Mittelalter 4/03
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Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins 2.8. Jahrgang 1997/22003/4 Zeitschrift des Schweizerischen Burgenvereins Revue de l’Association Suisse des Châteaux forts Rivista dell’Associazione Svizzera dei Castelli Revista da l’Associaziun Svizra da Chastels 8. Jahrgang 2003/4 INHALT Historische Brücken – Eine Einführung.................................... 105 Christian Bader: Holzpfähle in der Thur bei Andelfingen – Zeugen einer langen Brückengeschichte................................. 109 Hansjörg Brem, Daniel Steiner und Monika Zutter: Die alte Thurbrücke von Bischofszell – ein teures Stück Architektur....................................................... 124 KURZMITTEILUNGEN..................................................................... 132 VERANSTALTUNGEN ..................................................................... 139 VEREINSMITTEILUNGEN............................................................... 139 Redaktionskommission: Urs Clavadetscher, lic. phil., Kantonsarchäologie Graubünden, Schloss Haldenstein, 7023 Haldenstein Dr. Elisabeth Crettaz, Le Forum, 3961 Zinal Dr. Hans Rutishauser, Denkmalpflege Graubünden, Loestr. 14, 7001 Chur Redaktion und Geschäftsstelle: Schweizerischer Burgenverein Thomas Bitterli, Blochmonterstr. 22, 4054 Basel Telefon 061 361 24 44; Fax 061 363 94 05 E-Mail [email protected] Postkonto 40-23087-6 http://www.burgenverein.ch Publiziert mit Unterstützung – der Schweizerischen Akademie der Geistes- und Sozialwissenschaften SAGW – des Kantons Zürich. Erscheint vierteljährlich ISSN 1420-6994 Druck: Schwabe AG, Basel, Verlag und Druckerei Umschlagbild: Die Thurbrücke bei Andelfingen vor Beginn der Untersuchungen. Die acht Eichenpfähle von Joch 2 am Kleinandelfinger Ufer (Vordergrund) waren von den Wasserbauarbeiten nicht tangiert und konnten als letzte Zeugen der alten Brücke erhalten bleiben (Foto: Kantonsarchäologie Zürich). Historische Brücken – Eine Einführung Brücken dienen der Überwindung Bau von Brücken und Stegen reicht Im Gegensatz zu den römischen von Wasserläufen, Tälern, ja sogar weit in urgeschichtliche Epochen Brücken haben sich von diesen Meeresarmen und erlauben eine zurück, wie etwa ein kürzlich ent- spätmittelalterlichen Brücken da direkte Verbindung von einem Ort deckter Steg in der Nähe des See- und dort noch grössere Teile erhal- zum andern. Der Brückenschlag damms von Rapperswil zeigt. Die ten. Erst im 19. Jahrhundert wur- verbindet voneinander getrennte ersten grossen Brücken aus Holz den neue Bauverfahren, industriell Orte, gewinnt damit Symbolkraft und Stein wurden auf dem Gebiet produzierte Baustoffe und statisch und wird zum Zeichen von Verstän- der Schweiz in römischer Zeit er- durchgerechnete Konstruktionsfor- digung und Austausch. So beziehen richtet. Ihre Reste sind aber heute men eingesetzt, die den Brücken- sich denn zahlreiche Rede- nur noch archäologisch fassbar. bau revolutionierten; das Hindernis wendungen und Wortbilder auf Im ausgehenden Hochmittelalter wurde nun mit weit gespannten die Brücke, und auch auf den Euro- folgte eine zweite Welle des Bögen oder Fachwerkträgern über- noten ist ihr Bild Symbol für Ver- Brückenbaus. In einem relativ kur- brückt. einigung und Zusammengehörig- zen Zeitraum entstanden zahlreiche keit. Brücken, welche die Basis für ein Funktion und Bedeutung der Brücke in Brücken sind aber zuerst einmal dichter geknüpftes Verkehrsnetz Vergangenheit und Gegenwart Bauwerke in der Landschaft. Kul- bildeten, das noch späteren Jahr- Neben der Konstruktionsweise turgeschichtlich bemerkenswerte hunderten genügte. Seit dem änderte sich im Lauf der Zeit auch Bauten unterstehen dem Schutz der 13. Jahrhundert war für die nach- die Funktion einer Brücke. Die Denkmalpflege und müssen bei folgenden Generationen der Unter- mittelalterlichen Brücken waren Baumassnahmen entsprechend un- halt eine wichtige Aufgabe, die ein vielfältiger Bedeutungsträger. tersucht und dokumentiert werden. sie infolge der nie abreissenden Bau und Unterhalt einer Brücke Die folgenden Beiträge geben Ein- Beschädigungen durch Eisgang, empfanden die mittelalterlichen blick in die Baugeschichte von zwei Hochwasser und Kriege immer Menschen als ein frommes Werk, Brücken an der Thur. Der Beitrag wieder belastete. Erst mit dem das dem Bauherrn und den daran von Christian Bader befasst sich mit 15. Jahrhundert baute man auch in beteiligten Handwerkern den Zu- den archäologischen Resten spät- unseren Regionen an verschiedenen gang zum Paradies erleichtern mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Orten die Pfeiler aus Stein. Eher sollte. Nicht wenige Brücken tra- Holzbrücken von Andelfingen. Aus- selten war in dieser Zeit dagegen gen oder trugen einst eine Kapelle. gelöst wurde die Rettungsgrabung eine vollständig in Stein errichtete Auf Brücken wurde Recht gespro- durch das Projekt Thursanierung, Brücke; neben Bern, Freiburg, chen, hingerichtet, Handel getrie- bei dem das Flussbett am Unterlauf Schaffhausen und Basel – wo nur ben und geurkundet. Als Bauten der Thur zum Schutz vor Hoch- die halbe Flussbreite überwölbt der Repräsentation und Orte des wasser abgesenkt und renaturiert werden konnte – erhielt einzig geselligen Lebens waren die wurde. Im Beitrag von Hansjörg Bischofszell zwei Mauerwerks- Brücken oft kunstvoll ausgestattet Brem, Daniel Steiner und Monika brücken über Thur und Sitter. Im (z.B. Kapellbrücke Luzern). 