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Herausgegeben von den Vereinigten Altstadtleisten 35. Jahrgang |4/ 2019

VERKEHRSPOLITIK ZWISCHEN DEN POLEN Die einen wollen unter Hinweis auf den Klimawandel städtische Verkehrsflächen massiv redu - zieren, die anderen fühlen sich von der Mehrheit in die Ecke gedrängt und verteidigen jeden Qua - dratmeter Strassenfläche. Ist das eine gute Ausgangslage für eine konstruktive Verkehrspolitik in unserer Stadt?

Editorial

WOFÜR ES LEISTE AUCH BRAUCHT Die durchlebt schwierige Zeiten. Die Sanierung der Leitungen dauert nun schon seit 2017, bis die Pflästerung realisiert ist, wird es voraussichtlich Ende 2020. Zudem stehen Gebäudesanierungen an, deren Baustellen die Rathausgasse bis Ende 2023 belasten werden. Unter solchen Voraussetzungen leiden alle: Anwohnende und Hotels durch die Lärmbelastung, Geschäftstreibende durch ausbleibende Kundschaft und Verschmutzung, die Anlieferung durch fehlende Warenumschlagsflächen. Die Nicht-Kommunikation der Bauverantwortlichen am brachte das Fass zum Überlaufen: Urplötzlich war die Rede von einer Baustelleninstalla -  Die Begegnungszone in der Unteren Altstadt hat sich bewährt und sollte weiterentwickelt werden. tion inklusive eines Tunnels vom Kornhausplatz bis zur Brunngasse. Der Leist wurde innert Tagesfrist Die Diskussion um die städtische Verkehrspolitik ist Die Klimadiskussion ist sicher nötig. Wenn aber der aktiv und organisierte eine Besprechung mit Behör - lanciert, die Medien bringen fast täglich weitere Be - Wunsch nach dem autofreien Spielplatz vor der den, Bauverantwortlichen und den direkt betroffenen richte über zusätzliche Einschränkungen in der gan - Haustüre in diesen Zusammenhang gebracht wird, Nachbarn. In den folgenden vier Monaten liefen die zen Stadt. Die BrunneZytig hat zwar ihren Fokus in wird die Klimadiskussion nur noch als Zusatzargu - Gesprächskanäle heiss, Einsprachen und Beschwerden der Unteren Altstadt, aber die aktuelle Entwicklung wurden formuliert, immer mit dem Ziel, die Belastung in den anderen Quartieren betrifft letztendlich auch auf ein einigermassen verträgliches Niveau zu bringen. unser Quartier. Die Erreichbarkeit für Lieferanten, Dank der breiten Vernetzung konnte der Leist den Kunden und Anwohnende hängt direkt mit der RathausgässlerInnen eine Stimme verleihen und so INFO AUS DEM INHALT künftigen Entwicklung der Altstadtgassen zusam - das Schlimmste verhindern. Die Baustelleninstallation men. fand ihren Platz im Zibelegässli, auch nicht optimal, aber immerhin für die Gasse weniger belastend. Gehässige Diskussionen in Kommentarforen BERNER MÜNSTER!STIFTUNG: Der neue Stiftungspräsident Das Schöne an der Sache: Die Ausnahmesituation Vor allem in den Kommentarforen überborden Ar - Christophe von Werdt will die Bedeutung des Münsters auch Nicht-KirchgängerInnen vermitteln. Das Gespräch schweisst zusammen. Samuel Klötzli von der «Mes - gumente, die mit seriösem Abwägen nichts mehr zu mit ihm und dem alten Präsidenten Arthur Liener auf serschmiede» an der Rathausgasse 84 wurde aktiv tun haben. Dabei zeigt sich, dass es die viel zitierten Seite 8. und organisiert ein grosses Schild, das den Kran vom «Wutbürger» nicht mehr nur im rechten Spektrum Kornhausplatz her einladend gestalten wird. Zur wei - gibt, sondern immer mehr auch im linken (sofern DIE !BRÜCKE: 175 Jahre ist sie in diesem Jahr ge - teren Belebung der Gasse realisiert er seine Idee, den diese alte Politzuordnung überhaupt noch verwendet worden – und sanierungsbedürftig. Voraussichtlich 2022 alten Gassenbelag zu bemalen. Eine Aktion, die Farbe werden soll). Verletzende Aussagen und persönliche steht die Rundumerneuerung an. Die Geschichte der Ny - deggbrücke auf Seite 14. in den tristen Baustellen-Groove bringen wird. Diffamierungen sind an der Tagesordnung. Die öf - Der Leist unterstützt organisatorisch, BernCity finan - fentliche Diskussion über Verkehrsprobleme gleicht ORGANIST UND ORGELBAUER: Jürg Brunner baut in seinem ziell. Ohne die bestehenden Leiststrukturen wäre das mittlerweile einer Abfallmulde, in der jeder rein - Keller an der kleine, mobile Orgeln. Eine alles kaum entstanden. kippt und rausnimmt, was ihm gerade so passt. höchst anspruchsvolle Handwerksarbeit. Der Besuch in sei - ner Werkstatt auf Seite 24. Edi Franz, Präsident Rathausgass-Brunngass-Leist 2 BrunneZytig 22. November 2019 Titelgeschichte

ment für die Anspruchshaltung zum eigenen Nutzen missbraucht. In den Quartieren ist das heute Diskus - sionsalltag, in der Unteren Altstadt ist zu befürchten, dass diese auf eigene Bedürfnisse fokussierten An - sprüche auch Einzug halten werden.

Behördliche Verantwortung wahrgenommen? Wenn allen voran die Behörden mit Schlagwörtern wie autofreie Innenstadt, der Hauptteil des Pendler - verkehrs habe das Ziel Innenstadt oder es habe zu viele Parkplätze die Diskussion anfeuern, dann ist das einer vernünftigen Lösung nicht förderlich: – Die Aussage «autofreie Innenstadt» wurde nach der Lancierung an einer Pressekonferenz gleich relativiert: Damit seien der ÖV und die Liefer- und Servicefahrten nicht gemeint, und Anwohner soll - ten auch weiterhin zu ihren Wohnungen kommen. Somit sind die Kunden wohl die einzigen, die man nicht mehr mit dem Auto in der Altstadt sehen will. Wer fährt denn sonst nochmit dem Auto in die Altstadt, wenn es nicht unbedingt sein muss? – Die Behauptung (von der Verkehrsplanung schriftlich formuliert), dass der Hauptteil des Pendlerstroms das Ziel Altstadt habe, lässt sich  Dienstag gegen Mittag – viele Dauerparkende in der . kaum verifizieren. Sonst würde diese ja jeden Morgen aus allen Nähten platzen, denn wo sollen 30 in der Schüttestrasse vorgezogen wurde, ist her die Parkkarte, aber dennoch zu akzeptablen denn diese Massen von Autos hin? Eine Tatsache ebenfalls auf den Druck der Leiste zurückzuführen, Konditionen. Bereits seit zwei Jahren liegt diese Lö - ist, dass seit der Verkehrsberuhigung im Nord - die damit dem Wunsch vieler Anwohnenden Rech - sung auf dem Tisch und wird seither verzögert und quartier an der Schüttestrasse der Verkehr massiv nung trugen. verzögert. Auch das war ein Grund für den Austritt zugenommen hat, da diese als Umfahrungsstrasse des Gewerbeverbands aus der Sitzungsrunde. des Nordquartiers missbraucht wird. Da verbes - Die Lösung des Parkplatzproblems wird sern mit Sicherheit Massnahmen in der Unteren beständig verzögert Zu guter Letzt wurde nun der im November geplante Altstadt die Situation überhaupt nicht. Dass in der Altstadt immer noch zu viele Autos her- Medien-Informationstermin über den Start dieser – Zu viele Parkplätze hat es in der Altstadt mit Sicher - umstehen, ist auch den Leisten bewusst, nicht nur neuen Parkierungsregelung Untere Altstadt seitens heit nicht. Die wenigen, die sich unterhalb der den auswärtigen BesucherInnen. Seit bald drei Jah - der Direktorin der Verkehrsplanung kurzfristig ab - Kreuzgasse befinden, sind Kurzzeitparkplätze und ren suchen deshalb die Vereinigten Altstadt-Leiste, gesagt. Dies mit der Begründung, es müsse nochmals dienen primär Kunden. Richtig ist, dass diese nachts Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften in zähen alles juristisch abgeklärt werden, sonst gebe man wenig genutzt werden, tagsüber sind sie aber nach und langwierigen Verhandlungen mit den Behörden dem Gewerbeverband wieder einen Grund zur Ein - wie vor ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. einen weiteren Kompromiss, denn eine völlig auto - sprache. Der böse Verdacht kommt auf, dass der freie Untere Altstadt ist sowohl für Anwohnende wie nicht optimale jetzige Zustand erhalten bleiben soll, Diese Beispiele belegen, dass die Öffentlichkeits - Gewerbetreibende nicht vorstellbar. Aber klar ist: damit unter dem Druck der Klimadiskussion weiter - wahrnehmung mit nicht belegbaren, zum Teil fal - Die unnötig in den Gassen parkierten Fahrzeuge sol - hin das Bild einer vollgeparkten Altstadt präsentiert schen Aussagen getäuscht wird. Dass sich die len weg! Und klar ist auch, wie das geschehen kann. werden kann. Wirtschaftsverbände, die sich gegen weitere Ver - Entgegen den Beteuerungen der Stadt als Mitbesit - schlechterungen des Wirtschaftsstandorts Altstadt zerin des Rathaus-Parkings, dass dort keine Kapa - Denn das könnte helfen, das vom Gemeinderat for - wehren, vor den Kopf gestossen fühlen, ist nachvoll - zitäten frei seien, ergab der direkte Kontakt mit den mulierte Ziel einer gänzlich autofreien Altstadt zu er - ziehbar. Dass Aktionen Reaktionen hervorrufen, ist Parkhausbetreibern nämlich, dass diese sehr wohl reichen, welches entgegen aller laufenden seit dem alten Herrn Newton bekannt. vorhanden seien. Damit konnte die Lösung des Pro - Diskussionen im Frühsommer bei der Präsentation blems angepeilt werden. Das Resultat: Berechtigte der Klimamassnahmen als Hauptziel für die Innen - Begegnungszone Untere Altstadt ist aus AnwohnerInnen und Gewerbebetreibende in der stadt formuliert wurde. Funktioniert so konstruktive Kompromiss entstanden Altstadt hätten die Möglichkeit, das Auto dort zu Demokratie? Die Begegnungszone in der Unteren Altstadt war einem verträglichen Tarif abzustellen. Teurer als bis - eine der ersten und damals die grösste der Stadt Bitte Diskussionen versachlichen Bern. Entstanden aus dem Willen zum Kompromiss Unter «autofrei» versteht der normale Bürger, dass zwischen total autofrei und unbeschränkter Zufahrt. es keine Autos mehr in der Unteren Altstadt hat. Leiste und Planer setzten sich zusammen, hörten Dass das unrealistisch sei, erklärte der Stadtpräsi - einander zu und schlossen am Schluss diesen Kom - dent zwei Stunden nach der Pressekonferenz in promiss. Dass diese Begegnungszone funktioniert, einer weiteren Sitzung des Ausschusses «Verkehrs - beweist sie seit Jahren: Durchgangsverkehr praktisch konzept Wirtschaftsverkehr Innenstadt». Wenn also Null, Erreichbarkeit jederzeit gegeben. Einzig die Lö - der Bus weiterhin durch die Altstadt fahren können sung mit den 48-Stunden-Parkkarten führte zum soll, Anlieferung und Warenumschlag ebenfalls Problem der optisch als zugeparkt wahrgenomme - möglich bleiben sollen und Liefer- sowie Service - nen Altstadt. Der erhöhte Verkehr an der Schütte - fahrzeuge mit Bewilligung abgestellt werden können, strasse ist, wie bereits erwähnt, erst später dann hat das mit autofrei wenig zu tun. Vor allem ist entstanden, als im Nordquartier der Verkehrsfluss all das mit der heutigen Begegnungszone in Kombi - eingeengt wurde. Dass die Einführung von Tempo  Dienstag gegen Mittag – – ein paar Autos. nation mit der Zubringerdienst-Regelung bereits BrunneZytig 3 Titelgeschichte 22. November 2019 möglich. Also weckt man mit der Bezeichnung «au - LIEBE LESERINNEN UND LESER tofrei» falsche Vorstellungen. Dasselbe gilt für die Diskussionsforen: Da wird er - In den Kellern der Unteren Altstadt gibt es viele Kul - vor, die Schwestern Fatime und Fatmire Kamili, die klärt, dass der Fussgänger a priori in jedem Fall Vor - turorte, Galerien, Musiklokale, Theaterbühnen. Ins - den Laden auf eigene Rechnung führen. Leider sind tritt hat und Kinder dort spielen können. Das ist besondere Letztere sind finanziell alles andere als auf auch weitere Geschäftsschliessungen zu vermelden. teilweise richtig, nur sollte die gesetzliche Grundlage Rosen gebettet und auf Zuschüsse der öffentlichen Gleich drei langjährige Altstadt-Geschäfte hören auf vollständig beachtet werden: Hand angewiesen. Doch gerade für die kleinen Thea - Ende Jahr auf: Das Modegeschäft Stalder am Casino- Regelungen Strassenverkehrsverordnung: ter ist es schwieriger geworden, an Fördermittel her- Platz 2 und das Juweliergeschäft Rolf Dillmann, das Begegnungszonen anzukommen. Deshalb erregte es durchaus Aufsehen, offenbar wegen der Umbaupläne des Hauseigentü - 1 Das Signal «Begegnungszone» kennzeichnet Strassen als Stadtpräsident Alec von Graffenried im September mers seine Geschäftsräume am Theaterplatz 1 nach in Wohn- oder Geschäftsbereichen, auf denen die ein mit 100’000 Franken gefülltes Kässeli ankün - 40 Jahren aufgeben muss. Nach fast 15 Jahren ver - Fussgänger die ganze Verkehrsfläche benützen dür - digte, aus dem er in eigener Regie Förderkredite an schwindet auch das Schuhgeschäft «Nina» aus der fen. Sie sind gegenüber den Fahrzeugführern vor - Kulturkeller in der Altstadt verteilen kann. Warum Kramgasse – und mit ihm Gabriela Hagen. Mehr dazu trittsberechtigt, dürfen jedoch die Fahrzeuge nicht ihm dieses Fördertöpfchen so am Herzen liegt, was er auf Seite 18. Nicht fehlen dürfen in dieser Ausgabe unnötig behindern. damit erreichen will und was die Kriterien sind, um auch Hinweise auf saisonale Veranstaltungen. Auf 2 Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 20 km/h. in den Genuss einer solchen stadtpräsidentiellen För - Seite 5 informieren wir Sie über vorweihnachtliche 3 Das Parkieren ist nur an den durch Signale oder derung zu kommen – das erklärt Alec von Graffen - Aktivitäten und Anlässe in der Unteren Altstadt – Markierungen gekennzeichneten Stellen erlaubt. Für ried gleich selbst auf Seite 9. speziell natürlich auch über den beliebten verkaufs - das Abstellen von Fahrrädern gelten die allgemeinen offenen ersten Advent. In unserer losen Serie «Unbekannte Bekannte» stellen Vorschriften über das Parkieren. wir auf Seite 6 Vincent O. Carter vor. Der Mann aus Doch bevor Sie sich jetzt mit der BrunneZytig auf Spielen im Strassenraum: Kansas City war Mitte der 50er Jahre der wohl erste Ihren Lieblingssessel oder das Sofa für einen gemüt - In der Schweiz ist das Spielen im Strassenraum nicht und einzige schwarze Schriftsteller in Bern. Für lichen Leseabend zurückziehen, gestatten Sie mir, Sie an eine definierte Signalisierung gebunden. Es ist auf Carter war das keine einfache Zeit. Er beschrieb sie noch explizit auf unsere beiden Beilagen aufmerksam allen verkehrsarmen Nebenstrassen erlaubt: in «The Bern Book», das gleichzeitig auch ein Porträt zu machen, die wir in diese Ausgabe eingelegt haben. 2bis Für Tätigkeiten, namentlich Spiele, die auf einer der Unteren Altstadt ist, in der er 30 Jahre lang lebte. begrenzten Fläche stattfinden, darf die für die Fuss - Da ist zum einen unser Spendenaufruf. Ungefähr alle 35 Jahre nach seinem Tod wartet sein Nachlass in gänger bestimmte Verkehrsfläche und auf verkehrs - zwei Jahre bitte wir Sie um Ihre Unterstützung für die Bern auf eine Wiederentdeckung – und «The Bern armen Nebenstrassen (z. B. in Wohnquartieren) der BrunneZytig. Denn wir finanzieren uns zu einem Book» auf eine deutsche Übersetzung. gesamte Bereich der Fahrbahn benützt werden, so - guten Teil aus Ihren Spenden. Bitte lesen Sie sich den fern die übrigen Verkehrsteilnehmer dadurch weder Wenn wir schon bei Büchern sind: Ende Oktober ist Spendenbrief in aller Ruhe durch. Wir sind dankbar behindert noch gefährdet werden. ein interaktiver Stadtführer der besonderen Art für für jeden einbezahlten Betrag! Kinder erschienen. «Berns Verborgene Geschichten» Zum anderen haben wir noch einen Unterschriften - Es ist also nicht so, dass zu Fuss Gehende und Kinder heisst er, und die Kids können anhand von Berner bogen der Petition für ein Feuerwerksverbot in der nur Rechte haben, sie sind auch an Pflichten gebun - Sagen und Legenden die Stadt erkunden und viel über Altstadt beigelegt. Wie Sie wissen, sind im Sommer den. Werden diese ignoriert, kann das zu gefährli - die Berner Geschichte erfahren. Ein leichter Grusel - im Stadtrat zwei Motionen eingereicht worden, eine chen Situationen führen, an denen nicht nur die faktor ist dabei auch garantiert. Dieser spezielle Stadt - Interfraktionelle Motion, getragen von SP/JUSO, Autolenkenden schuld sind. Ebenso steht nirgends führer stammt von Münsterturmwartin Marie FDP/JF sowie BDP/CVP, und eine von SVP-Stadtrat geschrieben, dass mit Einführung einer Begeg - Thérèse-Lauper und der US-Amerikanerin und pen - Alexander Feuz. Beide Motionen machen sich für ein nungszone Parkplätze aufgehoben werden müssen. sionierten Lehrerin Jeanne Darling. Mehr dazu auf Feuerwerksverbot im UNESCO-Altstadt-Perimeter Falls dies trotzdem gemacht wird, erfolgt dies allein Seite 11. stark, wenn auch nicht aus den ganz gleichen Moti - aus politischen Beweggründen. Das sollten auch die Apropos Stadtgeschichte: Viele Häuser in der Unteren ven. Im Januar wird der parlamentarische Prozess für Kritiker der Begegnungszonen wissen, denn es ist Altstadt blicken auf eine jahrhundertealte Geschichte die Behandlung der Motionen beginnen. Bis dahin soll bedauerlich, wenn Begegnungszonen damit schlecht zurück. Entsprechend nagt der Zahn der Zeit an die Unterschriftenaktion der Vereinigten Altstadtleiste geredet werden. ihnen. Die Burgergemeinde baut demnächst gleich weiterlaufen. Helfen Sie also bitte mit, noch weitere zwei solcher Häuser um. Auf Seite 20 stellen wir die Unterschriften zu sammeln! Sie tragen damit auch Begegnungszone oder autofreie Pläne für den Umbau des Patrizierhauses an der Her - dazu bei, noch mehr Menschen für die Gefahr zu sen - Ausgehmeile? rengasse 23 vor und auf Seite 23 die Pläne für die sibilisieren, die durch das unkontrollierte Abbrennen Zurück zur Begegnungszone Untere Altstadt: Diese Doppelliegenschaft Kramgasse 59 und Münstergasse von Raketen und Knallkörpern für Menschen und hat sich in all den Jahren mehr als bewährt. Die 54 – das Haus, in dem sich auch das Restaurant «Froh- Häuser in der Altstadt entsteht. Menschen bewegen sich in den Gassen, die Anliefe - Sinn» befindet. Neues wird entstehen. rung zu den vielfältigen Geschäften funktioniert, da Im Namen des Teams der BrunneZytig wünsche ich sie jederzeit erfolgen kann. Der Warenumschlag Neues bereits entstanden ist zur Freude vieler An - Ihnen bereits jetzt geruhsame Festtage und einen würde zwar besser funktionieren, wenn auch die wohnerInnen an der Kramgasse 54. Dort ist eine guten Rutsch ins Neue Jahr in einer Silvesternacht, Flächen zur Verfügung stünden, die jetzt von Dau - VOI-Filiale einzogen und bietet vielerlei Migros-Le - die hoffentlich ruhiger und weniger brandgefährlich erparkierenden mit Bewilligung belegt werden, An - bensmittel inklusive Frischprodukte an. Auf Seite 17 sein wird als die letzte! Fortsetzung Seite 4 stellen wir Ihnen die beiden Geschäftsführerinnen Barbara Büttner, Chefredaktorin 4 BrunneZytig 22. November 2019 Titelgeschichte

INFO IMPRESSUM

Die «BrunneZytig» wird von den Altstadt - leis ten gemeinsam gestaltet. Unter den Leist - rubriken finden Sie auch leistinterne Informationen.

