Unireport Ausgabe 06-2014 | Goethe-Universität Frankfurt
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UniReport UniReport | Nr. 6 | 5. Dezember 2014 | Jahrgang 47 | Goethe-Universität Frankfurt am Main 6.14 STABWECHSEL Werner Müller-Esterl übergibt an Birgitta Wolff Interview Seite 8 und 9 www.unireport.info Foto: Dettmar Editorial Liebe Leserinnen und Leser, Sind die Studierenden politikmüde? nicht nur das ereignisreiche Jubilä- umsjahr, sondern auch die Amtszeit von Universitätspräsident Werner Fragen an den AStA-Vorsitzenden Daniel Katzenmaier zum neuen Müller-Esterl nähert sich dem Ende. Studierendensurvey Komplexe Atmosphäre 11 Birgitta Wolff übernimmt am 1. Ja- nuar die Amtsgeschäfte. Wir haben Geowissenschaftler entwickeln wichtige Bausteine zum Verständnis Müller-Esterl einige Fragen zu sei- Im Abstand von drei Jahren werden im Auftrag des nie hat wirklich mitbestimmen können, warum sollte ner sechsjährigen Präsidentschaft von Wolken- und Wetterphänomenen. Bundesbildungsministeriums rund 29.000 Studierende an man das dann an der Uni wollen? gestellt – er zieht insgesamt eine Hochschulen und Fachhochschulen zu ihrer Studiensitu- sehr positive Bilanz, benennt aber auch ‚Baustellen‘ und künftige He- ation befragt. Laut aktuellem Studierendensurvey hat nur Nun war ein Ergebnis des aktuellen Studierenden- rausforderungen (S. 8/9). Dass die noch knapp ein Drittel der Befragten ein starkes surveys, dass eine Mehrheit der Studierenden insgesamt gerade begonnene Weihnachtszeit Interesse an Politik. mit ihrem Studium zufrieden ist; eine Befragung an der auch für den Soziologen jede Men- Goethe-Uni 2012 hat ein ganz ähnliches Ergebnis ge interessanter Phänomene bereit- Herr Katzenmaier, Bundesbildungsministerin Wanka gebracht. Ist eine solche Zufriedenheit eine gute Voraus- hält, zeigt der Bericht einer Lehrfor- hat auf Grundlage des Surveys die Politikferne der setzung für Interesse und Partizipation an Politik? Let’s say it in English? 15 schungsgruppe unter der Leitung heutigen Studierenden kritisiert. Wenn man sich die Da stellt sich die Frage: Was heißt Zufriedenheit? Ist Schreitet die Englischsprachigkeit von Prof. Stegbauer: Die weih- Beteiligung an der Wahl des Studierendenparlaments an eine Alternative zu den heutigen Verhältnissen denk- unaufhaltsam voran? Oder handelt es nachtlichen Festivitäten mit ihren der Goethe-Uni anschaut, müsste man ihr wahrschein- bar? Eine Frage, die sich gerade die Mitbegründer der sich nur um einen Modetrend? festen Ritualen und Gewohnheiten lich Recht geben, oder? Kritischen Theorie, Adorno und Horkheimer, immer mögen zwar nicht bei allen Zeitge- Wenn man davon ausgeht, dass Studierende gesell- gestellt haben. Wenn man den heutigen Studierenden nossen auf Gegenliebe stoßen. Aber, schaftlich betrachtet über ein höheres Bildungsniveau eine Alternative zur Bologna-Reform vor Augen stel- so ein Ergebnis der Untersuchung, verfügen, muss einen dieses Ergebnis der Studie schon len könnte, würden sie vielleicht merken, dass sie mit versorgt es doch auch die Weih- nachtsskeptiker mit jeder Menge an mulmig stimmen. Die Wahlbeteiligung von 14 –15 % der 50- bis 60-Stunden-Woche, worunter Hobbys und interessantem Klatsch und Tratsch bei den