Plenarprotokoll 15/185
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
Plenarprotokoll 15/185 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 185. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 Inhalt: Tagesordnungspunkt 21: Rudolf Bindig (SPD) . 17489 A Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD) . 17489 D des Grundgesetzes Sebastian Edathy (SPD) . 17490 A (Drucksache 15/5825) . 17465 A Rainer Fornahl (SPD) . 17490 B Gerhard Schröder, Bundeskanzler . 17465 B Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/ Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) . 17469 C DIE GRÜNEN) . 17490 C Franz Müntefering (SPD) . 17472 B Jelena Hoffmann (Chemnitz) (SPD) . 17490 D Dr. Guido Westerwelle (FDP) . 17475 B Michael Roth (Heringen) (SPD) . 17491 B Joseph Fischer, Bundesminister AA . 17477 A Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD) . 17492 B Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) . 17480 A Simone Violka (SPD) . 17492 B Michael Glos (CDU/CSU) . 17481 A Dr. Marlies Volkmer (SPD) . 17492 C Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/ Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . 17492 D DIE GRÜNEN) (Erklärung nach § 31 GO) . 17483 A Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . 17493 B Namentliche Abstimmung . 17484 D Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Ergebnis . 17484 D Klaus Kirschner, Rüdiger Veit, Fritz Schösser, Horst Schmidbauer (Nürnberg) und Peter Nächste Sitzung . 17487 D Dreßen (alle SPD) zur namentlichen Abstim- mung über den Antrag des Bundeskanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes Anlage 1 (Tagesordnungspunkt 21) . 17493 C Erklärung nach § 31 GO zur namentlichen Abstimmung über den Antrag des Bundes- Anlage 3 kanzlers gemäß Art. 68 des Grundgesetzes (Tagesordnungspunkt 21) . 17489 A Amtliche Mitteilungen . 17494 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 17465 (A) (C) Redetext 185. Sitzung Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 Beginn: 10.01 Uhr Präsident Wolfgang Thierse: Endgültig mit diesem Ausgang der Landtagswahl am Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die 22. Mai wurden negative Auswirkungen für die Hand- Sitzung ist eröffnet. lungsfähigkeit im parlamentarischen Raum unabweisbar. Die Agenda 2010 mit ihren Konsequenzen schien zum Ich rufe den Tagesordnungspunkt 21 auf: wiederholten Male ursächlich für ein Votum der Wähle- Beratung des Antrags des Bundeskanzlers ge- rinnen und Wähler gegen meine Partei. Wenn diese mäß Art. 68 des Grundgesetzes Agenda fortgesetzt und weiterentwickelt werden soll – und das muss sie –, ist eine Legitimation durch Wahlen – Drucksache 15/5825 – unverzichtbar. Über den Antrag werden wir später namentlich ab- (Beifall bei der SPD) stimmen. Es ist daher ein Gebot der Fairness und der Aufrich- (B) Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die tigkeit gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, gegen- (D) Aussprache im Anschluss an die Erklärung des Bundes- über meiner Partei, gegenüber dem Partner in der Koali- kanzlers eine Stunde vorgesehen, wobei die kleineren tion, gegenüber dem Hohen Haus und auch gegenüber Fraktionen vereinbarungsgemäß zusätzliche Redezeit er- mir selbst, die Vertrauensfrage zu stellen. halten sollen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist Meine Damen und Herren, alle im Deutschen Bun- so beschlossen. destag vertretenen Parteien haben sich mit Nachdruck Das Wort zu einer Erklärung hat zunächst der Bun- für die Auflösung des Bundestages ausgesprochen. Die deskanzler Gerhard Schröder. Wählerinnen und Wähler unterstützen mit überwältigen- der Mehrheit meinen Wunsch nach Neuwahlen. Dessen (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ sollten wir uns heute alle bewusst sein. DIE GRÜNEN) Viermal wurde bislang in der Geschichte der Bundes- republik Deutschland die Vertrauensfrage gestellt: zwei- Gerhard Schröder, Bundeskanzler: mal – von Helmut Schmidt und mir –, um sich der Mehr- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Amheit im Bundestag zu versichern, zweimal – von Willy Montag dieser Woche habe ich dem Herrn Bundestags- Brandt und Helmut Kohl –, um den Weg für Neuwahlen präsidenten mitgeteilt, dass ich es in der gegebenen Situa- freizumachen. Mir ist wohl bewusst: Die Mütter und Vä- tion als meine Pflicht ansehe, im Deutschen Bundestag ter des Grundgesetzes haben sich bei der Formulierung die Vertrauensfrage zu stellen. Mein Antrag hat eindes Art. 68 sicher nicht von der Überlegung leiten las- einziges, ganz unmissverständliches Ziel: Ich möchtesen, durch eine gewollte Niederlage die Tür zu einer dem Herrn Bundespräsidenten die Auflösung Auflösungdes des Parlamentes zu öffnen. Aber – auch darü- 15. Deutschen Bundestages und die Anordnung vonber geben uns die Beratungen im Parlamentarischen Rat Neuwahlen vorschlagen können. Auskunft – sie wollten ebenso wenig die Möglichkeit ei- Der für meine Partei und für mich selber bittere Aus- ner Neuwahl verwehren, wenn die Lage dies gebietet. gang der Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen war Nach den bösen Erfahrungen von Weimar lehnte es das letzte Glied in einer Kette zum Teil empfindlicher der Parlamentarische Rat ab, dem Bundespräsidenten und schmerzlicher Wahlniederlagen. In der Folge dessen ein generelles Recht zur Auflösung des Bundestages ein- wurde deutlich, dass es die sichtbar gewordenen Kräfte- zuräumen. Aber auch dem Parlament blieb das Recht zur verhältnisse ohne eine neue Legitimation durch den Sou- Selbstauflösung verwehrt. Dem Parlamentarischen Rat verän, das deutsche Volk, nicht erlauben, meine Politik verdanken wir mithin Regelungen, die Deutschland zu erfolgreich fortzusetzen. einer der stabilsten, erfolgreichsten und angesehensten 17466 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 185. Sitzung. Berlin, Freitag, den 1. Juli 2005 Bundeskanzler Gerhard Schröder (A) Demokratien der Welt gemacht haben. Dafür sind wir Weiter, meine Damen und Herren, wieder Zitat Helmut (C) dankbar, auch wenn die Erfolgsgeschichte unserer deut- Kohl: schen Demokratie nicht allein der Weisheit oder dem Weitblick unserer Gründergeneration geschuldet ist, son- In der augenblicklichen Situation würde es nieman- dern vor allem dem demokratischen Gemeinsinn und den überzeugen, wenn ein derartiges Verfahren ein- dem klugen Instinkt der Bürgerinnen und Bürger, die geschlagen würde, um den Bundespräsidenten zur stets für ein inneres Gleichgewicht unseres Gemeinwe- Auflösung des Bundestages zu nötigen. sens gesorgt haben. Ich (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten – wieder Helmut Kohl – des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) bin der Auffassung, dass der von mir gewählte Weg Unsere Staatspraxis, die auch durch das Bundesver- zur Auflösung des Bundestages überzeugend und fassungsgericht als verfassungsgemäß bestätigt wurde, ist eindeutig. Der mit der Vertrauensfrage verbundenen verfassungsrechtlich einwandfrei ist. Konsequenz von Neuwahlen stehen keine zwingenden Ich teile diese Argumentation meines Vorgängers. verfassungsrechtlichen Bedenken entgegen. Die ent- scheidende Frage lautet also: Kann der Bundeskanzler (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten noch des stetigen Vertrauens der Mehrheit des Hauses si- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) cher sein? Denn die drängenden Probleme unseres Lan- Meine Damen und Herren, die Bundesregierung und des, die Fortsetzung der begonnenen Reformen, die die Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen haben in Krise der Europäischen Union, die Herausforderungen unserem Land einen tief greifenden Veränderungspro- der Globalisierung und die Gefahren für Frieden, Sicher- heit und Stabilität in unserer einen Welt dulden keinen zess eingeleitet. Dieser Reformprozess ist in seinem Zustand der Lähmung oder des Stillstandes. Umfang und in seinen Konsequenzen einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Meine Damen und Herren, ich habe mir die Entschei- dung, zunächst die Vertrauensfrage, danach mich und (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten meine Regierung einer neuen Wahl zu stellen, reiflich des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) und gewissenhaft überlegt. Wir haben in Angriff genommen, was unsere Vorgänger- (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na! – Ich weiß regierung unterlassen hatte. ja nicht! – Zuruf von der FDP: Das glaube ich (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ nicht!) DIE GRÜNEN) (B) Aus der Opposition hat es Forderungen nach meinem (D) Wir haben begonnen, wozu CDU/CSU und FDP Rücktritt gegeben. 16 Jahre Zeit, aber niemals den Mut hatten. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- neten der FDP) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) Aber was dann? Mit den Reformen der Agenda 2010 haben wir wich- (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – tige Bereiche unserer Gesellschaft in ihren Strukturen Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Eine sehr grundlegend erneuert: in der Gesundheitsversorgung, in angemessene Reaktion!) der Rentenpolitik und auf dem Arbeitsmarkt. Diese Der Weg nach Art. 63 Grundgesetz setzt mehrere erfolg- Reformen sind notwendig, um unseren Sozialstaat auch lose Wahlgänge voraus und ist damit äußerst kompliziert in Zukunft zu erhalten und unsere Wirtschaft auf die He- und der Würde des Hohen Hauses nicht angemessen. rausforderungen der Globalisierung und des Älterwer- dens unserer Gesellschaft einzustellen. Diese notwendi- (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ gen Reformen mussten gegen massive Widerstände von DIE GRÜNEN) Interessengruppen durchgesetzt werden. Einige haben in Genau aus diesem Grund hat bereits mein Amtsvor- dieser Situation auf unverantwortliche Weise die Verun- gänger diesen Weg 1982 entschieden abgelehnt. sicherungen der Bürgerinnen und Bürger instrumentali- siert. (Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Hört! Hört!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Franz Müntefering [SPD]: Helmut Kohl