Die Amphitheater Der Schweiz
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Ur-und Frühgeschichte und Provinzialrömische Archäologie Michael Baumann HS 2012 Ü: Einführung in die Archäologie römischer Provinzen 30.9.2012 Dozent: Hannes Flück Die Amphitheater der Schweiz Amphitheater allgemein In der römischen Welt gab es zwei verschiedene Typen von Theaterbauten. Zum einen gab es die halbkreisförmigen szenischen Theater, die für Bühnenstücke be- nutzt wurden und zum anderen gab es die ovalen Amphitheater, die zur Veranstal- tung von Tierhetzen und Gladiatorenkämpfen dienten. Beide Bautypen verfolgten das Ziel die Massen zu unterhalten. Jedoch wurde im Theater die soziale Hierarchie gewahrt. Die besten Plätze, in den untersten Rängen, waren den Magistraten und dem Adel bestimmt, während das einfache Volk sich mit den oberen Sitzreihen be- gnügen musste.1 Im Amphitheater wurden die blutigen Kampfspiele, die sich primär aus den Tierhet- zen (venationes) und Gladiatorenkämpfen (munera) zusammensetzten, ausgetra- gen.2 Alle Aufführungen waren für das Publikum kostenlos. Finanziert wurden sie von reichen Privatleuten, politischen Würdenträgern oder vom Kaiser selbst. Nach dem Moto panem et circenses wurden die Volksmassen ruhig gehalten. 3 Die Amphitheater wurden aus Gründen der Sicherheit, der Hygiene und aufgrund ihres Bauvolumens an den jeweiligen Peripherien der dicht bebauten Städte gebaut. Die Verteilung der Amphitheater in der Schweiz In der Schweiz gibt es an sieben verschiedenen Orten acht Amphitheater. Auf der Karte ist gut zu erkennen, dass alle Amphitheater in der West- und Nordschweiz er- richtet wurden, wo auch die grössten Siedlungen vorhanden waren. Abb. 1: Verteilung der Amphitheater in der Schweiz (Legende: Schwarze Vierecke = Amphitheater) 1 Hufschmid 1997 S. 1. 2 ebd. S. 1. 3 ebd. S. 1 und Welch 2007 S. 18-29. Ur-und Frühgeschichte und Provinzialrömische Archäologie Michael Baumann HS 2012 Ü: Einführung in die Archäologie römischer Provinzen 30.9.2012 Dozent: Hannes Flück Die Fundorte Vindonissa, Bern-Engehalbinsel, Aventicum, Ursins, Iulia Equestris (Nyon) und Octodurum (Martigny) hatten je ein Amphitheater. Augusta Raurica hatte als einzige Stadt zwei Amphitheater, welche jedoch nicht zeitgleich in Betrieb waren. Zum einen gibt es in Augusta Raurica das ältere Amphitheater das Augst-Neun- Türme genannt wird, das später vom szenischen Theater ersetzt wurde und zum an- deren das Amphitheater im Sichelengraben, welches das alte Augst-Neun-Türme Amphitheater ersetzte.4 Das alte Amphitheater in der Stadtmitte wurde zwischen 100 und 200 n. Chr. benutzt.5 Das Amphitheater von Augusta Raurica im Sichelengraben Das Amphitheater, das ich im Folgenden näher beschreiben werde, liegt im Siche- lengraben im Südwesten der Oberstadt. Das Amphitheater im Sichelengraben ent- stand in typischer Lage, am südwestlichen Stadtrand, um ca. 200 n. Chr. Der Sichelengraben entstand durch die Erosionstätigkeit des Rauschenbächleins, das in vorrömischer Zeit, als es noch nicht kanalisiert war, zu einem reissenden Ge- wässer anschwellen konnte. Dadurch entstand eine Mulde in welche das Amphithea- ter hinein gebaut wurde.6 Abb. 2: Aufbau eines Amphitheaters Die arena Eine arena ist ein mit einem Sandbelag versehenen ovalen, zuweilen auch runden Kampfplatz im Zentrum des Amphitheaters. Die arena ist in die sandigen Kiesschich- ten des natürlich gewachsenen Bodens eingetieft. Der Kiesuntergrund ist verhältnis- mässig locker und somit gut sickerfähig. Die Ausdehnung der ovalen arena betrug 50,6 Meter auf der Längsachse und 33,4 Meter auf der Querachse. Die Oberfläche 4 Hufschmid 1997 S. 1. 