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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen

Jahr/Year: 1997

Band/Volume: 23

Autor(en)/Author(s): Garve Eckhard, Kiffe Karl

Artikel/Article: Sichere Nachweise der längst ausgestorbenen Seggen Carex loliacea, C. heleonastes, C. buxbaumii und C. hartmanii im westlichen Niedersachsen 109-122 ©Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V.

Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen Band 23, S. 109-122, 1997

Sichere Nachweise der längst ausgestorbenen SeggenCarex loliacea, C. heleonastes, C. buxbaumii und C. hartm anii im westlichen Niedersachsen

Eckhard Garve & Karl Kiffe

Herrn Prof. Dr. Dr. Heinrich E. Weber zum 65. Geburtstag gewidmet

Kurzfassung: Alten Literaturangaben aus der „Chloris Hanoverana“ (Meyer 1836) und der „Flora Hanoverana Excursoria“ (Meyer 1849) über das Vorkommen der boreal verbreiteten Seggen Carex loliacea, Carex heleonastes und Carex buxbaumii im westlichen Niedersachsen wurde nachge­ gangen. Alle drei Arten konnten anhand von Herbarbelegen bestätigt werden und sind damit erst­ mals sicher für Niedersachsen nachgewiesen. Carex loliacea ist sogar neu für ganz Deutschland. Zusätzlich wurde ein alter Herbarbeleg von Carex hartmanii aus der Umgebung von ent­ deckt, von wo diese Art bislang noch nicht bekannt war. Die Vorkommen dieser Seggenarten sind durch die radikale Umgestaltung der Landschaft längst erloschen. Auf weitere alte Angaben von Carex chordorrhiza, Carex binervis und Carex extensa aus dem wird ebenfalls eingegan­ gen. Der Fund von Carex chordorrhiza erscheint auch ohne Beleg glaubhaft, wobei die übrigen Nachweise aus Niedersachsen und ebenfalls aufgeführt werden, während die Angaben zu den beiden anderen Arten sicherlich irrtümlich waren.

Abstract: References in historical floristical literature on the occurrence of the sedges Carex lolia­ cea, C. heleonastes, C. buxbaumii, C. chordorrhiza, C. binervis and C. extensa in the area of Emsland (western part of ) were reviewed. Carex binervis and C. extensa were obvi­ ously incorrectly mentioned. Carex loliacea, C. heleonastes and C. buxbaumii however could be confirmed by herbarium material. Thus these three species are undoubtedly proved in Lower Sa­ xony for the first time, C. loliacea even in . The reference to Carex chordorrhiza, which for­ merly grew in three other bogs in Lower Saxony, seems to be reliable without any herbarium mate­ rial. All four species became extinct in the meantime. Surprisingly one old herbarium record of an another rare sedge, Carex hartmanii, was discovered. Today this species occurs in Lower Saxony only near the city of Hannover.

Key words: Lower Saxony, flora, G. F. W. Meyer, herbarium records, Cyperaceae, Carex loliacea, Carex heleonastes, Carex buxbaumii, Carex hartmanii, Carex chordorrhiza, Carex binervis, Carex extensa

Autoren: Dipl.-Biol. E. Garve, Niedersächsisches Landesamt für Ökologie - Naturschutz -, Scharnhorststr. 1, D-30175 Hannover K. Kiffe, An der Beeke 90, D-48163 Münster

