Plenarprotokoll 16 / 40

16. Wahlperiode

40. Sitzung

Berlin, Donnerstag, 15. Januar 2009

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I. Lesung: Gesetz zur Änderung des Berliner Nachruf Datenschutzgesetzes – Speicherung von Videoaufnahmen bis zu 48 Stunden lang ehemaliger Abgeordneter Adolf Blasek ...... 3633 Drs 16/2028 ...... 3711

I. Lesung: Dienstrechtsänderungsgesetz Geschäftliches (DRÄndG) Geburtstagsglückwünsche Drs 16/2049 ...... 3711 für Mirco Dragowski (FDP) ...... 3633 Große Anfrage: Literatur in Glückwünsche zur Geburt eines Sohnes Drs 16/2041 ...... 3711 für Elisabeth Paus (Grüne) ...... 3633 Beschlussempfehlungen: Konzept zur Finanzierung der Hilfen zur Erziehung vorlegen Glückwünsche zur Vaterschaft Drs 16/2001 ...... 3711 für Thomas Kleineidam (SPD) ...... 3633 Beschlussempfehlung: Lernen jenseits des formalen Anträge auf Durchführung einer Unterrichts – kulturelle Projekte für alle Schulen Aktuellen Stunde ermöglichen Ralf Wieland (SPD) ...... 3633 Drs 16/2002 ...... 3711 Sascha Steuer (CDU) ...... 3634 Ramona Pop (Grüne) ...... 3635 Beschlussempfehlung: Handlungsfeld „Aktive Dr. Martin Lindner (FDP) ...... 3636 Bürgergesellschaft“ beim Programm „ServiceStadt Berlin“ ausbauen – Bürger- und Volksbegehren ernst nehmen! Liste der Dringlichkeiten ...... 3710 Drs 16/2004 ...... 3711 Beschlussempfehlung: Verbraucherschutz bei neuer Pflichtquote zur Beimischung von Bioethanol Konsensliste ernst nehmen! I. Lesung: Siebenundzwanzigstes Gesetz Drs 16/2026 ...... 3711 zur Änderung des Landesbeamtengesetzes (Siebenundzwanzigstes Vorlage – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 50 Landesbeamtenrechtsänderungsgesetz – Abs. 1 Satz 3 VvB: Vierter Staatsvertrag zur 27. LBÄndG) Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg Drs 16/2010 ...... 3711 im Bereich des Rundfunks Drs 16/2048 ...... 3711

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Antrag: Mehr tun für die Opfer von Gewalt Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer .... 3643, 3644 Drs 16/1970 ...... 3711 Claudia Hämmerling (Grüne) ...... 3644 Antrag: „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ Weshalb hat der Berliner Senat den durch die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern Antrag der Berliner Taxi-Innung e. V. für stärken eine Taxitariferhöhung vor wenigen Tagen abgelehnt? Drs 16/2011 ...... 3711 Oliver Friederici (CDU) ...... 3645 Antrag: Verschobene Gelder aus dem SED-Vermögen Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer .... 3645, 3646 für die Opfer der SED-Diktatur verwenden Daniel Buchholz (SPD) ...... 3646 Drs 16/2034 ...... 3711 Sperrbezirke für Prostituierte? Antrag: Nachnutzung Flughafen Tegel – Evrim Baba (Linksfraktion) ...... 3646, 3647 wirtschaftliche Zukunft im Berliner Norden Senator Dr. Ehrhart Körting ...... 3646, 3647 Drs 16/2036 ...... 3712 Björn Jotzo (FDP) ...... 3647 Antrag: Entstandene Defizite in der zahnärztlichen Wie geht der Senat mit dem Bildungsnotstand Versorgung schwerstmehrfach behinderter Menschen in und in anderen sozial benachteiligten umgehend beseitigen Gebieten um? Drs 16/2037 ...... 3712 Hilferuf der Schulleiter in Mitte Antrag: Heimbericht qualifizieren – Pflegequalität Özcan Mutlu (Grüne) ...... 3648, 3649 verbessern Mieke Senftleben (FDP) ...... 3648, 3649 Senator Dr. Jürgen Zöllner ...... 3648, 3649, 3650 Drs 16/2038 ...... 3712 Karlheinz Nolte (SPD) ...... 3650 Antrag: Energieausweise öffentlicher Liegenschaften ins Internet stellen Drs 16/2047 ...... 3712 Fragestunde – Spontane Fragestunde Einstellungen in den Richterdienst (SPD) ...... 3650 Fragestunde – Mündliche Anfragen Senatorin Gisela von der Aue ...... 3651 Maßnahmen gegen die Klageflut in Information des Landeswahlleiters über Alg-II-Verfahren „Pro Reli“ Kommen die sozialpolitischen Initiativen jetzt Matthias Brauner (CDU) ...... 3651 aus dem Justizressort? Senator Dr. Ehrhart Körting ...... 3651 Dr. Fritz Felgentreu (SPD) ...... 3638, 3639 Besitzerwechsel beim Berliner Verlag Rainer-Michael Lehmann (FDP) ...... 3638, 3639 Senatorin Gisela von der Aue ...... 3638, 3639, 3640 Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion) ...... 3652 Dirk Behrendt (Grüne) ...... 3639 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 3652 Gregor Hoffmann (CDU) ...... 3640 Ökostrom für öffentliche Gebäude Wie werden die Kindertagespflegestellen gesichert Michael Schäfer (Grüne) ...... 3653 und ausgebaut? Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit ...... 3653 Monika Thamm (CDU) ...... 3640, 3641 Bebauung des Hammarskjöldplatzes Senator Dr. Thilo Sarrazin ...... 3640, 3641 Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 3653, 3654 Zentrale Bewirtschaftung von Kulturobjekten Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer .... 3653, 3654 durch die BIM Todesfall in Schönfließ Uwe Doering (Linksfraktion) ...... 3641, 3642 Dr. Fritz Felgentreu (SPD) ...... 3654 Senator Dr. Thilo Sarrazin ...... 3641, 3642 Senator Dr. Ehrhart Körting ...... 3654 Werden die propagierten 10 000 Stellen im öffentlichen Beschäftigungssektor jemals Stadtteilmütter in Neukölln erreicht? Emine Demirbüken-Wegner (CDU) ...... 3655 Ramona Pop (Grüne) ...... 3642, 3643 Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner ...... 3655 Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner ...... 3642, 3643 Bieterverfahren Atelierhaus Wiesenstraße Rechte der Fahrgäste stärken Thomas Birk (Grüne) ...... 3655, 3656 Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit Daniel Buchholz (SPD) ...... 3643, 3644 ...... 3655, 3656

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Baumaßnahmen nach dem Dr. Margrit Barth (Linksfraktion) ...... 3673 Straßenausbaubeitragsgesetz Mirco Dragowski (FDP) ...... 3674 Rainer Ueckert (CDU) ...... 3656, 3657 Praktische Integration Senator Dr. Thilo Sarrazin ...... 3656, 3657 Drs 16/2043 ...... 3675 Verknüpfung der Maßnahmen der Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung Aktuelle Stunde für Migrantinnen und Migranten verbessern Konjunkturpaket II: Berliner Anteil für Drs 16/2044 ...... 3675 Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz einsetzen Ülker Radziwill (SPD) ...... 3675 Kurt Wansner (CDU) ...... 3676 Beschlussempfehlung Udo Wolf (Linksfraktion) ...... 3677 Bilkay Öney (Grüne) ...... 3677 Klimaschutz in öffentlichen Einrichtungen (1): Rainer-Michael Lehmann (FDP) ...... 3678 60-Millionen-Euro-Überschuss des Haushaltsjahres 2008 für Pilotprojekt energetische Für eine zukunftsfähige Wissenschaftslandschaft Sanierung der Kindertagesstätten verwenden in Berlin – Vertragsverhandlungen nutzen, Hochschulverträge weiterentwickeln Drs 16/2000 ...... 3657 Drs 16/2045 ...... 3679 Antrag Anja Schillhaneck (Grüne) ...... 3680 100-Millionen-Euro-Infrastrukturprogramm Nicolas Zimmer (CDU) ...... 3680, 3682 für die Berliner Bezirke sofort beschließen! Lars Oberg (SPD) ...... 3681 Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion) ...... 3683 Drs 16/2035 ...... 3657 Sebastian Czaja (FDP) ...... 3684 Stefan Zackenfels (SPD) ...... 3657 Zukunftskonzept für den Mellowpark umgehend Uwe Goetze (CDU) ...... 3659 gemeinsam entwickeln! Carl Wechselberg (Linksfraktion) ...... 3661 Joachim Esser (Grüne) ...... 3663 Drs 16/2039 ...... 3685 Dr. Martin Lindner (FDP) ...... 3665 Sebastian Czaja (FDP) ...... 3685, 3687 Senator Dr. Thilo Sarrazin ...... 3667 Ellen Haußdörfer (SPD) ...... 3686, 3687 Mario Czaja (CDU) ...... 3687, 3690 Andreas Statzkowski (CDU) ...... 3687 Prioritäten gem. § 59 der Geschäftsordnung Uwe Doering (Linksfraktion) ...... 3688, 3689, 3690 Oliver Scholz (CDU) ...... 3689 I. Lesung Joachim Esser (Grüne) ...... 3690

Kinderlärm ist Zukunftsmusik I – Gesetz zur Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes Berlin Große Anfrage Drs 16/2029 ...... 3669 Keine Personal- und Aufgabenplanung des Senates – was kann der öffentliche Dienst der Anträge Zukunft für die Bürger überhaupt noch leisten? Drs 16/1915 ...... 3691 Kinderlärm ist Zukunftsmusik II – in den Bericht über Änderungen zum Lärmschutz in Berlin den Schwerpunkt Kinderlärm aufnehmen Drs 16/2030 ...... 3669 Beschlussempfehlungen Kinderlärm ist Zukunftsmusik III – Hausmusik Justizvollzugsanstalt jetzt professionell planen! von Kindern fördern und nicht verbieten Drs 16/1948 ...... 3691 Drs 16/2031 ...... 3669 Monika Thamm (CDU) ...... 3691 Kinderlärm ist Zukunftsmusik IV– jedes Kind Sven Kohlmeier (SPD) ...... 3692 soll ein Instrument erlernen dürfen Dirk Behrendt (Grüne) ...... 3693 Uwe Doering (Linksfraktion) ...... 3694 Drs 16/2032 ...... 3669 Benedikt Lux (Grüne) ...... 3694 Emine Demirbüken-Wegner (CDU) ...... 3670, 3672 Klaus-Peter von Lüdeke (FDP) ...... 3695 Daniel Buchholz (SPD) ...... 3670 Felicitas Kubala (Grüne) ...... 3671, 3672

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Mehr Professionalität bei „Berlin im Städtevergleich“ Eine echte Lehrerfeuerwehr für Berlin Drs 16/1999 ...... 3696 Drs 16/2033 ...... 3705 Monika Thamm (CDU) ...... 3696 Sascha Steuer (CDU) ...... 3705 Peter Treichel (SPD) ...... 3697 Dr. Felicitas Tesch (SPD) ...... 3705 Thomas Birk (Grüne) ...... 3697 Özcan Mutlu (Grüne) ...... 3706 Dr. Peter-Rudolf Zotl (Linksfraktion) ...... 3698 Steffen Zillich (Linksfraktion) ...... 3706 Henner Schmidt (FDP) ...... 3699 Mieke Senftleben (FDP) ...... 3707 Beschluss [mit neuer Überschrift:

Berlin im Städtevergleich] ...... 3713 Mehr Berlin in Europa – mehr Europa in Berlin (I): Ein Beitrag zur Umsetzung der Lissabon- Keine Aufweichung des Nachtflugverbots bei BBI Strategie: mehr Wirtschaftskompetenz Drs 16/2003 ...... 3700 in die Schulen Drs 16/2040 Neu ...... 3708

Lebensmittelsicherheit ist das A und O einer guten Verbraucherpolitik Erleichterung von islamischen Bestattungen Drs 16/2027 ...... 3700 Drs 16/2042 ...... 3708

Dringliche Beschlussempfehlungen Entschließungsantrag Vermögensgeschäft Nr. 6/2006 des Denkjahr 2009 (I): 90. Jahrestag der Ermordung Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: Drs 16/2058 ...... 3700 Leben und Werk kritisch würdigen Beschluss ...... 3713 Drs 16/2046 ...... 3708

Vermögensgeschäft Nr. 21/2008 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Drs 16/2059 ...... 3700 Beschluss ...... 3713, 3714

Änderung des Beschlusses zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Spreedreieck“ Drs 16/2060 ...... 3700 Beschluss ...... 3713

Vorlagen – zur Kenntnisnahme – gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB Drs 16/2025 ...... 3701

Anträge Zukunftsplan Pflege vorlegen Drs 16/1976 ...... 3701 Jasenka Villbrandt (Grüne) ...... 3701 Ülker Radziwill (SPD) ...... 3702 Gregor Hoffmann (CDU) ...... 3702 Dr. Stefanie Schulze (Linksfraktion) ...... 3703 Rainer-Michael Lehmann (FDP) ...... 3704

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Präsident Walter Momper eröffnet die Sitzung um se mit geprägt hat. Wir gedenken unseres verstorbenen 13.01 Uhr. ehemaligen Kollegen Adolf Blasek mit Hochachtung.

Präsident Walter Momper: Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Adolf Blasek erhoben. Ich danke Ihnen. Ich eröffne die 40. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin – die erste im neuen Jahr – und begrüße Sie, unsere Geburtstag hat heute der Kollege Dragowski von der Gäste und die Zuhörer sowie die Medienvertreter ganz FDP. – Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute! Gute Ge- herzlich und wünsche allen ein frohes, gesundes und sundheit! glückliches neues Jahr. [Beifall] Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Tagesord- Dann kann ich Frau Kollegin , die heute natür- nung eintreten, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen lich nicht bei uns sein wird, zur Geburt ihres Sohnes Fa- und bitte Sie, sich zu erheben. bian am 11. Januar 2009 herzlich gratulieren. [Die Anwesenden erheben sich.] [Beifall] Im Alter von 89 Jahren verstarb am 23. Dezember nach Alles Gute! Gute Gesundheit! Das bitte ich, ihr und auch langer, geduldig ertragener Krankheit der frühere Abge- dem Kind zu übermitteln. ordnete Adolf Blasek aus Neukölln. Über 16 Jahre lang – von 1963 bis 1979, also vier Legislaturperioden lang – Dann ist der Kollege Thomas Kleineidam am 9. Januar engagierte sich Adolf Blasek als Mitglied des Abgeordne- Vater geworden. – Dazu herzlichen Glückwunsch, alles tenhauses in der Berliner Landespolitik. Als langjähriger Gute, gute Vaterschaft! baupolitischer Sprecher der SPD-Fraktion hat Adolf Bla- [Beifall] sek führend an der Planung und Realisierung der großen Wohnungsbauprogramme in Berlin in den 60er- und 70er- Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich wieder Ge- Jahren des letzten Jahrhunderts mitgewirkt. In jenen Jah- schäftliches mitzuteilen: Am Montag sind die folgenden ren galt es, die Wohnungsnot in der zerstörten und einge- vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde mauerten Stadt zu bekämpfen und ausreichenden und eingegangen: qualitätvollen Wohnraum in großer Zahl zu bezahlbaren Mieten zu schaffen. Dazu hat Adolf Blasek einen bedeu- 1. Antrag der Linksfraktion und der Fraktion der SPD tenden politischen Beitrag geleistet. zum Thema: „Konjunkturpaket II: Berliner Anteil für Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Klima- Adolf Blasek wurde 1919 in Schlesien geboren und ist schutz einsetzen“, dort aufgewachsen. Nach der Volksschule erlernte er den 2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Immer Beruf des Vermessungstechnikers. Von 1938 bis 1947 wieder Hilferufe aus Berliner Schulen – zu wenig war er erst im Arbeitsdienst und anschließend Soldat in Lehrer, zu viel Gewalt, schlechte Chancen für die der Wehrmacht. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsge- Schüler“, fangenschaft arbeitete er im privaten Vermessungswesen und ab Mai 1949 als Vermesser im Bezirksamt Neukölln. 3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „In die Ab Februar 1966 plante er als Leiter der Sanierungsver- Zukunft investieren! Das Konjunkturprogramm für ei- waltungsstelle die Sanierung des Altwohnbestandes in nen ’Grünen New Deal’ nutzen und den sozial- Neukölln. Ab August 1972 leitete er als Geschäftsführer ökologischen Umbau der Stadt endlich beginnen“, die Stadt und Land Wohnbautengesellschaft mbH. 1974 4. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Rot-roter initiierte er den Bau der High-Deck-Siedlung in Neukölln. Tempelhof-Betrug: Kosten für Berlin höher als je zu- Danach folgten so wichtige Projekte wie die Sanierung vor, kein Nachnutzungskonzept und die Berliner wer- der Rollberg-Siedlung und der Bau der Landhaussiedlung den ausgesperrt“. in Rudow. Neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter enga- gierte er sich auch als stellvertretender Vorsitzender im Zur Begründung der Aktualität der Anträge rufe ich Verband Berliner Wohnungsbaugenossenschaften und Linksfraktion und SPD auf. Wer macht das? – Der Kolle- -gesellschaften. Adolf Blasek war Mitglied der Arbeiter- ge Wieland von der SPD-Fraktion hat das Wort. – Bitte wohlfahrt und Mitglied in der Deutschen Angestelltenge- schön, Herr Kollege Wieland! werkschaft. 1957 trat er in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein. Er diente seiner Partei als Kreis- und Ralf Wieland (SPD): Landesdelegierter sowie als stellvertretender Vorsitzender Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koaliti- der Landesarbeitsgemeinschaft für Städtebau- und Woh- onsfraktionen beantragen, in der heutigen Aktuellen Stun- nungspolitik. de über das Konjunkturpaket II in Bezug auf den Berliner

Anteil für Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Mit Adolf Blasek hat Berlin eine Persönlichkeit verloren, Klimaschutz zu debattieren. Ich denke, die Aktualität liegt die die Berliner Wohnungswirtschaft und die Kommunal- in doppelter Hinsicht auf der Hand. Die Spitzen der und Landespolitik in schwieriger Zeit in besonderer Wei- großen Koalition haben am Montag dieses Paket ver-

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Ralf Wieland einbart. Es aus Berliner Sicht politisch zu bewerten, ist Tempelhof reden zu wollen, zumal wir gestern eine um- nicht nur sinnvoll, sondern auch notwendig. Uns mög- fangreiche Debatte darüber im Hauptausschuss hatten. lichst schnell über die Umsetzung der für Berlin in Kürze zur Verfügung stehenden Mittel auszutauschen und ausei- Ein Blick in den Kalender gab mir die Lösung: Wir sind nanderzusetzen, ist bei der angestrebten schnellen Umset- mitten in der Karnevalssaison, und so, wie die Mainzer zung des Konjunkturprogramms unabdingbar. Sängerknaben verlässlich immer am Ende singen, wollen [Beifall bei der SPD] Sie uns Ihre Verlässlichkeit hier unter Beweis stellen. Herr Kollege Lindner! Das hier ist aber keine Kappensit- Mit Erlaubnis des Präsidenten darf ich unseren Regieren- zung. Hier wird über Politik diskutiert, und im Rahmen den Bürgermeister in diesem Zusammenhang zitieren: einer Aktuellen Stunde über das Wichtigste und über das Das Land wird zügig die Voraussetzungen schaf- Aktuellste. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, fen, dass dieses Bund-Länder-Programm in Berlin bitte ich Sie, den Antrag der Koalitionsfraktionen anzu- schnell umgesetzt wird. Dazu zählt auch ein Nach- nehmen. – Vielen Dank! tragshaushalt im Abgeordnetenhaus. [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Auch deshalb ist es notwendig, dass wir sehr früh mit der Debatte hier im Abgeordnetenhaus beginnen. Präsident Walter Momper: Die Krise der Weltwirtschaft wird auch unser Land tref- Danke schön, Herr Kollege Wieland! – Für die CDU- fen. Deshalb war es richtig, dass die große Koalition Fraktion spricht nunmehr der Kollege Steuer. – Bitte schnell und entschlossen gehandelt hat. Politik muss zei- schön, Herr Steuer! gen, dass der Staat handlungsfähig ist. Auch wenn wir nicht alle Folgen mindern oder gar verhindern können, ist Sascha Steuer (CDU): es unsere Aufgabe, den Ängsten und Fragen der Men- schen mit einer verantwortungsvollen Politik Antwort zu Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im März 2006 geben. Diese Verantwortung haben wir auch als Berliner war es eine Schule, die einen Brandbrief schrieb. Im März Landespolitiker. Die Koalition wird sicherstellen, dass bei 2009 sind es 68 Schulen eines ganzen Bezirks. Man fragt der Umsetzung des vorgelegten Programms die langfristi- sich: Was ist in diesen drei Jahren passiert? Hat es in den ge Wirksamkeit sichergestellt wird. Es ist richtig, heute letzten drei Jahren einen Ruck im Berliner Schulsystem diese Parlamentsdebatte zu nutzen, damit alle Fraktionen gegeben, einen Motivationsschub, eine allseits begrüßte ihre Bewertungen und Vorschläge darlegen können. Diese Reform, eine Unterrichtsgarantie, einen großen Wurf? – politische Auseinandersetzung kann doch nur dabei hel- Nein, die Lage ist noch viel schlimmer geworden: aktuel- fen, dass wir bei der Umsetzung des Konjunkturpro- ler Lehrermangel, marode Schulgebäude, eine Kürzung gramms sachgerecht, wirksam und nachhaltig vorgehen. des Schul- und Sportanlagensanierungsprogramms durch Wir müssen als Parlamentarier sicherstellen, dass wir das Rot-Rot, Frust durch demotivierte Schüler, massive Prob- Unsrige dazu beitragen, um eine schnelle Umsetzung der leme durch die Zunahme von Kindern mit Migrationshin- zur Verfügung gestellten Mittel zu gewährleisten. tergrund, weil sie meist aus schwierigen Problemlagen kommen und auch ihre kulturellen Eigenheiten mit in die Zum Abschluss einige Anmerkungen zu den vorgeschla- Schule bringen. Die Lehrer werden mit all diesen Heraus- genen Themen der anderen Fraktionen: Die Grünen wol- forderungen alleingelassen. len über den „Grünen New Deal“ reden, also das Kon- junkturprogramm noch grüner machen, als es schon ist. Das sind mittlerweile keine Einzelphänomene mehr, son- Das ist legitim, das ist nachvollziehbar. Liebe Kollegin- dern in einigen Regionen ist das leider flächende- nen und Kollegen der Grünen! Sie werden Ihre Argumen- ckende Realität an den Schulen. 68 Schulen haben sich te in der von uns beantragten Aktuellen Stunde mit unter- ein Herz gefasst und einen Brief geschrieben – nicht, weil bringen können. sie sich streiten wollen; nicht, weil sie in Fernsehsendun- gen eingeladen werden wollen, nein, weil sie tatsächlich Die CDU greift ebenfalls ein aktuelles Thema auf. Ich das Aus für ihre Schulen befürchten. Und die Reaktion könnte das als Abgeordneter aus Mitte auch gar nicht des Senators? – Herr Zöllner ließ sich damit zitieren, er bestreiten. Ich denke aber, dass wir im Zusammenhang schmunzle über die Einladung der Schulleiter durch die mit der Debatte, wie wir die Mittel in Berlin in Bildung Staatsministerin Böhmer. Schließlich tue kein anderes investieren können, auch Ihrem Anliegen Platz für den Bundesland so viel wie Berlin. politischen Diskurs bieten. Ja, Herr Zöllner, aber in Bayern ist die Lücke zwischen Zur FDP, Herr Kollege Lindner: Sie wissen, ich gebe mir den schwächeren und den guten Schülern nicht so groß immer Mühe, die Position einer Oppositionspartei zumin- wie in Berlin. Und in Bayern ist der Zusammenhang zwi- dest verstehen zu wollen. Ich habe lange gegrübelt, wa- schen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg rum Sie angesichts des beschlossenen Konjunkturpakets – nicht so eng wie in Berlin. Was verstehen Sie eigentlich das Sie ja mehr als kritisch sehen – trotzdem meinen, unter „mehr tun“, wenn am Ende weniger dabei heraus- heute einmal wieder über den ehemaligen Flughafen kommt?

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Sascha Steuer [Beifall bei der CDU] te, sondern in der Ausgestaltung entscheidend für die Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal mit den Lehrern Zukunft dieser Stadt sein wird. Mit einem gigantischen und Schulleitern in Mitte zusammengesessen? Ich finde Konjunkturprogramm von 50 Milliarden Euro will die es ungeheuerlich, dass Sie angesichts der Sorgen und Bundesregierung die erlahmende Wirtschaft wieder in Nöte Tausender von Lehrern in Mitte und in ganz Berlin Schwung bringen. Für uns Grüne ist aber nicht jedes noch schmunzeln können. Konjunkturprogramm per se ein gutes Konjunkturpro- gramm. Ein zukunftstaugliches Programm muss den [Beifall bei der CDU] Strukturwandel vorantreiben und finanzieren, anstatt die Wenn Sie den Schulen wieder eine Perspektive geben alten Strukturen weiter zu subventionieren. wollen, wenn Sie verhindern wollen, dass in den nächsten [Beifall bei den Grünen] drei Jahren 200 Schulen einen Brief schreiben, dann müs- sen Sie jetzt das Ruder herumreißen. Sie müssen eine Wir brauchen einen grünen New Deal, der über das kurz- klare Vorstellung davon entwickeln, wie Sie in dem Sys- fristige Ansinnen eines Konjunkturprogramms hinaus- tem die Weichen anders stellen wollen. Wir fordern des- geht. Investitionen in Bildung und Energieeffizienz, er- halb eine zweijährige Vorschulpflicht für alle Kinder mit neuerbare Energien und umweltfreundliche Technologien Defiziten, und wir fordern einen verpflichtenden Sprach- sind das Gebot der Stunde. förderunterricht vor Schuleintritt. Jedes Kind, das Sprach- [Beifall bei den Grünen] defizite hat, soll in einer Sprachförderklasse unterrichtet Jetzt sind Maßnahmen gefragt, die möglichst rasch grei- werden und erst dann in die erste Klasse der Schule ein- fen und zugleich langfristig die höchste Rendite abwerfen, treten dürfen. Deutsch lernen am Anfang ist die Garantie denn unsere Kinder und Enkel heute mit Schulden zu dafür, dass später Bildungserfolg eintreten kann. Oder belasten, die nur ein kurzfristiges Konsumstrohfeuer ent- anders gesagt: Wer kein Deutsch kann, kann auch dem fachen, ist in jeder Hinsicht eine Schnapsidee – eine Unterricht nicht ausreichend folgen. Nur so kann ein Schnapsidee wie der Beitrag der Linkspartei zur Debatte. jahrelang verschleppter Rückstand verhindert werden. Ihre Konsumgutscheine taugen nur als Mediamarkt-Ein- Nur so kann der Start besser gelingen. kaufsgutscheine – „ich bin ja nicht blöd.“ Einen nachhal-

tigen Effekt für die Wertschöpfung vor Ort haben sie Es ist ganz klar: Die Vorschule und die Grundschule allerdings nicht. müssen im Mittelpunkt stehen. Denn hier wird der Grund- stein für jeden späteren Bildungserfolg gelegt. Das, was [Beifall bei den Grünen – hier nicht passiert, können die Oberschulen nicht mehr Zuruf von der Linksfraktion] aufholen. Aber anstatt sich dieser Erkenntnis zu stellen, Im Konjunkturprogramm der Bundesregierung wird jede fordern Sie Armenquoten für Gymnasien. Es ist ein bil- Klientelgruppe der regierenden Parteien mehr oder weni- dungspolitischer Bankrott, wenn Sie auch schlechtere ger reich beschenkt. Ein buntes Sammelsurium oder – wie Schüler aufs Gymnasium nehmen wollen, nur weil sie aus es die „Frankfurter Rundschau“ bezeichnet – eine „Wun- ärmeren Familien kommen, anstatt sie in der Grundschule dertüte ohne Wunder“ kommt da auf uns zu. Jedes Kri- so gut zu machen, dass sie aufs Gymnasium gehen kön- senprogramm in diesem Ausmaß muss sich aber daran nen, weil es ihrer Leistung entspricht. messen lassen, ob es die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft [Beifall bei der CDU und der FDP] und Gesellschaft erhöht.

13 Jahre sozialdemokratischer Bildungspolitik haben das Wenn man sich das Programm der Bundesregierung an- Berliner Schulsystem an den Rand des Kollapses gebracht schaut, erkennt man zwei Maßnahmen, die wirklich eine – nicht deswegen, weil Sie jedes Problem verursacht deutliche Sprache sprechen: Für ein Kind bekommt man hätten; das ist klar, sondern weil Sie oft zu spät, oft zu 100 Euro. Für sein altes Auto bekommt man 2 500 Euro. ideologisch und oft ahnungslos im Schulsystem herum- Das ist keine Zukunftsorientierung. Das ist schnöde doktern. Sie wollen sich keine besseren Schulen in Berlin Klientel- und Lobbypolitik! leisten, und Berlin kann sich keine sozialdemokratische Bildungspolitik mehr leisten. – Herzlichen Dank! [Beifall bei den Grünen] [Beifall bei der CDU] Andere Länder sind da längst weiter. Was macht eigent- lich der neue Präsident der USA mit seinem Konjunktur-

programm? – Obama will massiv in Gebäudesanierung Präsident Walter Momper: investieren. Obama will die erneuerbaren Energien för- Danke schön, Herr Kollege Steuer! – Für die Fraktion dern. Obama will die Infrastruktur für Verkehr und Ener- Bündnis 90/Die Grünen hat nunmehr Frau Pop das Wort. gie ausbauen. Und Obama will in das Bildungssystem – Bitte schön, Frau Pop! investieren. Während die USA endlich erkannt haben, dass Ökologie und Ökonomie zusammengehören, wenn man langfristig Jobs schaffen und die Klimakrise meistern Ramona Pop (Grüne): will, setzt Deutschland weiter auf Subventionen für die Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Autoindustrie, die die Zeichen der Zeit verschlafen hat Bündnis 90/Die Grünen will heute über das Thema reden, und ihre ollen Spritfresser nicht mehr loswird, und auf das nicht nur die Schlagzeilen der letzten Tage beherrsch- Investitionen in grauen Beton.

