungen, dafür eine kären Situation der Soloselbständigen Sehr unterschiedlich. Der Bund hat, Montagshandeln aufzuhalten. Die zusammenzählt, deren Dachor- weitere Milliarde aus dem Bundes- noch mal neu über pauschalierte mit Ausnahme von Wirtschaftsmi- Finanzierung des öff entlichen Kul- ganisation der Deutsche Musikrat haushalt zu bekommen, das ist beilei- Hilfen für einen längeren Zeitraum nister Altmaier, gut vorgelegt, die turlebens muss sich konkret in den letztlich ist, kommt man auf die be keine Selbstverständlichkeit. nachdenken. Länder hinken teilweise hinterher. Die Haushaltsplänen auf allen föderalen gewaltige Zahl von  Millionen Aber eine Forderung, die wir vor ei- kulturelle Infrastruktur wird jetzt vor Ebenen widerspiegeln. Das erfordert Menschen, die so oder so der Musik nem Jahr aufstellten – das befristete Im Sommer  waren Sie noch allem für die politischen Akteure auf auch die Bereitschaft der Politik, hier verbunden sind. Welche Bandbreite Grundeinkommen als eine Art fi ktiver optimistisch und gingen von einer allen föderalen Ebenen in ihrer Viel- Prioritäten zu setzen. Es ist in die- ist das, nicht alle werden Corona- Unternehmerlohn im Sinne rascher Wiederaufnahme von Musikveran- falt sichtbar, wie das vor Corona nicht sem Superwahljahr eigentlich schon Folgen gleichermaßen erleben, gibt und unbürokratischer Hilfe – , die staltungen nach der Sommerpause immer der Fall war. Eine Chance, diese  nach  für diese Festlegung. Hier es eine »Betroff enheitshierarchie«? erweist sich in der politischen De- aus. Es kam anders – wie hat die kulturelle Vielfalt durch konkrete müssen vor allem die Kommunen Christian Höppner: Eine »Betrof- batte auch heute noch als eine Art zweite Welle und das faktische Mittelfrist-Perspektiven, wozu auch gegenüber den Ländern im Hinblick fenheitshierarchie« triff t es schon: »emotionaler Brandbeschleuniger«. Lockdown-Jo-Jo seitdem die die dringend notwendige soziale Absi- auf die Finanzierungsbedarfe Druck Je weniger sozial abgesichert, desto Trotzdem hat diese Forderung noch Musikszene und -branche cherung Kreativschaff ender gehört, zu machen – Kultur fi ndet ja wesentlich heftiger betroff en. Das triff t auf die einmal den Fokus auf die sozialen betroff en? erhalten und auszubauen. Der man- auf kommunaler Ebene statt. Soloselbständigen zu, aber auch die Nöte gerichtet, und in abgewandelter Zum einen sind es existenzielle Sor- cherorts verengte Blick auf die Tages- freien Ensembles. Das gilt gleichfalls Form wurde auch danach gehandelt gen, die nicht nur einzelne Personen aktualität und ausufernde Bürokratie Gibt es eigentlich, neben den die Amateurmusik, wo auch Übungs- – die pauschalierten Überbrückungs- betreff en, sondern die Musikwirt- sind Stolpersteine auf diesem Weg. existenziellen sozialen und öko- nomischen Notlagen, über die wir gesprochen haben, auch so etwas wie positive Auswirkungen der Krise, wenn man das nicht zynisch versteht – die Pandemie als Lern- provokation? Ihr Musikerkollege Daniel Hope hat mit den im Fern- sehen übertragenen Hauskonzer- ten »Hope at home« ein ganz neues Format geschaff en, von dem er Tei- le auch zukünftig nutzen will. Daniel Hope hat das auch genial kommuniziert, und er ist nicht allein: Ich kenne viele andere, ob im Ama- teur- oder professionellen Bereich, die solche Wege gehen. Vor einigen Tagen hat mir die Bratschistin Tabea Zim- mermann von ihren Erfahrungen mit neuen Formaten erzählt: Da wird ein Hausfl ur zum Treff punkt gemeinsamer Hausmusik. Diese Beispiele sind faszi- nierend und berührend. Ich wünsche mir, dass das Thema Digitalisierung, das in Politik und Ge- sellschaft ja weitgehend in Hinblick auf technologische Aspekte diskutiert wird, mehr unter der Frage steht: Was bietet uns der digitale Raum, was können wir da ausprobieren? Das hat

FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: durch Corona auf jeden Fall einen Social Distancing an der Spree in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes, . April  Schub bekommen. Zu bedenken ist allerdings, dass bislang die Mehrzahl leiter in ihrer Arbeit betroff en sind. hilfen einiger Länder gingen in diese schaft als solche. An der dramatischen Welche Forderungen stellen Sie der digitalen Formate nicht moneta- Die Bandbreite der Mitglieder im Richtung. Einzelne Länder wie Bay- Lage der Musikverlage wird zum an die verschiedenen politischen risiert werden können. Das bedeutet, Deutschen Musikrat reicht von der ern und Baden-Württemberg haben Beispiel die lange Wertschöpfungs- Entscheidungsebenen? Lassen sich dass die Musikerinnen und Musiker professionellen Musikszene und dem entsprechende Hilfen aufgelegt, es kette in der Musikwirtschaft deutlich. überhaupt konkrete Forderungen zwar Aufmerksamkeit bekommen, aber Amateurmusikleben, den Landes- ist auch in den Forderungskatalog der Keine Auff ührungen bedeuteten stellen? Im Moment kann ja nie- keine Vergütung – und daran mangelt musikräten, den Dachverbänden der Länderwirtschaftsminister eingefl os- keine Investitionen in Noten und mand absehen, wie die Pandemie es derzeit doch zentral. Ich denke, dass Musikwirtschaft sowie den einzelnen sen, was ein guter Treiber für diese Instrumente, keine Einnahmen aus und die Restriktionsmaßnahmen nach Corona das Kulturleben auch Genres bis hin zu den Gewerkschaften Debatte war. Politischer Höhepunkt Kompositionsaufträgen, Auff ührun- sich in den nächsten Monaten wei- anders aussehen wird. Was nicht heißt, und der ARD. Schon vor Corona stan- war die einstimmige Forderung des gen, Verwertungsrechten. Die Musik- terentwickeln? dass es »digitaler« wird oder dass wir den viele Kreativschaff ende mit ihrer Bundesrats im Juni . Mit den pau- verlage sind Teil unserer kulturellen An erster Stelle steht die Selbstver- zurückkommen zum alten analogen sozialen Absicherung auf wackeligen schalierten Betriebskostenzuschüssen DNA, die mit ihrer Arbeit neben den pfl ichtung der Länder und Kommunen, Kulturerleben – ich glaube, es wird ein Füßen, heute sind sie mit am stärks- der Neustarthilfe für Soloselbständige wirtschaftlichen Aspekten einen er- die kulturelle Vielfalt und deren Infra- Miteinander beider Formen geben. ten von den Auswirkungen der Co- im Rahmen der Überbrückungshilfe III heblichen Beitrag zu der kulturellen struktur zu sichern und Perspektiven Darauf bin ich gespannt, aber auch rona-Maßnahmen betroff en. Corona wurde nun endlich von Bundesseite Vielfalt in unserem Land beitragen. zu geben. Der Deutsche Musikrat hat aus der Überzeugung, dass das ana- hat das Fenster noch mal geöff net für ein Schritt in die richtige Richtung ge- Der politische Wille, diese Zusam- gemeinsam mit den Landesmusik- loge Kulturerleben durch nichts wird den Blick auf diese soziale Schiefl a- macht. Die Beträge sind allerdings viel menbrüche zu verhindern, ist da – räten bereits im Juni  von den ersetzt werden können. Ich kann mir ge, nicht nur im Musikbereich. Diese zu gering. Den Höchstsatz von . aber das ganze Überbrücken ist immer Länderparlamenten gefordert, durch nicht vorstellen, dass wir das, was Kul- war schon vorher da, aber Corona ist Euro für sechs Monate werden ange- auf den nächsten Moment gerichtet. eine Verpfl ichtungsermächtigung die tur bedeutet, komplett virtualisieren zum Brandbeschleuniger geworden, sichts der vorausgesetzten Umsatz- Im Grunde ist jetzt der Zeitpunkt ge- Haushaltsansätze für den Bereich der können. Und ich würde es mir auch so dass sich manche inzwischen die größen aus dem Jahr  vermutlich kommen, wo wir überlegen müssen: Kultur aus dem Jahr  auf drei bis nicht wünschen. Kultur lebt von der existenzielle Frage stellen: »Bin ich in nur wenige freiberufl iche Musikerin- Wie richten wir uns auf ein Leben mit vier Jahre fortzuschreiben. Das hätte unmittelbaren Begegnung. meinem Beruf noch richtig?« nen und Musiker erhalten. Da erst seit Corona bzw. vergleichbarer Heraus- den großen Vorteil, über das Super- Mitte Februar diese Hilfen beantragt forderungen, auch wenn sich das kei- wahljahr mit einer Bundestags- und Vielen Dank. Der Deutsche Musikrat hat als erste werden können, ist es allerdings ver- ner wünscht, ein? Das sind dann sehr sechs Landtagswahlen zu kommen größere spartenspezifi sche Kultur- früht, jetzt schon eine gründliche Be- grundsätzliche Fragen: Welche kultu- mit gesicherten Haushaltsansätzen Christian Höppner ist Generalsekretär organisation schon vor einem Jahr, wertung vorzunehmen. Die Forderung relle Infrastruktur wollen wir? Welche für die dann folgenden Jahre. Wir des Deutschen Musikrates und Kultur- im März , Alarm geschlagen, nach dem fi ktiven Unternehmerlohn Art kultureller Vielfalt wollen wir? müssen leider davon ausgehen, dass ratspräsident a.D. Hans Jessen ist freier auf die Auswirkungen der Pande- bleibt aus zwei Gründen brandaktuell: Was priorisieren wir? – Letztendlich die öff entlichen Haushalte in eine so Journalist und ehemaliger ARD-Haupt- mie für die Musikszene hingewie- Zum einen wird sich die Coronasitu- auch in politischen Entscheidungen. dramatische Situation geraten, wie wir stadtkorrespondent 30 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

Erfolge nicht verspielen Orchester zwischen Lock- Andererseits: Bei den institutionell Anfang  befand sich der Orches- down und Lockerung geförderten Theater- und Konzertor- ter- und Musikbetrieb in Deutschland chestern stand im ersten Lockdown auf Erfolgskurs. Es wäre fatal, die Pan- der Betrieb von Mitte März bis Mitte demie als Musikerin oder Orchester GERALD MERTENS Mai weitgehend still. Mit den ersten irgendwie zu überleben, um dann Lockerungen waren bis zum Ende der anschließend unter gravierenden itte März  blicken auch Spielzeit viel Flexibilität und Impro- Kürzungen öff entlicher Kulturaus- die professionellen Orches- visationskunst gefragt: Orchesterbe- gaben leiden zu müssen. Damit die M ter und Rundfunkklangkör- setzungen wurden ausgedünnt, um die Kultur- und Orchesterszene an alte per in Deutschland auf ein Jahr Co- Abstandsregeln auf der Bühne einzu- Erfolge anknüpfen kann, ist eine ronakrise zurück. Ein Jahr zwischen halten, neue Konzertspielpläne mit Weiterentwicklung der Kulturförde- Lockdown und Lockerung. Im Rück- kleiner besetzten Werken aufgestellt, rung dringend notwendig. Die DOV blick ein extrem heterogenes Jahr: Bühneninszenierungen coronakon- fordert daher ein auf mehrere Jahre ein Sowohl-als-auch, ein Einerseits- form umgestaltet. Um die Frage, wie angelegtes Bundesprogramm zur di- andererseits. viel Publikum unter Coronabedingun- rekten Stützung kommunaler Kultur- Einerseits: Die Orchester, Chöre gen mit oder ohne Maske in die Säle haushalte nach dem Abklingen der und Bigbands der öff entlich-rechtli- gelassen werden dürfe, tobten hefti- Pandemie mit einer Zweckbindung chen Rundfunkanstalten konnten in ge Diskussionen. Die Bandbreite lag für kommunale Theater, Orchester, dieser Zeit ihre Stärken ausspielen. in etwa zwischen bis zu  Prozent Museen und Bibliotheken. Diese Bun- Zwar mussten sie wie alle anderen Platzauslastung im Schachbrettmus- desmittel sollten nur dann gewährt auch ihren Konzertbetrieb vor Pu- ter – Konzerthaus Dortmund – und bei werden, wenn sich Kommunen ihrer- blikum im Saal zeitweise einstellen. nur maximal  Plätzen, versuchs- seits verpfl ichten, den Kulturhaushalt Gleichzeitig konnten sie die Produk- weise , in bayerischen Veranstal- stabil zu halten. tionskapazitäten und Ausspielwege tungsstätten – unabhängig von ihrer Zudem müssen von der Pandemie ihrer Häuser über Fernsehen, Hörfunk Gesamtgröße. besonders betroff ene freischaff ende und digitale Kanäle voll ausnutzen. Seit April  wurde vor allem Berufsmusikerinnen und -musiker Noch nie konnten die Klangkörper den kommunalen Theatern und Or- kurzfristig Hilfe erhalten. Dazu gehört, derart viele Menschen über all diese chestern analog zum öff entlichen in der Künstlersozialversicherung be- Wege erreichen. Die vier WDR-En- Dienst erstmals ermöglicht, Kurz- fristet höhere Nebenverdienste jen- sembles z. B. absolvierten von Beginn arbeit einzuführen. Im ersten Lock- seits von Minij obs zuzulassen, ohne der Pandemie bis Dezember  in down waren rund  Orchester in den Künstlerstatus und die Mitglied- Konzertsälen  Auftritte vor Publi- Kurzarbeit, im zweiten Lockdown ab schaft in der Künstlersozialkasse in- kum und weitere  ohne Publikum November  über . Unter den frage zu stellen. Außerdem muss der – mit Livestream –, zwölf Auftritte in gegebenen Umständen hat sich die Zugang zur Arbeitslosenversicherung Autokinos sowie zahlreiche weitere Kurzarbeit bewährt: Kein Orchester für Selbständige verbessert werden. Auftritte in Kirchen, Schulen und Kin- ist in seinem Bestand gefährdet, alle Dazu gehört auch die Erweiterung

dergärten. Mit über  Hauskonzerten Arbeitsplätze sind bislang erhalten in Form eines Kurzarbeitergelds für HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: bei Abonnentinnen wurde sogar noch geblieben. Am stärksten betroff en Zeiten mit geringer oder keiner Be- Shutdown in Berlin, . März : Homeschooling die Kundenbindung gestärkt. Die auf- waren und sind die freien Orchester schäftigung. gezeichneten Livestreams wurden über und die freischaff enden Musikerinnen . Mal abgerufen; in dieser kur- und Musiker, die durch viele Förder- Gerald Mertens ist Geschäftsführer der zen Zeit eine extrem hohe Reichweite. raster fi elen. Deutschen Orchestervereinigung Arbeitsfähigkeit der Tanzszene erhalten

Devise: Spielbereit sein Dachverband Tanz Bund vorgestellt. Der Arbeitskreis, welcher bereits  etabliert wurde Wie ist es um die deutschen Bühnen bestellt? MICHAEL FREUNDT und mehrfach im Jahr die Fachberei- che der Kulturämter, Länderreferate MARC GRANDMONTAGNE naten Hilfsprogramme aufgelegt, um AHA+L-Regel wird zu wenig getestet ie Verzweifl ung der Tanzschaf- und Förderinstitutionen des Bundes Schäden zu verhindern. Im Gegensatz und während in anderen Ländern seit fenden wächst, inzwischen verbindet, analysierte den Bedarf vor ie Situation im Monat vier zu vielen anderen Ländern haben wir Monaten Schnelltests in Massen zur D melden zahlreiche Tanzschu- Ort und gab Empfehlungen für Hilfs- des zweiten Corona-Lock- hier eine bessere Situation. Allerdings Verfügung stehen, wird in Deutsch- len Insolvenz an – immer dramatischer programme im Tanz. Drei aufeinan- downs ist eine Zumutung, gibt es auch noch viel zu tun: Man- land lieber darüber diskutiert, war- werden die Nachrichten aus der Tanz- der abgestimmte Förderprogramme D keine Frage, auch wenn ches ruckelt mehr schlecht als recht in um das nicht sinnvoll ist, da die Feh- szene, welche die Geschäftsstelle des stärken seit Juli  den Tanz in der andere an dieser Stelle mehr Grund diesen Programmen, viele potenzielle lerquote höher ist als bei PCR-Tests. Dachverband Tanz erreichen. Einzelne Coronakrise: »Tanzpakt Reconnect« zur Klage hätten: Freie und selbstän- Antragstellerinnen und -steller sind Am Ende steht und fällt alles mit den stellen ihre Existenz zur Disposition. fördert den Erhalt von künstlerischen dige Künstlerinnen und Künstler, Sze- durch formale Kriterien ausgeschlos- meist noch analogen Kapazitäten der Orte, die seit Jahrzehnten Gemeinschaft und Produktionsstrukturen, »Step- nografi nnen und Szenografen, freie sen, weil das Haushaltsrecht, zumal Gesundheitsämter, weil erstens deren stiften, werden geräumt. Auch wenn die ping Out« bringt Choreografi en von Gruppen und Kollektive und all jene, des Bundes, teils unüberwindliche Hilfsprogramme viele erreichen, Frust den Bühnen in den Stadt- oder digi- die mit mehr Herzblut als Geld The- Hürden aufstellt. Bei so manchen und Drohungen der Nicht-Geförderten talen Raum und »Dis-Tanzen« fördert ater produzieren oder Musik machen. kommt gar nicht erst etwas an und So verharren wir werden drastischer, mit Grund. Reflexions- und Rechercheprojekte Aber auch für Theaterverlage und wir alle haben in den letzten Monaten spielbereit, mit hoch- Hinzu kommt, dass Tanzen in den von Tanzschaffenden und unterstützt Autorinnen und Autoren ist es eine gelernt, dass eine der größten Haus- gerüsteten Lüftungs- letzten Monaten als ebenso gefähr- Sonderprojekte von Tanzschulen. Die schwierige, teils existenzgefährdende aufgaben die ist, unsere staatlichen lich wie Singen und Musizieren ein- drei Programme wurden aus NEU- Zeit. Sie alle sind mit den öff entlichen Sozialsysteme mit den Komplexitäten systemen, komplexen geschätzt wurde, ohne allerdings auf START KULTUR mit  Millionen Euro Theatern, Konzerthäusern und Opern, künstlerischer Erwerbsbiografi en von Hygienekonzepten vergleichbare Expertisen wie in der ausgestattet – angesichts des Bedarfs auch den Privattheatern verbunden – Freien und Selbständigen zu versöh- und Bergen von Musikermedizin verweisen zu können. nur ein Bruchteil des Notwendigen und keine Produktion eines Hauses kommt nen. Neuproduktionen Und wenn Tanzschaff ende lange Zeit zugleich über Juryverfahren möglichst ohne sie aus: Ohne Autorin oder Au- Jenseits dessen wird natürlich im nicht trainieren, proben, aufführen passgenau eingesetzt, als Hilfen in der tor kein Stück, ohne Verlag keine Rahmen des Möglichen noch geprobt, können – ruht ihr Körper, verlieren sie Gegenwart, aber auch zur Neuaufstel- Bühnenrechte, ohne Szenografi nnen damit sich der Vorhang hebt, sobald Digitalisierung nicht entschieden ge- ihr künstlerisches Instrument. lung für die Zukunft. und Szenografen kein Bühnenbild es wieder losgehen kann. Spielbereit nug vorangetrieben wurde (und wird) Zugleich ist die Hoff nung groß, dass Diese Mittel, weitere Programme oder Kostüm und ohne Künstlerin- sein lautet die Devise. Wann genau und dank des nimmermüden Einsatzes es mit den Hilfsprogrammen aus NEU- in NEUSTART Kultur und das Instru- nen und Künstler geht sowieso gar das wieder möglich sein wird, ist völ- von Datenschützern ist die teure Co- START KULTUR gelingt, die Arbeitsfä- ment der Kurzarbeit an den Stadt- und nichts. Dabei ist die Situation für die lig unklar. Und genau das muss sich rona-Warn-App der Bundesregierung higkeit der Tanzszene zu erhalten. Staatstheatern haben bis heute wichti- »institutionalisierte« Darstellende ändern. Seit die Pandemie ausgebro- vollkommen ungeeignet, das zu leis- Im Mai entwickelten die gemeinnüt- ge Strukturen im Tanzbereich – Tanz- Kunst zunächst deutlich besser: Die chen ist, haben die Theater und Or- ten, was sie soll. Ob das alles zu Ende zige Kulturorganisation Diehl+Ritter, schaff ende und Ensembles – erhalten. öff entlichen Häuser arbeiten dank chester, aber auch der Bühnenverein, gedacht ist, kann man sich fragen. Und das Nationale Performance Netz und Jetzt muss das zweite NEUSTART- öff entlicher Förderung weiter. Durch den politischen Kurs mitgetragen so verharren wir spielbereit, mit hoch- der Dachverband – drei Institutionen, Programm schnellstens wirksam wer- die Ausweitung der Kurzarbeit und und unterstützt. Ein leistungsfähi- gerüsteten Lüftungssystemen, kom- die bereits Tanzförderprogramme der den. Es braucht für die kommenden den Übertrag der Kurzarbeit auf die ges Gesundheitssystem ist kein Gut, plexen Hygienekonzepten und Bergen Beauftragten der Bundesregierung für Monate eine bundesweite Strategie, Theater und Orchester mittels Ta- was man so einfach aufs Spiel setzt. von Neuproduktionen und müssen mit Kultur und Medien betreuen – das Kon- wie die Theater wieder öff nen können, rifvertrag können auch zum ersten Allerdings drängt sich allmählich der ansehen, wie die Kollateralschäden in zept einer koordinierten Bundestanz- Tanzkunst und Tanzvermittlung wieder Mal in diesem Bereich signifikant Verdacht auf, dass es an einem Plan der Gesellschaft langsam, aber sicher förderung. Vorausgegangen war eine auf die Bühne und in die Tanzschulen Schutzmaßnahmen getroff en werden. fehlt, wie die jetzige Situation wie- den Nutzen der Pandemiebekämpfung umfangreiche Studie der regionalen kommen. Und jetzt muss der Dialog Auch die Privattheater sind in Kurz- der beendet werden kann. Auch der zu überwiegen beginnen. Es ist Zeit für Tanznetzwerke und des Dachverbands, beginnen, wie Städte, Länder und der arbeit, zudem stellt der Bund dan- dafür notwendige Mut ist nirgendwo einen Plan und mehr Mut zur Diff e- die die Verluste von Tanzschaff enden, Bund gemeinsam die Kultur erhalten. kenswerterweise über das Programm ersichtlich. Die Impfungen schreiten renzierung, wo die wirklichen Infek- Tanzensembles, Spielstätten und Im Februar haben wir begonnen, diese NEUSTART KULTUR Hilfsgelder zur (zu) langsam voran, Virusmutationen tionsquellen lauern. Tanzschulen bei einem Lockdown zwi- Themen im Arbeitskreis Tanzförderung Verfügung, von dem auch Privatthe- werden uns auch zukünftig begleiten. schen März und Juli mit  Millionen am Beispiel des Tanzes zu diskutieren. ater und Gastspielhäuser profi tieren Umso mehr müssen alle Register gezo- Marc Grandmontagne ist Geschäfts- beziff erte. Diese Studie und weitere können. Die Länder und Kommunen gen werden, um schrittweise Norma- führender Direktor des Deutschen Recherchen wurden Ende April im Ar- Michael Freundt ist Geschäftsführer haben ebenfalls in den letzten Mo- lisierung zu ermöglichen: Neben der Bühnenvereins beitskreis Tanzförderung Stadt-Land- des Dachverbandes Tanz Deutschland Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 31