Stupa-Wahlen ist sicherlich sehr niedrig, wobei soziales Leben sicherlich leiden, doch nicht zufrieden wir im Bundesdurchschnitt noch recht gut liegen – bei sind. Wenn nun aber in der Politik von „Alternativ- über die Mitfeiernden (S. 3). Studieren am Das Team des UniReports wünscht vielen großen Universitäten liegt die Wahlbeteiligung losigkeit“ gesprochen wird, dann färbt das sicherlich Niederräder Ufer 16 Ihnen schöne Feiertage und einen nur bei 3–5 %. Man muss natürlich auch sehen, dass auch auf die Studierenden ab. guten Start ins neue Jahr – und bei Kommunal-, Landtags- oder Europawahlen die Ein Porträt des Medizin-Campus, auf natürlich viel Spaß bei der Lektüre! Beteiligung auch recht niedrig ist. Die Frage ist aber Könnte das Desinteresse an Politik auch daran liegen, dem auch Zeugen der Uni-Geschichte zu besichtigen sind. Dirk Frank doch, warum sich weniger Leute für Politik interessie- dass der Politikbetrieb heute zu komplex, zu undurch- ren, und das ist eine gesamtgesellschaftliche Frage. schaubar ist? Sind aber auch Politikfragen nurmehr Man könnte über Formen der direkten Demokratie sachbezogen zu lösen und nicht mehr mit „Visionen“, sprechen wie z. B. Bürgerbefragungen. Wenn sich die wie vielleicht noch in den 60ern und 70ern? Bundesregierung stärker für mündigere Strukturen an 68 war neu in der BRD, ein erster Bruch mit dem Poli- den deutschen Hochschulen einsetzte, dann würden tikbetrieb, wird daher ganz anders wahrgenommen als sich die Studierenden vielleicht auch für Politik begeis- die Brüche danach. 1977 und 1988 gab es auch in tern. Die Studierendenschaft fordert ja z. B. eine pari- Frankfurt Proteste an der Goethe-Universität, mit Schottet sich Europa ab? 24 tätische Besetzung der Gremien. Aber auch in der neuen Ideen wie beispielsweise Autonomen Tutorien Nico/Photocase Foto: Mr. Gesellschaft, in der Schule oder am Arbeitsplatz brau- oder selbstverwalteten Cafés, die immer noch sehr prä- Der Grünen-Politiker Tom Koenigs Johann Wolfgang Goethe-Universität | Postfach 11 19 32 60054 Frankfurt am Main | Pressesendung | D30699D chen wir mehr Partizipation. Wenn man in der Schule gend sind in manchen Fachbereichen. Es gibt auch plädiert in seinem Gastbeitrag für eine Deutsche Post AG | Entgelt bezahlt Fortsetzung auf Seite 6 neue Flüchtlingsstrategie. 2 UniReport | Nr. 6 | 5. Dezember 2014 Aktuell Tierversuche – die Sicht eines Ethikers von Dieter Birnbacher schen leiden können. Allen leidens- selbst sind, die die Tiere leiden las- Grundlage des deutschen Tier- fähigen Wesen wird ein Eigenwert sen, bestehe hinsichtlich der Frage schutzgesetzes. Es begrenzt die Be- Wie weit kann/darf zugeschrieben. Der Biozentrismus der Tierversuche kein eigentlicher lastung von Tieren durch von der Tierschutz gehen? ie Debatte um die Zulässig- auf der anderen Seite erkennt einen ethischer Konflikt: Leidenszufü- Menschen zugefügte Schmerzen, keit und die Grenzen von derartigen Eigenwert allen Lebe- gung dürfe nur mit Leidenszufü- Leiden und Schäden und fordert Tierversuche haben eine große wissenschaftlichen Tierver- wesen einschließlich der niederen gung, nicht aber mit Leidenlassen für die Tötung von Tieren einen Bedeutung für den medizini- D suchen ist keine neue Debatte. Sie Tiere