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Ramona Pop Keine Frage – ein Großteil der vorgesehenen Investiti- Dr. Martin Lindner (FDP): onsmaßnahmen ist längst überfällig, gerade in Berlin, wo Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Lieber Rot-Rot seit Jahren auf Kosten der öffentlichen Infra- Kollege Wieland! Selbstverständlich unterhalten wir uns struktur den Landeshaushalt saniert hat. Wir haben allein gern mit Ihnen über das Konjunkturpaket und seine Aus- bei den Schulen einen Investitionsbedarf von über einer wirkungen auch für Berlin. Wir denken nur, dass es sinn- Milliarde Euro, und bei den Kitas beläuft er sich auf eine voll ist, erst einmal abzuwarten, was dann tatsächlich am halbe Milliarde Euro. Rot-Rot muss jetzt den Ehrgeiz Ende des Tages dabei herauskommt. haben, die Bundesgelder so zu nutzen und auch eigenes Geld darauf zu legen, dass wir ein mittelfristig wirkendes [Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] Programm für die Stadt erhalten, und nicht nur ein Stroh- Sie haben vorhin gesagt, dass die Spitzen von SPD und feuerchen entfachen – das Wort ist schon so abgenutzt –, CDU sich auf dieses Paket geeinigt haben. Wir werden das nur die Preise hochtreibt, aber langfristig überhaupt mal sehen, ob die SPD und die CDU auch nach dem nichts bringt. Sonntag noch eine Mehrheit im Bundesrat für dieses Paket haben werden und was dann nach den Beratungen Wir werden es Ihnen auch nicht durchgehen lassen, dass des Bundes vorn herauskommt. Ich finde es seriöser, sich Sie mit dem Geldsegen der Bundesregierung Ihre Ver- über die Verteilung des Fells des Bären dann zu unterhal- säumnisse der letzten Jahre klammheimlich nachholen. ten, wenn es wirklich auf dem Tisch liegt. Überfällig sind viele Investitionen. Als zukunftsweisend können Sie uns Toilettenreparaturen aber wahrlich nicht [Beifall bei der FDP – verkaufen. Zuruf von Christian Gaebler (SPD)] [Beifall bei den Grünen] Zweitens: Wir wollen gar nicht mit Ihnen über den Ver- kehrsflughafen Tempelhof oder Ähnliches reden, sondern Nicht nur für die große Koalition, auch für Rot-Rot in wir möchten mit Ihnen darüber reden, wie der Senat mit Berlin gilt, dass sich ihre Politik an der Zukunftstauglich- der Wahrheit gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern keit messen lassen muss. Wir wollen keine einfachen vor dem Volksentscheid umgegangen ist, wie er es damit Pinselsanierungen an den Schulen und Kitas. Energeti- gehalten hat. Das ist das Thema der von uns vorgeschla- sche Sanierung muss zwingender Bestandteil jeder Maß- genen Aktuellen Stunde, und das am Vorabend eines nahme sein, damit die Schulen künftig das Geld nicht neuen Volksentscheids. Da möchten die Bürgerinnen und mehr zum Fenster hinaus heizen. Haben Sie überhaupt Bürger schon wissen, wie es hier vor einem Jahr ausgese- schon darüber nachgedacht, die Schulsanierung mit der hen hat. Schulreform, die Sie groß ankündigen, zu verbinden, die Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen, die auch [Beifall bei der FDP] eine bauliche Frage ist, mit dem Konjunkturprogramm zu Da kann ich Ihnen sagen: Der Senat und Rot-Rot stützten beschleunigen, den weiteren Ausbau von Ganztagsschu- ihre Ablehnung der Fortführung des Flugbetriebs in Tem- len mit den Konjunkturmitteln voranzutreiben? Das sind pelhof auf drei Argumente. – Erstens: Die Anwohner Maßnahmen, die sich langfristig bezahlt machen. Dass müssten geschützt werden. Zweitens: Das Tempelhofer wir Grüne der Meinung sind, dass Investitionen in Bil- Feld müsste für die Berlinerinnen und Berliner geöffnet dung nicht allein Investitionen in Schulgebäude sind, werden. Drittens – das war das zentrale Argument: Die sondern Bildung, Erziehung und Betreuung umfassen, das Kosten und die Verluste des Tempelhofer Flugbetriebs ist auch hinlänglich bekannt. müssten beendet werden – Stichwort: Ich zahle doch nicht [Beifall bei den Grünen] für einen VIP-Flughafen! Wir erwarten heute von Ihnen, meine Damen und Herren [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Weil wir einen von Rot-Rot, klare Kriterien und klare Maßnahmen. Ich Schließungsbeschluss haben, das war das Argument!] habe allerdings große Zweifel, dass Ihnen das gelingen Nun schauen wir einmal, was jetzt bei diesen drei Argu- wird. Die letzten Tage hatte man den Eindruck, dass Sie menten herausgekommen ist. – Erstens stand in den Ar- bereits vorbauen wollen, indem Sie sorgenvoll und mit gumenten des Senats – amtliche Information zum Volks- gerunzelter Stirn von Umsetzungsproblemen sprechen. entscheid – ich zitiere: Schlussendlich werden Sie vermutlich nicht in der Lage sein, die Mittel sinnvoll umzusetzen, aber das werden wir Tempelhof darf nicht Verkehrsflughafen bleiben, Ihnen nicht durchgehen lassen. weil er eine Zumutung für die Anwohner ist. Flug- lärm und Kerosin machen krank. [Beifall bei den Grünen] [Christian Gaebler (SPD): Das ist die Argumentation des Abgeordnetenhauses!] Präsident Walter Momper: Komischerweise haben sich genau die Anwohner des Danke, Frau Kollegin Pop! – Für die FDP-Fraktion hat Flughafens beim Volksentscheid am höchsten beteiligt, nun der Fraktionsvorsitzende, Kollege Dr. Lindner, das und zwar in Steglitz-Zehndorf 50 Prozent und in Tempel- Wort. – Bitte, Herr Dr. Lindner! hof-Schöneberg 47,1 Prozent und in Charlottenburg- Wilmersdorf 43,2 Prozent. So hoch war die Beteiligung. Die Ja-Stimmen genau derjenigen, die angeblich vom

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Dr. Martin Lindner Fluglärm betroffen waren, betrugen in Neukölln 74 Pro- angeblich alle repräsentierender Parlamentspräsident, der zent, in Steglitz-Zehlendorf 73,8 Prozent und in Tempel- hier als Vertreter von Pro Ethik Pro Reli aussperrt. hof-Schöneberg 70,1 Prozent. Das erste Argument des Senats war von Anfang an Unsinn, das war aus Sicht der Meine Damen und Herren! Hier soll das fortgesetzt wer- Anwohner eine aufgedrängte Bereicherung. den, was Sie an massiven Täuschungen und Tricks beim [Beifall bei der FDP – Tempelhofer Volksentscheid auch schon angefangen Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)] haben. Darüber werden wir uns unterhalten, und wenn das heute nicht ist – verlassen Sie sich darauf –, dann werden Das Zweite war das Thema Nachnutzung. – Ich zitiere wir darauf zurückkommen. – Vielen Dank! wieder aus Ihrer amtlichen Informationsbroschüre: [Beifall bei der FDP – Von der Öffnung des Tempelhofer Feldes profitie- Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): ren alle Berliner. Hier gibt es Sport- und Freizeit- Darauf werden wir ganz sicher zurückkommen!] möglichkeiten wie Laufen, Joggen, Skaten, Rad- fahren, Fußball und Tennis. Herr Wowereit sprach von einem Park, von einer Freiflä- Präsident Walter Momper: che für Sport und Freizeit. Die Kollegin aus der Links- Danke schön, Herr Dr. Lindner! – Weitere Wortmeldun- fraktion sagte, dass sich dann die jungen und alten Men- gen liegen mir nicht vor. Ich lasse jetzt über das Thema schen mit Picknickkörben, Frisbeescheiben und I-Pods der heutigen Aktuellen Stunde abstimmen, und zwar auf der größeren Freifläche tummeln würden. Was ist zuerst über das Thema der Koalitionsfraktionen. Wer dem dabei herausgekommen? – Es wurde erst einmal für seine Zustimmung zu geben wünscht, den bitte ich um das 200 000 Euro ein Sicherungszaun angeschafft. Im Stadt- Handzeichen. – Danke, das sind die SPD und die Links- entwicklungsausschuss sagte Frau Senatorin Junge-Reyer: fraktion. Die Gegenprobe! – Das sind die CDU und die „Um das Gebäude und die Nutzer vor den Bürgern zu FDP. – Bei Enthaltung der Grünen ist der Antrag auf schützen.“ – Das ist Ihr zweites Argument gewesen. diese Aktuelle Stunde angenommen. Alle anderen bean- tragten Themen haben damit ihre Erledigung gefunden. Dann kommen wir zum dritten Argument, das war das Bereits im Ältestenrat haben wir vorsorglich vereinbart, zentrale, das Kostenargument. Dazu zitiere ich auch wie- diese Aktuelle Stunde zusammen mit den Tagesord- der aus der Broschüre: nungspunkten 13 und 27 zu verbinden. – Ich höre dazu Durch die Schließung entfallen die jährlichen Ver- keinen Widerspruch, dann wird so verfahren. luste in Millionenhöhe für den Betrieb von Tem- pelhof. Tempelhof darf nicht Verkehrsflughafen Dann möchte ich Sie auf die Ihnen vorliegende Konsens- liste, sowie auf das Verzeichnis der Dringlichkeiten hin- bleiben, weil er unwirtschaftlich ist. Der Flugbe- weisen. Ich gehe davon aus, dass allen eingegangenen trieb in Tempelhof kostet die Steuer jährlich Vorgängen die dringliche Behandlung zugebilligt wird. 5,8 Millionen Euro. Ein Weiterbetrieb des Flugha- Sollte das im Einzelfall nicht Ihre Zustimmung finden, so fens bis 2011 würde die Steuerzahler täglich über bitte ich um entsprechende Mitteilung. 16 000 Euro kosten.

Was ist dabei herausgekommen? – Damals hatten wir ein Entschuldigungen von Senatsmitgliedern: Senator Wolf Betriebsdefizit von 10 Millionen Euro, und heute, nach verspätet sich ein wenig, weil der beim Konjunkturrat Aussage der BIM, beträgt es 14,2 Millionen Euro. Wir beim Bundesministerium für Wirtschaft ist. Frau Senato- haben eine Kostenbelastung der Bürgerinnen und Bürger rin Junge-Reyer wird ab ca. 16.30 Uhr mit anschließender in Höhe von 38 500 Euro. Sie haben den Bürgerinnen und Rückkehr in das Plenum sowie dann wieder ab 21 Uhr Bürgern gesagt, die 16 000 Euro kämen weg. Damit ha- abwesend sein, um bei der Internationalen Grünen Woche ben Sie die Bürgerinnen und Bürger glatt belogen! Veranstaltungen zu besuchen. Der Regierende Bürger- meister wird ab ca. 17.30 Uhr abwesend sein, um die Es gibt nur zwei Alternativen: Entweder Sie haben sich Internationale Grüne Woche 2009 zu eröffnen. vorher nicht über die Kosten informiert und gutachterlich festgestellt, dann ist das für sich ein Skandal, oder – wo- Ich rufe auf von ich eher ausgehe – Sie wussten ganz genau, dass das nicht die Einsparung einbringt und haben diese Zahlen lfd. Nr. 1: den Bürgerinnen und Bürgern bewusst hinterzogen. Das Fragestunde – Mündliche Anfragen nenne ich eine massive Täuschung. Das müssen wir vor Bevor ich den ersten Fragesteller aufrufe, habe ich Ihnen Pro Reli aufklären, denn hier gibt auch schon wieder wieder Vorschläge zu unterbreiten: Die Frage Nr. 1 des Versuche der Einschüchterung, des Täuschens oder Abgeordneten Dr. Felgentreu zum Thema „Klageflut in Tricksens – wenn ich nur an Herrn Körting und andere Alg-II-Verfahren“ sollten wir zusammen mit der Frage denke, die hier anfangen zu sagen, in den U-Bahnen dürfe Nr. 5 des Abgeordneten Rainer-Michael Lehmann aufru- dazu nichts verteilt werden. Bei den Trommlern und Bett- fen und gemeinsam beantworten lassen. – Ich höre keinen lern haben Sie kein Problem, aber wenn da zwei Schüler Widerspruch, dann werden wir so verfahren. Die Regula- herumgehen, dann haben Sie ein Problem. Oder unser rien dazu sind Ihnen im Einzelnen bekannt.

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Präsident Walter Momper Wenn wir bis zur Frage Nr. 9 kommen sollten, dann weise 2008/2009 sind für das Sozialgericht 77,5 Stellen ausge- ich zusätzlich darauf hin, dass sich die Fraktionen darauf wiesen. Wir haben bereits im vergangenen Jahr wegen der verständigt haben, auch diese Frage zum Thema „Bil- starken Arbeitsbelastung beim Sozialgericht frei werden- dungspolitik“ zusammen mit der Frage Nr. 10 aufzuru- de Stellen aus anderen Justizbereichen dazu genutzt, wei- fen. – Ich höre keinen Widerspruch, dann können wir da tere Proberichterinnen- und Proberichterstellen für das genauso verfahren. Sozialgericht zu finanzieren. Wir werden auch in diesem Jahr so verfahren und frei werdende Stellen anderer Jus- Der Kollege Dr. Felgentreu hat das Wort zum Thema tizbereiche für die Finanzierung weiterer Proberichter für Maßnahmen gegen die Klageflut in das Sozialgericht nutzen. Darüber hinaus strebe ich für Alg-II-Verfahren den Haushalt 2010/2011 an, den Haushalt des Sozialge- richts um 40 weitere Richterstellen zu verstärken, sowie – Bitte sehr! weitere Stellen im nicht richterlichen Bereich im mindes- tens selben Umfang zu beantragen. Dr. Fritz Felgentreu (SPD): Ich bin aber der Auffassung, dass die Antwort auf die Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: bundesweit gestiegene Klageflut nicht allein in der immer stärkeren Zuweisung von Personal für die Sozialgerichte 1. Welche Maßnahmen beabsichtigt die Senatsverwal- gefunden werden kann. Es geht darum, den Missstand bei tung für Justiz zu ergreifen, um auf die weiterhin stei- der Wurzel zu packen und bei den Ursachen für die Ver- gende Belastung des Sozialgerichts durch Alg-II-Ver- fahrensflut bei den Sozialgerichten anzusetzen. Dazu fahren zu reagieren? gehört, zunächst die Defizite im Vollzug des Sozialrechts 2. Wird dabei der volle Zugang zum Rechtsweg für zu bekämpfen, die insbesondere dadurch belegt werden, Alg-II-Empfänger gewährleistet bleiben? dass es eine Erfolgsquote von bundesweit rund 38 Prozent gibt. Im Vergleich dazu liegt die Erfolgsquote in der Verwaltungsgerichtsbarkeit bei rund 10 Prozent, in der Präsident Walter Momper: Finanzgerichtsbarkeit sind es rund 4 Prozent. Nimmt man in Berlin die Fälle hinzu, die im Weg des Vergleichs Dann ist der Kollege Lehmann von der FDP-Fraktion mit beendet werden, kommen wir zumindest bei Teilerfolgen der Frage Nr. 5 zum Thema zu einer Quote von rund 50 Prozent. Kommen die sozialpolitischen Initiativen jetzt aus dem Justizressort? Die Ursachen der Verfahrensflut zu bekämpfen bedeutet an der Reihe. – Bitte Herr Lehmann, Sie haben das Wort! aber auch, bei den gesetzlichen Grundlagen anzusetzen, die erfahrungsgemäß häufig unklar und schwer handhab- bar sind. Deshalb habe ich in der Herbstkonferenz der Rainer-Michael Lehmann (FDP): Justizministerinnen und -minister des Bundes und der Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich frage Länder im vergangenen Jahr die Initiative ergriffen. Im den Senat: Die Justizsenatorin hat im „Tagesspiegel“ vom Ergebnis haben die Justizministerinnen und -minister 12. Januar 2009 angekündigt, in der nächsten Sitzung der beschlossen, unter der Federführung meines Hauses eine Justizminister im Januar Verbesserungen in der Hartz-IV- Arbeitsgruppe zu dem Thema „Maßnahmen zur Vermin- Gesetzgebung zu erarbeiten. An welche konkreten Maß- derung der Belastung und zur Effizienzsteigerung der nahmen denkt die Senatorin dabei, und sollte aus ihrer Sozialgerichte“ einzurichten. Diese Arbeitsgruppe wird in Sicht die Angemessenheit des Wohnraums bundesweit diesem Monat ihre Arbeit beginnen. Ihre Aufgabe wird es geregelt werden, damit es auch in Berlin endlich eine vor allem sein, Empfehlungen zur Änderung des Prozess- gesetzeskonforme Regelung dazu gibt? rechts, des materiellen Rechts, insbesondere des prozess- trächtigen SGB II, und zu den Verfahrensweisen der So- zialleistungsträger zu entwickeln, um dann gemeinsam Präsident Walter Momper: mit den Arbeits- und Sozialministern Gesetzesinitiativen Danke schön, Herr Kollege Lehmann! – Für den Senat vorzubereiten. antwortet die Frau Justizsenatorin. – Bitte schön, Frau von der Aue, Sie haben das Wort! Zu Ihrer Frage 2: Nichts liegt mir ferner, als Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, den Zugang zu den Gerichten zu erschweren. Es dürfte aber doch wohl im Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Interesse aller Empfängerinnen und Empfänger von Ar- Justiz): beitslosengeld II sein, wenn die gesetzlichen Grundlagen Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten so gestaltet sind, dass die Hilfeempfänger auch ohne ge- Damen und Herren! Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu! richtliches Verfahren zu ihrem guten Recht kommen. Ich beantworte Ihre Fragen wie folgt: Die Justizverwal- tung wird auf die weiter steigende Klageflut beim Sozial- Herr Abgeordneter Lehmann! Ich komme zur Beantwor- gericht dadurch reagieren, dass zunächst mehr Personal tung Ihrer Frage. Ich bin der Auffassung, dass ich als zugewiesen werden wird. Im Haushalt für die Jahre Justizministerin auch verpflichtet bin, auf Unzulänglich-

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Senatorin Gisela von der Aue keiten in den Gesetzen hinzuweisen und dafür zu sorgen, Präsident Walter Momper: dass sie praxistauglich werden. Ich habe mich, anders als Jetzt ist der Kollege Lehmann mit einer Nachfrage an der Ihre Frage nahelegt, nicht damit befasst, ob jemand einen Reihe. – Bitte schön, Herr Lehmann! bestimmten Anspruch haben soll oder nicht, sondern damit, wie die gewährten Ansprüche gesetzlich und ver- waltungsorganisatorisch gefasst sind, damit nicht die Rainer-Michael Lehmann (FDP): Gerichte mit vermeidbaren Streitfragen befasst werden. Frau Senatorin! Sie haben bereits darauf hingewiesen, Ich weise im Übrigen auch darauf hin, dass es nicht zu- dass die Hartz-IV-Gesetzgebung inhaltlich nicht in Ihr trifft, dass die Justizministerinnen und -minister sich im Ressort fällt. Aber kann ich dennoch davon ausgehen, Januar treffen, um Verbesserungsvorschläge für die dass Sie bereits mit Ihren Kolleginnen und Kollegen dar- Hartz-Gesetzgebung zu erarbeiten, sondern, wie ich eben über gesprochen haben, inwieweit die AV Wohnen in ausgeführt habe, eine Länderarbeitsgruppe diese Aufgabe Berlin gesetzeskonform ist oder nicht? Sollten Sie darüber bewältigen wird. noch nicht gesprochen haben, werden Sie das in der Ar- beitsgruppe nachholen? Bezüglich Ihrer Frage nach konkreten Maßnahmen bezüg- lich der Angemessenheit von Wohnraum bitte ich Sie, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe abzuwarten. Gerade die Präsident Walter Momper: Hartz-IV-Gesetzgebung hat gezeigt, dass übereiltes Han- Frau Senatorin von der Aue – bitte! deln mehr Probleme schafft als löst. Aber sicher werden die Fragen, die Sie zum Thema angemessener Wohnraum gestellt haben, eine wichtige Rolle in der Diskussion Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für spielen. – Vielen Dank! Justiz): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Lehmann! Präsident Walter Momper: Selbstverständlich werden wir alle erarbeiteten Ergebnis- se und alle abgeleiteten Empfehlungen mit den zuständi- Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt ist zunächst Herr gen Sozial- und Arbeitsministerinnen und -ministern Kollege Dr. Felgentreu mit einer Nachfrage an der Reihe. erörtern. Das ist ganz klar. Andererseits bitte ich Sie zu – Bitte schön, Herr Dr. Felgentreu! bedenken, dass wir es nicht einfach hinnehmen können, dass aus nachvollziehbaren Gründen die Klageeingänge Dr. Fritz Felgentreu (SPD): immer weiter steigen und wir dadurch Personal binden, das wir auch an anderen Stellen dringend benötigen. Zu Vielen Dank, Herr Präsident! – Hält der Senat es über die Ihrer konkreten Frage: Die AV Wohnen ist eine Verwal- von Ihnen angekündigten Maßnahmen hinaus für sinn- tungsvorschrift, die das Gericht nicht bindet. Es ist im voll, die Qualität der Bescheide zu verbessern durch mög- Streit beziehungsweise es gibt unterschiedliche Auffas- licherweise zusätzliche qualifikations- und motivations- sungen darüber, inwieweit der Bundesminister für Arbeit fördernde Maßnahmen im Bereich der Jobcenter, um auf und Soziales seine Kompetenz zum Erlass einer diese Weise eine geringere Anfechtungsquote vor Gericht Rechtsverordnung für diesen Bereich ausschöpfen sollte zu erreichen? oder nicht. Auch dies wird Gegenstand der Praxisabfrage bei den Sozialgerichten und der Erörterung in der Arbeits- Präsident Walter Momper: gruppe, schlussendlich auch der Justizministerinnen und -minister sein. Frau Senatorin von der Aue antwortet. – Bitte schön!

Präsident Walter Momper: Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Justiz): Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage des Kollegen Behrendt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Herr Abgeordneter Dr. Felgentreu! Die Qualität der Ar- Bitte schön, Herr Behrendt! beit in den Jobcentern ist natürlich immer wieder Gegens- tand von Erörterungen zwischen dem Sozialgericht Berlin und der Senatsjustizverwaltung. Deshalb ist es Aufgabe Dirk Behrendt (Grüne): der gerade eingesetzten Arbeitsgruppe zu untersuchen, Danke schön, Herr Präsident! – Frau Senatorin! Noch welche Fehler in den Jobcentern gemacht werden und wie einmal zurück zur Ursache: Stimmen Sie mir zu, dass ihnen begegnet werden kann. Ich bitte auch in diesem kein Gesetz der Welt und auch nicht die Gesetze zu Alg II Fall, auf die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zu warten. Wir den Jobcentern verbieten, bürgerfreundlich, zügig und vor haben vor, bis zur Herbstkonferenz der Justizministerin- allen Dingen rechtmäßig zu handeln, und dass deshalb nen und -minister voraussichtlich im November dieses eine wesentliche Ursache dieser Klageflut eher in der Jahres erste Ergebnisse vorzulegen. Praxis der Jobcenter liegt als in den Gesetzen?

[Vereinzelter Beifall bei den Grünen]

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Präsident Walter Momper: [Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)] Bitte schön, Frau Senatorin von der Aue! Insoweit wird von unserem Sozialgericht durchaus die Forderung erhoben, dass der Bundesminister seine Er- Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für mächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung für die- Justiz): sen Bereich ausschöpfen sollte. Das wird in der Tat Ge- genstand dieser Arbeitsgruppe sein, wie ich gerade ausge- Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Behrendt! führt habe. Dem kann man nicht durch den Erlass einer Ich vermag im Moment noch nicht zu beurteilen, welches landeseigenen Verwaltungsvorschrift Genüge tun. das größere Problem ist: die Unklarheit oder die Abstrak- tion der gesetzlichen Vorgaben oder eine mangelhafte Präsident Walter Momper: Praxis in den Jobcentern. Es ist klar, dass uns die Kolle- Danke schön, Frau Senatorin! gen aus dem Sozialgericht gemeldet haben, dass es eine Vielzahl von Formfehlern gibt. Ich wiederhole, dass sich Bevor ich die Frage Nr. 2 von Frau Thamm aufrufe, habe die Richterinnen und Richter in der Freizeit mit den ich noch eine Mitteilung zu machen. Die neue Staats- Sachbearbeiterinnen und -bearbeitern zusammengesetzt sekretärin für die Senatsverwaltung für Bildung, Wissen- und mit ihnen über die Unzulänglichkeiten gesprochen schaft und Forschung, Frau Claudia Zinke, ist unter uns. – haben. Mir ist mitgeteilt worden, dass ein großer Teil der Herzlich willkommen, Frau Zinke! Formfehler nicht mehr passiert. Gleichwohl gibt es immer [Allgemeiner Beifall] noch Mängel. Die gilt es zu erfassen und zu systematisie- ren, und es gilt, Vorschläge zu erarbeiten, wie man auch Gute Zusammenarbeit und alles Gute in Ihrem neuen diese beseitigen kann. Amt!

Dann ist Frau Thamm von der CDU-Fraktion mit der Präsident Walter Momper: Frage Nr. 2 an der Reihe. Diese hat das Thema Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt ist der Kollege Hoffmann von der CDU-Fraktion mit einer Nachfrage an Wie werden die Kindertagespflegestellen gesichert der Reihe. – Bitte! und ausgebaut? – Bitte schön, Frau Thamm!

Gregor Hoffmann (CDU): Monika Thamm (CDU): Wäre es, Frau Senatorin, gerade bei der AV Wohnen – auch wenn Sie sagen, das sei nicht ihr Hauptanliegen – Danke schön! – Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte nicht ein erster Schritt gewesen, innerhalb des Senats für Damen und Herren! Ich frage den Senat: eine Regelung zu sorgen? In Berlin führen doch offen- sichtlich auch aufgrund dieser Verwaltungsvorschrift 1. Wie sieht die haushalterische Absicherung der AV zur viele Klagen zum Sozialgericht. Da es das zu vermeiden Finanzierung der Kindertagespflege für das Jahr 2009 gilt und in der Tat auch viele Formschwächen aus der aus, und in welchem Kapitel/Titel und in welcher Hö- Verwaltungsbehandlung durch die Petenten beklagt wer- he wurden die Summen eingestellt? den, wäre es da nicht doch besser gewesen, Sie hätten erst 2. Wie wird die Verteilung des Geldes an die Bezirke einmal innerhalb des Senats eine Regelung gefunden, um sichergestellt und dabei deren unterschiedliche Bedar- zumindest einen Großteil der Problemlagen, die dann fe – orientiert an der unterschiedlichen Anzahl und beim Sozialgericht landen, abzuschaffen, als eine so lang- Größe der Pflegestellen – berücksichtigt? fristige Initiative zu ergreifen?

Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: Frau Senatorin von der Aue! Danke schön, Frau Thamm! – Für den Senat antwortet der Finanzsenator. – Herr Dr. Sarrazin, bitte schön!

Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Justiz): Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für Finanzen): Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Hoffmann! Ich hatte eben ausgeführt, dass die AV Wohnen, die im Frau Abgeordnete Thamm! Die beiden Fragen stehen im Übrigen gerade vom Senat aktualisiert wurde, eine reine Zusammenhang, werden darum auch beide zusammen Verwaltungsvorschrift ist. Das heißt, wenn ein An- beantwortet. – Der Bildungssenator hat Ende Dezember spruchsberechtigter und sein Rechtsanwalt der Auffas- für die Finanzierung der Kindertagespflege Ausführungs- sung sind, dass diese Vorgaben nicht mit einem angemes- vorschriften erlassen, um die Belastungen der Tagespfle- senen Wohnraum übereinstimmen, steht ihnen der Kla- gepersonen, die ab dem 1. Januar 2009 aus steuer- und geweg offen. Die Gerichte sind an Verwaltungsvorschrif- sozialversicherungsrechtlichen Gründen entstehen, abzu- ten nicht gebunden. fangen. Dieses Abfangen erfolgt dadurch, dass nachge- wiesene Aufwendungen für Kranken- und Pfle-

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Senator Dr. Thilo Sarrazin geversicherung hälftig erstattet werden und der Beitrag wirtschaftung von sechs Kultureinrichtungen an neun leistungsgerecht ausgestaltet wird, der zur Anerkennung Standorten seit Jahresbeginn? der Förderungsleistung gegeben wird. Dabei werden der 2. Inwieweit ist gesichert, dass diese Dienste von landes- zeitliche Umfang, die Anzahl und der Förderbedarf der eigenem Personal z. B. aus den jeweiligen Einrichtun- Kinder berücksichtigt. gen, dem Stellenpool oder dem Landesbetrieb für Ge-

bäudewirtschaft – LfG – erbracht werden, oder plant Damit wird der Änderung des SGB VIII Rechnung getra- die BIM eine Fremdvergabe? gen. Man muss dabei sehen, dass damit nicht alle Härten im Einzelfall ausgeglichen werden können. Es kann sein, dass die eine oder andere Tagespflegeperson etwas weni- Präsident Walter Momper: ger bekommt und die andere etwas mehr. – Es wird in der Summe zu Mehrausgaben in der Kindertagespflege füh- Danke schön, Herr Kollege Doering! – Für den Senat hat ren. Diese Ausgaben sind in Kapitel 4020, Titel 671 51 der Senator für Finanzen, Herr Dr. Sarrazin, das Wort. veranschlagt. Dort waren bisher für das Haushaltsjahr 2009 27 Millionen Euro vorgesehen. Es wird jetzt mit Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für Mehrausgaben von 8 Millionen Euro gerechnet. Sie wer- Finanzen): den im Rahmen der Basiskorrektur für das Jahr 2009 berücksichtigt. – Danke schön! Vielen Dank, Herr Abgeordneter! – Die BIM übernimmt alle Leistungen auf dem Gebiet des technischen, kauf- männischen und infrastrukturellen Gebäudemanagements. Präsident Walter Momper: Dazu zählen vor allem Bauunterhaltung mit Instandset- Danke schön! – Gibt es eine Nachfrage der Frau Kollegin zung, Störungsmanagement und Betrieb und Wartung der Thamm? – Dann hat sie das Wort. technischen Gebäudeausrüstung. Dazu zählen des Weite- ren Maßnahmen wie Unterhaltsreinigung, Winterdienste, Gärtnerdienste, die ebenfalls die BIM erbringt, auch Me- Monika Thamm (CDU): dienversorgung und Abfallentsorgung. Im kaufmänni- Vielen Dank! – Haben die Pflegeeltern im Januar schon schen Bereich sind es die Versicherungen für die Gebäu- entsprechende Leistungen erhalten, bzw. wann wird das de, die Gebühren- und Abgabenrechnungen, das Vertrags- zum ersten Mal geschehen? und Vermietungsmanagement sowie die Kostenrechnung für die Immobilie und das Controlling.