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1 Einleitung im Wasser, nur Esterwege im Meppen- schen“ (Meyer 1849: 596). Sehr alte floristische Literaturangaben las­ C. buxbaumii: „In Sümpfen. Kreis Meppen: sen mitunter gewisse Zweifel an ihrer Rich­ zwischen Meppen und Haaren“ (Meyer tigkeit aufkommen, vor allem dann, wenn es 1836: 589); „In Wiesen, auf Sumpfboden, sich um höchst seltene Arten handelt, die selten zwischen Meppen und Haaren später von niemand anderem wiedergefun­ östlich der in geringer Menge“ (Mey­ den wurden. Der kritische Leser dieser Quel­ er 1849: 600). len fragt sich heute, ob seinerzeit wirklich C. chordorrhiza: „In Torfmooren Kreis mit der gebotenen Sorgfalt bestimmt wor­ Meppen: im Grenzmoore bei Haaren“ den ist und ob diese Arten in der damaligen (Meyer 1836: 577); „Auf Weiden, auf Torf­ Landschaft überhaupt Vorkommen konnten. boden, im nord-westlichen Gebietstheile, In der späteren Literatur werden derart her­ die Südgrenze des Vorkommens in Nord- ausragende Funde völlig unterschiedlich Deutschland erreichend, selten ... Grenz­ behandelt, teilweise werden sie ignoriert, moor bei Haaren“ (Meyer 1849: 592). teilweise unkritisch bis in die Gegenwart C. binervis: „Meines Wissens wurde sie bis übernommen. Eine Verifizierung oder Falsifi­ jetzt diesseit des Rheins nicht gefunden“ zierung ist nur möglich, wenn heute noch (Meyer 1836: 587); „In Heiden, auf trocke­ Flerbarbelege existieren, die einem Fundort nem Boden, sehr selten Bentheim klar zugeordnet werden können. Über derar­ nach Nordhorn zu hinter dem Walde in tige Fälle wird hier berichtet. den Zuschlägen“ (Meyer 1849: 602). C. extensa: „In Sümpfen und Mooren selten. Kreis Meppen: im Bourtanger Moore bei Haaren, südlich vom Canale“ (Meyer 2 Literaturangaben von G. F. W. 1836: 587f.); „Auf Triften und Wiesen, auf Meyer und ihre Bewertung sumpfigem, besonders salzhaltigem Bo­ den, selten Bourtanger Moor unweit Anlaß der Recherchen sind Fundortangaben Haaren“ (Meyer 1849: 602). äußerst seltener Carex-Arten in zwei wichti­ gen Florenwerken aus der ersten Hälfte des Die Werke und das Wirken von Georg Fried­ vorigen Jahrhunderts, der „Chloris Hanove- rich Wilhelm Meyer (1782-1856) lassen sich rana“ (1836) und der „Flora Hanoverana Ex- besser verstehen, wenn man dazu einige cursoria“ (1849) des bekannten Botanikers biographische Fakten kennt (s. Wagenitz G. F. W. Meyer: 1982, 1988, 1996; Brandes 1993; Weber C. loliacea: „Auf trockenen Moorstellen zwi­ 1995). Meyer wurde in Hannover geboren, schen Gesträuch. Kreis Meppen: im studierte in Göttingen und Dillenburg und Bourtanger Moore, eine Stunde von Rhe­ veröffentlichte 1818 eine erste Flora (ver­ de. Bemerk. Diese Segge ist bislang in mutlich seine Dissertationsschrift). 1820 er­ Deutschland nicht gefunden worden“ nannte man ihn zum „Physiographen des (Meyer 1836: 580f.); „In Mooren, an etwas Königreichs Hannover“ , und er bekam die trockenen Stellen, sehr selten nur von ihm selber angeregte Aufgabe, eine Flo­ Bourtanger Moor eine Stunde von Sche­ ra des Königreichs zu verfassen. Dieses ko­ de [sic !]“ (Meyer 1849: 597). lossale Werk (1842-1854) blieb unvollendet; C. heleonastes: „In Mooren, auf den Bülten, seine Kupfertafeln im Folioformat gehören

110 ©Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V. Sichere Nachweise längst ausgestorbener Seggen in Niedersachsen zu den besten, die je in Norddeutschland sich gegen die Möglichkeit eines solchen angefertigt wurden (Wagenitz 1996). Die Verfahrens sträuben, wenn nicht leider die „Chloris Hanoverana“ und die „Flora Hano- Geschichte der Wissenschaft mehrere sol­ verana Excursoria“ sind als Begleitfloren zu che Fälle zu verzeichnen hätte!“ diesem Monumentalwerk zu sehen. Nach Diese harte Kritik, die Buchenau niemals Meyers Tod wurde sein Herbarium, das Be­ beweisen konnte, verfehlte ihre beabsichtig­ lege zahlreicher Zeitgenossen und auch Tei­ te Wirkung nicht. Nach 1895 wurden in fast le des Ehrhartschen Herbariums enthielt, allen neu erschienenen Floren die oben ge­ von der Georg-August-Universität Göttin­ nannten Carex-Angaben aus Meyers Wer­ gen erworben und 1880/81 aufgelöst, wobei ken angezweifelt oder verschwanden nach jedoch ein großer Teil vernichtet wurde (Wa­ und nach ganz aus der Literatur. Tab. 1 gibt genitz 1982). einen chronologischen Überblick über die Viele Fundorte in Meyers Floren stammen Berücksichtung der Meyerschen Ems­ von Dritten, sogenannten Gewährsleuten, landfunde seltener Seggenarten in der flori- doch er nennt leider weder Finder noch stischen Literatur des 19. und 20. Jahrhun­ Quellen. Literaturangaben und ihm zugetra­ derts. Es fällt auf, daß die Angaben von Car­ gene Mitteilungen über seltene Pflanzenvor­ ex loliacea, C. heleonastes und C. buxbaumii kommen waren sicherlich nicht immer rich­ bis zu den Vorwürfen von Buchenau völlig tig, aber eine Nachprüfung der Angaben ge­ akzeptiert, danach aber fast durchweg be­ staltete sich damals viel schwieriger als zweifelt oder überhaupt nicht mehr berück­ heute. Vermutlich führten diese Tatsachen sichtigt wurden. Anders liegt der Fall bei dazu, daß besonders exponierte Fundmel­ Carex binervis und C. extensa, deren Vor­ dungen in seinen Floren mehrfach ange- kommen im Emsland schon vor Buchenau zweifelt oder sogar er selber und seine Wer­ zweifelhaft waren. Carex chordorrhiza ke in Mißkredit gebracht wurden. schien zu der damaligen Zeit noch so „häu­ Einer seiner schärfsten Kritiker war der fig“ zu sein, daß einzelne Florenschreiber Bremer Botaniker Franz Georg Phillip Bu­ gar nicht alle Fundorte nannten. chenau (1831-1906). Er versah von Meyer Buchenaus vernichtendes Urteil über genannte Fundorte höchst seltener Arten in Meyer ist in dieser Form sicher nicht zutref­ seinen eigenen Floren mit Fragezeichen, be- fend, worauf auch van Dieken (1970: 75) und zeichnete Meyer als „sehr unzuverlässig“ Weber (1995: 30) hinweisen. Meyer hat mit (Buchenau 1894: IX) und warf ihm „masslo- seinen Werken in der ersten Hälfte des 19. se Verschwendung“ mit der groß angelegten Jahrhunderts unschätzbare floristische Pio­ Flora des Königreichs vor (Buchenau 1897: nierarbeit geleistet, die uns heute Einblicke 85). Die Beschuldigungen gipfelten dann im in das Floreninventar einer Landschaft erlau­ Vorwurf einer vorsätzlichen Fälschung be­ ben, die sich in den letzten 150 Jahren - viel­ züglich einiger seltener Fundmeldungen aus leicht mit Ausnahme einiger Wälder - voll­ Ostfriesland (Buchenau 1897: 86f.): „Man kommen verändert hat. Trotzdem sollen und wird vielmehr zu der äusserst betrübenden müssen unwahrscheinlich klingende Anga­ Annahme gedrängt, dass jene Etiketten spä­ ben heute kritisch hinterfragt und einzeln ge­ ter gleichzeitig geschrieben und zu den prüft werden. In mehreren Fällen konnten Pflanzen von anderer Abstammung gelegt dabei bereits die Angaben von Meyer bestä­ worden sind, um die falschen Angaben der tigt werden, wie beispielsweise der Fund Chloris zu stützen. Das Gewissen würde von Scirpus hudsonianus (syn. Trichopho-