5 ebd. S. 2. 6 Hufschmid 2009 S. 61. Ur-und Frühgeschichte und Provinzialrömische Archäologie Michael Baumann HS 2012 Ü: Einführung in die Archäologie römischer Provinzen 30.9.2012 Dozent: Hannes Flück der arena betrug rund 1350 Quadratmeter.7 Um die arena wurde eine meterstarke Podiumsmauer in opus vittatum-Technik errichtet (ein typisches opus vittatum- Mauerwerk besteht aus einer Schale aus Kalkstein-Handquadern und einem Kern aus Kalkbeton und Kalkbruchsteinen).8 Die genaue Höhe kann heute wegen der zum Teil starken Erosion nicht mehr bestimmt werden. Die Podiumsmauer war mit mar- morimitierender Malerei geschmückt.9 Caveabereich und die Umfassung Die cavea ist der Bereich der Sitzstufen mit den Plätzen für die Zuschauer. Die cavea lässt sich heute nur noch schlecht fassen, denn die Erosion hat diesem architektoni- schen Teil erheblichen Schaden zugefügt. Trotzdem kann man Rückschlüsse auf das Aussehen und den technischen Aufbau der cavea ziehen. Im anstehenden Kiesun- tergrund sind mit Mörtel und Kalkmilch gefestigte Abtreppungen und Mauerreste er- halten. Die Kiesabtreppungen zeigen eine Negativform der ehemaligen cavea und geben recht präzise Aufschluss über den Neigungswinkel des Zuschauerraums.10 Die Winkel der Sitzstufen waren jedoch nicht einheitlich. Im Bereich des Podiums betrug der Neigungswinkel 20-22 Grad und im steileren Mittelteil, der media cavea genannt wird, sogar 28-30 Grad.11 Drei Viertel der cavea sind in die anstehende Kiesmulde eingelassen, das oberste Viertel ruht auf einer künstlichen Kiesaufschüt- tung.12 Die Sitzstufen waren durch sogenannte praecintiones (das sind horizontal verlaufen- de Mauern zur Gliederung des Sitzstufenbereichs) in verschiedene maeniana geglie- dert. Die erste praecinctio trennte das podium von der media cavea ab. Die zweite praecinctio trennte die media cavea von der summa cavea ab.13 Im Bereich des Po- diums hatte es nur vier flache Sitzstufen als Sitzplätze, dafür hatten diese eine grö- ssere Sitzstufentiefe und waren somit bequemer, die media cavea hatte hingegen fünfzehn Sitzstufen und war zusammen mit der summa cavea für das einfache Volk gedacht.14 Als Umfassung diente eine Kiesschüttung, die mit einer Peripheriemauer bekrönt gewesen war. Die Peripheriemauer wurde in regelmässigen Abständen von Türen durchbrochen, so dass eine Erschliessung der cavea primär von oben her über die Umfassung erfolgte.15 Weiter wurden Kontermauern errichtet, welche Erosion ver- hindern sollten und gleichzeitig für einen recht breiten Umgang sorgten. Dadurch er- leichterte sich die Erschliessung der Sitzplätze erheblich.16 7Hufschmid 2009 S. 62-66. 8 ebd. S. 99. 9 ebd. S. 68. 10 ebd. S. 74. 11 ebd. S. 74-75. 12 ebd. S. 75. 13 ebd. S. 75. 14 ebd. 75-76. 15 ebd. S. 78. 