Präsident Walter Momper: Kulturimmobilien sind keine normalen Verwaltungsge- Danke schön! – Herr Dr. Sarrazin, bitte! bäude. Sie sind sehr unterschiedlich. Deshalb werden alle Prozesse in enger Abstimmung mit den Einrichtungen Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für einvernehmlich eingeleitet. Dann wird auch der Finanzen): Leistungsmix definiert. Wie mir die BIM berichtet, ist dies bisher zur vollen Zufriedenheit aller Beteiligten ge- Das sollte im Januar zum ersten Mal geschehen, weil ab laufen. dem 1. Januar die Mehraufwendungen entstehen. Ob das nachschüssig, also erst im Februar, gezahlt wird, kann ich Mit Übernahme der Bewirtschaftung durch die BIM ist jetzt nicht beantworten. Aber es werden Mehraufwendun- diese auch in alle bestehenden Dienstleistungsverträge gen ab dem 1. Januar hälftig ausgeglichen. eingetreten. Insofern besteht für die bisherigen Auftrag- nehmer Rechtssicherheit. Soweit Leistungen zur Vergabe Präsident Walter Momper: neu anstehen, wird dies dann in die Ausschreibungen bei der BIM integriert. Da haben die bisherigen Anbieter Danke schön! Chancen. Natürlich müssen sie sich dem Wettbewerb stellen. Das ist auch der Sinn der Maßnahme, dass wir die Dann geht es weiter mit der Anfrage Nr. 3 des Kollegen Dinge durch Wettbewerb optimal gestalten. Doering von der Linksfraktion zum Thema Zentrale Bewirtschaftung von Kulturobjekten Soweit in den Einrichtungen Mitarbeiter in diesen Berei- durch die BIM chen tätig sind, werden sie auch weiterhin, solange sie da sind, neben den externen Dienstleistern eingesetzt. Es gilt – Bitte schön, Herr Doering! also immer die Regelung, zuerst die vorhandenen Mitar- beiter einsetzen, dann die Dienstleister, die bereits da Uwe Doering (Linksfraktion): sind, beschäftigen, soweit sie Verträge haben. Und der Rest wird neu ausgeschrieben. – Außerdem wurde für die Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich Kultureinrichtungen die Störungszentrale des LfG eben- frage den Senat: falls mit in das Störungsmanagement bei der BIM integ-

riert. 1. Welche Dienste übernimmt die landeseigene Berliner

Immobilienmanagement GmbH mit der zentralen Be-

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Senator Dr. Thilo Sarrazin Fremdvergaben sind gegenwärtig noch nicht geplant, weil gierten 10 000 Stellen auch im Jahr 2009 nicht er- die Dienste mit den externen Verträgen und den Eigen- reicht werden? leistungen voll erbracht werden können. Natürlich wird es

Personalabgänge bei den Kultureinrichtungen geben, soweit Mitarbeiter, die Eigenleistungen erbracht haben, Präsident Walter Momper: abgehen, weil sie pensioniert werden oder aus anderen Danke schön, Frau Kollegin! – Für den Senat antwortet Gründen. Dieses wird dann zusätzlich in die externen Frau Senatorin Dr. Knake-Werner. – Bitte, Sie haben das Vergaben einbezogen, sodass wir ganz allmählich einen Wort! Übergang von Eigenleistungen zu externen Vergaben haben, der aber sozial und mitarbeiterschonend durchge- führt wird. – Danke schön! Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales): Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete Pop! Bevor ich auf die von Ihnen gera- Eine Nachfrage des Kollegen Doering. – Bitte schön, Herr de zitierten Zahlen eingehe, gestatten Sie mir bitte eine Doering! grundsätzlichere Bemerkung vorweg. Berlin hat offen- sichtlich im Unterschied zu den anderen Bundesländern Uwe Doering (Linksfraktion): die Beschäftigungsprogramme der Bundesregierung, des Bundesarbeitsministers, genutzt, um langzeitarbeitslosen Herr Finanzsenator! Wenn ich Sie also richtig verstanden Menschen, die schon sehr lange arbeitslos sind, über habe, steht am Ende des Prozesses, dass entsprechende öffentlich geförderte Beschäftigung wieder eine Perspek- Dienstleistungen an den Kultureinrichtungen ab einem tive im Erwerbsleben zu geben. Gerade jüngst sind die noch nicht absehbaren Zeitpunkt letztendlich alle fremd- Zahlen insgesamt veröffentlich worden. Das macht sehr vergeben sind. deutlich, dass von den bundesweit eingerichteten Arbeits-

plätzen knapp 20 Prozent allein in Berlin geschaffen wor- Präsident Walter Momper: den sind. Das halte ich für ein gutes Ergebnis, und dar- Herr Senator Dr. Sarrazin – bitte schön! über bin ich sehr froh. Inzwischen sind ca. 5 000 Men- schen im Berliner öffentlich geförderten Beschäftigungs- sektor integriert, mit einem Einkommen, von dem sie Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für leben können. Ihre Arbeit hat zur Stabilisierung und zum Finanzen): Ausbau der sozialen und kulturellen Angebote in unserer Wenn Sie den Prozess über 20 Jahre nehmen, je nach dem Stadt einen wichtigen Beitrag geleistet. Lebensalter der Mitarbeiter, ist das richtig. Eines hat allerdings auch in Berlin nicht funktioniert, da war ich übrigens von Beginn an nicht besonders optimis- Präsident Walter Momper: tisch. Dabei geht es um die ursprüngliche Absicht des Keine Nachfrage mehr. Bundesministers, das Beschäftigungszuschussinstrument, also den berühmten § 16a, vor allen Dingen für private Dann geht es weiter mit Frau Pop von den Grünen mit Unternehmen zu öffnen. In der Realität wird deutlich, einer Anfrage zu dem Thema dass selbst ein Beschäftigungszuschuss, ein Lohnkosten- zuschuss von 57 Prozent, offensichtlich nicht genügend Werden die propagierten 10 000 Stellen im Anreiz für private Unternehmen schafft, Langzeitarbeits- öffentlichen Beschäftigungssektor jemals erreicht? losen einen Platz zu geben, eine Perspektive in ihrem – Bitte schön, Frau Pop, Sie haben das Wort! Unternehmen zu eröffnen. Das bestätigt einmal mehr, wie wichtig öffentlich geförderte Beschäftigung von Lang- zeitarbeitslosen ist, wenn man sie nicht ganz abschieben Ramona Pop (Grüne): will. Ich frage den Senat: Nun zu Ihrer Frage konkret: Inzwischen, das sagte ich 1. Wie viele Stellen sind im Rahmen des öffentlich ge- bereits, sind etwa 5 000 Menschen im öffentlich geförder- förderten Beschäftigungssektors bis zum Jahresende ten Beschäftigungssektor integriert. Mit dem Beschäfti- 2008 zusätzlich zu den 3 700 Stellen, die Ende No- gungszuschuss haben 3 877 Menschen eine Perspektive vember bereits bewilligt waren, mit Hilfe der Beschäf- gefunden. Das halte ich nach den erheblichen Anlauf- tigungszuschüsse gemäß § 16a SGB II geschaffen schwierigkeiten, mit denen wir zu tun hatten, für ein gutes worden? Ergebnis, mit dem der Senat durchaus zufrieden sein 2. Wie viele Stellen plant der Senat im Jahr 2009 im kann. Rahmen des öffentlich geförderten Beschäftigungs- sektors zu finanzieren, und trifft es zu, dass abwei- Zur Frage 2: Der Senat ist bislang in seinen Überlegungen chend von der ursprünglichen Planung nur noch 1 400 nicht von den Planungen abgewichen. Für 2009 waren Stellen gefördert werden sollen und damit die propa- insgesamt 6 100 Förderfälle geplant. Die werden wir in

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Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner diesem Jahr mindestens einrichten und auch finanzieren. – Wieso ist Ihnen, Frau Knake-Werner, weder die Presse- 2010 werden wir in jedem Fall mindestens die Zielgröße erklärung des Bezirksbürgermeisters von Mitte bekannt, 7 500 erreichen. Wie Sie als besonders aufmerksames in der er beklagt, dass im nächsten Jahr nur noch 1 400 Mitglied im Hauptausschuss wissen, verehrte Frau Pop, Stellen geschaffen werden sollen, noch der Brief Ihres hat der Senat zur Einrichtung des ÖBS zwei Beschlüsse eigenen Dienstleisters, den Sie beauftragt haben, dieses gefasst, die Ihnen im Hauptausschuss und im Fachaus- Programm umzusetzen, der ebenfalls den Bezirken mitge- schuss vorgelegen haben. In der ersten Vorlage haben wir teilt hat, dass 2009 noch 1 400 Maßnahmen finanziert unsere erste Planung dargestellt, mit dem Instrument des werden können? – 1 400 Maßnahmen im Jahr 2009 oder § 16a in den ÖBS in Berlin einzusteigen. Damals gab es 6 100, Frau Knake-Werner? Das ist noch nicht so richtig die Prognose, dass es etwa 10 000 Stellen sein könnten, klargeworden. für die das Land mit ungefähr 520 Euro pro Fall zusätz- lich einsteigen muss, wenn es darum geht, sozialversiche- Präsident Walter Momper: rungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu schaffen, was wir wollten. Frau Senatorin Knake-Werner, bitte!

Im Nachgang hat die Bundesregierung die Verteilquoten Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner (Senatsverwaltung leicht korrigiert. Aber entscheidender war, dass ein zwei- für Integration, Arbeit und Soziales): tes Instrument hinzugefügt worden ist, das auch für den öffentlich geförderten Beschäftigungssektor genutzt wer- Vielen Dank, Herr Präsident! – Frau Pop! Das mag Ihnen den sollte, nämlich der Kommunalkombi. Daraufhin hat nicht so richtig klar geworden sein. Ich habe mich klar im Juni 2008 der Senat seine Modellrechnung noch ein- geäußert. Unsere Planung beinhaltet in diesem Jahr – so mal korrigiert und dem Hauptausschuss vorgelegt, weil haben wir das festgelegt – 6 100 Stellen insgesamt, und mit diesem zusätzlichen Programm ein höherer Landeszu- die werden wir auch finanzieren. schuss notwendig geworden ist, weil statt 75 Prozent 50 Prozent von der Bundesseite kommen. Präsident Walter Momper:

Verwirrung ist im Moment entstanden, weil die Jobcenter Danke schön! – Weitere Nachfragen liegen nicht vor. und die Trägerversammlung signalisieren, dass sie einen erheblich größeren Bedarf an Arbeitsplätzen im öffentlich Wir kommen zur Mündlichen Anfrage Nr. 6 des Kollegen geförderten Beschäftigungssektor haben. Das ist verständ- Daniel Buchholz von der SPD-Fraktion zum Thema lich. Das freut mich im Übrigen auch, denn inzwischen ist Rechte der Fahrgäste stärken der öffentlich geförderte Beschäftigungssektor als ein – Bitte schön, Herr Buchholz! interessantes und wirksames Programm im Kampf gegen

Langzeitarbeitslosigkeit akzeptiert und anerkannt. Das Entscheidende aber ist zurzeit, dass bislang die Mittel Daniel Buchholz (SPD): noch gar nicht zugeteilt worden sind und bisher all das, Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: was dort auch vonseiten der Bezirke und der Jobcenter formuliert worden ist, sich mehr im Rahmen der Spekula- 1. Unterstützt der Senat die Initiative einiger Bundeslän- tion bewegt. Wir stehen dazu mit der Regionaldirektion in der, die Rechte der Fahrgäste im Fern- und Nahver- engem Kontakt. Sowie die Zahlen vorliegen, werden wir kehr zu stärken und höhere Fahrpreiserstattungen bei gemeinsam mit Ihnen darüber diskutieren. Verspätungen festzulegen?

Ich glaube, dass mit der Konjunkturkrise auch für die 2. Wie bewertet der Senat die Weigerung der Deutschen Arbeitsmarktpolitik ein Handlungsbedarf zur Absicherung Bahn und ihrer Tochtergesellschaft DB Regio, bei der der Probleme besteht. In Krisenzeiten spielt der öffentlich neu eingerichteten Schlichtungsstelle Nahverkehr mit- geförderte Beschäftigungssektor eine zentrale Rolle. In zuarbeiten und diese anteilig mit zu finanzieren? Krisenzeiten übernimmt die aktive Arbeitsmarktpolitik nicht nur eine wichtige Entlastungsfunktion des Arbeits- markts, sondern sie dient in der Tat auch zur Armutsbe- Präsident Walter Momper: kämpfung. Unter diesem Aspekt wird der Senat sich si- Für den Senat antwortet die Stadtentwicklungssenatorin cherlich mit diesen Fragen in den kommenden Diskussio- Frau Junge-Reyer. – Bitte schön! nen um Konjunkturprogramme und anderes beschäftigen.

Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer Präsident Walter Momper: (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Eine Nachfrage von Frau Pop – bitte schön! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abge- ordneter Buchholz! Der Senat hat sich sehr für eine Ver- Ramona Pop (Grüne): besserung der Fahrgastrechte engagiert. Dies erfolgt z. B. in der Bund-Länder-Arbeitsgruppe Fahrgastrechte, aber Ich traue mich, eine Nachfrage zu stellen nach dieser auch bei der Erarbeitung des Bundesratsbeschlusses vom „erschöpfenden“ Antwort – leider nicht auf meine Frage.

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Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer November 2008 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung anstandslos und seit mehr als einem Jahr unterstützt. Se- zu den Fahrgastrechten im Eisenbahnverkehr. Der Senat hen Sie nicht die Notwendigkeit, dass das Land Berlin hält allerdings die bisher vorgesehenen Regelungen nicht seinen Unmut über diese Verweigerungshaltung der Bahn für ausreichend. Es ist wichtig, dass wir uns weiterhin für klarer äußert? erweiterte Fahrgastrechte einsetzen. Es geht dabei z. B. [Beifall von Felicitas Kubala (Grüne)] um die ausreichende und richtige Information zum Tarif und zum Fahrplan. Es geht um die Rechte bei falschen Informationen oder beim unzulänglichen Verkauf von Präsident Walter Momper: Fahrkarten. Und es geht um den Anspruch auf Weiterfahrt bei Verspätung und Ausfall, auch z. B. bei zuggebunde- Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte schön! nen Fahrkarten. Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer Im Rahmen der Erarbeitung des Gesetzentwurfs durch die (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Bundesregierung wurden einige dieser Forderungen über- nommen. So wird z. B. im Eisenbahnverkehr die gesamte Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Buch- Reisekette – Fern- und Regionalzüge – berücksichtigt. holz! Nun ist die DB Regio in dieser Region nicht völlig Die Berliner Forderung einer erweiterten Fahrradmitnah- führungslos. Wir müssen sehen, dass sie Bestandteil eines me in Fernzügen ist in einem Bundesratsbeschluss aufge- großen Konzerns ist. Ich erwarte in einer solchen Situati- griffen worden. on handlungsleitende Weisungen der Konzernspitze der Deutschen Bahn. Ab Dezember 2009 werden neue Rechte greifen. Das heißt, Fahrgäste haben ab einer Verspätung von einer Präsident Walter Momper: Stunde Anspruch auf Erstattung von 25 Prozent des Fahr- Nun hat die Kollegin Hämmerling das Wort zu einer preises, ab einer Verspätung von zwei Stunden werden Nachfrage. – Bitte schön! 50 Prozent zurückgezahlt. Dies schreibt bereits die EU-

Verordnung zu Fahrgastrechten im Eisenbahnverkehr vor und muss umgesetzt werden. Claudia Hämmerling (Grüne): Schönen Dank, Herr Präsident! – Frau Junge-Reyer! Das Der Senat vertritt darüber hinaus die Position, dass man waren recht ausführliche Aussagen zum Eisenbahnver- sich ebenfalls für Fragen der Qualität bei der Refinanzie- kehr. Meine Frage ist angesichts der Chaostage bei der rung von – so muss ich das wohl sagen – vernachlässigten S-Bahn vor Kurzem: Welche Maßnahmen wollen Sie Fahrgastrechten einsetzen sollte. Die Qualitätsaspekte, die ergreifen, damit Fahrgäste, die beispielsweise aufgrund ich vorhin genannt habe, müssen auch eine besondere einer verspäteten S-Bahn ihren Zug nicht bekommen und Bedeutung haben, wenn man sie in finanziellen Zurück- eine wichtige Reise verpassen, auch eine Entschädigung zahlungen – Leistungen an die Fahrgäste – ausdrückt. erhalten können?

Der Senat begrüßt die Einrichtung der Schlichtungsstelle Nahverkehr. Allerdings ist das Problem, dass der Verband Präsident Walter Momper: Deutscher Verkehrsunternehmen bis jetzt nicht erreichen Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte! konnte, dass sich die DB Regio beteiligt. Es ist wichtig, dass sich die Verkehrsunternehmen nicht nur darauf beru- fen, eigene Regelungen erstellt zu haben. Wir setzen uns Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer deshalb weiter für eine Beteiligung ein. Es geht schließ- (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): lich nicht nur um die Frage, wie sich ein einzelnes Ver- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hämmer- kehrsunternehmen jeweils verhält, sondern es geht auch ling! Es geht hier nicht darum, dass wir große bürokrati- darum, wie sich die Verkehrsunternehmen untereinander sche Verfahren zur Rückzahlung eines Fahrpreises, ggf. abstimmen und dann ggf. abgestimmt verhalten. Dazu eines halben Fahrpreises – das wäre in etwa eine Größen- gehört die Anerkennung des Spruchs einer solchen ordnung von einem Euro – produzieren wollen. Mir liegt Schlichtungsstelle. daran, dass sich die Leistungsfähigkeit und die Qualität des Angebots steigern. Ein von Ihnen angedeuteter Scha- Präsident Walter Momper: denersatzanspruch wegen nicht eingetretener wirtschaftli- cher Vorteile ist nach meiner Einschätzung rechtlich Danke schön! – Jetzt geht es weiter mit einer Nachfrage kaum zu konstruieren. Diese Probleme haben wir nach des Kollegen Buchholz. – Bitte schön! wie vor. Sie wissen, dass die BVG freiwillig bestimmte Leistungen z. B. bei Verschmutzungen oder Verspätungen Daniel Buchholz (SPD): erbringt und sich im Wege der Kulanz gegenüber den Kundinnen und Kunden großzügig zeigt. Ein solches Danke schön! – Frau Senatorin! Wie erklären Sie sich die Verhalten kann ich mir bei der S-Bahn auch vorstellen. Haltung der Deutschen Bahn und ihrer Tochter DB Regio Eine vertragliche Regelung mit einer Tochter der Deut- speziell im Berliner Fall? – In Nordrhein-Westfalen hat schen Bahn scheint nicht möglich zu sein. die DB Regio die dortige Schlichtungsstelle Nahverkehr

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für den Kraftstoff. In einer solchen Situation kann mit der Präsident Walter Momper: bisherigen Begründung ein Tarifantrag nicht genehmigt werden. Wir wollen deshalb die weiteren Begründungen, Danke schön, Frau Senatorin! – Weitere Nachfragen gibt die die Innungen angekündigt haben, im Gespräch erör- es nicht. tern. Wir tun dies gemeinsam mit der IHK. Es ist richtig, dass wir auf der einen Seite sehen, dass die Kraftstoffprei- Dann kommen wir zur Mündlichen Anfrage Nr. 7 des se von etwa 1,49 Euro im Juli 2008 auf inzwischen etwas Kollegen Friederici von der CDU-Fraktion zum Thema über 1 Euro gesunken sind, dass wir aber gleichzeitig die Weshalb hat der Berliner Senat den Antrag sonstigen Kosten, die die Innungen nunmehr geltend der Berliner Taxi-Innung e. V. für eine machen wollen, fair miteinander betrachten. Taxitariferhöhung vor wenigen Tagen abgelehnt? Wir werden die entsprechenden Unterlagen – so ist es – Bitte schön, Herr Friederici! zugesichert – in Kürze erhalten. Zum Beispiel ist uns dargestellt worden, dass Versicherungsprämien gestiegen Oliver Friederici (CDU): sind. Wir erwarten die schriftliche Darstellung bzw. die Begründungen, und dann werden wir uns mit den Unter- Vielen Dank, Herr Präsident! – Ich frage den Senat: nehmen die gesamte Begründung für mögliche Tariferhö- hungen anschauen. Deshalb kann ich Ihnen in Aussicht 1. Weshalb hat der Senat die beantragte Taxitariferhö- stellen – wie ich das den Vertretern gegenüber auch getan hung mit der Begründung abgelehnt, die Dieselpreise habe –, dass eine Tariferhöhung möglich ist, aber die seien nicht nennenswert gestiegen, wenn er doch auch Begründung muss stimmen. hätte berücksichtigen müssen, dass im Betrachtungs- zeitraum seit der letzten Erhöhung die Lebenshal- tungskosten und die Fahrzeugversicherungskosten ge- Präsident Walter Momper: stiegen sind ebenso wie die Preise für Taxifahrzeug- Danke schön, Frau Senatorin! – Jetzt gibt es eine Nach- neuanschaffungen? frage des Kollegen Friederici. – Bitte schön, Herr Kolle- 2. Aus welchem Grund hat der Senat nicht aus eigenem ge! Antrieb einen Kompromissvorschlag unterbreitet, der den oben genannten Fakten Rechnung trägt, und damit Oliver Friederici (CDU): einen Tarif beschlossen, der zwischen dem beantrag- ten und bisherigen Preis hätte liegen können? Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Frau Senato- rin! Gibt es in Ihrem Hause darüber hinaus auch Ideen und Konzepte zur Attraktivitäts- oder Umsatzsteigerung Präsident Walter Momper: im Taxigewerbe, beispielsweise ein Konzept dergestalt, dass Taxihalteplätze künftig verstärkt auch mit der Innung Für den Senat antwortet die Stadtentwicklungssenatorin sowie den anderen Taxiverbänden abgesprochen werden Frau Junge-Reyer. – Bitte schön! und vielleicht bei der Planung des Flughafens BBI die Taxihaltsituation gemeinsam mit diesen Verbänden be- Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer sprochen wird? (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abge- Präsident Walter Momper: ordneter Friederici! Der Senat hat die beantragte Tarifer- Frau Senatorin Junge-Reyer! höhung nicht abgelehnt. Vielmehr hat die Senatsverwal- tung für Stadtentwicklung die Verbände noch für diesen Monat zur Weiterführung der Gespräche eingeladen. Ich Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer habe auch persönlich mit den Vertretern der jeweiligen (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Innungen gesprochen. Wir wollen den Tarifantrag unter Herr Präsident! Herr Abgeordneter Friederici! Es gibt Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklungen, eine sogenannte regelmäßige Taxi-Runde, die Sie wahr- vor allem der Dieselkraftstoffpreise, noch einmal betrach- scheinlich kennen, bei der nicht nur die Tarife Gegens- ten und die wirtschaftliche Situation der Taxiunternehmen tand der Erörterungen sind. Die Innung, aber auch die unter diesen veränderten Bedingungen erörtern. anderen Vertreter der Verbände sind dazu eingeladen, sich mit einer gewissen Moderation – die offensichtlich Der Tarifantrag war mit dem Anstieg sowohl der fixen als erforderlich ist – untereinander abzustimmen. Sie wissen, auch der variablen Kosten begründet worden. Es wurde dass es insbesondere bezogen auf den BBI von großer ausgeführt, dass der Taxibetrieb mit den alten Tarifen Bedeutung ist, sich auch mit den Brandenburger Unter- angesichts der erwarteten wirtschaftlichen Bedingungen nehmen abzustimmen. Das ist nicht einfach gewesen, und nicht mehr möglich sein könnte. Die Zahlenangaben des ich bin froh darüber, dass hier Verständigungen über Gewerbes bezogen sich wesentlich auf die Steigerung der Dinge erzielt worden sind, die in Konkurrenz zueinander variablen Kosten um etwa 15 Prozent. Die variablen Kos- diskutiert werden. ten sind aber weit überwiegend oder gänzlich die Kosten

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Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer Zur Qualität des Angebots gibt es zum Beispiel in Tegel 1. Wie beurteilt der Senat das Ansinnen aus einem Berli- in Zusammenarbeit mit der Berliner Flughafengesell- ner Bezirk, Sperrbezirke für Prostituierte einzurich- schaft einen Vorschlag, wie die Qualität des Angebots des ten? Taxenverkehrs in Berlin erhöht werden kann, nach meiner 2. Wie schätzt der Senat die Bedingungen im Prostituti- Einschätzung erhöht werden wird. Ich bin froh darüber, onsgewerbe nach dem Inkrafttreten des Prostitutions- dass die Innung, dass die Verbände ebenfalls ein großes gesetzes ein, wie haben sie sich verbessert, und wel- Interesse an einer solchen Qualitätserhöhung haben und cher Handlungsbedarf besteht nach Auffassung des dies öffentlich deutlich machen. Senates weiterhin?

Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: Eine Nachfrage des Kollegen Buchholz! – Bitte schön, Herr Buchholz! Danke schön! – Für den Senat antwortet der Innensenator, Herr Dr. Körting. – Bitte schön, Herr Dr. Körting!

Daniel Buchholz (SPD): Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für Frau Senatorin! Hinsichtlich der von Ihnen angesproche- Inneres und Sport): nen Taxi-Runde: Werden dort auch Gespräche über die Qualität einzelner Taxen geführt, die ihren Fahrgästen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin mitunter leider zumuten, dass man nicht nur auf durchge- Baba! Die Landesregierung hält nichts von der Einrich- sessenen Sitzen Platz nehmen muss, bei denen man fast tung von Sperrbezirken im Land Berlin. Ich muss Ihre den Eindruck hat, auf dem Boden zu sitzen, und auch Frage allerdings in einem Punkt korrigieren: Der Bezirks- gelegentlich eine ganze Türarmatur in der Hand haben bürgermeister, den Sie angesprochen haben, schlägt nicht kann? Gibt es auch Gespräche hinsichtlich der Qualitäts- oder nicht mehr vor, Sperrbezirke einzurichten, sondern sicherung? er bezieht sich darauf, für oder vor bestimmten sozialen Einrichtungen nach Artikel 297 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch für öffentliche Straßen, Wege, Plät- Präsident Walter Momper: ze, Anlagen und sonstige Orte, die von dort aus eingese- Frau Senatorin Junge-Reyer! hen werden können, durch Rechtsverordnung zu verbie- ten, der Prostitution nachzugehen. Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): Auch dieses halte ich nicht für zielführend, weil das, was man erreichen will, den Schutz von Jugendlichen, heute Herr Präsident! Herr Abgeordneter Buchholz! Auch dar- schon über § 184e des Strafgesetzbuches möglich ist. über gibt es Gespräche. Gerade in den letzten Tagen und Danach ist es nämlich verboten und strafrechtlich be- Wochen habe ich in Gesprächen mit Vertretern des Taxi- wehrt, der Prostitution in der Nähe einer Schule oder gewerbes erlebt, dass es großes Interesse daran gibt, ein anderen Örtlichkeit nachzugehen, die zum Besuch von qualitativ hochwertiges Angebot auch hinsichtlich des Personen unter achtzehn Jahren bestimmt ist, und dies in Aussehens der jeweiligen Taxe zu bieten und sich über einer Weise zu tun, die diese Personen sittlich gefährdet. das Auftreten der Taxifahrer gegenüber den Kunden Ge- Insofern haben wir die Möglichkeit, wenn im Schul- oder danken zu machen, die Berliner Schnauze mit einer Höf- Kindertagesstättenbereich der Prostitution in einer Weise lichkeit und Freundlichkeit zu verbinden, die für Berlin nachgegangen wird, die sittlich gefährdet, durch entspre- weiter typisch sein kann, aber auch für die Hauptstadt ein chende Maßnahmen vorzugehen – nach § 184e des Straf- gutes Aushängeschild ist. gesetzbuches, Platzverweis oder Ähnlichem. Deshalb sieht das Land Berlin im Moment keinen Handlungsbe- Präsident Walter Momper: darf im Sinne der Anregung des Bezirksbürgermeisters.

Danke schön, Frau Senatorin! Wir sehen jedoch Handlungsbedarf und kommen diesem auch nach, mithilfe von Straßenarbeitern und Initiativen Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage der Kollegin Baba wie Hydra das Gespräch mit den Prostituierten zu suchen von der Linksfraktion zu dem Thema und diesen die Problematik darzustellen. Dies hat im Sperrbezirke für Prostituierte? Übrigen dazu geführt, nachdem es eine Zeitlang Prostitu- tion in der Nähe einer Kindertagesstätte gegeben hatte, – Bitte schön, Frau Baba! dass diese nach den Beobachtungen der Polizei dort in- zwischen nicht mehr stattfindet. Das heißt, das belehrende Evrim Baba (Linksfraktion): Gespräch hat dazu beigetragen, das Problem zu verän- dern. Trotzdem sehe ich aus dem, was der Bezirksbür- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den germeister vorträgt, dass es eine Belästigung gibt, wenn Senat: Prostitution in Fahrzeugen vor der Wohnungstür oder in

ähnlicher Art und Weise stattfindet. Wir meinen aber, dass das nicht durch Verbote gesteuert werden kann,

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Senator Dr. Ehrhart Körting sondern nur durch entsprechende Belehrungen und das Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für Einwirken auf die Betroffenen. Inneres und Sport):

Es geht bei der Prostitution konkret um ein bestimmtes Unserer Einschätzung nach hängt das Ganze auch mit Gebiet, in dem sie stattfindet. Das ist Potsdamer Stra- dem zusammen, was Sie unter der Frage 2 formulieren. ße/Kurfürstenstraße. Dort haben wir im Verhältnis zu Die Bundesrepublik Deutschland und der Bundesgesetz- anderen Straßen eine verstärkte Prostitution. Es gibt auch geber haben sich vor einigen Jahren entschieden, andere Straßenzüge, wo Straßenprostitution stattfindet, Prostitution rechtlich anders einzuordnen, als dies früher aber in den genannten Straßen findet sie verstärkt statt. der Fall war. Man hat die Prostitution legalisiert. Man hat denjenigen, die der Prostitution nachgehen, legale Mög- Ich verstehe – wie gesagt –, dass der Bezirksbürgermeis- lichkeiten gegeben, in der Bundesrepublik Deutschland ter und die Anwohner sagen, sie wollen möglichst davon die Prostitution auszuüben. Man hat damit verschiedene nicht belästigt werden und das möglichst niedrig halten. Ziele verfolgt. Zum einen hat man das Ziel verfolgt, eine Aber dieser Alarmruf, es hätte sich sensationell etwas Diskriminierung per se zu beseitigen, aber auch das Ziel, verändert, kann von der Polizei aufgrund ihrer Erfahrung die Prostitution zu entkriminalisieren und insbesondere nicht bestätigt werden. Es gibt sozusagen eine statische die Umstände der Prostitution zu entkriminalisieren – Einschätzung der Situation Potsdamer Stra- Menschenhandel, Prostitution von Jugendlichen und ße/Kurfürstenstraße. Ähnlichem.