Es geht um Nähe Die Clubszene in Berlin

PAMELA SCHOBEẞ Mitarbeitenden betroff en sind, son- Viele von uns hatten schon vor der mer und die Open-Air-Saison. Dass ein neues Programm mit ständig wech- dern eben auch unsere Communities. Pandemie keine Rücklagen, da jeder auch wir Hygienekonzepte können, selnden Acts. nsere Clubs sind seit einem Über digitale Angebote versuchen wir Euro zurück in die Musik fl ießt. Ohne haben wir im letzten Jahr bewiesen. Es wird dauern, bis wir wieder zu ei- Jahr pandemiebedingt im weiterhin, Musikerinnen und Musi- Spenden aus unseren Communities Aber am Ende brauchen wir Möglich- ner Art Normalität zurückgekommen Dauer-Lockdown. Nur die kern Bühnen und unserem Publikum hätten die meisten Clubs die ersten keiten, auf Distanz zu verzichten und sein werden. Und vielen wird das fi nan- U Sommermonate brachten ein Kulturprogramm zu bieten. Wir Monate der Pandemie wirtschaftlich Nähe wieder zuzulassen. Neben den ziell nicht eigenständig gelingen, da die einigen ein bisschen Licht: Außenfl ä- streamen DJ-Sets und Konzerte – aber nicht überstanden. fortscheitenden Impfungen können Umsatzrenditen bei kleinen Clubs und chen konnten bespielt werden. Kleine Clubkultur ist »erleben«. Das analoge Zuschussprogramme und Förderun- uns Schnelltests helfen, eine Art »safe Livespielstätten zu niedrig sind. Wenn Bühnen für einige Künstlerinnen und Live-Erlebnis ist durch nichts Digitales gen halten uns aktuell über Wasser. bubble« herzustellen. Sobald Schnell- wir weiter Bühnen für den Nachwuchs Künstler, die sich so wieder vor einem zu ersetzen. Hinter den Clubs stehen Verlieren wir unsere Orte, bricht eine tests in ausreichendem Maß zur Ver- haben, musikalische Nischen bedienen Publikum präsentieren konnten. Aber Menschen, die mit viel Leidenschaft fragile Infrastruktur zusammen. Die be- fügung stehen, muss auch Clubkultur und Experimentierräume bieten wollen, Abstandsregeln und Distanz töten ihre Programme kuratieren, sorgfältig kannten und erfolgreichen Musikerin- wieder in all ihren Facetten möglich benötigen wir dabei fi nanzielle Unter- Clubkultur. Clubkultur hat eine hohe Künstlerinnen und Künstler auswäh- nen und Musiker fallen nicht als Stars sein. Ein Licht am Ende des Tunnels. stützung. soziale und gesellschaftliche Relevanz. len, bewusst Nachwuchs fördern, neu- vom Himmel. Sie brauchen unsere Büh- Wir werden aber auch dann noch Von  Prozent auf null vor einem Neben der Musik geht es um Nähe. en Musikstilen eine Plattform bieten nen, um sich auszuprobieren und ihren auf fi nanzielle Unterstützung ange- Jahr war schmerzhaft, aber mehr oder Das hohe Infektionsrisiko in Innen- und so die Entwicklung von experi- Weg zu fi nden. So viele Mitarbeitende wiesen sein. Auch wir müssen unsere weniger einfach. Von null auf  Pro- räumen hat schon früh den Verdacht mentellen musikalischen Strömungen und Soloselbständige sind von unseren Programme ähnlich wie Theater oder zent wird seine Zeit brauchen. nahegelegt: Die Clubs werden in dieser erst möglich machen. Anders als vie- Orten abhängig. Und nicht nur junge Opernhäuser planen. Touren mit Bands Pandemie die Letzten sein, die wieder le andere Bühnen sind unsere Clubs Menschen brauchen unsere Nächte, um benötigen eine Vorbereitungszeit von Pamela Schobeß ist Vorsitzende der öff nen können. Eine Perspektivlosig- nicht staatlich subventioniert. Wir sich frei zu fühlen. sechs bis neun Monaten. Im Gegen- Clubcommission Berlin sowie politi- keit, von der nicht nur die Clubbetrei- müssen wirtschaftlich arbeiten, um Im Augenblick stehen wir in den satz zu Theatern und Opernhäusern sche Sprecherin des Bundesverbandes benden, DJs und Bands sowie unsere unsere Programme möglich zu machen. Startlöchern: Wir hoff en auf den Som- bieten wir außerdem an jedem Abend LiveKomm Was jungen Menschen fehlt

Marc Wohlrabe im Voraussichtlich wird es noch eine Gespräch lange Zeit dauern, bis Clubs wieder im Normalbetrieb öff nen können. Schwitzende Menschen gedrängt auf Junge Menschen möchten aber einer Tanzfl äche? In der aktuellen Si- nicht so lange darauf verzichten tuation unvorstellbar. Ob es Alterna- – wo suchen sie sich Alternativen tiven gibt und ein kontrollierter Club- zum Feiern im Club? und Festivalbesuch illegalen Veran- Im Unterschied zu Kinos oder gesetz- staltungen vorbeugt, darüber spricht ten Orten zeichnet sich der Clubkul- Maike Karnebogen mit Livekomm- turbereich dadurch aus, dass sich die Vorstand und Clubcommission-Co- Besucher dort bewegen. Das hat nor- Gründer Marc Wohlrabe. malerweise etwas sehr Positives – in der Dynamik und Zwischenmensch- Maike Karnebogen: Herr Wohlra- lichkeit, in dem Raum- und Musiker- be, Sie arbeiten in den Verbänden lebnisgefühl. Man kann Leuten spon- der Clubkultur. Wie steht es aktu- tan begegnen. Man kommt sich nahe. ell um die Clubs und Musikspiel- Im besten Fall steht man schwitzend stätten und welche Öff nungspers- zusammen auf der Tanzfl äche und pektiven sehen Sie in diesem Jahr? entwickelt ein Zusammengehörig- Marc Wohlrabe: Ich kann nicht ver- keitsgefühl, das diesen Kulturbereich zeichnen, dass wir schon reihenweise ganz besonders auszeichnet. Das ist Insolvenzen in unserem Bereich jetzt so nicht möglich und kann auch haben – dabei spreche ich explizit für nicht ersetzt werden. Viele werden die Clubkultur und Musikspielstät- versuchen, sich zu Hause ein bisschen ten, nicht für Großraumdiskotheken, dieses Gefühl wieder zu holen. Und Mehrzweckhallen etc. Das nehme ich auch, wenn alle die Kontaktbeschrän- als Zeichen, dass trotz aller Hake- kungen kennen, bezweifele ich, dass ligkeit die Hilfen, die die einzelnen diese überall eingehalten werden. Da Betreiber und Mitglieder in unseren müssen wir uns nichts vormachen. Verbänden stellen können, fl ießen. Ich glaube, dass die meisten Men- Das Wichtigste war für uns immer, schen das nicht auf so viele Monate die Firma bzw. die Clubkulturstätte mehr durchhalten. Der Mensch ist ein zu erhalten – mit dem Wissen, dass soziales Wesen. Nicht alle haben eine es sehr schwer wird, in dieser langen Familie zu Hause. Für viele ist diese Phase der Pandemieeinschränkun- Kultur die Familie, die sie haben. Und gen die Teams und die Versorgung die ist jetzt schon lange weg. der Künstler aus den Budgets dieser Kulturstätten mit zu fi nanzieren. Sie sagten es gerade, nicht jeder Alle Kulturbereiche haben sich letz- hält sich daran. Man hört immer ten Sommer und Herbst, oder auch wieder von illegalen unkontrollier- bis zuletzt, mit Hygienekonzepten ten Partys, bei denen Schutzmaß- beschäftigt. Es gibt Papiere ohne nahmen nicht eingehalten werden. Ende, Kontakte zu Wissenschaftlern, Wäre es Ihrer Meinung nach besser, Expertisen über Lüftungssysteme, den Clubbesuch zu ermöglichen, Crowd-Management, Zugangsbe- um somit eine gewisse Kontrolle schränkung. Viele Betreiber sagen: zu haben? »Lasst es uns doch bitte versu- Aus der Sicht der Verbände können chen« – mit den entsprechenden wir nur dafür werben. Man kann Beschränkungen und einer gewissen grundsätzlich auf die Maßnahmen Mindestanzahl an Personen. Es wäre hinweisen und sich auch empören, ein wichtiges Signal, dass bestimmte dass es sehr unsozial und gefährlich Stätten und Kulturbereiche wieder ist, wenn Menschen sich nicht an

starten können. die vorgegebenen Regelungen hal- HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Wir setzen darauf, dass mit den ten. Trotzdem ist die Realität, dass Shutdown in Berlin, . April : Nachtwanderung steigenden Temperaturen draußen sich eine signifi kante Anzahl von Veranstaltungen ermöglicht werden. Leuten irgendwo immer triff t. Wir wir, dass das schon letzten Sommer Verhältnis zu anderen Altersgruppen Vielen Dank. Daher drängen wir darauf, dass die glauben, dass die offi ziellen Orte, die so war. Ich glaube, dass sich ab April, wirklich erkranken. Ein richtiges Politik den Bitten der Veranstalter bekannten Veranstalter mit den aus- Mai sehr viele junge Leute nicht mehr Konzept wäre, den erprobten Veran- Marc Wohlrabe ist Vorstandsmitglied und der Gastronomie entgegen- probierten Hygienekonzepten hier zurückhalten werden. Das kann man staltern Hand in Hand diese Räume des deutschen Verbandes der Clubs, kommt und die Verwaltungen er- ein wichtiges und nützliches Ventil verdammen. Aber ich prognostiziere zu ermöglichen, sodass unter mög- Festivals und Musikstätten Livekomm möglichen, großzügigere Schall- darstellen können und so zum Teil es aus dem Wissen heraus, was jun- lichst gesicherten Umständen und und Co-Gründer des Verbandes schutzausnahmen in diesem ganz verhindert werden kann, dass die gen Menschen jetzt gerade schon einer organisierten Kontaktrückver- Clubcommission Berlin. Maike besonders schwierigen Jahr zuzu- Leute illegale Veranstaltungen besu- so lange fehlt, und der Erkenntnis, folgung Veranstaltungen draußen Karnebogen ist Redakteurin von Politik lassen. chen. In Berliner Parks z. B. wissen dass sehr wenig junge Menschen im stattfi nden können. & Kultur 32 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

Perspektiven schaffen Die Filmbranche nach einem Jahr Corona-Pandemie

THOMAS NEGELE de Veränderung der Wertschöpfungs- ketten in der Filmwirtschaft ab. Die ls am . März  ein Bünd- mittelständischen Unternehmen der nis aus Filmverbänden auf Filmwirtschaft bluten aus. Sie haben Initiative der SPIO vor den keine oder weniger Einnahmen, und A Folgen der Corona-Pandemie die Produktions- und Unterhaltungs- für die Branche warnte, zeichnete sich kosten sind durch die notwendigen eine dramatische Lage ab. Ein Jahr Hygienevorschriften gestiegen. Diesen später hat sich das Bild leider weiter wirtschaftlichen Druck werden die we- verdüstert. nigsten aushalten können. Die schlichte Jüngst hat eine EY-Studie gezeigt, Rechnung einer Fixkostenerstattung dass die Kultur- und Kreativwirtschaft für die Zeit der Schließung greift daher mit einem Minus von  Milliarden auch zu kurz. Euro in Europa eine der am schwers- Die Folgen für die Filmwirtschaft ten betroff enen Branchen ist. Knapp sind tiefgehender: Die Abhängigkeit ein Drittel der Einnahmen sind durch vieler Filmschaff enden, Produktions-

die Pandemie weggebrochen. Auch die unternehmen und Filmdienstleister HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: gerade erschienene zweite Ausgabe von wenigen Auftraggebern wird stei- Shutdown in Berlin, . April  der Betroff enheitsstudie des Kompe- gen. Diese Entwicklung müssen wir im tenzzentrums Kultur- und Kreativwirt- Blick behalten, ihr etwas entgegenset- nachgefragt – auch in der Filmbranche. brückungshilfen partizipieren können, Und wir müssen an den technischen schaft bestätigt diese Zahlen und die zen. Eine Aufstockung der Mittel ist drin- damit Kinofi lme weiter möglich sind. und medizinischen Lösungen weiterar- schweren Schäden der Filmwirtschaft. Ein Lichtblick ist der unermüdliche gend geboten. Wir werden uns noch auf harte beiten. Die Hygienekonzepte haben im Geschlossene Kinos, abgesagte Film- Einsatz von Kulturstaatsministerin Mo- Hoffnung macht die Branchen- Monate einstellen müssen. Nur wenn letzten Sommer den Praxistest bestan- starts und verschobene Drehs – kein nika Grütters. Mit der Verdoppelung solidarität, die sich in den schwie- es eine Perspektive für die Zeit da- den. Ein weiteres Auf- und Zusperren Bereich bleibt ausgenommen. Oder wie der Kulturmilliarde ist eine wichtige rigen Monaten gezeigt hat. Trotz nach gibt, werden die notwendigen von risikoarmen Kulturorten nützt der es schon in der ersten Betroff enheits- Stütze gestärkt worden. Diese Hilfen Planungsunsicherheit und massiv Einschnitte weiter Akzeptanz fi nden. Pandemiebekämpfung wenig und scha- studie hieß:  Prozent der Filmwirt- haben die gesamte Branche im Blick eingeschränkten Besuchermöglich- Wichtig ist, die Öff nungsperspektive det der Akzeptanz. Eine durchdachte schaft sind von den Pandemiefolgen und kommen da an, wo sie dringend keiten haben Verleihunternehmen zu konkretisieren. Die Mutationen des und abgewogene Öff nungsstrategie gibt betroff en. gebraucht werden. über den Sommer Top-Filmstarts an- Coronavirus gebieten es, auch bei wei- den Unternehmen etwas mehr Planbar- Hinter diesen nüchternen Zahlen Auch das Bundeswirtschaftsministe- gesetzt und beworben. Viele mussten ter sinkender Inzidenz mit Vorsicht zu keit. Und Hoff nung in einer für uns alle stehen persönliche Schicksale von rium sollte insbesondere mit Blick auf erneut verschoben werden. Mit die- handeln. Diese Vorsicht darf uns aber dramatischen Zeit. Filmschaffenden, Produzentinnen, den Stolperstart der Überbrückungs- sen Investitionen dürfen die Verleih- nicht lähmen. Sie darf uns nicht daran Verleihern und Kinobetreiberinnen. Sie hilfen die erfolgreichen Programme unternehmen nicht alleine gelassen hindern, eine Öff nungsstrategie für Thomas Negele ist Präsident der zeichnen aber auch eine tiefgreifen- stärken. »Digital jetzt« ist besonders werden. Auch sie müssen an den Über- verschiedene Szenarien zu entwickeln. Spitzenorganisation der Filmwirtschaft Über den Berg sind wir dennoch nicht Für die Film- und Fernsehwirtschaft wurde viel erreicht

CHRISTOPH PALMER September . Dieser deckt aller- nehmen fragil. So, wie auch andere Hier muss Deutschland besser werden. lichen Sender ein großer Auftragge- dings nur Kino- und High-End-Seri- Branchen, müssen Produktionsunter- Außerdem belastet die ausgebliebe- ber. All das macht das Jahr  für die ls es im März  in Deutsch- en-Produktionen ab. Damit blieb der nehmen deshalb angemessen an staat- ne Erhöhung des Rundfunkbeitrags Produktionswirtschaft nicht einfacher. land zum ersten Lockdown kam, wirtschaftlich weitaus größere Bereich lichen Hilfsprogrammen partizipieren – und damit mögliche Kürzungen im A wurde sehr schnell deutlich: Die der Fernsehproduktion zunächst weiter können. Die Abwicklung der Maßnah- Programm – zusätzlich die Branche. Christoph Palmer ist Geschäftsführer gesamte Bandbreite der Kulturwirt- ungeschützt, weshalb in der Folge die men lässt teilweise zu wünschen übrig. Schließlich sind die öff entlich-recht- der Produzentenallianz schaft in Deutschland wird durch die Produzentenallianz ab August  Corona-Pandemie schwer in Mitleiden- massiv auf die Etablierung eines Aus- schaft gezogen. Dies schloss auch den fallfonds II drängte. Der Ausfallfonds II Bereich der Film- und Fernsehproduk- ist nun seit Januar  – rückwirkend tion ein. So wurden in diesen Wochen für November  – aktiv und kann zahlreiche Produktionen unterbrochen von Produktionsunternehmen über ein Spielend leicht in der Krise? oder sogar eingestellt, nahezu die ge- Anmeldeverfahren genutzt werden. Bei- samte deutsche Kinoproduktion kam de Ausfallfonds sind für die Branche game – Verband der deut- Plattform für PC-Spiele »Steam« hat Doch egal wie innovativ und digital – zum Stillstand. Die Produktionswirt- von großer Bedeutung, da sie den exis- schen Games-Branche bereits zu Beginn der Pandemie neue zur Wahrheit gehört eben auch, dass schaft stand vor dem Problem, dass tenziellen Druck für viele Unternehmen Rekorde vermeldet und diese später viele Games-Unternehmen  mit Covid--bedingte Drehunterbrechun- mildern können. immer wieder übertroff en: Allein am Herausforderungen zu kämpfen hatten, gen nicht über Versicherungen abge- Auch auf die Frage, wie am Dreh- FELIX FALK . April  waren weltweit über , wie Projektverschiebungen, Zurück- deckt werden. Jeder weitere Drehtag ort zu verfahren ist, entwickelte die Millionen Menschen gleichzeitig auf stellungen von Investitionen oder dem wurde damit zu einem existenziellen Branche zügig eine Antwort. Die Pro- piele-Boom während der Pan- der Plattform aktiv. Wegbrechen von Finanzierungsquel- Risiko für Produzentinnen und Pro- duzentenallianz brachte dazu bereits demie« oder »Corona hebt Auch der Blick auf die Umsatzzah- len. Ausgefallene Events führten zu duzenten, denn der überwiegend von im Mai  einen Leitfadenentwurf Gaming-Aktien auf ein neues len zeigt, dass Millionen Menschen ge- deutlich weniger Austausch mit der kleinen und mittleren Unternehmen ein, damit Produktionen unter strengen S Level« – so lauteten im ver- spielt haben, um der Pandemie »spie- Community, Geschäftspartnern und geprägten Branche fehlt das fi nanzielle hygienischen Aufl agen weiterlaufen gangenen Jahr viele der Überschriften lerisch« zu entfl iehen. In Deutschland Finanzierern. Die negativen Eff ekte Fundament, um solche Risiken allein können. Teile dieses Leitfadens wur- von Artikeln, die von Gaming während ist der Markt allein im ersten Halbjahr drohen zudem erst verzögert beson- zu schultern. Kurzfristig verhandelte den schließlich von der Berufsgenos- der Coronakrise handelten. Es war von  um  Prozent auf , Milliar- ders sichtbar zu werden. Unterstützungsleistungen mit den Sen- senschaft Energie Textil Elektro Me- Nutzerrekorden und steigenden Um- den Euro gewachsen. Selbst für den Gerade in der klein- bis mittelstän- dern sollten zudem nicht unverändert dienerzeugnisse (BG ETEM) in ihren satzzahlen die Rede. Schnell entstand an Wachstum gewöhnten Markt eine disch geprägten deutschen Games- fortwähren. Arbeitsschutzstandard übernommen. der Eindruck, dass die Games-Branche besonders starke Entwicklung. Branche konnten außerdem nur we- Verglichen mit dieser Ausgangs- Dieser Arbeitsschutzstandard wird einer der großen Profi teure der Co- Also, alle bestens? Fast. Die Games- nige Studios von den Milliardenum- situation im Frühjahr  hat sich seither immer wieder an die aktuelle rona-Pandemie sei. Doch ist sie das Branche ist mit ihrer Widerstandsfä- sätzen weltweit profi tieren. Deshalb ist inzwischen – auch durch das Engage- Situation angepasst und gibt Produzen- wirklich? Ganz so einfach ist es nicht. higkeit, Innovationskraft und Flexibili- es weiterhin von höchster Bedeutung, ment der Produzentenallianz – einiges tinnen und Produzenten eine wichtige Außer Frage steht, dass im vergan- tät besser als viele andere Wirtschafts- dass wir als Games-Standort Deutsch- bewegt. Bereits Ende März erreichte Orientierung bei der Planung von Pro- genen Jahr mehr Menschen Computer- zweige durch die Krise gekommen. land international aufholen. Die jüngst die Produzentenallianz im Rahmen duktionen unter besonderen hygieni- und Videospiele gespielt haben als je Dabei hat sicherlich geholfen, dass eingeführte Games-Förderung des kurzfristig angesetzter und virtuell schen Sicherheitsmaßnahmen. zuvor. Durch das gemeinsame Spielen Games als einziges Medium schon Bundes ist hierfür ein entscheiden- stattgefundener Tarifverhandlungen Insgesamt konnte in den vergan- sind Freunde und Familien in Kontakt immer digital waren. der Faktor. mit der Dienstleistungsgewerkschaft genen Monaten also einiges für die geblieben. Sie haben sich beim Spiel Die Innovationskraft zeigt sich bei- Die Corona-Pandemie hat also an- ver.di sowie dem Bundesverband Schau- Produktionswirtschaft in Deutschland mit Gleichgesinnten ausgetauscht, spielsweise an der gamescom, die  dere Bereiche der Kultur- und Krea- spiel Bühne, Film, Fernsehen, Sprache erreicht werden, was dazu geführt hat, konnten trotz Ausgangssperren den als eines der wenigen internationalen tivwirtschaft härter getroff en als die (BFFS) einen wichtigen Meilenstein: dass wieder deutlich mehr produziert eigenen vier Wänden zumindest digi- Mega-Events komplett digital stattge- Games-Branche. Doch auch an ihr geht einen branchenbezogenen Kurzarbeits- wird als noch zu Beginn der Pandemie. tal entfl iehen und trotz abgesagter Ur- funden hat. Obwohl die Hunderttau- sie nicht folgenlos vorbei. Trotzdem ist Tarifvertrag für Filmproduktionen und Wir sind jedoch längst nicht über den laubsreisen fremde Welten entdecken. senden Menschen vor Ort in Köln fehl- es richtig, den Blick weiter nach vorn Filmproduktionsunternehmen. Berg. Die Filmförderungsanstalt des Die Weltgesundheitsorganisation ten, verfolgten Millionen gamescom- zu richten, Neues zu probieren und Zudem intensivierte die Produk- Bundes, die Sender und die Verleiher WHO hat bereits im März  pro- Fans aus über  Ländern das digitale mutig zu sein, um gestärkt aus der Kri- tionswirtschaft die Forderung nach haben infolge der Covid--Pandemie minent dafür geworben, zu Hause zu Programm. Weitere Beispiele für die se hervorzugehen. Die Games-Branche einem Ausfallfonds, der Produktions- mit knappen Mitteln zu kämpfen, wes- bleiben und gemeinsam Games zu Innovationskraft sind digitale Spiele spielt dabei ganz vorne mit. unternehmen im Falle coronabeding- halb die Finanzierung ausreichend bud- spielen. Und das taten die Menschen. im Bereich der digitalen Bildung, das ter Drehunterbrechungen unterstützt. getierter Filme schwieriger geworden In Deutschland hat rund ein Viertel Aufbauen engagierter Communities Felix Falk ist Geschäftsführer des Ein Ergebnis davon war die Einrichtung ist. Und wie der neuerliche Lockdown der Gaming-Fans häufi ger mit Familie oder das Ausleben von künstlerischer game – Verband der deutschen Games- des Ausfallfonds I durch den Bund im zeigt, bleibt die Situation für Unter- und Freunden gespielt. Die weltgrößte Kreativität im digitalen Raum. Branche Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 33

Prognose für das zweite Pandemiejahr: dereinführung der ermäßigten Umsatz-  Prozent. Betroff en ist auch das Per- steuer. Darüber hinaus sind bessere Inf- Lights on – Unlock! sonal, das sich fast durchweg in Kurz- rastrukturen für die Revitalisierung des arbeit befi ndet. Galerien werden nun gesamten Kulturmarktes im Rahmen Deutsche Galerien und Kunsthändler Überbrückungshilfe III beantragen, die eines Masterplanes nötig. Etwa durch bei Umsatzverlusten greift. Doch der die Erhöhung des Bundeszuschusses KRISTIAN JARMUSCHEK UND Gang gebracht werden – und das ist rein tung Kunstfonds. Für rund  Galerien Zuschuss zu den Fixkosten ist nur ein zur Künstlersozialkasse bei gleichzei- BIRGIT MARIA STURM digital kaum möglich. ist die Finanzierung mindestens einer Tropfen auf den heißen Stein. Es bedarf tiger Deckelung der Verwerterabgabe Alle Events, die für Publizität und zur Ausstellung gesichert – das Programm also zusätzlich eines veritablen Investi- auf maximal drei Prozent. alerien trotzen der kulturel- Verkaufsanbahnung notwendig sind – kommt also auch den Künstlern zugute. tionsprogramms. Ansonsten: Lockdown In diesen Masterplan sollten Anrei- len Verödung in der Pandemie Kunstmessen, Biennalen, Vernissagen, Das NEUSTART-Investitionspro- geht, Knockdown kommt, Dauerdown ze für den »Kulturkonsum« einfl ießen, G mithilfe digitaler Formate zur Atelierbesuche, Meetings mit Sammlern gramm kam für Galerien ebenfalls in bleibt. damit die Kulturwirtschaft wieder auf Präsentation ihres Programms. Und das und andere kommunikative Akte – wur- Betracht. Es bot die Finanzierung von Der deutsche Kunstmarkt wurde in die Beine kommt. Der Kauf von Kunst- Licht bleibt an! Mit oft großen Fenster- den abgesagt, verschoben, auf fast null Hard- und Software für digitale Kunst- den letzten Jahren mit rigorosen Ge- werken und Büchern, Tickets für Kon- fronten ermöglichen sie dem Kunst- reduziert. Den Galeristen ist die Berufs- vermittlung, die jetzt so notwendig ge- setzen, bürokratischem Ballast und zerte, Museen, Kinos und Theater, für freund im kalten Lockdown wenigstens ausübung quasi unmöglich geworden, worden ist. Jedoch wurden Galerien zu- Abgabepfl ichten überschwemmt. Ös- Gestreamtes und live Erlebtes: All dies von der Straße aus einen Blick in ihre auch wenn sie im letzten Jahr ein paar hauf abgelehnt, weil sie nicht als GmbH terreich zeigt, wie das nötige Empow- sollte steuerlich absetzbar sein – wie Ausstellungen. Monate öff nen durften. Hier werden die oder GbR fi rmieren. Das Förderkonzept erment durch Politik geht. Dort wurde Werbungskosten oder Handwerker- Doch die Galerienszene ist insge- Defi zite der November- und Dezember- ließ außer Acht, dass im Kunstmarkt die Mehrwertsteuer für gewerbliche rechnungen. Kultur wird nämlich von samt beschädigt. Im Kunstmarkt sind hilfen off enbar. Denn der Kreis der »in- überwiegend Einzelkaufleute tätig Kunstverkäufe auf sagenhafte fünf ALLEN, Jung und Alt, Arm und Reich, primär die Auktionshäuser ohne Bles- direkt« vom Lockdown betroff enen Un- sind: über  Prozent. Ein hilfreiches Prozent gesenkt. Galerien hierzulande konsumiert. Wo aber Konsum ist, da suren durch die Krise gekommen, denn ternehmen wurde so eng defi niert, dass Programm wurde durch eine sinnlose sind mit  Prozent Besteuerung jetzt wächst die Produktion auch. Und die- sie handeln mit etablierter Kunst und in Existenznot geratene Galerien durch Formalie konterkariert. Hier ist drin- einem noch krasseren Wettbewerb in se Produktion – KULTUR – wollen wir sind im Online-Handel schon lange das Netz dieser Wirtschaftshilfe fallen. gend Nachbesserung nötig, denn der der EU ausgesetzt. Die Chance, die- endlich wieder sehen. erfahren. Das Galerienförderprogramm aus Ausschluss von Galerien ohne Rechts- ses Thema in der Ratspräsidentschaft Relevanz und Wert eines Kunstwer- dem Projekt NEUSTART KULTUR der form ist schlicht diskriminierend. auf die Agenda zu setzen, wurde von Kristian Jarmuschek ist Vorsitzender kes von Beuys stehen außer Frage. Bei Kulturstaatsministerin ist im zweiten Unsere Galerienstudie hatte bereits Deutschland verspielt. und Birgit Maria Sturm ist Geschäfts- jungen, unbekannten Künstlern muss Jahr der Pandemie eine große Hilfe – für  einen durchschnittlichen Um- Unser Mantra – weil es für Galerien führerin des Bundesverbandes Deut- dieser Prozess durch Galerien erst in und erstklassig organisiert von der Stif- satzrückgang von  Prozent ermittelt. am wichtigsten ist – bleibt: Die Wie- scher Galerien und Kunsthändler