16 ebd. S. 78. Ur-und Frühgeschichte und Provinzialrömische Archäologie Michael Baumann HS 2012 Ü: Einführung in die Archäologie römischer Provinzen 30.9.2012 Dozent: Hannes Flück Arenazugang-Ost Hier kann wegen den sechs direkt oder indirekt nachgewiesenen Radialmauern von fünf überwölbten Zugangskorridoren ausgegangen werden. Der mittlere der Gänge, der Arenazugang, besass eine Breite von 3,4 Metern und führte über eine 10-12 Grad steile Rampe direkt zur arena. Alle sechs Radialmauern wurden aus Kalkstein- Handquadern hergestellt.17 Auf beiden Seiten des Arenazugangs befand sich je ein schmaler Bedienungszu- gang.18 Auch diese Bedienungszugänge bestanden womöglich aus steilen Rampen, mit einem Winkel von bis zu 15 Grad. 19 Zu beiden Seiten an die Bedienungsgänge schliessen weitere überwölbte Zugänge an, die aufgrund ihrer Lage und ihrer Mündung im Podiumsbereich der cavea als vomitoria angesprochen werden können.20 Ein Vomitorium ist ein überdachter Publi- kumszugang und Ausgang aus dem Amphitheater Die beiden vomitoria liegen prak- tisch symmetrisch zum Arenazugang und haben, wie die Bedienungsgänge, sich leicht verjüngende Wangenmauern.21 Wie bei den anderen Gängen muss auch hier ein beträchtliches Gefälle angenommen werden. Unter Berücksichtigung von Paral- lelbefunden ist es daher wahrscheinlich, dass das vomitorium mit Treppen ausgestat- tet war. Diese Treppenläufe mussten eine Höhendifferenz von 3 Metern zwischen der Peripherie und dem podium überwinden.22 Die Ostfassade weist eine geringere Höhe auf als die Westfassade. Sie ist in die be- stehende Geländemulde eingepasst. Weil die Gestaltung von der Topografie abhän- gig ist, wird aus der Fassade ein Zweckbau, bei dem die Repräsentation in den Hin- tergrund tritt. Die Ostabschlüsse der Radialmauern zeigen, dass die Fassade nicht bogenförmig verläuft, sondern eine Gerade aufweist.23 Im Gegensatz zur Westfassa- de verläuft die Ostfassade nicht ganz geradlinig, sondern weist im Bereich der ersten Radialmauer einen Knick auf, der die Mauerflucht an dieser Stelle um 9 Prozent nach Südwesten umbiegt.24 Arenazugang-West Der Westeingang weist lediglich vier Mauerzüge auf, die sich in zwei Paare gliedern lassen. Die Mauern jedes Paares verlaufen parallel mit einem Abstand von rund 2,3 Metern zueinander und bilden gleichzeitig die Wangenmauern eines vomitoriums.25 Um die Stabilität des Gebäudes zu gewährleisten wurden die Fundamente der Mau- 17 Hufschmid 2009 S. 89. 18 ebd. S. 90. 19 ebd. S. 90-91. 20 ebd. S. 92. 21 ebd. S. 92. 22 ebd. S. 92-93. 23 ebd. S. 93. 24 ebd. S. 93. 25 ebd. S. 99. Ur-und Frühgeschichte und Provinzialrömische Archäologie Michael Baumann HS 2012 Ü: Einführung in die Archäologie römischer Provinzen 30.9.2012 Dozent: Hannes Flück ernpaare durch Riegelmauern miteinander verbunden, somit ergeben sich zwei u- förmige Fundamentzonen.26 Auf dieser Westseite gibt es also nur drei Eingänge, die beiden direkt zur arena füh- renden Bedienungsgänge fehlen. Der mittlere Arenazugang hatte ein sich zur arena hin neigendes Tonnengewölbe aus Kalkguss oder Tuffstein.27 Im Norden und im Süden schliesst, jeweils ein vomitorium an den Arenazugang an. Auch die vomitoria waren mit einem Tonnengewölbe aus Kalkguss oder Tuffstein überdeckt. Aufgrund des wiederum erheblichen Höhenunterschieds