Eine Bemerkung kann ich mir nicht verkneifen: Es gab im Die Angebote, die die neue Gesetzgebung gemacht hat, Zusammenhang mit dieser Gegend auch die Debatte um sind bisher nur sehr zögerlich angenommen worden. Das die Frage, ob man dort Prostitution im Gebäude, mit ei- heißt, der Weg der Legalisierung, des Selbstgangs der nem sogenannten Laufhaus, zulässt. Auch da hat sich der Legalisierung ist auch von Prostituierten sehr zögerlich Bezirk mit Vehemenz dagegen gewandt. Vielleicht wären beschritten worden. Trotzdem hat das Gesetz meiner die Probleme, die der Bezirk auf der Straße sieht, ent- Meinung nach einen positiven Grundeffekt gehabt, weil krampfter, wenn man Prostitution in einem solchen Lauf- man durch die Legalisierung die Möglichkeit eröffnet hat, haus zugelassen hätte. Das war jedoch eine Entscheidung der Prostitution ohne Diskriminierung, ohne Erpres- des Bezirks, die im Ergebnis auch vom Senat gestützt sungsmöglichkeit oder Nötigung nachzugehen. worden ist, weil man das so machen kann. Dagegen wird

zurzeit geklagt. Doch: Warten wir mal ab! Es bleibt aber noch vieles zu tun, um den kriminellen

Hintergrund, den es in diesem Gewerbe leider zu einem nicht unerheblichen Teil gibt – ich erinnere an Menschen- Präsident Walter Momper: handelsverfahren, Prostitution von Minderjährigen etc. –, Danke schön, Herr Senator! – Eine Nachfrage des Kolle- aufzuhellen und zu unterbinden. Insofern ist das, was der gen Jotzo von der Fraktion der FDP. – Bitte schön! Bundesgesetzgeber beabsichtigt hat, auf den Weg ge- bracht worden. Es ist aber nicht zu einem Endergebnis geführt worden; daran werden wir noch gemeinsam arbei- Björn Jotzo (FDP): ten müssen. Vielen Dank! – Herr Innensenator Körting! Teilen Sie meine Auffassung, dass sechs Jahre nach Inkrafttreten des Präsident Walter Momper: Prostitutionsgesetzes und der Gleichstellung der Prostitu- tion mit anderen Gewerben es langsam an der Zeit wäre, Danke schön, Herr Senator! – Jetzt gibt es eine Nachfrage darüber nachzudenken, ob man nicht gewerberechtliche der Frau Kollegin Baba. – Bitte, Sie haben das Wort! und straßenrechtliche Instrumente auch gegenüber der Straßenprostitution in Anwendung bringt wie in anderen Evrim Baba (Linksfraktion): Gewerben auch, um Mindeststandards im Prostitutions- gewerbe sicherzustellen, um die Gesundheit der Prostitu- Danke! – Herr Senator! Es gibt eine Lageeinschätzung der ierten zu schützen und um auch Anwohnerinnen und Polizei vom 17. November 2008. Eine weitere, aktuelle Anwohner und besonders schützenswerte Einrichtungen Lageeinschätzung hätte es eigentlich geben müssen. Sie vor den negativen Auswirkungen von Straßenprostitution existiert jedoch nicht. Ich würde gern noch etwas über die zu schützen? Lageeinschätzung der Polizei wissen wollen, wie die

Polizei die Lage insgesamt einschätzt. Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: Herr Senator Dr. Körting – bitte schön!

Herr Senator Dr. Körting – bitte schön!

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Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für Inneres und Sport): Präsident Walter Momper: Herr Kollege Jotzo! Ich verweise auf meine schriftliche Wir wollten diese Frage mit dem Thema von Frau Senft- Antwort auf Ihre Kleine Anfrage, in der ich das im Ein- leben von der Fraktion der FDP zelnen ausgeführt habe. Hilferuf der Schulleiter in Mitte Ich teile Ihre Auffassung, dass insbesondere die Legalisie- zusammenfassen. – Bitte schön, Frau Senftleben! rung der Prostitution mehrere Funktionen hatte, auch die, Prostituierte zu schützen. Das setzt aber voraus, dass von den Möglichkeiten des Gesetzes auch in ausreichendem Mieke Senftleben (FDP): Maß Gebrauch gemacht wird, d. h. dass diejenigen, die Herr Präsident! Ich frage den Senat: Welche Maßnahmen diesem Gewerbe nachgehen, auch den Schutz, den die wird der Senat in Reaktion auf die Kapitulation der Schul- gesetzliche Legalisierung bietet, nachsuchen. Im Übrigen leiter in Mitte ergreifen? stützt der Senat zum Beispiel das von ihm geförderte Projekt Hydra und Initiativen, mit denen Prostituierte von den Bezirken beraten werden. Ich bin der Auffassung, Präsident Walter Momper: dass das, was man von Staats wegen tun kann, in Berlin Der Senator für Bildung! – Bitte schön, Herr getan wird. Prof. Zöllner!

Es bedarf aber vielleicht auch noch eines Mentalitäts- Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für wechsels bei allen Beteiligten. Das betrifft übrigens auch Bildung, Wissenschaft und Forschung): die Freier. Da bedarf es eines dringenden Mentalitäts- wechsels hinsichtlich der Prostitution von Jugendlichen Herr Präsident! Frau Senftleben! Herr Mutlu! Meine sehr oder ähnlichem. Es sind eben nicht nur die Kriminellen, verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich darf die Einzel- die Kinder oder Jugendliche zur Prostitution anbieten, fragen im Zusammenhang beantworten. sondern es sind auch die ehrbaren Freier, die derartige Angebote nutzen. Der Brief der Schulleiterinnen und Schulleiter von Mitte behandelt im Wesentlichen vier Problembereiche. Einmal die besonders schwierige Situation, in der sich die Schu- Präsident Walter Momper: len in diesem Bezirk in Bezug auf die teilweise beachtlich Danke schön, Herr Senator! große Zahl von Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache und eines sehr großen Anteils von Jetzt geht es weiter mit der Mündlichen Frage Nummer 9 Schülerinnen und Schülern aus sozial schwierigen Gebie- des Kollegen Mutlu von der Fraktion Bündnis 90/Die ten befinden. Der erste Punkt ist einer, der sicher in die Grünen zu dem Thema primäre Zuständigkeit und Verantwortlichkeit des Senats Wie geht der Senat mit dem Bildungsnotstand führt, wobei hier keine konkreten Forderungen gestellt in Mitte und in anderen sozial benachteiligten werden, sondern darauf hingewiesen wird, dass es not- Gebieten um? wendig ist, den Schulen die Ausstattung dieser zusätzli- chen Belastung adäquat zur Verfügung zu stellen. – Bitte schön, Herr Mutlu! Ich gehe davon aus, dass allen, die diesen Brief kennen – Özcan Mutlu (Grüne): den beiden Fragestellern dürfte er auch bekannt sein – , nicht entgangen ist, dass im Vorspann die Anstrengungen Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ganz Mitte ist und die Arbeit des Senats von den Betroffenen ausdrück- Rütli! Deshalb frage ich den Senat: lich positiv zur Kenntnis genommen wurden. Es wird gesehen, dass der Senat das Problem entschlossen und 1. Wie bewertet der Senat, zwei Jahre nach dem Rütli- zielgerichtet anpackt, was nicht bedeutet, dass das in Brandbrief, den alarmierenden und dramatischen Hil- jedem Fall schon ausreichend ist. feruf der Schulleiter/-innen des Bezirks Mitte, und sieht der Senat den Bildungsnotstand in Mitte und an- Die anderen drei Punkte beschäftigen sich mit der Perso- deren Bezirken als dringlich zu behebenden Misstand nalausstattung im Bereich der Hausmeister und Sekretä- an? rinnen, dem Bereich von Bau und Bauunterhalt und – 2. Mit welchen zielgerichteten und konkreten Maßnah- ausdrücklich, wie in einem Interview eines der Beteiligten men will der Senat der überproportionalen Belastung heute noch einmal klargestellt wurde – mit der Arbeits- von Schulen in Mitte und in anderen sozial benachtei- weise und der Kommunikation der entsprechenden Ämter ligten Bezirken entgegenwirken? Welche zusätzlichen des Bezirks. Ich werde deshalb nach dem Gespräch mit personellen und materiellen Finanzmittel möchte der einer Delegation der entsprechenden Schulleiterinnen und Senat dafür bereitstellen, und wie will der Senat mehr Schulleiter selbstverständlich mit dem Bezirk darüber und echte Eigenverantwortung herstellen? sprechen.

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Senator Dr. Jürgen Zöllner Ich muss – das ist mir ein besonderes Anliegen, weil ich Das bedeutet: Der Weg, den wir gehen, ist richtig. Es sind es nicht für nebensächlich halte – in dem Zusammenhang sicher nicht alle Probleme gelöst. Weil ich auch eine aussprechen, Herr Mutlu, dass ich die Diskussion um persönliche Verantwortung für Bereiche empfinde, die ich diese unstrittigen Problembereiche in Assoziationen mit formal abschieben könnte, werde ich mit den betroffenen Rütli – vorsichtig formuliert! – für gefährlich halte, weil Schulleitern und dem Bezirk reden. Ich hoffe, dass wir damit die engagierte Arbeit und auch teilweise die über- aus der aktuell schwierigen Situation herauskommen. Ich aus erfolgreiche Arbeit dieser Schulleiterinnen und Schul- habe gehört, sie sei dadurch entstanden, dass den Schulen leiter verglichen wird mit einer Situation, die in ihrer kurz vor Jahresende mitgeteilt wurde, es komme zu mas- Aktualität und ihrem Inhalt anders war und dazu führen siven Einsparungen im Bezirkshaushalt der Schulen. kann, dass die Schulen dieses Bezirks diskreditiert wer- den, was letzten Endes auf die Perspektiven des gesamten Präsident Walter Momper: Bezirks zurückfallen würde. Deswegen meine ich, sollten wir alles tun, damit die Diskussion um diese unstrittigen Danke schön, Herr Senator! – Nun ist der Kollege Mutlu Probleme nicht irgendwann einmal in ein Lehrbuch ein- mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön! geht als ein klassisches Beispiel einer selbsterfüllenden Prophezeiung. Özcan Mutlu (Grüne): Herr Senator! Eine konkrete Forderung der Schulleiterin- Inhaltlich habe ich sehr viel Verständnis für das, was sie nen und Schulleiter aus Mitte war die Abkehr vom Gieß- mir vorgetragen haben, vor allem für den Bereich, für den kannenprinzip. Sie fordern, sozial belastete Bezirke in der Senat, d. h. das Land Berlin verantwortlich ist. Das stärkerem Maß als bisher mit Personal, Material und zu- sind keine Lippenbekenntnisse. Wir stellen diesem Bezirk sätzlichen DaZ- bzw. Strukturmitteln auszustatten. Wie mehr als 270 zusätzliche Stellen zur Verfügung, die er stehen Sie dazu? ohne die besondere Situation nicht bekommen würde. Die Zuweisung dieser Stellen erfolgt so, wie es die betroffe- Präsident Walter Momper: nen Schulleiterinnen und Schulleiter fordern, nämlich nach dem Ausmaß der individuell unterschiedlichen Be- Bitte schön, Herr Senator Prof. Zöllner! lastung der Schulen. Um das zu konkretisieren: Besonders belastete Schulen im Grundschulbereich haben ein Schü- Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für ler-Lehrer-Verhältnis von 12:1. Das kann man nicht als Bildung, Wissenschaft und Forschung): Überfüllung betrachten. Bei Schulen ohne diese Belas- tung liegt das Verhältnis bei 17/18:1. Das belegt, dass die Ich finde es richtig, weg vom Gießkannenprinzip und hin Entwicklung in Berlin auch nach dem von Ihnen genann- zu einer zielgerichteten, nachvollziehbaren und dem ten Ereignis fortgeschritten ist. Man hat das Problem Ausmaß der Belastung entsprechenden proportionalen erkannt und steuert dagegen. Ohne Zweifel ist das in Personalausstattung zu kommen. Das ist eine der Orien- vielen Bereichen nicht ausreichend. Hier müssen Sozial- tierungslinien meiner Bemühungen. Vielleicht erinnern arbeiter eingesetzt werden. Diesen Weg müssen wir gera- Sie sich, dass die Zuweisung aus den Strukturmitteln – de im Grundschulbereich verstärkt gehen. den früheren DaZ-Mitteln – und den Mitteln, die aufgrund von Teilungsstunden zur Verfügung standen, nicht durch Ich richte mich speziell an Herrn Steuer und seine Be- Einzelentscheidungen, sondern gemessen an der Belas- gründung der Aktuellen Stunde der CDU: Das ist der tung erfolgen sollte. Das Prinzip folgt dem Grundsatz: Hintergrund dafür, dass alle Bundesländer – und zwar Die, die mehr brauchen, bekommen mehr und die anderen unabhängig von den sie regierenden Parteien – im Rah- weniger. men der Diskussion um den Bildungsgipfel einen gemein- samen Punkt für ein Bundesprogramm gefordert haben, Präsident Walter Momper: nämlich ein Programm über die Bundesanstalt für Arbeit, Jetzt stellt die Kollegin Senftleben eine Nachfrage. – Bitte mit dem in größerem Maß Sozialarbeiter – auch für den schön! Problembereich Schule – zur Verfügung gestellt werden können. Mieke Senftleben (FDP): In diesem Zusammenhang habe ich – dazu stehe ich – auf Herr Senator! Ich möchte einen anderen Punkt benennen, die Frage eines Journalisten, ob das Problem so groß sei, den die 68 Schulleiter angesprochen haben, nämlich die dass sich seiner jetzt Frau Böger annehmen müsse, ge- Einstellung von Personal, und zwar von der Sekretärin bis antwortet – und ich musste ein bisschen schmunzeln –: hin zum Lehrer. Das wurde dezidiert gefordert. Die Wenn es die Erkenntnis, dass es dieses Problem gibt, Schulleiter erwarten Veränderungen. Sie wiesen in Ihrer schon zum Bildungsgipfel gegeben hätte, hätten wir mit Beantwortung etwas lapidar darauf hin, dass die Zuwei- dem Bund vielleicht ein solches Programm auf den Weg sung innerhalb der Schule erfolge. Ich nehme an, dass das gebracht, damit in der Bundesrepublik Deutschland real den Schulleitern nicht reichen wird. Wie werden Sie künf- etwas zur Verbesserung dieses Bereichs geschieht. tig und in diesem konkreten Fall mit der Forderung um- gehen?

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Präsident Walter Momper: Probleme nicht löst. Dem stimme ich hundertprozentig Bitte schön, Herr Senator Prof. Zöllner! zu. Der Satz impliziert aber auch, dass die Strukturreform einen wichtigen Beitrag leisten kann.

Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Der zweite Punkt, der mich im Sinn der vorbehaltlosen Bildung, Wissenschaft und Forschung): Bejahung Ihrer Frage optimistisch stimmt, ist, dass nach- Ich werde mir zunächst aus meinem Haus die neuesten weislich gerade im Bezirk Mitte – aus welchen Gründen Zahlen, wie viele Lehrerinnen und Lehrer direkt von den auch immer; ich will das nicht näher kommentieren – die Schulleiterinnen und Schulleiter eingestellt wurden und bauliche Situation – auch wenn sie nicht der entscheiden- wie viele zentral, geben lassen. Die Zahl der direkt einge- de Aspekt ist – zweifellos einen Beitrag zum Schulklima stellten Lehrerinnen und Lehrer wird wahrscheinlich auch leistet. Das geschieht durch die Investitionen, und zwar für die Schulleiterinnen und Schulleiter überraschend primär jetzt aufgrund der Anstrengungen des Landes hoch sein. Die berühmten Castings, die in Berlin immer Berlin, das als erstes und meines Wissens einziges Bun- etwas abschätzig betrachtet werden, werden mehrheitlich desland ein solches Konjunkturprogramm von 50 Millio- organisiert, um den Schulleiterinnen und Schulleitern nen Euro zusätzlich aufgelegt hat. Nur um ein Gefühl für gezielte Einstellungen unbürokratisch zu ermöglichen. So Größenordnungen zu gewinnen: Wenn es ein Bundespro- können Vorstellungsgespräche an verschiedenen Schulen gramm wäre, wäre das eine Milliarde Euro zusätzlich. – vermieden werden. Das ist sowohl für die Schulleiterin- Die Verbesserungen der baulichen Situation können ohne nen und Schulleiter als auch für die Bewerberinnen und Zweifel in diesem Bereich gerade auch in Mitte eine ent- Bewerber einfacher. – Langer Rede kurzer Sinn: Ich teile scheidende Hilfestellung für die weitere Entwicklung die Ansicht, dass wir jede Möglichkeit nutzen müssen, die bieten. Einstellungen direkt von den Schulen vornehmen zu las- sen. Das ist viel öfter der Fall als vermutet. Ich bin gerne Präsident Walter Momper: bereit, den prozentualen Anteil nachzuliefern. Weitere Fragen sehe ich nicht mehr. Dann hat die Frage- Der Weg über PKB-Mittel stärkt die Eigenverantwortung stunde ihre Erledigung gefunden. Die heute nicht beant- der Betroffenen. Sie können sich darauf verlassen, dass worteten Anfragen werden mit einer von der Geschäfts- ich jede Möglichkeit nutzen werde, die Verwendung frei ordnung abweichenden Frist von bis zu drei Wochen vom verfügbarer Mittel und die Entscheidung, ob ein Sozialar- Senat schriftlich beantwortet. beiter, ein Erzieher oder Lehrer eingestellt werden soll, in größerem Umfang den Schulen zu übertragen. Es muss Ich rufe auf aber ein technisch vernünftiger Weg gefunden werden, lfd. Nr. 2: wie das abwickelbar ist. Fragestunde – Spontane Fragestunde

Zuerst erfolgen die Wortmeldungen nach der Stärke der Präsident Walter Momper: Fraktionen mit je einem Mitglied. Es beginnt Frau Bay- Danke schön, Herr Prof. Dr. Zöllner! – Nun ist der Kolle- ram von der Fraktion der SPD. – Bitte schön! ge Nolte mit einer Nachfrage an der Reihe. – Bitte schön, Herr Nolte! Canan Bayram (SPD):

Wie hoch war 2008 bei Einstellungen in den Richterdienst Karlheinz Nolte (SPD): des Landes Berlin der Anteil von Frauen, und wie hoch Herr Senator! Sehen Sie Chancen, dass die beiden Pro- war der Anteil von Menschen, die eingebürgert wurden gramme, die jetzt parallel laufen – einerseits die Schul- oder bei denen Anhaltspunkte für einen Migrationshin- strukturreform, die Sie forcieren, mit neuen Perspektiven tergrund bestehen? insbesondere für die Hauptschüler, und andererseits das [Alice Ströver (Grüne): Spontaner geht es nicht! – Konjunkturprogramm der Bundesregierung mit hohen Weitere Zurufe von den Grünen] Investitionen im Bildungsbereich –, auch Schulen in Brennpunkten neue Perspektiven bieten können? Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: An wen richten Sie die Frage? Haben Sie bedacht, dass Bitte schön, Herr Senator! man sich bei einer solchen Frage vorher mit dem Senator in Verbindung setzen sollte, damit er die Zahlen zur Hand hat? Senator Dr. Jürgen Zöllner (Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung): [Gelächter bei den Grünen] Ein ausdrückliches Ja! Ich kann mich auch in diesem Fall auf den Brief beziehen. Darin steht – aus der Erinnerung, Canan Bayram (SPD): aber sinngemäß hoffentlich korrekt wiedergegeben –, dass die von mir vorgeschlagenen Strukturreform allein die Meine Frage richtet sich an die Senatorin für Justiz.

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Dann hat Kollege Brauner von der Fraktion der CDU das Präsident Walter Momper: Wort. – Bitte schön!

Die Senatorin für Justiz? – Haben Sie die Zahlen zufällig zur Hand? Matthias Brauner (CDU): [Özcan Mutlu (Grüne): Sie kennt ja die Frage!] Ich frage Senator Dr. Körting zum Volksbegehren „Pro Reli“ bzw. „Freie Wahl“: Warum informiert der Landes- Frau Senatorin von der Aue hat das Wort zur Beantwor- wahlleiter nicht regelmäßig über die aktuelle Anzahl der tung. – Bitte! gültigen Unterschriften für das Volksbegehren „Pro Reli“, [Özcan Mutlu (Grüne): So spontan war es noch nie!] wie er es auch beim Volksbegehren für die Offenhaltung des Flughafens Tempelhof getan hat? – Ja! So spontan ist es selten. [Özcan Mutlu (Grüne): Das tut er doch ständig!] [Beifall bei der CDU und den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Wie viele gültige Unterschriften liegen derzeit vor?

Zweite Frage: – – Senatorin Gisela von der Aue (Senatsverwaltung für Justiz): Präsident Walter Momper: Vielen Dank, Herr Präsident! – Die Zahlen habe ich Herr Brauner! In der Spontanen Fragestunde dürfen Sie selbstverständlich im Kopf, weil wir besonders stolz dar- nur eine Frage stellen. – Senator Dr. Körting hat das Wort auf sind, dass wir im vergangenen Jahr 114 Proberichte- zur Beantwortung. – Bitte schön! rinnen und Proberichter ausgewählt haben. Wir konnten dies aufgrund des Haushaltsmoratoriums realisieren, und wir haben auch alles in unserer Macht Stehende getan. Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für Wir haben also auch viel Personal eingesetzt, um das Inneres und Sport): realisieren zu können. Herr Kollege Brauner! Der Landeswahlleiter macht re- [Michael Schäfer (Grüne): Knallhart nachgefragt!] gelmäßig eine Mitteilung an die Öffentlichkeit, wie viele Unterschriften vorliegen. Er muss das nicht stündlich Wir haben einen Anteil von rund 50 Prozent weiblicher machen, sondern das muss in angemessenen Abständen Richter. Das ist eine gute Quote. geschehen. Vor anderthalb Wochen hat er das erneut [Mieke Senftleben (FDP): Besser geht es nicht!] getan. Das entspricht der Gesetzeslage. Das ist das Eine.

– Ja, das ist wirklich hervorragend. – Das hat sich auch so Das Zweite: Wie viele Unterschriften heute – in dieser angedeutet in den vergangenen Jahren. Der Anteil ist Minute – vorliegen, kann ich Ihnen nicht sagen, weil die immer weiter auf die 50 Prozent zugelaufen. Unterschriftenlisten von uns an die Bezirke gegeben und von allen Bezirken entsprechend der Gesetzeslage ausge- Frau Bayram! Auf Ihre Frage nach der Anzahl von Rich- wertet und geprüft werden. Vor kurzer Zeit lagen insge- terinnen oder Richtern mit Migrationshintergrund kann samt 155 000 Unterschriften vor, von denen ungefähr die ich Ihnen keine Antwort geben. Richter kann nur jemand Hälfte ausgewertet worden war. Die neueste Zahl, die mir werden, der die deutsche Staatsbürgerschaft hat, und dann bekannt ist und die auch von der Initiative genannt wird, wird nicht mehr nach besonderen Fragen wie der nach beträgt 195 000 Unterschriften. So viele Unterschriften einem Migrationshintergrund differenziert. Das dürfen sind demnach dem Landeswahlleiter übergeben worden. wir auch gar nicht, weil hier nur nach dem Gebot der Wenn der Anteil der ungültigen Stimmen so bleibt wie Bestenauslese ausgewählt wird. Wir dürfen hierzu auch bisher, würde die Initiative voraussichtlich das Quorum sicherlich keine Statistik führen – zumindest wäre das erreichen. Aber das wird Ende Januar nach dem Ab- nach dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz sehr prob- schluss am 21. Januar endgültig ausgezählt und festge- lematisch. Ich kann Ihnen aber aus der Erinnerung sagen, stellt. dass sich dieser Personenkreis, den Sie meinen, auch bei den neu eingestellten Richterinnen und Richtern wieder- [Beifall von Dr. Andreas Köhler (SPD)] findet. Die Senatsverwaltung für Justiz wirbt darum, dass sich dieser Personenkreis bewerben möge. Es sind auch die entsprechend Qualifizierten ausgewählt worden. Das Präsident Walter Momper: gilt nicht nur für den Bereich der Gerichte, sondern auch Kollege Brauner hat das Wort zu einer Nachfrage. – Bitte für andere Bereiche der Justiz. schön!

Präsident Walter Momper: Matthias Brauner (CDU): Kollegin Bayram! Haben Sie eine Nachfrage? – Das ist Stimmt es, dass es hinsichtlich der Frage, ob eine gültige nicht der Fall. Unterschrift vorliegt, keine einheitliche Definition für die

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Matthias Brauner Bezirkswahlämter gibt? Wie werden doppelte Unter- schriften bekannt? Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit:

Herr Präsident! Frau Abgeordnete! Wir haben wohl alle Präsident Walter Momper: mit Sorge die Entwicklung beim Berliner Verlag betrach- Herr Senator Dr. Körting – bitte schön! tet. Der damalige Besitzerwechsel erfolgte zu einer Zeit, als das Thema „Heuschrecken“ noch relativ vorsichtig Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für behandelt wurde. Ich darf daran erinnern, wie Herr Mün- Inneres und Sport): tefering vom damaligen Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, Herrn Vorkötter, beschimpft worden ist: Man Herr Kollege Brauner! Die Frage überrascht mich, denn dürfe nicht pauschal „Heuschrecken“ diffamieren. – Als wir haben eine eindeutige Definition in § 24 des Abstim- dann eine „Heuschrecke“ den Berliner Verlag übernom- mungsgesetzes. Da steht drin, wann eine Unterschrift men hatte, war Herr Vorkötter der Erste, der sich gegen gültig ist und wann sie nicht gültig ist. Das bedeutet, dass „Heuschrecken“ ausgesprochen hatte. Diese Situation Sie dann immer im Einzelfall anhand dessen, was vor- stand also sehr in der Diskussion. Heute haben wir alle liegt, entscheiden müssen, ob sie gültig oder nicht gültig aufgrund der Finanzkrise größere Erfahrungen mit diesen ist. Insofern vermag ich dem, was Sie gefragt haben, nicht Arten von Finanzspekulationen. ganz nachzukommen. Wie gesagt, die bisherige Erfahrung zeigt, dass 8 Prozent oder 10 Prozent der Unterschriften Mit dem Verlegerwechsel ist meines Erachtens eine ungültig sind und der Rest gültig ist. Hoffnung verbunden, nämlich dass die journalistische Arbeit und die Verlagsarbeit wieder im Vordergrund Das Gleiche gilt für den Fall, dass jemand zweimal unter- stehen und nicht die Gewinnmaximierung. Ich sage nicht, schreibt. Dazu enthält das Landeswahlgesetz die Bestim- dass ein Verlagshaus keine Gewinne erzielen sollte und mung, dass eine Unterschrift ungültig ist, wenn sie das dass eine Eigenkapitalverzinsung nicht notwendig ist, zweite Mal gegeben wird. Das bedeutet, dass dann, wenn aber es stellt sich die Frage, ob das im journalistischen jemand ein zweites Mal unterschreibt, weil er sich nicht Bereich bzw. im Medienbereich 25 Prozent sein können mehr daran erinnert, dass er schon unterschrieben hat, oder ob dort nicht andere Gewinnerwartungen realistisch eine der Unterschriften gültig und die zeitlich nachfol- sind. Es stellt sich auch die Frage, ob bei höheren Gewin- gende, zweite Unterschrift ungültig ist. Das wird tech- nerwartungen, wie das offensichtlich bislang der Fall war, nisch relativ einfach erreicht. Die Unterschriften werden zwangsläufig die journalistische Qualität leiden muss und durch die Bezirke ausgewertet, und dann wird in der Mel- auch die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter deregistererfassung ein Häkchen gemacht. Das bedeutet, betroffen ist – mit Abbau von Personal und schlechteren dass er abgestimmt hat. sozialen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterinnen [Zuruf von Senator Dr. Jürgen Zöllner] und Mitarbeiter. Ich hoffe, dass mit einem renommierten Verlagshaus, mit dem neuen Eigentümer, auch bei den – Das wird doch gelöscht, Herr Kollege Zöllner! dort vorzunehmenden Synergieeffekten, die sicherlich [Heiterkeit] kommen werden, die verlegerische, die journalistische Arbeit im Vordergrund steht, weil aufgrund der Verleger- Es bleibt nicht auf Dauer enthalten. Das dient doch nur persönlichkeit zu erwarten ist, dass mehr Herzblut und dem Zählen. Es ist das gleiche Verfahren wie bei Wahlen. Engagement dahintersteht, weil man eine gute Zeitung Da wird auch immer abgehakt, ob jemand abgestimmt hat herausgeben und ein gutes Verlagshaus haben will. Das oder nicht abgestimmt hat. – Wenn er ein zweites Mal ist eine Hoffnung, die ich mit dem Verlegerwechsel ver- käme mit einer zweiten Unterschrift, dann würde der binde. Ob sie sich in der Realität erfüllen wird, bleibt zweite Stimmzettel als ungültig gewertet. Das ist ein abzuwarten. relativ einfaches und sauberes Verfahren. [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Präsident Walter Momper: Nun hat Frau Dr. Hiller von der Linksfraktion das Wort Präsident Walter Momper: zu einer Frage. – Bitte schön! Danke schön! – Eine Nachfrage? – Bitte, Frau Dr. Hiller!

Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Ich habe eine Frage an den für Medien zuständigen Re- Vielen Dank für die klaren Worte, Herr Wowereit! Hatten gierenden Bürgermeister: Es gab eine Besitzerwechsel Sie bereits Kontakt? Werden Sie ihn haben? Und was beim Berliner Verlag. Wie bewerten Sie das? Gewinnen wollen Sie dann herüberbringen? Sie dem auch einen positiven Aspekt für unsere Stadt ab? [Heiterkeit] Präsident Walter Momper: Herr Regierender Bürgermeister – bitte schön!

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Präsident Walter Momper: zum Kriterium zu machen, wie es das Abgeordnetenhaus beschlossen hat. Sie meinen, mit dem neuen Besitzer! [Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion): Mit dem neuen [Zurufe von der SPD] Besitzer, richtig!] Halten Sie ein bis zwei Prozent Mehrkosten durch – Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister! 100 Prozent Ökostrom gegenüber herkömmlichem Strom wirklich für zu viel? Kann das Land Berlin das nicht aufbringen, um einen wirkungsvollen Beitrag zum Klima- Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: schutz zu leisten, wie sogar Herr Koch und Herr von Herr Präsident! Frau Abgeordnete! In diesem Zusammen- Beust es schaffen? hang hatte ich noch keinen Kontakt, aber er wird sich [Christian Gaebler (SPD): Das hat Herr Schäfer sicherlich herstellen lassen. der „taz“ erzählt!]