Wir brauchen geöffnete geistige Tankstellen

Die Situation im unsere Gesellschaft kann nicht mehr Zwar nutzen viele Menschen die Lie- kann solche Einschränkungen nicht auf möglich wieder öff nen dürfen – unter Buchhandel länger auf ihre geistigen Tankstel- fer- und Abholmöglichkeiten der Buch- Dauer stemmen. In vielen Fällen wird Einhaltung der bewährten Abstands- len verzichten. Deshalb brauchen wir handlungen oder bestellen online. Aber die Situation bald existenzbedrohend, und Hygieneregeln. Die Buchbran- jetzt eine Perspektive für eine bald- die Umsatzentwicklung zeigt, dass ein sodass Insolvenzen nicht auszuschlie- che unterstützt die Maßnahmen der ALEXANDER SKIPIS mögliche Wiedereröff nung der Buch- großer Teil der Käufe nicht getätigt ßen sind. Bundesregierung und der Länder von handlungen. wird: Im Januar  gingen die Umsät- Bund und Länder haben die Buch- Anfang an, ein konsequentes Vorge- n den vergangenen zwölf Monaten Die letzten Monate haben gezeigt, ze im stationären Handel um , Pro- branche im vergangenen Jahr mit So- hen ist richtig und notwendig, um das waren die Türen der Buchhand- wie groß gerade auch in Krisenzeiten zent zurück, selbst das Online-Geschäft forthilfen, Notfallkrediten und För- Coronavirus nachhaltig in den Griff zu lungen in den meisten Bundes- das Bedürfnis der Menschen nach Bü- und weitere Buchverkaufsstellen dazu derungen, etwa im Rahmen des von bekommen. Aber eine Öff nungsstrate- I ländern Deutschlands fast ein chern ist und welche unverzichtbare genommen, fehlen im Vergleich zum Kulturstaatsministerin Monika Grüt- gie, die die besondere Rolle des Buch- Drittel der Zeit über geschlossen. Rund Rolle die Buchhandlungen als Anbie- Vorjahresmonat , Prozent des Um- ters initiierten Programms NEUSTART handels berücksichtigt, ist jetzt für die  Wochen, in denen sich Menschen ter geistiger Grundversorgung spielen. satzes. Für die Buchhandlungen kommt KULTUR, unterstützt. Dafür sind wir Buchbranche wie für die Gesellschaft Bücher zwar liefern lassen oder sie Bücher geben Halt und bieten Orien- erschwerend hinzu, dass die Umsätze den Regierungen sehr dankbar. Verlage gleichermaßen wichtig, um gemein- kontaktlos abholen konnten, die Buch- tierung, sie helfen Menschen dabei, hinter verschlossener Ladentüre teuer und Buchhandlungen sind aber auch sam verantwortlich den Ausweg aus der handlungen als Ort des kulturellen und herausfordernde Zeiten zu durchstehen. erkauft sind: Die Bearbeitung von Be- weiterhin auf die Unterstützung der Po- Pandemie und die Zeit nach Corona ge- gesellschaftlichen Austauschs, der Sie sind in der Lage, Denkanstöße stellungen und die Organisation von litik angewiesen, um die fi nanziellen stalten zu können. Inspiration und Beratung aber nicht zu geben und die Debatten mitzuge- Abholservices und Bringdiensten er- Auswirkungen der Corona-Maßnahmen erreichbar waren. Das belastet nicht stalten, die unsere Gesellschaft gerade fordern deutlich mehr Ressourcen als überstehen zu können. Alexander Skipis ist Hauptgeschäfts- nur die Unternehmen der Buchbran- jetzt für die Zeit während und nach der das Ladengeschäft. Eine Branche, in der Worauf es aber vor allem ankommt, führer des Börsenvereins des Deut- che wirtschaftlich zunehmend – auch Pandemie führen muss. die Umsatzrenditen sehr gering sind, ist, dass Buchhandlungen so früh wie schen Buchhandels Analog geschlossen, digital offen Deutsche auf- und weiter ausgebaut und stehen der analogen Schließung mit digitalen Bibliotheken Bibliothekskunden jederzeit zur Ver- Angeboten über den kontaktlosen Be- fügung. Mit einem kostenlosen Probe- stell- und Abholservice, der begrenzba- Online-Ausweis können digitale Ange- ren Ausleihe und Rückgabe vor Ort, der BARBARA SCHLEIHAGEN bote befristet getestet werden. Im Jahr Öff nung von Arbeits- und Sitzplätzen  legte die »Onleihe« mit rund  bis zum Angebot analoger Veranstal- as Türschild »analog ge- Millionen Ausleihen in öff entlichen Bi- tungen mit Hygienekonzepten und di- schlossen, digital offen« auf bliotheken um , Prozent zu und die gitaler Kundenregistrierung reichen. D der Webseite des Verbundes Nutzerzahlen wuchsen um , Prozent. Für ihren personalintensiven Dienst- der Öff entlichen Bibliotheken Veranstaltungen fi nden online statt: leistungsbetrieb benötigen sie jedoch bringt die aktuelle Situation nicht nur Recherchetrainings für Schulklassen, planbare Öff nungsperspektiven und der Berliner, sondern fast aller öff ent- Bilderbuchkinos, Debattentraining, ausreichend Vorlaufzeit, um Besuchern lichen Bibliotheken auf den Punkt. Mit Spiele- und Bastelnachmittage, Work- jederzeit einen sicheren Aufenthalt zu dem verschärften Lockdown wurden shops zur Medien- und Datenkompe- ermöglichen. in fast allen Bundesländern öff entli- tenz oder Schreibwerkstatten. Einige Für eine Reihe von Bibliotheken che Bibliotheksgebäude für den Pu- Bibliotheken entwickelten sich auch erfolgten seitens der Träger bereits blikumsverkehr erneut geschlossen – digital zu »Dritten Orte« mit Treff s für Etatkürzungen in Höhe von  bis  wissenschaftliche Bibliotheken dürfen Senioren, Gesprächsgruppen für das Prozent. Der Deutsche Bibliotheks- fast überall den Leihbetrieb fortführen, Deutschlernen oder Buchklubs. verband (dbv) begrüßt die fi nanzielle

mancherorts beschränkt auf Prüfungs- In Zeiten von Homeschooling und Förderung der Bundesregierung durch HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: vorbereitungen. Ausnahmen bilden Homeoffi ce bleiben die analogen Bib- NEUSTART KULTUR, die viele Biblio- Auf dem Weg zur Arbeit über den Berliner Ku’damm, . April  Hamburg und Bremen, wo die Biblio- liotheksbestände wichtig: Dort, wo die theken in die Lage versetzt, digitale theken mit eingeschränkten Öff nungs- kontaktfreie Abholung vorbestellter Angebote auf- und auszubauen. Um Dennoch sollen alle Menschen ihre Bi- muss ihre schrittweise Öff nung als zeiten sowie begrenzter Personenan- Bücher und anderer Medien – »Click & dies fl ächendeckend zu ermöglichen, bliothek so bald wie möglich auch wie- außerschulische kulturelle Bildungs- zahl und Aufenthaltsdauer zugänglich Collect« – angeboten wird, wird es rege muss jedoch nochmals nachgelegt der als unterstützenden gesellschaft- einrichtung an die von Schulen und sind. Die der Risikogruppe zugehörigen genutzt. Die Rückgänge der Ausleih- werden. Bibliotheken werden damit als lichen Begegnungsort ihres Alltags Kitas gekoppelt sein. Sobald es die Ge- Mitarbeitenden wurden weitgehend aus zahlen liegen für  jedoch zwischen Einrichtungen resilienter und können nutzen können. Durch ihre vielfältige fährdungslage zulässt, muss auf dem dem Kundenservice abgezogen.  und  Prozent. unabhängig von physischer Öff nung Programm- und Veranstaltungsarbeit Türschild wieder »analog und digital Die digitalen Angebote – E-Books, Bibliotheken haben ihre vielfältigen ein noch vielfältigeres digitales Kul- ist sie essenziell für das kulturelle Le- off en« stehen. E-Audios, Lern- und Bildungskurse, Angebote je nach Infektionsgeschehen tur- und Bildungsangebot machen. Der ben in vielen Kommunen. Ihre wach- Zeitungen, Zeitschriften, Datenbanken, planbar und fl exibel an die lokalen Vor- dbv fordert, dieses Angebot mit einer sende Bedeutung als Treff punkt zeigt Barbara Schleihagen ist Bundes- Musik- oder Filmstreaming – wurden gaben angepasst. Dazu wurden Stufen- gesetzlichen Regelung auch für den sich in höheren Besucherzahlen und geschäftsführerin des Deutschen im letzten Jahr in vielen Bibliotheken modelle erarbeitet, die schrittweise von Verleih von e-Medien abzusichern. steigender Aufenthaltsdauer. Daher Bibliotheksverbandes 34 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

Kultur ist der Schlüssel Die Coronakrise wirkt wie ein Brenn- den Fokus auf aktuelle Herausforde- Besuchern als auch Mitarbeiterinnen muss der aktuelle Vorschlag, die Öff - Museen bringen wieder glas, sie verschärft bestehende Her- rungen zu legen und eine Öff nungs- und Mitarbeitern einen sicheren Auf- nung von Kultureinrichtungen an die Leben in den öff entlichen ausforderungen für Museen und löst perspektive für die Museen zu fordern. enthalt. Dies belegen auch Studien, wie Wiederöff nung des Handels und der Raum wichtige Debatten aus, wie die Frage Dabei hat die Gesundheit der Bevölke- die aktuelle Modellberechnung der Gastronomie zu koppeln, noch einmal nach der gesellschaftlichen Rolle der rung selbstverständlich oberste Prio- Technischen Universität Berlin (siehe geprüft werden. SYLVIA WILLKOMM Museen, aber auch des gesamten Kul- rität. Wir sind jedoch überzeugt, dass bit.ly/dHqx). Forscher des Hermann- Es geht schließlich um weit mehr als turbereichs. Wir haben erlebt, dass der Museen keine Orte mit einem erhöhten Rietschel-Instituts haben für verschie- um die schnellstmögliche Wiedereröff - ie aktuelle Schließung der gesamte Kultursektor von der Politik Infektionsrisiko sind. dene Innenräume eine Ansteckungsrate nung der Kulturinstitutionen. Es geht Kultureinrichtungen bedeu- als Freizeitbereich subsumiert wird. Museen können, wie viele andere berechnet. um die Frage, wie wir in Zukunft leben tet für die Museen jeden Tag Viel zu oft werden Kultureinrichtun- Kultureinrichtungen auch, auf lang- Das Ergebnis belegt – bei der Ein- wollen. Denn nach der Krise wird es D eine weitere Verschärfung gen auf eine unterhaltende Funktion jährige Erfahrungen beim Besucher- haltung von strengen Hygiene- und Ab- eine Diskussion geben, wie wir wieder ihrer seit Monaten angespannten Situ- reduziert und erfahren nicht die ange- management zurückgreifen, sie bieten standsregeln – für u. a. Museen, Opern Leben in die Städte und Gemeinden, in ation. Viele Häuser sind wegen ausblei- messene Wertschätzung. Dabei sind sie vielfach Online-Tickets für festgelegte und Theater eine geringe Ansteckungs- den öff entlichen Raum bringen, wie wir bender Einnahmen in ihrer Existenz be- als Erlebnis- und Bildungsorte für eine Zeitfenster, eine Begrenzung der Besu- rate. Wir fordern von den politischen wieder eine lebendige Gemeinschaft droht, Planungsunsicherheit behindert positive gesellschaftliche Entwicklung cherzahlen, verfügen über große Räu- Entscheidungsträgern, diese Daten bei fördern. Und ein Schlüssel dafür heißt: wichtige Arbeitsprozesse, und fehlende unverzichtbar. me, kluge Wegführungen, Lüftungs- den Öffnungsstrategien zu berück- Kultur! Perspektiven stellen nicht nur Insti- Wir beobachten ein fehlendes Ver- anlagen. Mit strengen Abstands- und sichtigen und auch dem besonderen tutionen, sondern auch Menschen vor ständnis für die Rolle der Museen und Hygieneregeln sowie Maßnahmen zur Schutz der Kultureinrichtungen nach Sylvia Willkomm ist Leiterin der zunehmende Herausforderungen. Die ihre Aufgaben. Daher ist es unsere Ver- Kontaktnachverfolgung ermöglichen dem neuen Infektionsschutzgesetz Kommunikation des Deutschen Lage ist ernst. antwortung, Lobbyarbeit zu betreiben, Museen sowohl Besucherinnen und Rechnung zu tragen. In diesem Sinne Museumsbundes Ein Auf und Ab Wann dürfen soziokulturelle Zentren wieder öff nen?

HEIKE HEROLD UND GEORG es schwer mit der digitalen Teilhabe. sprechende Verträge abzuschließen, die Richtlinien und weitere Finanzmittel gesamten Kulturbetrieb – war verant- HALUPCZOK Darüber hinaus wird die Zeit aber auch Häuser unter den geltenden Hygiene- notwendig sein, um adäquat handeln wortlich für die Infektionsverbreitung. genutzt, um Renovierungsarbeiten schutzbedingungen herzurichten und zu können. Die bisherigen Erfahrun- Und das soll auch so bleiben. as letzte Jahr war für die sozio- durchzuführen, die technische Infra- in Kontakt zu ihrem Publikum zu treten, gen mit den Hygienekonzepten sind kulturellen Zentren gekenn- struktur zu erneuern und zu ergänzen um Vertrauen für eine sichere Umge- gut und eff ektiv. Darauf kann aufgebaut Heike Herold und Georg Halupczok D zeichnet durch ein Auf und Ab, oder neue Konzepte für die weitere Ar- bung aufzubauen. Sollte es dafür Belüf- werden. Keines der soziokulturellen sind Vorstandsmitglieder des Bundes- durch ein »Fahren auf Sicht«. Nach ei- beit zu entwickeln. tungsanlagen brauchen, werden klare Zentren – und das gilt wohl für den verbandes Soziokultur nem ersten Lockdown folgte eine Phase Noch ist nicht absehbar, wann die der Teilöff nung im Sommer und Anfang soziokulturellen Zentren – und die Kul- Herbst , um dann ab November – tureinrichtungen insgesamt – wieder wie alle anderen Kultureinrichtungen öff nen können. Was fehlt und was die auch – für Besucherinnen und Besu- Situation für die Akteure so lähmend cher zu schließen. Aufgrund der nur macht, ist die mangelnde Planungssi- schleppend anlaufenden Impfungen cherheit. Solange es keine ausreichen- und der neu aufgetretenen Mutationen de Impfquote, keine funktionierende des Virus herrscht Unsicherheit darüber, Kontaktverfolgung, keine fl ächende- wann und unter welchen Bedingungen ckend verfügbaren Schnelltests und mit einer Aufhebung des zweiten Lock- keine wirkungsvollen Maßnahmen downs gerechnet werden kann. gegen die unberechenbare Entwicklung Bisher hat es glücklicherweise noch von Covid-Mutation gibt, ist das beste keine signifi kant auftretenden Insol- Mittel die Kontaktreduktion, das haben venzen bei soziokulturellen Zentren ge- wir gelernt. Wir stehen hinter diesen geben. Fördermaßnahmen des Bundes, Maßnahmen. Damit die Gesellschaft der Länder und der Kommunen haben aber nicht weiter auseinanderbricht dazu nicht unwesentlich beigetragen. und die kulturelle Infrastruktur erhal- Festzuhalten ist dabei, dass nur ein ge- ten bleibt, wird endlich ein Stufenplan ringer Teil der soziokulturellen Zentren notwendig und zwar nach überall in tatsächlich komplett geschlossen ha- Deutschland einheitlich angewendeten ben. Der überwiegende Teil ist für das Kriterien. Publikum zwar persönlich nicht mehr Für die soziokulturellen Zentren erreichbar, aber mit digitalen Diskus- bedeutet das, Honorarbeschäftig- sionen, Workshops, Blogs, Streamings, te – Technikerinnen und Techniker, Podcasts und ähnlichen Formaten wird Künstlerinnen und Künstler, Kultur- weiterhin Kontakt zum Publikum und vermittlerinnen und -vermittler und

zu den Nutzerinnen und Nutzern ge- viele mehr – bald wieder anzuheuern, HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: halten. Allein die inklusive Arbeit hat Veranstaltungen zu planen und ent- Extinction-Rebellion-Aktion unter Aufl age der Corona-Regeln am Pariser Platz, . Mai 

verfolgt werden, der Kooperationen der Krisengebeutelte Kulturelle Bildung Kulturellen Bildung mit Kitas, Schulen, Vereinen etc. dauerhaft fördert und in- frastrukturell angemessen ausstattet. nachhaltig stützen Dies kann nur in ressortübergreifenden Allianzen gelingen. Dieser Ausbau zu nachhaltigen Viele Organisationen sind wurde nicht fl ankiert durch einen ent- auch die Bundesvereinigung kulturelle Notleidenden zunächst nicht um Quer- Strukturen sollte dem digitalen Wan- existenziell bedroht sprechenden infrastrukturellen Ausbau. Kinder- und Jugendbildung (bkj), die schnittsbereiche, sondern vor allem um del Rechnung tragen: Auch kulturelle Theater, Museen und Bibliotheken der ihre »ureigenen« Strukturen kümmern. Bildungseinrichtungen und Vereine SUSANNE KEUCHEL Politik vor den Schulschließungen im benötigen in Analogie zum Digital- Bedrohung an verschiedenen November letzten Jahres angeboten. pakt Schule eine Digitalallianz Bildung, Fronten Forderungen an Politik ine bittere Erkenntnis der Kri- Die projektspezifi sche Expansion die neben Technik und Administrati- se ist: Die Belange der Kinder Daher sind aktuell viele Organisatio- hatte zudem viele zeitlich befristete Zu wünschen ist also keine Rückkehr on, Fortbildungen und Freiraum zur und Jugendlichen haben in nen existenziell bedroht, da sie durch und freie Arbeitsverhältnisse zur Folge, zum Prä-Corona-Zustand, sondern aus Entwicklung neuer Formate fördert. E unserer Gesellschaft oft keine das Raster der Rettungsschirme fallen, die nun ebenfalls durch Rettungsraster der Krise zu lernen und Kulturelle Bil- Ziel sollte eine zeitgemäße Kulturel- Stimme. Eine weitere: Dies gilt off enbar aufgrund ihrer Mischfi nanzierung aus fallen, beispielsweise nicht über Kurz- dung krisenfest aufzustellen. le Bildung sein, die alle Kinder und in Krisenzeiten auch für Kulturelle Bil- infrastrukturellen, projektspezifi schen arbeit abgesichert werden können. Der Der Dschungel projektspezifi schen Jugendlichen erreicht: Denn es gilt dung und das entgegen dem Trend der Fördermitteln und der Erwirtschaftung fehlende Beschäftigungsmarkt führt Auswuchses ist in eine fl ächendeckende, einen Beitrag zur Generationenge- letzten Jahre, wo sich unterschiedliche von Eigenmitteln. aktuell zu einer Umorientierung vie- nachhaltige kulturelle Bildungsland- rechtigkeit zu leisten, angesichts der Ressorts auf Bundes-, Landes- und kom- Die Kooperationen mit Schulen sind ler Freischaff ender. Damit besteht die schaft zu überführen. Dies bedingt ei- enormen Belastungen von Kindern, munaler Ebene vielfach engagiert haben vielfach eingefroren, was paradox ist, Gefahr, eine Vielzahl an qualifi zierten nen politischen Paradigmenwechsel in Jugendlichen und Familien in der ak- für den Ausbau des Ganztags, Bildungs- verfügen doch kulturelle Bildungsein- Kräften zu verlieren. der Förderung: Statt Eltern über Gebüh- tuellen Krise. gerechtigkeit, Diversität, Demokratie richtungen über Räume und Personal, Auch die fördertechnische Veranke- ren an der Mitfi nanzierung des Musik- und vieles mehr. Allerdings wurde dies die in der Krise hätten genutzt werden rung in verschiedenen Ressorts gereicht instrumentenunterrichts, des Kinder- Susanne Keuchel ist Vorsitzende der in Form zeitlich befristeter Förder- können, um analoges Lernen in kleinen der Kulturellen Bildung aktuell eher zum theaterbesuchs etc. zu beteiligen, sollte Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- programme umgesetzt – der immense Schülergruppen unter Hygieneschutz- Nachteil, da beobachtet werden kann, ein gemeinwohlorientierter Ansatz im und Jugendbildung und Präsidentin Zuwachs an Projekten und Aufgaben konzepten zu ermöglichen. So hatten es dass sich Ressorts bei der Vielzahl an Sinne der kulturellen Daseinsvorsorge des Deutschen Kulturrates Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 35

