UID Jg. 18 1964 Nr. 23, Union in Deutschland
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Z 6796 C BONN • 4. JUNI 1964 NR. 23 • 18. JAHRGANG UNIONtnI>£utscfiU\ntL INFORMATIONSDIENST der Christlich Demokratischen und Christlich Sozialen Union Anspruch und Verpflichtung Dufhues und Barzel vor der Katholischen Akademie in Bayern - Die CDU/CSU in unserer Zeit „Die CDU ist nie eine ideologische Partei gewesen. Sie ist eine Partei der wie eben, trotz aller Wandlungen, die thristlichen Existenz in der Welt, nicht eine Partei des ideologischen Dogma- Union. Die eigenen weltanschaulichen tismus." Mit diesen zwei Sätzen etwa könnte man das Fazit ziehen aus einer Determinationen kann man in der Zwi- Rede des Geschäftsführenden CDU-Vorsitzenden Dufhues vor der Katholischen schenzeit vorübergehend verstecken oder ableugnen. In die Niederungen einer Akademie in Bayern. Die Akademie hatte Staatsminister a. D. Dufhues und solch' unaufrichtigen Taktik sollten wir den amtierenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU im Bundestag, Dr. uns nicht begeben. Wir wollen uns viel- Barzel, eingeladen, im Rahmen einer Tagung mit dem Titel „Der Katholik und mehr an die positiven Motive jener hal- die christlichen Unionsparteien" zu sprechen. ten, die weder ihre neutralistisdi-skep- tizistisch-agnostische Grundhaltung zur Der Gehalt dieser Tagung scheint uns so Sieht man näher zu, dann wird man herrschenden Anschauung machen noch bedeutend zu sein und die Ausführungen einfach die Fundamente der CDU auf- erkennen, daß der Forderung nach einer lösen wollen, sondern die sogenannte der beiden Vertreter der Christlich Demo- strengen pragmatischen weltanschauungs- kratischen Union so über den Tag hinaus Entideologisierung der Politik, sprich der freien Politik zu allermeist selbst eine Partei, deshalb empfehlen, weil sie mei- gültig, daß wir unseren Lesern beide Re- weltanschauliche Determinierung zu- den in einem größeren Auszug zur Ver- nen, damit dem inneren Frieden zu die- grunde liegt: Die nämlich, daß es außer nen. fügung stellen. Der beschränkte Raum er- der Wahrheit überhaupt keine Zweck- laubt es allerdings nicht, die Fülle der mäßigkeit gäbe. So ist Täuschung und Gesichtspunkte aufzuzeigen, die beide Po- Selbsttäuschung möglich; aus weltanschau- Versteht man Ideologie' richtig, dann litiker behandelt haben. Unsere Veröf- geht die Forderung nach .Entideologi- licher Neutralität wird ein unkritischer sierung', wenn man sie an die CDU fentlichung kann daher nur Stückwerk Neutralismus, der selber Weltanschauung sein,- aber sie soll unsere Leser zum Nach- ist, auch wenn seine Vertreter es gar richten will, ins Leere, denn die Union denken über die in München vertretenen nicht merken sollten. ist nie eine ideologische Partei gewe- Thesen anregen. sen. Das Christentum ist keine Ideolo- Der Realist wird überdies feststellen gie, und die CDU hat nie den Versuch müssen, daß die Propaganda für eine unternommen, daraus eine Ideologie Dufhues: Ideologie von allen weltanschaulichen Bestimmun- zu machen und damit das Christentum h<der Weltanschauung gen emanzipierte Politik sehr oft ledig- zu denaturieren. Diese Partei ist nicht lich den Zweck verfolgt, eine Konkur- zur Realisierung einer vorgegebenen Staatsminister a. D. Josef Hermann renzpartei zu zermürben und schließlich Theorie gegründet worden. Sie ist eine Dufhues sagte zu dem Anspruch, den die loszuwerden — eine Konkurrenzpartei, Partei der christlichen Existenz in der CDU/CSU als Zusammenschluß der Chri- deren Existenz gerade auf solchen welt- Welt, nicht eine Partei des ideologi- sten beider Konfessionen stellen darf, anschaulichen Bestimmungen beruht — schen Dogmatismus. allerdings auch zu den Forderungen, die sie zu erfüllen hat, u. a. folgendes: „Bislang hatte jede Partei in unserem Sozialisten haben es schwer Lande — ich denke nur an Parteien Daher kann für die Unionspartei ein volle Beispiele liefert — geht darauf zu- von einiger Bedeutung — ihr politisches geschriebenes Programm niemals die rück, daß ihr ideologischer Charakter Programm auf der Grundlage einer Welt- gleiche, geradezu schicksalhafte Bedeu- dazu gleichsam verpflichtet, die Wirk- anschauung oder einer Ideologie aufge- tung haben wie für die sozialistischen lichkeit ausschließlich durch die Filter- baut und dieses Fundament nicht wieder Parteien. Denn ihr Ursprung — wie weit brille ihres jeweils gültigen doktrinären verlassen. Die Legitimität dieser Methode sich auch einige davon entfernt haben Programms zu betrachten. Sie müssen es ist, soweit ich es übersehe, ernsthaft mögen — ist der Sozialismus des Karl immer zuerst ändern, bevor sie über- nicht angezweifelt worden. Heute aber Marx: Eine klassische Ideologie, die alle haupt — für eine gewisse beschränkte erscheint es vielen geboten, Politik und Eigenschaften dieser Geistesform in Rein- Zeit — sehen