Präsident Walter Momper: Präsident Walter Momper: Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! Bitte schön, Herr Regierender Bürgermeister! Jetzt geht es weiter mit einer Frage des Kollegen Schäfer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. – Bitte schön, Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Herr Schäfer! Herr Präsident! Herr Schäfer! Ich denke, dass die Be- schlusslage des Abgeordnetenhauses von Berlin der Fi- Michael Schäfer (Grüne): nanzverwaltung bekannt ist. So haben wir das auch erör- Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich tert. Jetzt sollten wir in Ruhe das Ausschreibungsergebnis abwarten. Wir sollten auch keine Vorfestlegungen ma- an den Regierenden Bürgermeister, Herrn Wowereit. – Herr Regierender Bürgermeister! Warum will das Land chen. Am besten, Sie nennen uns auch noch genau denje- Berlin für die öffentlichen Gebäude eigentlich nicht zu nigen, der den Auftrag bekommen sollte! Das würde das Ausschreibungsverfahren und auch die Preisgestaltung 100 Prozent Ökostrom beziehen wie das Land Bremen und wie es jetzt sogar schrittweise der Ministerpräsident wesentlich vereinfachen. – Es soll selbst beim Ökostrom von Hessen und Ihr Kollege von Beust in Hamburg tun? unterschiedliche Preisangebote geben, habe ich mir sagen lassen. Deshalb muss man da vorsichtig sein. Wir befin-

den uns in einem Ausschreibungsverfahren, und es wird Präsident Walter Momper: entsprechend durchgeführt. Herr Regierender Bürgermeister – bitte! [Volker Ratzmann (Grüne): Seit wann denn das?]

Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Präsident Walter Momper: Herr Präsident! Herr Abgeordneter! Zuständig ist die Danke schön, Herr Regierender Bürgermeister! Finanzverwaltung. Der Herr Finanzsenator kann Ihnen die Usancen der Ausschreibung besser erklären als ich. Nach meinem Kenntnisstand ist auch Ökostrom Teil der Aus- Jetzt geht es weiter mit einer Anfrage des Kollegen von Lüdeke von der Fraktion der FDP. – Bitte schön, Herr von schreibung, aber nicht ausschließlich. Ich glaube auch, dass das unstrittig ist. Es geht hier um einen Wettbewerb, Lüdeke! aber selbstverständlich wird das Petitum des Abgeordne- tenhauses, bei der Vergabe nicht nur preisliche Aspekte, Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): sondern auch die Frage des Ökostroms mit in die Gewich- Ich habe eine Frage an die Senatorin für Stadtentwick- tung bei der Entscheidung einzubeziehen, vom Finanzse- lung. – Frau Senatorin! Wie bewertet der Senat die Ab- nator auch zu berücksichtigen sein. lehnung der geplanten Hotelbebauung des Ham- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – marskjöldplatzes und des Bebauungsplanentwurfs aus Daniel Buchholz (SPD): Sehr gut!] städtebaulichen Gründen durch die SPD-Fraktion? Und wie bewertet er die aktuelle Forderung des Bezirks nach Planungszuständigkeit und Rückabwicklung des Kaufver- Präsident Walter Momper: trags? Eine Nachfrage des Kollegen Schäfer! – Bitte! Präsident Walter Momper: Michael Schäfer (Grüne): Frau Senatorin Junge-Reyer! Nun steht aber heute in der „taz“, dass der Finanzsenator nicht beabsichtigt, die CO2-Minderung zu einem Drittel

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Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer läufig den Vorfall in Schönfließ, bei dem ein Mann durch (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): den mutmaßlich nicht gerechtfertigten Schusswaffen- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat gebrauch eines Berliner Polizisten zu Tode gekommen pflegt sich üblicherweise mit den Beschlüssen des Abge- ist? Sehen Sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt in dieser ordnetenhauses und nicht förmlich mit den Beschlüssen Angelegenheit politischen Handlungsbedarf? einzelner Fraktionen im Sinne einer Beschlussfassung auseinanderzusetzen. Ich nehme Beschlüsse aller Fraktio- Präsident Walter Momper: nen – meiner eigenen ganz besonders – außerordentlich Herr Senator Dr. Körting – bitte! ernst und beziehe sie bei meinen zukünftigen Abwägun- gen selbstverständlich mit ein. Ein Ergebnis bzw. einen Beschluss, in irgendeiner Weise mit möglichem Begehren Senator Dr. Ehrhart Körting (Senatsverwaltung für eines möglichen Grundstückseigentümers weitere in der Inneres und Sport): Nähe oder in unmittelbarer Nachbarschaft gelegene Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Felgentreu! Grundstücke ebenfalls zu kaufen, gibt es im Senat nicht. Der gewaltsame Tod eines Menschen ist für mich immer ein schreckliches Ereignis, und zwar völlig unanhängig Präsident Walter Momper: davon, um welchen Menschen es sich handelt, auch wenn es sich um einen per Haftbefehl gesuchten Straftäter han- Danke schön! – Eine Nachfrage des Kollegen von Lüde- delt. Der Vorfall in Schönfließ am 31. Dezember ist von ke? – Bitte! mir nicht abschließend beurteilbar, weil es sich um ein

laufendes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft in Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): Neuruppin handelt. Deshalb möchte ich mich auch an Welche Maßnahmen wird dann der Senat ergreifen, um Spekulationen, ob der Schusswaffengebrauch berechtigt die vonseiten des Liegenschaftsfonds im Rahmen des oder nicht berechtigt war, ob in Notwehr oder in Putativ- Investorenauswahlverfahrens gegenüber Investoren ge- notwehr oder in exzessiver Haltung geschossen wurde, troffenen Zusagen einzuhalten? nicht beteiligen. Das wird ein unabhängiges Gerichtsver- fahren oder das staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren ergeben. Präsident Walter Momper: Frau Senatorin Junge-Reyer – bitte schön! Wichtig ist für mich allerdings eines, auch im Hinblick auf einen Teil der Medien, der über einige Tage lang etwas über angebliche private Beziehungen des betroffe- Bürgermeisterin Ingeborg Junge-Reyer nen Polizeibeamten zu der Freundin des Getöteten berich- (Senatsverwaltung für Stadtentwicklung): tet hat: Diese Berichterstattung wurde inzwischen von der Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Senat Staatsanwaltschaft in Neuruppin als nicht zutreffend defi- wird wie immer den Liegenschaftsfonds bitten, im Inte- niert. Insofern erstaunt mich einiges an der Berichterstat- resse des Landes Berlin alle Fragen sehr sorgfältig abzu- tung. Auch für Polizeibeamte oder -beamtinnen gilt – wie wägen, die vom Senat auf der einen Seite bei der Veräu- für jeden anderen Bürger und jede andere Bürgerin – bis ßerung von Grundstücken aus städtebaulichen oder stadt- zu einer Klärung des Vorgangs die Unschuldsvermutung. entwicklungspolitischen Gründen vorgegeben sind, und auf der anderen Seite die finanziellen Erfolge des Landes Die Frage des Schusswaffengebrauchs ist nach unserer Berlin ebenfalls im Fokus zu haben. Dies tut der Liegen- Rechtslage in Berlin und auch nach allem, was den Mitar- schaftsfonds mit Sicherheit in diesem Fall auch. beiterinnen und Mitarbeitern der Polizei vermittelt wird, Ultima Ratio. Das heißt, Schusswaffengebrauch ist – im Gegensatz zu dem, was anderswo unter „null Toleranz“ Präsident Walter Momper: vertreten wird – nicht im Rahmen der üblichen Ausübung Danke schön, Frau Senatorin! des Dienstes vorgesehen. Dazu muss es eine ganz spezifi- sche Situation geben, bei der Sie als Polizeibeamter von Die erste Runde nach der Stärke der Fraktionen ist jetzt der Schusswaffe Gebrauch machen können. beendet. Nun können wir die weiteren Meldungen im freien Zugriff berücksichtigen. Diese Runde wird – wie Dieses wird nach meiner Einschätzung von den Berliner immer – mit dem Gong eröffnet. Polizistinnen und Polizisten in ihrer Ausbildung und im täglichem Umgang völlig klar und eindeutig und auch [Gongzeichen] ausreichend eingeübt. Sie sehen das auch daran, in welch Sie können sich jetzt eintippen. – Bitte, Herr Kollege minimalem Umfang bei der Dienstausübung von der Dr. Felgentreu! Sie haben als Erster das Wort! Schusswaffe Gebrauch gemacht wird. Insofern sehe ich keinen aktuellen Handlungsbedarf für die Berliner Polizei Dr. Fritz Felgentreu (SPD): oder für die Senatsinnenverwaltung. Aber jeder Vorgang dieser Art bedarf einer polizeilichen Nachbereitung, auch Danke, Herr Präsident! – Meine Frage richtet sich an den der polizeilichen Nachbereitung: Was ist ggf. falsch ge- Innensenator. – Herr Dr. Körting! Wie bewerten Sie vor- laufen, oder wo hat sich ein Mitarbeiter falsch verhalten?

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Senator Dr. Ehrhart Körting – Das kann man nicht ausschließen. Es bedarf auch der Emine Demirbüken-Wegner (CDU): polizeilichen Nachbereitung, um etwaige Erkenntnisse Frau Senatorin! Das erfolgreiche Modell „Stadtteilmütter daraus in die weiteren Schulungs- oder Fortbildungsver- in Neukölln“ ist ja ein Projekt. Ist daran gedacht, dieses anstaltungen der Berliner Polizei einfließen zu lassen. Projekt in eine Regelfinanzierung übergehen zu lassen, Ansonsten sehe ich im Moment keinen akuten Hand- und müsste nicht dieses Projekt in Bezug auf Begleitung lungsbedarf. und Evaluation inhaltlicher Art und Weise eher bei Ihrer

Senatsverwaltung angesiedelt werden? Präsident Walter Momper: Danke schön, Herr Senator! – Keine Nachfrage vom Kol- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: legen Felgentreu. Frau Senatorin Knake-Werner, bitte!

Dann ist Frau Demirbüken-Wegner von der Fraktion der CDU dran. – Bitte schön, Frau Demirbüken-Wegner! Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner (Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales): Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Erstens ist es richtig, dass Modellprojekte immer den Charakter haben, deutlich zu machen, dass sich bestimmte Danke schön! – Frau Senatorin Knake-Werner! Sie wer- Maßnahmen selbstverständlich auch für eine Regelfinan- den am kommenden Montag eine Kooperationsvereinba- zierung eignen. Dann entsteht immer die Frage: Wie lässt rung für das Projekt „Stadtteilmütter in Neukölln“ unter- sich das innerhalb der Regelfinanzierung unterbringen? – zeichnen. Können Sie uns vielleicht dazu sagen, wie sich Ich bin erst einmal froh – ich glaube, das eint auch alle die Finanzierung zusammensetzt? Beteiligten –, dass wir die Möglichkeit haben, dieses

Projekt über unterschiedliche Finanzierungstöpfe zu fi- Präsident Walter Momper: nanzieren. Dass die Regiestelle und die Begleitung über Frau Dr. Knake-Werner, bitte! die Stadtentwicklungsverwaltung finanziert werden, hat durchaus eine Logik, weil das im Zusammenhang mit dem Quartiersmanagement entstanden ist, und dieses ist Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner (Senatsverwaltung bekanntermaßen im Bereich der Stadtentwicklung ange- für Integration, Arbeit und Soziales): siedelt. Insofern gibt es da durchaus einen sinnvollen und Vielen herzlichen Dank! – Herr Präsident! Meine sehr logischen Zusammenhang, den wir, glaube ich, auch alle geehrten Damen und Herren! Frau Demirbüken-Wegner! ganz produktiv finden. Nicht nur ich werde eine Kooperationsvereinbarung un- terzeichnen, sondern ich werde dies gemeinsam mit der Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Stadtentwicklungssenatorin tun. Aus dieser Kombination ergibt sich schon ein bisschen die Antwort auf die Frage Vielen Dank, Frau Senatorin! nach der Finanzierung. Es sind mehrere Organisationen, Einrichtungen und Ressorts daran beteiligt. Zunächst Das Wort zur nächsten spontanen Frage hat Herr Abge- einmal ist mein Part dabei, dass wir über den öffentlich ordneter Birk von Bündnis 90/Die Grünen. geförderten Beschäftigungssektor die Stellen der etwa 100 Stadtteilmütter in diesem Bezirk finanzieren, der Part der Thomas Birk (Grüne): Stadtentwicklungsverwaltung besteht darin, dass sie die Danke, Frau Präsidentin! – Ich habe eine Frage an den Begleitung und die Regiestelle dieses Projekts finanziert, Regierenden Bürgermeister – wenn er mir sein Ohr leiht – und der Bezirk trägt sozusagen die Kosten der Infrastruk- zum Bieterverfahren Atelierhaus Wiesenstraße. – Wann tur für dieses Projekt. So setzt sich das zusammen. Unsere und wie werden Sie in Ihrer Funktion als Kultursenator Vereinbarung soll auch ein wichtiges Zeichen dafür sein, und Regierender Bürgermeister mit Richtlinienkompetenz dass dieses uns allen sehr wichtige Projekt, insbesondere Ihrem erklärten Willen zum Verkauf des Atelierhauses wenn es um eine gelingende Integrationspolitik geht – das Wiesenstraße 29 an die dort tätige Künstlergenossenschaft hängt sehr eng mit dem Thema zusammen, das wir vorhin auch tatkräftig Ausdruck verleihen und entsprechenden gerade diskutiert haben, also Eltern gewinnen, Mütter Einfluss ausüben? gewinnen, um ihre Kinder in ihrem Bildungsverlauf zu begleiten und zu stärken –, für die nächsten Jahre gesi- chert ist. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Herr Regierender Bürgermeister! Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vielen Dank, Frau Senatorin! – Eine Nachfrage, Frau Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Demirbüken? – Dann haben Sie das Wort. – Bitte! Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Die Kulturverwal- tung hat ein Interesse daran, dass die Ateliersituation in Berlin nicht verschlechtert wird, und deshalb hat die Kul- turverwaltung auch große Sympathien für den Erhalt des

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Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit Atelierhauses Wiesenstraße in der jetzigen Form. Aller- sen. Der Kultursenator artikuliert Interessen aus Sicht der dings obliegt es dem Liegenschaftsfonds, dort tätig zu Kultur, aber es gibt andere Interessen, die ebenfalls im werden. Dort werden die Verhandlungen geführt. Nach Interesse des Landes Berlin liegen können. Deswegen gibt meinem Kenntnisstand sind sehr lange Verhandlungen es hier einen Interessenkonflikt, und deshalb wird der geführt worden, die offensichtlich nicht zu einem ge- auch so ausgetragen. Es spricht nichts dagegen, dass wir wünschten Ergebnis geführt haben. Dementsprechend kulturpolitisch eine ganz andere Sichtweise haben als die muss der weitere Verfahrensstand jetzt beim Liegen- Finanzverwaltung aus finanzpolitischer Sicht. Das gibt es schaftsfonds nachgefragt werden. in vielen Dingen. Das soll sogar im Abgeordnetenhaus [Michael Schäfer (Grüne): Wem gehört der zwischen Hauptausschuss und Fachausschuss oder zwi- Liegenschaftsfonds eigentlich?] schen zwei Fachausschüssen vorkommen. Das werden wir auch nicht ändern. Trotzdem muss dann ein Interes- senausgleich herbeigeführt werden. Es hat auch viele Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Angebote des Liegenschaftsfonds gegeben, um die Sache im Interesse der jetzigen Nutzer zu klären – das darf man Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! – Eine dabei nicht vergessen. Nachfrage? – Herr Birk hat das Wort. – Bitte sehr!

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Thomas Birk (Grüne): Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! Herr Regierender Bürgermeister! Laut eines Briefs Ihres Staatssekretärs an den Liegenschaftsfonds vom 13. No- Die letzte spontane Frage stellt Herr Ueckert. – Bitte sehr! vember, den der Kollege Flierl öffentlich gemacht hat, folgen Sie seiner – also Schmitz’ – Einschätzung, dass die Entscheidung des Liegenschaftsfonds, die Verhandlungen Rainer Ueckert (CDU): mit der Künstlergenossenschaft für gescheitert anzusehen, Danke! – Ich frage unseren Finanzsenator Herrn Sarrazin. auf z. T. sachlich falschen und überholten Behauptungen – Herr Sarrazin! Sind Straßenbaumaßnahmen, die nach und Voraussetzungen beruhte, und haben Ihre Verwaltung dem Straßenausbaubeitragsgesetz veranlagt werden sol- gebeten, beim Liegenschaftsfonds zugunsten der Künst- len, Reparaturen oder Neubau- bzw. Investitionsvorhaben lergenossenschaft zu intervenieren. Nachdem Herr nach gültigen Haushaltsplänen? Schmitz dies vergeblich versucht hat, wieso erlösen Sie dann die Künstlergenossenschaft nicht selbst aus ihrem kafkaesken Alptraum – Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Herr Senator für Finanzen Sarrazin, bitte!

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Herr Birk! Eine Nachfrage, bitte! Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für Finanzen): Thomas Birk (Grüne): Ich habe das jetzt nicht genau verstanden. Fragen Sie nach den Haushaltsansätzen? – Die könnte ich Ihnen im Au- – und setzen faire Kaufverhandlungen zwischen dem genblick nicht nennen. Oder was war der Inhalt Ihrer Liegenschaftsfonds und den Künstlern durch? – Die Frage Frage? war jetzt erst gestellt!

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Herr Ueckert! Möchten Sie Ihre Frage wiederholen? – Herr Wowereit, bitte! Bitte sehr – wenn es dienlich ist!

Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Rainer Ueckert (CDU): Frau Präsidentin! Herr Abgeordneter! Ich finde es wich- Ja, ich wiederhole sie. – Herr Sarrazin! Es geht darum, ob tig, dass man sich um jedes Detail in dieser Stadt küm- die Baumaßnahmen, die nach dem Straßenausbaubei- mert. Ich finde es auch wichtig, dass diese großartige tragsgesetz veranlagt werden sollen, Reparaturen oder Einzelfrage Heerscharen von Abgeordneten, Mitarbeitern Neubau- und Investitionsvorhaben sind? usw. beschäftigt. Ich glaube aber, dass wir uns hüten sollten, jedes Detail zu einer Frage der Richtlinienkompe- tenz zu machen. Wir leben in einer arbeitsteiligen Situati- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: on, und die wollen wir auch nicht verändern. Herr Senator Sarrazin, bitte! [Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion)] Das bedeutet auch, dass es hier Aufgaben unterschiedli- cher Art gibt, und es gibt auch unterschiedliche Interes-

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Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für lfd. Nr. 3: Finanzen): Aktuelle Stunde Ich kann das jetzt nur haushaltsrechtlich beantworten. Konjunkturpaket II: Berliner Anteil für Soweit ich das Recht kenne, können Straßenausbaubeiträ- Investitionen in Bildung, Infrastruktur und ge nur für Neumaßnahmen erhoben werden. Wenn Sie Klimaschutz einsetzen beispielsweise an einer Straße, die noch nie einen ver- nünftigen Belag hatte, sondern ein Sandweg ist, Bordstei- Antrag der Linksfraktion und der SPD ne setzen und das einmal ordentlich ausrichten, dann haben Sie aus einem Feldweg eine Straße gemacht. Das in Verbindung mit fällt unter das Straßenausbaubeitragsgesetz. Wenn Sie dagegen den Belag von 1935 erneuern, würde das nicht darunter fallen. Man muss also genau gucken. Ich sehe lfd. Nr. 13: aber schon ein Kopfwiegen bei der Stadtentwicklungsse- Beschlussempfehlung natorin. Ich habe jetzt meine Interpretation des Gesetzes gebracht, die, wie ich hoffe, die richtige war. Aber im Klimaschutz in öffentlichen Einrichtungen (1): Einzelfall werden da wohl Expertengruppen vor Bordstei- 60-Millionen-Euro-Überschuss des nen stehen und darüber diskutieren. Haushaltsjahres 2008 für Pilotprojekt energetische Sanierung der Kindertagesstätten verwenden Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2000 Antrag der Grünen Drs 16/1925 Vielen Dank, Herr Senator! – Eine Nachfrage, Herr Ue- ckert? – Bitte! in Verbindung mit

Rainer Ueckert (CDU): lfd. Nr. 27: Herr Senator, wenn Sie da ein bisschen Schwierigkeiten haben, frage ich einfach: Was halten Sie davon, wenn Sie Antrag die Veranlagung nach dem Straßenausbaubeitragsgesetz 100-Millionen-Euro-Infrastrukturprogramm für ab sofort vollständig aussetzen und damit den Investiti- die Berliner Bezirke sofort beschließen! onsstau, der sich aus verschiedenen Gründen ergeben hat, Antrag der CDU Drs 16/2035 sofort auflösen, um die Konjunktur der Straßenbauwirt- schaft anzukurbeln? Für die gemeinsame Aussprache steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von bis zu zehn Minuten zur Verfü- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: gung, die auf zwei Redebeiträge aufgeteilt werden kann. – Herr Senator Sarrazin, bitte! Es beginnt die SPD-Fraktion mit Herrn Zackenfels. – Bitte sehr! Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für Finanzen): Stefan Zackenfels (SPD): Davon halte ich gar nichts, Herr Abgeordneter, weil das Herzlichen Dank! – Frau Präsidentin! Meine sehr verehr- nämlich dazu führt, dass Außengebiete in Berlin weiterhin ten Damen und Herren! Ich glaube, das Wichtigste ist – schlecht erschlossen bleiben. Ich habe selbst einmal auf und deshalb besprechen wir es heute –, dass das Konjunk- dem Lande, im Siebengebirge, an solch einer Straße ge- turprogramm II Berlin gut tut. wohnt, wo das Abwasser durch einen offenen Kanal floss [Beifall bei der SPD und der CDU] und teilweise in meinen Vorgarten, weil dort kein ver- nünftiger Bordstein war. Ich habe gern die 11 500 DM für Das ist in der Tat einen Applaus wert. – Bevor wir das im meine 18 Meter bezahlt, damit sich da was änderte. Das Detail erörtern und den Menschen in Berlin Antwort war im Jahre 1976. Aber die Welt ist überall dieselbe. Nur geben auf die Fragen, was nun mit diesem Geld gesche- sind wir, glaube ich, das einzige Land, wo das nicht so hen soll und wie es ausgegeben wird, möchte ich einen geregelt wurde wie überall. Das hat sich jetzt geändert, Satz zur Entstehung dieses Programms loswerden. Da und das ist positiv. wird die eine oder andere Fraktion, die gerade geklatscht hat, leider nicht mehr klatschen können. Ich finde es be- merkenswert und möchte einmal von dieser Stelle darauf Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: hinweisen: Man kann von der CSU halten, was man Vielen Dank, Herr Senator Sarrazin! – Die Fragestunde möchte. Ich teile viele der Positionen der CSU nicht. Aber ist damit für heute erledigt, und ich rufe nun auf es ist schon bemerkenswert festzustellen, dass sie eine hat. Man muss dem Kollegen Seehofer wirklich dankbar dafür sein, dass er dazu beigetragen hat, dass in die Frage der Konjunkturbelebung überhaupt Bewegung gekommen ist.

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Stefan Zackenfels Sicherlich ist das Ergebnis vom Montag nicht ohne Schat- Auch wir Sozialdemokraten haben früh, teilweise auch ten – die Kollegin Pop hat schon darauf hingewiesen –, sehr laut und deutlich und dann zu Ende des letzten und aber ich finde, wir Sozialdemokraten können am Ende des zum Beginn dieses Jahres in dem Papier von Frank Tages feststellen, dass das Ergebnis des letzten Montags Steinmeier deutlich gemacht, wo wir die Schwerpunkte eine ordentliche Portion sozialdemokratischer Handschrift unserer Politik im Rahmen der Konjunkturbelebung sehen enthält und dass dieses Konjunkturpaket II für die wollen. Kommunen ist.

Ich habe hier auch die Presseerklärung des Kollegen Wir bekommen – um konkret zu werden – rund 470 Mil- Lindner, des Vorsitzenden der dritten Fraktion, die ich lionen Euro vom Bund und geben als Land etwa anführen möchte. Er schreibt dort: 160 Millionen Euro dazu. Das sind insgesamt rund Das von der großen Koalition im Bund beschlos- 630 Millionen Euro. Wir möchten, dass die Abwicklung sene Konjunkturpaket ist ordnungs- und haushalts- dieses Geldsegens eine Erfolgsstory wird, und zwar in- politischer Wahnsinn. haltlich wie technisch.

Ich kann darauf nur entgegnen, dass es zum Glück auch Inhaltlich können wir Sozialdemokraten zufrieden sein verantwortungsvollere Landesverbände der FDP gibt. In mit den Schwerpunkten: 65 Prozent in Kindergärten, Hessen klingt das so – und Sie gestatten, dass ich da von Schulen und Hochschulen, 35 Prozent in Krankenhäuser der Seite FDP-Hessen.de zitiere: und Energiesparmaßnahmen. Es ist der richtige staatliche Ansatz, wirtschaftliche [Beifall von Daniel Buchholz (SPD)] Impulse zu setzen. Die detaillierte Vorgehensweise können wir dann im Das ist eine völlig konträre Aussage des Kandidaten der Rahmen des Nachtragshaushaltes erörtern. Ich sage an FDP in Hessen. Selbst – um auf Ihre Begründung einzu- dieser Stelle bereits sagen, dass der Bereich der frühkind- gehen, Herr Kollege Lindner – wenn Thorsten Schäfer- lichen Bildung und die energetische Gebäudesanierung Gümbel am kommenden Sonntag nicht Ministerpräsident natürlich eine gehörige Portion werden abbekommen würde und die FPD dann ab Sonntag mitregierte, bin ich müssen. Es macht aber auch Sinn – und deswegen bitte fest davon überzeugt, dass sie dem Paket im Bundesrat ich Frau Pop, noch einmal auf ihren Hinweis in der Be- zustimmen würde. Es wäre letztendlich ja auch nicht das gründung einzugehen –, wie Professor Dr. Zöllner das tut, erste Mal, dass die FDP sich kaufen ließe. diese Mittel auch für Strukturreformen im Bereich der [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Schule zu nutzen. Wir haben jetzt drei Fraktionen benannt: die CSU, die [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Sozialdemokraten und die FDP. Die Frage, die ich mir Ihre Einwendung vorhin war mir nicht ganz klar. Wenn es und die sich viele im Land zu Recht stellen, ist die: Wo Geld gibt, dann es ist gut und richtig, es für neue Struktu- war eigentlich die Kanzlerin in dieser wichtigen Frage in ren zu nutzen, und genau das tun wir, genau das tut Sena- einer Zeit, wo die Bundesrepublik Deutschland mehr tor Zöllner. Führung gebraucht hätte? Ich kann immer wieder nur feststellen und bitte auch Sie, in Ihren Beiträgen dazu [Ramona Pop (Grüne): Dazu habe ich Sie aufgefordert! – Stellung zu nehmen: Von selbst hat sie sich ihrer volks- Joachim Esser (Grüne): Da sind wir mal gespannt!] wirtschaftlichen Verantwortung wirklich nicht gestellt. Zur Technik: Die aktuellen Verwaltungswege sind dieser [Beifall bei der SPD] Aufgabe nur unzureichend gewachsen. Es geht darum, die Partikularinteressen der einzelnen Ministerien zu über- Wir in Berlin haben das getan, und zwar bereits vor winden. Wir brauchen – und das wird eine Herausforde- Weihnachten. Da hat nämlich Klaus Wowereit das 50- rung auch für uns in diesem Haus sein – eine zentrale Millionen-Paket aufgelegt, das ungeachtet der Bundesmit- Steuerungseinheit, die ressortübergreifend tätig ist, mit tel, über die wir gleich reden, allein aus Landesgeldern robusten Eingriffsrechten, um in einem Wettbewerb der den Schulen rund 10 000 Euro für den laufenden Betrieb Projekte sicherzustellen, dass wir das Zeitfenster von zwei zur Verfügung stellen wird. Die weiteren 42 bis 43 Milli- Jahren vollständig nutzen, um am 31. Dezember 2010 die onen Euro sind für substanzielle Investitionen im Schul- volle und zeitgerechte Verwendung der Mittel melden zu bereich vorgesehen. Das alles allein als Land Berlin, für können. Ich glaube, die Bürgerinnen und Bürger hätten uns – ich finde, das ist in der Tat noch einmal einen Ap- kein Verständnis für eine anders geartete Meldung als die, plaus wert. dass wir dieses Geld voll und ganz zu nutzten wussten. [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] [Beifall von Volker Thiel (FDP)] Dazu kommt – und das ist mir wichtig, weil das in der Alle beteiligten Anstalten, Hochschulen und Betriebe des öffentlichen Kommunikation gern verquickt wird – jetzt Landes – auch der Appell von dieser Stelle noch einmal – das Paket der Bundesregierung, natürlich mit ganz ande- haben die Pflicht zu einem professionellen Umgang mit ren Zahlen und einem ganz anderen Volumen, das am und einer professionellen Umsetzung des Pakets. Dazu Montag verabschiedet wurde. gehört unsererseits, dass wir alles dafür tun müssen, um das Vergaberecht zu vereinfachen. Der Bund hat bereits

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Stefan Zackenfels angedeutet, dass da neue Wege gegangen werden können. [Beifall bei der SPD – Die Ausführungsvorschriften zu § 55 LHO müssten im Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Rahmen des Nachtragshaushalts bezüglich der Höhe der

