Heft 27 - 2. Quartal 2021 Stadtteil-Kulturmagazin AuerAuer HaidhauserHaidhauser JournalJournal

Höfische Beizjagd in der Au (Seite 4) BRÜCKEN nach Haidhausen (Seite 10) Bild unten: Fassade des ehemaligen "Café Reichshof" Ecke Wörth-/Metzstraße Heft 27 3

Blick über Herbergen in der ehemaligen Krämerstraße auf den Auer Kirch- AuerAuer turm Mariahilf Stadtteil- Foto um 1905 HaidhauserHaidhauser JournalJournal Kulturmagazin In eigener Sache: Aus einem umfangreichen und sehr informativen Artikel von Patrik Stäbler in der SZ vom 19./20.3.2021 habe ich erfahren, dass der Bezirksausschuss 5 erst nach einer kontroversen Debatte und nur mit knapper Abstimmungsmehrheit das Auer/Haidhauser Journal wieder unterstützt. Es wurde ein Zuschuss von ca. 25% der Produktions- und Verteilungs- kosten für weitere vier Aus- gaben gewährt. Selbstverständlich freue ich mich über diesen Beitrag, denn ohne Förderung könnte das privat finanzierte Journal nicht existieren und nicht vierteljährlich kostenlos an etwa 10.000 Haushalte im Stadtbezirk Au-Haidhausen

Foto Yoav Kedem Yoav Foto verteilt werden. Dass der Beschluss nur mit einer knappen Mehrheit (13 zu 9) zustande kam, gibt mir zu denken... So viele Nichtbefürworter für ein kulturelles Projekt, das gerade in dieser Zeit so risikolos erhältlich ist und das man ohne Schutzmaske genießen kann? Winfried Meier Auer/Haidhauser Journal

INHALT Seite Höfische Beizjagd und Falknerei in der Auer Falkenau 4 BRÜCKEN in die Au und nach Haidhausen 10 Johann Scherer, stadtbekannter Zeitungs- Aktuelles 17 verkäufer am Hofgartentor neben dem Café Annast. Einst und jetzt - Bilder zum Vergleichen 21 Foto 1958, wm Impressum 27 4 Auer / Haidhauser Journal Heft 27 5

Höfische Beizjagd und Falknerei in der Auer Falkenau Die Anfänge der Falknerei reichen zurück bis ins zweite Jahrtausend vor Christus. Es waren wohl nomadische Reitervölker Zentralasiens, die als erste die Beizjagd ausübten. Als ältester gesicherter Hin- weis auf ihre Existenz gilt ein assyrisches Rollsiegel aus dem 13. Jhdt. v. Chr. Zu uns nach Mitteleuropa kam mit der Als exklusives Sportvergnügen war bei Völkerwanderung das Wissen über die der höfischen Gesellschaft die Jagd mit Jagd mit abgerichteten Vögeln - meist Greifvögeln im Mittelalter und auch mit Falken, aber auch Habichten, noch in der Neuzeit hochbeliebt. Sperbern, Adlern und anderen. Vor Er- findung der Schusswaffen diente diese Beizjagd-Vergnügen für die Jagdform ursprünglich zur Beschaffung Reichen und Schönen von Frischfleisch und entwickelte sich Ihre kulturelle Hochzeit erlebte die Falk- später zur ritterlichen Vorbereitung auf nerei im späten Mittelalter und in der Rast an einem Fluss während der Falkenjagd das Kriegshandwerk. Renaissance. (Gemälde Philips Wouwerman, um 1660) Die Falknerei verbreitete sich hierzu- Die Jagden waren damals willkomme- Ein Dokument vom 15. Juni 1691 zeigt, ... ihro churfürstliche durchlaucht von lande schnell und die ner Anlass für ein Tref- dass zu einer Reiherjagd, zu der Kurfürst Cölln etc. Gesetzgebung musste fen der Reichen und Maximilian II. auf sein Lustschloss in ... ihro churfürstliche durchlaucht von sich schon bald mit der Schönen - man wollte Lichtenberg am Lech eingeladen hatte, der Pfalz etc. Beizjagd befassen. Be- sehen und gesehen auch diese Gäste von weither anreisten: ... dero frau gemahlin etc. und hofstatt reits im 6. Jahrhundert werden. Und der veran- verbietet das Konzil staltende Fürst konn- von Agde in Frankreich te dabei stolz seinen Bischöfen, Presbytern Besitz präsentieren und und Diakonen die Hal- die Gäste samt Gefolge tung von Falken und mit feudaler Bewirtung Jagdhunden . beeindrucken. Auch die Lex Baiuvari- Für die Teilnahme an orum, das Bayerische solch einem Spektakel Stammesrecht aus die- nahmen die Eingelade- ser Zeit, beschäftigt nen auch größere Un- sich ausführlich mit der annehmlichkeiten, wie neuen Beizjagd unter zum Beispiel anstren- Minnesänger und Dame mit Falken. dem Titel XXI "Von den Buchillustration um 1310 aus der gende Reisen auf holp- Habichten". Liedersammlung Codex Manesse. rigen Wegen, in Kauf. 6 Auer / Haidhauser Journal Heft 27 7