VERANTWORTLICH FÜR DIE HERAUSGABE: Vereinigte Altstadtleiste Bern; Chefredaktion: Barbara Büttner [email protected] REDAKTION LEIST DER UNTERN STADT: Iris Gerber (ig), Zahai Bürgi (ZB) REDAKTION KESSLERGASS!GESELLSCHAFT: Beat Schwaller (sw), Claudia Engler (CE) REDAKTION RATHAUSGASS!BRUNNGASS!LEIST: Edi Franz (ef) REDAKTION KRAMGASSLEIST: Barbara Büttner (babü), Evelyn Kobelt (koe), REDAKTION MATTE!LEIST: Sophie Muralt (sm)

KOORDINATION, INSERATEANNAHME, PRODUKTION: Druckerei Weiss GmbH, Claudia Weiss und Pascale Thomann-Weiss, Kalchackerstrasse 7, 3047 Bremgarten/BE, Tel. 031 301 22 79, [email protected]  Dienstag gegen Mittag – Warenumschlag in der Rathausgasse. ISSN2235-1531, www.altstadtleiste.ch

JAHRES!ABONNEMENTS!BESTELLUNG wohnende können in die Nähe ihrer Wohnungen traditionelle Betriebe ihrer Arbeit nachgehen, nicht Preis: Fr. 20.–. Bestellung bei Druckerei Weiss GmbH, fahren, wenn es für sie notwendig ist; Spitex, Lie - globalisiert, wenig filialisiert, oft inhabergeführt. [email protected], Tel. 031 301 22 79 ferdienste, Behindertentransporte, alles ist jederzeit Dieser gefährdete Mix an Läden, etwas verschroben LEIST!ADRESSEN möglich und trotzdem entsteht nie das Gefühl, in der mitunter, aber mit Herz, schätzen die BesucherInnen Vereinigte Altstadtleiste: Sekretariat VAL, Postfach, Altstadt herrsche viel Verkehr (ausser bei Staus der Altstadt. Schnellschüsse unter dem jetzigen Pro - 3000 Bern 8, [email protected], www.altstadtleiste.ch wegen Baustellen). filierungszwang, ja alles zu tun, was unter dem Kramgassleist: Postfach 852, 3000 Bern 8, Deckmantel Klima-Label gefordert wird, könnten Kontakt: [email protected], Web: www.kramgasse.ch Wenn nun diese funktionierende Lösung nicht opti - diese gewachsene Struktur schneller ins Wanken Matte-Leist: Postfach 29, 3000 Bern 13, miert, sondern durch eine viel einschränkendere bringen als uns lieb ist. www.matte-leist.ch, [email protected] Variante abgelöst werden sollte, droht der Altstadt Rathausgass-Brunngass-Leist: Kontakt: Edi Franz, ein schneller Schritt in eine charakterlose Zukunft, Hoffen wir, dass die letzte Hürde für einen vernünf - c/o intraform ag, Rathausgasse 76, 3011 Bern, die zwar Fun und Wohlbefinden auf jedem Pflaster - tigen Kompromiss zeitnah genommen werden kann, [email protected] stein verspricht, aber schlussendlich zu einer Sou - damit wir nicht dauernd anhören müssen, die Alt - Leist der Untern Stadt: Postfach 570, 3000 Bern 8, [email protected] venir-, Gastro- und Ausgehzone führt. Vielleicht stadt sei vollgeparkt, und wir aufzeigen können, dass kommerziell erfolgreich, aber es wird nicht mehr sich auch eine Begegnungszone weiter - entwickeln Kesslergass-Gesellschaft: Kontakt: Alexander Hadorn, Postfach 614, 3000 Bern 8 diese Altstadt sein, die wir als BewohnerInnen und kann, ohne die gute, funktionierende Grundidee zu Gewerbetreibende lieben. verlassen: ein gedeihliches Miteinander aller Ver - Die nächste Ausgabe der BrunneZytig kehrsteilnehmerInnen, Anwohnenden, Gewerbe - erscheint am 20. März 2020 Die Untere Altstadt von Bern ist wahrscheinlich treibenden und BesucherInnen. Redaktionsschluss: 28. Februar 2020 eines der wenigen Stadtzentren, in der noch kleine, ef

Bucher Baugeschäft AG Wir öffnen für Sie im Dezember: Ihr Partner für Reparaturen, Um- und Neubauten, vomFASS Bern, 03. – 24.12 Kernbohrungen und Betonfräsen, Keramische Wand- und Bodenbeläge Mo, Di, Mi, Fr 09.00 – 19.00 Uhr Sägemattstrasse 2 | 3097 Liebefeld | Tel. 031 971 29 95 | www.bucherbau.ch Do 09.00 – 21.00 Uhr Sa 09.00 – 17.00 Uhr So (01./15./22.12.) 10.00 – 18.00 Uh r

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CHLÄUSE, LIEDER UND ÜBERRASCHUNGEN

Der «Santarun» vom zum alten auch auf der eventeigenen Homepage www.erster- Tramdepot am 29. November advent-bern.ch über alles informieren. Und alle Der «Santarun» ist weder eine Berner Erfindung aktiv Teilnehmenden können sich gerne hier via Fa - noch eine Berner Tradition. Auch ist er weit entfernt cebook oder Instagram verlinken und etwas Wer - von einer religiös geprägten Feier mit weihnächtli - bung für ihre gute Sache machen. cher Stimmung – aber er «fägt» und findet dieses Jahr zum dritten Mal statt. Initiant war der Berner Um die beliebte, vom Leist der Untern Stadt patro - Spitzenläufer Markus Ryffel. Die Idee war nicht neu, nierte Seniorenweihnacht auch in diesem Jahr dank dem seit einiger Zeit im Volkssport ausgebro - durchführen zu können, wird zu ihren Gunsten den chenen Lauffieber rennen unzählige Chläuse in ganzen ersten Advent über wieder Sandra Tho - ihrem typischen amerikanischen rot-weissen Ge - manns feiner Glühwein verkauft (es ist noch nicht  Antoinette Mäder und Sandra Thomann, Organisato - rinnen des Ersten Advent und der Seniorenweihnacht wand durch Städte auf der ganzen Welt. Das Kostüm bekannt, wo genau er verkauft wird. Die Veranstal - ist obligatorisch, wer keins mitbringt, dem wird am terinnen werden am alten Standort Kramgasse 54 Start um 17.30 Uhr auf dem Bundesplatz gratis eins einen Hinweiszettel aufhängen). Die beiden Organi - Värsli aufsagen oder ein Lied vortragen können. Der zur Verfügung gestellt. Alles ist etwas anders als an satorinnen der Seniorenweihnacht werden dort an - Kramgassleist organisiert und sponsert diesen be - üblichen Volksläufen: Es gibt keine Zeitmessung, der wesend sein und geben gerne über alles Auskunft. liebten Anlass seit vielen Jahren. Herzlichen Dank! Teilnehmer kann direkt vor Ort entscheiden, welche der drei Streckenlängen zwischen 2,7 und 8 Kilo - Der Samichlchlous und seine Schmutzlis Die Seniorenweihnacht am 16. Dezember in meter er rennen, gehen, tanzen oder gar hüpfen will kommen der Spysi – ganz nach Stimmung eben. An der Strecke zwi - Um 16 Uhr, eine Stunde vor Ladenschluss, können Ähnlich wie der erste Advent müsste auch die Se - schen Bundesplatz und Bärengraben warten fünf sich alle, die ihre Einkäufe inzwischen getätigt niorenweihnacht in der BrunneZytig eigentlich nicht Posten mit – nein, Wasser ist da keines nötig – Glüh - haben, beim Kreuzgassbrunnen einfinden. Dank mehr extra vorgestellt werden, denn im Spysisaal wein! Vielleicht auch deswegen ist der Schluss des ihnen und der kräftigen Unterstützung der Pigiluna- treffen jedes Jahr um 16 Uhr zahlreiche SeniorIn - «Rennens» erst auf 21.45 Uhr festgelegt. Auch eine Singers aus Biglen werden einmal mehr all die tra - nen ein, und die meisten sicher nicht zum ersten Preisverleihung gibt es, ganz im Sinne des Anlasses, ditionellen Weihnachtslieder in der Kramgasse Mal. Teilnahmeberechtigt sind wie immer alle AHV- der sich selbst nicht ganz so ernst nimmt. Preise erklingen. Von dort aus geht es singend von Brun - BezügerInnen aus der Unteren Altstadt, der Matte werden vergeben in den Kategorien «Chlousevärs», nen zu Brunnen hinauf zum . und Langmauer, dem Altenberg, Murifeld und aus «Alter» und «originellste Socken». Wer sich vor dem der Schosshalde. An alle ehemaligen Teilnehmenden 18. November unter www.santarunbern.ch anmel - Hier – hoch oben aus dem Erker vis-a-vis des Zyt - werden automatisch Einladungen verschickt. Wer det (Einzelperson, Familie oder Gruppe), erhält einen glogge – begrüsst um 16.45 Uhr der Samichlous i zum ersten Mal dabei sein möchte, meldet sich am verbilligten Eintrittspreis. Der allerspäteste Anmel - der Chramgass die Besucherschar und erzählt seine besten gleich bei der Organisatorin sandra.tho - deschluss ist der 27. November, das wird dann aber Weihnachtsgeschichte. Pünktlich wie immer um 17 [email protected] an, denn die Plätze zum feierli - etwas teurer. Also: Auf die Socken, fertig – ho ho ho! Uhr treten rund ein Dutzend Chläuse und ihre chen vorweihnächtlichen Z’Vieri sind immer schnell Schmutzli von der Samichlousezunft aus dem Zyt - vergeben. Viel ehrenamtliche Arbeit Zeit und Liebe Der offene Adventssonntag am 1. Dezember in glogge und mischen sich unter die Leute. Die unzäh - wird da hineingesteckt, auch ins Backen der Guetzli, den Altstadtgassen ligen Lebkuchen in den Säcken der Schmutzli ins Dekorieren der Tische, und natürlich ins auf - Zum 26. Mal machen rund 150 Geschäfte von suchen kleine und grosse Abnehmer, die bestimmt merksame Betreuen der Gäste. Selbstverständlich 11 bis17 Uhr ihre Türen zum Längs statt quer – nicht lange auf sich warten lassen. In ihren Genuss wartet auch in diesem Jahr auf jeden und jede noch Sonntagsverkauf auf und bieten im Laden oder unter kommen all diejenigen, die dem Samichlous ein ein kleines Geschenk zum Mitnehmen. Dazu meint ihren Lauben allen Weihnachtgeschenk-Einkäufer- Sandra Thomann: «Dieses Jahr gibt es einen Gaben - Innen und Altstadt-Flaneuren kleine Events und tisch anstelle des Gabensäckli. Lasst Euch damit Überraschungen. Organisiert wird der Anlass wie überraschen! Ich möchte schon jetzt allen herzlich immer von fünf freiwilligen HelferInnen aus den danken, die neu oder immer wieder dazu beitragen, verschiedenen Leisten der VAL. Der Event ist selbst - dass wir den Altstadt-Senioren eine schöne Feier tragend und wird durch die Mitgliederbeiträge der bieten können. Wenn wir alle Freiwilligen und Spen - teilnehmenden Geschäfte – je nach Art des Geschäf - der hier namentlich aufführen wollten, so gäbe das tes zwischen 100 und 250 Franken – finanziert. eine ganz schön lange Liste.» Wie es die Tradition seit Leider ist die Anmeldefrist bereits seit dem 22. Ok - den stimmungsvollen Weihnachtsgeschichten von tober abgelaufen. Haben Sie sie verpasst? Gottlob Hans Gurtner will, an die sich alle wohl gerne noch gibt es «alle Jahre wieder» ein fast nicht zu überse - erinnern, wird es auch heuer während des Z‘Vieri hendes nächstes Mal, denn durch die Website und einen kulturellen Beitrag geben – doch auch der soll die Einladungsflyer mit dem unverkennbaren weiss - noch ein kleines Geheimnis bleiben. blauen Design hat der erste Advent in der unteren ZB Altstadt inzwischen einen grossen Wiedererken - nungswert. Nach weiss-blau wird man allerdings dieses Jahr vergeblich Ausschau halten, denn die S P A N I S C H lernen nach eigenem Zeitplan und Tempo Farben des Flyers haben geändert und das moder - in der Altstadt von Bern nere Sujet – ein grosses A, in dessen Inneren eine Termine für unverbindliche Flamme brennt – leuchtet in sattem Gold. Der neue Schnupperstunde unter Einladungsflyer kann aber weiterhin als «gäbiger» www.spanischferien.ch oder Telefon Wegweiser durch die Gassen benützt werden, da 079 442 98 86 wieder alle teilnehmenden Geschäfte darauf na -  Der erste Advent zeigt sich dieses Jahr in seinem neu mentlich erwähnt sind. Natürlich kann man sich designten Look. (zVg) 10x 90 Min. Sfr. 260,- (max. 4 Teilnehmer ) 6 BrunneZytig 22. November 2019 Läbigi Altstadt

VINCENT O. CARTER, SCHRIFTSTELLER, KÜNSTLER UND «THE FIRST NEGRO IN TOWN» Die letzten fünf sind seine Worte. Und der ganze nächste Satz auch: ‘Living in Bern, , in the mid-1950s I was such an unusual sight that everybody, men, women, children, dogs, cats, and other animals, wild and domestic, looked at me – all the time!’ *

Er war schwarz, er fiel auf, Mitte der 1950er Jahre in Die Konversation streift so dies und jenes, aber ich Bern. Überall musste er sich erklären, sein Hier-Sein merke, dass mein Gesprächspartner nicht recht zu - begründen, Auskunft geben. Ob es eine aufmerksam friedengestellt ist. Er wird, woher auch immer, so et - freundliche Kontaktnahme war mit vielleicht unge - liches von uns Schwarzen gehört haben, zwei-drei schickt formulierten Fragen oder doch pures Miss - Negrospirituals kennen und sicher, er wird es sofort trauen – Vincent O. Carter spürte den Unterschied. erwähnen, ist er ein glühender Jazzfan. Er studiert Im ersteren Fall erzählte er aus seinem Leben, von mich so unauffällig er kann, vergleicht die Erschei - seiner amerikanischen Herkunft und seinem Ent - nung vor seinen Augen, also mich, mit dem, was er schluss, wieder nach Europa zu kommen, kommen - je über unsereiner gehört und gesehen hat, um tierte seine in Bern gemachten Beobachtungen, ob bei schlussendlich zu fragen: ‘Sind Sie Musiker?’ – ‘No’, der Wohnungssuche, beim Sitzen in Cafés oder beim antworte ich kühl. ‘Student?’, fragt er weiter mit einem Spazieren durch die Stadt. Bei den Misstrauischen, die Blick auf meine alte Mappe. ‘No, I’m not’, antworte ich immer wieder die für Vincent O. Carter schlimmste etwas irritiert. ‘Oh, ich dachte bloss. Sie scheinen viel  Auf dem Weg zu seiner Wohnung am . Frage stellten, ‘Why did you come to Bern?’, schluckte Zeit zu haben.’ Wir sitzen ja beim Wein, im Mövenpick er Ärger und Enttäuschung hinunter und brach das oder Casino. Friedenszeit in diese Stadt zurückzukehren, wurde Gespräch ab, mit einer Bemerkung wie ‘Weil, und das ‘Ich kann nicht immer schreiben.’ sein Traum und sein Entschluss. ganz ohne Zweifel, die Berner die interessantesten ‘Ah, Sie sind Journalist?’ Leutenauf der Welt sind’. ‘Nein. Ich schreibe Geschichten.’ Zurück in Amerika, nach der Demobilisierung, stu - ‘Was für Geschichten, Liebesgeschichten? Für Maga - dierte er Literatur, Philosophie und Religionswissen - Carter kam in einer Zeit nach Bern, in der das gesell - zine, eine Zeitung?’ schaften, arbeitete im Anschluss an seine schaftliche Klima nicht sehr offen war und Toleranz ‘Nein. Für mich. Ich schreibe, dann versuche ich die Graduierung in Detroit in der Autoindustrie, um das an einem eher kleinen Ort. Später wird er schreiben: Geschichte zu verkaufen, wohin auch immer.’ Geld zusammenzubekommen, um erneut nach «Kaum je eine Woche vergeht, ohne dass ich, wenn ‘Haben Sie ein Buch veröffentlicht?’ Europa, nach reisen zu können, um dort ich im Mövenpick oder im Casino bei einem Glas ‘I’m an unpublished black writer in Bern, that’s it.’» Schriftsteller zu werden. Bis es so weit war, verging Wein sitze, angesprochen werde und gleich mit einer Zeit. Endlich wieder in Paris angekommen, fand er es Menge von Fragen konfrontiert werde. Mit den meis - Um Schriftsteller zu werden, kam er nach verändert vor. Als Amerikaner gehörte er nicht mehr ten davon kann ich leicht umgehen. Er fragt: ‘Ist Europa zu den gefeierten Befreiern nach der Normandie-In - Ihnen nicht kalt, wenn es Winter ist?’ und ‘Sind Sie Geboren wurde Vincent O. Carter 1924 in Kansas vasion, jetzt hiess es an den Mauern: Amis raus! glücklich, jetzt wo die Sonne scheint?’ Im ersten Fall City, seine Eltern waren bei seiner Geburt noch Teen - Carter stiess auf Misstrauen und Ablehnung. Er ver - sage ich ‘ja’ und im zweiten, der unglücklicherweise ager. Die Kinder- und Jugendjahre bezeichnet er als liess Paris wieder, reiste nach Amsterdam, nach Mün - selten passiert ‘ja, tatsächlich’. Sie fragt: ‘Wie lange sind eine Zeit voller Liebe und Geborgenheit, als seine chen und, um Freunde zu besuchen, für drei Tage Sie schon in der Schweiz?’, und ich antworte ‘Unge - glücklichste Zeit. Viel später wird er sie in seinem nach Bern. fähr dreieinhalb Jahre’. – ‘So lange!’, erstaunt sie sich. zweiten veröffentlichten Buch unter dem Titel «Such ‘How do you like it?’, werde ich in ängstlichem Ton Sweet Thunder» festhalten (ursprünglicher Titel: «The Aus drei Tagen in Bern wurden dreissig Jahre weiter gefragt, auf der Lauer, sich und die Schweiz Primary Colours»). Achtzehnjährig wurde er in die Vincent Carter blieb in Bern, von diesem Besuch schon mal zu entschuldigen. Ich warte kurz mit mei - Armee eingezogen, als Sanitäter machte er im Zwei - 1953 bis zu seinem Tod im Januar 1983. In Bern ner Antwort, um die Spannung zu erhöhen und sage ten Weltkrieg die Invasion in Nordfrankreich mit. wurde er zum Schriftsteller. Mit der oben zitierten dann: ‘Oh … I like it well enough.’ Beim Rückzug der Truppen kam er nach Paris. In Szene im Mövenpick oder Casino beginnt sein «The