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Tab. 1: Chronologische Berücksichtigung der Emsland-Funde von Carex loliacea (lol.), C. heleonastes (hei.), C. buxbaumii s. I. (bux.), C. chordorrhiza (chor.), C. binervis (bin.) und C. extensa (ext.) in derfloristischen Lite­ ratur des 19. und 20. Jahrhunderts. x Emsland-Fund ohne Anmerkung erwähnt bzw. übernommen ? Emsland-Fund mit zweifelnden Anmerkungen übernommen - Art genannt, aber Emsland-Fund nicht aufgeführt Art ist in Literaturquelle überhaupt nicht enthalten

Literatur lol. hei. bux. chor. bin. ext. Meyer (1836) X X X - X Meyer 1849) X X X X X X

Koch (1838) X - X - X - Reichenbach (1846) X - - - X - Karsch (1853) X X X ? X Garcke (61863) X X X - X X Jüngst (31869) X X X ? X Hupe (1878/79) X X X X X Garcke (161890) X X X - X ? Buschbaum (21891) X X X X ? Beckhaus (1893) X X X X Buchenau (1894) ? ? ? X ? Garcke (171895) ? ? - - ? ? Brandes (1897) X X X X - Ascherson & Graebner (1902/04) ? ? - - X - Hegi (21939) ? X - - X - Koch (21958) ? ? Schultze-Motel (1980) (Hegi3) ? ? - - - - Haeupler & Schönfelder (1988) - - X - - Weber (1995) ? ? X ?

rum alpinum) bei Bremen (Garve & Lauser (Göttingen), Dr. R. van der Meijden (Leiden), 1996). Dr. H.-H. Poppendieck (Hamburg), Prof. em. Um Klarheit über das ehemalige Vor­ Dr. G. Wagenitz (Göttingen) und Dr. R. Wiß­ kommen der hier behandelten Carex-Arten kirchen (Bochum). Frau S. Hourticolon (Göt­ zu erhalten, wurde daher in den Herbarien tingen) hat dankenswerterweise die Herbar­ Bremen (BREM), Hamburg (HBG), Hannover fotos angefertigt. (HAN), Göttingen (GOET), Leiden Niederlan­ de (L) und Münster (MSTR) nach entspre­ chenden Exsikkaten gesucht. Die Ergebnis­ 3 Carex loliacea L. se sind im folgenden monographisch darge­ stellt. Die Lolchartige Segge (Carex loliacea) wird innerhalb der Gleichährigen Seggen (Unter­ Für Auskünfte, Diskussionen und die Mög­ gattung Vignea) zur Sektion Canescentes lichkeit Herbarmaterial einsehen zu können, gestellt (Chater 1980). Als Lebensraum wer­ danken wir an dieser Stelle Frau Dr. B. Gries den Heide- und Waldmoore, feuchte Wald­ (Münster) sowie den Herren Dr. E. Foerster böden und Erlenbrüche angegeben (Schult- (Kleve), H. Kuhbier (Bremen), K. Lewejohann ze-Motel 1980). Carex loliacea ist circumpo-

