Altersbilder

Maria Niggemeyer – Eine große alte Dame der Politik

„Sie ist eine stattliche Erscheinung ...“1 von Josef Börste und Uta C. Schmidt

CDU-Frauen im ersten deutschen : Maria Niggemeyer, , Luise Rehling und Margarete Gröwel, 1949. Foto: Friedrich Ebert Stiftung, 6/FOTA 054790

Der sechste Tagesordnungspunkt sah für die 87. Sitzung des Deutschen Bundestages am 21. September 1950 die Beratung eines Antrags der Abgeordneten Maria Niggemeyer und ihrer Fraktion vor: Die Bundesre- gierung sollte bei den Hohen Kommissaren darauf hinwirken, ein gerade patentiertes, politisch nicht diskreditiertes chemisches Verfahren zur Kohleverflüssigung für die zivile Nutzung zuzulassen. Auf Grundlage dieser Zulassung könnte auch das Chemische Werk in Bergkamen, für die Treibstoffgewinnung im nationalsozialistischen Angriffskrieg unabdingbar, einer Demontage entgehen und von der Militärregierung eine sichere Betriebserlaubnis erhalten. Maria Niggemeyer erhielt als erste das Wort. Während Redner in der folgen- den Debatte auf die Bedeutung Bergkamens für die Ferngasversorgung des Ruhrgebiets und den wirtschaftspolitischen Stellenwert einer nationa-

73 Altersbilder

len Gas-, Parafin- und Lösungsmittelproduktion abhoben, erinnerte Maria Niggemeyer daran, dass das Chemische Werk auch mehreren hundert Frauen Arbeitsplätze bot. Sie waren durch den verheerenden Krieg und die tragischen Grubenunglücke von 1944 und 1946 auf Schacht Grimberg III/IV zu Witwen und Alleinversorgerinnen ihrer Restfamilie geworden. Dass sich hier eine Politikerin der Christlich-Demokratischen Union (CDU) im Parlament für außerhäusliche Frauenerwerbsarbeit aussprach, während ihre Partei gleichzeitig Frauen massiv auf die Familie zurück zu verweisen suchte, macht neugierig. Wer war diese Politikerin?

Jugend und Ausbildung

Geboren wurde Maria Niggemeyer am 18. Mai 1888 in Münster als Tochter des Schreiners Heinrich Keuper und seiner zweiten Frau Rosalia, geborene Friedag.2 Sie besuchte die Katholische Höhere Töchterschule in Münster.3 Seit der Gründung des „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ im Jahre 1865 mit seiner frauenpolitischen Mobilisierung war das Thema Mädchen- und Frauenbildung aus der Öffentlichkeit nicht mehr wegzudenken. Und so ließ sich mittlerweile auch das mittlere Bürgertum die Ausbildung von Mädchen etwas kosten. Der Beruf der Lehrerin bot eine der wenigen ge- sellschaftlich anerkannten Möglichkeiten, ein bürgerliches Leben auf eige- nen finanziellen Füßen zu führen. Im überwiegend katholischen Münster kam dem 1903 gegründeten „Katholischen Deutschen Frauenbund“ als konfessionelle Frauenlobby eine wichtige Funktion zu, den Forderungen nach Bildung Gehör zu verschaffen. Maria Keuper absolvierte im Anschluss das der Schule angeschlossene Lehrerinnenseminar. Sie bestand am 15. Juli 1907 die Lehrerinnenprüfung mit einer Zusatzqualifikation für den weiblichen Handarbeits- und Turnun- terricht. Am 20. August 1907 trat sie 19-jährig eine kommissarische Stelle in der Ludgerischule in Münster an. Bereits am 23. August 1907 wurde ihr zum 1. Oktober eine einstweilige Anstellung an der katholischen Volksschule in Gronau zugewiesen. Die Vereidigung für den Schuldienst erfolgte am 5. Oktober. Zwei Jahre später, am 13. Juli 1909, stellte Maria Keuper an die Schuldeputation in Gronau die „ergebene Bitte“, die einstweilige Anstel- lung in eine endgültige zu verwandeln. Dem Gesuch wurde stattgegeben. Zum 1. Oktober 1909 erhielt sie eine Festanstellung. Damit verbunden war der Anspruch auf Zahlung des vollen Grundgehalts. Der Personalbogen verzeichnet für diese Stelle ein Jahreseinkommen von 1.200 Mark und eine Mietentschädigung von 350 Mark.4 Mit der Zusatzqualifikation als Handarbeitslehrerin erweiterte Maria Keuper ihre beruflichen Handlungsspielräume, denn in staatlichen preußischen Schulen gehörte der Handarbeitsunterricht für Mädchen schon seit 1872