Vergabeschwellen geändert werden. Aber auch hier der Hinweis: Eine unzureichende Umsetzung der Mittel kön- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: nen und werden wir nicht durchgehen lassen. Wir haben Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Für die zum Jahresende 2008 die unglückliche Situation gehabt, CDU-Fraktion hat jetzt Herr Abgeordneter Goetze das dass wir bei der Charité feststellen mussten, dass ein Wort. – Bitte sehr! zeitgerechter Abfluss der Mittel nicht erfolgt ist. Das darf sich nicht wiederholen. Hier muss gehandelt werden. Uwe Goetze (CDU): Zum Schluss will ich bei der Vielzahl der Kritikpunkte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Her- auf zwei ernst zu nehmende Punkte eingehen. Ja, es ist ren! Die globale Wirtschafts- und Finanzkrise ist die richtig, dass sich der Bund erneut in Millliardenhöhe große Herausforderung für das Jahr 2009. Das Bruttoin- verschuldet. Ja, auch für uns in Berlin werden die Haus- landsprodukt ist im letzten Quartal nach vorläufigen haltsjahre 2009, 2010 und 2011 voraussichtlich nicht Schätzungen um 1,5 bis 2 Prozent gesunken, die Auto- ausgeglichen sein. Deshalb ist es uns wichtiger denn je, mobilbranche stellt wegen Absatzproblemen zu einem dass der Vorschlag von Peer Steinbrück, nun auch einen nicht unerheblichen Teil auf Kurzarbeit um – auch hier in gesetzlichen Tilgungsplan im Zusammenhang mit den Berlin. Das Daimlerwerk in Marienfelde ist ein Symbol Gesetzestexten zum Maßnahmenpaket zu verabschieden, für diese bedrohliche Entwicklung. Bedrohlich ist diese flankierend sicherstellt, dass wir insgesamt nicht in ein Entwicklung für diese Stadt deshalb, weil unter der Ägide Antikonsolidierungsverhalten zurückfallen. von SPD und Linkspartei Berlin leider bei allen wichtigen [Joachim Esser (Grüne): Das hörte sich gestern Vergleichen unter den Bundesländern auf einen der letz- bei Ihnen noch ganz anders an!] ten Plätze gelandet ist. Deshalb sollten gerade wir in der deutschen Hauptstadt dankbar dafür sein, dass die Bun- Ich finde, dass die Republik in den letzten Jahren ein desregierung unter Kanzlerin Angela Merkel mit ihrem gutes Signal im Hinblick auf Konsolidierung gesetzt hat, Konjunkturpaket II ihre Verantwortung für Deutschland wir im Land Berlin erst recht. Jochen Esser, das haben Sie wahrnimmt. uns gestern im Hauptausschuss auch noch einmal bestä- tigt! [Beifall bei der CDU – Zuruf von Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] [Joachim Esser (Grüne): Ja! Aber Sie nicht! Sie sprachen von neuer Ära!] Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass der Bund Berlin bereits in vielfältiger Hinsicht hilft. Er zahlt 200 Millio- Der zweite Kritikpunkt: Auch ich bedaure, dass Peer nen Euro für die Staatsoper, 440 Millionen Euro für den Steinbrück es geschickt verstanden hat, in dieses Paket Bau des Humboldt-Forums und außerdem erhält Berlin die Schuldenregulierung einzufädeln, denn ich hätte mir Transferleistungen des Bundes und der Länder im Um- gewünscht, dass das im Rahmen der Föderalismuskom- fang von rund 6 Milliarden Euro aus dem Länderfinanz- mission II geklärt worden wäre. ausgleich und 2 Milliarden Euro Ergänzungszuweisungen. [Volker Ratzmann (Grüne): Aber ihr macht Druck!] Man kann also feststellen: Die Hilfe des Bundes für Ber- lin ist über Gebühr hoch. Jetzt erhalten wir noch etwas Peer Steinbrück hat es verstanden, 0,5 Prozent vom BIP obendrauf. für neue Schulden in diesem Paket festzuschreiben. Das ist eine herbe Vorabentscheidung, die eigentlich woanders [Beifall bei der CDU] hingehört hätte. Wir hätten uns auch mehr als 0,5 Prozent Diese milliardenschweren Zukunftsinvestitionen des BIP gewünscht, nämlich 0,75 Prozent. Nun ist es aber so. Bundes sollen in Bildung, Infrastruktur, die Verlängerung der Zahlung des Kurzarbeitergeldes, eine Qualifizie- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: rungsoffensive für Beschäftigte, die Senkung der Ein- kommensteuer und Krankenkassenbeiträge fließen. Das Entschuldigung, Herr Zackenfels! – Ihre Redezeit ist sind große Schritte in die richtige Richtung. Ich hoffe, beendet! dass dieses Konjunkturpaket II die weiteren parlamentari-

schen Hürden im Bundestag nehmen wird. – An die Ad- Stefan Zackenfels (SPD): resse der FDP gerichtet sage ich: Nutzen Sie, liebe Kolle- Das ist mein letzter Satz. – Aber darin jetzt einen Grund ginnen und Kollegen, im Bundesrat in einer solchen zu sehen, das Maßnahmepaket in Gänze abzulehnen, kann Stunde dieses Konjunkturprogramm nicht zur Blockade, nicht ernst gemeint sein. sondern nutzen Sie es dafür, die Interessen der Menschen in unserem Land wahrzunehmen! [Joachim Esser (Grüne): Sagen Sie das mal Herrn Liebich!] [Beifall bei der CDU] Wir stellen uns dem Maßnahmepaket. Ich bin mir sicher, Bei diesem Konjunkturpaket geht es nur um die Existenz dass wir erfolgreich sein werden. – Herzlichen Dank! von Arbeitnehmern, mittelständischen Unternehmen und Handwerksbetrieben und nicht um parteipolitische

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Uwe Goetze Interessen. Auch in einer Zeit, in der der Staat mehr Ver- 100 Millionen Euro. Wenn man sich vor Augen hält, dass antwortung übernehmen muss, dürfen wir der künftigen Sie den Berliner Bezirken nach Ihren eigenen Aussagen, Generation keine unverantwortlichen Lasten auferlegen. nach den Zahlen des Senats, 250 Millionen Euro vorent- Das muss bei einem Paket dieser Größenordnung gesagt halten, die an den Bezirken vorbeifließen, in dem Sinn werden. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, dass sich freier Aktivitäten mit sehr viel Bürokratie, dann ist ein die Bundesregierung darauf verständigt hat, noch in die- solches zusätzliches Programm für die Berliner Bezirke sem Jahr eine wirksame Schuldenbremse in das Grundge- geradezu geboten. Setzen Sie die Bezirke wieder in die setz aufzunehmen. Ich hoffe, dass sich Rot-Rot in Berlin Lage, ihre ureigensten Aufgaben wahrzunehmen! genauso konstruktiv in die Debatte einbringt, wie Sie jetzt [Beifall bei der CDU] bereitwillig die Bundesmittel annehmen. Es kann nicht sein, dass wir das Geld ausgeben, aber bei der Schulden- Bei dieser Gelegenheit könnten Sie auch etwas für die bremse gegen die Interessen aller anderen Bundesländer Berlinerinnen und Berliner direkt tun: Schaffen Sie ein- handeln. fach die Umweltzone ab, oder verschieben Sie zumindest die zweite Stufe der Umsetzung! [Beifall bei der CDU – Zuruf von Volker Ratzmann (Grüne)] [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Was soll der Sinn sein? – Berlin wird in den nächsten zwei Jahren viel Geld für Zuruf von Jochen Esser (Grüne)] Investitionen erhalten – 630 Millionen Euro. Der Bund bezahlt zu einem Großteil die Sanierung der Infrastruktur, Es kann schließlich nicht sein, dass die Investition in die unter Rot-Rot jahrelang heruntergekommen und ver- Neufahrzeuge derzeit ein Unternehmen nach dem anderen fallen ist. Eigentlich ein Unding! Eigentlich wollen wir ruiniert. mit diesen Mitteln etwas für die Zukunft schaffen. Statt- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie sollen doch dessen verwenden wir dieses Geld für den Reparaturbe- gerade welche kaufen!] trieb der letzten sieben Jahre unter Rot-Rot. Das ist eine Sache, die nur in Berlin möglich ist. Aber auch für diesen Schaffen Sie das Straßenausbaubeitragsgesetz ab – auch Reparaturbetrieb ist vom Senat keine Anerkennung zu das ist hier bereits thematisiert worden! erwarten. Der Wirtschaftssenator hat sich gestern darüber [Beifall bei der CDU] beschwert, dass das Investitionsprogramm nicht mindes- tens doppelt so hoch ausfällt. Herr Wolf! Sie und der Zweitens: Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung gesamte Senat haben es im letzten Jahr nicht einmal ge- ist nicht nur etwa ein reines Geldgeschenk an den rot- schafft, die Investitionsmittel – spärlich genug im Berliner roten Senat. Nein, es ist eine Aufforderung an ihn, Politik Landeshaushalt bemessen – vollständig auszugeben. Von endlich zu gestalten. rund 400 Millionen Euro sind 100 Millionen Euro nicht abgeflossen. Das ist ein Skandal! Es ist nicht hinnehmbar, Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: dass Sie sich jetzt auch noch über die Geschenke des Entschuldigung, Herr Abgeordneter Goetze! – Gestatten Bundes beschweren. Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Oberg? [Beifall bei der CDU] Der rot-rote Senat verkauft ein Investitionsprogramm aus Uwe Goetze (CDU): seiner eigenen Schatulle in einer Größenordnung von Nein! – Bundeskanzlerin Merkel hat den Weg vorgege- 50 Millionen Euro als großen Erfolg. Angesichts der ben. Sie wollen und müssen diese Krise endlich als Chan- 100 Millionen Euro, die er im letzten Jahr nicht ausgege- ce für die Berlinerinnen und Berliner nutzen. Ihr Aussit- ben hat, ist das eine Mogelpackung, es ist eine Veräppe- zen der von mir geschilderten Probleme bringt die Stadt lung der Öffentlichkeit. Wir hätten erwartet, dass mindes- nicht voran. Es wird nicht ausreichen, einfach nur ein paar tens die 100 Millionen Euro, die im letzten Jahr unter der Schlaglöcher zu flicken und ein paar Schultoiletten zu Ägide von SPD und Linkspartei nicht ausgegeben worden sanieren. Investitionen in Infrastruktur, Bildung und ener- sind, zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Aber von getische Gebäudesanierung, das sind die richtigen Ziele. dieser Regierung kann man so etwas sicher nicht erwar- Es ist wahrlich keine intellektuelle Transferleistung, was ten. Diese dünne Bilanz werden auch die Berlinerinnen Sie sich hier bisher geleistet haben. Eine eigene Schwer- und Berliner mitbekommen. punktsetzung ist bisher vom Senat auch nicht zu erken- [Beifall bei der CDU] nen. Meine Fraktion stellt an diesen Senat drei zentrale Forde- [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Sie auch nicht!] rungen: Erstens bleiben wir dabei, dass das Land Berlin Klein-klein und das Aufarbeiten des eigenen Sanierungs- mehr Mittel bereitstellen und sein Investitionsprogramm rückstaus, das ist bisher Ihr Programm. Das kann in einer aufstocken muss – mindestens um die erwähnten konjunkturellen Krise nicht ausreichend sein. 100 Millionen Euro. Nach einem Pakt für Deutschland muss es so etwas wie einen Pakt für Berlin geben. An- [Beifall bei der CDU] sonsten rate ich Ihnen: Packen Sie ein! Wir haben Ihnen Nein, dieser Senat hat keine Vision von der Stadt! Er bereits einen Vorschlag dafür unterbreitet, ein Infrastruk- weiß nicht, wohin die Reise mit Berlin gehen soll. Was turprogramm für die Berliner Bezirke im Umfang von

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Uwe Goetze sind – unabhängig von der Krise – die Stärken und Chan- investieren, sondern muss auch in die Köpfe investieren. cen dieser Stadt? Worin soll man investieren? Wie will Darüber werden wir uns nachher unterhalten. Das ist eine man Berlin sozial, ökonomisch und ökologisch erneuern? weitere Kernforderung, die wir an Sie richten. Das sind die Fragen, die Sie sich erst einmal stellen müs- sen! Wir können das derzeit nicht erkennen. – Vor allen Also: Berlin kann etwas von diesem Konjunkturpro- Dingen müssen Sie diese Fragen auch endlich beantwor- gramm haben, kann davon profitieren, aber dieser rot-rote ten! Insofern könnte diese Krise auch eine Chance für den Senat hat bis heute keine Vorstellung davon, – Senat sein, aber wir kennen ihn: Er wird sie nicht wahr- nehmen. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Drittens: Dieser Senat muss endlich die Rahmenbedin- Herr Abgeordneter Goetze! Ich bin immer sehr großzügig, gungen dafür schaffen, dass die zugesagten Mittel des aber Sie strapazieren das über Gebühr. Bundes zügig in die dringendsten Investitions- und Infra- strukturmaßnahmen investiert werden können. Dazu müs- Uwe Goetze (CDU): sen Sie Bürokratie vereinfachen, Abläufe verschlanken und für schnelle Entscheidungswege sorgen. Was wir hier – wie er das zum Nutzen der Berlinerinnen und Berlin gerade vom Kollegen Zackenfels über die große zentrale umsetzen soll. Überbürokratie gehört haben, die für die Stadt wieder [Beifall bei der CDU] alles verwalten, verhandeln, jedenfalls aber nicht umset- zen soll, die lehnen wir ab. Das funktioniert nicht! In den Bezirken haben Sie Strukturen, solange sie von Ihnen Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: noch nicht vollständig kaputtgespart sind. Nutzen Sie Vielen Dank, Herr Abgeordneter Goetze! – Für die Links- diese Strukturen! Die Leute vor Ort wissen am besten, wo fraktion hat nun der Abgeordnete Wechselberg das das Geld hingehört. Wort. – Bitte sehr! [Beifall bei der CDU – Vereinzelter Beifall bei der FDP] Carl Wechselberg (Linksfraktion):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde, Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: dieses Konjunkturpaket hat auch aus dem Berliner Lan- Entschuldigung, Herr Goetze! – Gestatten Sie eine Zwi- desparlament heraus durchaus eine kritische Perspektive schenfrage des Herrn Abgeordneten Zackenfels? verdient, und zwar eine, die dem Grundsatz dieses Pakets gerecht wird. Da muss man zunächst einmal feststellen, dass die Bundesregierung vielfach und völlig zu Recht in Uwe Goetze (CDU): den vergangenen Wochen bis in die internationale Politik Nein, ich möchte kurz zu Ende ausführen, da meine Re- hinein, aber vor allen Dingen auch hier im Land, schwer dezeit gleich abgelaufen ist. kritisiert worden ist, dass sie weitergehende konjunktur- politische Maßnahmen des Staates grundsätzlich abge- Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Finanzse- lehnt hat, entgegen dem internationalen Common Sense nator ist heute zu diesem Thema eingefallen, man müsse und im Gegensatz zur einhelligen wirtschaftspolitischen gelegentlich die Frage stellen, ob Verwaltungen über- Expertise. Noch vor wenigen Wochen galten staatliche haupt zum Bauen geboren sind. – Das kann doch nicht Konjunkturprogramme führenden Politikern der großen wahr sein! Wo ist denn Ihre Kernkompetenz auf dem Koalition als reine Geldverschwendung. Nun kommt es Gebiet der Investition? Herr Finanzsenator! Es ist nicht mit dem Konjunkturpaket II anders, und zwar so, wie es Ihre Kernaufgabe die Kompetenz der Verwaltung wieder- zu befürchten war, nämlich zu spät, zu kraftlos, und im holt in Frage zu stellen, sondern endlich eine Personal- Detail mit einem kräftigen Rechtsdrall in Richtung der und Prozesspolitik so zu gestalten, dass ausreichend quali- CSU, die sich im Übrigen als eigentlicher Gewinner des fizierte Fachleute vorhanden sind. Koalitionspokers fühlen darf. [Gelächter von Dr. Martin Lindner (FDP) – Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Zuruf von Oliver Scholz (CDU)] Herr Goetze! Darf ich Sie darauf hinweisen, dass Ihre Unter dem Druck der Wirtschaftszahlen, der steigenden Redezeit beendet ist? Arbeitslosigkeit, den beispiellos schlechten Konjunktur- aussichten und den drohenden Wahlen war die Passivität gegenüber der Krise für die große Koalition offensichtlich Uwe Goetze (CDU): nicht länger durchzuhalten. In diesem Sinn ist das Paket Meine sehr verehrten Damen und Herren! Neben diesen tatsächlich ein Fortschritt, weil überhaupt etwas ge- Infrastrukturmaßnahmen, die in harte Güter fließen, ge- schieht, aber insgesamt bleibt es hinter den Anforderun- hört auch eine Investition in die Bildung. Dazu kommen gen deutlich zurück. wir heute noch an anderer Stelle, aber das muss mit dazu- gehören. Man kann nicht nur in die harten Essentials

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Carl Wechselberg Mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro in den Jahren Ungeachtet dieser grundsätzlichen Kritik erhält Berlin aus 2009 und 2010 – davon lediglich rund die Hälfte für In- Bundesmitteln in den kommenden beiden Jahren gut vestitionen – entspricht das Paket knapp einem Prozent- 470 Millionen Euro. Diese Mittel helfen uns, den erhebli- punkt des deutschen Bruttoinlandsprodukts und liegt chen Investitions- und Sanierungsstau in der Folge der damit deutlich unter dem, was andere Länder international Haushaltslage, Herr Kollege Goetze, anzugehen, die uns an Maßnahmen planen oder auf den Weg gebracht haben. im Übrigen Ihre Landesregierung hinterlassen hat, Die Bundesregierung selbst erwartet, dass dieses zusätzli- [Beifall bei der Linksfraktion – che Paket den Einbruch des Wirtschaftswachstums in Vereinzelter Beifall bei der SPD – Deutschland gerade einmal von 3 Prozent auf 2 Prozent Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Alles vergessen!] zu verringern vermag. Dieser Rückgang wäre allerdings immer noch der höchste in der deutschen Nachkriegsge- das muss man an dieser Stelle feststellen, so viel Frech- schichte – mit den entsprechenden negativen Auswirkun- heit von Ihrer Seite: Meine Güte! gen. Das Konjunkturpaket der Bundesregierung kommt damit nicht nur zu spät, sondern es ist in seinem Umfang Der Investitionsstau ist zweifellos im Ergebnis dieser auch ungenügend und daher bestenfalls ein konjunkturpo- Haushaltsnotlage in vielen Bereichen aufgelaufen. Hier litischer Zwischenschritt, mit dem es nicht gelingen wird, helfen uns die Mittel vom Bund, keine Frage. Das ist eine die tiefste Wirtschaftskrise seit 1929 erfolgreich zu be- gute Nachricht für die Stadt, da bin ich in der Tat ganz der kämpfen. Auffassung des Kollegen Zackenfels. Mehr wäre uns immer willkommen, aber zusammen mit unseren eigenen [Beifall bei der Linksfraktion] Landesmitteln bewegen wir in den kommenden beiden Genau das ist der angemessene Maßstab in dieser existen- Jahren rund 630 Millionen Euro an zusätzlichen Investiti- ziellen Krise. onen für Berlin. [Oliver Scholz (CDU): 89!] [Zuruf von Joachim Esser (Grüne)] Schließlich fragen wir uns, weshalb man nun ein weiteres – Das ist eine wirklich respektable Summe, Kollege Es- Abschirmungspaket über 100 Milliarden Euro zur Liqui- ser, Geld, mit dessen Hilfe wir außerordentlich wichtige ditätsversorgung der Unternehmen auf den Weg bringt, Investitionsprojekte in Angriff nehmen können, für die wo das doch eigentlich die originäre Aufgabe des Ban- uns in den letzten Jahren zugegebenermaßen die kenpakets ist, finanzielle Kraft fehlte. Michael Müller hat recht, wenn er [Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] auf die investiven Defizite hinweist, die sich aus der Haushaltsnotlage heraus in den letzten Jahren in vielen das allerdings offenkundig nicht funktioniert. Teure Zu- Bereichen entwickelt haben. Diese Überhänge gehen wir satzpakete sollen hier die Schwächen des Bankenpakets jetzt mit den eigenen Mitteln des Landes und den kaschieren. Das finden wir ebenfalls falsch. zusätzlichen Bundesmitteln entschlossen an. Hier deckt [Beifall bei der Linksfraktion] sich die Schwerpunktsetzung des Bundes mit unseren Aufgabenstellungen. Außerordentlich kritisch bewerten wir zudem die steuer- politischen Maßnahmen. Wir bedauern sehr und wundern [Joachim Esser (Grüne): uns, dass sich hier die CSU in vollem Umfang durchset- Welche sollen denn größer sein?] zen konnte. Mit 9,5 Milliarden Euro pro Jahr und zusätz- Die Priorität Schule und Wissenschaft ermöglicht uns lichen Mindereinnahmen sind diese Entlastungen für die zusammen mit den aufgestockten Landesmitteln von öffentliche Hand langfristig außerordentlich teuer. Untere nunmehr 80 Millionen Euro pro Jahr, für die Schulsanie- und mittlere Einkommen werden kaum spürbar entlastet, rung den Sanierungsstau und die neuen Anforderungen [Dr. Martin Lindner (FDP): Die zahlen auch nichts!] der Schulstrukturreform umfassend anzugehen. Wir wol- len zudem sicherstellen, dass erhebliche Geldmittel für und die beschlossenen Maßnahmen gehen das Gerechtig- Investitionen in Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen keitsproblem, das wir in der Steuer- und Abgabenpolitik von Charité und Vivantes vorgesehen werden, denn auch haben, nicht an. Wo bleibt die angemessene Belastung hier hat das Land aus der Not heraus seinen Verpflichtun- von Besserverdienenden und Vermögenden, die in den gen nur ungenügend entsprechen können. Dieses Defizit zurückliegenden Jahren vielfach von Spekulationsge- wollen wir nun ebenfalls mit einem größeren Schritt ver- schäften profitiert haben? ringern. [Beifall bei der Linksfraktion] Schließlich wird ein weiterer Schwerpunkt für den Ein- – Völlige Fehlanzeige! Aber weshalb man dann – im satz von zusätzlichen Finanzmitteln – und das deckt sich Gegenteil dazu – in dieser tiefen Krise nun auch noch die mit Ihren Vorstellungen, meine Damen und Herren von Spitzenverdiener an den Steuerentlastungen beteiligt und den Grünen – sicherlich in der energetischen Gebäudesa- mit der Rechtsverschiebung – passender Name der Steu- nierung öffentlicher Gebäude liegen müssen, weil sich erprogression – von Zahlungspflichten befreit, das ist solche Maßnahmen langfristig doppelt rechnen. Nun völlig unverständlich und politisch absolut inakzeptabel. werden wir zweifellos mit diesen Investitionen eine Son- [Beifall bei der Linksfraktion] derkonjunktur des Berliner Baugewerbes erzeugen. Das ist auch gut.

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Carl Wechselberg

Zugleich wollen wir erwägen, ob wir nicht auch bei der Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Beschaffung von Fahrzeugen und bei medizinischen Großgeräten Einsatzmöglichkeiten finden, die die vorhan- Vielen Dank, Herr Abgeordneter Wechselberg! – Für die denen Mittel klug verteilen. Wir sind jedenfalls über- Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt der Herr Abge- zeugt, dass Senat und Koalition hier eine angemessene ordnete Esser das Wort. – Bitte! Balance der Maßnahmen gelingt und im Ergebnis eine klare Prioritätenliste abgearbeitet wird. Joachim Esser (Grüne):

In diesem Zusammenhang sollen wir uns nicht darüber Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der täuschen, welche Anstrengungen es vonseiten des Senats großen Koalition aus Herrn Goetze und Herrn Zackenfels und der Verwaltung erfordern wird, um diese zusätzlichen und – soweit es die Berliner Situation betraf – auch Herrn Investitionsprojekte so auf den Weg zu bringen, dass die Wechselberg könnte man fast den Eindruck gewinnen, Gelder, an denen so viele Erwartungen und Hoffnungen wir gingen unter der Führung von Merkel und Seehofer hängen, tatsächlich abfließen und real verbaut werden, herrlichen Zeiten entgegen. Endlich werden Steuern und auch, Herr Kollege Goetze, wenn wir uns als Landesre- Abgaben gesenkt, kleine Prämien an Eltern und große gierung und Regierungskoalition nicht für jede Bauverzö- Prämien an Autokäufer ausgeschüttet, überfällige Investi- gerung und für jedes Problem im Investitionsbereich tionen getätigt und die Arbeitsämter aufgerüstet. Dabei verantwortlich machen lassen, auch nicht von Ihnen. wird doch spätestens beim letzten Punkt dieses Sammel- suriums namens Konjunkturpaket II deutlich, dass es, [Beifall bei der Linksfraktion – Herr Zackenfels, eben nicht um eine neue Ära der Wohl- Uwe Goetze (CDU): 25 Prozent Mittelabfluss!] taten geht, sondern um eine schwere Wirtschaftskrise am Nicht alles, was an Problemen im Investitionsbereich ent- Horizont. Wer wie die Bundesregierung jetzt 5 000 neue standen ist, nicht jeder Fehlbetrag, der am Jahresende auf- Vermittler für die Jobcenter einstellt, der rüstet sich für taucht, ist darauf zurückzuführen, dass die Landesregie- den Ansturm neuer Arbeitsloser. rung es nicht vermag, Investitionsprojekte auf den Weg zu bringen, oder wir als Landesgesetzgeber das nicht Wir reden heute eben nicht über Wohltaten, sondern über entsprechend ermöglichen, sondern beispielsweise auch eine Notoperation am offenen Herzen. Wir schütten seit darauf, dass sich Bauprojekte einfach verzögern. Das mag November letzten Jahres Milliarden Euro in die Banken vorkommen. und die Wirtschaft, um die Krise und ihre absehbaren Folgen für die Bevölkerung abzumildern. Und wir tun das [Uwe Goetze (CDU): Schon einmal mit Geld, das wir gar nicht haben. Die Milliarden liegen etwas von Vorratsplanungen gehört?] nicht auf einem Konto, das der knauserige Staat bislang Das werden wir auch in Zukunft nicht verhindern können. geheim gehalten hat, sondern der Staat schöpft dieses Geld per Kredit aus dem Nichts und folgt dabei dem Mot- Trotzdem ist die entscheidende Aufgabe, dafür zu sorgen, to: Leiste dir heute etwas und bezahle später! Wir leihen dass diese zusätzlichen Mittel ihren Weg in die wichtigen uns das Geld aus der Zukunft und wälzen die Last auf Politikbereiche finden und – wie es der Kollege Zacken- unsere Kinder und Enkelkinder ab. Daraus ergibt sich für fels als Anforderung formuliert hat, da sind wir uns sicher mich die zentrale Anforderung an jedes Konjunkturpaket: alle einig –, nicht am Ende des Jahres 2010 zu verfallen Wir müssen denen, die das in Zukunft erwirtschaften und drohen. Das wird im Rahmen der Behandlung des Nach- abzahlen müssen, eine Gegenleistung bieten. tragshaushalts der Schwerpunkt sein, den wir uns nahe- [Beifall bei den Grünen] liegenderweise neben der Frage setzen, wofür wir das Geld im Einzelnen ausgeben, wie durch zusätzliche Steu- Ein kreditfinanziertes Konjunkturprogramm, das nicht auf erungsqualität auf Landesebene abschließend sicherge- Zukunftsinvestitionen und Strukturwandel, nicht auf Be- stellt werden kann, dass hier das Geld angemessen ausge- kämpfung der Klimakatastrophe und die Verbesserung geben wird. der Bildungschancen ausgerichtet ist, taugt nichts und verletzt zumindest mein Gerechtigkeitsgefühl zutiefst. In diesem Sinn freuen wir uns und sehen das Gute im [Beifall bei den Grünen] begrenzten Charakter dieses Konjunkturpakets, wollen das Positive durchaus in den Vordergrund stellen und Um es klar zu sagen: Das Paket der Bundesregierung würdigen, dass uns hier zusätzliche Möglichkeiten gege- genügt diesen Anforderungen nicht. Dieses Maßnahmen- ben sind und wir die Chance kriegen, Defizite, die wir bündel ist typisch für die Mechanismen einer großen zugegebenermaßen im Land Berlin haben, Baustellen, die Koalition. Jeder darf Wahlgeschenke verteilen, der Sach- es zu füllen gilt, jetzt angehen können. Genau das ist die verstand bleibt auf der Strecke. Herausforderung, der wir uns jetzt gemeinsam stellen, jenseits der grundsätzlichen Kritik an der Bundespolitik. – Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung – beide Vielen Dank! zusammengenommen – besteht allenfalls zu einem Drittel aus Investitionsmitteln, die sich zukunftsorientiert einset- [Beifall bei der Linksfraktion – zen lassen. Der Rest ist Kraut und Rüben, darunter als Vereinzelter Beifall bei der SPD] bitterste Pille für Berlin Steuersenkungen, die uns dau-

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Joachim Esser erhaft mit 183 Millionen Euro belasten, aber mit Sicher- Zusammen mit den 430 Millionen des Bundes entstünde, heit konjunkturell nicht zielgenau wirken. Zurück bleibt wenn man unseren Vorschlag umsetzt, ein Investitions- nur das Loch im Staatshaushalt, das erneute Sparmaß- fonds von 1,4 Milliarden Euro. Mit dem ließe sich in der nahmen auf Kosten des Volkes verlangt. Aber der Lafon- Tat ein mittelfristiges Investitionsprogramm gestalten, das taine der CSU, Herr Seehofer, hat es so gewollt. Sie kön- mehr als ein Strohfeuer für zwei Jahre darstellen würde. nen nicht erwarten, meine Damen und Herren von der [Beifall bei den Grünen] CDU, dass wir das richtig fänden und Sie, Herr Zacken- fels, nicht, dass wir hier in Ihr Lob auf Herrn Seehofer Der Umfang eines Investitionsprogramms muss sich näm- einstimmen. lich daran messen lassen, dass wir in der Stadt insgesamt einen Sanierungsstau von gut 3 Milliarden Euro abarbei- Eine besondere Verrücktheit – schon öfter erwähnt – ist ten müssen. Ich kann Ihnen nur für unsere Fraktion und die Abwrackprämie für Kfz, von CDU und SPD dem unsere Partei sagen: Wir werden kein Investitionspro- Sachverhalt zum Hohn auch noch Umweltprämie ge- gramm unterstützen, das auf die Bundesmittel beschränkt nannt. Wer jetzt einen Porsche Cayenne kauft, bekommt ist, derweil ansonsten alles so bleibt wie bisher und von vom Staat dafür 4 000 Euro geschenkt: 2 500 Euro Ab- Rot-Rot gewohnt. wrackprämie aus dem zweiten Konjunkturpaket und [Lars Oberg (SPD): Oh, wir zittern!] 1 500 Euro Kfz-Steuerbefreiung aus dem ersten. – Ja! Das muss man Ihnen doch wenigstens politisch klar [Mario Czaja (CDU): Perfekt!] sagen. – Maßstab für die Qualität eines Investitionspro- Da werden Steuergelder unter dem Deckmantel der Kri- gramms – das hat heute Frau Pop schon erwähnt – kann senbekämpfung sinnlos verschleudert. nur sein, dass die notwendigen Strukturveränderungen in der Stadt durch das Investitionsprogramm unterstützt [Beifall bei den Grünen – werden. Wir sagen Ihnen das im Einzelnen gerne noch Beifall von Dr. Martin Lindner (FDP)] mal. Wir werden in den Schulen keine Sanierung akzep- Wir werden uns hier in Berlin deshalb darauf konzentrie- tieren, die nicht die 200 000 Euro enthält, die im Regelfall ren müssen, aus den 430 Millionen Euro Investitionsmit- erforderlich sind, um die Energiekosten und den CO2- teln, die für unsere Stadt abfallen, etwas Sinnvolleres zu Ausstoß der Gebäude signifikant zu senken. machen. Es muss gelingen, ökologische Modernisierung [Beifall bei den Grünen] und Strukturreformen in den Mittelpunkt der eigenen An- strengungen zu stellen. Ich stelle lieber zusätzliche Lehrer ein, als dass ich das Geld zu Vattenfall, Gazprom und den Ölscheichs trage. Der Senat wird am Dienstag beweisen müssen, dass er [Beifall bei den Grünen] gewillt ist, den Investitionsstau in der Stadt anzugehen und mit der Politik der letzten sieben Jahre selbstkritisch Uns versetzt auch Ihre Sanierung von Schwimmbädern so zu brechen. Denn jahrelang hat Rot-Rot behauptet, einen lange nicht in Begeisterung, wie dabei nur die Dächer Beitrag zur Haushaltssanierung zu leisten, wenn man die repariert und nicht auch die veralteten Heizkessel ausge- Infrastruktur verkommen lässt und sich die Instandhaltung wechselt werden, um der Energieverschwendung ein spart. Angesichts dieser Vorgeschichte ist die Befürch- Ende zu bereiten und die Betriebskosten zu senken. tung begründet, dass Sie auch heute der Aufgabe nicht ge- [Beifall bei den Grünen] wachsen sind, die Krise als Chance für einen Aufbruch zu nutzen. Es sieht ganz danach aus, dass Sie die 430 Millio- Wir werden genau auf das Folgende achten, Herr Wech- nen Euro einfach einsacken wollen, um das eine oder selberg, weil Sie gesagt haben, das sehen Sie ähnlich. Wir andere Versäumnis der Vergangenheit nachzuholen, werden kein Schulsanierungsprogramm akzeptieren und Schulen und Kitas mit Pinselstrichsanierungen abzuspei- unterstützen, das nicht im Dienst der Schulreform steht sen und einigen Krankenhäusern verdeckt Subventionen und die Voraussetzungen für die neue Sekundarschule zukommen zu lassen. und für mehr Ganztagsschulen schafft. Denn das sind Schulen, die Kantinen und mehr Räume als Klassenzim- Hätten Sie wirklich Großes vor, dann würden Sie nicht mer brauchen, um auch pädagogisch Wirklichkeit zu unverändert unseren Vorschlag ablehnen, die 940 Mil- werden. lionen Euro Haushaltsüberschuss aus diesem Jahr in ein [Beifall bei den Grünen] Sondervermögen zu überführen, um die Investitionslinie Wir erwarten von Ihnen Maßnahmen, die diesen Struk- zu verstetigen und aus den Einsparungen bei den Gebäu- turwandel vorantreiben und sich langfristig bezahlt ma- dekosten zu refinanzieren. chen. Andernfalls sind die Investitionen von Rot-Rot den [Beifall bei den Grünen] Kredit nicht wert, mit dem sie finanziert werden. Da sehe ich auch Ihre Ausführungen, Herr Wechselberg, mit Staunen. Beim Bund kann alles nicht groß genug sein, Mit den neuen Schulden, die da entstehen, haben Sie aber hier in Berlin, wo Sie die Verantwortung tragen, da ohnehin mehr als genug interne Probleme. Geht es nach reicht es klein-klein. dem Willen aller Parteien – außer der Linkspartei, tolles Alleinstellungsmerkmal! –, soll eine neue Schuldenrege- lung im Grundgesetz geschaffen werden. Bund und Län-