112 ©Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V. Sichere Nachweise längst ausgestorbener Seggen in Niedersachsen lar verbreitet; in Europa erstreckt sich ihr Dem Beleg 3 liegt ein Brief bei, den See­ Verbreitungsgebiet über Nordrußland und land an Tüxen schrieb: „Hannover, den Skandinavien bis nach Polen, wo in Mittel­ 7.2.[19]30. Sehr geehrter Herr Dr! Auf Ihre europa die Südwestgrenze der Verbreitung gef. Anfrage kann ich Ihnen nach genauer erreicht wird. Durchsicht der bei mir befindlichen Seggen Insofern war die Mitteilung von Meyer mitteilen: Carex heleonastes Ehrh. findet (1836), daß Carex loliacea „im Bourtanger sich nicht im Herbar; C. loliacea ist in 1, sehr Moore, eine Stunde von Rhede“ vorkommt kleinen u. armseligen Halme mit 2 Ährchen (Lkr. Emsland, TK 2909), nicht nur zur dama­ vorhanden - aus dem Herbar von Pape, sig­ ligen Zeit als sehr aufregend zu werten, liegt niert ’Rheda, im Bourtanger Moor. GWF doch diese Fundstelle rund 1.000 Kilometer Meyer’ - Ob Meyer selbst den Zettel ge­ westlich der bisher bekannten Wuchsorte im schrieben hat, ist mir zweifelhaft, da er nur heutigen Polen. Bis zur massiven Kritik Bu­ sich selbst G. F. W. Meyer nennt. Die Stand­ chenaus an Meyer hat sich die Meldung in ortangabe kann ich nur wie oben entziffern: der Literatur gehalten, später nur noch mit Rheda, während es in der Flora han. excurs. Fragezeichen oder überhaupt nicht mehr (s. S. 597 heißt: ’Bourtanger Moor eine Stunde Tab. 1). Neumann (1952) teilte diese Zweifel von Schede’ [Absatz] Ich glaube kaum, daß offenbar nicht, denn er schreibt „C. loliacea Dr. Preuß mit dem Exemplar etwas anfangen L. ist einmal im Bourtanger Moor gefunden kann. Sicherlich aber wird das Herbar in worden“ und erwähnt - wie vor ihm selbst Göttingen Material aus dem Meyer = Grise- Buchenau (1894) - einen Herbarbeleg im bachschen Herbar enthalten. [Absatz] Hannoverschen Landesherbar. Beide Angaben über heleon. u. loliac. hat Sehr überraschend war, daß eine neuerli­ Garcke übernommen. [Absatz] Sollten Sie che Suche gleich fünf Exsikkate von Carex auch das einzige kleine Exemplar von lol. an loliacea in den Herbarien Göttingen (2 Exs.), Dr. Preuß zu senden beabsichtigen, so bitte Hannover, Hamburg und Leiden zum Vor­ ich, telegf. - 41765 Pfarramt St. Clemens schein brachte: anzurufen und dem Personal, das sich mel­ 1. „Carex loliacea. Unweit Rheda im Bourt­ det, nur sagen, daß vom Provinzial-Museum anger Moor. leg. GWF Meyer“ , scr. Grise- die gewünschte Segge abgeholt wird, bach (GOET). Abb. 1 [handschrftl. Zusatz von Tüxen: ’Nicht 2. „Carex loliacea. Aus Mertens Herbarium, geholt! Tx.’] Mit besten Grüßen Ihr er­ bei Meppen gesammelt. A. Port..., gebener Seeland Probst“ Auf der letzten stud“ , ex Hb. Grisebach (GOET). Seite des Briefes befindet sich ein hand­ 3. „Carex loliacea. Rheda im Bourtanger schriftlicher Zusatz von Tüxen: „Sehr ver­ Moor. GWF Meyer“ ex Hb. von Pape; ehrter Herr Senator, der Einfachheit halber Provinzial-Museum zu Hannover (HAN). darf ich Ihnen diesen Brief von Herrn 4. „Carex loliacea. In pratis turfosis sicciori- Probst Seeland mit der Bitte um Rückgabe bus inter frutices 5.6 conc: Prof. Grise­ senden. Wenn Sie großen Wert auf das bach 1850 legit: Bourtanger Moor pr. 1 Exemplar von C. lol. legen, besorge ich es Meppen in Westphalen“ scr. J. A. gerne. Ihr sehr ergebener Tüxen“. Dar­ Schmidt, ex Hb. J. A. Schmidt (HBG). aus läßt sich folgern, daß auch Seeland, 5. „Carex loliacea L. Bourtanger Moore der damals die Bestände der Cyperaceae Westphalen. Koch“ , ex Hb. W. D. J. Koch im Provinzial-Herbarium Hannover für

(L). eine Monographie (Seeland 1940) auswer-

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Abb. 1: „Carex loliacea L. Unweit Rheda im Bourtanger Moor. leg. GWF Meyer“; Etikett geschrieben von A. H. R. Grisebach. Herbarbeleg aus dem Göttinger Herbarium (GOET) mit Ausschnittsvergrößerung, montiert von K. Lewejohann.