74 Altersbilder zum Pflichtprogramm. Handarbeitsunterricht diente zur Disziplinierung der Mädchen, denn äußerlich sauber ausgeführte Handarbeiten sollten auch zur „inneren Sauberkeit“ führen.5 Gleichzeitig jedoch brachte die Beherrschung der jeweiligen Arbeitstechniken den Mädchen ganz hand- feste materielle Vorteile in einer Zeit, in der Kleidung per Hand hergestellt, ausgebessert, verschönert wurde. Die Befähigung für den Turnunterricht eröffnete Maria Keuper einen weiteren beruflichen Radius. Seit 1905 galt Mädchenturnen an Volksschu- len als Pflichtfach, doch mangels geeigneter Lehrkräfte und fehlender Räumlichkeiten ließ sich die ministerielle Anweisung zunächst nur schwer Jugendfoto umsetzen.6 Körperliche Ertüchtigung für Frauen galt in der wilhelminischen von Dr. Hein- Gesellschaft hinsichtlich bevölkerungspolitischer Ziele und nationaler rich Niggemey- Interessen als wünschenswert, nur hinsichtlich der Turnübungen und der er aus seiner Turnbekleidung gingen die Meinungen noch weit auseinander. Zeit als Schüler Jenseits ideologischer Gefechte um geschlechtsspezifische Körperpolitik des Gymnasi- erhielt die katholische Schule, die Maria Keuper besuchte und der auch um Paulinum, das preußische Lehrerinnenseminar angegliedert war, bereits 1888 eine vor 1910. Turnhalle,7 neun Jahre bevor Preußen offiziell die Einbeziehung des Tur- Foto: Stadtar- nens in die Seminare für Volksschullehrerinnen verordnete. Ihre moderne chiv Münster, Zusatzqualifikation konnte sie auch als Übungsleiterin für Damenriegen Nichtamtliches in Turnvereinen einsetzen.8 Archivgut, Für das bürgerliche Herkunftsmilieu Maria Keupers bildeten die Turnverei- Sportvereine, ne am Ende des 19. Jahrhunderts eine anerkannte Repräsentations– und Münsterscher Geselligkeitsform. Turnvereine hatten sich mittlerweile von einer revolu- Gymnasial- tionären Jugendbewegung der nationalen Einheit zu einer von Kleinbür- Turnverein gertum und bürgerlichem Mittelstand repräsentierten Massenbewegung Paulinum, entwickelt, in der auch katholische Beamten- und Handwerkerfamilien aus Porträtalbum, Münster ihre nationale Loyalität bekundeten.9 Auch Maria Keupers späterer Nr. 7 Mann, Heinrich Niggemeyer, wie sie katholisch und aus Münster stam- mend, war seit Schulzeiten am Münsteraner Paulinum Turner. Es deutet sich hier eine Milieuprägung an, in der sich ein für gesellschaftlichen Wandel durchaus offenes katholisches Umfeld mit Verhaltensformen und -normen eines städtischen, wilhelminisch-nationalen Bürgertums mischten. Mit der Gründung der Weimarer Republik wurde Frauen im Jahre 1919 das aktive und passive Wahlrecht gewährt. Alle Parteien warben intensiv nicht nur um die Stimmen der Wählerinnen, sondern auch um Frauen in politischen Ämtern. Maria Keuper stellte sich in Gronau für das katholische Zentrum als Kandidatin zur Verfügung und zog als erste Frau in den Stadt- rat ein. Ihre Amtszeit währte jedoch nur kurz, denn bereits 1920 folgte sie ihrem Verlobten Heinrich Niggemeyer ins westfälische Werne. Heinrich Niggemeyer, am 8. Februar 1890 in Münster als Sohn eines Ge- richtsvollziehers geboren, besuchte das angesehene Gymnasium Paulinum

75 Altersbilder

in Münster. Er machte dort Ostern 1910 das Abitur, gemeinsam mit Joseph Keuper, Marias jüngerem Bruder.10 Mit dem Berufsziel „Gewerbeaufsichts- beamter“ schloss er mit einer Doktorarbeit über „Die Beschädigung der Vegetation durch Rauch“ sein Studium in Münster und München ab.11 Maria Keuper und Heinrich Niggemeyer kannten sich wahrscheinlich seit den Schulzeiten in Münster, aber der Zölibat für Lehrerinnen ließ eine Heirat erst dann ratsam erscheinen, wenn eine angemessene berufliche Position des Mannes das Familieneinkommen sichern konnte. Bereits bei ihrer Vereidigung für den Schuldienst im Jahre 1907 hatte Maria Keuper den Satz akzeptiert: „Im Falle Ihrer Verheiratung erreicht Ihre Beschäfti- gung im Schuldienst ihr Ende.“12 Der Lehrerinnen-Zölibat schrieb demnach die Unvereinbarkeit von Ehe und Beruf vor. Diese Regelung, seit 1880 in Kraft, lässt sich als Maßnahme zur Reformulierung der gesellschaftlichen Gesuch der Geschlechterordnung angesichts zunehmender Tätigkeit von Frauen Lehrerin Maria als Lehrerinnen werten. Gleichzeitig stützte diese Diskriminierung ar- Keuper um beitsmarktpolitische Absichten, indem sie den Zugang zum Lehrerberuf endgültige An- prinzipiell für Männer offen hielt, während der für Lehrerinnen jeweils stellung, 1909. der Arbeitsmarktsituation angepasst werden konnte.13 1919 wurde der Foto: Stadtar- Zölibat aufgehoben.14 chiv Gronau, Auf diese Situation bezog sich Maria Keuper in einem Schreiben an die Personalakte Schuldeputation vom 12. August 1920, indem sie einerseits ihre Verheira- tung zum 26. August bekannt gab und gleichzeitig beantragte, weiterhin im öffentlichen Schuldienst der Stadt Gronau beschäftigt zu bleiben. Mit Verweis auf den Runderlass vom 8. März 1920 des Ministeriums für Wis- senschaft, Kunst und Volksbildung begründete sie ihren Antrag mit dem Umstand, dass sie an ihrem zukünftigen Wohnort noch keine Wohnung für den gemeinsamen Hausstand zur Verfügung hätte, die Zuweisung einer solchen jedoch von der bereits vollzogenen Trauung abhängig gemacht würde.16 Die Schuldeputation bewilligte erst „nach längerer eingehender Besprechung“, dass sie bis Mitte Oktober im Amte bleiben dürfte, nach den Sommerferien also ihren Schuldienst wieder aufnehmen konnte. Ab dem 16. Oktober wurde Maria Keuper für ein Jahr ohne Bezüge beurlaubt. Die endgültige Entlassung aus dem Schuldienst in Gronau erfolgte zum 16. Oktober 1921. 17

Erstes Engagement in Werne

Maria Keuper führte laut eigener Aussage seit dem 15. Oktober 1920 mit ihrem Mann Heinrich einen gemeinsamen Hausstand in Werne auf der Ringstraße.18 Das Gebäude an der heutigen Freiherr-vom-Stein-Straße gehörte der Zeche Werne, auf der Heinrich Niggemeyer seit Juni 1920 eine leitende Position übernommen hatte. Maria Keuper, nunmehr Maria

76 Altersbilder

Niggemeyer, arbeitete hier nicht mehr als Lehrerin. Die konkreten Gründe für ihre Entscheidung sind nicht überliefert. Sie lassen sich jedoch aus den Handlungsoptionen ableiten, die die Gesellschaft der 1920er Jahre für Ehefrauen lokaler Führungsschichten vorsah: Von ihnen wurde selbst- verständlich erwartet, auf ehrenamtlicher Basis Funktionen der Sorge für das Gemeinwesen zu übernehmen, Wohltätigkeitsveranstaltungen zu organisieren, politische Ämter zu bekleiden. Diese Aufgaben erwuchsen aus einer christlichen Tradition der Mildtätigkeit. Spätestens mit den Patri- otischen Frauenvereinen seit der Zeit der Befreiungskriege begründeten sie auch eine spezifische frauenpolitische Tradition, die die bürgerliche Öffentlichkeit mit konstitutierte. Die Ehefrauen schufen sich so ein eigenes Betätigungsfeld und füllten es bisweilen mit allergrößtem Einsatz aus.19 Maria Niggemeyers Entscheidung gegen eine weitere Tätigkeit als Leh- rerin lässt sich auch erklären mit der symbolischen Aufladung des Lehre- rinnenzölibats und dem positiven Selbstbild, das vor allem katholische Lehrerinnen daraus ziehen konnten: Verknüpfte er doch in der Figur der „geistigen Mutterschaft“ das Ideal der christlichen Jungfräulichkeit mit dem des Lehrerinnenberufs. Daraus folgte die Ungeteiltheit des Enga- gements für die Schule, mit der dann wiederum auch Ungeteiltheit des weiblichen Opferdienstes für Ehe und Familie begründet werden konnte. 20 In dieser Denkweise verzichtete Maria Niggemeyer keineswegs, sondern sie entschied sich für eine neue gesellschaftliche Rolle.