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Bern Book», geschrieben von 1953 bis 1957. Veröf - In Momenten der Traurigkeit und Bedrängnis spa - fentlicht wurde es jedoch erst 1970 – in einem ame - zierte er durch die Stadt, über die Kornhaus- oder rikanischen Verlag. Bis zum heutigen Tag ist «The Kirchenfeldbrücke. Immer wieder blieb er dort ste - Bern Book» nicht übersetzt. Erhältlich ist es über Bi - hen, stützte die Arme aufs Geländer und gab sich bliotheken und über das Internet, im Handel ist es beim Hinunterschauen zur seinem Philosophie - vergriffen. Eine Neuauflage und eine Übersetzung, ren hin. «Er starrte auf seinen Widerschein im Wasser beides tut Not! Warum? Weil «The Bern Book» ein unter sich. Je länger er schaute, desto mehr Gesichter einmaliges Portrait der Stadt, eigentlich der Unteren erschienen ihm. Und staunend sah er, dass zwar Altstadt ist, Carters Lebensumgebung, mit ihrer Bei - deren Form, Grösse, Farbe und Geschlecht variierten, zen- szene, mit ihren Bewohnern, ihrer Kulturszene. aber alle erschienen sie ihm letztlich als eines, als sein Gesicht. Sein Gesicht, und doch waren es deren viele. Er beobachtete und zeichnete das Gesehene, seine Es schien ihm, die Trennung von du und ich, von die - Überlegungen und Empfindungen auf, voller Erstau - sem und jenem, von gut und schlecht, richtig und nen, manchmal mit Unverständnis, analytisch, me - falsch löse sich auf, ‘and he began to see that the Ber - lancholisch, doch immer wieder auch witzig. «The nese people were just like me!’» Bern Book» ist keine Autobiografie und kein Reise - führer, er selber bezeichnete es als «profession of Wanted: Ein Archiv für den Nachlass des faith», oder als Aufzeichnung einer Reise der Sinne Berner Schriftstellers aus Kansas City und des Denkens. Als zugezogener Schwarzer, als «the Immer wieder kam Vincent Carter zu den Brücken first and only Negro in Town», wie er sagte, weil er und schaute hinunter zum Wasser. Eines Tages be - dermassen angestarrt worden sei, als hätte hier nie - merkte er am Geländer eine Spinne. «Still und be - mand je einen Schwarzen gesehen, schrieb er von ei - scheiden baute sie ihr Netz. Sie so beobachtend,  «African Tales», Kugelschreiber auf Papier, in Carters typischer Zeichentechnik. gener Irritation und Veränderung. begriff ich, dass das Ergebnis ihrer Anstrengungen poetisch und fantastisch war, zugleich ihr natürlicher Zwischen Anpassung und Selbstfindung Ausdruck. Das Einzige, was sie zu vollbringen hatte, Zeichnungen in Mappen. Dafür gilt es, für die Zukunft In seiner ersten Zeit in Bern litt er unter dem aus - war dieses Netz. Da habe er begriffen, dass für ihn das richtige Archiv zu finden. Vincent Carters Werk grenzenden Misstrauen, das ihm vielerorts entgegen - das einzig zu Vollbringende das Schreiben sei. ‘I was sollte, vielmehr muss in Bern bleiben, schliesslich schlug. Er versuchte, sich anzupassen, zu sein, wie alle a writer, and a writer, with or without a full stomach, lebte und arbeitete er länger hier als in seiner Hei - andern, gewöhnte sich darum das Singen auf den I would remain.’» Von da an habe er sich nicht mehr matstadt Kansas. Das bildnerische und das geschrie - Strassen ab, ebenso das Lachen, weil man hier nicht anzupassen versucht, wollte kein um Aufmerksamkeit bene Werk muss zusammenbleiben! singe und nicht lache in den Strassen. Glücklicher - und Anerkennung Bettelnder mehr sein, von da an ig weise fand er gute Freunde, die ihm hie und da auch habe er nur noch auf sich selbst gehört und sich selbst zu kleinen Einkünften verhalfen. sein wollen. Er war Schriftsteller, er schrieb. *Zitate aus «The Bern Book» von Vincent O. Carter, The John Day Company, New York 1970. Eine deutsche Übersetzung Und er zeichnete, war ein Zeichner, ein leidenschaft - steht noch immer aus. Die ausschnittweisen Übertragungen licher. Wieder beschäftigten ihn Gesichter, nicht als ins Deutsche im Text stammen von Iris Gerber. INFO BEGEGNUNG MIT DEM WERK Portraits, sondern ihre Verschiedenartigkeit. Ar - chaisch im Stil und direkt im Ausdruck, die Linie, der Eine Lesung aus Vincent O. Carters «The Strich, verdichtet und verwoben: Vincent Carters Zei - Bern Book», zusammen mit einer Präsentation chenschreibkunst. aus seinem zeichnerischen Schaffen, ist in Vorbereitung. Wenn Sie dazu informiert werden möchten, so melden Sie Der zeichnerische und der schriftstellerische Nachlass sich bitte über die Redaktion. Haben Sie Vincent Carter persönlich gekannt, möchten Sie zu Übersetzung, Archi - liegt bis heute bei seiner Lebenspartnerin Liselotte vierung u.ä. eine Mitteilung machen? Zuschriften jeder Art Haas. Die Manuskripte der veröffentlichten Bücher, sind erwünscht auf: [email protected] wie noch zwei weitere bis anhin unveröffentlichte, die ig Briefe an seine Eltern in Kansas, Fotos, die vielen 8 BrunneZytig 22. November 2019 Läbigi Altstadt

STABWECHSEL IN DER BERNER MÜNSTER-STIFTUNG Christophe von Werdt, was sind Ihre Beweggründe, sich in der Münster-Stiftung und dazu noch als Präsi - Seit Mitte 2019 ist der Unternehmer und Osteuropa-Historiker Dr. Christophe von Werdt Präsident dent zu engagieren? der Berner Münster-Stiftung. Er löst als nun dritter Stiftungspräsident Dr. Arthur Liener ab, der Christophe von Werdt: Das Berner Münster ist in die Stiftung ganze 19 Jahre lang leitete. Im Interview wirft der ehemalige Präsident einen kurzen vielerlei Hinsicht das sinnträchtigste Gebäude Berns. Blick zurück, und der neue Präsident legt dar, was seine Motivation und seine Ziele sind. Es zeugt vom Gestaltungswillen einer Gesellschaft des 15. Jahrhunderts, die weit über ihre Generation und ihr irdisches Dasein hinausdachte und so die Kraft BrunneZytig: Arthur Liener, die Berner Münster-Stif - als Stiftungsrat einer mehr kulturell ausgerichteten aufbrachte, ein grossartiges Gebäude zu errichten, das tung wurde 1993 gegründet, 100 Jahre nach der Stiftung prädestinierte – oder eben gerade doch? uns auch 600 Jahre später noch beeindruckt und in - Turmerhöhung. Was gab den Anlass zur Stiftungsgrün - Arthur Liener: Ich hatte das Glück, bereits in jungen nehalten lässt. Grund genug, um sich für eine kurz dung? Jahren am Gymnasium Lehrer zu haben, die mir den bemessene Frist in dessen Dienst zu stellen? Arthur Liener: Das am 18. Januar 1874 erlassene Zugang zur Literatur, Geschichte und zu den gestalte - Gesetz über die Organisation des Kirchenwesens im rischen Künsten derart eröffnet haben, dass ich diese Sie sind Mitglied des Kleinen Burgerrates der Burger - Kanton Bern führte zu einer neuen Regelung der Ei - zum lebenslangen Hobby machte. Durch das Militär gemeinde Bern. Wie können die Berner Münster-Stif - gentumsverhältnisse in Form des sogenannten Aus - habe ich überdies Kultur, Land und Leute eines gros - tung und die Burgergemeinde Bern von ihren beiden scheidungsvertrages vom Sommer 1875. 1881 sen Teils unseres Landes kennen und schätzen ge - Engagements profitieren? Oder umgekehrt gefragt: wurde der Münsterbauverein gegründet, dessen Ziel lernt. Ferner war ich lange Jahre im Vorstand der Birgt dies auch Konfliktpotential und Abgrenzungs - es war, «die Vollendung» des Berner Münsters mit Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte tätig. schwierigkeiten? dem Ausbau des Turmes zu erreichen. Am 1. Juli Nach meiner Meinung schliessen Naturwissenschaf - Christophe von Werdt: Die Burgergemeinde Bern 1993 hat der Münsterbauverein als Stifter die «Ber - ten und Militär einen engen Bezug zur Kultur nicht wird im Stiftungsrat der Münster-Stiftung nicht durch ner Münster-Stiftung» (BMS) errichtet. Die ursprüng - aus. mich vertreten. Diese Aufgabe wird von einem ande - lich breit abgestützte Vereinsmitgliedschaft reduzierte ren Stiftungsratsmitglied wahrgenommen. Insofern sich immer mehr, so dass die Tätigkeit des Vereins werden die beiden Funktionen sauber auseinander - sich von dem im Sinne des im ZGB verankerten Ver - gehalten. Vielleicht verbindet aber beide Institutionen einszwecks deutlich entfernt hat. Die Umwandlung das Bewusstsein um den Wert lebendiger Traditionen, des Münsterbauvereins in die Stiftung BMS war dem - die offen für den Wert von Neuem sind. Da kann die nach ein folgerichtiger Schritt. Burgergemeinde Bern als nicht ganz drei Mal jüngere natürlich nur vom Münster lernen! Stiftungszweck ist die Erhaltung und Pflege des Berner Münsters in seiner Gesamtheit als Geschichts-, Kultur- In der Münster-Stiftung vertreten sind sämtliche Ei - und Kunstdenkmal. Ist ein solch umfassender und an - gentümer, Nutzer und die mit baulichen Aufgaben be - spruchsvoller Stiftungszweck, der zudem noch die trauten Gremien. Wie lassen sich all diese Interessen Koordination der Tätigkeiten vorsieht, in einem neben - bündeln? amtlichen Gremium überhaupt zu leisten? Christophe von Werdt: So wie ich das Zusammenwir - Arthur Liener: Die Organisation der Stiftung verfügt ken im Stiftungsrat bisher erlebt habe, treten alle in - mit dem Münsterbaukollegium über eine umfassende, volvierten «zeitlichen Teilhaber» hinter die – gemein- kompetente denkmalpflegerische Kapazität, die durch samen – Interessen am Münster zurück und suchen die Münsterarchitekten und die Bauhütte bestens er - immer nach guten, einvernehmlichen Lösungen. gänzt wird. Die BMS bewältigt ihre Aufgaben neben- Letztlich flösst wohl das Münster auch etwas Ehrfurch t und auch ehrenamtlich problemlos. vor der Aufgabe ein, die über sechs Jahrhunderte Welche generellen Entwicklungen im Zusammenhang an die momentanen Verantwortungsträgerinnen und  19 Jahre präsidierte Arthur Liener die Berner Müns - mit dem Münster haben Sie während Ihrer Amtszeit ter-Stiftung – und hat nach eigenem Bekunden «nur -träger in Kirche, Politik, Denkmalpflege und Bau - erlebt – und vor allem: mitgestaltet? Höhepunkte erlebt». (Foto: zVg) hütte weitergereicht wurde. Ansonsten hilft eine Be - Arthur Liener: Die Entwicklung der Steinrestaurie - sichtigung des wunderbaren Bauwerks unter rung nach der Berner Methode (Hermann Häberli, Sie waren viele Jahre auch als Ombudsmann in der fachkundiger Begleitung, um dieses Bewusstsein bei Annette Loeffel, Peter Völkle); die Möglichkeiten der Medienbranche tätig. War das auch Ihre Rolle im Bedarf rasch wieder zu schärfen. (Lacht.) digitalen Photogrammetrie an den Schlusssteinen des Kreuzfeuer der Shareholder- und Stakeholder-Interes - Berner Münsters durch Jan Ruben Fischer. Es geht sen rund ums Münster – die Vermittlung also zwischen Wie finanziert sich die Berner Münster-Stiftung res - dabei unter anderem um die 3D-Abbildung. den verschiedenen Interessensgruppen? pektive was und wie trägt sie zur Finanzierung von Arthur Liener: Der Funktion einer Ombudsstelle Projekten im Münster bei? Was bleibt Ihnen als Höhepunkt/e und was als Enttäu - kommt weitgehend die Rolle eines Mediators zu. Bei Christophe von Werdt: «Die Stiftung bezweckt die schung/en besonders in Erinnerung? der BMS hatte ich nie den Eindruck, dass ich irgend - Erhaltung und Pflege des Berner Münsters in seiner Arthur Liener: In meiner Präsidialzeit erlebte ich nur welche Differenzen auszugleichen hätte, ganz im Ge - Gesamtheit als Geschichts-‚ Kultur- und Kunstdenk - Höhepunkte! genteil. Die personelle Zusammensetzung des mal», wie es in der Stiftungsurkunde heisst. Sie hat – Die vorbildliche Zusammenarbeit mit den Münster - Stiftungsrates ist dem Münster sehr zugetan, denn die den «Erhalt des Berner Münsters als Gesamtkunst - architekten und der Bauhütte Bedeutung des Münsters ist allen sehr bewusst, sei es werk» zur Aufgabe. Ihre Projekte sind d eshalb bau - – Eine zielorientierte, reibungslose Zusammenarbeit als Gotteshaus, als touristische Attraktion, als Wahr - lich-denkmalpflegerischer Natur, konservatorische mit den Mitgliedern des Stiftungsrates zeichen von Bern und vieles andere mehr. Arbeit am Bauwerk Münster eben. Finanziell bei der – Die unfallfreie Arbeit bis auf 100 Meter über Ausübung ihrer Aufgaben unterstützt wird die Stiftung Grund Was wünschen Sie sich als ehemaliger Präsident für dabei von der Einwohnergemeinde, die gemäss Aus - – Den Wegfall des grauslichen Bretterverschlages an die Zukunft der Berner Münster-Stiftung und für das scheidungsvertrag von 1875 für den baulichen Un - der Westseite des Turmes Münster? terhalt zuständig ist, der Kirchgemeinde, der Burger- – Und last, but not least: die Reinigung des Chorge - Arthur Liener: Ich wünsche der BMS alles erdenk - gemeinde Bern, und – teilweise projektbezogen – dem wölbes. lich Gute, viel Glück, viele Besucher als Kirchgänger Lot terie fonds sowie dem Bundesamt für Kultur. Auch Sie haben einen beruflichen Hintergrund als Natur - und/oder Bewunderer der 600 Jahre alten, durch die der Förderverein des Berner Münsters – Sind Sie wissenschaftler und Militär, der Sie prima vista nicht Münster-Stiftung aber frisch gehaltenen Dame. schon Mitglied? – unterstützt das Münster auf seine ei - BrunneZytig 9 Läbigi Altstadt 22. November 2019

DIE KELLERKULTUR DARF NICHT STERBEN Er gab in den Berner Medien viel zu reden, der neue Kredit für die Altstadtkultur, den Stadtprä - sident Alec von Graffenried zur Chefsache erklärt hat. Die BrunneZytig wollte die Hintergründe und Beweggründe für diese unverhoffte Unterstützung etwas näher unter die Lupe nehmen und hat sich in den begeben, um beim Stapi direkt nachzufragen

Eingebettet in die Städtische Kulturförderungspolitik 60er bis 80er Jahre noch in bester Erinnerung. Die wird der vieldiskutierte Kredit in einem separaten Kellerlokale prägten das kulturelle Leben der Alt - Artikel der «Vierjahresplanung 2020-2023 – stadt auf eine unverkennbare und unnachahmliche Schwerpunkte und Mittelverwendung» vom 25. Ok - Weise, und er ist überzeugt, dass diese kreative Kraft tober 2018 genannt und erklärt: «Die Altstadt ist ein noch da ist. Nun setzt er ein Zeichen von Seiten der spezieller Stadtraum mit besonderer Geschichte und Stadt und bietet den Kulturschaffenden einen An - grosser Bedeutung für die Stadt. Ziel des Kredits (von reiz, trotz der schwieriger geworden Zeiten weiter - Fr. 100‘000) ist die Erneuerung der Tradition der zumachen. «Wir hoffen, damit eine gewisse Konti- Kulturlokale mit Bühnenkunst in der unteren Alt - nuität des Kulturschaffens zu ermöglichen. Wir un - stadt – oft in Altstadtkellern. Die geförderten Lokale terstützen die Altstadtkeller mit einem Infrastruk - und ihre Programme sollen öffentlich zugänglich turbeitrag. Für ihre Projekte und Programme können und attraktiv sein. Die Lokale sollen an möglichst sie zusätzliche Förderung beantragen». Der Stadtprä - vielen Tagen im Jahr genutzt werden. Auch Vermie - sident spricht hier die beiden Arten von Krediten an, tungen sind möglich.» (Artikel 5.13) die auch in der Kulturstrategie der Stadt Bern ver - ankert sind: diejenigen, welche mit einem Leistungs - Warum gleich Chefsache? vertrag verbunden an kulturelle Institutionen

 Der neue Präsident der Münster-Stiftung, Christophe Manch einer fragt sich vielleicht, weshalb der Stadt - vergeben werden, und die sogenannte direkte För - von Werdt, will nicht, dass das Münster zur «Event- präsident ausgerechnet diesen Kredit zur «Chefsa - derung, die Künstler und ihre Projekte unterstützen. Location» wird, sondern ein Ort des Staunens und der che» erklärt hat. Auf diese Frage gibt es eine recht Würde bleibt. (Foto: Adrian Moser) prosaische Antwort, denn die städtische Kulturför - Warum ein spezieller Kredit für die Altstadt? derung bestimmt, dass über Kredite zwischen Mit Hilfe der Vergabe von direkten Förderbeiträgen gene, ganz wichtige Art, indem er mithilft, das Müns - 10‘000 und 100‘000 Franken der Stadtpräsident soll also die Tradition der Altstadt-Kellerkultur auf ter im Bewusstsein der Bevölkerung zu verankern und entscheidet. Beträge unter 10‘000 Franken kann innovative und individuelle Weise fortgeführt wer - seinen Mitgliedern immer wieder interessante Einbli - «Kultur Stadt Bern» vergeben, die Verwaltungsabtei - den können. Ob es sich dabei um den berühmten cke in Fragen rund ums Münster ermöglicht. lung der Präsidialdirektion, welche für die Kultur - Tropfen auf den heissen Stein oder um einen frucht - förderung zuständig ist. Beiträge über 100’000 baren Regenschauer handelt, sei erst einmal dahin - Allgemein entleeren sich Kirchen und verlieren damit Franken müssen vor den Gemeinderat. Obschon der gestellt, denn noch sind keine Gelder verteilt letztlich ihre «Kernaufgabe» als Gotteshaus. Von sol - Stadtpräsident demnach «automatisch» für den neu - worden. Die Frist für Anträge läuft erst am 2. De - chen Entwicklungen nicht verschont ist das Münster. geschaffenen Kredit zuständig ist, verneint er kei - zember aus. Eine häufige Reaktion ist, Institutionen entsprechend neswegs, dass ihm dieser auch persönlich am als «Begegnungsorte» strategisch neu zu positionieren. Herzen liegt, denn er hat – wie viele Bernerinnen Was aber war der Grund für die «Abspaltung» eines Wird das Münster bald zur Event-Location? und Berner auch – die Altstadtkeller-Kultur der speziellen Altstadtkeller-Kredits innerhalb der bis - Christophe von Werdt: Das Münster ist und bleibt ein Gotteshaus und wird in diesem Sinne von der Kirch - gemeinde weiterhin mit Sinn und Leben erfüllt. Kul - turelle Veranstaltungen, insbesondere Konzerte gehören schon heute zum Münster und eröffnen ebenfalls einen würdigen Zugang zu dieser Kirche, zu einem Ort also, der uns lehrt, wie wir staunend über uns hinauswachsen können. Ich hoffe, dass das Münster nicht zu einer «Event-Location» wird, son - dern ein Ort des Staunens und der Würde bleibt. Denn das ist seine eigentliche «strategische» Aufgabe.