114 ©Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V. Sichere Nachweise längst ausgestorbener Seggen in Niedersachsen tete, keine Zweifel an dem Vorkommen 4 Carex heleonastes L. fil. hatte. Unklar bleibt heute noch, ob die Belege Die Schlenken-Segge ( Carex heleonastes) aus einer oder aus mehreren Quellen stam­ gehört ebenfalls zu den Gleichährigen Seg­ men. Auch wenn Rhede und Meppen rund gen (Untergattung Vigneä) und wird wie Ca­ 40 km auseinander liegen, kann nicht davon rex loliacea in die Sektion Canescentes ge­ ausgegangen werden, daß damals zwei stellt (Chater 1980). Auch Carex heleonastes Fundorte bekannt waren, da sich das „Mep- ist circumpolar verbreitet. In Europa kommt pensche Land“ bis nach Rhede erstreckte. sie in Fennoskandinavien und Rußland vor. Das Vorkommen bei Rhede lag im Nord­ Einzelvorkommen sind bis Westpolen und ostteil des Bourtanger Moores, das vor sei­ vom Balkan bekannt. Eine Häufung disjunk­ ner Entwässerung und Kultivierung mit rund ter Vorkommen findet sich außerdem im Al­ 1.200 km2 vielleicht das größte mitteleuro­ penraum (vgl. Meusel et al. 1965: 68). In päische Moor gewesen sein dürfte (Karte s. Deutschland ist Carex heleonastes als Glazi­ Seedorf 1977: 138). Der Strukturreichtum alrelikt aus den Voralpenmooren bekannt (s. dieses riesigen, länderübergreifenden Moo­ Schönfelder & Bresinsky 1990). Der Lebens­ res in Verbindung mit dem vorhandenen In­ raum dieser in Mitteleuropa sehr seltenen ventar an Tier- und Pflanzenarten sowie Bio­ Segge sind flache Moorschlenken von Zwi­ toptypen konnte vor der unwiderbringlichen schen- und Hochmooren, auf nassen, meist Zerstörung, die in den Niederlanden im 17. basen- und nährstoffarmen Torfböden Jahrhundert und in Niedersachsen Ende des (Schultze-Motel 1980). 18. Jahrhunderts begann, nicht mehr voll­ Aus der niedersächsischen Literatur ist ständig erfaßt werden. Heute besteht der nur ein Wuchsort bekannt, nämlich die Um­ weitaus größte Teil des ehemaligen Bourtan­ gebung des Ortes im heutigen ger Moores aus intensiv genutzten landwirt­ Landkreis Emsland (TK 3011/2). Diese An­ schaftlichen Nutzflächen, nur vereinzelt fin­ gabe geht auf Meyer (1849) zurück und ist den sich noch Moorreste, die inzwischen später niemals wieder bestätigt worden. Im völlig degradiert sind. Rahmen der massiven Kritik, die Buchenau Anhand der hier dargelegten Fakten kann gegenüber Meyer äußerte, wurde die Mel­ heute kein Zweifel mehr daran bestehen, dung von Carex heleonastes im 20. Jahrhun­ daß Carex loliacea in der ersten Hälfte des dert mit Fragezeichen versehen oder igno­ 19. Jahrhunderts ein disjunktes Vorkommen riert (s. Tab. 1), obwohl Buchenau (1894) sel­ im emsländischen Bourtanger Moor hatte. ber auf einen vorhandenen Herbarbeleg Die Art ist damit in der niedersächischen aufmerksam machte. Preuß, der sich eben­ Florenliste (Garve & Letschert 1991) und der falls mit dem Vorkommen von Carex heleo­ Roten Liste (Garve 1993) als „ausgestorben“ nastes im nordwestlichen Niedersachsen nachzutragen. Sie fehlt bislang auch in den beschäftigte, teilte nicht die Einschätzung entsprechenden bundesdeutschen Listen Buchenaus, wie aus einem Herbaretikett ei­ (z.B. Korneck et al. 1996), da sonst kein wei­ ner von ihm 1924 in Ostpreußen gesammel­ teres Vorkommen aus Deutschland bekannt ten Carex heleonastes (Herb. Münster, ist oder war. MSTR) hervorgeht: „Von Prof. G. F. W. Meyer auf Torfmooren b. Esterwegen beobachtet; der Fundort ist vielfach angezweifelt; ich bin anderer Meinung: Die Zwischenmoore jenes