Politikerin in Bönen, Unna und Bonn

Die Niggemeyers fanden schnell Anschluss an die Werner Gesellschaft. Mit einer Mitgliedschaft im „Turnverein Werne“ aktualisierten sie ihre Verbundenheit mit der Deutschen Turnerschaft und deren Fest- und Geselligkeitskultur. Heinrich Niggemeyer war passives Vereinsmitglied. Im Mai 1923, zum 20-jährigen Bestehen des Vereins, beschloss die Mit- gliederversammlung die Gründung einer Frauenabteilung. 29 Frauen und Mädchen hatten sich bereits zusammengefunden. Zur „ersten Vorsitzen- den“ wurde Maria Niggemeyer gewählt. Fräulein Hövener fungierte als „Turnwart“, Fräulein Hilde Grote als „Schriftführer und Kassenwart“ und Fräulein Helene Homann als „Zeugwart“, ein Hinweis darauf, dass hier auch wirklich geturnt wurde und nicht nur gefeiert. Die Frauenabteilung arbeitete eigenständig, zu den Vorstandssitzungen wurde der Vorstand der Frauenabteilung eingeladen, die dazu nötige Änderung der Vereins- satzung wurde von Herrn Graafmann übernommen.21 Neben ihrem Engagement im Turnverein arbeitete Maria Niggemeyer entsprechend ihrer Glaubensverbundenheit ehrenamtlich im Caritasver- band und gründete im Kreis Unna den „Katholischen Fürsorgeverein für

77 Altersbilder

Mädchen, Frauen und Kinder“,22 dem sie seit 1933 auch als Vorsitzende vorstand. Sie führte ihn trotz massiver Behinderungen durch die National- sozialistische Volkswohlfahrt und die Nationalsozialistische Arbeiterpartei durch das „Dritte Reich“.23

Skandal um Flüchtlingshilfe

In dieser Leitungsfunktion wurde sie von der britischen Besatzungsmacht im Juli 1945 als einzige Frau in den neunköpfigen Bürgerrat der Gemeinde Altenbögge berufen.24 Seit April 1928 wohnten die Niggemeyers in Alten- bögge in der zum Wohnhaus umgebauten ehemaligen Rexeschule auf der Bahnhofstraße. Heinrich Niggemeyer hatte auf der Schachtanlage Königs- born III/IV der Klöckner-Bergbau AG die Leitung des chemischen Labors übernommen.25 Nun brachte Maria Niggemeyer ihre politischen und or- ganisatorischen Erfahrungen in die Reorganisation eines demokratischen kommunalen Lebens ein. Sie wurde Mitglied im Wohlfahrtsausschuss der Gemeinde. Als Vertreterin des Caritasverbands, eines von der Militärregie- rung anerkannten Spitzenverbandes der freien Wohlfahrtspflege, wurde sie mit der Betreuung von Flüchtlingen in Altenbögge beauftragt. Aus dieser Zeit stammt eine Auseinandersetzung um ihre Person, die ein Licht auf die Mentalitätsstrukturen der Zeit wirft. Nach Aktenlage lässt sich der „Skandal“ wie folgt rekonstruieren: Maria Niggemeyer gehörte 1945 zum Gründungsgremium der CDU. Die ehemalige Zentrumpolitikerin entschied sich damit für einen neuen christlich fundierten, interkonfessionellen Parteiaufbruch, suchte aber auch fortan eine enge Zusammenarbeit mit ihrer ehemaligen Partei. Eine Fusion stand zunächst nicht zur Debatte. 26 In der sozialdemokratisch dominierten Gemeindepolitik befand sich die CDU-Gründerin in der Minderheit. Als erfahrene Vertreterin der Caritas wurde sie – unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit – mit dem Einkauf der Lebensmittel für das Flüchtlingslager beauftragt. Die Versorgung mit Lebensmitteln war das zentrale Thema für Bevölkerung, Politik und Verwaltung.27 Angesichts der allgegenwärtigen Versorgungskrise, von Korruption und Beschaffungskriminalität beinhalteten die behördliche Übertragung des Lebensmitteleinkaufs und die Bewirtschaftung der streng rationierten Lebensmittel einen sehr großen Vertrauensbeweis hinsichtlich moralischer Integrität und organisatorischer Fähigkeiten. Der Vertreter der Flüchtlinge warf Maria Niggemeyer nun im Oktober 1946 vor, die Lebensmittel in ihrer Wohnung aufzubewahren. Damit war der Vorwurf verbunden, sie hätte Nahrungsmittel veruntreut. Die Bürgerratsitzung in Bönen entschied am 11. Oktober 1946, ihr den Wareneinkauf und die Krankenbetreuung im Flüchtlingslager zu entziehen. Diese Aufgabe wurde stattdessen einer Person vom Roten Kreuz übertragen, die zuvor bereits die