Was sind die derzeit laufenden und anstehenden Pro - jekte, und welche Ziele streben Sie in den nächsten Jahren an? Christophe von Werdt: Die Arbeit am Münster, die fachlich in erster Linie vom Baukollegium, den Müns - terarchitekten sowie der Bauhütte begleitet wird, endet nie! Ich denke, eine ständige Herausforderung bleibt, das Münster und seine Bedeutung einer breiten Bevölkerung zu vermitteln, die nicht allwöchentlich zur Kirche geht. Das Jubiläum der Grundsteinlegung von 1421, das im Jahre 2021 ansteht, wird wie - derum eine schöne Gelegenheit bieten, unter ande - rem das Bauwerk und seine Geschichte gemeinsam mit den anderen «zeitlichen Teilhabern» in Erinne -  Stadtpräsident Alec von Graffenried und die Präsidentin der Vereinigten Altstadtleiste, Barbara Geiser, am 30. Ok - rung zu rufen. CE tober beim gut besuchten Kronengespräch zum Thema «Alec und die Altstadt». 10 BrunneZytig 22. November 2019 Läbigi Altstadt

Sturm der Empörung aus, gut nachzulesen im «Bund» vom 12. Mai 2018 und im «Kleinen Bund» vom 1. Dezember 2018. In einer ähnlichen Situa - tion befand sich auch das Narrenpacktheater. Zu die - sem Zeitpunkt war aber bereits eine Lösung in Planung: der neue Kredit für Infrastrukturen der Altstadt für kulturelle Nutzung. Als das Puppenthea - ter schliesslich eine hilferufende Petition an die Stadt richtete, schlug der Gemeinderat dem Stadtrat den neuen Altstadtkeller-Kredit vor. Dieser bewilligte ihn und nahm ihn in die neue Vierjahresplanung auf.

Wer soll gefördert werden? Im September 2019 hat «Kultur Stadt Bern» ein vom Stadtpräsidenten genehmigtes Merkblatt herausge - geben, das die Fördermodalitäten des neu geschaffe - nen Kredits transparent erläutert. Es räumt all die vielen Unklarheiten und Missverständnisse aus, die den neu geschaffenen Kredit seit seiner Ankündi - gung begleitet haben. Es definiert die Begriffe und listet die Teilnahmebedingungen auf und erleichtert den interessierten Kulturschaffenden auf diese Weise  Die Petition des in Finanznot geratenen Berner Pup - pentheaters an der gab schliess -  Das «Galerietheater Die Rampe», Altstadt-Klein - die Gesuchstellung. Alec von Graffenried erklärt kunstbühne der 60 und 70er Jahre an der Kramgasse lich den Ausschlag für den Altstadtkeller-Kredit. gleich selbst, was damit gemeint ist: «Berner Keller- 55. Geführt von Regisseur (und Berner Troubadour) (Archiv BrunneZytig). Bernhard Stirnemann, machte sich das avantgardisti - oder Altstadtkultur ist eine recht unklare Bezeich - sches Kellertheater weit über Bern hinaus einen nung. Was Orte und Art der Kultur betrifft, sprechen Namen. 1970 konnte dank eines Darlehens der Stadt wir hier lieber von Kleinkunstbühnen im Bereich Kultur für alle? … ämu für alli, wo wei! ein drohendes Konkursverfahren abgewendet werden, doch Ende Juni 1982 war dann definitiv Schluss, weil des UNESCO-Perimeters der Stadt. Und was die Die aktive Mitwirkung ist innerhalb der letzten Jahre der Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gekündigt qualitativen Anforderungen betrifft, so prägen oft zu einem politischen Schlüsselbegriff in vielen Le - wurde. (zVg) die Gegebenheiten vor Ort die künstlerische Bedeu - bensbereichen geworden. Auch in der Kulturstrate - tung eines Projektes mit. Standen bisher Laienthea - gie des Bundesamtes für Kultur nimmt die kulturelle herigen Geldtöpfe der direkten Förderkredite? Als ter als nicht professionelle Bühnen noch weitgehend Teilhabe einen zunehmend wichtigen Platz ein. Dazu eigentlichen Auslöser nennt Alec von Graffenried die ausserhalb unserer Kriterien, will man in Zukunft hat das BAK im Juni sein erstes Handbuch heraus - jüngste Geschichte des Berner Puppentheaters: «Als neben der «Professionalität» vermehrt auch die Aus - gegeben und empfiehlt es mit folgenden Worten: Monika Demenga und Hans Wirth der Stadt im strahlung eines Projektes auf das Umfeld in die Be - «Wer am kulturellen Leben teilnimmt, wird sich der 2014 kommunizierten, dass sie die Leitung des urteilung miteinbeziehen, um zu entscheiden, ob es eigenen kulturellen Prägung bewusst, entwickelt Theaters per Mitte 2016 aufgeben würden, gab es den Kriterien für den neuen Kredit gerecht wird.» eine eigene kulturelle Identität und trägt so zur kul - keine unmittelbare Nachfolgelösung für das Puppen - turellen Vielfalt der Schweiz bei. Die kulturelle Teil - theater. Somit konnte der damals vorhandene Leis - Es geht um Kulturpolitik nicht um Kunst! habe stellt seit 2016 eine der strategischen tungsvertrag mit der Stadt nicht erneuert werden.» Das grösste Missverständnis, das im Zusammenhang Handlungsachsen der Kulturpolitik des Bundes dar.» Anfang 2017 kam Rettung in der Not, und Karin mit dem neuen Kredit kursiert, ist die Meinung, der Diese Haltung und Aufgabe hat der Kanton Bern zu - Wirthner und Frank Demenga übernahmen die Stadtpräsident fördere Kunst. Indirekt tut er dies sammen mit der Stadt und den Gemeinden in seine kleine Bühne an der Gerechtigkeitsgasse 31. Keine damit natürlich, doch um zu erfahren, was tatsäch - Kulturstrategie 2017-28 integriert und als konkrete Rettung hingegen kam in finanzieller Hinsicht, denn lich und konkret angestrebt wird, muss man die Be - Ziele und Massnahmen formuliert. Auch der neue für einen Leistungsvertrag braucht es jahrelange zeichnung des Kredits im genauen Wortlaut lesen: «Kredit des Stapi» beruft sich auf diesen Anspruch. Vorarbeit. Das löste in der Berner Presse einen «Kredit für Infrastrukturen der Altstadt für kultu - relle Nutzung». Unterstützt werden demnach die Pessimisten sehen die Kultur in der Berner Altstadt Rahmenbedingungen von Personen, Gruppen und im Keller. Optimisten auch, doch verstehen sie die -

Spécialités Organisationen, deren kulturelles Angebot ohne Bei - sen Satz natürlich im positiven und ortsbezogenen de produits d'Italie vins et comestibles s.a. träge Dritter nicht überleben würde, und die weder Sinn. So, wie die Kunst ja bekanntlich im Auge des einen Leistungsvertrag noch eine andere pauschale Betrachters liegt, so wird auch die Vielfalt des Kunst - Förderung der Stadt Bern beziehen. Die Lokalitäten schaffens unterschiedlich wahrgenommen und be - Liebe Kundin, lieber Kunde müssen seit mindesten drei Jahren in Betrieb sein, urteilt. Solange wir jedoch noch über die Berner Vielleicht wissen Sie nicht, … dass wir nach Ihren Wünschen kalte Platten einem breiten Schaffenskreis offen stehen (als Auf - Altstadtkultur diskutieren können, ist eines klar: Tot vorbereiten und auch liefern? führungsort, Proberaum …), gut ausgelastet und be - ist sie noch lange nicht! … dass wir individuelle Geschenkkörbe gestalten? sucht sein (mindestens neunzig öffentliche ZB Sicher aber wissen Sie, Kulturveranstaltungen pro Jahr) und einen Beitrag … dass Sie die Herzen Ihrer Lieben, Freunde und Quellen: Bekannten mit einem Geschenk (oder Ge - zur Angebotsvielfalt und zur Aufrechterhaltung und schenkgutschein) höher schlagen lassen. Wer Erneuerung der Tradition leisten. Der Kredit wird - Bundesamt für Kultur: Handbuch zur kulturellen kann einem feinen Olivenöl, einem raffinierten Teilhabe in der Schweiz, 17. Juni 2019 jeweils für zwei Jahre vergeben, danach ist anhand aceto balsamico, getrockneten Steinpilzen oder - Gemeinderat der Stadt Bern: Kulturstrategie der Stadt Morcheln, hausgemachter Pasta oder gar der Abrechnung ein detaillierter Rechenschaftsbe - einem Bacio widerstehen? Bern 2017-2028, 2016 richt vorzulegen. Kurz gesagt, möchte der Kredit also - Präsidialdirektion der Stadt Bern: Städtische Kulturför- Wir beraten Sie gerne die Auslastung und Nutzung der kulturellen Mög - derung, Vierjahresplanung 2020-2023, Schwerpunkte Ihr FERRARI-Team lichkeiten von Kleinkunstbühnen in der Altstadt zu - und Mittelverwendung, Bern 25. Okt. 2018 Münstergasse 49, Bern Beim LOEB, 37 handen eines interessierten Publikums fördern. - Kultur Stadt Bern: Merkblatt Infrastrukturen der Tel. 031 311 08 57 Tel. 031 312 01 20 Altstadt für kulturelle Nutzungen, 17. Juni 2019 BrunneZytig 11 Läbigi Altstadt 22. November 2019

HIDDEN STORIES – BERNS VERBORGENE GESCHICHTEN Auf die Zutaten beim Verfassen eines Buches kommt es an. Ohne geht’s nicht. Das waren sich Jeanne Darling, Jooce Garrett und Marie-Thérèse Lauper bewusst, als sie zur Tat schritten. Begleitet von Inspiration, Schattenwesen, Legenden und allergattig Skurrilem, trafen sich die drei im Voraus zum Pläneschmieden hoch über den Dächern der Altstadt auf dem Münsterturm. Die Schaffung eines interaktiven Reiseführers für Kinder zu Berns Legenden und zur Altstadt, war darauf beschlossene Sache. Das Werk erschien Ende Oktober. Zeit also, diese verborgenen Geschichten ans Tageslicht zu holen.

Nach «Basel’s Hidden Stories» gelüstete es Jeanne Darling vor zwei Jahren, auch in der Berner Altstadt mit einer Crowdfunding-Kampagne die Suche nach hiesigen Geistern und Geschichten zu starten und Kinder für die Geschichte der Bundesstadt zu begeis - tern. Jooce Garrett, als weltweit bekannter Illustra - tor, setzte fünf der beliebtesten Berner Legenden spitzbübisch und verspielt über 43 Seiten in Szene. Als Dritte im Bunde wirkte Marie-Thérèse Lauper, langjährige Münster-Turmwartin und Stadtführerin. Sie war für ortskundige Tipps bei mehreren «Gas - sen-Safaris» zu dritt zuständig und selbst an verbor -  Verborgene Geschichten – Der «»: Nichts für zart Besaitete. gensten Winkeln und «Tatorten» der Unteren Altstadt mit ihrem Wissensschatz omnipräsent. trächtige «Nydegghöfli» mit den Anfängen Berns zei - Kindergerechte Stadtpläne weisen den Weg in dem in tigen. Für leichte Gruselschauer dürfte das sagenum - Englisch verfassten (und von Cristina Jensen ins Deut - wobene Gespensterhaus an der Junkere sorgen, die sche übersetzte) Original des «Child‘s Guide to Swit - sich beim Anblick der Mechanik des Zytglogge-Uhr - zerland‘s Capital». Die Kinder können durch die werks sofort verflüchtigen dürften – auch dank Be -

Begleitaktivitäten im Buch auch selbst kreativ werden treuerin Marie-Thérèse Lauper, die so locker-lässig  Ein Pferd stürzt samt Reiter von der Pläfe – beide und die magischen Gassen der Altstadt ergründen. das Uhrwerk aufzieht. Der «Kindlifresser von Bern», überlebten dank Misthaufen. Kribbelig spannende Taten und gruselige Schlupfwin - als Vorstellung nichts für zart besaitete Gemüter, ist kel zuhauf ranken sich um die uns altbekannten Lo - als Geschichte gelesen, ein versüsstes Muss. Und zu Lesen von «Berns verborgenen Geschichten» am kalitäten wie Bärengraben, Junkerngasse, Zytglogge, guter Letzt «Marta und die Diebe» – eine äusserst besten dort gleich selber nach. Brunnenfiguren, Münster und Matte. Im Zeitraffer spannende Diebesgeschichte in des Münsters Kata - sw vernehmen wir von heldenhaften Bären, zartschmel - komben und engen Durchgängen, die selbst dem zender Schokolade, vergrabenen Schätzen und von Schreibenden bis dato unbekannt waren – mit den Berns verborgene Geschichten, von Marie Thérèse-Lauper Gespenstern heimgesuchten Häusern. zwei, auf listige Weise von Marta eingeschlossenen und Jeanne Darling. Illustrationen: Jooce Garrett. Aus dem Übeltätern. Und ja, jenem sagenhaften Goldschatz in Englischen von Cristina Jensen. Bergli Books 2019. Garantierte Erfolge sollten bei Kindern und Jungge - der Matte, dessen Lagerort wir hier lieber nicht bliebenen «Ursula und der Bär» und das geschichts- preisgeben möchten. Schauen Sie doch nach dem

 Es gibt heute noch BernerInnen, die sagen, sie würden  «Hier seht Ihr Marie-Thérèse: Sie zieht die Zytgloggenuhr auf und schreibt darüber hinaus auch noch Bücher.» «rohren» gehen, wenn sie einen Einkaufsbummel (Zitat Jeanne Darling). unter den Lauben meinen. 12 BrunneZytig 22. November 2019 Läbigi Altstadt

MIT SAUBÄR UND BÄRNINA – GÄNG WI GÄNG A D‘FASNACHT Gäng wi gäng wurde der Fasnachtsbär am 11.11. um 11 Uhr 11 von einer Delegation unermüdlicher und prominenter Fasnächtler in den Winterschlaf begleitet. Diesmal hat er sich vorher gründlich mit allen Wassern gewaschen und steigt als SauBÄR ohne allen Dreck am Stecken in sein Bett im Käfigturm. Wenn er am 27. Februar wieder etwas unsanft von den Bärner Fasnächtlern ge - weckt wird, wartet eine schöne Überraschung auf ihn: Der (oder besser die) BÄRnina! Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft?

Das «Gäng wi gäng» gilt an der Führungsspitze der Luft auflösen. Als Vierzehnter war – als gutes Omen Berner Fasnacht allerdings nur noch zum Teil, denn und für alle Abergläubischen Gott sei Dank! – auch Dani Dillmann, der neue Präsident des Vereins Bär - der Stadtpräsident und Inhaber des Fasnachtspatro - ner Fasnacht VBF, trägt lediglich denselben Vorna - nats mit am Tisch und wünschte der Fasnacht 2020 men wie der scheidende Daniel Graf, der dem viel Erfolg. närrischen Amt – sicher aber nicht der Fasnacht – nun den Rücken zugekehrt hat. Beiden alles Gute! Die Anwesenden jedenfalls hatten bereits ihr Bestes dafür getan, und man war sich einig, wie und mit Die «Fasnachts-Hintermänner» koordinieren welchen «Hotspots» der bestehende Fasnachts-Mas - sich terplan zu ergänzen ist, um einen möglichst rei - Gäng wi gäng trafen sich Mitte Oktober dreizehn bungslosen Ablauf zu gewährleisten. Gäng wi gäng Vertreter aller an der Organisation der Fasnacht be - kam an der Sitzung auch die Finanzierung aufs Gäng wi gäng: Sauber geht der Fasnachtsbär am teiligten Institutionen zum Arbeitslunch im Fas - Tapet: «Wir sind kein Profit-Unternehmen und wol -  11.11. im Käfigturm schlafen. (zVg) nachts-Chäller zur Füfte JahresZyt: Der Verein len selbsttragend bleiben», erklärt Dani Dillmann, Berner Fasnacht VBF, die VAL, Bern Mobil, die zu - der neue Präsident. «Deshalb sind wir für die Fas - ständigen Polizeistellen, Bern City und Bern Wel - nacht, die jährlich rund 250‘000 Franken kostet, BÄRnina stellt sich vor come und das Tiefbauamt. Beim gemeinsamen weiterhin auf den Plakettenverkauf, die Standplatz - «Jedes unserer Fasnachtsplakate war einst eine Feedback gab es Erfreuliches zu hören, auch in den vermietungen und treue Sponsoren angewiesen.» weisse Seite, bis eine Idee darauf Gestalt annimmt – immer etwas heiklen Bereichen Sicherheit und Sau - Gemäss dem Motto – nicht jammern, sondern etwas und der Narr mit dem Bär aus dem Nichts wieder berkeit: In den letzten Jahren verzeichneten die Ord - tun – hatte Dillmann zu seinem Einstand die Altprä - aufersteht», begrüsst Dani Dillmann die Medien am nungshüter während der närrischen Tage immer sidenten und die Altpräsidentin des Fasnachtsvereins üblichen Informations-Apéro und weist auf die weniger Delikte, und das sandsteinfreundliche ins kleine Sääli der Chäshütte Heugel eingeladen. Wand hinter sich, wo BesucherInnen des Fasnachts- «Stadtparfüm» der organisierten Nachreinigung Man diskutierte Vergangenes und Zukünftiges und Chällers an der Gerechtigkeitsgasse das ganze Jahr konnte am Morgen danach wiederum auch die letz - fand neue Ideen (s. Info-Kasten). über jeden Montag alle bisherigen fantasievoll und ten Pissoir- und Wildpinkler-Gerüche schliesslich in bunt gestalteten Originale betrachten können. Der Blick über die graphischen Kleinkunstwerke ist zu - gleich eine Reise durch die Zeit der Berner Fasnacht, die in ihrer heutigen Form am 19. Januar 1982 ge - gründet wurde und einen Monat später, am 26. und 27. Februar, zum ersten Mal durchgeführt wurde. «Schliesslich ist jedes Plakat ein Ausdruck der ganz eigenen Sicht des Gestalters auf ‘seine’ Fasnacht». Dani Dillmann weiss, wovon er spricht, denn er selbst hatte das Plakat von 2016 entworfen. An der Wand gegenüber können auch alle bisher geprägten

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Fasnachts-Plaketten bewundert werden. Die Prunk- steckt direkt über dem Bärenkopf und streckt allen Ausführung in Gold gab es übrigens nicht von An - die Zunge heraus. Echte Berner erkennen ihn sofort, VIEL NEUES AN DER FASNACHT fang an. alle anderen können ihn in der Münstergasse su - INFO  !   chen… Mit dem diesjährigen Plakat tritt Melanie Rodel nicht zum ersten Mal an die Öffentlichkeit in der Berner Zum Schluss ein Zitat aus «Ensuite», der Zeitschrift 1. Käufer von Goldplaketten werden einige Privilegien er - Altstadt. Besucher des «Einmaligen Objektes» von für Kultur und Kunst vom April 2019: «Auch wenn halten: 2014 erinnern sich bestimmt noch an ihre Air - sich die zehntausenden von fasnächtlichen Mittäte - - Im Zelt des Fasnachtsvereins wird für sie eine Extra- brush-Bodypainting-Aktion im Geschäft der Mäder- rinnen und Mittätern nicht persönlich kennen, er - VIP-Toilette eingerichtet

Wohnkunst. Die Kunst ist ihr Hobby, nein ihre leben sie sich doch immer wieder als Angehörige - Am Sonntag nach der Fasnacht wird ab 2021 wieder Leidenschaft, sei dies Malerei, Fotografie oder das eines gigantischen Netzwerks, das weit mehr ist als der leider 2007 eingestellte «Konfetti»-Anlass im Kursaal Nähen. Die international ausgezeichnete und aner - ein Verein je zu bieten vermag. Die Fasnacht bietet neu belebt. Hier treffen sich Fasnächtler, die nie genug kannte Künstlerin ist von Kindsbeinen an auch be - einen künstlerischen Freiraum, den sie entspre - bekommen, noch ein letztes Mal mit den Schnitzelbänk - geisterte Fasnächtlerin, spielte in der Gugge «Furz de chend Begabten öffnet. Und Künstler sind viele da - lern und den Guggen. Bern» und betreibt zusammen mit ihrer Mutter in runter! Die Fasnacht ist aber nicht nur ein Hort 2. Lebensmittel- und Getränkeverkäufer, die ein Herz für Köniz ein Nähatelier für Fasnachtskostüme. Natür - ungezügelter Improvisation von lautem Getöse und di e Fasnacht haben, können dies kundtun, indem sie ihre lich war sie Feuer und Flamme, als Daniel Graf sie Gerumpel, sie hat auch immer eine dunkle, geister - Standmiete um die Hälfte erhöhen. Im Gegenzug dazu letztes Jahr spontan für das nächste Fasnachtsplakat hafte oder zumindest stille Seite» (Thomas Kohler). bekommen sie Plaketten im Wert ihrer ganzen Stand - vorschlug. Und nun ist BÄRnina da! Und wir sind In diesem Sinn wünscht der neue Präsident: «Dr Bär miete geschenkt. Falls sie diese verkaufen (was ein wenig gespannt darauf, wie sie im Februar auf den aufge - isch los u geit uf d’Gass. Ab a d’Fasnacht – u heit viu zu tun gibt), haben sich ihre ganzen Mietauslagen in Null - weckten SauBÄR reagieren wird. Auch der Fas - Spass!» kommanix aufgelöst! nachtsnarr darf auf dem Plakat nicht fehlen: Er ZB 3. Für alle Spender und Sponsoren hat sich der Verein ein kleines Dankeschön ausgedacht: Zum einen sollen sie alle zukünftig am Apéro vor der Bärebefreiig im Fasnachts- Chäller dabei sein dürfen. Dort wird dem Stapi traditions - gemäss der Schlüssel zum Käfigturm überreicht. Dann geht’s gemeinsam in die obere Altstadt, wo die Sponso - rengäste als weiteres Privileg auf der «Vatter»-Terrasse einen Ehrenplatz mit unverstellter Sicht auf das Szenario der Bärebefreiig erhalten.