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Habitates bieten auch heute noch geeignete sem Schreiben, das leider nur sinngemäß zu Standorte.“ Auch Neumann (1952) scheint entziffern ist, bittet Meyer Ghsebach um die den Fund geglaubt zu haben, denn er Bestimmung der beiliegenden Carex-Art. schreibt „früher Esterweger Dose“. Meyer verweist darauf, daß er den Beleg Eine Recherche in verschiedenen Herba­ schon vor Erscheinen der „Chloris“ , also vor rien ergab, daß heute noch drei Belege von 1836, gesammelt hat, die Segge jedoch diesem Fundort vorhanden sind: noch nicht sicher bestimmen konnte, ob­ 1. „Carex [scr. Meyer] heleonastes Ehrh.! wohl er schon die Vermutung äußerte, es Esterwege: ohne Zweifel [scr. Grisebach] könne sich um Carex heleonastes handeln. (Esterwege Esterwegen?) auf der Moor­ Meyer erlaubte Grisebach, sich von diesem kultur wo man den Ort sieht [scr. Meyer]“ , Beleg einen Teil für sein eigenes Herbar ab­ ex Hb. G. F. W. Meyer (GOET). Abb. 2 zunehmen (Beleg 2). Der damals von Grise­ 2. „C. heleonastes Ehrh. Esterwege auf der bach zu bestimmende Carex-Beleg ist zwei­ Moorkultur wo man den Ort sieht Ester­ fellos Beleg 1! Beleg 3 aus dem Herbar J. A. w ege.. .“ , ex Hb. Grisebach (GOET). Schmidt enthält lediglich einen fruchtenden 3. „Carex heleonastes [scr. Grisebach] Sproß. Wie aus dem Etikett ersichtlich ist, conc: Prof. Grisebach [scr. J. A. Schmidt] erhielt Schmidt, der ein Schüler von Grise­ Esterwege im [scr. Grisebach] (Osna- bach war und bei ihm promovierte, den Be­ brückschen)“ scr. J. A. Schmidt, ex Hb. J. leg durch Grisebach, wahrscheinlich 1850 A. Schmidt (HBG). zusammen mit dem Beleg von Carex lolia- cea. Ein weiterer Beleg von Carex heleonastes Nach Kenntnis dieses Sachverhaltes in aus Esterwegen existierte bis etwa 1965 im Verbindung mit den vorhandenen Belegen Bremer Überseemuseum (BREM), wurde muß es als sicher gelten, daß Anfang des 19. dann aber an Unbekannt ausgeliehen und Jahrhunderts Carex heleonastes in der Nähe kam nicht zurück (Kuhbier mdl.). von Esterwegen im nördlichen Emsland tat­ Die ersten drei Exsikkate lassen sich auf sächlich vorkam. Dabei ist zusätzlich zu be­ eine Quelle zurückführen. Beleg 1 aus dem rücksichtigen, daß Meyer zunächst gar nicht Herbarium Meyer ist der ursprüngliche. Auf­ selber die Bedeutung seines Fundes erkannt fällig ist die große Menge der gesammelten hatte! Außerdem erwähnte er in seiner „Flora Pflanzen: Der Beleg besteht aus über dreißig Hanoverana Excursoria“ (Meyer 1849) ein fruchtenden Sprossen! Bemerkenswert ist weiteres, in Schleswig-Holstein gelegenes außerdem das Etikett: Der Gattungsname Vorkommen, das inzwischen ebenfalls verifi­ Carex ist von Meyer geschrieben, das Epi­ ziert werden konnte (Kiffe & Lewejohann in theton heleonastes hingegen von Grise­ Vorb.). bach. Meyer war, wie aus dem Herbaretikett Der Fundort läßt sich aus den Etiketten hervorgeht, unsicher, ob der Ort Esterwege der Belege 1 und 2 recht genau erschließen: oder Esterwegen heißt. Grisebach schrieb „Esterwege auf der Moorkultur wo man den dazu auf das Etikett „Esterwege: ohne Zwei­ Ort sieht“ Da Esterwegen am Südrand einer fel“ Heute wird der Ort unter dem Namen über 30 m hohen Geestkuppe liegt, des sog. Esterwegen geführt. Beleg 2 mit sieben „Esterweger Busches“, die den Ort nach fruchtenden Sprossen, ursprünglich aus Norden und Westen hin verdeckt, kann der dem Herbarium Grisebach stammend, liegt Fundort eigentlich nur südöstlich des Ortes ein Brief von Meyer an Grisebach bei. In die­ gelegen haben. Auf dem Blatt 28 der „Gauß-

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Abb. 2: „Carex [scr. Meyer] heleonastes Ehrh.! Esterwege: ohne Zweifel [scr. Grisebach] (Esterwege Esterwe­ gen?) auf der Moorkultur wo man den Ort sieht [scr. Meyer]“ ex Hb. G. F. W. Meyer. Herbarbeleg aus dem Göt­ tinger Herbarium (GOET) mit Ausschnittsvergrößerung, montiert von K. Lewejohann. Der ursprünglich aus mehr als 30 fruchtenden Sprossen bestehende Beleg wurde bei der Montage geteilt (hier: 1. Bogen).

117 ©Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V. Eckhard Garve & Karl Kiffe Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 23 1997 sehen Landesaufnahme der 1815 durch kommen die beiden Sippen mit deutlichem Hannover erworbenen Gebiete“ , die von Schwerpunkt im Süden des Landes vor 1842 bis 1861 durchgeführt wurde, sind in (Haeupler & Schönfelder 1988; Benkert et al. diesem Bereich Grabensysteme und ausge­ 1996). Über die Situation in Schleswig-Hol­ dehnte Moore eingezeichnet. Wahrschein­ stein und Hamburg nach einer erneuten Re­ lich handelt es sich dabei um die auf dem vision wird Kiffe (in Vorb.) berichten. Etikett erwähnte „Moorkultur“ Das Vor­ Als Lebensraum werden von beiden Arten kommen von Carex heleonastes lag daher feuchtes, mooriges Grünland und Verlan­ wohl nicht in dem nördlich des Ortes gelege­ dungszonen in Niedermooren sowie an nen großen Moorgebiet „Esterweger Dose“ Gewässern auf meist basenreichen Böden (TK 2911/4), wie Neumann (1952) annahm, bevorzugt, wobei Carex hartmanii auch trok- da von dort aus die Sicht auf den Ort durch kener wachsen kann (z. B. in Pfeifengras- den Moränenrücken verdeckt ist. Die „Ester­ Streuwiesen). weger Dose“ ist nach zwischenzeitlicher Da erst vor gut 60 Jahren die Trennung Ausweisung als Naturschutzgebiet industri­ der beiden Arten erfolgt ist, muß heute offen ell abgetorft worden und die Landschaft bleiben, welche Sippe Meyer (1836, 1849) südöstlich von Esterwegen inzwischen völlig damals vor sich hatte, als er zum Vorkom­ kultiviert. men von Carex buxbaumii s. I. im heutigen Niedersachsen schrieb: „zwischen Meppen und Haaren östlich der Ems in geringer Men­ 5 Carex buxbaumii Wahlenb. und ge“ (Lkr. Emsland, TK 3209). Auch diese No­ Carex hartmanii A. Cajander tiz erlitt das gleiche Schicksal wie diejenigen von Carex loliacea und C. heleonastes: Bis Erst seit der Bearbeitung durch Cajander zur Ära Buchenau akzeptiert, von diesem (1935) wird die Carex buxbaumii-Gruppe in angezweifelt und später mit Fragezeichen Mitteleuropa in die beiden Arten Buxbaums versehen oder übergangen. Koch (1958) Segge (Carex buxbaumii) und Hartmans schreibt in seiner „Flora des Regierungsbe­ Segge (Carex hartmanii) aufgespalten. Beide zirks Osnabrück“ ausdrücklich: „Die Angabe gehören innerhalb der Verschiedenährigen über das Vorkommen bei Meppen (Chlor. Seggen (Untergattung Carex) in die Sektion Han.) ist unrichtig“ . Dabei ist dieser Fund Atratae (Chater 1980), deren auffälligstes weit weniger spektakulär als das Vorkom­ Merkmal es ist, daß das Endährchen im obe­ men der beiden anderen Seggenarten. Ca­ ren Teil aus weiblichen und nur an seiner Ba­ rex buxbaumii s. I. war in Deutschland im 19. sis aus männlichen Blüten besteht. Jahrhundert noch von so vielen Fundorten Carex buxbaumii ist hauptsächlich cir- bekannt, daß sie mitunter nicht einmal alle in cumpolar in der borealen Zone verbreitet, den Floren aufgeführt waren. kommt vereinzelt bis in den Mittelmeerraum In den oben angeführten Herbarien konn­ vor (Meusel et al. 1965: 71; Schultze-Motel ten aus Westniedersachsen zwei Belege ge­ 1980). Carex hartmanii dringt nicht so weit funden werden und zwar überraschender­ wie C. buxbaumii nach Norden vor, über­ weise einer von Carex buxbaumii (Beleg 1) wiegt als stärker sommerwärmeliebende Art und einer von C. hartmanii (Beleg 2): in den kontinentalen Gebieten Europas und 1. „Carex buxbaumii Wahlenb. Bourtanger Asiens und ersetzt dort teilweise Buxbaums Moor bei Meppen. Weihe.“ ex Hb. Ech­ Segge (s. Rauschert 1981). In Deutschland terling (MSTR) mit dem handschriftlichen