78 Altersbilder

Leitung der Küche innehatte. Bekannt war in der Gemeinde, dass sie eine Anhängerin des Nationalsozialismus gewesen war. Im Flüchtlingslager wur- den Unterschriften gegen die CDU gesammelt, um Maria Niggemeyer gleichsam mit basisdemokratischen Mitteln zu delegitimieren. Im Laufe der sich im Ton zunehmend verschärfenden Auseinan- dersetzung wurde ihr am 2. November 1946 das Betreten des Flüchtlingslagers in der Schule bis auf Das „Haus weiteres untersagt. Niggemeyer“, Maria Niggemeyer wertete diesen Vorgang als schwerste Beleidigung, die später zum zumal der Ortsbürgermeister hinter ihrem Rücken mit der katholischen Wohnhaus Kirche über eine andere Vertretung der Caritas zu verhandeln versuchte, umgebaute um die Militärregierung nicht zu brüskieren. Maria Niggemeyer aktivierte Rexeschule, ihre Netzwerke. Sowohl die Katholische Kirche als auch der Parteivorstand 1912. Foto: Ge- der CDU erhoben unmissverständlich Einspruch, forderten ihre persönliche meindearchiv Rehabilitation und ihre Wiedereinsetzung ins Amt.28 Per Abschrift des ge- Bönen samten Briefverkehrs informierte sie wiederum den Landrat Hubert Biernat als übergeordnete Behörde und bat „um Schutz“. In ihrem Schreiben sah sie die politischen Quertreibereien gegen ihre Person in Zusammenhang mit der Neuwahl der Gemeindevertretung, in die sie nicht wiedergewählt worden war, und dem neuen Bürgermeister. Sie war fassungslos, zu sehr erinnerten sie die persönlichen Angriffe, Verleumdungen und Verbote an Methoden aus der Zeit des Nationalsozialismus: „Ich habe in den Jahren des Nationalsozialismus manche Kämpfe wegen meiner caritativen Arbeit mit der NSV [Nationalsozialistische Volkswohlfahrt] und der Partei zu überwinden gehabt. Ich stelle aber fest, dass alle Auseinandersetzungen nicht zu dieser Form von persönlicher Beleidigung geführt haben, wie Herr Werner [der Bürgermeister der Gemeinde Altenbögge] sie in dieser Angelegenheit anwendet. Vor allem der letzte Brief des Herrn Werner bedeutet einen solchen Eingriff in meine persönlichen Rechte und die der Insassen des Flüchtlingslagers, die in überwiegender Mehrheit meine Arbeit wünschen, dass ich nunmehr an Sie die Bitte richte, die Angelegen- heit zu klären und zu bereinigen.“29 Überliefert ist auch eine Stellungnahme der Gemeindevertretung: So sollte die Maßregelung nicht auf die Arbeit der Caritas als Institution, sondern allein auf die Person Maria Niggemeyers zielen. Die Unterschriften wur-

79 Altersbilder

den nicht aus propagandistischen Zwecken gegen die CDU gesammelt, sondern weil Maria Niggemeyer die Lebensmittel für die Flüchtlinge in ihrer Wohnung aufbewahrte. Auch die Vertreterin des Roten Kreuzes versuchte man mit dem Hinweis zu legitimieren, dass sie zur Zeit ihres Einsatzes für den Nationalsozialismus erst 18 Jahre alt gewesen war. Die Gemeindevertretung rückte von ihrer Entscheidung keinen Deut ab und sah keine Veranlassung, ihren Beschluss rückgängig zu machen.30 Nun war Hubert Biernat als Vermittler gefragt. Der Landrat informierte am 13. November 1946 den Pfarrer der katholischen Gemeinde in Alten- bögge, Linhoff, dass es auf neutralem Boden in seinen Räumlichkeiten am Montag, den 11. November, eine persönliche Aussprache zwischen dem Bürgermeister und Maria Niggemeyer gegeben hatte. Er zeigte sich hoffnungsvoll, dass die Differenzen bereinigt wurden und „in der Zukunft ein gemeinsames Arbeiten im Interesse und zum Wohle der Gemeinde Altenbögge möglich sein wird.“31 Maria Niggemeyer blieb weiterhin in der kommunalen Selbstverwaltung tätig. Sie war zwar seit der Wahl 1946 nicht mehr Mitglied der Gemein- devertretung von Altenbögge, blieb aber viele Jahre auf Vorschlag des Caritas-Verbandes Mitglied des Wohlfahrtsausschusses. Auch im Amt Pel- kum war sie von Anfang an politisch aktiv. Neben der Amtsversammlung gehörte sie verschiedenen Ausschüssen an, unter anderem auch dem Wohlfahrtsausschuss. Als nach der Wahl im Jahre 1956 die Amtsversamm- lung zum ersten Mal zusammentrat, wurde sie als „ratsältestes Mitglied“ mit dem Vorsitz der konstituierenden Sitzung betraut.32 Erst Ende 1957 legte sie ihre kommunalpolitischen Ämter nieder, als das Ehepaar Nigge- meyer nach Unna in die Parkstraße 33 umzog.33 Ihr Ehemann war 1956 in den Ruhestand versetzt worden.

Einzige Frau im ersten Kreistag

Zu diesem Engagement in Bönen bzw. im Amt Pelkum kam seit 1946 ihr Kreistagsmandat. Im ersten demokratisch gewählten Kreistag war sie von 48 Abgeordneten aller Parteien die einzige Frau.34 1948 wurde sie von der CDU-Fraktion als Vorsitzende gewählt. Der britische Kreisresidenzoffizier meldete in seinem Monatsbericht zum Dezember 1948: „Die CDU hat eine Frau zum Fraktionsvorsitzenden im Kreistag gewählt – Frau Niggemeyer. Sie ist eine stattliche Erscheinung und wird, denke ich, ihre Sache gut machen. Sie ist gut bekannt als Mitglied des Zweizonen–Wirtschaftsrates in Frankfurt“35 – und verwies damit auch auf ihre überregionale Reputati- on. Er vermeldete an anderer Stelle ebenso ihre Bemühungen, die starke Parteikonfrontation mit der SPD im Sinne einer gemeinwesenorientierten Politik abzubauen.36

80 Altersbilder

1956 umfasste die CDU–Fraktion im Kreistag 14 Abgeordnete, sie war darunter noch immer die einzige Frau – und wurde in ihrem Amte als Fraktionsvorsitzende bestätigt. Sie setzte auf Geschlossenheit und Diszi- plin, nur so ließ sich ihrer Meinung nach auch aus der Opposition Politik gestalten. „Wenn der Kreis Unna im Verlauf der letzten zehn Jahre ein erfreuliches Bild einer guten Entwicklung seiner kommunalpolitischen Tätigkeit aufweisen kann, so leisteten wir dazu das Unsere. Wir wollen es weiterhin tun, in echter Verantwortlichkeit gegenüber uns selbst, den Einwohnern unseres Kreises und letztlich gegenüber Gott, dem wir uns in jeglichem Tun und Handeln verpflichtet fühlen.“37 Maria Niggemeyer war von 1946 bis 1964 im Unnaer Kreistag vertreten und arbeitete in den verschiedenen parlamentarischen Ausschüssen mit. Als sie sich mit Rücksicht auf ihr hohes Alter 76-jährig aus ihren politischen Ämtern zurückzog, behielt sie Sitz und Stimme im Jugendwohlfahrtsausschuss und Sozialausschuss des Kreistages und verblieb damit in dem Bereich, dem sie Zeit ihres Lebens das größte persönliche Interesse zugewandt hatte.