können, was tatsächlich ist. Weltanschauung oder Ideologie vonein- heit aufweist. Von daher ist aller Sozia- ander zu trennen und damit die politische lismus ideologisch bestimmt geblieben, Bei den Unionsparteien verhält es sich Auseinandersetzung grundsätzlich und und seine Entwicklungsstationen werden ganz anders. Programme sind auch für sie vollständig auf eine andere Ebene zu markiert durch aufeinanderfolgende Pro- notwendig. Aber sie haben eine andere verweisen als die weltanschauliche oder grammrevisionen; der Streit um sie Funktion. Sie legen sozusagen einen ideologische. Bei dieser Scheidung der macht den größten Teil seines inneren Durchschnitt, sie ziehen Bilanz. Wie die Sphären fällt der Politik das Reich des Lebens aus. Daß die sozialistischen Par- Partei heute das Ganze sieht und wie Praktischen und sonst nichts zu — zu- teien es äußerst schwer haben, die Reali- sie denkt; was sie heute für morgen gleich mit der Auflage, dieses Praktische täten und ihre Wandlung überhaupt zur will: Das allein kann Inhalt und Sein auch nur praktisch aus der reinen Zweck- Kenntnis zu nehmen — wofür die und Sinn von Programmen der Unions- mäßigkeit zu begründen. deutsche Nachkriegsgeschichte eindrucks- Fortsetzung Seite 2 nicht passen, die rein pragmatisch wären, ausschließlich nach dem mate- Anspruch und Verpflichtung riellen Erfolg orientiert. Der sittliche Fortsetzung von Seite 1 Für eine solche Staatsform könnte ein Charakter der deutschen Demokratie verlangt Weltanschauungsparteien, die Parteien sein. Sie sind keine Festlegun- Christ sich nicht engagieren. Unsere deut- gen für unabsehbare Zeit, abgesehen von sche Demokratie aber ist glücklicherweise eine gleiche ethische Verpflichtung den gleichbleibenden Fundamenten. vom Abgleiten in den Totalitarismus ge- kraft ihres Wesens anerkennen. Es schützt; denn ihr Grundrechtsteil, der je- liegt uns fern, diese Qualifikation bei Wenn die Union also keine ideologi- der Veränderung entzogen ist, erkennt den anderen demokratischen Parteien sche Partei ist — inwiefern ist sie dann als Fundament des Gemeinwesens und in Zweifel zu ziehen. Aber es ist, denke eine Weltanschauungspartei? Sie ist es, Regulativ aller Gesetzgebung die Men- ich, unser gutes Recht, die Überzeu- um das vorwegzunehmen, nicht etwa schenrechte an. Das Grundgesetz enthält gung zu haben, daß eine Partei auf der in dem Sinn, daß sie ihre politischen einen Katalog von die demokratische Le- Grundlage einer christlichen Weltan- Meinungen und Zielsetzungen kurz- gislative bindenden und sie nach leiten- schauung ganz besonders geeignet ist, schlüssig mit dem Christentum identi- den Werten orientierenden Rechtssätzen. den humanen und rechtsstaatlichen fizierte. Die christliche Weltanschau- Unsere Demokratie ist also nicht inhalts- Charakter unserer Demokratie zu ga- ung ist nicht einfach der christliche leer. Ihre Mehrheitsbeschlüsse können rantieren. Glaube. Sie ist vielmehr der Versuch nicht beliebig sein. Die Zuständigkeit des des Christen, sich in der Welt zurecht- Majoritätsprinzips findet ihre Grenze in Denn sie begreift, daß die obersten zufinden, und zwar von seinem Glau- den Menschenrechten, im Schutz der Min- Werte, die ein freiheitlich geordnetes Ge- ben aus. Diese Orientierung nimmt not- derheit, im Prinzip der Rechtsstaatlichkeit meinwesen verwirklichen muß, nicht wendigerweise systematischen Charak- und der sozialen Solidarität, über reli- menschliche Satzungen, sondern Gebote ter an; sie will zu einem umfassenden giöse, sittliche, wissenschaaftliche, ästhe- Gottes sind. Ob sie nun durch natürliche Bild von der Welt und den weltlichen tische Wahrheit dagegen kann nicht ab- Einsicht oder durch die christliche Offen- Dingen und dem rechten Verhalten des gestimmt werden. barung gegeben sei. Daher erhält das po- Christen werden. So ist unsere Demokratie ethisch ge- litische Handeln auf diese Werte hin eine bunden und damit auch ethisch fun- tiefe und unerschütterliche Rechtfertigung Wenn die CDU/CSU Weltanschauungs- diert. Daher können Parteien zu ihr — unabhängig vom äußeren Erfolg." partei ist und bleiben will, dann glaubt sie der inneren Pluralität unserer Gesell- schaft zu entsprechen — fälschlich als J .Pluralismus' bezeichnet — als ob es sich „Wir standen gegen die anderen' um eine Ideologie und nicht um «inen Dr. Barzel hatte sein Referat unter das Wer etwas ahnen will von den geisti- soziologischen Befund handelt. Daß die Thema gestellt: „Die gesellschaftspoliti- gen Grundentscheidungen, die auch heute Vielheit unvereinbarer Anschauungen ein schen Zielsetzungen der CDU". Den in der Gesellschaftspolitik miteinander erstrebenswertes Ideal oder ein unter Hauptteil seiner Rede nahm ein Rechen- ringen, sollte sich die Mühe machen, die allen Umständen zu konservierender Zu- schaftsbericht ein, in dem Dr. Barzel Ver- Dokumente, Debatten, Klageschriften zu stand sei,