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Zusatz von A. Neumann „C. buxbaumii auch rezent noch größere Populationen Vor­ Wg. ist richtig !N.“. kommen (Mennema et al. 1980). 2. „Carex buxbaumii. Meppen (nach Haaren Beleg 2 von Carex hartmanii wurde im zu) Ems links zw. .. .bürg.. Aug. 1828“ ex Rahmen der Recherchen für diese Arbeit Hb. G. F. W. Meyer (GOET) mit einem Be­ überraschend entdeckt. Leider läßt sich die stimmungszettel von S. Rauschert „= C. Fundangabe auf dem Herbaretikett nicht hartmanii det. Rauschert“ vollständig entziffern, immerhin aber so weit, daß die Pflanze offenbar westlich der Beleg 1 von Carex buxbaumii wurde schon Ems gesammelt worden war und wohl nicht 1993 in Münster aufgefunden und ist bereits im bekannten Bourtanger Moor. Bei der bei Weber (1995) mit folgendem weiteren Ortsangabe könnte es sich um „Düneburg“ Hinweis erwähnt: „Es ist unklar, wer das Ex­ (TK 3209/1) handeln. Insofern dürfte es sich emplar gesammelt hat. Der in Mennighüffen neben der Angabe bei Meyer (1849) und und Herford in Westfalen lebende Weihe dem Beleg 1 um ein drittes Vorkommen von scheint das Emsland nie bereist zu haben Pflanzen aus der Carex buxbaumii-Gruppe und erhielt den Beleg wohl im Zus.hang mit handeln! Erstaunlich an dem Beleg 2 ist, daß dem von ihm herausgegebenen Exsikka- Rauschert ihn in seiner eigenen Arbeit (Rau­ tenwerk über grasartige Pflanzen“ Noch ein schert 1981) nicht aufführt, obwohl er von zweiter Aspekt ist bemerkenswert. Während ihm revidiert wurde. Die Unleserlichkeit des der Fundort bei Meyer (1849) zweifellos öst­ Etiketts dürfte kaum der Grund gewesen lich der Ems gelegen haben muß, liegt das sein und daher muß vermutet werden, daß Bourtanger Moor ausschließlich westlich der Beleg versehentlich nicht zitiert wurde. der Ems. Daraus folgt, daß dieser Beleg kei­ Neben dem längst erloschenen Vorkom­ ne Bestätigung der Meyerschen Angabe men im Emsland zwischen Meppen und Ha­ darstellt, sondern auf ein in der älteren Lite­ ren (TK 3209) gibt es von Carex hartmanii in ratur nicht erwähntes Vorkommen hinweist. Niedersachsen einen akuteilen Wuchsort im Rauschert (1981) führt ebenfalls die Litera­ Osten des Landkreises Hannover (Seeland turangabe von Carex buxbaumii für Westnie­ 1940; Garve 1994: 53). Weitere angebliche dersachsen auf, der Beleg aus Münster lag Nachweise auf Borkum und Wangerooge ihm jedoch nicht vor, da er zur Zeit seiner (Haeupler & Schönfelder 1988; Peters 1996) Ausleihe der Carex buxbaumii- Belege falsch sind unbelegt und nach heutigem Kenntnis­ abgelegt war. stand zu streichen. Durch den Beleg aus Münster ist Carex buxbaumii erstmals sicher für Niedersach­ sen nachgewiesen, wenn auch längst ver­ 6 Carex chordorrhiza L. fiL, schollen. Der damalige Fundort im Bourtan­ Carex binervis Sm. und Carex ger Moor (Lkr. Emsland) lag vermutlich im extensa Good. Bereich der TK 3208 oder 3308. Weitere nie­ dersächsische Nachweise dieser seltenen Diesen drei Arten ist gemeinsam, daß Meyer Seggenart sind nicht bekannt, entsprechen­ (1836,1849) Fundorte aus dem Emsland an­ de Literaturangaben beziehen sich auf Ca­ führt, Belege dazu aber nicht gefunden wer­ rex hartmanii. Die räumlich nächsten Vor­ den konnten. kommen liegen in den Niederlanden, etwa Über die in Europa vor allem boreal ver­ 80-100 Kilometer westlich von Meppen, wo breitete Strick-Segge (Carex chordorrhiza),