Karriere in der Bundespolitik

Am 29. Mai 1947 gründete Maria Niggemeyer zusammen mit Elisabeth Zillken, Victoria Steinbiß und Dr. Luise Rehling den Frauenausschuss der CDU in der Provinz Westfalen, den Vorläufer der heutigen Frauen Union. Zentrales Anliegen des Ausschusses war in der direkten Nachkriegszeit die Sicherung der Ernährungslage, die verstärkte Einbindung von Frauen in Partei und Politik sowie die Beendigung der Demontage-Politik. Als anerkannte Sozialpolitikerin wurde Maria Niggemeyer 1948/49 Mitglied des zweiten Wirtschaftsrates. Die nunmehr von den Länderparlamenten gewählten Vertreter und Vertreterinnen hatten hier die schier unlösbare Aufgabe zu bewältigen, im Spannungsverhältnis von außenpolitischen Maria Nig- Interessen der West-Alliierten und Kaltem Krieg in der Bi-Zone ein „Gleich- gemeyer als gewicht des Mangels“ zu organisieren, um den völligen Zusammenbruch Bundestags- zu verhindern. Im Zentrum der Bemühungen stand die Lebensmittelver- abgeordnete sorgung, die Kohleförderung und der Aufbau eines funktionierenden in den 1950er Transportsystems, Politikfelder, in die Maria Niggemeyer ihre eigenen Jahren, Foto: Erfahrungen mit den Zechenstandorten, den Zerstörungen und Demon- Bundesarchiv tagen im Kreis Unna einbringen konnte. Mit der Arbeit im Wirtschaftrat und ihrem frauenpolitischen Engagement empfahl sie sich auch für höhere Aufgaben. Zur ersten Bundestagswahl 1949 erhielt sie den sicheren Wahlkreis 104 Paderborn–Wiedenbrück, obwohl vor allem die konservativen Bauern der Region wenig von Frauen in der Politik hielten. Sie gewann dennoch 1949 und 1953 mit überwälti- gender Mehrheit und zog in den Bundestag ein. Erst zur Bundestagswahl

81 Altersbilder

1957 musste sie den Wahlkreis aus parteipolitischen Gründen an den vom ehemaligen Ministerpräsidenten protegierten abtreten38 und zog 1957 über die Landesliste der CDU Nordrhein-West- falen ins Parlament ein. Im Bundestag amtierte sie von Februar 1952 bis 1957 als Vorsitzende des Ausschusses für Fragen der öffentlichen Fürsor- ge, nachdem sie zuvor seit 1949 stellvertretende Ausschussvorsitzende gewesen war.39 Besuche in ihrem Wahlkreis nutzte sie vor allem für Sprechstunden, in denen sie ein Ohr für die Nöte der Bevölkerung fand. Sie verband diese Basisarbeit mit Arbeit in der Parteiorganisation und Vorträgen. Zeitungsbe- richte lobten ihren packenden Vortragsstil, ihren großen Erfahrungsschatz, die profunde Sachkenntnis von Beamtenbesoldung bis hin zur Eherechts- reform.40 Als „verantwortungsvoll christlich denkende Frau“ vermittelte sie vor allem die Gesetzgebungsarbeit in den Bereichen Mutterschutz und Jugendschutz an eine interessierte Öffentlichkeit. Wie es hieß, müs- se „die Versorgung der Familie und damit die Erhaltung eines gesunden Familienlebens immer den Vorrang vor Ansprüchen der Wirtschaft und Technik“ haben.41 In der tagesaktuell äußerst kontrovers diskutierten Frage des deutschen Verteidigungsbeitrags – der Wiederbewaffnung – argumentierte Maria Niggemeyer mit der christlichen Morallehre, nach der Katholiken nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht hätten, ihre Freiheit zu verteidigen. Der Schutz gegen die östlichen Aggressionen gelte daher, so fasste ein Bericht ihren Vortrag zusammen, „nicht nur materi- ellen Gütern, sondern in erster Linie auch ideellen Werten.“42 Mit diesen Äußerungen bekundete sie ihre Loyalität zur Politik Konrad Adenauers. Deshalb ist auch ihre Argumentation in der Bundestagsdebatte vom 21. September 1950 zum Chemischen Werk in Bergkamen in den Kontext der CDU–Position zu Frau und Familie zu stellen.

Der Chemiestandort Bergkamen – auch eine Frauenfrage

Für Bergkamen bildete das Chemische Werk der Essener Steinkohlen AG eine zentrale Existenzgrundlage. Seit 1946 hing das Damoklesschwert der Demontage über den Fabrikanlagen, die im Zweiten Weltkrieg als kriegswichtig eingestuft waren, weil in ihnen im Fischer-Tropsch-Verfah- ren Kohle zu Treibstoff für den Angriffskrieg verflüssigt wurde. Nachdem 1945 zunächst eine Betriebsgenehmigung erteilt worden war, die nach ihrem Ablauf durch eine Aufbaugenehmigung ersetzt wurde, begann der Wiederaufbau in einem anfänglichen Kostenvolumen von zwölf Millionen Reichsmark, obwohl die Demontagefrage weiterhin offen blieb. Noch An- fang des Jahres 1949 arbeiteten alle Beteiligten im Hintergrund unablässig an einer unbefristeten Produktionserlaubnis. Eine dramatische Wendung