Sich neu und anders erfinden Zur zwiespältigen Situation der Designwirtschaft

BORIS KOCHAN eingesetzt, der nicht nur die Design- wirtschaft relevant schwächen wird. eniger. Langsamer. Nach- Sondern tiefe Spuren überall da hinter- haltiger. Bewusster. Per- lassen wird, wo Design als fundamen- W sönlicher.« So beschreibt taler Bestandteil der Strategie, als we- der Münchner Modedesigner Adrian sentliches Element für betriebsinterne Runhof seine Folgerungen aus Pande- oder -übergreifende Kooperation, zur mie und Lockdown und kündigt eine alleinstellenden Positionierung wie erstmals im Sommer erscheinende als kulturell-methodischer Ansatz be- Kollektion »in limitierter Aufl age, in griff en wird. Also eigentlich überall da, entspannter Preislage und in zeitlo- wo Unternehmen, Organisationen und sem Design« an, die jeden Sale – zu- Institutionen sich erfolgreich im Wett- mal mitten in der Saison – überfl üssig bewerb bewegen – Apple lässt grüßen. macht. »Und erst wenn diese Kollektion Dabei befindet sich die Branche verkauft ist, machen wir die nächste.« durchaus in einem Zwiespalt – ist sie Mit diesen wenigen Zeilen lässt sich doch gewohnt mit Unvorhergesehe- die gesamte Bandbreite tiefgreifender nem und komplexen Problemlagen Problemlagen und pragmatisch-krea- umzugehen. Und sich immer wieder tiver Lösungsorientierung der Design- neu und anders zu erfi nden. Dies ge- wirtschaft erahnen. Das seit Gründung lingt auch in dieser weltweit einmali- im Jahr  weltweit äußerst erfolg- gen Krise einigen – siehe Talbot Run- reiche Modelabel »Talbot Runhof« hof. Für viele andere ist die aktuelle fertigt seine Kollektionen in eigenen Gesamtlage wie auch die Perspektive Ateliers in Deutschland – die Abend- allerdings – mehr als unverschuldet! mode wird unter anderem von Lady – derart desolat, dass es endlich eine Gaga, Angelina Jolie, Anna Netrebko branchenspezifi sche Berücksichtigung und Julia Roberts getragen. Die Krise der Kultur- und Kreativwirtschaft auch zwingt auch ein derart renommiertes bei den Unterstützungsprogrammen und international vernetztes Design- des Bundesministeriums für Wirtschaft unternehmen zum neu denken – und und Energie (BMWi) braucht. Ein Spit- zwar weit über den Tag hinaus. zengespräch mit Peter Altmaier wur- Die ihre Produkte selbst oder über de vielfach eingefordert – hoff entlich Händler vertreibenden Labels und war die Zusage an die Präsidentin des Studios beschäftigen nur einen über- Deutschen Kulturrates, Susanne Keu- schaubaren Teil der rund . De- chel, beim letzten Wirtschaftsgipfel signerinnen und Designer in Deutsch- nicht nur ein Lippenbekenntnis. land, die weitaus überwiegende Zahl Denn neben der pandemiebeding- ist entweder soloselbständig-freiberuf- ten Wirtschaftskrise sind die schon lich oder in den . überwiegend vorher für die Designbranche mehr als kleinen oder mittleren Designbüros prägenden Herausforderungen Digita- unterschiedlichster Ausrichtung und lisierung, Klimakrise und Globalisie- Kommunikations- und Produktdesig- rung Aufgabe genug. Nur ein kleines nagenturen tätig. Nur wenige profi tie- Beispiel: In den kommenden Jahren ren vom Online-, Game- und Versand- werden immer mehr Designlabels ihre boom, die weitaus überwiegende An- Kollektionen digital entwerfen – vor zahl beklagt – erwartungsgemäß und allem für die Nutzung in virtuellen vom Designtag bereits im Mai  Showrooms. vorausgesagt – sich steigernde, sehr Mit CGI-Models wird es möglich,

erhebliche Einbußen. Die allermeis- Kleider mit nur einem Klick auf die HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: ten Soloselbständigen bestätigen eine virtuellen Charaktere zu ziehen. Das Friseur zu Hause vor der Kontaktbeschränkung, . März  Honorarrückgang eher oberhalb von  ist natürlich deutlich umweltscho- Prozent, bei den klein- und mittelstän- nender und krisenflexibler als die unterstützen Design-Innovationen – systemrelevant anerkannten, gerne und nachhaltiger und bewusster und dischen Unternehmen liegt der Rück- komplexen Prozesse von Musterwa- ohne allzu komplizierte Antragswege multinational agierenden Konzer- persönlicher. gang im Durchschnitt bei mindestens re, Models, Fotografi e usw. Und sehr und -bedingungen. Eigentlich wäre ne heruntersteigen würde. Denn die  Prozent. Diese Größenordnung wird schnell kommunizierbar auf Instagram es ganz einfach, wenn, ja wenn nur Zukunft ist nicht schneller, größer, Boris Kochan ist Präsident des Deut- von den Ergebnissen der von Ernst & und Co. Andere Länder fördern solche die Wirtschaftsförderung vom hohen weiter – sondern kleiner und weniger, schen Designtages und Vizepräsident Young im Auftrag von  der größten Entwicklungen gerade jetzt massiv und Förderungsross der früher als einzig näher und direkter, nachdenklicher des Deutschen Kulturrates europäischen Verwertungsgesellschaf- ten herausgegebenen Studie »Rebuil- ding Europe« und dem von der Prognos AG veröff entlichten Themendossier zur Betroff enheit der Kultur- und Krea- tivwirtschaft bestätigt. Und auch die Bitte bloß nicht zurück zur Normalität Perspektiven sind düster – das für viele schon nicht auskömmliche Honorar- Über ethisch vertretbare cher Forschung, sondern mehr denn je Design ist Wirtschaft ist nicht zukunftsfähig. Durch neue niveau von  wird sich sicher nicht Zukunftsvisionen fordert die Öff entlichkeit Problemlö- Für das durch die Coronakrise geprägte Formen der Wissensproduktion und in  und wohl auch nicht in  sungen durch politisch-institutionelle Jahr  gehen laut Monitoringbe- gesellschaftlicher Teilhabe können wieder herstellen lassen. Akteure. richt der Kultur- und Kreativwirtschaft Kultur, Bildung, Wissenschaftler, Un- Eine nicht unerhebliche Zahl von STEFAN ECKSTEIN die Umsatzprognosen in der Design- ternehmen und Zivilgesellschaft der Freiberufl ern hat – zumindest bis auf Design ist Impulsgeber wirtschaft von einem Minus von bis Politik Prototypen liefern, auf deren weiteres – aufgegeben und sich umo- edediah Purdy, amerikanischer Es ist uns abhandengekommen – das zu  Prozent aus. Eine Blitzumfrage Basis neue Lösungsansätze entwickelt rientiert. Viele konnten aufgrund noch Jurist und Autor, beschreibt in gemeinsame Denken und Agieren von unter VDID-Mitgliedern ergab, dass werden können. Design schaff t durch zu Ende zu führender Aufträge und seinem aktuellen Buch »Die Welt Designern, Ingenieuren, Stadtplanern Aufträge entweder auf unbestimmte mutige Entwürfe der Zukunft neue ausstehender Zahlungen, fi nanzieller J und wir«, wie eine am Gemein- und Wissenschaftlern über die Welt Zeit verschoben oder ganz gestrichen Realitäten in unserer Welt. Rücklagen und großer Sparsamkeit wohl orientierte Politik sich fragen von morgen. Einerseits entstehen wurden. Auch eingeschränkte Akqui- im letzten Jahr überleben. Das föde- muss, was sie unter Wohlstand ver- unter ethisch-kulturellen Aspekten semöglichkeiten lassen viele Designer Politik ist Design ralistische Überbrückungshilfe-Chaos steht und woran sie den Wert des Visionen, wie der Verband Deutscher am Fortbestand ihrer Unternehmen Wir benötigen Visionen. Wir benötigen – wohne in Hamburg und nicht in Nie- Lebens bemessen will. Obwohl es in Industrie Designer e.V. (VDID) in sei- zweifeln. Aber für unsere Zukunft sind neue Denkstrukturen, die nicht nur die dersachsen! – hat trotz allem einigen diesem Buch um amerikanische Land- nem ethischen Manifest der Indust- motivierte und leistungsfähige kre- Technologie, sondern den Menschen in Soloselbständigen geholfen, aber die schaften geht, lassen sich vor allem die riedesigner proklamiert, andererseits ative Menschen wichtig. Die Lage ist den Mittelpunkt stellen, denn die Erde weit überwiegende Zahl von Gestal- geschichts- und gesellschaftstheoreti- schaff en Unternehmen neue techni- mehr als prekär! wird von uns allen genutzt. Wir brau- tern geht bis heute leer aus. Oder er- schen Überlegungen zu einem lebens- sche Realitäten. chen den Willen der Politik, Zukunft zu hält Hilfen, die zum Leben gerade in werten Planeten auf den Rest der Welt Designern kommen als Impuls- Design ist Politik gestalten und nicht darauf zu setzen, den designaffi nen und -förderlichen übertragen. gebern und Kommunikatoren in Zu- Designer entwerfen nicht nur Ge- dass alles so wie vor Corona wird! Die Metropolen bei weitem nicht reichen. Weltweit gibt es eine immer größer sammenarbeit mit Unternehmen und genstände, sondern initiieren und Zukunft des Designs ist die Zukunft Ein schwer verdaulicher Exodus von werdende Bereitschaft, sich dem Pro- Wissenschaftlern die Aufgabe des begleiten gesellschaftliche und wirt- der Gesellschaft. Kompetenz ist kein Szenario mehr, blem des Klimawandels und den Her- Hinterfragens und Aufzeigens zu, um schaftliche Transformationsprozesse. sondern Wirklichkeit. Auch bei den ausforderungen sozialer Art zu stellen. ethisch vertretbare Zukunftsvisionen Welcher Wandel ist notwendig? Wie Stefan Eckstein ist Präsident des Designunternehmen hat ein lang- Unsere zukünftigen Lebensstile sind zu gestalten und gegenüber der Politik kann ein zukünftiges Gesellschafts- Verbandes Deutscher Industrie währender Substanz- und Wertverlust nicht nur Gegenstand wissenschaftli- sichtbar zu machen. modell aussehen, denn unser heutiges Designer 36 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

schwierigen sozialen Verhältnissen und alte Menschen durchaus bereit, das mit Migrationshintergrund. Risiko einer möglicherweise tödlichen Nutzen-Risiko-Abwägung Schließlich dürfen auch subtilere, Covid--Infektion einzugehen, wenn schwer quantifi zierbare, gleichwohl sie dafür weiter den für sie Lebenssinn Psychische Folgen der als normale menschliche Reaktionen durchgeführte repräsentative Befra- für Lebenssinn und Lebensfreude sehr stiftenden regelmäßigen Kontakt mit Maßnahmen gegen Corona auf die belastende Lebenssituation an- gung von Kindern und Jugendlichen – bedeutsame psychische Folgen nicht ihren Kindern und Enkelkindern pfl e- zusehen sind. Selbst im Juni/Juli , COPSY-Studie, befragt wurden mehr als vergessen werden. Ein anhaltendes, gen könnten. nach Beendigung des ersten Lockdowns, . Kinder und Jugendliche zwischen diff uses Bedrohungsgefühl, Verlust an Bezüglich der krankheitsbezogenen ULRICH HEGERL fühlten sich noch  Prozent der be-  und  Jahre sowie mehr als . El- Vertrautheit im zwischenmenschlichen Folgen der Maßnahmen gegen Coro- fragten Allgemeinbevölkerung bedrückt. tern – ergab bei einem hohen Anteil der Umgang, Verschiebungen im Selbst- na wäre ein Abwägen leichter. Es wird m Rahmen der Corona-Pandemie Vermehrte depressive Symptome wie Befragten Hinweise auf eine reduzierte verständnis als freier Mensch in einer in diesem Bereich sozusagen mit der standen und stehen die Politiker Ängste, Sorgen und Stress wurden in Lebensqualität (> %), auf psychische freien Gesellschaft, Einschränkung gleichen Währung gehandelt, da Leid vor der Aufgabe, auf unsicherer zahlreichen weiteren Befragungen Auff älligkeiten (ca. %) und auf eine des Zugangs zu Kultur und fröhlicher und Tod mit Leid und Tod verglichen I Datenbasis weitreichende, Leben berichtet. Besonders betroff en sind massive Verschlechterung des Gesund- Geselligkeit sind Beispiele. Je nach wird. Die Sorge ist, dass selbst hier und Tod der Bevölkerung betreff ende oft auch Kunst- und Kulturschaff ende, heitsverhaltens – Ernährung, Sport. Lebenssituation und Persönlichkeit dieses Abwägen nicht mit der nötigen Entscheidungen treffen zu müssen. die verzweifelt vor den Scherben ihrer Zehnmal so viele Menschen wie vor der gibt es jedoch nicht wenige Menschen, Sorgfalt und Systematik geschieht. Wie Hauptziel dieser Maßnahmen war berufl ichen Lebensplanungen stehen. Pandemie machen überhaupt keinen die der Coronakrise auch Positives oben dargestellt, hat die Hälfte der , anfangs, das Infektionsgeschehen zu Eine im Dezember /Januar  Sport mehr. Besonders massiv betroff en abgewinnen können. Stichworte sind Millionen Menschen, die jedes Jahr strecken – »fl atten the curve« –, um so im Rahmen einer Längsschnittstudie sind die Kinder und Jugendlichen aus hier Entschleunigung, Konzentrieren an einer behandlungsbedürftigen De- zusätzliche Corona-Tote infolge einer auf das Wesentliche im Leben oder pression erkranken, über eine deutliche Überforderung des Gesundheitssystems die Chance für neue Erfahrungen. Bei Verschlechterung ihrer medizinischen zu vermeiden. Dies ist weitgehend ge- der Befragung der Stiftung Deutsche Versorgung berichtet. Hier wäre es un- lungen und die bisherigen Corona- Depressionshilfe gaben immerhin  erlässlich, dass gezielt Daten erhoben Toten sind trotz guter medizinischer Prozent an, den Frühling während des und vorhandene zusammengetragen Versorgung zu beklagen. Nun tritt als ersten Lockdowns bewusster erlebt zu werden, um das dadurch verursachte zweites Ziel der Zeitgewinn in den haben. Ausmaß an Leid und Tod schätzen zu Vordergrund, da durch Impfungen und Wie lassen sich nun diese beispiel- können. Gleiches gilt natürlich für die verbesserte Behandlungsmöglichkei- haft dargestellten psychischen Fol- vielen anderen Bereiche der Medizin, ten nun viel Leid und Tod vermieden gen der Corona-Maßnahmen in ein in denen über negative gesundheitli- werden kann. Verhältnis zu dem erhoff ten Nutzen che Auswirkungen der Maßnahmen Anders als bisweilen formuliert setzen? Dies ist die zentrale Frage, die gegen Corona berichtet worden ist. wird, gibt es jedoch kein »auf Nummer wie ein rosa Elefant im Raum steht. Oft Hierfür wäre eine regelmäßig tagende sicher gehen«. Ein Arzt, der bei einer wird dieser Frage mit der Feststellung Expertengruppe aus Medizinern ver- Nierenentzündung »auf Nummer sicher ausgewichen, das lasse sich nicht ge- schiedener Fachbereiche, Psychologen, geht«, die Antibiotika sehr hoch dosiert, geneinander aufrechnen oder sie wird Epidemiologen, Soziologen und Ge- dabei aber die Leber schädigt, würde gar nicht erst gestellt. An genau dieser sundheitspolitikern nötig, die systema- unverantwortlich handeln. Ebenso Frage berühren sich aber die Kritiker tisch unerwünschte Folgen der Corona- darf bei der Bekämpfung der Corona- und Befürworter harter Corona-Maß- Maßnahmen erfassen und schätzen. Pandemie nicht durch eine Einengung nahmen. Was ist unserer Gesellschaft Für Politiker mag es nicht opportun der Sicht auf das Infektionsgeschehen die Lebensqualität von Millionen von erscheinen, die Aufmerksamkeit auf die zentrale Frage nach der optimalen Menschen und das Aufwachsen der Kin- die negativen Folgen ihres Handelns Balance zwischen Nutzen und Schaden der in einem fördernden Umfeld wert zu legen, aber nur bei deren Kenntnis der Maßnahmen ausgeblendet bleiben. und wie viel coronabedingtes Leid ist kann die Nutzen-Risiko-Relation der Im Folgenden soll zu dieser ent- sie bereit, dafür in Kauf zu nehmen? getroff enen und zukünftig zu treff en- scheidenden Frage als eine Facette die Es ist verständlich, dass diese unschö- den Entscheidungen optimiert werden. psychischen Folgen der Maßnahmen ne und zynisch wirkende Frage selten Zumindest im öff entlichen Raum ist gegen Corona diskutiert werden: explizit gestellt oder gar beantwortet eine systematische Diskussion dieser Psychische Erkrankungen und auch wird. Sie nicht zu stellen birgt aber zentralen Frage nicht erkennbar. die wegen ihrer Häufi gkeit und Schwe- das Risiko, dass vieles, was schwer in re bedeutsamste, die Depression, sind Zahlen zu fassen, für unser Menschsein Ulrich Hegerl ist Vorstandsvorsitzender eigenständige Erkrankungen und we- aber sehr bedeutsam ist, gegenüber den der Stiftung Deutsche Depressionshilfe niger Folge äußerer Belastungen, als harten Zahlen der täglichen Corona- und hat die Senckenberg-Professur an die meisten Menschen vermuten. Es Statistiken ins Hintertreff en gerät. Für der Klinik für Psychiatrie, Psychosoma-

ist deshalb aufgrund der Maßnahmen HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: viele Menschen zählt oft das Nicht- tik und Psychotherapie an der Goethe gegen Corona nicht mit einer massiven Verschlossene Tore der Humboldt-Universität zu Berlin, . April  zählbare. Beispielsweise wären viele Universität Frankfurt am Main, inne Zunahme depressiver Erkrankungen zu rechnen. Was jedoch Grund zu großer Sorge ist, das sind die Folgen für Men- schen mit psychischen Erkrankungen und insbesondere Depressionen. Nach Ergebnissen einer eigenen repräsentati- Langersehnte Freude ven Bevölkerungsbefragung im Juni/Juli  mit . Erwachsenen gaben de- Über die wohltuende sich an den großen Fensterfl ächen Zeichnung verwandelt hatte. In die lern auch: so viel Schönes, so viel Ar- pressiv Erkrankte an, infolge der Maß- Erfahrung eines im Erdgeschoss die Nase plattdrückt, Bilder der einen wie des anderen beit, so viel Vergeblichkeit. Dabei gibt nahmen gegen Corona sich vermehrt kann man immerhin einen Eindruck kann ich mich versenken: in die solch ein Ausstellungsbesuch eine auch tagsüber ins Bett zurückzuziehen Ausstellungsbesuchs gewinnen und erahnen, was einem Farbtupfer, -wolken und -ströme lang ersehnte Freude, eine dringend (%), Schwierigkeiten zu haben, den da vorenthalten ist. der einen und in die Linien, Wellen benötigte Hoff nung, eine heilsame Tag zu strukturieren (%), vermehrt zu JOHANN HINRICH CLAUSSEN Ulrike Seyboth malt, und Ingo Fröh- und Strudel des anderen. Hier aber Erinnerung daran, warum das Leben Grübeln (%) und zudem sich weniger lich zeichnet. Beide sind miteinander konnte ich sie zusammenschauen, sich lohnt – Empfi ndungen, die man körperlich zu bewegen (%). Alle die- Ich war vor Kurzem in einer Ausstel- verheiratet. Jeder hat ein eigenes die eine und den anderen, mich von braucht, wenn man eine lange Not- se Faktoren sind bekannt dafür, ganz lung. – So fängt man normalerweise Atelier, eigene künstlerische The- einem zum anderen führen lassen, zeit überstehen soll. Und dass sich spezifi sch den Krankheitsverlauf bei keinen Text an. Denn erstens beginnt men und Aufgaben. Aber regelmäßig Bezüge erahnen, ohne dass sie von ein solcher Besuch hygieneregel- Depressionen negativ zu beeinfl ussen. man niemals auch nur irgendeinen nutzen sie gemeinsame Arbeitsauf- einem Konzept vorgezeichnet wären, konform gestalten ließe, dürfte doch Noch gravierender ist jedoch, dass nach Text mit dem Wörtchen »ich«, und enthalte fern ihrer Heimat Berlin – in einem künstlerischen Gespräch ohne längst klar sein. dieser Befragung ca. die Hälfte der de- zweitens ist dies ja eigentlich gar Frankreich, Italien, der Schweiz oder Worte zuhören. Als ich mich von Es ist dringend geboten, dass den pressiv Erkrankten angab, dass sich keine Nachricht. Aber dies sind eben Brandenburg –, um in großer Nähe den beiden verabschiedet hatte und Verantwortlichen mehr und anderes die Qualität ihrer medizinischen Ver- keine normalen Zeiten – und wir soll- oder sogar im selben Raum zu arbei- wieder im bitteren Berliner Winter einfällt, als auf die Pandemie nur mit sorgung deutlich verschlechtert habe. ten uns auch nicht daran gewöhnen. ten. Ich weiß von keinem anderen wieder und wieder verlängerten Ver- Stationäre Behandlungen wurden ab- Deshalb ist es im Moment durchaus Künstlerpaar, dem so etwas möglich boten zu reagieren. Längst hat sich gesagt, Ambulanzen haben den Betrieb eine sensationelle Meldung, dass ist: wo nicht die eine dem anderen eine Einsamkeit und Traurigkeit über heruntergefahren, Selbsthilfegruppen ausgerechnet ich, aber leider alle dient – so das übliche Modell in der das Land gelegt, die Menschen auf sind ausgefallen und verängstigte Pati- anderen nicht, in eine wunderschö- klassischen Moderne – oder wo beide andere Weise krank macht. Ich habe enten haben insbesondere im Rahmen ne Kunstausstellung gehen durfte. zu einem Projekt verschmolzen sind – es kürzlich in einer Kirchengemeinde des ersten Lockdowns Termine beim Selbstverständlich hatte ich ernst- wie bei Christo und Jeanne-Claude. erlebt. Sie hatte zu einer musika- Arzt oder psychologischen Psychothe- hafte berufl iche Gründe dafür, zudem Nun haben sie gemeinsam mit der lischen Abendandacht eingeladen. rapeuten abgesagt. Da Depressionen wurden sämtliche denkbaren Hygien- Kuratorin Frizzi Krella ausgewählte stand, merkte ich, wie gut mir dieser Die Kirche stand off en, die erlaubten schwere Erkrankungen sind, die mit ei- emaßregeln von uns eingehalten. Arbeiten aus zehn Jahren in den kla- Besuch getan hatte, wie ich innerlich Plätze war allesamt besetzt. Die Pas- ner mittleren Reduktion der Lebenser- Da viele wahrscheinlich nicht mehr ren, off enen Räumen der Guardini- aufgetaut war. torin wusste, wie sie uns mit Worten wartung von zehn Jahren einhergehen, genau wissen, wie das so ist, wenn Stiftung aufgehängt. Manche der Meines Glücks schäme ich mich aufhelfen konnte. Ein Geiger zeigte wird hierdurch ohne Zweifel sehr viel man sich eine Ausstellung anschaut, hellen, glühend roten Malereien von keineswegs, aber einen Schmerz endlich wieder einmal, was er und Leid und Tod verursacht. Auf negative erzähle ich, was ich erleben konnte. Ulrike Seyboth kannte ich schon. empfi nde ich, dass bisher fast nur ich was die Musik vermag. Da war plötz- Auswirkungen der Maßnahmen gegen In der Guardini-Stiftung am Anhal- Aber nicht ihre Exkursionen ins diese Ausstellung sehen konnte. Die lich ein lange vermisster Zauber im Corona auf Menschen mit Suchtgefähr- ter Bahnhof, die mit staunenswerter Blaue und schon gar nicht ihre ganz Eröff nung war für Anfang Dezember Raum. Aber vorher und nachher be- dung, Angststörungen und anderen Regelmäßigkeit und bei begrenzten neuen Collagen, in die sie zum Teil geplant gewesen, Anfang März sollte merkte ich bei denen, die ich kannte psychischen Erkrankungen kann hier Ressourcen Wunderbares möglich Stücke von verworfenen Gemälden Schluss sein. Danach soll es eigent- und mit denen ich sprach, eine tiefe, nicht eingegangen werden. macht, ist zurzeit die Ausstellung hineingerettet hat. Von Ingo Fröhlich lich nach Sens in Frankreich gehen. dunkle Müdigkeit. Viele Menschen berichten zudem »Ich zeichne die Zeit, du malst den kannte ich einige der kleinen und Doch die Türen blieben und bleiben über psychische Folgen der Corona- Moment« von Ulrike Seyboth und größeren Bleistiftzeichnungen. Aber geschlossen. Planungen wurden ver- Johann Hinrich Claussen ist Kultur- Pandemie und der Maßnahmen dage- Ingo Fröhlich installiert. Aber leider jetzt sah ich zum ersten Mal, wie sucht und wieder verworfen. Es ging beauftragter der Evangelischen Kirche gen, die nicht als krankhaft, sondern nicht zu sehen. Obwohl, wenn man er die Wände einer Galerie in eine den beiden wie allen anderen Künst- in Deutschland Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 37 FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Shutdown in Berlin, . April : Treff en auf Abstand Was tun die Länder? Über Länderprogramme und -initiativen zur Linderung der Corona-Not im Kulturbereich