Zur Verpflegung aller Teilnehmer an der Die Falknerei bei Neudeck Da passierte es schon mal, dass der Veranstaltung musste viel Vieh gekauft am Auer Mühlbach Müller der benachbarten Riegermühle werden. Die Felle der geschlachteten die Schleusen "versehentlich" so falsch Tiere wurden nach Ende der Jagd ver- In der Mitte des 16. Jahrhunderts ver- bediente, dass der Auer Mühlbach das kauft, wodurch sich folgende Einnamb schönert Herzog Albrecht V. die Neu- Gelände rund um die Falknerei über- umb verkhauffte Häute und Felle ergab: decker Sommerresidenz, lässt um das schwemmte und die Jagd deshalb ab- , Jagdschloss einen attraktven Park an- 10 guete landt oxenheut a 5, gesagt werden musste! , legen und vergrößert 1572 mit der Ein- 8 dergleichen schlechtere a 41l2 Gulden, Aber nicht die paar absichtlichen Über- 2 schweizer oxenheut per 13 Gulden, dann richtung der im Süden anschließenden , schwemmungen, sondern die jährlichen 15 landtkhueheut a 3 Gulden. Item "neuen Schwaige" das höfische Areal in , Überflutungen der und das feuch- 387 kalbfehl a 24 Kreuzer, der Au. Mit dem Kauf der naheliegen- , te Klima der Auen machte den Falken 286 lambfehl a 3 Kreuzer, den Pulvermühle* und dem dazuge- , und den übrigen im Falkenhaus gehal- 18 küzfehl (Kitzfell) a 3 Kreuzer sambt hörenden Gehöft erweiterte er zusätz- , tenen, kostbaren Vögeln so schwer zu 100 geschornen schaffehln a 8 Kreuzer lich den Besitz. schaffen, dass sie reihenweise zugrun- Die Endsumme der "Einnahme von den Sein Enkel, Herzog Albrecht VI. der de gingen. Um 1720 beschloss deshalb verkauften Häuten und Fellen" betrug Leuchtenberger, hatte 1607 die we- Kurfürst Max Emanuel, den Falkenhof 30.863 Gulden, 3 Kreuzer . gen finanzieller Knappheit nicht leichte in der Au aufzugeben ______* Die Pulvermühle hatte an der heutigen Aufgabe, neben der Riegermühle in der und eine neue Falk- Nockherstraße ihren Standort. Nach einer neuen Schwaige eine zumindest halb- nerei an einem Verlegung des Auer Mühlbachs fehlte wegs standesgemäße Falknerei einzu- der Mühle das Wasser und es wurde dort besser geeigneten eine "Bierzäpflerei" mit dem Namen "Zum richten. Mit recht spärlichen Mitteln Kurfürstlicher Falkenjunge mit Trage Platz, vor dem Neu- Jägerhaus" eingerichtet. Als "Gasthaus zum musste der Herzog am vorhandenen, (Markgrafenmuseum, Ansbach) hauser Tor in Jägerwirt" existierte die Wirtschaft auch später noch am ursprünglichen Platz bis halb verfallenen Gebäude die Fenster Falkenmeister ein Jahresgehalt von 200 München, zum Abriss 1931 (siehe auch Seite 22). und Öfen ausbessern lassen, seinem Gulden zahlen, einen weiteren Falkner bauen zu mit 100 Gulden entlohnen und auch lassen. einen Falknerjungen verköstigen. 1626 übernahm Herzog Albrecht die ge- samte Hofmark Neudeck und ließ ihre Gebäude renovieren, obwohl er vor- wiegend auf seiner Burg in Haag lebte. Der Historiker Freudenberger berichtet dazu: Nach Neudeck führte ihn nur sein Hauptvergnügen, die Jagd (für Jägerei und Falknerei wendete er ja trotz stets knapper Mittel jährlich 10.000 Gulden auf)". Das Vergnügen an der Beizjagd konn- ten die Bediensteten des Falkenhofes und die Bewohner der neuen Schwaige allerdings nicht teilen. Denn bei den Jagdausflügen des Herzogs mussten sie die gesamte Jagdgesellschaft betreuen, Kurfürst Maximilian II. Emanuel von Bayern (1662-1726) mit großem Hofstaat und Gästen beim Aufbruch zur Reiherjagd Ross und Reiter während des Aufenthalts (im Bild rechts unten: Gehilfe mit den Falken) verpflegen. 8 Auer / Haidhauser Journal Heft 27 9

Links Reste der ausgebrannten Riegermühle, rechts die Rückseite der ehemaligen Der "Falknerhof Garten" und die "Tafernwirthschaft und Metzgerei zum Falkenhof" Falknerei am Auer Mühlbach. Postkartenmotiv um 1900. in der Falkenstraße. Fotoaufnahme 1904. Der Rittersitz Falkenau Der neue Eigentümer der Falkenau wollte hof" weiter.