4. Mit der Unterstützung der Vereinigten Altstadtleiste ruft der Berner Fasnachtsverein alle Geschäfte und Gastro - betriebe auf, ihre Schaufenster und Eingangsbereiche im Vorfeld der Fasnacht närrisch zu schmücken. Gern stellt der Verein Kostüme, Masken und allerhand Utensilien kostenlos dafür zur Verfügung. Interessierte melden sich unter [email protected].

5. Die Fasnachtszeitung «Befaz» vergrössert sich, wird reich - haltiger und informativer. Deshalb kann sie neu aber erst im Januar erscheinen. Zusammen mit dem Plakettenver - kauf wird anstelle nun ein Flyer mit dem Fasnachtspro - gramm abgegeben. Für die Geschäfte und Restaurants wird es somit um einiges attraktiver, in der grösseren Fas - nachtszeitung zu inserieren. Geben Sie Ihr Inserat auf  Melanie Rodel mit «ihrem» Fasnachtsplakat: BÄRnina  Dani Dillmann, der neue Präsident des Vereins Berner unter [email protected]. Beziehen sie hier gleich auch Zei - wird an der Fasnacht sicher so einiges aus dem Näh - Fasnacht: Sein Hut, der hat drei Ecken – und schon tungen zum Auflegen in ihren Lokalitäten! kästchen plaudern. die neue Fasnachtsplakette! 6. Der Fasnachtsverein möchte sein historisches Archiv er - gänzen und bittet um Zusendung aller Ar tikel, Unterlagen etc., die Sie finden können an [email protected]. In der Vorweihnachtszeit die Berner ZB Altstadt geniessen mit Bread à porter Wir sind Sonntags mit Kaffee, Grittibänze und vielen weiteren Weihnachts-Köstlichkeiten für Sie da Sonntage, 1.12., 8.12., 15.12., 22.12. Die Altstadt Bäckerei Am Kornhausplatz ab 0900 – 1700 Uhr In der Münstergasse ab 0800 - 1700 Uhr Am Kornhausplatz mit aromatischstem Wiener Kaffee An der Münstergasse mit der offenen Backstube

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Strasse endlich ein Ende bereitet hätte. 1759 wur - den gleich neun Vorschläge zur Nivellierung der Ge - rechtigkeitsgasse eingereicht. Alle wurden als zu aufwändig abgelehnt, da die Herren Ingenieure «mehr ihre Kunst beweisen wollen, als die Aufgabe der Obrigkeit zu erfüllen». Der Einmarsch der Fran - zosen am Ende des Jahrhunderts legte dann so oder so alle Visionen und städtischen Bauvorhaben des Ancien Régimes erst einmal auf Eis. Berns goldene Zeiten waren vorbei.

Mit der neuen Ordnung nach 1815 kam in der Stadt Bern nicht nur die alte Patrizierelite wieder ans Ruder, sondern auch Vertreter des neuen modernen  Die Nydeggbrücke im Herbst 2019. Hinter dem Hauptbogen ist gut auch ihre «kleine Schwester», die Untertor- Beamtenstaates. Um beiden politischen Kräften ge - brücke zu erkennen. recht zu werden, trennte ein Dekret von 1832 die damalige Stadtgemeinde in die – auch den ländlichen Gegenden zugewandte – liberale Einwohnerge - DIE NYDEGGBRÜCKE – EINE PIONIERLEISTUNG DES meinde und in die konservative städtische Burger - gemeinde. Beide Seiten hatten grosse Pläne für die 19. JAHRHUNDERTS wirtschaftliche Zukunft der Stadt, aber eine unter - Die Nydeggbrücke ist heuer 175 Jahre alt geworden. Im Oktober 1844 nach nur vier Jahren Bauzeit schiedliche Sicht auf die Entwicklung der Dinge. fertiggestellt, gilt sie noch heute als bautechnische Pionierleistung. Trotzdem hat ihr der Zahn Einig war man sich nur, dass dringend eine weitere der Zeit in Form von Witterungseinflüssen und regem Strassenverkehr zugesetzt. Im nächsten und vor allem bequemere Brücke über die Aare Jahr wird eine Rundumsanierung geplant. Gründe genug, der Jubilarin eine kleine «Brückenge - nötig war, um den rasant zunehmenden Handelsver - kehr zu erleichtern. Eine Hochbrücke sollte Berns schichte» zu widmen. Der erste Teil handelt von den Hintergründen, den Visionen, der Planung Bevölkerung ins umliegende Gebiet, zu den Haupt - und von den Schwierigkeiten denen sich die Erbauer anfänglich gegenüber sahen. verkehrswegen des Landes und in moderne Zeiten führen. Die neue liberale Kantonsverfassung von Bern wurde als natürliche Festung in den Aarebogen Erleichterung brachte der Bau des Kleinen und des 1830, die Handels- und Gewerbefreiheit garantierte, hinein gebaut. Die Breite und Tiefe des Aaregrabens Grossen Aargauerstaldens quer in den Hang. Sie lockte bereits viele Unternehmer in die Stadt. Da - kam den Stadtgründern gelegen, denn sie machte verminderten die Steigung erst auf fünfzehn und mals zählte Bern rund 20‘000 Einwohner – und es unwillkommenen Gästen das Betreten der Stadt schliesslich auf sechs Prozent. Doch immer noch wurden schnell mehr, denn Bern bot mit seinem un - nicht leicht. Deshalb blieb die im 13. Jahrhundert er - musste die steile Strasse des Klösterlistutzes und des verbauten Umland neuen und expandierenden Ge - baute Untertorbrücke für lange Zeit Berns einziger Nydeggstaldens überwunden werden. Die Fuhrleute schäften viel und günstigen Bauplatz. Land - Weg über die Aare. Als das Hochwasser von 1460 lösten das Problem, indem sie bis zu acht Pferde vor spekulanten kauften in Aussicht auf rentable Pacht- die damalige Holzbrücke mit sich riss, wurde sie un - ihre Wagen spannten. Die Vermietung dieser «Vor - und Mieteinnahmen dort vorsorglich Grundstücke mittelbar darauf in 26-jähriger Arbeit wieder auf - spänner» war damals für die Anwohner eine lukra - auf. Mit dieser Zukunft vor Augen diskutierte man gebaut – diesmal in Stein. Trotzdem blieb die Fahrt tive Einnahmequelle. Trotz allem aber war und blieb während der nächsten Jahre leidenschaftlich über in und aus der Stadt für den Kutschen- und Fuhr - die Überquerung der Aare eine Pferdeschinderei. die Frage nach dem günstigsten Brückenstandort. verkehr mit den grössten Mühen verbunden. Die 1834 lässt der Kanton drei Projekte ausarbeiten: die Höhendifferenz von der Brücke geradewegs hin auf Die Stadt wächst – in ein neues Zeitalter hinein Nydeggbrücke beim Aargauerstalden, die Kornhaus - ins Galgenfeld betrug 70 Meter mit einer Steigung Eine Skizze aus der Burgerbibliothek zeigt, dass im brücke ins Rabbenthal und die Tiefenaubrücke in von zwanzig Prozent. Erleichterung verschaffte die 18. Jahrhundert Stadtarchitekten wie Niklaus die Engehalde. Sie alle sollten letztlich ins bernische Einrichtung einer Haspel, eine Seilwinde, an welcher Sprüngli und Erasmus Ritter die Untere Altstadt zum Hauptstrassennetz Richtung Zollikofen führen. die Fuhrwerke angebundenen und in die Höhe ge - Renommierquartier ausbauen wollten. 1719 tauchte zogen oder gebremst wurden. Der Name der «Has - die erste Vision zum Bau einer höher gelegenen Undenuus oder obenuus? pelgasse» erinnert noch heute daran. Eine weitere Brücke auf, die dem mühsamen Auf und Ab der Natürlich plädierten die Patrizier erneut für ein «Embellissement» (Verschönerung) ihrer Nydegg. Hier standen ihre Häuser, hier sollte die neue Brücke ihr Quartier weiter aufwerten. Initiierende und trei - bende Kraft dieser Brückenplanung «undenuus» – also via Nydegg hinaus – waren Alt-Schultheiss und Patrizier Karl von Lerber und Ingenieur und Rats - mitglied Rudolf von Sinner. Die beiden reichten 1835 nicht nur einen Bauvorschlag ein, sie gründe - ten gleichzeitig auch eine Aktiengesellschaft zu des - sen Realisierung. Und sie gewannen schnell namhafte Mitstreiter: Der Patrizier Karl Zeerleder, erster Präsident des Gemeinderats der Stadt und gleichzeitig Präsident der Burger-Gemeindever - sammlung, wurde Direktor der neuen AG. Projekt - leiter wurde der Ingenieur Rudolf von Wurstem- berger, und Architekt Joseph Ferry arbeitete die Pläne aus. Die Stadt kaufte Aktien der neuen Gesell -  Blick von der Untertorbrücke auf die Nydeggbrücke im Herbst 2019. schaft, ebenso die Burgergemeinde, allerdings mit BrunneZytig 15 Läbigi Altstadt 22. November 2019

der Auflage, dass die Untertorbrücke bestehen blei - begleiten, also die ganze Verantwortungen tragen ben müsse und fünf unabhängige Bauexperten ein - sollte – und deshalb als Garantie für seine Arbeit gestellt würden, was auch geschah. Einziger eine Kaution von 60‘000 Franken zu hinterlegen einheimischer Fachmann war der Kantonsbaumeis - hatte. Auf die Ausschreibung hin meldeten sich drei ter und wichtigste Vertreter des Klassizismus in Berner, doch eingestellt wurde der einzige Nicht- Bern, Johann Daniel Osterrieth. Die anderen Exper - Berner-Bewerber, derjenige mit der günstigsten Of - ten stammten aus der Lombardei, aus Nancy, Turin ferte von 665‘095 Franken (umgerechnet wäre das und Österreich-Ungarn. Der aktivste unter ihnen – heute über das Zwanzigfache). Es war der Urner Karl und wie viele damalige Architekten in Paris ausge - Emanuel Müller, der als Erbauer der Gotthardstrasse bildet – war der Italiener Carlo Mosca. und der Teufelsbrücke in der Schöllenen ein ein - drückliches Know-how mitbrachte. Er galt als Ver - 1836 folgten Monate des Planens und Verwerfens  «Embellissement» (Stadt-Verschönerungs-Vision) des treter des neuen Zeitgeistes, und – um es vorweg zu Ancien Régime: Die Skizze zeigt einen Plan von Ni - und der Kombination verschiedener Projekte. Kaum nehmen – er hat seine vierjährige grossartige Arbeit klaus Sprüngli und Erasmus Ritter für die Aufwertung einer liess es sich nehmen, einen eigenen Bauplan der Nydegg im 18. Jahrhundert. an der Nydeggbrücke mit viel Wissen, Kreativität zu liefern, so auch Wurstemberger, Mosca, Oster - (Burgerbibliothek, Gr.B. 406) und Durchhaltevermögen bravourös vollendet. rieth und Ferry. Der eine projektierte eine Stahl - draht-Hängebrücke, für einen anderen hätte man Einbogenbrücke mit flachem Kreissegment vor, flan - Die allerersten Spatenstiche für die neue Brücke die abreissen müssen, für einen wei - kiert von zwei kleineren Seitenbögen und breiten hatten bereits ein Jahr zuvor mit der Suche nach fes - teren auch die Untertorbrücke samt oder Zufahrtsstrassen. Kostenpunkt 900‘000 Franken. tem Felsboden für die Brückenfundamente begon - die Wendschatzgasse, welche damals in der Verlän - Man erbat zudem einen Brückenzolltarif und das nen. Bei diesen Sondierungen am rechten Aareufer gerung der Junkerngasse die Altstadt in einem har - Expropriationsrecht, das Recht auf Enteignung, für – eine mühsame Handarbeit mit eisenspitzenbe - monischen Bogen abrundete. Nur Mosca, der alle vom Bau tangierten Häuser. Der Kanton zögerte schlagenen Eichenpfählen – machte man exakt die - städtebaulich Weitsichtige, ahnte wahrscheinlich be - und wollte erst weitere in Arbeit befindliche Pläne selben Erfahrungen wie später beim Bau des reits, dass die enge Nydegg dem neuen Ansturm des der Liberalen für die Variante «obenuus» abwarten, Bärenparks: Das Gelände ist instabil, und die anste - Handels- und Personenverkehrs kaum gewachsen eine Brücke die den Hauptverkehr im Westen aus war und ihre Bedeutung als Mittelpunkt des Alt - der Stadt hinausführen soll. Er reagierte damit auf stadtlebens schon bald verlieren würde. Und er äus - die Argumente kritischer Stimmen, man solle nicht serte seine Zweifel, ob hier überhaupt der richtige Strassenverläufe nach Brücken ausrichten, sondern Standort für die neue Hochbrücke sei. Den beiden umgekehrt. Diese befürchteten nämlich, mit dem einstigen Initianten, Sinner und Lerber, wurde das Bau der Brücke in der Nydegg seien die Pläne für alles zu viel. Sie stiegen aus dem Projekt aus und eine Tiefenaubrücke für lange Zeit vom Tisch. Ob - verliessen die Gesellschaft. schon schliesslich zehn Gemeinden für die ganz an - dere, ebenfalls oft diskutierte dritte Variante – eine Endlich eine Konzession Brücke beim Kornhaus – stimmten, entschied der Wie dicht man sich den damaligen Strassenverkehr Grosse Rat im Mai 1838 zugunsten eines Standorts von und aus Bern vorzustellen hat, zeigt eine Statis - in der Nydegg und bewilligte der Baugesellschaft im tik der Untertorbrücken-Benutzer zwischen 1829 August die Zollkonzession. und 1835: Täglich überquerten durchschnittlich 5970 Personen, 603 Fuhrwerke, 1060 Pferde und Ein mühsames erstes Baujahr dank instabilem 250 Stück Horn- und Kleinvieh die Brücke. Das Gelände ergab einen beachtlichen jährlichen Brückenzoll von Ein Jahr vor Baubeginn wurde Rudolf von Wurstem - 85‘000 Franken. Da gemäss der neuen Verfassung berger, obschon kein eigentlicher Brückenbauer, von der Kanton für die Strassenpolitik zuständig war, er - der Gesellschaft zum obersten Bauleiter ernannt, suchte die Brückenbau AG 1837 den Grossen Rat und im März 1840 schrieb die Baugesellschaft den  Das Buch von Urs Emch, der zwischen 1980 und um die Baukonzession. Im Gesuch sah der nun end - Posten eines «tüchtigen und zahlungsfähigen» Archi - 1991 die Brückensanierung leitete, erzählt detailliert lich gemeinsam beschlossene Plan eine steinerne tekten aus, der den Bau vor Ort organisieren und die spannende Baugeschichte der Nydeggbrücke. 16 BrunneZytig 22. November 2019 Läbigi Altstadt

hende Sandsteinschicht liegt unterschiedlich tief, teils direkt an der Oberfläche, teils erst in acht Me - tern Tiefe. Mit diesen beachtlichen Unsicherheiten «im Gepäck» wurde in den Jahren 1840 und 1841 nun an den Fundamenten und den Widerlagern der Brückenpfeiler gearbeitet. Und wie befürchtet, hat - ten die Bauleute gleich zu Beginn mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen. Je nach Tiefe des felsi - gen Untergrunds kamen die Baugruben teilweise unterhalb des Wasserspiegels zu liegen. Mit Fang - dämmen aus Holz und Lehm – etwa den heutigen Spundwänden entsprechend – wurden sie wasser - dicht gemacht. Doch ständig sickerte Wasser nach, und die durch Wasserräder in Gang gebrachten Pumpen liefen Tag und Nacht und mussten zeitweise mit grösseren, von je acht Mann bedienten, viel kos - tenintensiveren Geräten ergänzt werden.

Harte Arbeitsbedingungen für die Taglöhner Gleichzeitig musste die Flussschifffahrt in die Matte aufrechterhalten werden. Um dies zu gewährleisten wurden die Thunersee-Schleusen dreimal pro Woche während des ganzen Tages geöffnet. Jedes Mal stieg in Bern die Aare ziemlich schnell um einen  Die Stadt Bern um 1800: Einzig die Untertorbrücke führte über die Aare. (Modell im Massstab 1:500 im Bernischen Meter auf das gewünschte Fahrwasserniveau. An Historischen Museum von 1953, Atelier Georges Amstutz in Zürich). Gut zu sehen, sind die Niveauunterschiede, diesen drei Tagen lag der Brückenbau praktisch welche die Fuhrwerke beidseits der Aare zu überwinden hatten, und die damals noch bestehenden Häuser der still. – Die Baugruben hielten all dem und dem gros - Wendschatzgasse in der Fortsetzung der Junkerngasse. sen Wasserdruck der fliessenden Aare stand – bis im Oktober 1840 das Hochwasser kam. Nach einem gigen Nachschub wäre den nun immer schneller vo - des baulichen Zustandes der Brücke beauftragt wor - Bauunterbruch und Verstärkung der Baugruben ranschreitenden Bauarbeiten schon bald das Mate - den, und leitete die Instandsetzung bis zu ihrem Ab - konnte endlich am 26. Dezember mit einer kleinen rial ausgegangen, und der Zeitplan hätte nicht schluss 1991. In der nächsten Ausgabe der internen Feier der erste Kalksteinquader aus Solo - eingehalten werden können. Trotzdem machten BrunneZytig nehmen wir Sie, liebe Leserinnen und thurn gesetzt und mit dem eigentlichen Fundament - viele kleinere und grössere Vorkommnisse und Leser, gerne mit in den zweiten Teil dieser spannen - bau begonnen werden. Zu verdanken war dies nicht mehrere dadurch verursachte Planänderungen dem den Geschichte. Darin beschreiben wir, wie die Brü - zuletzt auch den vielen Tagelöhnern aus der Schweiz, umtriebigen Bauleiter Müller zu schaffen. Er er - cke Gestalt annimmt, gefeiert wird und trotzdem in Norditalien, Vorarlberg und Savoyen, obschon diese krankte – heute würde man wohl von einem Burn- städtebaulicher Hinsicht eine Fehlplanung war. immer wieder gegen die harten Arbeitsbedingungen out sprechen – und plante, in die USA auszureisen, bei Kälte im und manchmal sogar unter Wasser re - auch um dem bereits drohenden finanziellen Fiasko Das Schlusswort übergeben wir für heute Urs Emch. voltiert hatten. Auch die Steinhauer im Steinbruch zu entgehen. Doch er blieb und machte weiter. Er schreibt in seinem Brückenportrait: «Mich hat in Solothurn leisteten ganze Arbeit. Ohne ihren zü - berührt, dass das kolossale Bauwerk sich aus der Auch die weitere Baugeschichte der Brücke liest sich Sicht der Verkehrsplanung zumindest teilweise als wie ein spannender Roman. Dafür sorgte Bauinge - eine Fehlkonzeption erwiesen hat, doch gehe ich nieur Urs Emch mit seiner 2013 über die Berner heute über die Nydeggbrücke, nehme ich zusätzlich Nydeggbrücke im Haupt-Verlag erschienenen «Ge - zu den drei räumlichen Dimensionen die vierte, die schichte einer bautechnischen Pionierleistung». Zeit, und die fünfte, die Leistung der Vorfahren Emch war 1980 vom Kanton mit der Untersuchung wahr.» ZB

 Nachdruck der Aktie der 1835 gegründeten Baugesell - schaft. An der 150-Jahrfeier der Brücke konnten diese Rathausgasse 21 nostalgischen Sammlerobjekte für 100 Franken ge - 3011 Bern kauft werden. (BrunneZytig 3/1994) 031 311 34 34 mathysgoetschmann.ch

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FRISCHWAREN UND LEBENSMITTEL WIEDER VOR DER HAUSTÜRE Der neue VOI Migros-Partner in der Kramgasse 54 versorgt die Untere Altstadt mit Früchten und Gemüse und vielen anderen Artikeln des täglichen Bedarfs. Die Schwestern Fatime und Fatmire Kamili, die das Geschäft gemeinsam führen, gehören schon lange zur «Migros-Familie» und sor - gen für eine entspannte Stimmung und freundliche Beratung. Endlich gibt es unterhalb des Zyt - glogge wieder einen Lebensmittelladen mit umfassendem Angebot.