1726 Zutter wird die spätmittelalterliche Spätmittelalter erfolgte auch der gab Jakob Leupold in seinem Steinbrücke von Bischofszell am Ober- Übergang von der offenen Joch- «Theatrum pontificale» (Leipzig lauf der Thur vorgestellt. Hier wur- brücke mit kurzen Stützweiten zur 1726) dieser Wertschätzung des den Dokumentationsarbeiten gedeckten Holzbrücke mit weiter Brückenbaus beredten Ausdruck: nötig, weil die «Sünden» vergange- gespannten Hängewerken, welche «Eine Brücke ist eines der vor- ner Sanierungen rückgängig ge- das Bild der schweizerischen nehmsten Wercke oder Stücke der macht und der Fortbestand des Brückenlandschaft bis ins 19. Jahr- Bau-Kunst … Dahero thun dieje- Baudenkmals gesichert werden sol- hundert hinein prägen sollte; mit nigen nicht unrecht, die den len. erhöhtem konstruktivem Aufwand Brücken-Bau, als den herrlichsten verringerte man die Gefährdung und nützlichsten, allen andern Ge- Zur Entwicklung des Brückenbaus der Brücken durch Eisgang und bäuden vorziehen.» Die Entwicklung des Brückenbaus Hochwasser und verbesserte den Der Paradigmenwechsel hin zum verlief in der Vergangenheit nicht Witterungsschutz für die Kons- reinen Zweckbau für den Verkehr kontinuierlich, sondern war in die truktion. Beispielhaft dafür steht fand erst in der Moderne statt. Die Zyklen der Wirtschafts- und Ver- die Entwicklung der Brücke von Geschwindigkeit der Transport- kehrsgeschichte eingebunden. Der Andelfingen. mittel lässt dem Überquerenden 105 heute oft keine Zeit, die Brücke als weiter über das Hindernis. Hier ist behalten werden. Die Thurbrücke Bauwerk wahrzunehmen, selbst auf die chronologische Abfolge von von Bischofszell ist dafür ein gutes der Fahrbahn ist der Wechsel von Brücken im Höherlegen neben oder Beispiel. der Landfeste zur Brücke kaum über der ursprünglichen Brücke noch bemerkbar. Damit einher geht fassbar. Beispiel dafür sind Holz- Forschungszweig Brückenarchäologie die weit verbreitete Beschränkung und Autobahnbrücke bei Andelfin- Wird entschieden, eine historische der Brücken auf gestalterisch an- gen. Brücke als Kulturgut zu erhalten spruchslose, normierte Bauten. oder sie gar den modernen An- Für die Wirtschaftsgeschichte eines sprüchen des Verkehrs anzupassen, Der Bau einer Brücke war immer Raumes sind die Brückenzölle eine sind aufwändige Sanierungen nö- auch mit wirtschafts- oder macht- wichtige Informationsquelle. Als tig, die in die Bausubstanz und politischen Überlegungen verbun- Brückenzoll werden sowohl der für Struktur eines solchen Baudenk- den. Indem an strategisch geeigne- die Brücke als auch die an der mals eingreifen. Deshalb ist es un- ten Positionen Brücken über Flüsse Brücke erhobenen Abgaben be- abdingbar, dass nach den Vorgaben und Schluchten errichtet wurden, zeichnet. Vom Mittelalter bis in die von Denkmalpflege und Archäolo- konnten Herrschaftsansprüche ge- Mitte des 19. Jahrhunderts gehör- gie eine zu sanierende Brücke stärkt und Marktorte gefördert ten diese Abgaben zu den häu- zunächst dokumentiert wird. werden. Anders als die Verkehrs- figsten in unserem Gebiet. Das In den beiden in diesem Heft vor- wege, die bis in die frühe Neuzeit hängt zum einen mit der starken gestellten Dokumentationen zur kaum mit Hartbelag befestigt und Gliederung unserer Landschaft Andelfinger und zur Bischofszeller daher im Lauf der Zeit starken Ver- durch die das Verkehrsnetz behin- Thurbrücke wird gezeigt, welche änderungen ausgesetzt waren, blie- dernden Wasserläufe zusammen, Informationen zur Entstehungsge- ben die Brücken als Fixpunkte über zum anderen mit der Kleinräumig- schichte der jeweiligen Brücke im Jahrhunderte in der Landschaft be- keit der Herrschaftsterritorien und Boden, im Wasser oder auch am stehen. Einflussbereiche. Die Brücken wa- Bauwerk selbst noch vorhanden Es gibt dabei verschiedene Formen ren deshalb ideale Orte der Kon- sein können. Dabei belegt das An- der Fixierung, die im heutigen Be- trolle, denn die verschiedensten delfinger Beispiel, dass trotz dem stand von Brücken erkennbar wer- Wege führten auf die Brücken zu, sich ständig ändernden Flussbett den. Bleibt eine einmal gebaute um sich auf der anderen Seite wie- gerade im Wasser und im Fluss- Brücke fest an ihrem Ort, so kön- der aufzufächern.