Online-Publikationen Des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald
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Online-Publikationen des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald Jochen Babist Anthropogene Geländemorphologie des Bergbaureviers Weschnitz bei Fürth im mittleren Odenwald (Südhessen) - Entstehung einer Kulturlandschaft Bibliographie/Zitationsweise: Babist, J. (2013): Anthropogene Geländemorphologie des Bergbaureviers Weschnitz bei Fürth im mittleren Odenwald (Südhessen) - Entstehung einer Kulturlandschaft. In: Mining and Cultural Landscape; 8th International Symposium on archaeological Mining History in Reichelsheim/Odenwald. Silvertant, J. (Ed.), publ. by Institute Europa Subterranea; ISBN 978-90-817853-3-4; S. 72-101. Copyright des Originals: All rights reserved. Except in those cases explicitly determined by law, no part of this publication may be multiplied, saved in an automated data file or made public by any way whatsoever without the express prior written consent of the publishers. Zitationsweise der Online-Version: Babist, J. (2013): Anthropogene Geländemorphologie des Bergbaureviers Weschnitz bei Fürth im mittleren Odenwald (Südhessen) - Entstehung einer Kulturlandschaft. Online-Publikationen des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald e. V. ; http://www.forschung.geo-naturpark.net/Datum des Abrufs. Copyright der Online-Version: Alle Rechte vorbehalten. Verwendung von Text, Textteilen, Grafiken oder Fotografien in gedruckter oder digitaler Form nur mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung der Autoren und des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald. Online-Publikationen des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald - www.geo-naturpark.net Anthropogene Geländemorphologie des Bergbaureviers Weschnitz bei Fürth im mittleren Odenwald (Südhessen) - Entstehung einer Kulturlandschaft Jochen Babist, Arbeitsgemeinschaft Altbergbau Odenwald Inhalt Weschnitz - ein Waldhufendorf als Bergbausiedlung? 1 Siedlungsungünstig, jedoch reich gesegnet - Geomorphologie und geologische Ressourcen 5 Eisen als strategisches Metall - eine Randbemerkung 8 Anthropogene Geländemorphologie als Schlüssel zur Bewertung des Bergbaus bei Weschnitz 10 Bergbaurelikte 13 Verhüttungsplätze 21 Podien und Meilerplätze („Kohlplatten“) 23 Altwege 26 Ackerterrassen und Kulturwechselstufen 27 Steinbrüche und Dolomitgruben 28 Bewertung und Diskussion - Landnutzung und Landschaftsentwicklung im Bergrevier Weschnitz 28 Schlussbetrachtung 32 Danksagung 33 Literaturverzeichnis 33 Online-Publikationen des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald - www.geo-naturpark.net Anthropogene Geländemorphologie des Bergbaureviers Weschnitz bei Fürth im mittleren Odenwald (Südhessen) - Entstehung einer Kulturlandschaft Jochen Babist, Arbeitsgemeinschaft Altbergbau Odenwald Kulturlandschaft kann als Produkt endogener (Geodynamik/Plattentektonik), exogener (Morpho- dynamik/atmosphärische Prozesse) und den Folgen anthropogener Eingriffe in die natürlichen Systeme verstanden werden1. Die heute erfassbaren Elemente einer Kulturlandschaft umfassen damit nicht nur die anthropogenen Formen, sondern konsequenterweise auch die natürliche Geomorphologie und die geologische Ressource (Böden und Lagerstätten). Um alle Facetten der Entwicklungsgeschichte einer Kulturlandschaft erfassen und bewerten zu können, muss eine Erfolg versprechende Analyse interdiszplinär naturwissenschaftlich und historisch/gesellschaftswissenschaftlich angelegt sein. Im vorliegenden Beispiel des kleinen Ortes Weschnitz (Gemeinde Fürth, Kreis Bergstraße, Südhessen) steht ein historisch hoch interessanter Kulturlandschaftsausschnitt im Gebiet des mittleren Odenwaldes im Fokus. Ausgangspunkt für die Studie ist die Frage nach der Bedeutung des einstigen Eisenerzbergbaus für die Erschließung und Kolonisierung der Region des zentralen Odenwaldes. Trotz der frühen Erwähnung von „Erzgruben“ als Landmarke bereits im 8. Jahrhundert wurde die Besiedlung bislang recht einseitig vom Standpunkt der landwirtschaftlichen Nutzung betrachtet und erst rund 200 bis 300 Jahre später angesetzt2. Umgekehrt fand die Frage nach der Organisation des frühen Montanwesens mit seiner notwendigen Infrastruktur (Versorgung, Transport, Arbeitskräfte, Siedlungsräume etc.) fast ebenso wenig Beachtung bei den wenigen historischen Arbeiten zur Bergbaugeschichte der Region (vgl. Gesamtliteratur am Ende des Aufsatzes). Weschnitz - ein Waldhufendorf als Bergbausiedlung? Im Gegensatz zur Oberrheinebene und der Bergstraße gibt es im Weschnitztal bislang keine oder kaum Funde, die auf eine kontinuierliche Besiedlung vor der fränkischen Zeit hinweisen. Für den zentralen Odenwald gibt es keine Nennung einer Zugehörigkeit zu den frühen Verwaltungseinheiten, den Gauen3. Vor allem in den heutigen Orten östlich und nordöstlich des Weschnitztales dominiert die streifenförmige Flurteilung der Waldhufendörfer, die auf eine planmäßige Rodung und Aufteilung des zunächst mit Wald bestandenen Neusiedellandes ab etwa 1000 n Chr. hinweist. Diese Rodung wird allgemein mit der Kolonisierung durch das karolingische Kloster Lorsch in Verbindung gebracht4. In der Urkunde 140 des Codex Laureshamensis5 wird Weschnitz („Wisgoz“) erst 1094 als Teil der Villikation Fürth genannt6. Die historische Flurkarte des Ortes zeigt im Kern ebenfalls den 1 Babist, (2010), S. 164. 