Blitzschnell hat sich der Wandel vollzogen: Wo im das Gemüse und die Molkereiangebote – alles aus dem Sommer noch Mäder Wohnkunst kurz einen Ausver - Migros-Sortiment. Dazu kommen aber auch Alkohol- kauf durchführte, lädt jetzt mit neuer Verglasung, und Kioskangebote. Für den täglichen Bedarf ist auf holzgerahmten Scheiben und Eingangstür zur Laube jeden Fall gesorgt. Die Geschäftsleiterinnen sind auch der VOI zum Einkauf. Im August wurde mit dem gerne bereit, zusätzliche Produkte ins Sortiment auf - Umbau des vermutlich grössten ebenerdigen Laden - zunehmen, wenn diese nachgefragt werden. Die Ka - lokals zwischen Kram- und Rathausgasse begonnen. mili-Schwestern verfügen diesbezüglich schon über Und am 24. Oktober war bereits die Eröffnung. Beim einschlägige Erfahrungen, haben sie doch schon ei - Umbau wurde eng mit dem Denkmalschutz zusam - nige Jahre im VOI Fellergut gearbeitet. Fatime hatte mengearbeitet. «Einerseits legte man Wert darauf, den den VOI im Fellergut Mitte 2014 zusammen mit schützenswerten Bestand zu erhalten. Andererseits ihrem Mann übernommen und führt ihn auch jetzt  Die Migros Aare überreicht den Geschäftsführerinnen galt es, den Anforderungen an ein modernes Lebens - noch in Teilzeit. Ihre Schwester Fatmire unterstützte Fatime (links) und Fatmire Kamili einen symbolischen Schlüssel für das Geschäft. Sie übergibt ihnen damit mittelgeschäft gerecht zu werden», betonte Norbert das Ehepaar während einigen Jahren, bevor sie nach nach erfolgreichem Um- und Ausbau auch die Verant - Schulz, Teamleiter Bau bei Migros Aare, anlässlich der Zürich zurückkehrte, wo sie mit ihren Geschwistern wortung für den Kramgass-VOI. kleinen Eröffnungsfeier. Er berichtete, dass während aufgewachsen war. Sie kehrte aber schon nach einem der Umbauphase zwanzig Unternehmen zum Einsatz Jahr wieder nach Bern zurück, als das Angebot kam, das Geschäft als selbständige Unternehmerinnen auf kamen, die sich immer wieder neu absprechen und den VOI in der Kramgasse als Ko-Geschäftsleiterin zu eigene Rechnung und sind damit auch für das Perso - an veränderte Anforderungen anpassen mussten. Als übernehmen. Die Kamili-Schwestern sind schon mit nal zuständig. Das sogenannte Franchisesystem der in der vorderen Ladenhälfte Richtung Kramgasse ein der Migros gross geworden. Fatime spricht denn auch Migros bringt aber mit sich, dass sie einen Grossteil noch gut erhaltener Parkettboden zum Vorschein von der Migros-Familie: «Der Grossvater, der aus des Geschäftsrisikos tragen. Die zwei Frauen sind je - kam, beschloss man, diesen zu erhalten und nur den Nord-Mazedonien eingewandert war, arbeitete in der doch überzeugt und zuversichtlich, dass sie im Quar - hinteren Teil des Geschäfts mit Bodenplatten auszu - Migros-Molkerei. Und der Vater war während einigen tier eine treue Kundschaft finden werden. legen. Dort wurde der zuvor tieferliegende Fussboden Jahren als Chauffeur für die Migros unterwegs gewe - angehoben, so dass durchgehend eine ebene Fläche sen.» Die Töchter führen jetzt die Tradition weiter. Gerne hätten die Geschäftsleiterinnen den Laden auch entstand. am Sonntag geöffnet und das Quartier mit frischen Familiäre Atmosphäre erwünscht Lebensmitteln versorgt. Aber die Bewilligung wurde Erfahrene Geschäftsleiterinnen Fatmire, die 100 Prozent im neuen VOI arbeitet, ge - ihnen (noch?) nicht erteilt, weil sie Angestellte be - Der neue VOI Kramgasse ist nicht riesig im Vergleich fällt das neue Geschäft gerade, weil es gut überschau - schäftigen müssten und der VOI nicht inhabergeführt zu den zahlreichen anderen Migros-Partnern im Kan - bar, also eher klein ist. Sie und ihre Schwester haben sei. Die momentan wenig übersichtliche Regelung be - ton (s. Info-Kasten). Aber der Platz wurde gut genutzt, die sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sie züglich Sonntagsöffnungszeiten in der Unteren Alt - so dass immerhin etwa 2500 verschiedene Artikel in der täglichen Arbeit unterstützen, so ausgesucht, stadt ist aber nicht in Stein gemeisselt und soll in rund zur Auswahl stehen – rund 90 Prozent davon sind dass sie sich möglichst gut ergänzen. Die Erfahrung zweieinhalb Jahren wieder geprüft werden. Migros-Artikel. Besonders geschätzt werden von den habe gezeigt, dass das eine gute Grundlage für die fa - koe Bewohnerinnen und Bewohnern der Unteren Altstadt miliäre Atmosphäre sei, die sie sich für den VOI zweifellos die zahlreichen Frischprodukte, die Früchte, Kramgasse wünschen. Die Kamili-Schwestern führen DER SIEBTE VOI AUF DEM INFO PLATZ BERN

Die Genossenschaft Migros Aare – sie um - fasst die Kantone Bern, Solothurn und Aargau – hat bereits 35 VOI eingerichtet. Das Konzept dieser Nahversorgerlä - den, die kleiner sind als übliche Migros-Geschäfte und ins - besondere Quartiere versorgen, gibt es auch in den Kantonen Zürich, Luzern und Genf. Insgesamt sind heute 55 VOI in Betrieb. Das heisst auch, dass die Migros nichts dem Zufall überlässt bei der Auswahl neuer Standorte. Sie finanziert sowohl die Umbauarbeiten für neue Läden als auch deren Ausstattung. «Unsere Aufgabe besteht weiter darin, die Geschäftsleitung zu suchen und einzusetzen», be - tont Erich Danioth von der Genossenschaft Migros Aare. Dabei werde grosser Wert auf die Erfahrung der neuen VOI-Betreiberinnen und -Betreiber gelegt. Diese dürften aber jederzeit auch Beratung in Anspruch nehmen. Ganz offensichtlich stimmte im VOI Kramgasse das Vertrauens - verhältnis zwischen den Kontaktpersonen von Migros Aare und den Geschäftsführerinnen des VOI von Anfang an: Ge - meinsam füllten sie die Regale ein, um wie geplant das Ge -  Die Verwandlung von Mäder Wohnkunst zum VOI Kramgasse wurde in Rekordzeit vollzogen. Dabei blieb – mit Ausnahme des Parkettbodens im Vordergrund – wenig Altes sichtbar. schäft eröffnen zu können. koe 18 BrunneZytig 22. November 2019 Kramgassleist

VORFREUDE AUF EINEN BERUFLICHEN NEUANFANG: und ins Lager brachte. «Ich war 12 oder 13 Jahre, als ich im Ausverkauf meine ersten Schuhe verkau - «MEIN LEBEN NIMMT NOCH EINE WEITERE KURVE!» fen durfte. Die Leute haben Freude gehabt, wenn da Auf Ende Jahr schliesst nach fast 15 Jahren das Schuhgeschäft «Nina» an der Kramgasse 79 so ein Modi gekommen ist. Und ich war stolz, na seine Türe. Der Grund ist derselbe wie bei so vielen Geschäftsaufgaben der letzten Zeit in unse - klar!» Verschmitzt lächelnd schaut mich Gaby an. «Also wenn du so willst,» kichert sie, «bin ich 56 rem Quartier: Umsatz und Miete disharmonieren. Das Geschäft mit hochwertigen Damenschu - Jahre in der Schuhbranche gewesen.» hen, gerade auch für eine ältere Kundschaft, rechnete sich nach Abzug der Mietkosten zu wenig. Als Folge der Geschäftsschliessung wird ein seit Jahrzehnten vertrautes Gesicht die Kramgasse Für Gaby war es keine Frage, dass sie ins elterliche verlassen, Gabriela Hagen. Mit ihrem Weggang verliert auch der Kramgassleist ein langjähriges, Schuhgeschäft einsteigen würde. Nach ihrer Schul - verdienstvolles Vorstandsmitglied. Barbara Büttner hat mit ihrer Noch-Vorstandskollegin Gaby zeit absolvierte sie eine kaufmännische Ausbildung über ihr Leben als Schuhkauffrau und über ihre Zukunftspläne gesprochen. in der Handelsschule, lernte Französisch in Freiburg und Italienisch in Florenz, wo es ihr überaus gefiel, wie sie noch Jahrzehnte später in der «Harmonie» mit leuchtenden Augen und nachgerade schwärme - rischer Begeisterung erzählt. Zurück aus Florenz warf sich Gaby mit ganzer Kraft in die Arbeit im el - terlichen Schuhgeschäft. Doch Ende 2003 schloss «Schuhe Büchler». Die neuen Hausbesitzer gingen daran, das Haus so umzubauen, dass dem Schuhge - schäft «weniger Platz für mehr Mietzins zur Verfü - gung stünde, was sich in dieser Branche schlecht verträgt», wie damals die BrunneZytig trocken ver - merkte. Gaby selbst mag darüber nicht mehr reden. «Klar hätte ich damals das Geschäft gerne weiterge - führt, aber das hat nicht sollen sein. Fertig!», sagt sie mit fester Stimme. Typisch Gaby, nicht zurück - schauen, sondern den Blick nach vorne richten.

Heimkommen in die Kramgasse Ein zehnmonatiges Intermezzo als stellvertretende Filialleiterin bei Ochsner Schuhe am schloss sich an. Nicht ganz ihre Traumstelle. Aber Gaby findet noch heute, «lieber arbeiten, als Arbeits - Gaby Hagen: Nach rund vier Jahrzehnten in der Schuhbranche will sie nochmals durchstarten und einen beruflichen  losengeld vom RAV beziehen». Im April 2005 kehrte Neuanfang als «Sachbearbeiterin Treuhand» wagen. Gaby Hagen zurück in die Kramgasse – als Leiterin des Schuhgeschäfts «Nina», einer Filiale der traditi - Entspannt und beinahe vergnügt sitzt die hochge - Bisher war Gaby mit Leib und Seele Schuhverkäu - onsreichen Luzerner Schuhfirma Imgrüth, die er - wachsene, schlanke Frau bei unserem Treffen in der ferin. Präziser wäre wohl die Bezeichnung «Schuh - folgreich mit ihrem Bequemschuh-Konzept «Harmonie» am Tisch. Schnell wird klar, den Schock beraterin», setzte sie doch ihren ganzen Ehrgeiz expandierte. «Es war wie ein Heimkommen an den über die Geschäftsaufgabe und den damit einherge - daran, einer Kundin den «richtigen Schuh» zu ver - Ort, wo ich aufgewachsen bin», sagt sie fröhlich. Bis henden Verlust ihrer Stelle als Filialleiterin hat Gaby kaufen. Einen, der zum Stil der Kundin ebenso per - 2011 lief das Geschäft sehr gut. Dann aber bröckelte längst verdaut. Gaby ist eben eine Zupackende, fekt passt wie an deren Fuss. «Schuhe waren meine der Umsatz jedes Jahr ein bisschen weiter, während keine, die sich in schwierigen Situationen in Selbst - Berufung» stellt sie fast beiläufig fest. Eigentlich der Mietzins gleich hoch blieb. Schuld am Umsatz - mitleid ergeht. Vorwärtsschauen, positiv denken und führte sie damit eine Familientradition fort. Schon rückgang seien allerdings am wenigsten die Billig - nicht die Hände in den Schoss legen, ist ihre Devise. ihr Urgrossvater, ihr Grossvater und ihr Vater hatten schuhläden gewesen, verneint sie meine So kenne ich Gaby aus den Vorstandssitzungen. Des - das Schuhmacher-Handwerk erlernt. Gaby selbst entsprechende Frage. «Wenn sich ein Schnäppchen - halb erstaunt es mich nicht als sie erzählt, dass sie war gerade einmal ein Jahr alt, als ihre Eltern, Toni einkauf als Fehler herausgestellt hat, dann sind die sich innert 14 Tagen nach Ankündigung der Ge - und Doris Hagen, 1964 ihr erstes Schuhgeschäft Kundinnen meist schnell wieder zu uns zurückge - schäftsschliessung einen Plan für die restlichen Jahre übernahmen. Gleichsam mit der Muttermilch sog kommen.» Gaby schmunzelt. «Sie haben sich gesagt, ihres aktiven Berufslebens zurechtgelegt hat. «Ich das bébé dort den unverwechselbaren Lederduft lieber zahle ich ein bisschen mehr, aber dann habe möchte in den letzten acht Jahren etwas machen, das neuer Schuhe ein. 1972 erwarben die Eltern das ich haltbare Qualität.» mir gleich viel Spass macht wie das, was ich bisher Traditionsgeschäft «Schuhe Büchler» an der Kram - getan habe», sagt die 57-Jährige lebhaft und unter - gasse 71. Auch dort war die heranwachsende Gaby Die Kauffrau ortet im Wesentlichen drei Gründe für streicht ihre Worte mit einem energischen Klopfen mit von der Partie und verdiente sich ihr erstes Ta - die Umsatzrückgänge beim Schuhverkauf. Zum auf die Tischplatte. schengeld, indem sie Schuhe auspackte, anschrieb einen das Alter ihrer Kundinnen. «Je älter man wird,

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Vorwissens eine «rechte Herausforderung» sein wird. Aber das ist genau das, was sie reizt. Natürlich hat Gaby, Realistin, die sie ist, sich auch vorab infor - miert, wie ihre Chancen stehen, als Quereinsteigerin eine Stelle zu finden. Dass die Antworten einhellig positiv ausfielen, ist ein zusätzlicher Motivations - schub. «Mein Ziel ist, jetzt so schnell wie möglich eine Stelle zu finden, damit ich neben der Theorie auch berufliche Praxis sammeln kann», sagt sie energisch. Eine erwartungsvolle Aufbruchsstimmung hat sie erfasst, sie steckt voller Elan. «Mein Leben nimmt nochmals eine Kurve – und das finde ich sehr span - nend!»

In dieser Kurve wird allerdings kein Platz mehr sein für ihr Vorstandsmandat beim Leist, das sie seit 2007 innehat. Denn Gaby wird die Kramgasse die - ses Mal wohl definitiv verlassen – und sie ist dezi - diert der Meinung, dass im Leistvorstand nur Leute sitzen sollten, die sich einsetzen wollen für die Un - terstadt, weil sie hier wohnen oder ein Geschäft  Zwischen Schuhen und Monet: Schon als Kind sammelte Gaby im elterlichen Geschäft an der Kramgasse erste Ver - haben. Die Vorstandsarbeit werde ihr fehlen, sagt kaufserfahrungen. Ganz rechts vor der Bilderwand ist Gaby zu erahnen. (Foto: zVg) sie. So wie sie dem Vorstand mit ihrer Verlässlich - keit, ihrem Pragmatismus, ihrem Humor. Mehr als umso weniger braucht man», hat sie beobachtet, ausgemacht. «Die Leute setzen heute andere Priori - ein Dutzend Kulturanlässe hat sie für die Leistmit - auch im Familienkreis. Zum anderen sparten die täten. Sie geben ihr Geld vor allem für Reisen und glieder organisiert, die ausnahmslos auf grosses In - Leute mehr. «Wenn du keine Zinsen mehr kriegst auf Genuss aus, für gutes Essen und Trinken.» Gaby teresse und Begeisterung stiessen, wie zuletzt Ende dein Erspartes oder dein Vermögen, dann kann das muss lachen, denn sie macht es nicht anders. «Und Oktober der Besuch im Stadttheater. Am ersten Ad - Geld schnell knapp werden.» Doch als den wichtigs - wenn ich in den Ferien etwas Schönes sehe, kaufe vent wird sie nochmals den Besuch des Nikolaus in ten Faktor hat Gaby ein geänderte Konsumverhalten ich auch.» der Kramgasse organisieren, der – wie jeder hohe Besuch – einiges an Aufwand abverlangt. Leistmit - Aufbruch zu neuen Ufern glied aber werde sie auch nach ihrem Weggang blei - Natürlich bedauert sie die Geschäftsschliessung «Wir ben, «selbstverständlich», lacht sie und verspricht, haben fast 15 wirklich gute Jahre gehabt, mit einer dass sie den Kontakt nicht völlig abreissen lassen angenehmen, kultivierten Kundschaft und zahlrei - wolle. «Es war eine so gute Zeit!» Nun klingt sie doch chen Stammkundinnen, zum Teil noch aus Büchler- ein bisschen wehmütig. Zeiten.» Doch Gaby wäre nicht Gaby, würde sie ihrem Stellenverlust nicht eine positive Seite abge - Ja, es waren gute Jahre mit dir, Gaby. Deshalb stossen winnen. «Ich muss noch acht Jahre arbeiten. Jetzt wir an: Auf eine neue, gute Zeit! kann ich wirklich noch etwas ganz Neues anfangen. babü Da bietet sich mir eine ganz neue Chance», strahlt sie. Für diese Chance sagt sie ohne Bedauern der Schuhbranche ade, denn sie hat sich auf ein anderes ihrer Talente besonnen: ihre Affinität zu Zahlen und an ein Praktikum erinnert, das sie während ihrer Handelsschulzeit bei einer Buchhaltungs- und Treu - handstelle des Gewerbeverbands absolvierte und ihr damals schon gut gefiel. «Sachbearbeiterin Treu - hand» lautet ihr neues Berufsziel, das sie, kaum war ihr Entschluss gereift, umgehend anging. Seit einigen Wochen absolviert sie bei der Schweizerischen  Beeindruckender Blick hinter die Kulissen des Stadt - Treuhänderschule STS in Zürich einen einjährigen, theaters: Die hochmoderne Bühnen- und Lichttechnik berufsbegleitenden Lehrgang, mit Schultagen und faszinierte die 30 Leistmitglieder besonders, die am reichlich Selbststudium auf einer Online-Lernplatt - letzten Kulturanlass teilnahmen, den Gaby Hagen für den Kramgassleist organisiert hat. form. (Foto: Tom Grunder) Sie weiss, dass die Ausbildung trotz eines gewissen

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NEUER GLANZ FÜR EIN ARCHITEKTONISCHES BIJOU fassende und unumgängliche Gesamtsanierung an – nicht nur innen, sondern auch aussen. Historisch ausserordentlich wertvoll, aber in einem schlechten Zustand. So lässt sich das Wohn - haus an der in wenigen Worten umschreiben. Darum steht im kommenden Jahr Das geschieht im Innern … eine umfassende Gesamtsanierung an, die unter anderem mehr Wohnraum, mehr Komfort und Die letzte Innensanierung war zu Beginn der aufgewertete Hangterrassen mit sich bringt. Der Weiterbetrieb der Blumengärtnerei an dersel - 1980er Jahre. In den Nullerjahren ersetzte eine Gas - ben Adresse ist auch für die Zeit der Arbeiten sichergestellt. anlage die veraltete Ölheizung, vor zehn Jahren wur - den dann unter anderem am Dach die dringendsten Arbeiten ausgeführt. Die jetzt anstehende Sanierung sieht folgende Massnahmen vor: • Die drei 7 ½-Zimmer-Wohnungen erhalten eine zusätzliche Nasszelle, was den heutigen Anforde - rungen an Wohnungen dieser Grösse entspricht. • Zwei der erwähnten Wohnungen – jene im 1. und 2. Stock – erhalten neu einen Balkon, was diese aufwertet. • Im Erdgeschoss wird die bestehende 1 ½-Zimmer- Wohnung separat abgetrennt, während im 3. Stock zusätzlicher Wohnraum entsteht – konkret  zwei 2½-Zimmer-Wohnungen und drei Mansar - den. • Ein Grossteil der Fenster wird ersetzt. Dadurch und auch dank einer neuen Decke des Dachge - schosses verbessert sich die Wärmedämmung, und der Energieverbrauch sinkt. • Neben einer neuen Haustechnik wird das Haus auch mit einer modernen Brandmeldeanlage nach dem Prinzip von «CasaSegura» ausgerüstet.