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Joachim Esser Länder sollen sich in Zukunft nur mit maximal eigentliche Skandal bei dieser Angelegenheit! Das habe 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung neu verschulden dür- ich herausgearbeitet. Man kann Horst Seehofer vorwer- fen. Da haben Sie recht, Herr Zackenfels, dass Sie das fen, was man will, er hat mindestens thematisiert, dass unterstützen, das tun wir auch. Wir tun das deswegen, etwas gemacht werden müsste. Das ist doch die Frage, die weil es ein Ende haben muss, dass in der Bundesrepublik im Raum steht: Wo war Angela Merkel? Deutschland seit etwa 40 Jahren die Staatsschulden [Volker Ratzmann (Grüne): Von Sozialdemokraten schneller steigen als die Wirtschaftskraft unseres Landes hat man auch nichts gehört!] und damit jeder neuen Generation geringer werdende Verteilungsspielräume zugemutet werden. Das ist für Das ist die Frage, auf die hier keine Antwort gegeben mich eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Die greifbar nahe worden ist. Lösung darf nicht an Berlin und der fehlenden Zustim- [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – mung der Linkspartei scheitern. Volker Ratzmann (Grüne): Wo waren die anderen?] [Beifall bei den Grünen] Da ist der Regierende Bürgermeister in der Pflicht, und da Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: sind Sie alle, meine Damen und Herren von der sozialde- mokratischen Fraktion, in der Pflicht. Ein weiteres Mal so Vielen Dank, Herr Abgeordneter Zackenfels! – Herr Es- kläglich einzuknicken wie beim EU-Reformvertrag, das ser, möchten Sie antworten? – Dann haben Sie das Wort! ist in dieser Frage nicht drin! [Dr. Martin Lindner (FDP): Seid ihr aus der Regierung [Beifall bei den Grünen – ausgeschieden?] Vereinzelter Beifall bei der FDP] Gucken Sie sich die Presseerklärung von Herrn Liebich Joachim Esser (Grüne): von heute an, dann wissen Sie, was Sie intern aufzuberei- ten haben. Werter Kollege Zackenfels! So kommen Sie aus der Sa- che nicht heraus. Sie haben das jetzt noch einmal wieder- Auf uns Grüne ist Verlass, wenn es darum geht, bei Bil- holt. Der Seehofer hat Konjunkturprogramme und Schul- dung, Klimaschutz und Haushaltssanierung die Zukunft denmachen wenigstens angeschoben. Das haben Sie ge- auch für die nächsten Generationen zu sichern. Ob das in sagt, und das ist sein Verdienst. So haben Sie ihn gelobt. gleicher Weise für die Koalition von SPD und Linkspartei Andere haben noch einmal überlegt, was können wir uns und den gegenwärtigen Senat gilt, werden Sie in den eigentlich leisten, wie tief kommt die Krise überhaupt. nächsten Monaten beweisen müssen. Noch im Laufe Das waren Frau Merkel, Herr Steinmeier, Herr dieses Jahres werden wir wissen, ob Sie den Stresstest Steinbrück. Die haben Sie folglich kritisiert. Nun weiß ich bestehen, den uns die Klimakrise und zugleich die Krise überhaupt nicht, was da das Problem ist für Sie als von Wirtschaft und Staatsfinanzen auferlegen. Im Augen- Kreuzberger, wenn ich sage, Sie finden Herrn Seehofer in blick würde ich sagen, auch nach dem, was heute hier dieser Frage jedenfalls besser als Frau Merkel und Ihre gesagt wurde, sieht es allerdings so aus, dass Sie bereits eigenen Parteifreunde in der Bundesregierung. am nächsten Dienstag auf der Senatssitzung an der ersten [Beifall bei den Grünen] Hürde gründlich ins Stolpern geraten.

[Beifall bei den Grünen] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Esser! – Jetzt hat für die Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: FDP-Fraktion das Wort der Fraktionsvorsitzende Vielen Dank, Herr Abgeordneter Esser! – Das Wort für Dr. Lindner. – Bitte sehr! eine Kurzintervention hat der Abgeordnete Zackenfels. Dr. Martin Lindner (FDP): Stefan Zackenfels (SPD): Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! In der Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann als Tat, der Seehofer macht sich, seitdem er mit uns in einer Sozialdemokrat und Kreuzberger Ihren Satz nicht unwi- Koalition in Bayern ist. dersprochen lassen, ich hätte Horst Seehofer gelobt. Ich [Beifall bei der FDP – Heiterkeit] habe herausgearbeitet, dass Seehofer im Vergleich zu Auf die FDP kann sich das Land verlassen. Auch als anderen mindestens eine Position hat, und habe hinzuge- Oppositionskraft in diesem Lande haben wir gerade beim fügt, dass wir die – und ich erst recht – ausdrücklich nicht Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz bewiesen, dass wir teilen. Aber das, was Kollege Wechselberg gesagt hat, ist das nicht zu einem parteipolitischen Klein-Klein ausnut- doch der eigentliche Skandal: Seehofer hat eine Position. zen, sondern zu unserer Verantwortung stehen. Das unter- Die Bundesrepublik Deutschland, eine Industrienation, scheidet uns im Übrigen von den beiden anderen Opposi- wird von einer Kanzlerin geführt, die wochenlang tatsäch- tionsfraktionen im Bundestag, die nicht zugestimmt ha- lich verschweigt zu sagen, was notwendig ist, und keine ben. Grüne und Linke haben zwar hier staatstragende Führung zeigt, was das Land aber bräuchte. Das ist der Reden geschwungen, aber eine Stunde später, als im

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Dr. Martin Lindner Bundestag abgestimmt wurde, haben sie dagegen ge- zehn Jahre altes Auto im Bestand hat, 2 500 Euro kassiert stimmt. Es fällt Liberalen nicht leicht in dieser Situation, und dann einen Porsche Cayenne kauft? daraus mache ich keinen Hehl. Wir halten es aber trotz- [Zurufe von der Linksfraktion und den Grünen] dem für richtig, dass beispielsweise der Staat in systemre- levante Banken einsteigt, um die Vertrauenskrise zu be- Es gibt vielleicht ein paar Lottogewinner. seitigen. Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre man [Mario Czaja (CDU): Und FDP- sogar in alle sechs bis acht größten systemrelevanten Fraktionsvorsitzende!] Banken so eingestiegen wie jetzt bei der Commerzbank und hätte damit die Vertrauenskrise zwischen den Banken Aber die sind volkswirtschaftlich nicht so relevant, dass sicher effizienter und schneller beendet, als es mit dem man sie berücksichtigen könnte. Das ist genau das Prob- Gesetz geschehen ist. lem. Das geht doch am echten Leben vorbei. Wer eine zehn Jahre alte Chaise zu Hause hat – das weiß man noch, Das unterscheiden wir aber jetzt bitte ganz klar zu dem, als Student oder in ähnlicher Situation –, der kauft sich was durch dieses sogenannte Konjunkturpaket II und was doch nicht einen Neuwagen, sondern einen weiteren Ge- damit einhergeht, zusätzlich gekommen ist. Da bin ich als brauchtwagen. Deswegen ist das vollkommener Quatsch. Erstes bei diesem Rettungsschirm für Großunternehmen Genauso wie der Gesundheitsfonds von 15,5 auf 14,9! in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro. Da sage ich [Zuruf von Mario Czaja (CDU)] Ihnen, liebe Freunde von der Union, ein liberaler Wirt- schaftsminister wäre spätestens dann zurückgetreten, Das ist doch Kleinkram und linke Tasche, rechte Tasche. wenn ein solch unsinniger Fonds aufgelegt worden wäre. Das muss wieder durch Steuerfinanzierung ausgeglichen Wohin kommen wir denn da ordnungspolitisch? werden. Warum die Hartz-IV-Regelsätze angeglichen oder angehoben werden müssen, das erschließt sich auch [Beifall bei der FDP] nicht. Hartz-IV-Empfänger sind am wenigsten von der Was hat der Glos eigentlich für ein Koordinatensystem? Rezession und von der Krise betroffen. Vollkommener Das kann doch wohl nicht wahr sein, dass bei kleinen und Unsinn! mittelständischen Unternehmen der Insolvenzverwalter [Zurufe von den Grünen] kommt und beim großen dann der Steuerzahler aufkreuzt. Das ist ein unlauterer Eingriff in den Wettbewerb zwi- – Die haben ja keine Arbeit! Das ist doch so, dass man da schen Unternehmen. Deswegen lehnen wir ab, was bei gar nicht betroffen ist im engeren Sinne! Opel geplant ist. Deswegen war es auch richtig, dass sich [Zurufe von der Linksfraktion] der liberale Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg Auch Steuersenkungen in dem beschlossenen Maße – das dem Begehr von Merckle widersetzt hat, stützend ein- ist kaum wirksam. Das sind fünf bis zehn Euro im Monat zugreifen, wie mir neulich auf einem der Neujahrsemp- mehr in der Tasche, bringt also überhaupt nichts, ändert fänge vorgehalten wurde. Wir setzen uns für vernünftige, am Konsumverhalten gar nichts, aber verbrennt eine gan- systemrettende Teilverstaatlichungen ein. Aber es kann ze Menge Geld. Das ist der Hauptkritikpunkt. Hier ist das nicht sein, dass der Staat mit Steuergeldern alles und jedes Volumen beeindruckend, aber die einzelne Wirkung ist unterstützt oder gar verstaatlicht, was sich in der Krise äußerst begrenzt und minimal. befindet. Da kommt als Nächstes noch die SPD daher und möchte auch verstaatlicht werden. [Zuruf von Mario Czaja (CDU)] [Beifall bei der FDP] Deswegen ist es hauptsächlich schwarz-rotes Wahlkampf- theater und wenig Substanz und wenig Weiterbringen. Übrigens, Kollege Zackenfels, Sie sagten, die FDP ist käuflich. Das ist der Unterschied, die SPD will überhaupt [Beifall bei der FDP – keiner mehr kaufen. Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU)] [Gelächter bei der SPD – Positive Punkte im Konjunkturpaket will ich nicht uner- Zurufe von der SPD und der Linksfraktion] wähnt lassen. Die Schuldenbremse, die die FDP seit Lan- gem fordert, ist dort zumindest thematisiert. Wir werden Eine solche Krise birgt auch Chancen – Chancen durch auch nach wie vor daran arbeiten, dass das auch Wirk- Gesundung auch über Insolvenzverfahren. Da kann der lichkeit wird. Das ist eine sehr wichtige Geschichte. Auf Staat nicht in jedem Einzelfall eingreifen, sondern das dies bezog sich auch die Ausführung vom Kollegen Hahn, muss man als Chance begreifen. Arbeitsplätze bleiben die der SPD-Kollege vorhin zitierte. erhalten. Wir haben hier nicht mehr Zerschlagungen als

Alleiniges. Wir haben ein vernünftiges Insolvenzverfah- Das Zweite ist das staatliche Investitionsprogramm in rensgesetz in Deutschland. Das muss dann im Zweifel Höhe von rund 18 Milliarden zur Sanierung von Schulen, auch zur Geltung kommen. Hochschulen, Verkehrswegen. Ich möchte aber auch, dass

wir uns hier keiner Illusion hingeben. Erstens: Die haupt- Jetzt komme ich zu weiteren Dingen, die hier beschlossen sächliche Schwierigkeit der deutschen Wirtschaft liegt sind. Kollege Esser! Sie waren genauso wirklichkeits- doch im Moment im exportabhängigen Bereich. Da haben fremd mit Ihrem Beispiel vom Porsche Cayenne wie das wir doch eine Schwäche. Diese Sanierung von Schulen Gesetz selbst. Wer ist denn in der Situation, dass er ein und Verkehrswegen wird diesen Schwächen in

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Dr. Martin Lindner Maschinenbau, Logistik und Transport keinesfalls entge- meister! Bei Wetter und Sturm gehört der Kapitän auf die genwirken können. – Zweitens: Auch wenn wir die Ver- Brücke und nicht in die gemütliche Kajüte. fahren von Ausschreibungen beschleunigen, müssen wir [Beifall bei der FDP und der CDU – doch klar sehen, dass diese Maßnahmen erst 2010/2011 Zurufe von der SPD und der Linksfraktion] wirksam werden. Das wird den Unternehmen heute und in diesem Krisenjahr kein Geld in die Tasche spülen. Die FDP – das sage ich zum Schluss – ist das letzte ord- nungspolitische Rückgrat dieser Stadt und dieses Landes. [Joachim Esser (Grüne): Sie glauben, das geht Lieber Herr Goetze! Wir werden nicht irgendeine Blo- nur ein Jahr! Das glaube ich nicht!] ckade machen, auch wenn wir nach dem Sonntag in Hes- Deswegen wird es zunächst nur eine starke Belastung sen regieren werden. Wir haben keine Blockademehrheit, geben. Da bin ich an einem sehr ernsten Punkt. Die FDP auch wenn wir in Hessen mitregieren, sondern dann setzt sich schon seit Langem dafür ein, dass wir gerade 29 Stimmen. Blockade kann man ab 35 Stimmen machen. Schulgebäude, Kindergärten, Sportplätze sanieren und auf Aber das ist auch nicht unser Stil. Das ist der Stil der Vordermann bringen. Aber ich möchte, dass Sie sich SPD. 1997, als die Partei noch etwas bedeutender war, bewusst sind und dass sich jeder Beamte, jeder politisch führte sie unter Lafontaine die Bundesratsbeteiligung in Verantwortliche in den Bezirken und in der Landesver- eine Blockade. Das lehnt die FDP ab. Wir werden unab- waltung bewusst ist, dass jeder Cent, jeder Euro, der dort hängig von unseren Möglichkeiten eine gestaltende Min- ausgegeben wird, nicht nur dem Kind zugute kommt, das derheit im Bundesrat sein. Wir werden dafür sorgen, dass durch das Schultor läuft, sondern von diesem Kind auch wir Spielräume möglicherweise in einem Vermittlungs- bezahlt wird. Denn wir belasten diese Kinder und diese verfahren für große Strukturprojekte wie für eine große Generation durch die Schulden, die wir heute aufnehmen. Steuerreform nicht leichtfertig verspielen und vor allem [Beifall bei der FDP – nicht die Zukunft des Landes und unserer Jugend verpras- Zuruf von Ramona Pop (Grüne)] sen. – Herzlichen Dank! Da können wir nicht alles, was unter dem Deckmantel der [Beifall bei der FDP – Schule und der Bildung läuft, wirklich gutheißen, sondern Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU) – das müssen wir sorgfältig abwägen. Wir engen die politi- Zuruf von Stefan Liebich (Linksfraktion)] schen Spielräume einer ganzen Generation durch diese Maßnahmen drastisch ein. Deswegen können wir – und Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: da komme ich zur Landesebene – nur das gutheißen, was aus sich heraus vernünftig und richtig ist. Was aber aus Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Lindner! – Für den sich heraus ohne Betrachtung der Krise eine übertriebene Senat hat jetzt der Senator für Finanzen, Herr Dr. Sarra- Aufwendung darstellt, müssen wir ablehnen. Da werden zin, das Wort. – Bitte sehr! wir uns auch dagegenstemmen. Die Landesebene, Berlin, kann sich nicht zurückziehen und so tun, als sei alles Senator Dr. Thilo Sarrazin (Senatsverwaltung für durch den Bund erledigt. Wir müssen auch unsere ord- Finanzen): nungspolitischen Aufgaben erfüllen. Da gibt es noch viel zu tun: Gebühren, Steuern, Bürokratie. Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Her- ren! Wenn man sich das eben anhörte, weiß man hinterher Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Da geht es auch eigentlich genauso viel wie vorher, nämlich nichts. darum, dass Sie sich persönlich ein wenig mehr um die [Beifall bei der SPD – Wirtschaft bemühen. Wo waren Sie denn in den letzten Heiterkeit bei der Linksfraktion] Tagen? Sie waren abwesend beim IHK-Neujahrsempfang, abwesend bei der Bauindustrie, abwesend bei der DE- Keiner in diesem Raum weiß, wo die Wirtschaft in einem HOGA – da geht es um den Tourismus –, abwesend beim halben Jahr steht. größten Arbeitgeber in Berlin, bei der Deutschen Bahn, [Zuruf von der Linksfraktion: Doch, abwesend bei der wichtigsten Bank, der Deutschen Bank. Herr Lindner!] [Zurufe von Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit, Es ist nur so: Außerhalb dieses Raums weiß es auch kei- Michael Müller (SPD) und ner. Und das ist das eigentliche Thema, und darum ist die Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion)] Frage, ob Programme zu groß oder zu klein, falsch oder Sie haben sich für die Berlinale ausgeruht, mein Lieber! richtig sind, irgendwo ein bisschen Rätselraten. Das ist so. [Zuruf von Ramona Pop (Grüne)] [Beifall bei der FDP – Einmal angenommen, wie es auch Institute sagen: Wir Beifall von Dr. Friedbert Pflüger (CDU) – haben jetzt einen leichten Ditsch, und es geht ab der Jah- Zuruf von Reg. Bürgermeister Klaus Wowereit] resmitte wieder aufwärts – ich persönlich glaube es nicht, Sie lechzen nach Nähe von George Clooney und Nicole aber angenommen, es ist okay, ich kann es auch nicht Kidman und weichen Hartmut Mehdorn und Josef ausschließen –, Ackermann aus. Mein lieber Herr Regierender [Zuruf von Mario Czaja (CDU)] Bürgermeister! Bei Wetter und Sturm gehört der Kapitän

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Senator Dr. Thilo Sarrazin dann sind alle diese Programme falsch und reine Geldver- Der eine nimmt das Kalbfleisch, der andere das Tiramisu. schwendung, alles, was wir im Augenblick tun, weil es Alles kommt in einen Topf, wird ein wenig gerührt und zusätzliche Schulden produziert, weil es uns von den das ist das Programm. Natürlich schmeckt einem nicht eigentlichen Aufgaben abhält usw. Angenommen aber, alles. Das ist nun einmal so. Darum kann man jetzt dazu wir haben eine Rezession oder eine Depression, die sich vieles sagen. Aber wenn ein bisschen was für uns abfällt, in der Tat über drei, vier Jahre hinzieht, dann ist es egal, das unter den gegebenen Umständen vernünftig ist, dann ob das Programm 30 Millionen € oder 30 Milliarden € ist dies doch positiv. hat, ob es mehr Investitionen gibt oder mehr Steuersen- kungen, es wäre ohnehin unzureichend. Das ist das The- Damit bin ich bei dem Teil, der uns unmittelbar betrifft, ma von Politik, dass man nicht genau weiß, worauf man zunächst einmal auf der Ausgabenseite. Es ist sicher rich- reagieren soll. Selbst wenn Sie wüssten, worauf, wissen tig und von allen Volkswirten anerkannt – ob links oder Sie nicht, wie die einzelnen Maßnahmen wirken. rechts –: In Zeiten ausfallender Nachfrage hilft zusätzli- che Staatsnachfrage am besten, und sie hilft dort am bes- Dann gibt es unterschiedliche Einschätzungen, aber auch ten, wo es sich um investive Nachfrage handelt, weil dann unterschiedliche Interessen. Es gibt diejenigen, die wie Dinge auch gekauft werden. Wenn wir ein zusätzliches die FDP und seit Neuestem auch die CSU sagen: Ganz staatliches Investitionsprogramm in Höhe von 14 Milliar- egal, was sonst ist, niedrigere Abgaben sind immer besser den € – pro Jahr 7 Milliarden € – haben, so ist dies auch als höhere, im Zweifelsfall soll man jede Gelegenheit nicht gering, wie viele sagen, sondern der Staat investiert blind nutzen, um Abgaben zu senken – auch jetzt wieder, insgesamt pro Jahr 30 Milliarden € in Bauten, 10 bis selbst wenn es der falscheste Zeitpunkt ist, weil es gar 15 Milliarden € in Ausrüstungen. Wenn wir hier pro Jahr nicht in die Massenkaufkraft geht. Dann gibt es diejeni- 7 Milliarden € mehr haben, davon das meiste in Bauten, gen, die sagen: Mehr Ausgaben für Bildung sind immer ist es in Bezug auf die Bauinvestitionen beim Staat ein gut. Wir haben eine Krise, wir fordern mehr Ausgaben für Plus von 20 Prozent. Dies ist ein gigantischer Impuls. die Bildung. Wir haben keine Krise, wir haben Arbeits- [Rainer Ueckert (CDU): Müsst ihr aber auch ausgeben!] kräftemangel und fordern Mehrausgaben für Bildung. Diese Befürworter gibt es auch. Und dann gibt es andere, – Völlig richtig, das muss erst einmal ausgegeben werden, die sagen: Wir müssen mehr für Kultur tun. Das ist immer und zwar so, dass es nicht in steigende Preise geht. – richtig. Damit ist aber auch in etwa die Grenze dessen aufgezeigt, was man zusätzlich über öffentliche Investitionen machen [Beifall von Klaus Wowereit (SPD)] kann. Mehr öffentliche Bauinvestitionen sind sinnlos. Ich – Jawohl, zum Beispiel dieser unbelehrbare Regierende habe aktuell geschaut, die Bauindustrie hatte in Berlin im Bürgermeister und Kultursenator! vergangenen Jahr einen Umsatz von 2,5 Milliarden €. Der [Heiterkeit] Impuls, den wir nun setzen – 300 Millionen € plus –, sind 15 Prozent auf alle unsere Bauinvestitionen. Das muss Immer dasselbe! Dabei hilft es nichts, denn die meisten erst einmal kapazitätsmäßig verkraftet werden. gehen sowieso nicht in die Oper [Heiterkeit – Zusätzlich zu den ohnehin im Haushalt befindlichen Beifall bei der SPD und den Grünen] Baumaßnahmen – das sind mit Bauunterhalt 600 Milli- onen € im Jahr –, zusätzlich zu dem Schulanlagensanie- und wenn doch, tun sie es nur, um ihre neuen Textilien rungsprogramm mit noch einmal 50 Millionen € haben vorzuführen, und nicht wegen des Gesangs. Ich will je- wir nun einen zusätzlichen Impuls von insgesamt doch nicht zu sehr scherzen: Wir wissen es nicht genau. 630 Millionen € – Bundesanteil 480 Millionen € und Insofern habe ich auch für die Bundeskanzlerin aus- Landesanteil 150 Millionen € verteilt über zwei Jahre. nahmsweise Verständnis, zu solch einem Thema acht Dies ist eine gewaltige Chance. Wochen gar nichts zu sagen. Da kann man auch nichts Falsches sagen. Herr Goetze! Natürlich haben wir in vielen Bereichen in [Heiterkeit und vereinzelter Beifall Berlin Investitionsrückstau. Übrigens sind die Investitio- bei der SPD und der Linksfraktion] nen nicht von Rot-Rot abgesenkt worden. Nichts wurde von allen Ausgabepositionen weniger abgesenkt als die Auch ich persönlich habe mich in den letzten Monaten Investitionen. Diese sind schon vorher unter Ihrer Ägide vorgesehen. Sie werden von mir keine eindeutige Aussage gesunken, und zwar auf das augenblickliche Niveau. Das zur Zukunft finden. Diese mache ich seit Oktober nicht haben wir konstant gehalten. Es hat im Übrigen auch gar mehr, und ich mache sie im Augenblick auch nicht. keinen Sinn zu sagen, das hätte man so oder anders ma- chen können. Fakt ist, wir hatten im Jahr 2001 pro Jahr Vor diesem Hintergrund haben wir jetzt ein Programm. 5 Milliarden € neue Schulden. Im letzten Jahr hatten wir Das kam so zustande, wie Programme zustande kommen: 1 Milliarde € Überschuss. Dies war in jedem Fall notwen- Man hat unterschiedliche Rezepturen, und die werden dig, um überhaupt die Basis zu haben, etwas zu tun. gemischt. Dann ist es ein wenig wie Kalbfleisch und Tiramisu. [Beifall bei der SPD] [Heiterkeit] Jetzt geht es darum, die 630 Millionen €, die wir nun zusätzlich haben – leider sowohl unser Teil von

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Senator Dr. Thilo Sarrazin 150 Millionen € als auch der des Bundes in Höhe von Bezirk, und nach einem halben Jahr werden vier Fenster 480 Millionen € vollständig über Schulden finanziert –, ausgetauscht. So kann das nicht gehen! vernünftig auszugeben. Das ist eine Chance. Wir werden es vernünftig ansetzen, und wir werden es, Ich stimme mit jedem überein, der sagt, es könne nicht so Herr Götze – jetzt ist er aus dem Raum –, auch zentral sein, dass wir nun hastig Listen auflegen und im Wind- controllen. Erstens wäre es von der Sache her unzuträg- hundverfahren entscheiden, nach dem Motto: Wer zügig lich, zweitens jedoch für Berlin eine Blamage ohneglei- ist, bekommt Geld, der andere geht leer aus. Der Senat chen, wenn wir jetzt mit Pomp ein Programm aufsetzten wird sich schnell, aber auch sorgfältig überlegen, wie er und zum Jahresende entdeckten, dass erst 10 Prozent diese Summe aufteilt. Wir haben den Betrag von beauftragt sind, und zum Jahresende 2010 bekennen 630 Millionen €. Wir haben gewisse Vorgaben, die wir müssten, dass wir 70 Prozent noch nicht ausgegeben ha- einhalten: 65 Prozent für Bildungsausgaben, also Kitas, ben. Hochschulen, Schulen, 35 Prozent für kommunale Inves- titionen, ökologische Gebäudesanierung, barrierefreie Zu- Exakt das wird uns nicht passieren. Wenn wir dabei Wege gänge in Verkehrseinrichtungen, Krankenhäuser usw. Wir gehen, die wir bisher so noch nicht gegangen sind, dann werden das Geld so ausgeben, dass man erstens davon ist es auch gut. Wenn eine Krise Anlass zum Nachdenken etwas sieht und zweitens dass es etwas nützt. gibt, dann ist das positiv. – Vielen Dank!