82 Altersbilder

Belgische Soldaten bei der Beseitigung der Straßensperren in Bergkamen am 13. Juni 1949. Foto: Kreisarchiv Unna. nahm die Angelegenheit, nachdem auf der Außenministerkonferenz Anfang April 1949 das auch in Bergkamen angewandte Fischer-Tropsch- Verfahren in die Demontage-Pläne mit aufgenommen wurde und mit dem Ruhrstatut eine neue Phase in der Kontrolle der Kohle-, Koks- und Stahlproduktion des Ruhrgebiets eintrat. Am 8. Juni 1949 sollte die De- montage beginnen.43 Der Vertragsunternehmer für die Demontage sowie der Vertreter der Militärregierung wurden jedoch massiv behindert. Die Bevölkerung, insbesondere die Witwen des Bergwerksunglücks auf Schacht Grimberg 1946, bauten Straßensperren.44 Der Kreistag reagierte mit einer spontanen Sondersitzung am 8. Juni 1949 im Saal des Bergkamener Kinos „Schau- burg“. Vertreter der Kirchen, des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Chemischen Werke und zahlreiche Zuhörer und Zuhörerinnen waren ebenfalls zugegen. Die Reden wurden aus dem Kinosaal über Lautsprecher auf den Vorplatz übertragen.45 In dieser Sitzung ergriff auch Maria Niggemeyer das Wort. Während die Sozialdemokratie auf Arbeiterbeteiligung setzte: „Schaltet die Arbeiter mit ein, und es wird kein Kriegspotential mehr hergestellt“, hoffte sie auf die Frauen: „Die Frauen, die in Deutschland in überwältigender Mehrheit seien, sollten sich ihrer Verantwortung und Aufgabe bewusst werden. Sie möchten sich in unserem öffentlichen Leben beteiligen. Schafften sie mit, gäbe es nie wieder Krieg.“ Sie appellierte an die Vernunft der Besatzer, den bereits eingeschlagenen Demokratisierungsprozess nicht in Gefahr zu bringen: „Was nutzen uns demokratische Kurse in England, was nutzt es, dass Vertreter internationaler Organisationen zu uns kommen, um uns Geschenke in Demokratie zu bringen, da man sie so ad absurdum führt?“

83 Altersbilder

Und sie erinnerte in mahnenden Worten an die Folgen des „Versailler-Dik- tats“, das erst zur Radikalisierung des Deutschen Reiches hin zum Natio- nalsozialismus geführt habe. Sie suchte die internationale Öffentlichkeit, setzte auf unaufhörliche Verhandlungen und hoffte auf Vernunft sowie gegenseitiges Vertrauen.46 Da über Kohleverflüssigung auch Paraffin hergestellt werden konnte, das wiederum zu synthetischen Speisefetten weiterverarbeitet wurde, verknüpfte die Debatte den Fortbestand des Bergkamener Werkes mit der „Fettlücke“ in der Versorgungsfrage des Nachkriegsdeutschlands.47 Sie wurde mit der Arbeitsplatzfrage und Bergkamens Weg aus dem Zusammenbruch verknüpft. Maria Niggemeyer verknüpfte wieder- um die geplante Demontage von Anlagen zur Produktion von zivilen überlebenswichtigen Nahrungsmitteln grundsätzlich mit Fragen nach Reeducation- und Demokratisierungserfolgen im Kontext der bundespoli- tischen Westintegrationspolitik. Die Sitzung endete mit der einstimmigen Verabschiedung einer Entschließung. Sie enthielt – unter dem Eindruck von Straßenbarrikaden und der zu Allem bereiten Bergkamener Frauen vor dem Werkstor – bereits den Hinweis, dass mit der Demontage des Werkes auch 200 Arbeitsplätze speziell für Frauen vernichtet würden. Diesem Hinweis auf die Frauenarbeitsplätze kam Gewicht zu, gab es in der montanindustriellen Monostruktur der Gemeinde doch kaum Arbeits– und Ausbildungsplätze für Frauen.48 Am 13. Juni 1949 rückten drei Kompagnien des 4. belgischen Infante- riebataillons, drei Abteilungen Schützenpanzerwagen zur Erkundung des Geländes sowie ein Nachrichtentrupp aus. Die lokale, regionale und internationale Tagespresse berichtete über die Ereignisse und setzte die britische Besatzungsbehörde unter einen gewissen Druck. Die Polizei stand auf Seiten der Bevölkerung und musste sich eine harsche Zurechtweisung von der Militärregierung gefallen lassen. Eine andere Position der Polizei hätte jedoch „beachtenwerte innerdeutsche Komplikationen“– sprich: bürgerkriegsähnliche Zustände – nach sich gezogen, woran der britischen Militärregierung nicht gelegen sein konnte.49 1950 beantragte Maria Niggemeyer im Bundestag, die Bundesregierung möge sich bei den Hohen Kommissaren endgültig für eine Produkti- onserlaubnis des Chemischen Werkes in Bergkamen einsetzen. In ihrer Argumentation bezog sich die Kreistagsabgeordnete, teilweise wörtlich auf die Entschließung des Unnaer Kreistags vom 8. Juni 1949. Unter dem Eindruck der realen Lebensverhältnisse stellte Maria Niggemeyer im Ho- hen Hause einen Zusammenhang her zwischen getrennten politischen Sachbereichen – dem Politischen und dem Privaten: dem Wiederaufbau der Bundesrepublik, den Möglichkeiten des Gemeinwesens Bergkamen und der Notsituation vieler Frauen als Alleinversorgerin ihrer Restfamilie.

84 Altersbilder

Dass sich hier eine Politikerin der CDU für außerhäusliche Frauenerwerbs- arbeit aussprach, während die Partei gleichzeitig Frauen massiv auf die Familie zurückverweisen suchte, erscheint nur auf den ersten Blick wider- sprüchlich. 1950 bestimmten noch die Zusammenbruchgesellschaft, der durchlittene Hungerwinter 1946/47 und die konkreten Alltagsprobleme der Menschen die Realpolitik. Die Frauen in der Union, viele von ihnen „Pi- onierinnen“ in ehemals Frauen verschlossenen Bildungs- und Berufsfeldern mit Ausbildungen zur Lehrerin oder Fürsorgerin und nun zum Teil selber Alleinverdienerin ihrer Restfamilie, entwickelten mit der Figur des zeitlich Jürgen Girgen- begrenzten „Notmotivs“ für außerhäusliche Erwerbsarbeit von Frauen sohn gratuliert eine politische Argumentationsstrategie, die an den Lebensrealitäten der Maria Nigge- Frauen ansetzte, ohne mit der familienpolitischen Parteilinie der Frau als meyer auf der „Herz der Familie“ zu kollidieren.50 Feier anlässlich der Verleihung Bundesverdienstkreiz und Ehrenorden des Vatikan des Bundesver- dienstkreuzes Als Anerkennung für ihre kommunale und bundespolitische Arbeit erhielt mit Stern, 1956. Maria Niggemeyer zum siebten Jahrestag der Gründung der Bundesre- Rechts Hubert publik Deutschland im Jahre 1956 das Große Verdienstkreuz mit Stern Biernat. Foto: aus der Hand des Bundespräsidenten. Der Hellweger Anzeiger schickte Kreisarchiv einen „Spezialkorrespondenten“ nach Bonn, um direkt von der Zeremonie Unna zu berichten.51 1958, zu ihrem siebzigsten Geburtstag, verlieh ihr Papst Paul VI den Ehrenorden „Pro ecclesia et pontifice“, mit dem Kleriker und Laien für ihre Verdienste um die katholische Kirche geehrt werden. Diese Verleihung hob noch einmal besonders ihr Wirken für die Verankerung christlich-katholischer Werte in Politik und Gesellschaft heraus. In einer Todesanzeige gab Heinz Niggemeyer zusammen mit Tochter und Schwiegersohn, mit Enkeln und Urenkeln und allen Anverwandten am 30. September 1968 im Hellweger Anzeiger bekannt: „Im Vertrauen auf Gottes Güte und Barmherzigkeit gab in den Abendstunden des 27. September 1968, versehen mit den Tröstungen unserer heiligen Kirche, meine geliebte Frau und mein bester Lebenskamerad, meine gute Mutter, unsere liebe Großmutter und Urgroßmutter, Schwester und Schwägerin … im geseg- neten Alter von 80 Jahren ihre Seele in die Hand des Schöpfers zurück.“ Der CDU–Kreisverband und die CDU- Kreistagsfraktion, Landrat Jürgen Girgensohn und Oberkreisdirektor Dr. Lothar Voit als Vertreter des Kreises sowie der Katholische Fürsorgeverein gedachten Maria Niggemeyers mit Nachrufen. Die Beisetzung fand auf dem Südfriedhof in Unna statt.