und der Pflanzen zu. Einige verglichen werden. Diese – u. a. in „vernünftigen“ Grund – ein unbe- schen Fortschritt. Die ethischen wird spätestens seit dem 17. Jahr- Vertreter dieser Auffassung gehen Deutschland von Ursula Wolf ver- stimmter Rechtsbegriff, der es Verpflichtungen und rechtlichen hundert geführt, mit – wie etwa der sogar so weit, allen nicht-menschli- tretene – Position trifft allerdings erlaubt, die Akzeptabilität der Vorgaben haben zugenommen, Briefwechsel zwischen René Des- chen Lebe wesen ein gleich starkes auf die Kritik, dass sie mit dem Ge- Gründe den jeweils vorherrschen- doch wird tierexperimentelle cartes mit seinem englischen Brief- Recht auf Leben und Entwicklung bot zwischenmenschlicher Solida- den gesellschaftlichen Anschauun- Forschung nach wie vor kritisch partner Henry More zeigt – ähnli- zuzu sprechen. Prominentestes Bei- rität schwer verträglich ist. Auch gen anzupassen. Das Tierschutzge- beäugt oder gar komplett chen Positionierungen, wie wir sie spiel für diese Auffassung ist Albert dann, wenn es nicht der Mensch setz schützt also die Tiere um ihrer abgelehnt. Der Philosoph Dieter heute finden. Allerdings vertritt Schweitzers „Ethik der Ehrfurcht selbst ist, der das Leiden eines selbst willen – im Gegensatz zu Birnbacher beschäftigt sich heute so gut wie keiner mehr die vor dem Leben in allen seinen Er- Schwerkranken verursacht, be- älteren Gesetzen, die Tiere nur so- seit vielen Jahren schon mit Auffassung Descartes’, dass Tiere, scheinungsformen“. Sie hat aller- trachtet er sich in der Regel doch weit schützten, wie es die Vermei- der ethischen Dimension von weil sie über keine Sprache verfü- dings die wenig akzeptable Konse- als für die mögliche Verhinderung dung öffentlicher Ärgernisse oder Tierversuchen. Auf der Jahres- gen, deshalb empfindungslose quenz, keinerlei Differenzierungen und Linderung dieses Leidens einer vermeintlichen Verrohung tagung der Gesellschaft für Auto maten sind. Allerdings wird zwischen den Arten des Lebendigen nicht weniger verantwortlich als von Menschen erforderte –, was Versuchstierkunde (GV-SOLAS) auch in der gegenwärtigen ethi- zuzulassen und davon abzusehen, für die eines durch Menschen be- aber nicht heißt, dass Tiere auch als im vergangenen September schen Diskussion über den mensch- in welchem Ausmaß Tiere davon, wirkten. Träger von subjektiven Rechten an der Goethe-Universität lichen Umgang mit Tieren überwie- wie Menschen mit ihnen umgehen, Vertreter einer tierethischen mit eigener (durch Stellvertreter hielt er einen viel beachteten gend davon ausgegangen, dass dem subjektiv betroffen sind. Pflicht zur Leidensminderung be- wahrgenommene) Klagebefugnis Vortrag dazu. In seinem Essay Menschen ein grundsätzliches mo- rufen sich im Wesentlichen auf betrachtet werden. Bei der Recht- für den UniReport diskutiert ralisches Recht auf die Verfügung Wann ist Tierleid gerechtfertigt? zwei – insbesondere von Schopen- fertigung von belastenden Tierver- er historische und aktuelle über Tiere und die Nutzung von Die „Tierschutz“-Position ist patho- hauer formulierte – Argumente: suchen sind von Rechts wegen Positionen und zeigt Grenzen Tieren zu eigenen Zwecken zu- zentrisch, indem sie die Leidens- dass höhere Tiere