… und das ändert sich im Aussenbereich Auch die Umgebung des Von-Wattenwyl-Hauses ist Teil der geplanten Sanierung – insbesondere jene  Bereits auf dem Sickinger-Plan von 1607 ist das heutige Haus Herrengasse 23 mit seinen markanten Gartenterrassen gut sichtbar . (Burgerbibliothek Bern, Gr.B.570. Seite, die südlich hangabwärts Richtung Aare ver - läuft: Könnte ein Haus wie wir Menschen Geschichten er - der in der Herrengasse 23 ab 1942 ein Spionage - • Die Treppen und Sandsteinmauern werden repa - zählen, das Wohngebäude an der Herrengasse 23 netz gegen Deutschland aufbaute. riert. hätte viele Anekdoten auf Lager. Sehr viele sogar, • Anhand historischer Aufnahmen werden die his - zum Beispiel von der Prinzessin von Hessen, die dort Die Anfänge des Von-Wattenwyl-Hauses reichen bis torischen Spalierdächer wieder hergestellt. Sie auf der Durchreise nach Savoyen Mitte des 18. Jahr - ins 16. Jahrhundert zurück. Das Haus erfuhr im schützen den Sandstein vor Verwitterung und hunderts logierte, mit nicht weniger als 77 Kutschen, Laufe der Jahrhunderte viele Umgestaltungen. Nun Vandalismus. 50 Reisewagen und 148 beladenen Maultieren im wird sich bald ein weiteres Kapitel in die lange Ge - • Im Bereich der Gärtnerei werden die Gewächs - Tross. Oder vom späteren CIA-Direktor Allan Dulles, schichte des Hauses einreihen: 2020 steht eine um - häuser und Unterstände etwas zurückgebaut und vor allem instand gestellt.

Blumengärtnerei in Planung einbezogen Mit der «Blumengärtnerei Ellenberger & Fuhrimann» wird ein Gewerbebetrieb direkt von der Sanierung betroffen sein. Die Bauherrin, die Burgergemeinde Bern, hat beide Inhaberinnen frühzeitig in die Pla - nung involviert, damit der Betrieb auch während des Umbaus möglichst gut weiterlaufen kann. «Uns war wichtig, dass die Pflanzflächen soweit wie nur mög - lich erhalten werden, und das Blumengeschäft auch nach der Sanierung an diesem Standort weiterbe - trieben werden kann», betont Reto Wirz, zuständiger Projektleiter bei der Burgergemeinde Bern. Er ist sich der Verantwortung und Tradition bewusst. Denn immerhin ist die Blumengärtnerei nicht ir - gendein Betrieb in der Herrengasse, sondern einer, der seit 70 Jahren besteht.

Sehr stark von der Sanierung betroffen sind die Mieterinnen und Mieter der Wohnungen. Auch sie wurden frühzeitig informiert – und auch darüber,  Blick vom Kirchenfeld auf das dominante Gebäude ganz rechts und die Hangterrassen. Links die alte Hochschule und die Lateinschule mit dem Rundtürmchen. Beide Gebäude mussten dem Neubau des Casinos respektive der Verlänge - dass sie während der Bauphase aus den Wohnungen rung der Herrengasse zum Casinoplatz hin weichen. (Burgerbibliothek Bern, Fotographie um vor 1905, FN.G.B.48) ziehen müssen. «Eine solch umfassende Sanierung BrunneZytig 21 Kesslergass-Gesellschaft 22. November 2019

mit Eingriffen in alle Räume inklusive Rückbau von Küchen, Bädern sowie Wand- und Bodenbelägen LEIDENSCHAFTLICH NEUGIERIG AUF‘S VORMALS machen eine Sanierung im bewohnten Zustand lei - VERHÜLLTE EINSTEIN-CAFÉ der unmöglich», erklärt Reto Wirz. Die bisherigen Hatten Sie mal durch das Guckloch geschaut? Das darüber notierte Einstein’sche Zitat «Ich Bewohnerinnen und Bewohner erhalten aber das habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig» erspäht und die Vorrecht, nach den Arbeiten «ihre» Wohnungen wieder mieten zu können. mit «jetzt reicht’s» schliessende Wandzeitung auf der drei Monate geschlossenen Café-Front gelesen? Seit 20. November ist das «Einstein» wieder geöffnet. Doch zuvor hatte uns Geschäfts - Lange Geschichte in mehreren Baustilen leiter Tobias Eastus Einblick gewährt ins komplexe Geschehen während des Umbaus. Das Von-Wattenwyl-Haus (übrigens nicht zu ver - wechseln mit dem gleichnamigen Haus an der Jun - Wenn Tramschienen beim Geleise-Dreieck am Zyt - kerngasse) gilt als historisch ausserordentlich glogge bereits nach acht Jahren Gebrauch wieder er - wertvoll, seine Geschichte reicht bis ins Spätmittel - setzt werden mussten, erstaunt uns dies. Dass alter zurück. Spätestens um 1600 wurden an dieser solches, in anderer Form halt, beim «Einstein-Café Adresse mehrere schmale Häuser zusammenge - & Bel Etage» nach gleicher Zeitspanne passiert, ist schlossen. Auf einem Plan aus dem Jahr 1607 zeigt gewissermassen dem selben Umstand zuzuschrei - sich die Liegenschaft als stolzes spätgotisches Kopf - ben. Nämlich der beachtlichen Steigerung der Fre - haus mit geräumiger Terrasse hin zur Aarehalde. Die quenzen und des Mehrgebrauchs der Infrastruk- Terrassen waren bereits einige Jahrzehnte zuvor er - turen. Seit April 2011 ist das «Einstein» an sieben stellt worden. Schliesslich bekamen die Terrassen in Tagen von morgen früh bis abends spät geöffnet. Im den 1760er Jahren die heutige Form. Um 1690 ver - Mai 2015 wurde dazu (bei gleichbleibender Be - wandelte eine Neugestaltung die Aussenansicht des triebsstruktur) das «Einstein au Jardin» eröffnet und, Wohnhauses in einen Frühbarockbau mit einem auf noch nicht lange her, der Catering-Service auf dem Nord-Süd ausgerichteten First und westlich hervor - Münsterturm eingerichtet. Die Belastung für die Ein - tretendem Treppenturm. Zwischen 1730 und 1740 richtungen, besonders im Büffet-, Küchen- und Ser - veränderte ein umfassender spätbarocker Umbau vicebereich im Stammrestaurant, war dement - die äussere und vor allem innere Erscheinung er - sprechend sehr gross und Abnutzungsschäden an neut; nur wenig später wurde die Liegenschaft an Gerätschaften und Inventar immens, vernahmen wir David Salomon von Wattenwyl, den heutigen Na - im Gespräch mit Geschäftsleiter Eastus. mensgeber, verkauft. Für die spätbarocke Umgestal - tung um 1730 –1740 zeichnet niemand geringer als Für die dreimonatige Sanierung des Restaurants  Sicht vom Münstergass-Eingang: «Stromer» (Elektri - der grosse Architekt Erasmus Ritter verantwortlich, zwischen Münster- und Kramgasse galt höchste ker) am Werk. Scheinbares Elektro- und sonstiges die Herrengasse gilt als eines seiner Meisterwerke. Dringlichkeitsstufe, angesichts der immer häufiger Schlauchgewirr in Reih und Glied am Standort der zukünftigen Büffet-Insel. Seit 1954 gehört die Liegenschaft der Burgerge - aufgetretenen Schäden wie Kurzschlüsse, Wasserein - meinde Bern, die das Haus mitten im UNESCO- brüche und ähnliches. Und das wohlverstanden bei richtig zur Sache. Nehmen Sie bei Ihrem nächsten Weltkulturerbe nun behutsam umbauen lässt. laufendem Betrieb und meist starker Auslastung des Besuch im «Einstein» einen Augenschein an Ort und Platzangebots! All jenen, denen die Innenarchitektur lassen Sie sich in «leidenschaftlicher Neugier» vom Die Arbeiten starten am kommenden 6. Januar, der und Dekoration der Gästeräume in all den Jahren ans Team, von Marc Hayoz, Alan Rodel, Natalie Piller und Abschluss ist für Ende 2020/Anfang 2021 geplant. Herz gewachsen ist, sei hier gesagt, alles besteht wei - anderen mehr, zwischen zwei Kaffees oder bevor Ihr Damit der historische Wert des Gebäudes und der ter und auch beim Cheminée ist wieder das Knistern schon bestelltes Dessert eintrifft, von den Vorzügen Umgebung nicht verlorengeht, begleitet die städti - des Feuers zu vernehmen. Beim Büffetbereich und in der neuen Büffet-Insel und ihrem optimierten Ar - sche Denkmalpflege die Planungen von Anfang an. der Infrastruktur dagegen ging man, den erlebten beitsumfeld berichten. Die Kosten der Gesamtsanierung betragen rund 7,4 rund sechszehn Schadenfällen Rechnung tragend, so sw Millionen Franken, welche die Burgergemeinde Bern trägt.

Damit wird der Weg geebnet sein, dass das Meister - werk von Erasmus Ritter inklusive seiner markanten Terrassen weitere spannende Geschichten erlebt, die spätere Generationen weitererzählen können. CE/Pascal Mathis

 Büffet-Tresen im Aufbau (Sicht Seite Münstergasse).  Eingangsbereich Münstergasse, Tür mit Einstein-Zitat Schreiner und Innenausbauer am Werk. und die Sache mit dem Guckloch. 22 BrunneZytig 22. November 2019 Kesslergass-Gesellschaft

MÜNSTER AKTUELL die beiden Glockenstuben. Kosten: Erwachsene Sa, 14. Dezember, 20.00 Uhr CHF 20.-, AHV 18.-, Kinder 10.- So, 15. Dezember, 17.00 Uhr Anmeldung: Infostelle Münster, 031 312 04 62. Weihnachtsoratorium, Johann Sebastian Bach FÜHRUNGEN, KONZERTE, ANLÄSSE Teilnehmerzahl beschränkt Berner Kammerchor, Bern Consort Sa, 23. November, 13.45 Uhr Leitung: Jörg Ritter Sa, 28. Dezember, 13.45 Uhr KONZERTE Führung für Kinder ab 4 Jahren: Hasefritz und Sa, 21. Dezember, 20.00 Uhr Sa, 30. November, 20.00 Uhr Mattenedi So, 22. Dezember, 17.00 Uhr So, 1. Dezember, 15.00 Uhr Auf Bärndütsch, mit lustigen Geschichten! Weihnachtsoratorium, Johann Sebastian Bach Et in terra pax – Adventskonzerte 2019 Kosten: Erwachsene CHF 10.- , Kinder 5.- Ensemble: Les Passions de l’Ame, Orchester für Antonio Vivaldi, Johann Sebastian Bach, Münster - Alte Musik Bern So, 24. November, 14.00 Uhr chor Bern, Konzertverein Bern Berner Münster Kinder- und Jugendchor So, 25. Dezember, 14.00 Uhr Camerata Vivaldiana Leitung: Johannes Günther Das Münster entdecken Leitung: Fritz Krämer Kosten: Erwachsene CHF 15.- So, 12. Januar 2020, 17.00 Uhr Chorkonzert der Engadiner Kantorei Mi, 4. Dezember, 19.00 Uhr Leitung: Stefan Albrecht, Katharina Jud Mi 18. Dezember, 19.00 Uhr Do, 26. Dezember, 17.00 Uhr LITERATUR UND MUSIK Mi, 1. Januar 2020, 16.30 Uhr WORT KLANG RÄUME, jeweils 19.30 Uhr Führung: Engel – unbekannte Schönheiten Di, 10. Dezember, All das Ungesagte Kosten: Erwachsene CHF 20. –, AHV 18. – Alfred Bodenheimer, Worte Do, 12. Dezember, 19.00 Uhr Daniel Zisman, Violine Vollmondturmapéro mit der Turmwartin über Daniel Glaus, Orgel den Dächern von Bern. Di, 14. Januar 2020, Das erste Wort, das ich in Kosten: CHF 30.- (alles inklusive) Prenzlau hörte, war «Zigeuner» Anmeldung: 079 760 26 74 oder Barbara Honigmann, Worte [email protected] David Kaetz, Klarinette, Blockflöten, Hang Daniel Glaus, Orgel Sa, 7. Dezember, 11.30 bis 16.00 Uhr Di, 11. Februar, Weltjudentum: doch alles wahr? Der Samichlous im TurmBistro des Gewölbesaals Thomas Meyer, Worte im Berner Münster Alexander Kaganovsky, Violoncello Mit Kaffee, Tee und hausgemachtem Kuchen Daniel Glaus, Orgel Di, 31. Dezember, 13.30 bis 15.15 Uhr Di, 10. März, Written Word Führung: Die Münsterglocken hautnah – grosse Kathy Zarnegin, Worte Glockenführung mit Sigrist und Betriebsleiter Felix Helena Winkelmann, Violine  Münster Bern. Illustration Jooce Garrett aus «BERNS Gerber. Von der Steuerung der Glocken hinauf in VERBORGENE GESCHICHTEN»- (Der Gesamtprospekt liegt im Münster auf) sw

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Für Ihre Adventsdekorationen finden Sie am Blumenstand Komminoth in der Gurten- und Münstergasse eine grosse Auswahl an Koniferen, Stechpalmen, Misteln, Blau- und Weisstannen sowie fertige Adventskränze. Am Samstag, 30. November 2019 stellen wir unseren Verkauf an den Marktständen Gurten- und Münstergasse bis anfangs März 2020 ein. Wir wünschen all unseren Kundinnen und Kunden schon jetzt schöne und erholsame Festtage und danken herzlich für das uns immer wieder entgegengebrachte Vertrauen. Barbara und Christian KOMMINOTH mit Mitarbeiterinnen Lenglod 5, 3182 Ueberstorf, Tel. 0 31 741 05 08 www.komminoth.com BrunneZytig 23 Kesslergass-Gesellschaft 22. November 2019

DIE FROH GESINNTE TAFELRUNDE DES DANIEL SCHMIDT Ein Gebäudedurchstich in der Doppelliegenschaft Münstergasse 54 / Kramgasse 59 ist beschlossene Sache. Damit geht ein weiteres Restaurant «in den Spagat». Ab Herbst 2021 verbindet das Restaurant (wie bereits das Einstein-Café) die beiden Altstadtgassen. Ob der Betrieb dann aber immer noch «Froh-Sinn» heissen wird und sein Wirt Daniel Schmidt – das ist derzeit noch unklar. Sicher ist: Der bestehende Vertrag für die hei - melige Altstadtbeiz läuft wegen der Umbauarbeiten bereits Ende April 2020 aus.

Nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern seien rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden, dass ihr schon 2017 sei die Sanierung der renovierungsrei - Mietverhältnis nach dem Umbau nicht fortgesetzt fen Liegenschaften Münstergasse 54 und Kramgasse werde. Dies treffe auch das Waffengeschäft Poyet 59 thematisiert und bereits ab Mietbeginn 2008 mit (siehe BrunneZytig 3/2019, Seite 26), welches, seit befristeten und zweimal verlängerten Verträgen 55 Jahren in der Kramgasse 59 eingemietet, nun beim «Froh-Sinn» Rechnung getragen worden. Die von der Altstadt wegziehe. Burgergemeinde Bern als Bauherrin rechne mit mindestens achtzehn Monaten Umbauzeit, plane in Schlaflose oder zumindest unruhige Nächte den Obergeschossen eine verdichtete Wohnnutzung würden in den Monaten vor dem Schlussgong und sowie den Rückbau des zukünftig für Gäste zugäng - erst recht während des langen Time-Outs während lichen Innenhofs, in welchen in den 70er-Jahren die des Umbaus auf ihn warten, sagt Dani Schmidt, der Küche unschön platziert worden sei, sagte uns die Wirt vom «Froh-Sinn». Umso mehr auch, weil das Kommunikations-Verantwortliche Stefanie Gerber von ihm erhoffte weitere Wirken mit neuem Raum- Frösch auf Anfrage. und Platzangebot als Vision noch auf unsicheren Füssen steht. Dani Schmidt erlernte das Kochen im Andock-Modell: Das Casino Bern als neue Hotel Aletsch auf der Bettmeralp, verfeinerte sein Restaurant-Betreiberin Können in den Stationen Dolder Zürich, Interconti - Entsprechend werde dann eine Produktionsküche nental Montreux und London. Nach einem Engage - fehlen und die Fläche im Erdgeschoss eigne sich ment in Kanada schliesslich führte er (nun nicht mehr für einen eigenständigen Gastronomie - selbständig) während sieben Jahren den «Unteren betrieb. Voraussetzung sei die Ankoppelung an einen Juker» (heute «Einstein-Café»), genoss die Rolle als «My home is my kitchen». Küchenchef Dani «en mar - anderen grossen Betrieb. Das Casino Bern und die umtriebiger Gastgeber mit Walliser-Wurzeln, war  che» auf seiner Wohlfühlinsel. Burgergemeinde würden die Fläche im Erdgeschoss von Beginn an auf gute Gespräche und nachhaltige betreiben, erläutert Stefanie Gerber Frösch. Auf Sei - Kontakte mit seinen Gästen bedacht und schuf sich schützt werden. Verständlich darum umso mehr, ten Kramgasse sei ein Ladenlokal als Schaufenster so einen engagierten Gästekreis, welcher sich beim dass der umsichtige Patron schon jetzt nach einem für die vielfältigen Engagements der Burgerge - Umzug in den heutigen «Froh-Sinn» an der Müns - geeigneten und vor allem preisgünstigen Lagerraum meinde vorgesehen, unter anderem mit Produkten tergasse 54 fast vollzählig als «integriertes Zügelgut» seine Fühler ausstreckt und auf diesbezügliche Hin - aus den landwirtschaftlichen Pachtbetrieben. Ziel bei offenen Türen und Toren wiederfinden durfte. weise und Hilfestellungen aus seinem Gäste- und der Sanierung sei der Erhalt der beiden Liegenschaf - Bekanntenkreis hofft. ten sowie der geschützten Bausubstanz nach denk - Im Frühjahr 2020 geht Dani Schmidt also wieder malpflegerischen Aspekten und die Schaffung von ans Packen. Sein gesamtes Inventar samt Mobiliar, Kleine Hommage an das «lebende Inventar», mehr Wohnraum und Arbeitsplätzen. Ein totaler Maschinen, Geräten und Zubehör muss während der das die edlen Tropfen kredenzt, mit Tabletts voll le - Leerstand aller Räumlichkeiten ab Mai 2020 sei Umbauphase sorgfältig verstaut und verpackt für ckerer Speisen geschickt durch die Gästeschar la - unter diesen Aspekten unumgänglich. Die Mieter eine eventuelle Wiederverwendung gelagert und ge - viert, die Mise en Place im Auge behält oder zum Inkasso mit dem prall dimensionierten Portemon - naie schon beim «ersten Zahlungsversuch» reagiert. Junge, quirlige Frontleute (zur Hauptsache Student- Innen) sind des Froh-Sinns Visitenkarte und zu den Personalessenszeiten, einer grossen Familie gleich vor oder im Restaurant an der «Gastro-Meile» mit Chef Dani beim gemeinsamen Tafeln anzutreffen. Als letzte tilgen sie spätnachts die Spuren der Gäste, legen Tische und Stühle im Gassen-Outback «an die Kette», wischen hier und reiben dort und checken bereits die Agenda für den kommenden Tag. Und so können sie sich als Teil eines Betriebes mit flacher Hierarchie und klug abgestützter Eigeninitiative eines gut geölten AllroundTeams fühlen – und die Gäste es sich wohlergehen lassen. Eben darum und erst recht mit ihrem Verbleib bis zur Umbau-Pause, dürfe ein solcherart wirkendes Miteinander nicht hoch genug eingeschätzt werden, unterstrich Dani Schmidt. Und ebenso positiv verortet er sich in der Hoffnung, dass dereinst bei der Eröffnungs-Gala in der frisch sanierten Liegenschaft zwischen den zwei Gassen, sich der alte Geist in froh gesinnter Tafel - runde und illustrer Gästeschar wiederfinden möge. sw  Patron Dani Schmidt mit versammeltem AllroundTeam im «Froh-Sinn». 24 BrunneZytig 22. November 2019 Leist der Untern Stadt