Anmerkungen: 1 Aus den Monatsberichten des britischen Kreisresidenzoffiziers für den Landkreis Unna (August 1948–April 1950), in: Holtmann, Everhard, Nach dem Krieg - vor dem Frieden. Der gesellschaft-

85 Altersbilder

liche und politische Neubeginn nach 1945 im Kreis Unna, Köln 1985, S. 263, Quelle Nr. 192. 2 Stadtarchiv Münster, Standesamt, Geburten 1888, Bd. 2 Nr. 550; folgend werden die Stadtarchi- ve mit STA abgekürzt. 3 Vgl. Weber, Bernd, Zwischen Gemütsbildung und Mündigkeit: 1690 bis 1990. 300 Jahre Annet- te–von–Droste–Hülshoff–Gymnasium Münster, 3. überarb. u. erw. Aufl., Münster 2007. 4 STA Gronau, Personalakte Maria Keuper, unfol. 5 Vgl. Kandzi, Dorothee, Handarbeiten im bürgerlichen Frauenalltag, in: Flüchter–Sheryari, Antje/ Lerche, Eva–Maria/ Perrefort, Maria (Hg.), Die Vergessene Geschichte. 775 Jahre Frauenleben in Hamm, Hamm 2001, S. 99–106, hier S. 105; Stradal, Marianne/ Brommer, Ulrike, Mit Nadel und Faden. Kulturgeschichte der klassischen Handarbeiten, Freiburg 1990. 6 Vgl. zum Frauenturnen Perrefort, Maria, „Anmut, Sanftmut, Duldsamkeit“ – Frauenturnen in Westfalen, in: dies./ Lenz–Weber, Daniela (Hg.), Sportgeist. Die Kulturgeschichte von Turnen und Sport in Westfalen, Hamm 2006, S. 94–115. Maria Nig- 7 Vgl. Perrefort, S. 101, siehe auch die Entwurfszeichnung zu der Turnhalle, Blatt 4 auf S. 100. gemeyer mit 8 Vgl. ebd., S. 109. Oberkreis- 9 Vgl. Krüger, Michael/ Nielsen, Stefan, Turn– und Sportgeschichte in Westfalen, in: Perrefort, direktor Dr. Maria/ Lenz–Weber, Daniela (Hg.), Sportgeist, S. 15–26, hier S. 18. Voit bei der 10 Vgl. Verzeichnis der Abiturienten, in: Neunzigster Jahresbericht über das Königliche Paulinische Eröffnung des Gymnasium zu Münster i.W. für das Schuljahr 1909-1910, Münster 1910, S. 58. Kreishauses, 11 Universitätsarchiv Westfälische Wilhelms–Universität Münster, Bestand 65, Nr. 1300, Promoti- 1964. Foto: onsakte Heinrich Niggemeyer. Wir danken Robert Giesler für seine Hinweise. Kreisarchiv 12 STA Gronau, Personalakte Maria Keuper. Unna 13 Vgl. dazu Claudia Huerkamp, Die Lehrerin, in: Frevert, Ute (Hg.), Der Mensch des 19. Jahrhun- derts, Frankfurt a. M. 1999, S. 176–200. 14 Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass die Durchführungsbestimmungen dieses Gesetzes weiterhin eine Ungleichbehandlung von Lehrern und Lehrerinnen festschrieb. So wurde die Weiterbeschäftigung nur jenen verheirateten Lehrerinnen auf Antrag gewährt, die „weiter im Schuldienst zu bleiben wünschen“. Bei einer positiven Entscheidung erhielten sie nur die Hälfte des Ortszuschlages. Dazu mussten sie nachweisen, ab wann das Ehepaar einen gemeinsamen Hausstand führte. Vgl. STA Gronau, Personalakte Maria Keuper. Mit der sogenannten „Per- sonal–Abbau–Verordnung“ vom 27. Oktober 1923 wurde die Entlassung von Verheirateten Beamtinnen erneut festgeschrieben, vgl. Reichsgesetzblatt Teil I, Nr. 108, S. 999 ff.; Vgl. dazu Wunder, Anke, Pflichten statt Rechte? Die Mobilisierung und Demobilisierung von Frauenarbeit im Kontext des Ersten und Zweiten Weltkrieges, Wiesbaden 2004. 15 Laut standesamtlicher Quelle erfolgte die Trauung bereits am 25. August 1920; als Zeugen fun- gierten zwei Brüder Maria Keupers, der 31–jährige Syndikus Josef Keuper aus Mülheim an der Ruhr und der 22–jährige Kaufmann Franz Keuper aus Münster, vgl. STA Münster, Standesamt, Heiratsregister 1920 Nr. 912. 16 STA Gronau, Personalakte Maria Keuper. 17 Ebd. 18 Ebd.; auf der Meldekarte im STA Werne 7.02.C.-107 ist ihr Umzug von Gronau nach Werne für den 18.10. vermerkt; innerhalb Wernes zog das Ehepaar noch einmal von der Ringstraße 9 in die

