Steht Als Schöpferische Persönlichkeit Turmhoch Über Uns« Eine Annäherung an Peter Suhrkamp Beim Stöbern in Seinen Korrespondenzen Von Wolfgang Schopf

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Steht Als Schöpferische Persönlichkeit Turmhoch Über Uns« Eine Annäherung an Peter Suhrkamp Beim Stöbern in Seinen Korrespondenzen Von Wolfgang Schopf UNI 2007/01 Teil 1 04.04.2007 11:49 Uhr Seite 20 Forschung intensiv »... steht als schöpferische Persönlichkeit turmhoch über uns« Eine Annäherung an Peter Suhrkamp beim Stöbern in seinen Korrespondenzen von Wolfgang Schopf Peter Suhrkamp und sein Verlag stehen für den kultu- rellen Wiederaufbau: Suhr- kamp erhält 1945 die erste Verlagslizenz, sein Programm prägt die geistige Identität der jungen Republik. Der Verleger wirkt im Stillen als Katalysator bei der Entste- hung von Werken, er gibt Autoren die intellektuelle Heimat, in der entstehen kann, was zur literarischen Signatur Nachkriegsdeutsch- lands werden wird. Die Fra- ge nach seinem Erfolgsre- zept beantwortet Wolfgang Schopf mit einem Blick auf die Schätze des »Archivs der Peter Suhrkamp Stiftung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität«. Peter Suhrkamp auf dem Balkon des Verlagssitzes am Schaumainkai. 20 Forschung Frankfurt 1/2007 UNI 2007/01 Teil 1 04.04.2007 11:49 Uhr Seite 21 Suhrkamps Erbe m Vorabend eines Autorenbesuchs im Frankfur- vorbei an Dokumenten aus literarischen, wissenschaftli- ter Verlagshaus äußerten Lektoren ihre Vorstel- chen und ökonomischen Bereichen, die alle die Entste- Alung darüber, wie sie den jungen Autor in die hung und Wirkung von Literatur beeinflussen, zu Schranken weisen könnten. Peter Suhrkamp unterband einem kaum fassbaren Gegenstand: zu der Beziehung das, er forderte Respekt: Der Autor »steht als schöpferi- zwischen Autor und Verleger als Schlüssel für die Ent- sche Persönlichkeit turmhoch über uns«. Diese Szene stehungsgeschichte eines Werks. aus dem Januar 1953, von Siegfried Unseld überliefert, versinnbildlicht Suhrkamps Sensibilität gegenüber sei- Biographisches in Stichworten: nen Autoren./1/ Seine altmodische Noblesse weckte bei Suhrkamp über Suhrkamp den Zeitgenossen Erwartungen, die der Verleger erfüllte, sofern seine fragile Gesundheit dies zuließ. Suhrkamps Ein Deutungsversuch dieses Verhältnisses bleibt an die- Gabe, mit Gespür auch für die schlummernde Fähigkeit ser Stelle aus, stattdessen folgen nun Äußerungen der des Autors und dem Vertrauen in die eigene Urteilskraft Beteiligten selbst. Peter Suhrkamp über sich /6/: »Gebo- die Transformation eines Manuskripts in die »geheiligte ren 29. März 1891 als erstes Kind des Landwirts Fried- Ware« Buch zu bewirken, /2/ nährt viele Legenden. rich Suhrkamp im Dorf Kirchhatten/Oldenburg. Da er Historisch eindeutig ist der singuläre Platz, den Peter sich … mit 13 Jahren … für das Studium entschloß und Suhrkamp mit seinem Programm in der Literatur- und sein Vater jede Unterstützung ablehnte, muß er nach Geistesgeschichte der Bundesrepublik einnimmt. Einer der Absolvierung der Dorfschule 1905 seinen weiteren der Gründe dafür liegt in der Konstellation nach dem Weg völlig allein gehen. Dieser Weg wurde erschwert Sieg über den Nationalsozialismus, in der von Literatur einmal durch seine Herkunft, zum andern durch eine Sinnstiftung erwartet wurde. Die Presse sprach von doppelte Anlage in seiner Begabung, eine pädagogische Peter Suhrkamp als »Praeceptor Germaniae«; ihn, der und eine künstlerische.