2 vgl. z. B. Nitz (1962) 3 Kleberger (1958), S. 12. 4 Nitz (1962), S. 83 ff. 5 CL Chronik 140, Reg. 3627. 6 Glöckner (1929), S. 277-280. 1 Online-Publikationen des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald - www.geo-naturpark.net streifenförmigen Typus eines Waldhufendorfes und weist damit darauf hin, dass die heutige Siedlung aus einer planmäßigen, ackerbaulichen Rodungssiedlung hervorgegangen sein muss7. Geht man von einem bis um das Jahr 1000 weitgehend siedlungsleeren Mittelgebirgsraum aus, ist die frühe urkundliche Erwähnung von Erzgruben bereits im Jahr 795 überaus bemerkenswert. Zum einen widerspricht allein der Zeitpunkt dem allgemein vermuteten Besiedlungsgang, zum anderen ist das Waldhufendorf mit seiner Streifenflur funktional kaum bei einer Siedlung zu erwarten, deren wirtschaftlicher Schwerpunkt in der Förderung und Verarbeitung von Eisenerz lag. Das Gleiche gilt auch für viele weitere Orte im zentralen Odenwald, in deren Gemarkungen auffällig große Bergbauflächen zu finden sind. Dass sich der Bergbau erst nach der ersten Rodungs- und Siedlungsphase im Hochmittelalter etablierte, bei der die Waldhufen entstanden, ist zumindest für Weschnitz aufgrund der Urkundenlage auszuschließen. Entscheidend für die Beurteilung einer möglichen vorangegangen Siedlungsphase ist die Urkunde 6 des Codex Laureshamensis8. In dieser Urkunde werden die Grenzen der Mark Heppenheim beschrieben, die Karl der Große 773 dem aufstrebenden Kloster Lorsch schenkte. Die Fassung im Kopialbuch stammt vermutlich aus der Zeit um 11709 und verbindet in einer zweispaltigen Aufzählung die originären Grenzpunkte, die während eines Placitums im Jahr 795 festgelegt wurden, mit jüngeren Ergänzungen10. Hintergrund für diese Grenzfestlegung sollen Streitigkeiten des Bistums Worms mit dem seit 772 reichunmittelbaren Kloster Lorsch gewesen sein: Im mittleren Weschnitztal überschnitten sich 773 der historisch gewachsene Anspruch des Bistums Worms mit der Schenkung der Mark Heppenheim an das Kloster11. Bereits in der um 800 entstandenen, älteren Version der Grenz- beschreibung ist von Erzgruben als Grenzpunkten die Rede: „Winterchasto – Gelicheberga – Arezgrefte – Walehinhoug“. Die Lokalisierung der genannten „Arezgrefte“ ist in der älteren Literatur umstritten – sie werden in den Bergwerken in der Nähe des heutigen Dorfes Erzbach (Gemeinde Reichelsheim) ebenso gesehen12, wie sie dem im Kristallin liegenden „Gumpener Kreuz“ zwischen Fürth und Reichelsheim zugeordnet werden13. Mössinger14 und Kleberger15 hingegen setzen sie mit den Erzgruben bei Weschnitz unterhalb des Kahlberges gleich. Betrachtet man den großräumigen Grenzverlauf der früheren Beschreibung, so fällt mit den eindeutig zuzuordnenden Ortslagen „Adolfesbach“ (Alsbach) – „Felisberk“ (Felsberg) – „Winterchasto“ (Höhe beim heutigen Dorf Winterkasten) – „Walehinhoug“ (Kahlberg) – „Hildigeresbrunno“ (Hildegeres- brunnen) ein generell gegen Südosten gerichteter Verlauf ins Auge, der im Wesentlichen den Wasserscheiden zwischen Modau, Lauter, Gersprenz, Weschnitz und Ulfenbach folgt (Abb. 1). Die im mittleren Odenwald etwa Nord-Süd verlaufende Grenze zwischen Grund- und Deckgebirge mit den an der Basis des Buntsandsteins aufgeschlossenen Erzvorkommen kreuzt die Wasserscheide genau an der 7 HSTAD, O61 Buxbaum Nr. 1/452. 8 CL Chronik 6, 6a, Reg. 849. 9 Möller (1938), S. 221-262. 10 Glöckner (1929), S. 277-280. 11 Kleberger (1958), S. 7; Loehrke (1970), S. 35 f. 12 Simon (1858), S. 9, 123; Glöckner (1929), S. 279. 13 Christ (1913) 14 Mössinger (1957), S.7 f. 15 Kleberger (1958); S. 19. 2 Online-Publikationen des Geo-Naturparks Bergstraße-Odenwald - www.geo-naturpark.net Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes bei Fürth/Weschnitz (rot). Schwarz dargestellt ist der vermutete Verlauf der Grenze der Mark Heppenheim nach der Beschreibung von 795. Die „Arezgrefte“ werden als Landmarke innerhalb der Grenzlinie zwischen Bergnamen und anderen geographischen Bezeichnungen (violett) erwähnt. Im Gegensatz zur weiten, offenen Weschnitzsenke bestimmen enge Kerbtäler das Landschaftsbild um Weschnitz (Kartengrundlage: Naturpark Bergstraße-Odenwald). heutigen Ortslage des Dorfes Weschnitz. Die in der jüngeren Spalte der Urkunde auftretende Präzisierung „inde in mediam arezgrefte“- mitten durch die Erzgruben18 - könnte sich damit auf den räumlichen Schwerpunkt des Abbaus am heutigen Kapellenberg zwischen den beiden Teilrevieren Altwiese im