des Publikums über das Internet ins grammpreise. Von wechselnden Jurys und verbindende Funktion einnehmen. Baden- Museum kommen wird, haben wir an wurden im Vorjahr fast  Kulturpro- Bayern Das Kulturleben prägt das gesell- den Landesmuseen  dauerhafte jekte ausgewählt. Viele davon füllten schaftliche Leben in Bayern maßgeb- Württemberg Stellen für Digitalmanagerinnen und das Vakuum auf so überraschende BERND SIBLER lich mit. Deshalb haben wir gleich von Digitalmanager geschaff en. und neuartige Weise, dass sich die Beginn der Krise an alles darangesetzt, THERESIA BAUER Klar ist aber auch: Während die lan- Beschränkungen letztlich als Ideen- inter uns liegen fordernde und unsere Kunst- und Kulturschaff enden deseigenen und institutionell geför- geber erwiesen. schwierige Monate. Wir alle sowie die kulturelle Infrastruktur so eine Frage, die Corona-Pan- derten Kultureinrichtungen im zwei- Das oberste Ziel aller Maßnahmen H haben gegen die Pandemie und gut es geht zu unterstützen. Aus un- demie und ihre teilweise noch ten Lockdown über das Instrument der ist es, die kulturelle Infrastruktur in ihre Auswirkungen auf unseren Alltag serem Spielstättenprogramm zahlen K nicht abzuschätzenden Folgen Kurzarbeit ihr ökonomisches Defi zit ihrer Vielfalt und Breite zu erhalten. gekämpft. Und die größte Herausforde- wir passgenaue Hilfen an kleine und stellen die Künstlerinnen und Künstler auff angen können, wächst in der freien Daher liegt ein weiterer Schwerpunkt rung stellt die aktuelle Situation nach mittlere Bühnen sowie dezentrale Kul- und die Kultureinrichtungen vor mas- Kulturszene die Not. Ich erinnere hier auf den vielfach ehrenamtlich getra- wie vor für unsere Kunst- und Kultur- turveranstalter aus, ebenso für gemein- sive, oft existenzielle Herausforderun- an den in Baden-Württemberg im Zuge genen Vereinen der Breitenkultur. So schaff enden dar. Wir hatten im letzten nützige Laienmusikvereine. Mit dem gen. Viele Betroff ene sind mittlerwei- der Soforthilfe eingeführten fi ktiven stärken wir die rund . Vereine, die Sommer mit dem Abfl auen der Pande- Soloselbstständigenprogramm, das un- le schon dankbar, wenigstens proben Unternehmerlohn – hier waren wir vom Freiburger Institut für Musiker- mie Hoff nung geschöpft: Live-Formate ser Künstlerhilfsprogramm zu Beginn oder trainieren zu dürfen. Um das für bundesweit Vorreiter. Auch die Bürger- medizin bei ihren Hygienekonzepten wie Konzerte, Theatervorstellungen der Pandemie ablöst, ersetzen wir den unsere Ballettensembles zu ermög- schaft leistet mit Spendensammlun- beraten werden, in den Jahren  oder auch Museumsbesuche waren zwi- sogenannten fi ktiven Unternehmerlohn lichen, wurde der Bühnentanz zum gen für in Not geratene Kreative einen und  mit einer Soforthilfe in Höhe schenzeitlich unter Einhaltung stren- bis zu . Euro für Künstlerinnen und Hochleistungssport erklärt. Bei allen nicht geringen Beitrag. Ohne Zweifel von  Millionen Euro. ger Hygienemaßgaben wieder möglich Künstler und Angehörige kulturnaher Einschränkungen gelingt es unseren ein Zeichen hoher Wertschätzung. Fieberhaft und zugleich mit Bedacht geworden. Mit einem Pilotversuch für Berufe – seit Antragsstart Mitte Dezem- Institutionen dennoch immer wieder, Die freischaff enden Kreativen brau- arbeitet die Kulturpolitik mit den Kul- die Staatsoper und zwei Konzertsäle in ber konnten wir hier bereits rund . selbst unter schwierigsten Bedingun- chen aber nicht nur fi nanzielle Hilfe, turakteuren und Fachleuten aus dem Bayern hatten wir zudem wissenschaft- Anträge mit einem Gesamtvolumen gen Herausragendes zu leisten. Ich sondern auch Arbeitsmöglichkeiten. Expertenkreis Aerosole der Landes- lich begleitet sicheren Kulturgenuss für von rund , Millionen Euro bewilli- denke hier etwa an den von der New Daher hat das Land mit rund  Milli- regierung an Öff nungsszenarien. Ich größere Zuschauergruppen getestet gen. Ergänzt wird das Programm mit York Times als »production of the year« onen Euro an Hilfen wie dem »Master- setze darauf, dass der erlebte tempo- und für Oktober weitere Öff nungen einem Stipendienprogramm für junge geadelten Theaterparcours, an dem plan Kultur BW | Kunst trotz Abstand« räre Verlust gemeinsamer kultureller ins Auge gefasst. Doch dann hat uns Künstlerinnen und Künstler, das in Kür-  alle drei Sparten der Württem- besonders die Soloselbständigen im Veranstaltungen das Bewusstsein für das Infektionsgeschehen eingeholt. Seit ze anlaufen wird. bergischen Staatstheater mitwirkten, Kreativbereich im Blick. die Relevanz von Kunst und Kultur November bleiben viele Bühnen leer, Wir wünschen uns natürlich sehr, an Festivals, die erfolgreich digital Indem Honorare gefördert wurden, steigern wird. Nicht nur, weil wir ihre viele Mikrofone stumm. dass wir Kunst und Kultur bald wieder stattfanden, oder an die vielen on- regte das Land gezielt die Zusam- Angebote dringend brauchen, um die Die Kunst- und Kulturszene im uneingeschränkt vor Ort erleben kön- line eröff neten Ausstellungen wie die menarbeit mit freien Künstlerinnen gesellschaftlichen Erschütterungen Freistaat hat sich in bemerkenswerter nen. Wann und unter welchen Bedin- über Anselm Kiefer in der Kunsthalle und Künstlern an. Laufende Aus- zu refl ektieren. Auch weil die Zukunft Weise gegen die widrigen Bedingungen gungen vorsichtige Öff nungen möglich Mannheim mit virtuellen Führungen. schreibungen wie etwa der Preis für in den freien, kreativen und innovati- aufgebäumt: Mit einem vielfältigen An- sind, hängt von der weiteren Entwick- Es ist ein regelrechter Boom an digi- Kleinkünstlerinnen und Kleinkünstler, ven Impulsen der Künstlerinnen und gebot an digitalen Lösungen und mit lung des Pandemiegeschehens ab. Wir talen Kulturangeboten zu verzeichnen. aber auch Einzelstipendien des Lan- Künstler liegt, die es nun stärker ab- kreativen Alternativformen holt sie sind aber vorbereitet: Unter meinem Hier zahlt sich aus, dass wir mit der des sind Signale, die Soloselbständi- zusichern gilt. die Menschen aus ihrer Isolation hinein Vorsitz wurden in der Kulturminister- Förderlinie »Digitale Wege ins Muse- gen Mut machen. Ebenso wurden die in die Welt der Kunst und Kreativität. konferenz bereits letztes Jahr länder- um« schon vor der Pandemie stark in Mittel für Kunstankäufe erhöht. Auch Theresia Bauer ist Ministerin für Dafür bin ich sehr dankbar, denn Kunst übergreifend Konzepte für die Kunst- digitale Kompetenz investiert haben. für die Filmwirtschaft gibt es Hilfen, Wissenschaft, Forschung und Kunst in und Kultur können gerade in diesen und Kulturszene erarbeitet. Mit einem Und weil auch nach Corona ein Teil etwa durch die Erhöhung der Kinopro- Baden-Württemberg schwierigen Zeiten eine sinnstiftende Fortsetzung auf Seite  38 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

Fortsetzung von Seite 

Stufenplan wollen wir eine Öff nung von alle Einnahmen wegbrachen. Mit der tieren, sondern weiter Kultur leben zu war auf individuelle Bedarfe von Kul- Kunst und Kultur im Schulterschluss Soforthilfe IV unterstützen wir private Brandenburg lassen. turschaff enden zugeschnitten, für die mit anderen Bereichen wie Einzel- Kulturbetriebe, diese geht demnächst in Während sich andere auf die Dauer nicht laufende Kosten das Problem sind, handel und Gastronomie sicherstellen. die vierte Runde. Für  Millionen Euro MANJA SCHÜLE von Schließungen verständigen, gehen sondern fehlende Einnahmen. Wir müssen durchhalten und geduldig haben wir . Corona-Stipendien wir in Brandenburg einen anderen Weg – Ohne diese Maßnahme hätten Men- bleiben, um diese Krise zu überwinden. ermöglicht, die zumindest Linderung er Romancier Theodor Mügge einen Brandenburger Weg, der Gesund- schen, die mangels Veranstaltungs- Die begonnenen Impfungen schenken verschaff en und einem Teil der Akteu- hat zum Glück nie eine globale heitsschutz und Planungssicherheit möglichkeit in wirtschaftliche Not uns aber Hoff nung und Perspektive auf rinnen und Akteure erlauben, ohne D Pandemie erlebt. Er verfasste zwar gleichermaßen wichtig nimmt, geraten waren, sofort Grundsicherung neue Möglichkeiten. Existenzangst künstlerisch zu arbeiten, Abenteuerromane. In opulenten Bildern der aber auch von dem Mut getragen oder Arbeitslosengeld II beantragen dazu Projekte wie »Draußenstadt« oder erzählt er im . Jahrhundert von span- ist, gemeinsam etwas zu kreieren und müssen. Für das am . August  Bernd Sibler ist Bayerischer Staats- den »Tag der Clubkultur«. Lebenszei- nenden Expeditionen, anstrengenden zu entwickeln. Der Lockdown wird nicht ausgelaufene Sofortprogramm stan- minister für Wissenschaft und Kunst chen. Immerhin. Reisen, aufregenden Erlebnissen. Wer ewig dauern. Es gibt eine Zeit danach. den in zwei Tranchen insgesamt , Kulturschaff ende, die in öff entlichen heute an deutsche Abenteuerschrift- Deshalb ist unser »Brandenburger Weg« Millionen Euro zur Verfügung.  Einrichtungen angestellt sind, stehen stellerei denkt, dem fällt Karl May ein für die Kultur wichtig. Ein Weg, der uns Künstlerinnen und Künstler konnten besser da. Aber auch nicht gut. Siche- – nicht Theodor Mügge. Doch einen über Ermöglichung nachdenken lässt, in der ersten,  in der zweiten Pha- rungsseile und -netze braucht es auch Ausspruch von ihm kennt womöglich auf Präsenz und Miteinander setzt und se unterstützt werden. Wie positiv die Berlin hier. jeder: »Der Mensch gewöhnt sich an das über die Grenzen institutioneller Rückmeldungen aus der Szene waren, In der steten Erwartung ehrlicher alles, und es gibt nichts, wozu er nicht Kultur und freier Szene sowie Solo- habe ich in zwei Videoforen erfahren, KLAUS LEDERER Perspektiven waren wir im letzten Jahr lachen könnte.« Ich behaupte: An einen selbständiger hinweg. Entstanden ist in denen bis zu  Kulturschaff ende nicht untätig: Die Kultureinrichtun- Lockdown gewöhnt sich niemand. Und ein gemeinsames Bekenntnis zahlrei- Fragen und Anregungen, Sorgen und in Jahr Coronakrise heißt: ein gen haben passgenaue Hygiene- und eine Kulturministerin gewöhnt sich erst cher Kulturschaff ender und Kreativer Wünsche sowie wechselseitige Unter- Jahr lernen im Tempo der Pan- Schutzkonzepte erarbeitet, die einen recht nicht an geschlossene Theater, im Land Brandenburg. Sie geben ein stützungsangebote formuliert haben. E demie. Ein Blick auf die »aktu- verantwortungsbewussten Betrieb zu- zugesperrte Museen und verstummte Bekenntnis ab zum Überleben und zur Diese ebenso erstaunliche wie effi zien- elle Lage« ist daher nur eine Moment- lassen. Die Beachtung der AHA-Regeln Orchester. Die Coronakrise dauert an positiven Kraft der Kultur in ihren viel- te Vernetzung der freien Akteurinnen aufnahme. Das heißt: eine sinkende sind für die Besuchenden von Kultur- und sie mutet ganz besonders Kul- fältigsten Formen und zur Solidarität und Akteure geht zurück auf ein vom Zahl von Covid-Neuinfektionen und, einrichtungen eine Selbstverständ- turschaff enden und ihrem Publikum über alle Sparten von Kultur hinweg. Senator für Kultur in den vergangenen zum Glück, auch Toten. Das heißt aber lichkeit. Die Nachverfolgbarkeit der enorm viel zu. Die Einnahmen sind Der Brandenburger Weg zeigt, dass wir Jahren entwickeltes Dialogformat, die auch: gefährlichere Corona-Mutanten Besucherkontakte wurde sichergestellt. eingebrochen, es fehlt an Diskussion, noch da sind, dass die Kultur noch da Denkzellen. wie B... drohen, sich in Deutschland Es wurden diff erenzierte Schutzkon- Inspiration, Erlebnissen, Begegnungen. ist. Bleiben wir also optimistisch: Kul- An die Stelle reiner Existenzsiche- und in Berlin zu verbreiten. Es ist noch zepte für die Beschäftigten entwickelt, Und doch: Kultur hat Zukunft – das tur hat Zukunft und sie kann jederzeit rung durch das Sofortprogramm ist nicht vorbei. Leider. an Lüftung und Belüftung gearbeitet. zeigen die vielen Projekte und Initiati- passieren. bereits im Herbst  eine Form der Für die Kultur und ihre Perspektiven Alles Maßnahmen und Instrumente, die ven im Land Brandenburg. Gemeinsam Unterstützung getreten, die auf künst- fällt Optimismus schwer: Solidarität schnell reaktiviert und genutzt werden entwickeln wir Ideen, um etwas Freude Manja Schüle ist Ministerin für Wis- lerische Perspektiven und einen mittel- ist gefragt – mit den Betroff enen und können. ins Leben zu bringen, das durch die im- senschaft, Forschung und Kultur des fristigen Neustart des Kulturbetriebs in die Solidarität der Künstlerinnen und Wir könnten mit außerschulischen mer noch notwendigen Beschränkun- Landes Brandenburg Bremen setzt: eine Produktionsförde- Künstler untereinander. Es klingt wie Bildungsangeboten in Kultureinrich- gen des öff entlichen Lebens doch sehr rung in Gestalt von Projektstipendien eine Binse, ist aber auch ein Ergebnis tungen starten, dann könnten Museen, eingeschränkt ist. Kultur bildet, prägt für soloselbständige Kulturschaff ende. des Lernens: Nur gemeinsam kriegen Galerien, Gedenkstätten und Biblio- und inspiriert uns – auch im Lockdown. Die Resonanz auf dieses der Kreativität wir den Virus besiegt, nur gemeinsam theken sowie vergleichbare Einrich- Unsere brandenburgischen Kulturein- zugeeignete Zukunftsprogramm ist be- retten wir unsere Kulturlandschaft und tungen spätestens mit der Öff nung richtungen haben im zurückliegenden Bremen merkenswert: Ursprünglich sollten  nur gemeinsam und verantwortlich des Einzelhandels einen Basisbetrieb Jahr der Pandemie enorme Anpassungs- mit bis zu . Euro dotierte Stipen- können wir Schritt für Schritt Kultur anbieten. Letztlich dürften auch Ver- leistungen vollbracht. Daher zählen sie ANDREAS BOVENSCHULTE dien für Akteurinnen und Akteure aus wieder ermöglichen, erlebbar machen. anstaltungen in Theatern, Opernhäu- für mich nach wie vor zu den sichersten der freien Szene vergeben werden – für Noch sind Hilfen für den Kultursek- sern und Konzerthäusern, Kinos sowie Orten unseres Landes. Für mich zählen eit dem Ausbruch der Corona- künstlerische Arbeiten ebenso wie für tor unabdingbar. Wir werden sie weiter Proben und Auftritte der Laien- und sie aber auch zu den sozialsten Orten Pandemie ist es ein vorrangiges Fortbildungen. brauchen und weiter ausreichen, viel- Amateurkultur möglich sein, wenn des Landes. Sollte sich das Pandemie- S Ziel unseres Krisenmanagements, Allerdings lag eine entsprechende leicht bald nicht mehr als unmittelbar auch Betriebe der Gastronomie wieder geschehen entspannen, seine Dynamik die Vielfalt der bremischen Kulturland- Zahl von Anträgen bereits zwei Wo- existenzsichernd, aber für einen Neu- öff nen dürfen. verlieren, so müssen es deswegen die schaft zu erhalten, indem die Akteurin- chen nach dem Start des Programms start braucht es dann einen fi nanziellen Für mich ist das mehr Plan als Kulturorte sein, die als erste wieder nen und Akteure abgesichert werden. im November  vor. Deshalb wurden Anschub. Wunsch. Wann wir an seine Umsetzung öff nen dürfen. In einem ersten Schritt war es geboten, weitere  Fördermaßnahmen auf den Im Prinzip sind Bühnen, Museen gehen können, lässt sich derzeit noch Kultur hat Zukunft – das muss unser existenzbedrohende Situationen für Weg gebracht. Der Senat verdoppelte und Kultureinrichtungen jetzt seit nicht sagen. Bis dahin braucht es weiter Mantra in diesem scheinbar nicht en- selbständige Kulturschaff ende abzu- das Volumen somit auf , Millionen einem Jahr dicht. Noch im März  die Solidarität mit den Betroff enen und den wollenden Lockdown sein. Vermut- wenden. Zu diesem Zweck beschloss der Euro. Die Kulturbehörde wird diese haben wir die Soforthilfe II auf den Weg aller untereinander. lich wird es bis Ostern weder klassische Bremer Senat ein »Sofortprogramm zur Form der konkreten Produktionsför- gebracht, um Soloselbständigen und Theaterauff ührungen noch herkömm- Unterstützung freischaff ender Künstle- derung im Bedarfsfall weiter fortsetzen. Freiberufl erinnen und Freiberufl ern zu Klaus Lederer ist Bürgermeister und liche Konzerte geben. Umso wichtiger rinnen und Künstler aufgrund der Aus- Neben dem Stipendienprogramm haben helfen – darunter viele Künstlerinnen Senator für Kultur und Europa in ist es, nicht nur über Zeitspannen der wirkungen der Coronavirus-Krise«. Das wir die Sicherstellung komplementärer und Künstler, denen von jetzt auf gleich Berlin Schließung von Spielstätten zu disku- am . März  aufgelegte Programm Mittel für Bundesprogramme wie das im Februar  aufgestockte Hilfspaket NEUSTART KULTUR in Höhe von zehn Prozent beschlossen. Von dieser Un- terstützung aus dem sogenannten Bre- men-Fonds, einem milliardenschweren Konjunkturprogramm zur Bewältigung der Pandemie-Folgen, profi tieren zu- mal freie Künstlerinnen und Künstler aus den Sparten Theater und Tanz. Neben dem Schließen von Wirt- schaftlichkeitslücken geht es der Bremer Kulturpolitik auch um einen ideellen Kapitaltransfer, der sich zwi- schen den Kulturschaff enden und dem notgedrungen pausierenden Publikum ereignen muss: um die beherzte Fort- führung einer aus Disziplin und Soli- darität, Ideenreichtum und Zuversicht gewobenen Kraftanstrengung zu einer gemeinsamen Bewältigung der Krise. Dass viele Vorhaben des Stipendienpro- gramms diesen konstruktiven Dialog in zukunftsträchtiger Manier aufnehmen, signalisiert die große Kreativität der hiesigen Kunstszene. Dieser Umstand macht ebenso Hoff nung wie die Öff - nungskonzepte für Spiel- und Ausstel- lungsstätten, die wir Anfang Februar in einer Kulturminister-Konferenz auf den Weg gebracht haben. Für weitere Zuversicht sorgt in Bremen die Erfahrung, wie sehr das erwähnte Denkzellen-Dialogformat die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen selbständigen Kulturschaf- fenden und Senatskulturverwaltung begünstigt. Diese enge Kooperation hat überdies eine lohnende Perspektive,

FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: die eine erste Phase der Postpandemie Shutdown in Berlin, . März : Feiern via Videotelefonie betriff t: Im Jahr  ist die Eröff nung Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 39