« Suhrkamp absolvierte Lehrer- »Interzonen- gegenüber den Nationalsozialisten für die geistige Inte- seminar und Staatsexamen und nahm am Ersten Welt- Reisegenehmi- grität seines Verlags seine physische Existenz riskierte, krieg teil, was zu seinem psychischen Zusammenbruch gung für das be- umgab eine Aura, die Hermann Hesse so beschreibt: mit darauf folgendem Sanatoriumsaufenthalt in König- setzte Deutsch- »Wenn ich irgendwo in Gespräch oder Lektüre der zum stein führte. Weiter: »1919 Lehrer an der Odenwald- land« – Unterwegs zwischen den Cliché gewordenen Phrase vom ›wahren‹ oder ›echten‹ schule … gleichzeitig Studium in Heidelberg … Fortset- Flughäfen Tempel- oder ›heimlichen‹ Deutschland begegne, dann sehe ich zung des Studiums in Frankfurt … 1920 – 21 Lehrer an hof und Rhein- Peters hohe, hagere Gestalt.«/3/ der Freien Schulgemeinde Wickersdorf … Herbst 1921 Main: Suhrkamp ans Hessische Landestheater in Darmstadt berufen, zu- auf der Suche Suche nach intellektueller Identität nächst als Dramaturg, dann als Schauspielregisseur … nach einer Bleibe 1925 Rückkehr nach Wickersdorf.« 1929 ging Suhr- in Westdeutsch- In pädagogischen, mentalitäts- oder mediengeschichtli- kamp nach Berlin, dort arbeitete er beim »Berliner Ta- land. Der Pass ist ausgestellt auf chen Kategorien ließe sich untersuchen, wie nach 1945 geblatt« und in der Zeitschriftenredaktion des Ullstein Suhrkamps Tauf- die Bücher, wie neue Bildung auf eine Generation von Verlags. Auf den 1. Januar 1933 datiert der eine Angel- namen Heinrich. Lesern wirkte, die Suhrkamp als »Ruinen von Men- punkt seiner Biographie: »Eintritt in den S. Fischer Ver- Genannt wurde er schen in den Trümmern« erlebte /4/. Und unter Anwen- lag, als Redakteur der Neuen Rundschau und Lektor. Im immer nur Peter. dung von literaturgeschichtlichem, philologischem, edi- tionstechnischem oder rezeptionsgeschichtlichem Hand- werkszeug verraten die Quellen aus Peter Suhrkamps Nachlass und aus seinem Verlag, wie die Literatur ent- stand und wirkte, die so viel zur intellektuellen Identität Nachkriegsdeutschlands beigetragen hat. Die Dokumen- te zeigen, wie die Autoren mit sich um ihr Werk ringen, wie der erste Leser im Verlag das Manuskript aufnimmt; sie machen die Vielzahl der Schritte nachvollziehbar, die es auf dem Weg zum Buch zurückzulegen hat, sie zei- gen den Einfluss von Literatur auf die »öffentliche Mei- nung«. Doch trotz der Fülle des Materials bleibt auf den ersten Blick verborgen, was jene »Gabe« des Verlegers ausmacht. Sie trägt keine Signatur, ist in keinem Zettel- kasten, in keiner Datenbank verzeichnet und dennoch spürbar, sowie man die Schuber der Archivkästen her- vorzieht. Sein verlegerisches Geschick bleibt ein »Ge- heimnis«, wie einer schreibt, der es wissen muss, näm- lich Peter Suhrkamps erster »junger« Autor, Max Frisch, und, so Frisch weiter, »das Geheimnis läßt sich nicht rühmen«. /5/ Zwischen den zigtausend Konvoluten und Einzeldo- kumenten, den staubigen Kladden und verwitterten Ordnern,■1 die im Archiv der Peter Suhrkamp Stiftung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität eintreffen, dort konservatorisch gesichert, archivarisch aufgearbei- tet und der Forschung zugänglich gemacht werden, schimmern Spuren des Geheimnisses durch. Sie führen, Forschung Frankfurt 1/2007 21 UNI 2007/01 Teil 1 04.04.2007 11:49 Uhr Seite 22 Forschung intensiv Die Gründungsphase des Frankfurter Verlags Suhrkamp begann bald nach der Berliner Gründung von 1945 mit der Suche nach einem Verlagssitz in West- deutschland; im Jahr darauf erhielt er eine Lizenz für die amerikanische Zone. Ende der 1940er Jahre fand der Verlag sein Domizil im Haus des Börsenvereins, bevor er eigene Adressen in Frankfurt bezog.