86 Altersbilder

Münsterstraße 10. 19 Vgl. Perrefort, Maria, „Vereinigen Sie sich, teutsche Schwestern zu einem frommen Bunde …“. Der Hammer Frauenverein in der Zeit der Befreiungskriege, in: Jahrbuch des Kreises Unna 2010, S. 143-157. 20 Vgl. Schmitz, Maria, Vom christlichen Stande der Ehelosigkeit, in: Wochenschrift für katholische Lehrerinnen, Jg. 1928, Seiten 405 ff.; Niehaus, Irmgard, „Die Krone unserer Berufswürde“. Die Auseinandersetzung um den Lehrerinnenzölibat im Verein katholischer deutscher Lehrerinnen und im Katholischen Frauenbund, in: Muschiol, Gisela (Hg.), Katholikinnen und Moderne. Katho- lische Frauenbewegung zwischen Tradition und Emanzipation, Münster 2003, 43–67. 21 100 Jahre TV Werne. 1903-2003. Die ersten 50 Jahre in Protokollen, bearb. von Barbara Stroh- menger o.O. o.J., S. 54f. 22 Vgl. Petra von der Osten, Jugend- und Gefährdetenfürsorge im Sozialstaat. Der Katholische Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder auf dem Weg zum Sozialdienst katholischer Frauen 1945-1968, Paderborn 2002. Maria Niggemeyer übernahm auch Aufgaben und Ämter in anderen Fürsorgeverbänden: Mitglied des Zentralverbandes des Katholischen Fürsorgevereins (Bundesvorstand), der Josefsgesellschaft für Körperbehinderte, der Deutschen Vereinigung für die Rehabilitation Behinderter e.V. und des Hauptausschusses und verschiedener Fachausschüs- se des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge (Vgl. Ruhr-Nachrichten, 18. Mai 1963). 23 Schreiben Maria Niggemeyer an den Landrat des Kreises Unna, Hubert Biernat, vom 3. Novem- ber 1946, Kreisarchiv Unna (KRAUN) 01/1237, fol. 263; Schreiben des Parteivorstandes der CDU vom 21.Oktober 1946 an den Bürgermeister von Altenbögge, ebd., fol. 267. 24 Gemeindearchiv (GA) Bönen 29 und 1063. 25 Vgl. Barbara Börste / Karl Dittrich, Zeitsprünge. Bönen, Erfurt 2007, S. 13; Meldekarten STA Werne und GA Bönen. 26 Vgl. Holtmann, S. 265, Quelle Nr. 192. 27 Vgl. Holtmann, S. 70-75, Quellen Nr. 35, 36, 37. 28 KRAUN 01/1237, fol 261, 267f. 29 Ebd., fol. 261–270, hier fol. 263 30 Lose eingelegt in das Protokollbuch der Gemeindevertretung Altenbögge, GA Bönen 1063 31 KRAUN 02/1237, fol. 270. 32 STA Hamm, Amt Pelkum, O b 157, Protokollbuch der Amtsversammlung. 33 GA Bönen, STA Unna, Melderegister. Durch Erklärung vom 13.11.1957 hatte sie ihr Mandat niedergelegt, weil sie „aus dem Amtsbezirk verzogen“ ist (STA Hamm, Amt Pelkum, O b 157, Protokollbuch der Amtsversammlung). 34 Vgl. Verzeichnis der Kreistagsmitglieder, Wahl vom 13.10.1946 (Statistische Anlage Nr. 9 im „Bericht über die Verwaltung des Kreises Unna 1945-1948“, KRAUN 06/10). Vgl. Beyer, Jutta/ Holtmann, Everhard, „Auch die Frau soll politisch denken“ – oder: „Die Bildung des Herzens“. Frauen und Frauenbild in der Kommunalpolitik der frühen Nachkriegszeit 1945-1950, in: Archiv für Sozialgeschichte, Bd. XXV, S. 385-420. 35 Holtmann, S. 263, Quelle Nr. 192. 36 Holtmann, S. 265, Quelle Nr. 192.

87 Altersbilder

37 Vgl. Christlich-Demokratische Union. CDU 1946-1956. 10 Jahre Kreisverband Unna, o.O. o.J., S. 21. 38 Vgl. Der Spiegel, 14. August 1957, S. 28f. 39 Vgl. Martin Schumacher: M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972, http://www.kgparl.de/online- volksvertretung/online-mdb.html (25.08.2010), S. 890. 40 Vgl. Westfalen–Zeitung, 2. Februar 1952. Wir danken an dieser Stelle dem Stadtarchiv Paderborn für die Unterstützung. 41 Vgl. Westfalen–Zeitung, 17. Mai 1951. 42 Westfalen–Zeitung, 2. Februar 1952. 43 Vgl. Martin Litzinger, Bergkamen. Vom Bauerndorf zum Industrieort. Die Geschichte der Gemeinde Bergkamen bis zum Jahre 1966. Schriftenreihe „Aus der Geschichte Bergkamens und seiner Stadtteile“, Bd. 1, Werne 2003, S. 73-77. 44 Bericht von Alfred Gleisner über die Vorgänge auf den Chemischen Werken in Bergkamen auf dem Parteitag des SPD–Unterbezirks 1949, zit. n. Holtmann, S. 413, Quelle Nr. 290. Auf dem 45 KRAUN 03/13, Kreistagsprotokolle 1949, fol. 133–142, hier fol. 133; s.a. Holtmann, S. 418-422, CDU-Parteitag Quelle Nr. 292. in Karlsruhe, 46 Vgl. ebd., fol. 137-139. 1960. 47 Resolution der Gemeindevertretung von Bergkamen vom Oktober 1947, STA Hamm, Zeitge- Foto: Friedrich schichtl. Sammlung, OB-8, in: Holtmann, S. 409, Quelle Nr. 287. Ebert Stiftung, 48 Vgl. Monatsbericht des Kreisresidenzoffiziers für Februar 1950, zit. n. Holtmann, S. 405, Quelle 6/FOTA094351 Nr. 285. 49 Bericht von Alfred Gleisner, zit. n. Holtmann, S. 414, Quelle Nr. 290. 50 Vgl. Schmidt, Uta C., „Das Problem heißt Schlüsselkind.“ Die ,Schlüsselkinderzählung’ als ge- schlechterpolitische Inszenierung im Kalten Krieg. Einführende Überlegungen zu „Geschlecht“ und „Kalter Krieg“, in: Lindenberger, Thomas (Hg.), Massenmedien im Kalten Krieg. Akteure, Bilder, Resonanzen, Köln/ Weimar/ Wien 2006, S. 171-202. 51 Vgl. KRAUN 01/ 1397, Hellweger Anzeiger, 28. September 1956, Westfalenpost, 28. September 1956.

88