eines Zentrums der Freien Künste ge- Kulturminister haben hierzu einen Weg schwachen Sommer eine Perspektive für die notwendige künstlerische Ausein- Fördermöglichkeiten ist wichtig. Da- plant – im historischen Tabakquartier aufgezeigt. Spätestens wenn die Kauf- den Erhalt der Kulturlandschaft sichert. andersetzung schmerzlich. Je mehr Zeit für setzen wir auf eine breitgefächerte des Stadtteils Woltmershausen. häuser wieder öff nen, sollen auch die Und weil nicht nur Künstlerinnen und im Lockdown verstreicht, desto klarer Aufklärungskampagne und arbeiten eng Museen öff nen, und spätestens, wenn Künstler Perspektiven und Auftritts- wird für alle: Kunst und Kultur sind kein mit den Kultur-Service-Stellen zusam- Andreas Bovenschulte ist Präsident des die Gastronomie öff net, soll es auch möglichkeiten brauchen, sondern auch reiner Freizeitspaß, sondern elementar men. Denn die Einrichtungen brauchen Senats, Bürgermeister und Kultur- möglich sein, Kultur wieder live mit das Publikum hungrig ist nach Kultur, für das Wohlergehen einer demokrati- Vertrauen und Wertschätzung, um an senator der Freien Hansestadt Bremen anderen zu erleben. ihrer Schaff enskraft festzuhalten. Was bleibt aus dieser Zeit? Neben In jeder Krise steckt auch eine dem Bewusstsein, was wir gemeinsam Chance. So wie die Pandemie die Di- schaff en können, eine beeindruckende gitalisierung der Schulen voranbringt, Solidarität innerhalb der Kulturszene, ermöglicht sie eine kulturpolitische Hamburg die nicht nur die schwer auszuhal- Neuausrichtung. Bereits vor der Krise tenden Einschränkungen akzeptiert, brachte das Land mit vielen Partnern CARSTEN BROSDA sondern auch zusammenarbeitet, wo die ersten kulturpolitischen Leitlinien Hilfe notwendig und möglich ist, und auf den Weg. Diese regeln die Koopera- ie wichtigste kulturpolitische auch gemeinsam laut und deutlich die tion zwischen Kulturschaff enden und Aufgabe unserer Tage liegt da- Stimme erhebt, wo der Wert der Kultur öff entlichen Institutionen neu. D rin, eine Perspektive für den verkannt wird. Ich halte es für wichtig, dass wir nun kulturellen Betrieb, für Künstlerinnen, Was hoff entlich auch bleibt, ist zu- auch die Debatte darüber führen, was Künstler und Kreative zu entwickeln. dem das Bewusstsein für die nicht erle- wir aus der Krise für die zukünftige Dazu gehört zum einen, dass wir wei- digten Aufgaben, die uns die Pandemie Aufstellung des Kulturbetriebs lernen ter Konzepte und Strategien erarbeiten, schonungslos aufgezeigt hat. Die sozi- können. Denn Ziel muss es sein, den auf deren Grundlage der wiederholte ale Absicherung der Künstlerinnen und Kulturbetrieb langfristig so krisenfest kulturelle Neustart gelingen kann. Es Künstler zum Beispiel muss dringend zu machen, dass er in der nächsten Not- ist zwingend, dass wir die Zukunft des verbessert werden. Hier müssen wir In- lage nicht in seiner Existenz bedroht ist. künstlerischen Schaff ens nicht aus dem strumente entwickeln, mit denen die Blick verlieren. Das Wichtigste ist, dass Möglichkeiten der Arbeitslosenversi- Bettina Martin ist Ministerin für wir diesen Mut und das Bewusstsein cherungen oder des Kurzarbeitergeldes Bildung, Wissenschaft und Kultur des nicht verlieren, für all das, was darauf auch dort zugänglich sind, wo unsiche- Landes Mecklenburg-Vorpommern wartet, von den Probenbühnen und re Arbeitsverhältnisse und schlechte den Probenräumen auf die Bühnen zu Bezahlung immer noch die Regel sind. kommen. Zugleich aber muss es auch darum gehen, neben den ideellen auch Carsten Brosda ist Senator für Kultur die materiellen Grundlagen der Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Nieder- zu sichern – unter den derzeitigen Be- Hamburg schränkungen ebenso wie für die Vor- sachsen bereitung des Wiederbeginns. Dafür müssen wir staatlich die BJÖRN THÜMLER notwendigen Rahmenbedingungen schaff en. Bereits im März  haben Hessen ie pandemiebedingten Schlie- wir in Hamburg die ersten Hilfspakete ßungen haben die Kultur aus aufgelegt, die sich im Laufe des Jahres ANGELA DORN D ihren vertrauten Räumen ver- über verschiedene Instrumente auf trieben. Viele Kulturschaff ende suchen rund  Millionen Euro aufsummiert ie schwierige Situation für alternative Wege, um sichtbar zu blei- haben, die zusätzlich in die kulturelle die Kulturbranche dauert nun ben. Im Sommer wichen sie unter freien Landschaft gefl ossen sind. Es bedurfte D schon fast ein Jahr. Auch wenn Himmel aus, gaben z. B. Autokonzerte im Hamburger Senat zum Glück keiner es inzwischen bessere Unterstützungs- HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: oder spielten Stationstheater in Park- großen Diskussionen, dass neben der programme des Bundes gibt als zu Be- Der erste Tag der Kontaktbeschränkung in Berlin - zu Hause, . März  häusern. Sie stellten ihre Kreativität Wirtschaft auch die Kultur mit aller ginn oder sie zumindest angekündigt unter Beweis. Zurzeit sind Kulturein- Kraft gestützt werden muss. sind: Die Pandemie belastet die Institu- investieren wir »Ins Freie!«: mit zehn schen Gesellschaft. Deswegen müssen richtungen wieder auf unbestimmte Dieser Rettungsschirm ist im engen tionen und vor allem die freien Akteure Millionen Euro für neue Auftrittsmög- kulturelle Bildung für Kinder und Ju- Zeit geschlossen. Künstlerinnen und Austausch zwischen der Behörde für in der Kultur. lichkeiten unter freiem Himmel oder in gendliche, Museen, Bibliotheken und Künstler agieren vor allem in selbst Kultur und Medien und den jeweiligen Wir haben als Land Hessen schon im Pop-Up-Spielstätten im Sommer . dann auch Theater und Kinos fest im geschaff enen digitalen Räumen. Diese Sparten konzipiert worden, die am al- April  ein Paket für Kultureinrich- Denn während die Pandemie kaum Blick sein, wenn die Infektionszahlen neuen Räume bieten neue Möglichkei- lerbesten wissen, welche Unterstützung tungen und Kulturschaff ende geschnürt, Voraussagen für den Kulturbetrieb in erste Öff nungsszenarien zulassen. ten. Sie senken die Hürden für die Re- sie brauchen, um nicht nur ökonomisch ausgestattet mit gut  Millionen Euro. Innenräumen zulässt, werden Open- Gleichzeitig ist es die Aufgabe von zeption von Kunst, das Publikum wird zu überleben, sondern auch die Zuver- Wir haben es damit geschaff t, die in Air-Veranstaltungen mit großer Wahr- Politik – sowohl auf Bundes- als auch breiter, die Zahl der Kritiker wächst – sicht nicht zu verlieren. Daher haben Hessen besonders reichen Festival- scheinlichkeit unter Einhaltung der Hy- auf Landesebene – Sorge zu tragen, denn plötzlich kann jeder ein Kritiker wir nach dem ersten Schock und den strukturen zu erhalten, wir haben rund gieneregeln stattfi nden können. Wir dass diese Krise keine Löcher in un- sein. Diese Macht ist nicht mehr ein- schnellen Hilfen zum Überleben Pro-  Spielstätten bei Anpassungen an wollen helfen, bestehende Programme sere reiche Kulturlandschaft reißt. Vor zelnen professionellen Autoren vor- gramme entwickelt, mit denen Kultur die Corona-Bedingungen unterstützt zu erweitern und neue Spielstätten zu diesem Hintergrund begann die Lan- behalten. Jeder kann seine ganz eigene unter Corona-Bedingungen wieder und vielen Freiberufl erinnen und Frei- schaff en, auch in Kooperation zwischen desregierung früh mit der Unterstüt- Meinung zur Darbietung in wenigen möglich war: von Recherchestipendien berufl ern durch zwei Stipendienpro- Initiativen und Kommunen. zung der Kulturschaff enden: Im April Klicks liefern. Die Kunst erobert sich und Gagenfonds für freie Künstlerinnen gramme die Weiterarbeit ermöglicht. Die Unsicherheit können wir nicht  wurde der MV-Schutzfonds Kultur ein neues, breiter gefächertes Publikum. und Künstler, über Theaterauff ührun- Dann kam der zweite Lockdown. verschwinden lassen, sie liegt in der aufgelegt. Er ist dafür gedacht, Lücken Sie liefert sich individuellen Kritiken gen auf Abstand oder zusätzliche Out- Wir haben deshalb nun ein zweites Natur der Pandemie. Ich bin aber zu- anderer Hilfsprogramme von Bund und aus und gibt einen Teil ihrer Deutungs- door-Konzerte bis hin zum gesetzten Kulturpaket aufgelegt. Wie schon das versichtlich, dass wir dazu beitragen, Land zu schließen. Wir unterstützen hoheit ab, dringt dabei aber in die Mitte Club-Abend. Das alles kostet zusätzli- erste soll es möglichst passgenau die dass Kulturschaff ende den langen Atem z. B. freie Künstlerinnen und Künstler der Gesellschaft vor. ches Geld, das wir aufbringen müssen, Entwicklung der Pandemie in den Blick behalten, den sie so eindrucksvoll zei- mit einem Überbrückungsstipendium, Der Weg in die digitalen Räume kann um nicht bloß Stillstand abzufedern, nehmen und Bundesprogramme ergän- gen. Es gibt Hoff nung: Wir lernen immer die mangels Betriebsausgaben kei- allerdings die Einkommenseinbußen sondern die Produktion von Kultur zu zen, statt sie zu ersetzen. Wir schauen mehr über die Verbreitung des Virus und ne Wirtschaftshilfen erhielten. Die- vor allem der freien Künstlerinnen und ermöglichen. uns genau an, wo Lücken entstehen. die Impfungen kommen so voran, dass ses Programm wird sehr gut im Land Künstler in keiner Weise auff angen. Wir Langsam kommen mittlerweile auch Zudem haben wir die Erfahrungen die – sicher schrittweise – Rückkehr zur nachgefragt, so dass wir es im Januar alle erleben seit Monaten, wie stark un- die Hilfen des Bundes bei den Kultur- mit dem ersten Paket sorgfältig ana- Normalität am Horizont erscheint.  um weitere sechs Monate ver- sere bekannten kulturellen Strukturen einrichtungen und Künstlerinnen, lysiert. So wurden die Mittel für die in längert haben. Der MV-Schutzfonds gefährdet sind – sowohl die Einrich- Künstlern und Kreativen an. Teilweise großer Zahl bereitgehaltenen Arbeits- Angela Dorn ist Ministerin für Kultur basiert insgesamt auf sieben tungen als auch die Kulturschaff enden viel zu spät, aber immerhin zeigen die stipendien nur zu einem kleinen Teil Wissenschaft und Kunst in Hessen Säulen. Drei davon richten den Blick selbst. Das ist der Punkt, an dem unser Beschlüsse zur Verlängerung und Auf- ausgeschöpft, obwohl sie sehr einfach auf die kulturellen Trägerstrukturen. Landesprogramm »Niedersachsen dreht stockung des Programms NEUSTART beantragt werden konnten. Die höher Die weiteren Säulen stützen Träger der auf« ansetzt. Es bietet Soloselbständi- KULTUR, dass der Bund seiner Verant- dotierten, aber selektiv vergebenen Weiterbildung und der Gedenkstätten- gen und Kultureinrichtungen eine Zu- wortung langfristig gerecht werden will. Projektstipendien wurden vollständig arbeit. Darüber hinaus stellt das Land kunftsperspektive. Denn wir wollen die Das ist gut, gibt es uns vor Ort doch die verteilt. Viele Länder haben ähnliche Mecklenburg- die Co-Finanzierung für den NEUSTART Kulturszene in Niedersachsen über die Möglichkeit, ergänzende Hilfen zu ent- Erfahrungen gemacht. KULTUR bereit. Insgesamt umfassen die Schließungen hinweg retten, wollen sie wickeln, um über das Überleben hinaus Die im März startenden neuen Brü- Vorpommern sieben Säulen  Millionen Euro. Das auch in den vertrauten Räumen wieder auch Perspektiven aufzuzeigen. Ham- ckenstipendien stehen allen freischaf- Feld der Hilfsempfänger kann unter- ins Spiel bringen. Herzstück des eng mit burg hat hierzu auch für  und  fenden Künstlerinnen und Künstlern BETTINA MARTIN schiedlicher nicht sein: Es profi tieren Kulturverbänden und Kulturschaff en- weitere Mittel in jeweils zweistelliger unabhängig von einer Mitgliedschaft sowohl Einzelpersonen, kleine Projekte den abgestimmten Programms ist die Millionenhöhe im Haushalt eingestellt. in der Künstlersozialkasse off en. Wir ach einer so langen Zeit der als auch große Träger wie das Deutsche bis zu hundertprozentige Förderung Geld ist das eine. Das andere, und haben die bereitgestellten Mittel nach pandemiebedingten Ein- Meeresmuseum oder die renommierten von Verträgen mit Soloselbständigen. mindestens genauso wichtig, ist, dass der Zahl bemessen, die in der ersten N schränkungen im gesamten Festspiele Mecklenburg-Vorpommern. Rund  Projektanträge sind bereits wir gemeinsam die Perspektive auf die Runde abgerufen wurden. Und damit Kulturbereich ist die Situation für Wir sind in dieser Krisenzeit im zum ersten Antragsstichtag bewilligt Wiedereröff nung der kulturellen An- Künstlerinnen und Künstler leich- viele Kulturschaffende äußerst pre- ständigen Austausch mit den Vertre- worden, in Höhe von insgesamt rund gebote entwickeln. Der hohe Rang der ter einen Weg durch die Vielfalt der kär. Wo der Kulturbetrieb sich nicht in terinnen und Vertretern von Kunst und , Millionen Euro. Weitere Anträge Kunstfreiheit im Grundgesetz verlangt, Hilfsangebote fi nden, stärken wir die den digitalen Raum verlagern konnte, Kultur in unserem Land. Gemeinsam werden zurzeit ausgewählt. Insgesamt dass Beschränkungen der Kultur immer Verbandsstrukturen mit einem Corona- steht er still – seit Wochen und Mo- mit den Intendanten der Theater be- stehen für das Programm  Millionen nur eine absolute und zeitlich begrenz- Bonus für Beratung, der die Verbände naten. Künstlerinnen und Künstlern raten wir beispielsweise intensiv über Euro zur Verfügung. te Ausnahme sein dürfen. Deshalb ist es der Branche unterstützt. fehlt der Raum für ihr künstlerisches gangbare Wege für die stufenweise Es ist unser gemeinsames Ziel, die unabdingbar, an Öff nungskonzepten zu Für Spielstätten und Kinos richten Tun und somit auch die Chance zum Öff nung der Theater und Konzertsäle. kulturelle Vielfalt in unserem Land über arbeiten, um vorbereitet zu sein, wenn wir einen Fonds zur Liquiditätssiche- Broterwerb. Und der Gesellschaft fehlt Auch die Information in die Kulturszene die aktuelle Krise hinweg zu retten. Da- die pandemische Lage sich bessert. Die rung ein, der auch über den besucher- gerade in der aktuellen Krisensituation hinein über die große Bandbreite der Fortsetzung auf Seite  40 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

Fortsetzung von Seite  für werden wir als Landesregierung wei- frastrukturell vor; und wir entlasten munen unterstützt. Darüber hinaus richtungen und -vereine. Sie alle sind in insbesondere auch soloselbständigen ter alle Anstrengungen unternehmen. die Kommunen, um Etatkürzungen im werden wir die Kommunen in die Pfl icht einem ländlich strukturierten Flächen- Kunst- und Kulturschaff enden, fehlen Wir brauchen alle Kulturschaff enden Kulturbereich – der ja zu  Prozent in nehmen, indem wir auch zukünftig die land wie Rheinland-Pfalz elementarer Einnahmen aus den vergangenen Mo- und ihre Schaff enskraft, alle Einrich- kommunaler Verantwortung liegt – zu Landesförderung an ihr Engagement Bestandteil unserer Kulturszene. Und naten und natürlich auch ihr Publikum, tungen und Veranstaltungsorte auch verhindern. Damit möchten wir den koppeln. zwar deshalb, weil sie im Verbund mit das kreative Schaff en, das Auftreten in Zukunft! Ich fürchte – ein »Nach der Kulturschaff enden eine Perspektive Die Pandemie hat Künstlerinnen den freien Künstlerinnen und Künst- und Präsentieren ihrer Arbeit. Sie sind Pandemie« wird es so bald nicht geben. geben und zugleich die Strukturen und Künstler nicht nur in eine akute lern die kulturelle Grundversorgung seit Beginn der Coronakrise stark von Das zeichnet sich immer deutlicher ab. der Kulturlandschaft erhalten – denn Notsituation gebracht. Sie hat auch mit unseres Landes sicherstellen – zumeist den Maßnahmen zu ihrer Bewältigung Aber ich bin mir sicher: Die Krise, die Schäden an diesen, über lange Zeiträu- großer Deutlichkeit gezeigt, wie fragil jenseits der urbanen Lebensräume. betroff en. Unterschiede gibt es hier wir zurzeit erleben, birgt auch Chancen. me gewachsenen Strukturen sind oft die ökonomische Absicherung ihres Le- Um sie alle zu unterstützen, haben natürlich auch. Die großen, öffent- Denn sie zeigt uns, dass wir Kunst und irreversibel. bensmodells ist. Deshalb arbeiten wir wir im Frühjahr des vergangenen Jahres lich geförderten Institutionen haben Kultur als wichtige Stützen unseres ge- Wie sieht das ganz konkret aus? Mit im Kreis der Kulturministerinnen und ein mit , Millionen Euro ausgestatte- in der Krise naturgemäß einen Vorteil sellschaftlichen Zusammenhalts, als dem Kulturstärkungsfonds, der das -minister parallel zu den Akutmaßnah- tes Hilfsprogramm »Im Fokus.  Punk- gegenüber freien Künstlerinnen und wichtige Bestandteile unserer Demo- Bundesprogramm NEUSTART KULTUR men daran, ihre soziale Absicherung te für die Kultur« aufgelegt. In sechs Künstlern, Selbstständigen und Kul- kratie brauchen. Und sie wird Kunst gezielt ergänzt, unterstützen wir mit grundsätzlich zu verbessern. Hier geht Teilbereichen reagieren wir mit dieser turvereinen. Diese unterschiedliche und Kultur dauerhaft verändern – denn bis zu  Millionen Euro Einrichtun- es z. B. um die Rolle der Künstlersozi- Initiative auf die Bedarfe der freien Betroff enheit in der Kulturlandschaft wenn sie auch in Zukunft analoge eben- gen, die durch die pandemiebedingten alkasse, aber auch um den Zugang zur Szene. Ganz bewusst lassen wir dabei haben wir im Saarland von Beginn an so wie digitale Räume nutzt, bleibt ihr Schließungen Einnahmeausfälle erlei- Arbeitslosenversicherung. die großen Institutionen außen vor, berücksichtigt. das breite Publikum treu. den. Dazu zählen Theater, Orchester Denn das letzte Jahr hat uns eines an deren Erhalt schon ihre jeweiligen Bereits im letzten Jahr haben wir im und Museen in Trägerschaft des Lan- gelehrt: Wir können Pandemien nicht Rechtsträger ein hohes Eigeninteresse Saarland ein Hilfspaket für die Kultur Björn Thümler ist Niedersächsischer des und der Kommunen, soziokultu- verhindern, wohl aber Strukturen haben. Stattdessen konzentrieren wir geschnürt. Zum einen haben wir dafür Minister für Wissenschaft und Kultur relle Zentren, Festivals, ehrenamtlich schaff en, die die Kulturszene und ihre uns auf die freischaff enden Künstlerin- gesorgt, dass auch Kunst- und Kultur- getragene Vereine, aber auch Musik- Akteurinnen und Akteure weniger ver- nen und Künstler, Einrichtungen und schaff ende Zugang zu den Soforthilfen spielstätten und Clubs. wundbar machen. Vereine, die in den wenigsten Fällen des Landes erhalten und die Zusagen Im Sommer haben wir ein Stipendi- institutionell, in der überwiegenden der Projektförderung auch dann auf- enprogramm mit einem Volumen von Isabel Pfeiff er-Poensgen ist Ministerin Zahl allenfalls projektbezogen geför- rechterhalten wurden, wenn Projekte Nordrhein-  Millionen Euro aufgelegt, das es für Kultur und Wissenschaft des dert werden. Deren Geschäftsmodell, nicht wie ursprünglich geplant durch- . freien Künstlerinnen und Künst- Landes Nordrhein-Westfalen Einnahmen aus Auftritten zu erzielen, geführt werden konnten. Darüber hin- Westfalen lern ermöglicht hat, ihre künstlerische funktioniert unter Pandemiebedingun- aus haben wir ein Stipendienprogramm Arbeit fortzusetzen. gen nicht mehr. und den Kunstankauf für die Kunst- ISABEL PFEIFFERPOENSGEN Wie bereits erwähnt, werden wir un- Im Zentrum unseres Fokus-Pro- sammlung des Landes ausgeweitet. sere Kulturausgaben ungeachtet dieser gramms stehen Stipendien für pro- Insgesamt haben wir für rund . ehr als ein Jahr nach Ausbruch Sonderzahlungen weiter steigern. Mit Rheinland- fessionelle Kulturschaff ende à . Euro Werke von  Künstlerinnen und der Corona-Pandemie und Beginn der Legislaturperiode hatten wir Euro. Über . haben wir seit dem Künstlern erworben. Kulturvereine M trotz wichtiger Erfolge in der angekündigt, den Kulturetat bis  Pfalz Start des Programms im Mai  in haben wir in großem Umfang mit der Impfstoff entwicklung ist die Krise nicht um insgesamt  Millionen Euro auf inzwischen drei Antragsrunden bewil- Vereinshilfe Saarland unterstützt – über überstanden. Wir müssen davon aus- dann  Millionen Euro zu erhöhen, KONRAD WOLF ligt. Wir wollen damit zweierlei: zum  Vereine, insbesondere der Breiten- gehen, dass die Virusmutationen eine und dabei bleibt es. einen den Künstlerinnen und Künstlern kultur, haben davon profi tiert. erneute und möglicherweise deutlich Parallel dazu bereiten wir die ver- eit das Virus grassiert, ist al- fi nanziell unter die Arme greifen, ihnen Um das künstlerische Schaffen schnellere Ausbreitung des Virus be- antwortungsvolle Öff nung der Kultur- lenthalben die Rede davon, dass aber zugleich signalisieren, dass wir als auch in der anhaltenden Krise weiter wirken werden. Vor diesem Hintergrund einrichtungen vor – denn das ist die S unter Corona-Bedingungen ge- Land ein gesteigertes Interesse haben, zu fördern, legen wir das Stipendien- hat die Eindämmung des Infektionsge- wirksamste Form, die Kulturszene zu sellschaftliche Verhältnisse wie unter dass sie weiterhin tätig bleiben. Wie programm für soloselbständige Kunst- schehens weiterhin Priorität – selbst- stabilisieren. Im Kreise der Kultur- einem Brennglas sichtbar werden. Ich das gelingt, zeigen die Beispiele, die und Kulturschaff ende jetzt mit einem verständlich auch im Kulturbereich. minister haben wir einen Dreistufen- halte diese These für richtig und meine, wir auf einer digitalen Plattform ein- Gesamtvolumen von , Millionen Euro Und doch ist die Situation eine an- plan entwickelt, der die Öff nung der dass sie ganz besonders die Verwund- stellen, die wir »Kulturschaufenster« neu auf. Im Mittelpunkt des ersten dere als vor einem Jahr. Die mit aus der verschiedenen Kultureinrichtungen barkeit des Kulturbereichs übergroß nennen. Sie alle belegen eindrucksvoll, saarländischen Kulturgipfels im Mai Not geborener Eile etablierten Unter- an denen der Schulen und Kitas, des deutlich macht. Öff entlich geförderte dass auch unter Pandemiebedingungen des letzten Jahres stand die Vernetzung stützungsprogramme im Frühjahr  Einzelhandels und der Gastronomie Theater, Orchester und Museen können spannende und berührende Kunst ge- der kulturellen Akteure – hieraus sind konnten justiert, aufgestockt und an ausrichtet und so ihre gesellschaftliche zwar auf Kurzarbeitergeld und sonstige schaff en wird. fruchtbare Kooperationen entstanden, die konkreten Bedürfnisse der Betrof- Relevanz und Solidarität unterstreicht. Maßnahmen zurückgreifen, doch viel Neben diesen Stipendien gehören etwa zwischen der Stiftung Saarländi- fenen angepasst werden. Dabei spielt Darüber hinaus haben wir eine Arbeits- schwieriger sieht es derzeit aus, wenn unter anderem Unterstützungen für scher Kulturbesitz und der freien Szene der kontinuierliche Austausch mit gruppe eingerichtet, die sich mit Be- wir die freie Szene in den Blick nehmen. Programmkinos und Kulturvereine, sowie dem Saarländischen Staatsthea- Aufstockungsgelder für Empfänger von ter und dem Weltkulturerbe Völklinger Projektförderungen und eine Million Hütte. An diesen Erfolg möchte ich mit Euro für Digitalisierungsmaßnahmen einem zweiten Kulturgipfel im März im Bereich der freien Kultur zu den dieses Jahres anknüpfen – diesmal wird Säulen des Fokus-Programms. Nach es um konkrete Öff nungsperspektiven meinem Eindruck schaffen wir da- und die Bewältigung der mittel- und mit gute Voraussetzungen, dass es in langfristigen Krisenfolgen gehen. Rheinland-Pfalz auch in der Nach-Co- Der Lockdown darf nicht zum Dau- rona-Zeit eine vielfältige und lebendige erzustand werden – auch nicht für die Kulturszene geben wird. Kultur. Denn Kunst und Kultur sind kein verzichtbarer Luxus, sondern Konrad Wolf ist Minister für Wissen- Lebenselixier für eine demokratische schaft, Weiterbildung und Kultur des Gesellschaft. Landes Rheinland-Pfalz Christine Streichert-Clivot ist Ministe- rin für Bildung und Kultur im Saarland Saarland CHRISTINE STREICHERT Sachsen CLIVOT BARBARA KLEPSCH ie können nach langen Wo- chen des Lockdowns Öff- n keiner der über  sächsischen W nungsperspektiven gegeben Spielstätten hat sich in den ver- werden? Diese Frage ist gerade auch für I gangenen Monaten der Vorhang die Kultur wichtig. Bund und Länder gehoben, keiner der fast . Plätze haben sich darauf verständigt, zunächst ist verkauft worden, keine Werbung hat Museen und Galerien die Öff nung un- auf die nächste Premiere hingewiesen.

FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: ter Aufl agen zu ermöglichen, wenn sich Unter den zwölf selbständigen säch- Kino jetzt zu Hause: Abholung aus dem Elektroladen, . März  die Pandemie-Lage weiter positiv ent- sischen Orchestern sind Klangkörper wickelt. Die Kulturministerinnen und von Weltrang. Zurzeit sind sie alle auf den Institutionen, den Verbänden und lüftungskonzepten als zentralem und Wir reden hier von den Soloselbständi- -minister der Länder haben bereits eine gleichem Stand: keine Konzerte, keine Kulturschaff enden eine zentrale Rolle. planbarem Faktor bei der Öff nung der gen, den unständig Beschäftigten oder Strategie der stufenweisen Öff nung Tourneen, nur eingeschränkte Proben Er ist das ständige Korrektiv unseres Häuser befasst. Die Arbeitsgruppe hat den kurz befristeten Beschäftigten. vorgelegt, die im jüngsten Beschluss und deshalb Kurzarbeit. Die vielfältige politischen Handelns. eine Studie der Deutschen Theatertech- Sie sind in besonderer Weise von den der Ministerpräsidentenkonferenz und lebendige Tanzszene in Sachsen Aktuell begegnen wir als Landes- nischen Gesellschaft in  Theatern und geltenden Einschränkungen betroff en. und der Bundeskanzlerin leider aber stößt an ihre Grenzen, wenn Nähe zu regierung in Nordrhein-Westfalen der Konzerthäusern in Nordrhein-Westfa- Für sie geht es erst einmal nicht um nur teilweise berücksichtigt worden ist. vermeiden ist, wenn Zuschauer nicht als Situation auf vier Ebenen: Wir federn len in Auftrag gegeben. Ergebnisse sol- die Frage, wie und unter welchen Vor- Eine mittelfristige Öff nungsperspektive Resonanzraum vorhanden sind. Ähnlich die Situation der Betroff enen fi nanziell len in einigen Wochen vorliegen. aussetzungen sie ihren Betrieb wieder für Kultureinrichtungen, Kunst- und ergeht es dem Filmland Sachsen, ohne ab; wir setzen unsere Stärkungsinitia- Die Kommunen werden konkret hochfahren; für sie geht es ums nackte Kulturschaffende ist aber dringend neue Produktionen in »Görliwood« und tive Kultur ungeachtet dieser Sonder- durch den Ausgleich der Gewerbe- Überleben. notwendig – auch viele Vereine wollen einer unsicheren Planung für die Film- ausgaben planmäßig fort; wir bereiten steuermindereinnahmen, eine Erhö- Eine vergleichbare Ausgangslage ha- wissen, wie es weitergeht. festivals. Und in Museen treten die Ge- eine verantwortungsvolle Öff nung der hung der Finanzausgleichsmasse und ben die vielen meist ehrenamtlich oder Die Lage ist und bleibt angespannt. mälde nur noch untereinander in Dialog, Kultureinrichtungen politisch und in- Sonderhilfen für überschuldete Kom- semiprofessionell geführten Kulturein- Vielen Kulturschaff enden im Saarland, ohne das Publikum als Membran. Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 41