■5 Dort manifestierte sich der Bruch mit Gottfried Bermann Fi- scher; nach dessen Rückkehr aus dem Exil misslang es, an die frühere Zusammenarbeit anzuknüpfen. Die Tren- nung von S. Fischer und die Neugründung des Suhr- kamp Verlags ist verschiedenerorts dokumentiert; /7/ im Mittelpunkt der Trennung standen die Autoren: Wer von ihnen innerhalb Deutschlands von Peter Suhrkamp betreut worden war, bekam die Option zum Wechsel in den neu zu gründenden Verlag eingeräumt; die Autoren der Exilverlage blieben bei S. Fischer. Die Mehrheit der befragten Autoren entschied sich für Suhrkamp, wobei die beiden bedeutendsten Zusa- Herbst 1933 in den Vorstand des S. Fischer Verlages be- ■3 »›Munderloh‹ ■1 »Proust Revisi- rufen. Ab 1. Januar 1936, nach erzwungenem Aus- ist ein Romanfrag- on«: Vor der Nach- scheiden des Schwiegersohnes von S. Fischer, alleiniger ment, das Dezem- auflage eines Ban- Leiter des Verlages, der am 1. Januar 1937 von einer zu ber 1944 und Ja- des von Marcel diesem Zweck gegründeten Kommanditgesellschaft er- nuar 1945 in ei- Prousts »Auf der ner Zelle des Suche nach der worben wurde, in der P.S. der einzige persönlich haften- Gestapogefängnis- verlorenen Zeit« de Gesellschafter war.■2 13. April 1944 auf Grund seiner ses Lehrterstraße werden kleinere Verlagsführung durch die Gestapo verhaftet, Anklage 3 zu Berlin ge- Fehler behoben. auf Hochverrat... Januar 1945 Überführung in das Kon- schrieben wurde.« zentrationslager Sachsenhausen.■3 8. Februar 1945 als (Aus der ›Nach- Todkranker entlassen…Oktober 1945 erhält er als erster bemerkung‹) Peter Verleger in Berlin die Verlagslizenz von der Britischen Suhrkamp, »Mun- derloh«, erscheint ■ Militärregierung.4 Wiederaufnahme der verlegerischen 1957 als Band 37 Tätigkeit unter der Firma ›Suhrkamp Verlag vormals der Bibliothek S. Fischer‹. April 1950 Rückgabe des ›Suhrkamp Verlags Suhrkamp. vormals S. Fischer‹ an die in die USA ausgewanderten Erben von S. Fischer. Gründung eines eigenen Verlages ›Suhrkamp Verlag Berlin und Frankfurt am Main‹. März 1951 Verleihung des Dr. h. c. der Philosophischen Fa- kultät der Universität Frankfurt [am] Main.« gen lakonisch ausfielen, so Bertolt Brechts berühmter Einzeiler vom 21. Mai 1950: »natürlich möchte ich unter allen Umständen in dem Verlag sein, den Sie leiten« /8/; und eine handschriftliche Notiz Suhrkamps: »H. Hesse läßt am 7.5. telefonisch durch seine Frau mitteilen, daß er für Suhrkamp-Verlag optiert.« /9/ Mit den Rechten an den Werken seiner Autoren als einzigem Kapital startet im Juli 1950 das eigene Unternehmen. In seinem Dank für die Ehrenpromotion [siehe auch »Wobei ich mir be- wusst bin, das der Kreis … eine Elite darstellt«, Seite 25] erwähnt Suhrkamp den »Kreis« von Menschen, die ge- meinsam als Elite wirken, dreimal; derlei Wiederholun- gen sind in seinen Briefen
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