119 ©Naturwissenschaftlicher Verein Osnabrück e.V. Eckhard Garve & Karl Kiffe Osnabrücker Naturwiss. Mitt. 23 1997 ein Bewohner von Schlenken und Schwing­ gewiesen ist (Haeupler & Schönfelder 1988). rasen in Mooren (Verbreitungkarte s. Meusel Meyer (1849) hat die niedersächsische An­ et al. 1965: 66), schreibt Meyer (1836): „Kreis gabe aus der Flora von Boenninghausen Meppen: im Grenzmoore bei Haaren“ und (1824: 285) übernommen: „prope Bentheim „Fürstenthum Ostfriesland: im Hochmoore hinter dem Walde in den neuen Zuschlägen“ bei rechts vom Canale“ . (Lkr. Grafschaft Bentheim, TK 3608). Offen­ Das ostfriesische Vorkommen von Carex bar war sich Boenninghausen selber seiner chordorrhiza östlich des Ems-Jade-Kanals Sache nicht ganz sicher, denn er schreibt (Lkr. Aurich, TK 2510) ist durch Exsikkate in weiter: „jam emarcidam recognovisse Bremen (BREM) und Göttingen (GOET) be­ credimus, ulterius inquirendam indicamus“ legt. Schon Buchenau (1897) weist auf einen (frei übersetzt: Wir glauben schon, sie im Beleg mit den leicht zweifelnden Worten hin: trockenen Zustand erkannt zu haben, emp­ „Die Angabe hat übrigens etwas mehr innere fehlen aber, sie später noch einmal zu unter­ Wahrscheinlichkeit als diejenige für C. da- suchen). Die Fundangabe wurde daraufhin valliana“ Van Dieken (1970) verwirft Bu­ zu Recht bereits Mitte des 19. Jahrhunderts chenaus Zweifel und schreibt über ihn: „Sein bezweifelt (s. Tab. 1). Auch Banning (1868), Urteil über das Hochmoor beweist, daß er es der zwischen Bentheim und Nordhorn ge­ nicht richtig kannte“ . Der Nachweis aus dem zielt nach Carex binervis gesucht hat, konn­ Landkreis Aurich muß heute als gesichert te sie dort nicht bestätigen, fand aber die gelten. Das Vorkommen im Moor bei Haren ähnliche Carex hostiana, die auch heute an der niederländischen Grenze (Lkr. Ems­ noch am Rand des Bentheimer Waldes vor­ land, TK 3108 bzw. 3208) konnte leider nicht kommt (Lenski 1990), und vermutete eine durch einen aufgefundenen Herbarbeleg be­ Verwechslung. Die Angabe von Boenning­ stätigt werden. Erstaunlich ist, daß Buche­ hausen sollte daher als Fehlangabe bewer­ nau (1894) dieses Vorkommen im Gegensatz tet werden. zu den Meldungen der anderen seltenen Ebenfalls falsch dürften die Angaben von Seggen nicht anzweifelt. Nach Ansicht der Meyer (1836, 1849) zum Vorkommen der Verf. ist diese Meldung auch ohne Beleg Strand-Segge (Carex extensa) in Mooren glaubhaft. Aus Niedersachsen und Bremen (Bourtanger Moor bei Haren, Hochmoor bei liegen noch zwei weitere sichere Nachweise Aurich) sein. Carex extensa kommt rezent in von Carex chordorrhiza vor: Schevemoor Nordwestdeutschland ausschließlich in Bremen (TK 2919/2; Buchenau 1894 u.a.; Salzwiesen an der Küste vor (aktuelle Ver­ Belege in H, HBG und BREM) sowie Stein- breitung in Niedersachsen s. Garve 1994), huder Meer (Lkr. Hannover, TK 3521 oder und es liegt aus ganz Mitteleuropa kein be­ 3522; Neumann 1952). Da keines dieser Vor­ legter Binnenlandnachweis vor (Schultze- kommen in den letzten Jahrzehnten wieder Motel 1980). Es ist in diesen Fällen am ehe­ bestätigt werden konnte, gilt die Art heute in sten an eine Verwechslung mit einer Sippe Niedersachsen als „ausgestorben bzw. ver­ aus der Artengruppe Carex flava agg. zu schollen“ (Garve 1993). denken. Anders liegt der Fall bei der atlantisch ver­ breiteten Zweinervigen Segge (Carex biner- vis), die in Deutschland nur im äußersten Westen (Nordrhein-Westfalen westlich des Rheins, Rheinland-Pfalz, Saarland) nach­

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