Die Aufzählung zeigt, wie einschnei- Auch die Angst um die wirtschaftliche dend diese Krise ist. Sie geht in einem Existenz der Kulturschaff enden kön- Kulturland an die Substanz – die der nen wir gemeinsam abfedern. Land, Künstlerinnen und Künstler, aller Mit- Bund und Kommunen haben diverse arbeiterinnen und Mitarbeiter in den Hilfen auf den Weg gebracht. Als Lan- Kultureinrichtungen und an die der Ge- desregierung haben wir uns unmittel- sellschaft, weil Orte der sozial durch- bar seit März  darum gekümmert, mischten Begegnung und des Dialogs Einrichtungen, Vereine und einzelne verwaist bleiben. Dies gilt sowohl für Künstlerinnen und Künstler fi nanziell die Metropolen im Freistaat als auch zu unterstützen. für kleinere Städte und die ländlichen Wir handeln dabei auf unterschied- Räume. In Letzteren ist der zeitweise lichen Ebenen. Mit eigenen Landes- Verlust noch mal stärker, weil die Bib- förderprogrammen helfen wir Kul- liothek, das Heimatmuseum, das sozio- turakteuren, Liquiditätsengpässe zu kulturelle Angebot und die Laienmusik überwinden. Auch soloselbständige oft die Traditionsträger und teilweise Künstlerinnen und Künstler unter- auch die letzten verbliebenen Gemein- stützen wir unbürokratisch. Unsere schaftsorte sind. zentrale Beratungsstelle im Kultur- Uns ist es – soweit schon eine Zwi- ministerium berät in allen Fragen und schenbilanz möglich ist – mit großer informiert über aktuelle Förder- und finanzieller Anstrengung gelungen, Hilfsprogramme. Mit den kulturellen die kulturelle Infrastruktur im ersten Dachverbänden pfl egen wir eine ver- Krisenjahr zu erhalten. Neben der Un- trauensvolle Dialogkultur. terstützung der staatlichen Betriebe Insgesamt hat der Landtag für den konnten wir dank einer landeseigenen Kulturbereich im Laufe des Jahres  Förderrichtlinie Hunderten privaten knapp  Millionen Euro zur Verfügung Einrichtungen aus Kunst und Kultur gestellt. Etwa  Millionen Euro sind Zuschüsse gewähren. Ergänzend zum noch nicht fest verplant und stehen für Bundesgeld und Kurzarbeitergeld war weitere Hilfsprogramme zur Verfügung. es so möglich, dass die Einrichtungen Mit den Förderprogrammen »Sofort- Liquiditätsengpässe ausgleichen, Mehr- hilfe Kultur I/II« haben wir wirtschaft- ausgaben und Mindereinnahmen ver- liche Existenzen von Kultureinrichtun- kraften konnten. Unsere Förderrichtli- gen gesichert, bisher mit , Millionen nie haben wir auf das zweite Krisenjahr Euro. ausgeweitet und für Spielstätten geöff - Darüber hinaus gibt es weitere Hil- net, die hauptberufl ich von Einzelun- fen: drei Millionen Euro für Künstle- ternehmern betrieben werden. Diese rinnen und Künstler im Rahmen der Anpassung ist nur ein Ergebnis unseres #KulturhilfeSH, ein separates Förder- kontinuierlichen Austausches mit den programm für Kinos und Schausteller, Betroff enen aus Kunst und Kultur seit und insgesamt zehn Millionen Euro für Beginn der Pandemie. Digitalisierungsangebote in Kultur- und Aber diese Krise geht tiefer als nur an Bildungseinrichtungen. die Infrastruktur: Sie nimmt Künstle- Angesichts des fortgesetzten Lock- rinnen und Künstlern die Lebensgrund- downs haben wir Stipendien auf den lage. Die emotionale, geistige Lücke Weg gebracht und planen eine ange- können wir während der notwendigen passte Weiterführung der Liquiditäts- Schließungen kaum füllen. Finanzi- hilfen für Kultureinrichtungen. Über ell haben wir aber mit zusätzlichen weitere benötigte fi nanzielle Unterstüt- Projektgeldern und dem Stipendium zungsleistungen befi nden wir uns im »Denkzeit« der Kulturstiftung geholfen, engen Austausch. über das . Freischaff ende unter- Wir wollen Kultur in der Pandemie stützt werden konnten. sichtbar und erlebbar machen. Die Kul- Um die Substanz zu retten, brau- turschaff enden brauchen nicht nur fi - chen wir eine Perspektive, wann Kul- nanzielle Hilfe, sie brauchen auch ihr tureinrichtungen öff nen, künstlerische Publikum. Deshalb hat das Land im Arbeiten weiter möglich sind. Die Sommer das »Kulturfestival Schleswig- Schritte dazu sind beschrieben. Nun Holstein« ins Leben gerufen. Rund 

braucht es eine pandemische Lage, die HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Künstlerinnen und Künstler sind bis- einen dauerhaften Kulturbetrieb ohne Erste Läden öff nen wieder, . April  her im ganzen Land aufgetreten. Alle Schließungen erlaubt. Dafür sind wir Bühnenshows wurden auf einer eigenen alle gefragt. Nur so können wir die Einrichtungen erkannt und praktikable Darüber hinaus erhöhte das Land den dächtnis Europas hinterlassen hat. Ich Plattform gestreamt. Zudem profi tier- schlimmen Monate der kulturellen Fördermaßnahmen bereitgestellt wer- Ankaufsetat für bildende Künstlerinnen wünsche der Stiftung sehr, dass diese ten bisher etwa  Firmen aus der Stille endgültig hinter uns lassen und den. Mit unserer spontanen fi nanziellen und Künstler, um den künstlerischen Schau stattfi ndet, denn welches The- Veranstaltungsbranche von Aufträgen die gerettete Infrastruktur mit neuem Soforthilfe für Mitglieder der Künstler- Arbeitsprozess zu unterstützen. Zudem ma könnte gegenwärtig mehr aktuelle im Zusammenhang mit den einzelnen Leben füllen. sozialkasse haben wir schon Ende März haben wir die Anwendung des Zuwen- Bezüge haben? Events. Weitere Veranstaltungen sind  als erstes Land schnell gehandelt. dungsrechts fl exibilisiert. Im Rahmen in den kommenden Monaten geplant. Barbara Klepsch ist Staatsministerin Bei diesen Hilfsmaßnahmen wurden des rechtlich Möglichen wurden und Rainer Robra ist Staats- und Kultur- Ich blicke trotz aller Härten für die für Kultur und Tourismus im Freistaat  Anträge mit einem Volumen von werden für viele landesgeförderte Pro- minister des Landes Sachsen-Anhalt Kultur optimistisch in die Zukunft. Sachsen . Euro bewilligt. jekte individuelle Lösungen gefunden. Nicht nur wegen der zielgerichteten Natürlich war dies eine eher symbo- Die Kulturministerkonferenz hat fi nanziellen Hilfen und der möglichen lische Maßnahme, aber sie signalisierte, kürzlich mit ihrem Beschluss »Kultur Öff nungsperspektiven. dass die Politik die Ängste und Sorgen wieder ermöglichen« einen von allen Zuversicht gibt mit auch das neue der Künstlerinnen und Künstler nicht Ländern getragenen Fahrplan für Lo- Schleswig- Miteinander. Die oftmals sehr hete- Sachsen- aus den Augen verliert. Wir führen mit ckerungen entwickelt und deutlich rogen aufgestellte Szene hat sich zu den Kulturschaff enden im Land auch gemacht, dass bei allen Öff nungsstra- Holstein neuen Allianzen zusammengefunden Anhalt weiter intensive Gespräche und unter- tegien der Kunstfreiheit und der beson- – in Schleswig-Holstein wurde z. B. ein stützen sie bei der Inanspruchnahme deren Bedeutung der Kultur Rechnung KARIN PRIEN Kinoverbund gegründet, um gezielt RAINER ROBRA der Milliardenhilfen, die der Bund mit getragen werden muss. In seiner Strate- Lobbyarbeit zu betreiben. Gewachsen seiner jetzt erfreulicherweise aufge- gie für sichere und gerechte Öff nungen ir blicken mittlerweile auf und gefestigt ist auch der Austausch itte Januar dieses Jahres bi- stockten Neustarthilfe für die verschie- wird Sachsen-Anhalt bis Ende Februar ein ganzes Jahr zurück, das der Kulturträger mit Politik und Ver- lanzierten die Welterbestät- denen Kultursparten bereitstellt. die Kriterien für die Wiederzulassung W für die Kulturszene mit ex- waltung. M ten Sachsen-Anhalts, die Im Juli  hat Sachsen-Anhalt des Publikumsverkehrs festlegen. tremen Belastungen einherging. Nicht Die Kultur hat eine Welle der Soli- kulturellen Aushängeschilder unseres das Stipendienprogramm »Kultur ans Auf keinen Fall dürfen Länder und nur die Kunst- und Kulturschaff enden darität aus der Mitte der Gesellschaft Landes, eine Bilanz des Corona-Jahres Netz« aufgelegt, mit dem das Land Kul- Kommunen ihre Haushalte in den warten sehnlichst darauf, wieder auf- erreicht. Allein das Schleswig-Holstein . Sie alle haben massive Einnah- turschaff enden für das Erbringen einer nächsten Jahren zulasten der Kultur sa- zutreten, auszustellen und im öff ent- Musik Festival hat  durch nicht meverluste zu beklagen. Am Bauhaus künstlerischen Leistung einen nicht nieren. Mehr denn je muss im öff entli- lichen Raum kreativ zu werden. Auch zurückverlangte Karten ausgefallener in Dessau halbierten sich die Besucher- rückzahlbaren Zuschuss in Höhe von chen Diskurs bewusst gemacht werden: das Publikum sehnt diesen Augenblick Konzerte und Spenden über eine Mil- zahlen. In den Luther-Gedenkstätten . Euro monatlich für die Dauer von Kultur ist nicht das »Sahnehäubchen« herbei. lion Euro von seinem Publikum erhal- zu Wittenberg wurden  Prozent bis zu drei Monaten gewährt hat. Ins- obendrauf. Kultur ist essenziell und sie Gemeinsam wollen wir Kultur ge- ten. Und vor allem: Wir alle wurden weniger Gäste registriert. Der Dom in gesamt wurden  Anträge mit einem wird für die Zeit nach der Pandemie nießen, gemeinsam gehen wir aber überrascht von unzähligen kreativen Naumburg verzeichnete durch seine Gesamtvolumen von über , Millionen eine wichtige Rolle für die seelische auch durch diese Krise und schaff en künstlerischen Formaten im Netz, aber Schließung einen Verlust von einer Euro bewilligt. Gesundung der Menschen spielen. Der Perspektiven. ebenso ganz analog von ungewöhnlich halben Million Euro. Diese Beispiele Beim kürzlichen »Kulturgipfel« unter Hunger auf Kultur ist groß. Mit dem Perspektivplan der Landes- charmanten Ideen in den Sommermo- zeigen: Die Kultur ist weiter in einer Leitung von Ministerpräsident Reiner Noch ein Wort zur Stiftung Luther- regierung werben wir auf Bundesebene naten. Der Lohn dafür war ein großer schwierigen und für viele existenziell Haseloff mit Vertretern aus verschie- gedenkstätten. Dort ist in diesem Jahr für eine transparente Öffnungsper- Zuspruch und ganz neu gewecktes In- bedrohlichen Lage. denen kulturellen Bereichen hat der in Wittenberg eine Sonderausstellung spektive für die Kultur. Wenn wir uns teresse an Kunst und Kultur. Die Landesregierung Sachsen-An- Regierungschef mitgeteilt, dass dieses unter dem Titel »Pest. Eine Seuche ver- alle an die Maßnahmen zur Pandemie- halts hat sich seit Pandemie-Beginn Stipendienprogramm ab März  neu ändert die Welt« geplant. Sie soll vom bekämpfung halten und die Inzidenz Karin Prien ist Ministerin für Bildung, dafür eingesetzt, dass die Belange der aufl egt wird und nunmehr , Millionen . August  an aufzeigen, welche weiter sinkt, werden wir schneller öff - Wissenschaft und Kultur des Landes Kulturschaff enden und der kulturellen Euro dafür vorgesehen sind. Spuren die Pest im kulturellen Ge- nen können. Schleswig-Holstein 42 EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR www.politikundkultur.net

häuser zu bauen, kommen Entwerfer näher. Licht, Luft und Sonne – dieser Schlachtruf Zurück in die Zukunft? der Moderne wird heute auf angenehmes Tageslicht und gute Raumluft bezogen. Wie lebt es sich in der Post-Corona-City?: Ausblick auf die Stadt nach der Krise Neue Entwürfe verwischen die Grenzen zwischen Gebäude und Landschaft. Dächer ULF MEYER Die Krise hat bewiesen, dass Büroarbeit pro Kopf ist hoch und es herrscht eine Die kollektive und Fassaden selbst können Vegetation nicht in der Innenstadt stattfi nden muss. Diskrepanz bei Angebot und Nachfra- tragen und mit »grünen Haaren« Kühle, enn die Corona-Pandemie Videokonferenzen und digitales Arbeiten ge von Wohnraum. Beim »integriertem Erfahrung, Habitat und Feinstaubfi lterung in Städten vorbei ist, kehren Gesell- haben teilweise Tauglichkeit bewiesen Wohnen« leben Junge und Alte, Familien monatelang im befördern. schaft und Architektur und Großraumbüros sind unattraktiver und Alleinstehende in einer Wohnanlage Haus zu bleiben, »Grüne« Gebäude müssen nicht »grün« W dann zum Ausgangspunkt geworden. Werden künftig nur noch ver- zusammen. Es wirkt gegen die Individu- beeinfl usst die aussehen, um eine gute Umwelt-Perfor- von  zurück oder wird die Entwicklung einzelte Treff en oder Projektarbeiten, bei alisierung und Vereinsamung im Alter. mance zu haben. Nutzungsneutralität von beweisen, dass nicht jeder Trend reversibel denen man sich in die Augen schauen will, Dieses Zusammenführen von Menschen Zukunft der Grundrissen spielen ebenfalls eine wichti- ist? Wird es eine Post-Corona-Architektur in Büros abgehalten? Ist die tägliche An- in unterschiedlichen Lebenslagen soll Architektur. ge Rolle für langlebige Gebäude. Platzspa- geben? Hat das Arbeiten im Homeoffi ce wesenheit aller Beschäftigten an einem nachbarschaftliche und soziale Kontakte Nicht die saube- rend zu wohnen ist nur sinnvoll, es kann so viele Freunde gewonnen, dass sich die Ort unnötig geworden? Wenn das Home/ anregen als Antwort auf die Individuali- re, weiße Glätte angesichts des Bedürfnisses nach Abstand großen Bürohäuser zu Wohnhäusern um- Offi ce der Zukunft angenehm sein soll, ge- sierung und den demografi schen Wandel. in Städten auch hygienisch geboten sein. nutzen ließen? hört ein wohngesundes Umfeld und ein der Moderne, Angesichts knapper Mittel und Ressourcen Leere Geschäfte und Büros, aber volle ergonomischer Arbeitsplatz dazu. sind kostengünstiges Bauen und das Re- Freifl ächen als neues Facebook – Der sondern ein Radwege: Die Coronakrise hat die europäi- Angesichts von flächendeckendem cycling von Bauteilen Gebote der Stunde. öff entliche Raum im . Jahrhundert Versteck, das schen Innenstädte verändert. Warenhäuser, Homeoffi ce und Homeschooling-Gebot in Würde der massenhafte Einsatz von intel- Malls und Einkaufsstraßen sind leergefegt. Deutschland wurde deutlich, wie wichtig Heute ist zwar jedermann durch Techno- voller Erinne- ligenten Baustoff en und -komponenten Ein Drittel aller Nicht-Lebensmittelhänd- Wohnumfeld, Nahversorgung, Parks und logien und soziale Medien miteinander rungen an den die Probleme vergrößern oder lösen hel- ler ist ökonomisch bedroht, die Innenstäd- städtische Plätze sind. Grünanlagen und verbunden, aber echte Interaktion fi ndet Rest der Welt ist, fen? Liegt im autochtonen Bauen, das aus te veröden. Die Stadt als Einkaufs- und öff entliche Räume machten die Pandemie seltener statt. Große öff entliche Räume dient als Raum dem örtlichen Klima und Material schöpft, Bürostandort verliert an Bedeutung. Wird erträglicher. »Pop-Up-Straßenlokale« und waren vor der Pandemie die Orte, an de- ein Schatz, den es zu heben gilt, oder ist der durch den boomenden Internethandel »Pop-Up-Radwege« wurden zu interessan- nen Feste gefeiert wurden, sozialer und für den sozialen das eine romantische Vorstellung? Natur bewirkte Ladenleerstand dazu führen, dass ten Beispielen des »taktischen Urbanis- wirtschaftlicher Austausch stattfi ndet, Winterschlaf gilt mehreren Ansätzen der Post-Corona- wieder mehr Wohnungen in der Innenstadt mus«. Innenraumfunktionen dehnen sich Freunde aufeinandertreff en und Kultu- Architektur als Vorbild: Manche ergreifen geschaff en werden? Bietet die Krise also in den Außenraum aus. Das lange propa- ren sich vermischen. Wenn öff entliche die Flucht aus der Dichte der Stadt aufs Chancen zur Belebung der Innenstadt? gierte Ziel der »Stadt der kurzen Wege« ist Räume gut funktionieren, dienen sie als Land. Verschwendung und Müll kennt der Wenn die Innenstadt als Wohnort wieder- hingegen in eine Krise geraten: Vorbehalte Bühne des Lebens. In Zeiten der Pande- natürliche Kreislauf nicht. Ließe sich auch entdeckt wird, muss soziale Infrastruktur gegenüber Dichte in Städten sind gewach- mie gewannen Freifl ächen in der Stadt in der Architektur ein Weg von der Wiege wie Schulen und Kitas folgen. sen. Die Sorge um Hygiene und Gesundheit an Bedeutung, denn für viele sind sie die bis zur nächsten Wiege fi nden? Sind Ver- Das Homeoffi ce hat durch die Pandemie könnte zur Rückkehr nach Suburbia führen. einzige Möglichkeit für soziale Interaktion. zicht und Subsistenz gangbare Wege für einen Durchbruch erlebt. Über  Prozent Es sind die öff entlichen Räume, die eine das Wohnen in der Stadt im Tiny House der Deutschen arbeiten laut Eigenaussage Stadt und ihre Lebensqualität ausmachen. oder mit Selbstversorger-Garten auf dem Auswirkungen auf die Architektur gern von zu Hause aus. In Folge der Pan- Funktionierende öff entliche Räume tragen Dach oder hinter dem Haus? demie werden deshalb viele Bürogebäu- Schlaglichtartig hat die Gesundheits- dazu bei, dass Mechanismen, die sonst auf de von Leerstand bedroht sein. Unfl exible krise gezeigt, wie wichtig gut gestaltete Facebook und Co. stattfi nden, auch in der Krankheit und Architektur Grundrisse werden den Ansprüchen der Freiräume in Städten und direkt vor der Realität funktionieren. Als vor hundert Jahren die Moderne in der Architektur ihren weltweiten Siegeszug begann, gehörten Krankenhäuser und Sanatorien zu ihren überzeugendsten Bautypen. Denn hier zeigte sich, dass die streng geometrischen Gebäude mit ihren Glasfassaden für üppiges Tageslicht, wei- ßen Räumen und breiten Dachterrassen zum Kampf gegen die Tuberkulose taugten. Sie wurden konzipiert, um Genesung zu fördern, die Architektur war selbst Teil der Heilung, ein medizinisches Instrument. Die schnelle Verbreitung der modernen Architektur war auch eine Folge der Angst vor Krankheiten. Weiße Wände, kahle Bö- den und saubere Metallarmaturen stan- den für Sauberkeit und Hygiene. Auch nachdem der Tuberkulose-Impfstoff die Pandemie zum Ende brachte, blieb der Zusammenhang zwischen Moderne, die als »Krankenhausarchitektur« erblühte, und Gesundheit und Hygiene bestehen. Im Gegensatz zur luftigen Leere der Mo- derne wird der für die Corona-Quarantäne benötigte Raum defensiv gestaltet. Klebe- bänder und Plexiglaswände unterteilen die Welt in kleine Zonen, weite Räume werden vermieden. Durch die Quarantäne haben Bewohner die Grenzen ihrer Wohnungen genauer kennengelernt. Akustische Privat- sphäre ist wichtiger geworden, wenn die Familie den ganzen Tag in einer Wohnung zusammenlebt. Das Loft-Living hat seinen romantischen Touch eingebüßt – wegen des Mangels an Privatsphäre und Möglich- keiten, in einen anderen Raum zu ziehen. Wenn Bars, Cafés und Geschäfte kei- nen Ausweg bieten, werden die Grenzen des eigenen Zuhauses umso spürbarer. Es gibt nur noch privaten oder öff entlichen Raum, aber kein Zwischenprodukt. Die

FOTO: ANNETTE HAUSCHILD/OSTKREUZ HAUSCHILD/OSTKREUZ ANNETTE FOTO: Quarantäne macht uns zu Entdeckern Shutdown in Berlin, . Mai : Ein Fuchs streift umher des Vertrauten. Für die Stadtbewohner des . Jahrhunderts bilden Kopfhörer, modernen Arbeitswelt und dem Image vie- (Balkon-)Tür als Dachgärten, Balkone, Die Architektur heute ist fest im Griff der Smartphone, Laptop und Ladekabel das ler Firmen nicht mehr gerecht. Der Rück- Loggien und Sky-Gardens sind – und wie Pandemie. Die Zunahmen der Single- Existenzmaximum. griff auf vorhandene Gebäude könnte zu essenziell es ist, auch mit den Mitteln der Haushalte in Deutschland und das Ende Die kollektive Erfahrung, monatelang Entspannung im Wohnungsmarkts führen, Architektur Generationen zusammenzu- des sozialen Wohnungsbaus trieben Ar- im Haus zu bleiben, beeinfl usst die Zu- ohne dass nachverdichtet werden muss bringen. Die deutsche Bevölkerung wird chitekten und Bauherren – und die ganze kunft der Architektur. Nicht die saubere, und Grünfl ächen bebaut werden. Büro- im Jahr  im Durchschnitt  Jahre alt Gesellschaft – um. Baugruppen haben sich weiße Glätte der Moderne, sondern ein gebäude eignen sich gut zur Umnutzung sein. In der Architektur driften Jung und als neue, erfreuliche Form von Bauherren- Versteck, das voller Erinnerungen an den in Wohnraum, da sich Gebäudetiefe und Alt auseinander und leben in »Bubbles«. schaft für moderne Wohnformen etabliert. Rest der Welt ist, dient als Raum für den Raumhöhe meist nicht von Wohngebäu- Mehrgenerationen-Wohnen ist deshalb Die Wiederentdeckung von Holz als tra- sozialen Winterschlaf. den unterscheiden. Durch Teilabbrüche, ein neuer Typus, der im Ein- oder Mehr- gendem Baumaterial auch für städtische Anstatt die hygienische Moderne zu re- Aufstockungen und Modernisierungen familienhaus seinen Ursprung fand, in Bauaufgaben und die Renaissance des mo- produzieren, zieht die »,-Meter-Gesell- können so ineffi ziente Bürogebäude in dem Großeltern, Eltern und Kinder zu- dularen Bauens sind Trends, die Städte in schaft« improvisierte Linien und Barrieren. effi ziente Wohngebäude umgewandelt sammengewohnt haben. Die Vereinsa- Zukunft stärker prägen werden. Dem Ziel, werden. mung schreitet voran, die Wohnfl äche Niedrig-, Null- oder sogar Plus-Energie- Ulf Meyer ist Architekturjournalist Politik & Kultur | Nr. / | März  EIN JAHR: CORONA VERSUS KULTUR 43

einer Bildhauerin als Pandemietreiber kommunaler Gestaltung zugänglich gelten müssen. Solange nicht hundert- ist. Dieser Aufgabe stellen sich die Wichtige kulturelle Substanz prozentig klar ist, was genau gefährlich Landkreise mit dem Blick auf die hohe ist und was nicht, müssen wir leider Relevanz von Kunst und Kultur für die Landkreise brauchen eine Der Künstler im ländlichen Raum, der deren Branchen ist das Internet auch weiter mit solchen »Schrotschüssen« dort lebenden Menschen und ihre Gäste. lebendige Kulturszene – in der Großstadt erfolgreich ist, gut ver- keine Möglichkeit, einen teilweisen leben. Denn eine Erfahrung aus der Pandemie dient und sich ein Refugium auf dem Ausgleich zu schaff en. Die Landkreise Daher sind Öff nungsszenarien wich- ist schon jetzt, dass die Menschen die auch nach der Pandemie Lande geschaffen hat, der ist nicht und ihre kreisangehörigen Städte und tig, wie es auch im aktuellen Papier des Bedeutung der Kultur durch ihr mona- allzu häufi g anzutreff en. Tatsächlich Gemeinden bemühen sich nach Kräf- Deutschen Kulturrates vom . Februar telanges Fehlen noch mehr zu schätzen JÖRG FREESE gibt es im ländlichen Raum viele Kul- ten, trotz der auch für ihre Haushalte gefordert und von den Kulturministern wissen. turschaff ende, die auch in normalen schwierigen Situation den Künstle- der Länder konkretisiert wird. Thesen Fazit: Für die Landkreise ist es ehr als ein Jahr ist ver- Zeiten nicht üppig von ihrer Professi- rinnen und Künstlern Perspektiven und Empfehlungen des Kulturrates sind wichtig, die kulturelle Substanz zu er- gangen, seit der erste on leben können. Häufi g üben sie auch und vor allem Unterstützung zu ge- auch von den Landkreisen zu unter- halten und sobald wie irgend möglich Fall einer COVID--Er- weitere Tätigkeiten aus. Für Kulturein- ben. Denn Kunst und Kultur bestim- stützen. und epidemiologisch verantwortbar, M krankung in Deutschland richtungen gilt dies in ähnlicher Weise. men ganz wesentlich das Wesen eines Über die Adressaten gilt es allerdings auch Kunst und Kultur endlich wie- aufgetreten ist, kurz danach entstanden Sie sind selten besonders profi tabel, oft Landkreises. noch zu diskutieren: In den Ländern der Möglichkeiten zur Betätigung zu dann im Kreis Heinsberg sowie im Land- brauchen sie in nennenswerter Grö- Die gerade in ländlichen Räumen sind es nicht die Kulturminister allein, geben. Denn auch in den Landkreisen kreis Tirschenreuth erste »Hotspots«. ßenordnung öff entliche (kommunale) teilweise erschreckend hohen Infek- die über Öff nungen entscheiden. Und will niemand, dass wir ein Volk von Vielleicht ist es bezeichnend, dass der Unterstützung. tionszahlen haben auch gezeigt, dass im kreisangehörigen Raum haben in Auslieferungsfahrern und Usern der ländliche Raum als Erstes betroff en war. Mit den Lockdowns sind die Mög- das Virus kein Problem allein der erster Linie die Landkreise mit ihren Plattform-Ökonomie werden. Daher ist es sinnvoll, gerade auch einen lichkeiten zu Auftritt oder Ausstellung Ballungsräume ist. Man kann lange Gesundheitsämtern die schwierige Blick auf die Situation von Kunst und genauso wie der Tourismus faktisch darüber streiten, ob kleine Konzerte Aufgabe, über lokale Maßnahmen zu Jörg Freese ist Beigeordneter des Kultur in den Landkreisen zu werfen. weggebrochen. Im Gegensatz zu an- oder die Ausstellung eines Malers oder entscheiden, soweit dies überhaupt Deutschen Landkreistages Eine Perspektive für die Kultur in den Städten Deutscher Städtetag fordert den Erhalt der kulturellen Infrastruktur