BESUCH IN DER WERKSTATT DES ORGELBAUERS Notenpult wird und so den Blick freigibt auf die Tas - tenreihe. 51 Tasten sind es, schwarze Obertasten, Junkerngasse. Dort, wo der Brunnen eine rasche Entscheidung fordert, ob rechts vorbei oder mit Buchsbaumbelegte Untertasten, nicht weisse wie links, befindet sich ein Kellereingang, zur Laube hin, schmiedeeisern umzäunt, so wie das bei bei einem Klavier. Auch sind sie etliches kürzer als den vielen Kellereingängen an den Gassen eben üblich ist. Absolut unauffällig, kein Schild, keine Klaviertasten. Am Boden neben dem Instrument Vitrine, kein Logo, nichts. Dem Aussehen nach wird dieser Keller nicht mehr gebraucht. Weit steht eine zweite, viel kleinere Kiste aus demselben gefehlt! Holz. Drin ist das Gebläse untergebracht, am Strom angeschlossen, versorgt es die Pfeifen mit der nöti - gen Luft. Jetzt ist es spielbereit. Sein heller, klarer Jürg Brunner geht mir voran. Eben hat er mich auf Brunner Komponist, Spezialist für barocke Musik, Orgelton füllt den Raum, Jürg Brunner spielt ein den steilen Abstieg, die hohen Stufen aufmerksam Improvisator, Cembalist und Pianist. Hier im Keller kleines barockes Kadenzchen. gemacht, halbseitig Treppe, halbseitig Rampe. «Nötig aber ist er Orgelbauer. für den Transport, hinunter für die Maschinen und Organist und Orgelbauer das Material, hinauf für die fertige Orgel», werde ich Sein fertig gebautes Instrument steht, hochgezogen Orgeln dieser Art sind sogenannte Orgelpositive. Es informiert. Damit ist endlich gesagt, was hier in die - aus diesem Keller, in einem eigenen Raum an der sind kleine, transportable Orgeln, meistens mit nur sem Keller geschieht: Orgelbau. Gasse. Geschlossen steht es da, erinnert seiner einem Manual und ohne Pedale. Sie dienen zum Mit - Grösse wegen an eine Truhe. Höhe, Breite und Tiefe spiel beim Chorgesang oder Ensemblespiel, lassen Maschinen zur Holzbearbeitung messen 75 auf 110 auf 54 Zentimeter. Die Vorder - sich frei platzieren und ermöglichen damit ein Mit - Die Treppe führt mit hohen Tritten hinunter und seite ist durchbrochen mit rankenden Ornamenten. wirken mitten im Geschehen. Je nach Aufführungs - steht man unten, schaut man staunend in das hohe Doch was ist bei einem Tasteninstrument die Vor - ort kann ein Positiv eine Orgel ersetzen oder ein und helle Gewölbe. Selbst in dieser Tiefe ist den derseite? Nicht eher die mit den Tasten? Noch sind kleines Ensemble harmonisch ergänzen. Raumdimensionen abzulesen, dass wohlhabende sie versteckt. Jürg Brunner entfernt eine Holzabde - Herrschaften hier bauten, dazumal. Sauber ver - ckung, klappt das Deckblatt hoch, das damit zum Das von Jürg Brunner gebaute Positiv hat er genau putzte Wände, trocken, warm, das heisst ideal zum auf seine Bedürfnisse zugeschnitten. Es muss mit Lagern und Verarbeiten von Hölzern. Den Wänden dem eigenen Auto transportierbar sein, das Gewicht entlang stehen Werkbänke, Schränke, Tische; Werk - muss mit zwei Trägern zu stemmen sein, es muss zeug auf Tablaren, in Kisten, nach Grösse gereihte eine einfache und direkte Zugänglichkeit zu den Schraubzwingen und Schraubenzieher in Gestellen. Pfeifen haben wegen des häufigen Stimmens, und es Da ordnet ein an Orgelpfeifen gewöhntes Auge. Zwei muss die Tonhöhe der gesamten Klaviatur um einen grosse Maschinen stehen frei im Raum, beide mit Halbton nach unten verschieben können, damit es Absaugschläuchen versehen, so dass Sägestaub und in der beim Spiel Alter Musik üblichen tieferen Schleifpartikel Lunge und Raum nicht belasten. Stimmung erklingen kann. Damit nicht genug, Jürg Brunner wollte zwei Register, also zwei Klangfarben. Eine Feinschreinerei Das eine Register mit offenen Pfeifen für den direk - Wenn es dieses Wort geben würde, hier würde es ten, hellen und klaren Flötenton, das andere mit ge - passen. In diesem Feinschreinereikeller ist Jürg schlossenen Pfeifen für den gedämpften, weichen Brunner ganz Schreiner, Handwerker im besten und etwas nasalen Klang. Im Orgelbau bedeutet das, Sinne. «Ich komme ursprünglich tatsächlich aus dass jeder Taste zwei Pfeifen zugeordnet sind, dass einer Schreinerfamilie», fügt er an. Im Berufsleben das doch relativ kleine Gehäuse des Orgelpositivs ist er Handwerkender auf den Tasten, das heisst: Or - also 102 Pfeifen fassen muss. ganist. Bis zur Pensionierung wirkte er an der Hei - liggeistkirche. Zudem ist er Initiant der mittlerweile An der Vorderseite sind die ornamental geschnitzten alljährlich durchgeführten Berner Orgelspazier - Teile leicht demontierbar, so dass der Zugang zu den gänge, bei denen Organisten und Publikum ausge - Pfeifen gewährleistet ist. Die Tonhöhenabstände in - wählte Kirchen der Stadt besuchen und sich Jürg Brunner am neu erbauten Orgelpositiv, im Vor - nerhalb einer Oktave sind je nach Musikepoche un - Orgelspiel und Wort begegnen. Ausserdem ist Jürg  dergrund das Gehäuse für das Gebläse. terschiedlich, sie wurden eigentlich erst nach Johann BrunneZytig 25 Leist der Untern Stadt 22. November 2019

Tischen liegen plakatgrosse Pauspapiere, mit Mass - angaben versehene Planzeichnungen, haargenau ge - zogenen Bleistiftlinien, nach denen präzise gebaut werden konnte. Unter den Werkbänken sind Schnitthölzer, Reststücke des rötlichen Kirschholzes des Orgelgehäuses, eines hier gewachsenen Kir - schenbaumes, und helleres, dünn geschnittenes für die Pfeifen und handliche Klötze, aus denen Tasten entstehen können.

«Ein zweites Positiv, das habe ich früher gebaut, steht in der Französischen Kirche und wird dort und auch andernorts häufig gebraucht – mit mir oder ande - ren, die es mieten. Dieses hier hingegen ist brandneu und war erst zweimal unterwegs, es ist absichtlich auf einem Rolli montiert.»

Wie lange er an diesem Instrument gearbeitet hätte, frage ich. «Zwei Jahre», antwortet Jürg Brunner, «manchmal war ich vierzehn Stunden am Tag hier im Keller, dann halt mal wieder eine Woche nicht, Ein Blick ins Orgelinnere zeigt die Pfeifenreihen des Jürg Brunner in der Orgelbauwerkstatt im Junkern -   wenn Planungen, Proben und Konzerte anstanden, offenen und des geschlossenen Registers. gasskeller. zwei Jahre ungefähr, von den Brettern zum Instru - ment.» Sebastian Bachs Zeit vereinheitlicht. Will man heut - Für die halbtönige Verschiebung hingegen baute Jürg zutage, so wie Jürg Brunner das macht, vorbarocke Brunner eine raffinierte Handhabe. Die Tastatur mit Vom handwerklichen Können, mit viel Kenntnis aus Musik in originalnahem Klang aufführen, muss jede Rahmen liegt frei obenauf. Sie kann angehoben, gänzlich unterschiedlichen Fachgebieten, aber na - Pfeife dementsprechend feingestimmt werden. dann seitlich verschoben werden und so halbtonver - mentlich mit Leidenschaft spricht Jürg Brunner, und Zudem reagiert das Holz recht empfindlich auf die tieft wieder auf die Mechanik eingepasst werden. So damit eigentlich von nichts anderem als von Musik. Raumtemperaturen, was zusätzlich eine Nachstim - einfach wie genial! Und einmal mehr ist erstaunlich, welch immateriel - mung in den meist kühleren Kirchen erfordert. Die ler Reichtum sich hinter Türen und unter den Gas - 102 Pfeifen müssen also praktischerweise im Ge - Der heimische Kirschbaum sen der Altstadt sammelt. häuse so gestellt werden, dass sie für die häufige Be - Dieses Orgelpositiv ist ganz aus der Praxis geboren. ig handlung mit Händen und Werkzeugen gut Die an es gestellten Wünsche und Bedingungen erreichbar sind. gaben die Vorgaben, nach denen Jürg Brunner die Pläne errechnete und zeichnete. Im Keller auf den

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LEBENDIGER ADVENTSKALENDER IN DER MATTE Im Dezember öffnen sich im nicht nur die Fensterchen der Adventskalender, son - dern auch die Türen zu den Häusern, Wohnungen und Innenhöfen. Mättelerinnen und Mätteler laden einander zu sich nach Hause ein. Jeden Abend an einem anderen Ort.

Nachdem Jacquline Vuillen diese Tradition vor über beschlossen, das Adventsfenster weiter zu führen. Es 25 Jahre ins Leben gerufen hatte, ist die Organisation kam zum wilden Brainstorming, wobei sogar kurz die von Rosmarie Bernasconi zu Lilian ter Meer gewan - Idee aufkam, das Adventsfenster in den Sommer zu dert. Sie ist bei der Nydegg Kirche aktiv und wird legen, damit sich mehr MättelerInnen dran beteiligen. 2020 pensioniert. Herzlichen Dank dir, Lilian! Und was ist schlussendlich entstanden? Der Kalender, in den jede und jeder sich neu gleich selbst im Matte - Wer übernimmt nun den Lead und wie geht es wei - lädeli eintragen konnte. Er hat sich bewährt – ist die - weiter zu leben und uns in kalten Tagen gemütlich zu ter? Das war Ende letztes Jahr die grosse Frage. Eine ses Jahr doch fast an jedem Abend jemand begegnen. Der Rahmen soll bescheiden sein. Ziel ist Gruppe von 7 MättelerInnen hat sich formiert und GastgeberIn. Wir freuen uns, diese schöne Tradition die Begegnung, bei einem Tee, einem Punsch, einem Glas Wein, bei Suppe oder etwas Kleinem zum Essen. 3.12. Kirchgemeinde Nydegg Jugendraum Mattenenge 7 Und welche Fenster können wir dieses Jahr öffnen? 4.12. Matte-Leist Gerberngasse 16 Das seht ihr in der nebenstehenden Tabelle. 5.12. Dinamo Wasserwerkgasse 4 sm 6.12. Matte-Brennerei Mühlenplatz 5 7.12. Han & Eva Kok Banlaki Gerberngasse 21 Bei Fragen dürft ihr euch gerne an Elvira Bühlmann, 8.12. Hartmann-Hermann-Indermühle-Berger Badgasse 43 Vorstandsmitglied Matte-Leist wenden: [email protected]. 9.12. Artesa AG Wasserwerkgasse 20 10.12. Schule Matte Schifflaube 1 11.12. Besuchsdienst Bern Mattenenge 1 12.12. Stiftgarten Bern Badgasse 40 13.12. Emmenegger Thüler Schifflaube 18 14.12. Marianne Schär Moser & Ueli Moser Wasserwerkgasse 2 15.12. Fischerstübli Lea & Sebastien Gerberngasse 41 19.12. Marlis & Albert Strüby Schifflaube 18 20.12. Rietmann – Holzer – Senn – Flury Wasserwerkgasse 8 22.12. Mahagony Hall Klösterlistutz 18 Bern

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MIT FARBE DEM TRISTEN ALLTAG EIN SCHNIPPCHEN SCHLAGEN Das ewige Thema Baustelle zermürbt die Menschen in der Rathausgasse. Samuel Klötzli hat eine zündende Idee: Wo der Alltag trist und grau ist, muss Farbe her!

Wahrscheinlich bekommt kaum jemand mehr von eine Verschönerungsaktion zu starten: Sobald es das der Baustelle mit als das Messergeschäft Klötzli: Der Wetter zulässt, will er mit seinem Verein «Farb ufd Baukran steht genau vor seinem Geschäft an der Rat - Gass» die Strasse bemalen. Im Rahmen der beste - hausgasse 84. Das mag wohl mitgeholfen haben als henden Baustelle braucht es keine zusätzliche Be - er sich überlegte, wie man aus der miesen Situation willigung. Denn ab März wird der alte Strassenbelag das Beste machen könnte. Bei den Gesprächen wegen durch Pflastersteine ersetzt. Vom Tiefbauamt bekam der Baustelleninstallation lernte er die Nachbarn von er die notwendige Zustimmung. Ohne die tatkräftige der Rathausgasse besser kennen und merkte, dass Hilfe des Tiefbauamtes und der Unterstützung des  Der Verein «Farb ufd Gass» (von links): Bjørn nicht nur er von der Baustelle betroffen ist. Gassauf, Gassen-Leists wäre wohl alles nicht möglich gewe - Strømme, Kurator« Samuel Klötzli, Initiant; Marlene Wenger, Künstlerische Beratung, Vize; Bruno Gerber, gassab ist der Kummer über die wegbrechenden Um - sen. Grafische Beratung. sätze gross. Farben sollens richten – aber welche? sitives mit grosser Ausstrahlungskraft entstehen. Was tun? Etwas richtig Grosses, an der ganzen Gasse. Um die Gasse farbig zu bemalen, braucht der Verein Grosser Dank Beschriftung, Werbe-Kampagne, soziale Medien? trockenes und nicht zu kaltes Wetter. Mit fünf Na - Der Rathausgass- Brunngass- Leist dankt Samuel Alles nicht finanzierbar. turfarben soll die Rathausgasse noch vor der Ad - Klötzli für seine Initiative und die sprudelnden Ideen. ventszeit verwandelt werden. Die Tücke liegt in Viel zeitlichen Aufwand hat er mit all den Abklärun - Die Idee hat Wurzeln in Klötzlis Familie jedem Detail: Die Farben gelb, blau und weiss sind gen bereits betrieben. Ohne die tatkräftige Unterstüt - Auf die zündende Idee kam Klötzli wegen seiner nicht gestattet, da sie mit Markierungen verwechselt zung des Tiefbauamtes wären die behördlichen Schwester. Dort wo er aufgewachsen war, gab es werden könnten. Zudem müssen sie Normen in Hürden wohl nicht zu schaffen gewesen. Zudem über - einen beigen Spannteppich. Seine Schwester tat, was Bezug auf Rutschfestigkeit erfüllen und dürfen keine nimmt das Tiefbauamt die Kosten für Material und kleine Kinder eben so tun: «Sie behändigte sich des Giftstoffe enthalten – auf 15 Seiten Reglement ste - kümmert sich um die Signalisation. Mit der finanziel - Lippenstifts der Mutter und verzierte den Teppich aufs hen die Vorgaben. len Unterstützung von BernCity können die für die Schönste. Als dann Jahre später der Teppich einem Kuratierung und Umsetzung notwendigen Personen Parkettboden weichen musste, hat die Familie sich Der Verein «Farb ufd Gass» entschädigt werden. künstlerisch betätigt und den Teppich zum Abschied Der Verein wünscht sich eine künstlerische Gestal - bunt bemalt.» Beim Grübeln über die Gassen-Aktivi - tung, es soll nicht einfach ein Gekritzel werden. Dazu All diesen Institutionen und Personen sei hiermit sei - tät erinnerte sich Klötzli dieser Familien-Anekdote. engagierte Klötzli den Berner Kunstschaffenden Bjørn Strømme, der die Aktion kuratiert und die Was macht man mit einem Flickenteppich? «GassenmalerInnen» betreuen wird. Dank einer an - Der Baustellen-Marathon in der Rathausgasse hat sehnlichen finanziellen Unterstützung von BernCity über die Jahre einen riesigen Flickenteppich hinter - ist das überhaupt möglich. lassen. Der aufgeschnittene Belag wurde nur noch provisorisch repariert, da dieser ohnehin am Schluss Auf aktive Mithilfe angewiesen der Pflästerung weichen wird. Anders gesagt, die Ein hochwertiges Kunstwerk ist vom Verein ge - Gasse wirkt zur Zeit alles andere als attraktiv, näm - wünscht: Anwohner, Ladenbesitzer und Künstler lich grau und öd. Grund genug für Samuel Klötzli, sollen mit Malereien, Muster und Sujets die Grund - formen ergänzen, welche der «Flickenteppich» vor - gibt. In erster Linie erwartet Klötzli für die Bemalung Hilfe von den Anwohnenden und Ge - schäftstreibenden. «Aber auch Schulklassen und Al - tersheime können mitmachen», sagt Klötzli.

Der Verein wird in den nächsten Tagen die Leute an der Gasse informieren und bekanntgeben, wie und wann das Happening stattfindet und wo man sich melden kann. Ohne die aktive Mithilfe seitens der An - wohnenden und Geschäftstreibenden ist das Projekt nicht realisierbar. Jetzt muss nur noch das Wetter mit -  Die Bauarbeiten vertreiben die Kundschaft. machen, dann würde in der Rathausgasse etwas Po -  Eingang in die Rathausgasse vom Kornhausplatz.

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Berner Münster: Restaurierung der Gewölbe Martin Thönen der Seitenschiffe Süd und Nord "Wolken Berge Wasser" Neue Holzschnitte In den nächsten Jahren werden die Original-Holzschnitt-Kalender Gewölbe der Seitenschiffe in Etappen Editionen und Mappenwerke sorgfältig restauriert. Original-Holzschnitt-Karten 2019: Bubenbergkapelle. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! 30. November bis 29. Dezember 2019 PC-Konto 30-980-9, Burgerliche Ersparnis- GALERIE Junkerngasse 34 kasse, Konto CH87 0638 2042 3103 9390 1 ART+VISION 3011 Bern der Berner Münster-Stiftung BERN Tel. 031 311 31 91 Spenden an die Berner Münster-Stiftung www.martinthoenen.ch sind steuerabzugsberechtigt.

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