KLAUS HEBBORN Theater und Gastspieltheater, Museen, allem freie Kultureinrichtungen als Fördermittel fortgezahlt, Raummieten einrichtungen und Kulturschaff enden Bibliotheken oder Volkshochschulen wichtiger Bestandteil der kulturellen erlassen oder gestundet, Ausfallho- schrittweise die Wiederaufnahme ihres as kulturelle Leben in den und Musikschulen sind von erheblichen Infrastruktur vor Ort stabilisiert. Mit den norare gezahlt oder neue Leistungen künstlerischen und wirtschaftlichen Städten ist nach vorsichti- Einnahmeausfällen bei gleichzeitig Überbrückungshilfen leistet der Bund entwickelt und gefördert. Kommunale Betriebs zu ermöglichen. gen Öff nungen in den Som- steigenden Kosten betroff en. Die Aus- auch eine besondere Unterstützung Kultureinrichtungen sind überdies Ar- Planungssicherheit kann es in der D mermonaten erneut nahezu wirkungen werden umso gravierender, für Soloselbständige. Dieser Ansatz ist beitgeber für Künstlerinnen und Künst- gegenwärtigen Lage nicht geben, not- vollständig zum Erliegen gekommen. Es je länger die Beschränkungen andauern. nachdrücklich zu begrüßen. Es bleibt ler, öff entliche Kulturförderung kommt wendig ist aber zumindest ein gestuftes ist nicht absehbar, wann sich das Kul- Bund, Länder und Kommunen sind da- allerdings abzuwarten, ob diese neuen somit mittelbar auch der freien Kultur und an die jeweiligen Inzidenzwerte turleben wieder in vollem Umfang ent- her aufgerufen, mit Soforthilfen und Hilfestrukturen geeignet sind, die bishe- zugute. Voraussichtlich werden sich angepasstes Planungsszenario für die falten kann. Bis in den März sind erneut Unterstützungsmaßnahmen die Aus- rigen Defi zite in der Unterstützung ins- die Folgen der Pandemie in ihrem gan- Kultur. die meisten kulturellen Einrichtungen wirkungen der Corona-Pandemie auf besondere von freien Kulturschaff enden zen Ausmaß erst in den kommunalen Die Kultur-Ministerkonferenz hat geschlossen und Veranstaltungen unter- den Kulturbereich abzumildern und auszugleichen. Angesichts des Fortdau- Haushalten der nächsten Jahre zeigen. dazu erste Überlegungen angestellt sagt worden. Da die Infektionsschutzre- die kulturelle Infrastruktur zu schüt- erns der Pandemie zeichnet sich ab, dass Konsolidierungsmaßnahmen drohen, und auch der Stufenplan des Deutschen gelungen rechtlich auf einen Zeitraum zen. Der Deutsche Städtetag tritt daher kurzfristige Unterstützungsmaßnah- die Kultur als vermeintlich „freiwillige Kulturrates ist ein guter Ansatz für die von vier Wochen begrenzt sind, ergibt nachdrücklich für den Erhalt der kultu- men, die darauf ausgerichtet sind, eine Leistung“ gerät dabei zum wiederholten Erarbeitung entsprechender Konzep- sich für die Einrichtungen eine große rellen Infrastruktur und die Unterstüt- zeitlich begrenzte Krise zu fl ankieren, Male in Gefahr, in Konkurrenz zu Pfl icht- te. Es ist bedauerlich, dass ein solches Planungsunsicherheit. Manche Kultur- zung Kulturschaff ender ein. allein nicht mehr ausreichend sind. Es leistungen zu treten. Die Kommunen Konzept, das schon Anfang des Jahres einrichtungen haben daher bereits alle ist von einem längerfristigen Prozess bekennen sich gemeinsam mit Bund und vorgelegt werden sollte, noch immer Veranstaltungen oder Auff ührungen bis über mehrere Stufen auszugehen, der Ländern zu ihrer Verantwortung für den aussteht. Es muss schnellstmöglich Unterstützung der Kultur länger- Ende April abgesagt. in geeigneter Weise über verlässliche Erhalt und die Weiterentwicklung der erstellt werden. fristig erforderlich Vor allem freie Kulturschaff ende und staatliche Hilfen für öff entlich getragene kulturellen Infrastruktur vor Ort. Sie Die bisherige Pandemie hat ge- Einrichtungen sind in ihrer Existenz Die bisherigen Maßnahmen des Bun- kulturelle Einrichtungen wie für die freie brauchen aber als Träger des größten zeigt, dass die Menschen bereit und in gefährdet. Viele Kultureinrichtungen des und der Länder bieten zusammen Kultur begleitet werden sollte. Anteils der Kulturausgaben in Deutsch- der Lage sind, Einschränkungen ih- und Spielstätten haben ausgefeilte Hy- mit vielfältiger kommunaler Unterstüt- land weitere fi nanzielle Unterstützung. rer Freiheitsrechte und persönliche gienekonzepte entwickelt, technische zung vor Ort wichtige Hilfestellungen Bei der Ausgestaltung von NEUSTART Be-lastungen zu tragen. Entschei- Auch die öff entlich getragene Ausrüstung angeschaff t und Schutz- für Kulturschaff ende und Einrichtun- KULTUR sollte daher eine Einbeziehung dend dabei ist, dass Entscheidungen Kultur fi nanziell absichern vorkehrungen getroff en. Zu diesen In- gen. Das Konjunkturpaket des Bundes kommunaler Kultureinrichtungen vor- gut begründet sind und ein Weg aus vestitionen kommen weiterlaufende zur Bekämpfung der Auswirkungen der Die Städte und Gemeinden haben nicht gesehen werden. der Krise aufgezeigt wird. Dies gilt in Ausgaben für Miete und Betriebskosten Corona-Pandemie hat die Kommunen nur Einnahmeausfälle und Mehrausga- gleicher Weise für den Kulturbereich: bei gleichzeitig wegbrechenden Ein- finanziell gestärkt. Mit dem Sonder- ben für ihre eigenen Kultureinrichtun- Kultur braucht eine Perspektive, und Stufenplan für die Öff nung des nahmen. Finanzielle Polster – soweit programm NEUSTART KULTUR des gen zu tragen, sie unterstützen darüber zwar jetzt! Kulturbetriebs überhaupt vorhanden – sind vielfach Bundes für den Kulturbereich, für das hinaus die freie und private kulturelle aufgebraucht. Aber auch die öff entlich bundesseitig jüngst eine zweite Milli- Szene subsidiär dort, wo andere Hilfs- Neben der fi nanziellen Unterstützung Klaus Hebborn ist Kulturdezernent des getragenen Kulturinstitutionen wie arde bereitgestellt wurde, werden vor programme nicht greifen. Es werden ist die wichtigste Maßnahme, Kultur- Deutschen Städtetages

Clubszene als wichtigen Teil des städti- Einkommens- sowie der Umsatzsteu- schen Kulturlebens. Ob dies auch in den er berücksichtigen. Anderenfalls wird Wege aus der Krise kommenden Jahren der Fall sein wird, es unweigerlich zu Einschränkungen bleibt ungewiss. Steigende Ausgaben der kommunalen Leistungen kommen, Kommunen sichern Kulturleben und schwindende Einnahmen treff en wovon auch der Kulturbereich nicht in der Coronakrise insbesondere auch verschont bleiben würde. UWE LÜBKING wieder herausgestellten Stellenwert grammen, um Schaden von der Kultur die Kommunen. Die Corona-Pandemie Die coronabedingten Einschränkun- zu haben scheint. Vielmehr taucht die abzuwenden. Der Bund stellte eine Mil- hat zu einem massiven kommunalen gen haben aber auch zu einem Innova- nstreitig sind von den Folgen Kultur nicht z. B. bei den Bildungsins- liarde Euro zur Verfügung, um überwie- Finanzeinbruch geführt. Die finan- tionsschub in der Kultur geführt, insbe- der Corona-Pandemie Kultur- titutionen auf, sondern rangiert in der gend privat fi nanzierten Kultureinrich- zielle Unterstützung der Kommunen sondere im Bereich der Digitalisierung. U einrichtungen und die Kultur- Diskussion scheinbar nach Friseuren, tungen eine Zukunftsperspektive zu im Jahr  eröff nete den Städten Dieser Schub sollte für die Zeit nach der schaff enden in großem Maße betroff en. Einzelhandel oder Gaststätten. Richtig bieten. Mit einem Anschlussprogramm und Gemeinden die Möglichkeit, ihre Krise für die Weiterentwicklung kultu- Dabei ist ein interessantes Phänomen ist, dass die Kultur in einer derartigen für das Rettungsprogramm NEUSTART Kulturförderung fortzuführen und die reller Angebote genutzt werden, auch festzustellen. Der Deutsche Städte- und Krise nicht in einem »Elfenbeinturm« KUTUR werden weitere Mittel von ei- kulturelle Infrastruktur zu erhalten. Die um neue Publikumsgruppen zu gewin- Gemeindebund (DStGB) hat immer wie- sitzen kann. Man kann nicht Museen, ner Milliarde Euro zur Unterstützung Folgen dieser Pandemie auszugleichen, nen. Die digitalen Formate können das der betont, dass Kunst und Kultur das Theater, Kinos, Clubs oder Konzerthäu- der Kulturschaff enden bereitgestellt. wird aber ein Marathonlauf werden. Die unmittelbare Kulturerleben aber nicht Leben in den Städten und Gemeinden ser off enlassen, während der Rest des Auch die Bundesländer haben Unter- Städte und Gemeinden werden auch in ersetzen. Von daher ist es wichtig, die bereichern und prägen und einen wich- Lebens stillgelegt ist. Auf der anderen stützungsprogramme aufgelegt. den kommenden Jahren unter massi- Kultur bei den Öff nungsstrategien nicht tigen Beitrag zum gesellschaftlichen Seite dürfen die kulturelle Vielfalt Im Verhältnis zu Bund und Ländern ven Mindereinnahmen leiden. Länder nur ihrer Bedeutung nach entsprechend und sozialen Zusammenhalt leisten. und Reichweite von Kunst und Kultur, stemmen die Kommunen als soge- und Bund stehen daher in der Pfl icht, zu berücksichtigen, sondern auch die Auch seitens der Kultureinrichtungen insbesondere der kulturellen Bildung, nannte freiwillige Leistung mit rund mindestens auch für die Jahre  fi nanziellen Rahmenbedingungen zu und Kulturschaff enden wird immer auf nicht verloren gehen, zumal viele  Prozent den größten Anteil der öf- und  einen Rettungsschirm für schaff en, das vielfältige Kulturangebot die Bedeutung der Kultur und die Fol- kulturelle Einrichtungen und Akteu- fentlichen Kulturfi nanzierung. Sie si- die Kommunalfi nanzen aufzuspannen. in unserem Land zu erhalten. gen des Lockdowns hingewiesen. Bei re Konzepte und Lösungen entwickelt chern damit die kulturelle Infrastruktur, Die Kompensationszahlungen müssen der aktuellen Diskussion um Öff nun- haben. also Theater, Orchester, Bibliotheken, dabei neben den Gewerbesteuerver- Uwe Lübking ist Beigeordneter für So- gen muss man ehrlicherweise aber fest- Richtigerweise hat die Politik re- Museen, soziokulturelle Zentren, Pro- lusten auch die Mindereinnahmen bei ziales, Bildung, Kultur und Sport beim stellen, dass Kultur nicht den immer agiert und hilft mit fi nanziellen Pro- grammkinos, freie Gruppen oder die den gemeindlichen Anteilen an der Deutschen Städte- und Gemeindebund 44 DAS LETZTE www.politikundkultur.net

Kurz-Schluss Wie ich einmal als bildungsbefl issener, ehrlicher Digitalvisionär am Bundeswirtschaftsministerium zerschellte

THEO GEIẞLER ideellen Getriebenheit geschuldet war, auftrittes unseres Bundeswirtschafts- de« unterlegter Videostream öff nete darzulegen. Gemacht und abgeschickt. sondern auch meinen Schulden beim Fi- ministeriums zu. Da wurde ein üppiges sich: »Play Windhundrennen und WIN« In schlichter Schrift folgte die Auff or- Man soll ja doch ab und an mal ehr- nanzamt und beim Bäcker. Ideenreiches Förderangebot zum Auf- und Ausbau fl ackerte über den Bildschirm. Dann derung: »Prüfen Sie Ihren Maileingang«. lich sein. Schon um im Unterschied zu Kleinunternehmertum als bescheide- digitaler Strukturen gerade für kleine hoppelte ein üppigbäuchiger Dackel, Gern. Da war zwar noch nix, aber acht zahlreichen sogenannten »aktiven« Po- ner Existenzrettungsring in diesem Lü- Firmen, auf Start-ups wie mich zuge- auf den der Kopf von Wirtschafts- und Stunden später kam tatsächlich eine litikern und katholischen Oberbossen gensumpf von materiellen angeblichen schnitten, ausgelobt. Also quälte ich Energieminister Peter Altmaier mon- Nachricht vom Wirtschaftsministerium: Glaubwürdigkeit zu bewahren. Was Hilfsprogrammen (dazu später noch mich durch den -seitigen, off en- tiert war, überraschend energetisch »Gratulation, Herr Geißlertheo, Ihre Be- sich da beispielsweise der Hallenser ein Beispiel) ist doch gerade in diesen sichtlich wörtlich aus dem Altgriechi- im Karree über den Bildschirm. »Fein, werbung um die Bewerbungsunterlagen Oberbürgermeister oder Augsburgs Bi- Zeiten Licht der Hoff nung am Ende des schen übersetzten Beschreibungstext dass Sie sich für die digitale Entwick- in Sachen Digitalförderung Ihrer Firma schof und viele weitere selbsternannte Tunnels – um im aktuellen Schönsprech für die Voraussetzungen einer mögli- lung und Förderung Ihres Unterneh- wird bei der Auslosung der möglichen VIPs an betrügerischer Erschleichung politisch mal korrekt mitzuschwimmen. chen Antragsstellung und landete bei mens bewerben wollen« – bellte es aus Bewerber im November kommenden vorzeitiger Corona-Impfungen geleis- Völlig unverständlich deshalb nach einigen Links. Der erste führte mich zur dem Lautsprecher meiner schon etwas Jahres berücksichtigt. Leider können tet haben, sollte zu fl otten Abschie- all meinen fantasievollen, perspektiv- Wikipediaseite namens Antrag: Unter betagten Pentium-Workstation. »Sie wir Ihnen keine Hoff nung auf Teilnah- bungen all dieser Möchtegern-Schlitz- intensiven Vorschlägen zur medialen anderem wurde mir das Nachdenken sind nur noch ein paar Ministeps von me an der Bewerbung machen, da Sie ohren in belarussische Bleibergwerke Renovierung der technologischen Mot- über den Satz »Drum prüfe, wer dich den Bewerbungsunterlagen entfernt. regelwidrig die Maßnahme bereits be- Anlass geben. Welche Werte werden tenkiste namens »Lernplattform Mebis« ewig bindet« empfohlen … Danke. Bitte füllen Sie zunächst die unten an- gonnen haben. Aber vielen Dank für da ansonsten sozusagen im Distanz- des »Bayerischen Kultusministeriums« Der zweite Link verband mich mit gehängten Felder aus«. Ihre Anregungen. Mit einem fröhlichen unterricht unseren Kindern und Ju- mein schnöder Rauswurf durch die von der Abbuchungsseite von »Amazon Nicht faul scrollte ich in die vorge- ›Zäh wie Leder, fl ink wie Windhunde‹: gendlichen vermittelt? Da könnte Minister Piazzolo (Freie Wähler, haha) smile«. Unter dem Hinweis, alle meine schriebene Richtung – ein erstes freies Ihr Wirtschaftsministerium.« man statt des Grundgesetzes gleich beauftragte Reinigungskraft mittels persönlichen Daten seien ja bekannt Feld, in das Parteizugehörigkeit, Konfes- den Gesellschaftsvertrag von »Black- eines Reisigbesens. Eine Chance hätte und schon eingetragen, ich bräuch- sion, Blutgruppe, Geschlecht, Geburts- water« oder der Deutschen Bank als ich angeblich gehabt, wenn ich die Fi- te nur noch dieses Browserfenster datum, Bildungsweg, Vor- und Nachna- bundesrepublikanische Rechtsgrund- nanzierung meiner Pläne persönlich zu zu schließen, um dem notleidenden me, digitale Vorerfahrungen, Facebook-, lage installieren. garantieren in der Lage gewesen wäre. Bayerischen Kultusministerium . Instagram-, Tinder-, YouPorn-Abos und Solcher institutioneller, körperlicher Ja, hätte ich vielleicht das Finanzamt Euro zu überweisen, würde sich ein eventuell eigene Webseiten einzutra- und moralischer Demontage möchte ich anpumpen sollen (das meine Stun- weiterführendes Fenster öff nen, das gen waren. Es folgte der Hinweis, dass mich keinesfalls aussetzen und halte dungsanträge seit elf Jahren konse- mir sicherlich bei meinem Anliegen Geschwindigkeit zwar keine Hexerei sei, mich an das alte Sprichwort »Ehrlich quent ablehnte)? sehr hilfreich sei. Im Rahmen meiner aber nötig zum Erfolg dieses Antrages. sein ist manchmal auch nicht falsch«. Nur gut, dass ich meinen Hölderlin Verzweifl ung und wohl wissend, dass Deshalb »Windhund-System«. Insofern gebe ich ganz off en zu, dass gründlich studiert und verinnerlicht mit der Abbuchung des Eintrittsgeldes Im zweiten Feld hatte ich die Gelegen- mein in der Ausgabe / dieser Kultur- habe. Sie wissen schon – der Kernsatz gemäß der Gebrauchsanweisung das Li- heit, neben meinen langjährigen Erfah- zeitschrift beschriebenes Engagement aus der Hymne »Patmos«: »Wo aber mit meines Sparkassenkontos defi nitiv rungen mit Internetpräsenzen und pä- für eine optimale digitale Versorgung Gefahr ist ...« wuchs mir scheint’s das ausgereizt ist, schloss ich das Fenster dagogischen Webauftritten auch meine unseres Bildungswesens von der Krippe Rettende beim ansonsten gähnend – und schwupps: Ein bunt animierter, bereits in Angriff genommenen Planun- Theo Geißler ist Herausgeber von bis zur Palliativstation nicht nur einer langweiligen Studium des Internet- musikalisch mit der »Ode an die Freu- gen und digitalen Visionen ausführlich Politik & Kultur

TAUBENSCHISS  DIE P&K FAKENEWS

Bayreuth: Microsoft bekommt einen an- Silicon Valley: Tech-Milliardäre wie Elon geblichen Updatefehler bei Windows  Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos einfach nicht in den Griff . Immer wie- haben ihre ganz eigenen Rituale, mit- der klagen Nutzer über verschwundene hilfe derer sie ihre Imperien verwalten Daten und Einstellungen. So erhalten sowie Körper und Geist in Betrieb halten. PC-Besitzer nach der Installation der Die Ess-, Schlaf- und Trainingsgewohn- Windows-Februar-Updates wieder heiten der Top-Manager der Tech-Welt vermehrt die Fehlermeldung »Kei- reichen vom Extremen (alle schlafen ne Anmeldung beim Konto möglich« jede Nacht mindestens  Stunden) – bis beziehungsweise »Sie wurden mit ei- zum Normalen: Bill Gates und Jeff Bezos nem temporären Profi l angemeldet«. bestehen beide darauf, das Geschirr im Microsoft--Marketing-CEO Pool zu spülen. »Damit wir wenigstens Theodor von Guttenberg: »Das macht einmal täglich was Sauberes machen« gar nix. Dann haben die Faulpelze im – berichten beide im Chor. Homeoffi ce wenigstens ordentlich was zu tun, was sie geistig nicht überfordert: München: Dass bestimmte Formen Kopieren, kopieren, kopieren …« von Musikausübung möglicherweise zu mentalen Deformationen führen Mainz: Der Auftritt von Karl-Heinz Rum- können, legt ein öffentliches State- menigge im ZDF-Sportstudio war erhel- ment des Schlager-Komponisten und lend. Moderator Jochen Breyer fragte un- Ex-Dschinghis-Khan-Hopsers Leslie angenehm, wieso der FC Bayern immer Mandoki nahe: Von Deutschland sei er noch die Partnerschaft mit dem Emirat enttäuscht: »Es ist etwas substanziell Katar pfl ege, allen Menschenrechtsfra- schiefgegangen. Weil nichts ist undeut- gen zum Trotz. Rummenigge fi el darauf scher, als unorganisiert zu sein». Hart nicht mehr ein, als zu erwähnen, Katar hat er die Einschränkungen für Musi- habe jetzt den Mindestlohn eingeführt, ker durch die Corona-Bestimmungen »schneller als bei uns in Deutschland«, kritisiert: »Das ist ein Berufsverbot.« ähnlich wie wir bei Bayern München. Aus Protest gehe er als frisch infi zierter Wir sind Vorbild für das Emirat, auch Corona-Infl uencer jetzt ins freie Weiß-

FOTO: KLAUS STUTTMANN KLAUS FOTO: im Handling mit Frauen.« russland. (Thg.)

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Politik & Kultur – ANZEIGENREDAKTION LAYOUT UND SATZ VERKAUFSSTELLEN HINWEISE Zeitung des Deutschen Kulturrates Martina Wagner Petra Pfaff enheuser Politik & Kultur ist im Abonnement, in Der Deutsche Kulturrat setzt sich für c/o Deutscher Kulturrat e.V. ConBrio Verlagsgesellschaft ConBrio Verlagsgesellschaft Regensburg Bahnhofsbuchhandlungen, großen Kiosken Kunst-, Publikations- und Informations- Taubenstraße  Telefon:  .  - sowie an Flughäfen erhältlich. Alle Ausgaben freiheit ein. Offi zielle Stellungnahmen  Berlin Fax: .-- Politik & Kultur erscheint zehnmal im können unter www.politikundkultur.net des Deutschen Kulturrates sind als solche Telefon:  .    [email protected] Jahr. auch als PDF geladen werden. Ebenso kann gekennzeichnet. Alle anderen Texte geben Fax:  .    der Newsletter des Deutschen Kulturrates nicht unbedingt die Meinung des Deutschen www.politikundkultur.net VERLAG ABONNEMENT unter www.kulturrat.de abonniert werden. Kulturrates e.V. wieder. Aus Gründen der [email protected] ConBrio Verlagsgesellschaft mbH  Euro pro Jahr (inkl. Zustellung im Inland) besseren Lesbarkeit wird manchmal auf Brunnstraße  HAFTUNG die zusätzliche Benennung der weiblichen HERAUSGEBER  Regensburg ABONNEMENT FÜR STUDIERENDE Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte Form verzichtet. Wir möchten deshalb Olaf Zimmermann und Theo Geißler Telefon:  .  -  Euro pro Jahr (inkl. Zustellung im Inland) und Fotos übernehmen wir keine Haftung. darauf hinweisen, dass die ausschließliche www.conbrio.de Alle veröff entlichten Beiträge sind urheber- Verwendung der männlichen Form expli- REDAKTION BESTELLMÖGLICHKEIT rechtlich geschützt. Politik & Kultur bemüht zit als geschlechtsunabhängig verstanden Olaf Zimmermann (Chefredakteur DRUCK Politik & Kultur sich intensiv um die Nennung der Bild- werden soll. v.i.S.d.P), Gabriele Schulz Freiburger Druck GmbH & Co. KG Taubenstraße  autoren. Nicht immer gelingt es uns, diese (Stv. Chefredakteurin), www.freiburger-druck.de  Berlin ausfi ndig zu machen. Wir freuen uns über FÖRDERUNG Theresa Brüheim (Chefi n vom Dienst), Tel.:  .   , jeden Hinweis und werden nicht aufgeführte Gefördert aus Mitteln Der Beauftragten Barbara Haack, Maike Karnebogen, GESTALTUNGSKONZEPT Fax:  .    Bildautoren in der jeweils nächsten Ausgabe der Bundesregierung für Kultur und Medien Andreas Kolb Ilja Wanka und S Design [email protected] nennen. auf Beschluss des Deutschen Bundestages.