[Beifall bei der SPD und der Linksfraktion – Es ist richtig, dass unsere Schulen einen Sanierungsbedarf Beifall von Volker Ratzmann (Grüne)] haben, der weit über das, was wir in diesem Jahr ohnehin ausgeben – 100 Millionen € –, hinausgeht. Ob das 1 oder 1,5 Milliarden € oder 600 Millionen € sind, ist übrigens Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: völlig egal. Es ist sowieso mehr, als wir haben. Natürlich ist es richtig, dass wir für die Schulreform auch Umbau- Vielen Dank, Herr Senator Sarrazin! – Weitere Wortmel- maßnahmen vor uns haben. Es ist klug, wenn wir es jetzt dungen liegen mir nicht vor. Die Aktuelle Stunde hat schaffen, das Geld, das wir nun zusätzlich haben und damit ihre Erledigung gefunden. sowieso für Sanierungen ausgeben, so ausgeben, dass es zu den Bildungsreformen, die wir gerade betreiben, auch Mit der Beschlussempfehlung des Hauptausschusses wird passt. Das gilt für alle Gebiete. Wir haben Konzepte für die Ablehnung des Antrags Drucksache 16/1925 empfoh- Gebäudesanierungen. Die liegen vor, mal mehr, mal we- len, und zwar gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die niger ausgearbeitet. Grünen und bei Enthaltung der CDU. Wer dem Antrag der Grünen Drucksache 16/1925 jedoch zustimmen möch- [Gelächter von Volker Ratzmann (Grüne)] te, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das ist die Es ist richtig, dort anzufangen und zu schauen, wo bereits Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Gegenprobe! – Das nachgedacht wurde. sind die Koalitionsfraktionen und die Fraktion der FDP. Enthaltungen? – Das ist die Fraktion der CDU. Damit ist Zum Ablauf: Der Senat wird am nächsten Dienstag die die Drucksache 16/1925 abgelehnt. Eckwerte für die großen Positionen festlegen. Dann wird es noch Wochen dauern, bis dieses mit Einzelmaßnahmen Zum Antrag Drucksache 16/2035 unter dem Tagesord- vernünftig untermauert ist. Dabei wird es auch Diskussio- nungspunkt 27 empfiehlt der Ältestenrat die Überweisung nen geben. Das ist klar. Das Prinzip ist: Das Geld wird an den Hauptausschuss, wozu ich keinen Widerspruch vollständig belegt. Das Prinzip ist: Wir bleiben auch be- höre. weglich; wenn es am Ende nicht abfließt, geht es woan- ders hinein. Es ist ebenfalls klar: Man wird sehr genau Ich rufe auf als Priorität der Fraktion der CDU beobachten, ob wir das schaffen und wie wir das schaffen. lfd. Nr. 4 a: Wir werden das Geld in den nächsten beiden Jahren voll- ständig beauftragen. Alle Aufträge, die man auslösen a) I. Lesung kann, werden auch ausgelöst. Dass jedoch das Geld voll- Kinderlärm ist Zukunftsmusik I – Gesetz zur ständig abfließt, ist nicht machbar. Natürlich werden sich Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes viele Baumaßnahmen in das Jahr 2011 hineinziehen. Berlin Das ist natürlich. Aber wir werden zeigen, dass wir das können, auch als Berliner Verwaltung. Antrag der CDU Drs 16/2029 [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] b) Antrag Das kann allerdings nicht so gehen, dass wir es so machen Kinderlärm ist Zukunftsmusik II – in den wie bei einzelnen Schulsanierungen. Ein Fenster ist faul – Bericht über Änderungen zum Lärmschutz in das steht gerade heute in der Zeitung, von einem Schullei- Berlin den Schwerpunkt Kinderlärm aufnehmen ter beschrieben –, Anruf beim Bezirk. Nach vierzehn Antrag der CDU Drs 16/2030 Tagen kommt jemand, schaut sich das an, drei Monate lang passiert nichts, dann ist wieder ein Fenster faul, es erfolgt wieder ein Anruf, erneut kommt jemand vom

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki c) Antrag Der zweite Antrag – Drucksache 16/2030 – soll dazu Kinderlärm ist Zukunftsmusik III – Hausmusik dienen, dass die Auswirkungen der Gesetzesänderung von Kindern fördern und nicht verbieten auch turnusmäßig in dem zu erstellenden Bericht über „Auswirkungen der Änderung zum Lärmschutz in Berlin“ Antrag der CDU Drs 16/2031 dargestellt werden. d) Antrag Außerdem möchten wir mit unserem dritten Antrag – Kinderlärm ist Zukunftsmusik IV– jedes Kind Drucksache 16/2031 – den Senat auffordern, die Voraus- soll ein Instrument erlernen dürfen setzungen für die musische Bildung von Kindern im fami- Antrag der CDU Drs 16/2032 liären und häuslichen Bereich zu gewährleisten und hier- für den entsprechenden Ausführungsrahmen zum Lärm- Das ist der Tagesordnungspunkt 7. – Für die gemeinsame schutzgesetz zu erarbeiten. Auch hier hoffen wir auf die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Redezeit von Unterstützung aller Fraktionen, damit der Senat zum bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt die antrag- Handeln ermuntert wird. stellende Fraktion der CDU. Das Wort hat Frau Abgeord- nete Demirbüken-Wegner. – Bitte! Neben diesen drei Anträgen zur Verbesserung der Kinder- rechte im Lebensalltag möchten wir mit unserem vierten Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Antrag – Drucksache 16/2032 – die Musikerziehung aller Kinder in den Vordergrund stellen. Wir möchten, dass Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und alle Kinder über das Spielen eines Instruments den Zu- Herren! Es besteht heute Einigkeit darüber, dass Kinder gang zur Musik erhalten. Wir alle wissen, dass Bewegung Platz zum Toben und die Gelegenheit zum Spielen brau- und gesunde Ernährung für Kinder wichtig sind. Wir alle chen. Kitas, Spielplätze und Sportplätze sind mindestens wollen, dass sich Kinder kreativ und gut erzogen entwi- ebenso nötig wie zusätzliche Krippenplätze und Ganz- ckeln. Und wir alle wissen auch, dass hierfür die Musik tagsschulen, gehören zu Wohngebieten und in den Sozial- eine Schlüsselrolle spielt. Musik hat keine unterschiedli- raum, damit der Kontrakt zur nachwachsenden Generati- chen Sprachen und keine Verständigungsprobleme. Musik on nicht völlig verloren geht. Wir sind kinderfreundlich, – vor allem Instrumentalmusik – wird gemeinschaftlich Berlin ist kinderfreundlich – alle Parteien haben sich erlernt und gespielt. Musik folgt festen Regeln und entwi- Kinderfreundlichkeit auf die Fahne geschrieben. ckelt dadurch ihre Harmonie. Was also könnte für unsere

Kinder besser sein, als ein Instrument zu erlernen und all Doch Lärm und Geräusche von spielenden Kindern wer- diese für die Erziehung und Entwicklung eines Kindes so den immer häufiger zum Streitfall. Dann wird auf der wichtigen Eigenschaften bei Spiel und Spaß zu erkennen? Grundlage des Bundesimmissionsschutzgesetzes über das

Kindeswohl entschieden, denn dort sind Lärm und Lärm- Deshalb möchten wir mit unserem Antrag erreichen, dass, belästigung definiert. Kinderlärm und inwieweit er zu- ähnlich wie in Nordrhein-Westfalen, auch in Berlin jedes mutbar ist, ist dort wiederum nicht geregelt. Während in Schulkind die Möglichkeit erhält, ein Instrument in der der Vergangenheit der gewöhnliche Kinderlärm auch Schule zu erlernen. Eine Kampagne für mehr musische vieler Kinder noch als eine generell sozial adäquate Le- Erziehung trägt mehr zum sozialgesellschaftlichen Ver- bensführung angesehen wurde und somit auch tagsüber ständnis von Regeln und harmonischem Zusammenleben hinzunehmen war, entscheiden Gerichte heute immer bei, als Kinderrechte als zahnlose Papiertiger in die Ver- häufiger gegen die Kinder. Natürlich sind Kinder laut, oft fassung zu schreiben oder Klagen von Nachbarn gegen nervig, manchmal schlecht erzogen, und man muss ihnen Kinderlärm grundsätzlich zu verbieten. Wir möchten als Nachbar keineswegs alles durchgehen lassen. Doch mehr Toleranz und mehr Verständnis für Kinder und für eine gesetzliche Klarstellung, dass Kinder sich wie Kinder unsere Kinder eine Erziehung, die gesellschaftliche Re- verhalten dürfen, fehlt in Berlin. Deshalb können Gerichte geln achtet. – Ich danke Ihnen! bei Klagen von Nachbarn keine juristische Abwägung gegenüber den eingeforderten Bürgerrechten durchführen. [Beifall bei der CDU] [Beifall bei der CDU] Da seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 sogenannter Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: sozialer Lärm Angelegenheit der Länder ist, können und Vielen Dank, Frau Abgeordnete Demirbüken-Wegner! – müssen sie Kinderlärm eigenständig vom Gewerbelärm Für die Fraktion der SPD hat jetzt der Herr Abgeordnete oder Verkehrslärm abgrenzen und so zu bestimmten Zei- Buchholz das Wort. – Bitte sehr! ten erlauben. Deshalb schlagen wir vor, das Berliner Lan- desimmissionsschutzgesetz in § 6 – unser Antrag Druck- sache 16/2029 – so zu ergänzen, dass Kinderlärm von Daniel Buchholz (SPD): Kindertageseinrichtungen und Schulen von Verboten Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen, meine ausgenommen wird. Dadurch wird ein Teil von Kinder- Herren! Frau Demirbüken-Wegner! Wir sind uns, was die schutz praktiziert und die freie Entfaltung der Kinder Zustandsbeschreibung angeht, was das Problem angeht, gewährleistet. dass offensichtlich die Gesellschaft heute, die Gesell- schaft in der Bundesrepublik Deutschland, mit Kin-

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Daniel Buchholz Kinderlärm viel schlechter umgehen kann – und das auch weise vorschreibt, wo eine Kita errichtet werden darf. bis zur Gerichtsverhandlung so entschieden wird –, dass Letztere sollten wir zusammen angehen. es ein Problem ist, das es anzugehen gilt, völlig einig. Ich [Felicitas Kubala (Grüne): Dann macht doch mal!] kann für die SPD, für die Koalitionsfraktionen – ich ver- mute, für alle Fraktionen hier im Parlament – sagen, Kin- – Wir sind bereits mit Bundestagsabgeordneten im Ge- derlärm ist Zukunftsmusik, wie Sie es sagen. Wir sagen: spräch, Frau Kollegin Kubala, was man daran ändern Kinderlärm – ja bitte, denn es ist die Zukunftsmusik für müsste. Es ist aber leider keine einfache Materie. Das unser Land. Wir sollten alles dafür tun, dass Menschen sieht man deutlich an dem CDU-Antrag. – Das, was Sie dazu animiert werden, Kinder zu bekommen, sie großzu- vorschlagen, ist leider nicht zielführend. Auch das, was ziehen. Wir sollten ihnen das nicht schwerer, sondern Sie selbst wollen, erreichen Sie mit den Anträgen nicht. einfacher machen. Dafür steht die SPD, ich glaube, auch Wir können uns gerne gemeinsam überlegen, wie man das die anderen Fraktionen hier im Haus. zukunfts- und gerichtsfest formulieren kann. Das geht nicht mit einem Federstrich und viel Prosa in der Begrün- [Beifall von Dr. Fritz Felgentreu – dung. Man muss hieb- und stichfeste Formulierungen für Michael Schäfer (Grüne): Ich kann gern eine Gesetze und Anträge finden. Man kann sich auch vom CD mit Kinderlärm brennen!] Senat zur Lärmbelastung berichten lassen. – Immerhin sieht ein Abgeordneter das auch so! Das freut mich! Ich glaube der Kollege Schäfer erzählt jetzt aus In Ihrem vierten Antrag haben Sie in der Überschrift persönlicher Betroffenheit, dass bei ihm zu Hause der formuliert, jedes Kind solle ein Instrument erlernen dür- Kinderlärm nicht so schön ist. Da haben Sie absolut recht, fen. Im Antragstext steht, jedes Kind solle ein Instrument das kann jeder nachempfinden, der das kennt, ob nun erhalten. Wie stellen Sie sich das konkret vor? Das, was persönlich oder über Freunde. Das ist aber die persönliche in NRW geschieht, ist gut und richtig, aber bedeutet das Betroffenheit. dann, dass jedes Schulkind eine Blockflöte oder eine große Trommel erhalten soll? Wie weit soll das durch Aber Sie sprechen einen wichtigen Punkt an. In dem entsprechende Bildungsangebote der Musikschulen oder Moment, wo nicht allen klar ist, was es heißt, dass es auch regulären Schulen unterstützt werden? Auch das muss in einem Wohngebiet möglich sein muss, einen Kinder- man beantworten, wenn man so etwas fordert. garten einzurichten, diesen zu betreiben und dass natür- lich zu bestimmten Zeiten dort auch Lärmimmissionen Wir haben in den letzten Jahren nicht nur sehr viel in die auftreten, gibt es Probleme. Das normalen Menschen klar frühkindliche Bildung und Erziehung gesteckt, sondern zu machen, fällt leider immer schwerer. Wir haben im auch in die musische und kulturelle Bildung. Dazu gab es Oktober 2008 seitens der SPD-Fraktion erstmals gefor- einen großen Antrag von Rot-Rot, in dem viele dieser dert, Kinderlärm zu privilegieren. Er kann und darf nicht Elemente enthalten sind. mit dem Lärm von Maschinen, Industrieanlagen oder gar Autobahnen gleichgesetzt werden. Kinderlärm ist defini- Inhaltlich bleibt von Ihren Anträgen leider nicht viel üb- tiv anders zu behandeln als andere Lärmquellen. Das rig. Wir werden das trotzdem nicht in Bausch und Bogen muss so sein. Anders kommen wir zu keiner vernünftigen ablehnen, sondern schauen, zu welchen vernünftigen Regelung für Berlin. Vorschlägen wir gemeinsam kommen. Wir wollen zeigen, dass Kinderlärm Zukunftsmusik ist. Kinderlärm – ja bitte! Wenn man sich aber alle vier Anträge anschaut, Frau Das wollen wir als Parlament beschließen. – Danke Demirbüken-Wegner und Herr Steuer – Sie haben die schön! Anträge unterschrieben –, dann sieht man, dass es einen [Beifall bei der SPD – Unterschied zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“ Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] gibt. Leider ist das hier sehr deutlich zu merken. Sie ha- ben mit allen Anliegen, die ihren Anträgen zugrunde liegen, recht, aber leider sind die Wege, die Sie beschrei- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: ten wollen, aus unserer Sicht schlecht bis gar nicht geeig- net, um das gewünschte Ziel zu erreichen. Man sieht das Vielen Dank, Herr Abgeordneter Buchholz! – Für die an den Antragsformulierungen: Sie haben sich in den Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Frau Abgeord- Begründungen viel Zeit und Raum genommen, sich für nete Kubala das Wort. – Bitte sehr! eine Bevorzugung von Kinderlärm auszusprechen, aber auf konkrete Gesetzesänderungen und deren Wirkung Felicitas Kubala (Grüne): sind Sie leider nicht eingegangen. Das ist schade. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn es [Sascha Steuer (CDU): Besser machen!] noch eines Beweises bedurft hätte, dass das Umwelt- – Herr Steuer! Wir haben ganz bewusst gesagt, dass wir schutzgesetz nicht geeignet ist, die Thematik Kinderlärm die Privilegierung von Kinderlärm von Juristen im Ein- zu bearbeiten, dann hätte uns die CDU diesen Beweis mit zelnen durchleuchten lassen müssen. Es gibt konkurrie- ihren Anträgen gebracht. rendes Bundes- und Landerecht, das Landesimmissions- [Beifall bei der SPD – schutzgesetz und die Baunutzungsordnung, die beispiels- Beifall von Dr. Gabriele Hiller (Linksfraktion)]

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Felicitas Kubala Ich kann nur die Worte von Herrn Buchholz wiederholen: plätze anzusehen. Das würde die Möglichkeiten, sie zu Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht. – Die An- nutzen, erweitern und wäre zum Wohl der Kinder. träge sind, so, wie sie hier vorgelegt wurden, handwerk- [Beifall bei den Grünen] lich schlecht und nicht problemrelevant. Das, was Sie hier fordern, ist rechtlich nicht umsetzbar. Eine weitere Möglichkeit, wo die Koalition handeln könn- te, bieten die Hausordnungen der Wohnungsbaugesell- Für Kitas und Spielplätze die Nacht- und Sonntagsruhe schaften, insbesondere der gemeinnützigen. Diese müssen abzuschaffen, macht keinen Sinn, Herr Steuer und Frau kinderfreundlicher werden. Demirbüken-Wegner. Aber genau das fordern Sie mit [Beifall von Stefan Ziller (Grüne)] Ihrem ersten Antrag. Die einmalige Berichtspflicht aus dem Jahr 2005 bezog sich auf die Einschränkung der Es muss klar und deutlich sein, dass der Kinderlärm auch Ruhezeiten. Mich wundert, dass Herr Goetze diesen An- im Haus gesellschaftlich akzeptiert wird. Das muss sich in trag nicht verhindert hat und Sie ihn hier einbringen konn- den Hausordnungen wiederfinden. ten. Der Antrag hat nichts mit dem Thema zu tun. Es ging darum, die Kinder nachts vor Gewerbelärm zu schützen, Lärmfragen sind auch immer Fragen gegenseitiger Rück- aber nicht, weil sie selbst Lärm machen, sondern um ihren sichtnahme und Toleranz. Wir können hierbei von der Nachtschlaf zu schützen. Stadt München lernen. Sie hat eine Toleranz- und Akzep- Die Gleichsetzung von Hausmusik mit Kinderlärm finde tanzkampagne für mehr Kinderlärm in der Bevölkerung ich abwegig. Erstens machen nicht nur Kinder Hausmu- durchgeführt. Daran kann sich Berlin ein Beispiel neh- sik, sondern auch Erwachsene. Zweitens ist das Erlernen men, denn in einem hat die CDU recht: Kinderlärm ist eines Instruments kein Kinderlärm, sondern ein kultur- Zukunftsmusik. und bildungspolitischer Auftrag. Das hat demnach hier [Beifall bei den Grünen] gar nichts zu suchen.

[Beifall bei den Grünen – Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Aber wir hätten es sehr begrüßt, wenn Sie von der Koali- Vielen Dank, Frau Abgeordnete Kubala! – Das Wort zu tion gefordert hätten, dass Projekt „Jedem Kind sein In- einer Kurzintervention hat jetzt die Abgeordnete Demir- strument“ endlich auf den Weg zu bringen und das vom büken-Wegner. Landesmusikrat initiierte Projekt für 48 Modelleinrich- tungen finanzierbar zu machen. Hier gibt es Handlungs- Emine Demirbüken-Wegner (CDU): bedarf, aber das, was Sie im Antrag fordern, geht an der Frau Kubala! Ich bedauere außerordentlich, dass heute Thematik vorbei. Ihre familienpolitische Sprecherin, Frau Jantzen, nicht da

ist. Ihren Eindruck, in ihrer Ruhe gestörte Erwachsene erwir- ken im Lauf der Zeit kinderfeindliche Gerichtsentschei- [Beifall von Oliver Scholz (CDU)] dungen, teile ich nicht. Wenn man sich die Gerichtsurteile Ich denke, sie hätte andere Töne gefunden, insbesondere ansieht, folgen die Gerichte zum Glück nicht dem Trend, wenn Sie sich als Fraktionskollegin einmal ihre Website solchen Erwachsenen recht zu geben, sondern sie folgen angesehen hätten. Darin steht unter November 2008: dem gesunden Menschenverstand und halten Kinderlärm, auch wenn er etwas lauter ist, für sozial adäquat. Das Wir werden daher eine Initiative zur Novellierung spiegelt sich zum Glück auch in den Gerichtsurteilen des Berliner Immissionsschutzgesetzes ergreifen. wider. Schauen Sie sich die lange Liste von Entscheidun- Es muss möglich sein, nicht nur Glockenläuten, gen zu Kinder-, Spielplatz- und Kitalärm an! Erntearbeiten und Glättebekämpfung gesetzlich zu privilegieren, sondern auch Kindergeschrei und Handlungsbedarf gibt es. Sie haben leider versäumt, die- Getöse. sen hier richtig zu definieren. Wir sehen, dass die rot-rote Es wäre schön, wenn Sie sich rückversicherten, bevor Sie Koalition nur wieder Ankündigungen macht. Herr Buch- als Expertin zu diesem Thema sprechen. Sie wissen gar holz! Ändern Sie die Baunutzungsverordnung! Setzen Sie nicht, was Kinderlärm, Musik und Zukunft bedeuten. sich auf Bundesebene dafür ein, dass die Baunutzungs- verordnung so geändert wird, dass der Gewerbelärm nicht [Beifall bei der CDU] mit Kinderlärm gleichgesetzt wird! Dazu reicht es nicht, immer nur zu reden. Man muss sich dafür auf Bundesebe- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: ne einsetzen. Vielen Dank, Frau Abgeordnete! – Frau Kubala möchte [Beifall bei den Grünen] antworten. – Bitte! Eine weitere Möglichkeit in Berlin – es gibt auch hier Handlungsmöglichkeiten – ist zum Beispiel, Bolzplätze Felicitas Kubala (Grüne): und Skateranlagen nicht nach der Sportanlagenlärm- schutzverordnung zu beurteilen, sondern sie wie Spiel- Frau Demirbüken-Wegner! Ich möchte jetzt nicht mit Ihnen diskutieren, wer besser geeignet ist, Kinderlärm zu

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Felicitas Kubala ertragen, oder wer darüber am besten sprechen kann. Ich aus demographischen Gründen an vielen anderen Stellen möchte gar nicht anführen, dass ich als dreifache Oma dafür einsetzen, dass wieder mehr Kinder geboren wer- auch immer wieder mit Kinderlärm konfrontiert bin und den, ist es grotesk, wenn Geräusche, die Kinder nun ein- die Grenzen der Erträglichkeit durchaus kenne. mal zuweilen machen, zum Gegenstand gerichtlicher [Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Auseinandersetzungen werden. Ich denke dabei z. B. an Das steht auf Ihrer Website!] Kinderlachen, an Hausmusik, aber auch an Begeiste- rungsausbrüche bei einem Tor auf einem Bolzplatz. Eine persönliche Betroffenheit ist das Eine, was uns hier- bei zum politischen Handeln auffordert, aber das andere Es wurde schon gesagt, dass sich die Gerichte in den sollte der klare Blick auf das sein, was möglich ist und letzten Jahren leider des Öfteren mit Klagen wegen Kin- was wir an Gesetzesanträgen einbringen. Sie können derlärm auseinandersetzen mussten. Dabei geht es nicht sicher sein, dass meine Positionierung in enger Absprache nur um das jüngste Beispiel, ich kenne auch viele Fälle, mit Elfi Jantzen, unserer familienpolitischen Sprecherin, wo sogar über die Gerichte die Rechte der Kinder gestärkt erfolgt ist. wurden. Das ist gut so, aber ob die Probleme vor Ort in [Gregor Hoffmann (CDU): Umso peinlicher!] jedem Fall wirklich gelöst wurden, weiß ich nicht. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass das Problem Kinder- Ich kritisiere an Ihren Anträgen – das habe ich auch schon lärm juristisch nicht geklärt werden kann, denn es geht im Vorfeld kritisiert, als Sie die Anträge an uns mit der dabei um die Einstellung der Gesellschaft und die Einstel- Bitte herangebracht haben, sie gemeinsam einzubringen –, lung jedes Einzelnen zum Kind, zum Nachbarn, zum [Ah! von der SPD – Mitmenschen und letztlich zu sich selbst. Da können Zuruf von Emine Demirbüken-Wegner (CDU)] Gerichte allenfalls den pädagogischen Zeigefinger in Richtung des Klägers und des Beklagten heben, aber wir dass sie rechtlich nicht sauber gemacht sind und dass Sie sehen, dass es auch anders ausgehen kann. hier das Landes-Immissionsschutzgesetz heranführen. [Beifall bei den Grünen und der SPD – Positiv möchte ich daran erinnern, dass auch das Ober- Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] verwaltungsgericht Münster feststellte, das Spielen sei ein elementares Bedürfnis des Kindes. Das muss man immer Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Umwelt- wieder betonen. Die dabei entstehenden Geräusche sind schutzgesetz – und das habe ich noch einmal klar definiert grundsätzlich allen Menschen zumutbar. Wer Kinderlärm – nicht geeignet ist, diese Thematik zu bearbeiten, oder es als lästig empfindet, hat selbst eine falsche Einstellung zu ist nur sehr begrenzt dafür geeignet. Ich habe Ihnen ver- Kindern. So heißt es auch wörtlich in dem Urteil. Das schiedene Möglichkeiten aufgeführt, wo Handlungsbedarf Landgericht München urteilte, dass Kinder grundsätzlich und Handlungsmöglichkeiten bestehen: bei der Baunut- in Hof und Garten spielen können, doch während der zungsverordnung. – Ich habe Ihnen klar aufgeführt, dass Ruhezeiten sollten sie von den Eltern angehalten werden, es Handlungsmöglichkeiten gibt – bei Bolzplätzen und nicht oder leise zu sprechen. Das ist selbstverständlich Skateranlagen, bei Akzeptanz- und Informationskampag- auch schon schwierig. Ein Spielverbot auszusprechen – so nen, bei der Hausordnung von Wohnungsbaugesellschaf- das Urteil – sei jedoch nicht rechtens. ten usw. –, um sich diesem Problem zu nähern. Wir haben alle das Anliegen, dieses Thema adäquat zu behandeln, Das ist es, worauf ich noch einmal verweisen möchte: Wir aber bitte verschonen Sie uns mit Ihren Schnellschüssen, müssen darauf hinwirken, dass die Erwachsenenwelt das denn die dienen wahrlich nicht der Problemlösung! Recht des Kindes respektiert, sich altersgerecht zu verhal- [Beifall bei den Grünen, der SPD und ten, und dass Kinder und Jugendliche trotzdem angehalten der Linksfraktion – werden, die Rechte anderer zu berücksichtigen, soweit sie Emine Demirbüken-Wegner (CDU): Ich habe altersgemäß dazu in der Lage sind. Es geht um Respekt, Ihnen nur Ihre eigene Website vorgelesen!] Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme auf beiden Seiten.

Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Meine Damen und Herren von der CDU! Ich weiß auch Das Wort hat nun Frau Dr. Barth. – Bitte sehr! nicht genau, ob Ihre vorliegenden Anträge geeignet sind, eine kinder- und jugendfreundliche Einstellung in der Stadt auch in Bezug auf den Geräuschpegel von Kindern Dr. Margrit Barth (Linksfraktion): und Jugendlichen herbeizuführen und Respekt und gegen- Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir sind uns seitige Rücksichtnahme zu befördern. Da teile ich eher wohl alle darüber einig, dass Kinderlärm zuweilen ziem- die Meinung aller derer, die sagen, dass die allgemeine lich nervig sein kann. Das gebe ich zu. Gesetzeslage eindeutig und ausreichend sei. Trotzdem bin ich auch auf Frau Senatorin Lompschers Seite, wenn sie [Beifall von Stefan Liebich (Linksfraktion) – Gesetzesänderungen nicht kategorisch ausschließt und Buh! von der CDU] prüft, inwieweit die derzeitig geltenden rechtlichen Rege- Doch Kinderlärm gehört zu unserem Leben. Das möchte lungen den besonderen Interessen von Kindern und Ju- ich auch deutlich sagen. Wenn man bedenkt, dass wir uns

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Dr. Margrit Barth Jugendlichen gerecht werden. Wir werden uns daher im Spielende Kinder können auch Immissionsricht- Ausschuss ernsthaft damit auseinandersetzen. werte der gesetzlichen Regelung zum Teil erheb- lich überschreiten. Meine Damen und Herren von der CDU! Ich möchte nur Ebenso wird das allgemeine Toleranzgebot genannt. Ge- noch ein Wort zu Ihrem Antrag IV sagen: Ich finde es richte beziehen sich auch auf das Interesse der Allge- etwas deplaziert, diesen Antrag – „Jedes Kind soll ein meinheit an einer kinderfreundlichen Umwelt. Ebenso Instrument erlernen dürfen“ – im Kontext von Kinderlärm wird formuliert, dass Lärm als Begleiterscheinung kindli- unterzubringen. Nichtsdestotrotz unterschreibe ich die chen Freizeitverhaltens auch den Bewohnern eines reinen Überschrift des Antrags sofort, doch mit dem Inhalt des Wohngebiets in höherem Maße zugemutet werden kann. Antrags habe ich meine Probleme. Aber, wie gesagt, wir Bis auf vereinzelte Ausnahmen – und diese Ausnahmen werden uns mit Fachausschuss dazu verständigen. – Dan- werden besonders hervorgehoben – urteilen die Gerichte ke schön! zugunsten der Kinder. Über einige Punkte – die Kollegin [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Kubala hat sie schon angesprochen – wie beispielsweise über die Bolzplätze, die in dieser Stadt teilweise schließen mussten, müssen wir noch einmal reden. Aber grundsätz- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: lich brauchen wir keine gesetzliche Aufnahme von Kin- Das Wort hat nun Herr Dragowski, unser Geburtstags- derlärm und keine gesetzliche Privilegierung von Kinder- kind. – Bitte sehr! lärm. [Beifall bei der FDP] Mirco Dragowski (FDP): Nehmen wir einmal an, Ihr Antragsziel – die absolute Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Sehr geehrte Damen Privilegierung von Kinderlärm – würde Wirklichkeit! Das und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dem An- hätte die Bedeutung, dass sogenannter Kinderlärm immer trag: „Jedes Kind soll ein Instrument erlernen dürfen“ den Vorrang vor anderen Interessen hätte. Das Gebot der können wir uneingeschränkt zustimmen. Als Liberale Rücksichtnahme würde ausgehebelt. Wir fragen uns: Wer setzen wir uns seit Langem dafür ein, dass Kinder in den schützt dann alte Menschen? Wer schützt kranke Men- Genuss einer musischen und kulturellen Bildung kom- schen und Kleinkinder, die auch alle ein berechtigtes men. Gerade uns ist es wichtig, dass diese Möglichkeit Ruhebedürfnis haben. Folgte man Ihrem Antragsziel, jedem Kind in Berlin offen steht. Wir werden selbstver- Lärm zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen zu ständlich dann auch bei der Frage der Finanzierbarkeit gestatten, dann eskalierten die gesellschaftlichen Konflik- mitwirken, denn das ist ein wichtiger Punkt, über den te erst richtig. Und das wollen wir Liberale nicht. gesprochen werden muss. [Beifall bei der FDP]

Bei den weiteren Anträgen unter der Überschrift „Kinder- Einer der Anlässe zur Diskussion um Kinderlärm war der lärm“ können wir aber nicht mitgehen. Sie möchten den Streit um die Kita „Milchzahn“ in Friedenau. Das Bei- Kinderlärm gesetzlich verankern und in Form einer Ge- spiel wird immer für die sogenannte Kinderlärmdiskussi- setzesänderung eine rechtliche Lösung von Konflikten on herangezogen. Nur wird häufig verkannt: Es ging hier suchen, aber das kann nicht funktionieren, wie bereits – zumindest vordergründig – rechtlich nicht um Kinder- mehrfach betont wurde. Sie wollen den Kinderlärm als lärm, sondern um eine Fehlnutzung. Eine Ladenwohnung „störende Geräusche“ in das Gesetz aufnehmen – also wurde als Kinderladen genutzt und unterfiel somit der eher etwas Schlechtes – und dann wieder diese störenden gewerblichen Nutzung. Das zeigt letztlich – was die Kol- Geräusche teilweise privilegieren – nachts und an Sonn- legen auch schon angesprochen haben –: Die geeignete und Feiertagen. Ziel des Immissionsschutzgesetzes ist es Lösung ist die gesellschaftliche Lösung von Konflikten eigentlich, Menschen gegen schädliche Umwelteinflüsse bei sogenanntem Kinderlärm. Da müssen wir das Rad wie Lärm zu schützen. Würde man jetzt Kinderlärm in nicht neu erfinden. Es gibt Stellen in Berlin wie den Ber- diesen Kontext aufnehmen, würde man Kinderlärm zu liner Mieterverein, die eine Mediation anbieten und bei einem schädlichen Umwelteinfluss machen und ihn dann Konflikten schlichten. Es gibt aber auch – die Kollegin wiederum privilegieren. Kubala verwies auch schon auf die Stadt München – Projekte in München. Dort wurde bei der Kinderbeauf- Wir werden Ihnen jetzt noch einmal darstellen, warum tragten eine Ombudsstelle eingerichtet, die Eltern berät eine solche Regelung nicht notwendig ist. In der Realität und im Zweifel – wenn Konflikte nicht lösbar sind – – das wurde schon mehrfach angesprochen – wird soge- einschreitet und hilft. Des Weiteren gibt es eine Post- nannter Kinderlärm durch die Rechtsprechung privile- wurfsendung, mit der der Münchner Oberbürgermeister giert. Einige Formulierungen aus Urteilen – ich zitiere –: Ude für mehr Kinderfreundlichkeit in der Stadt wirbt. Man kann sie ausdrucken und an alle Nachbarn verteilen. Dem Spielbedürfnis der Kinder wird regelmäßig Daran kann unser Senat sich ein Beispiel nehmen und der Vorrang vor dem Ruhebedürfnis der Erwach- ebenfalls mit einer entsprechenden Postwurfsendung ein senen eingeräumt. Werben in unserer Stadt beginnen. Anderes Zitat:

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Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Kriminalitätsbekämpfung den Hintergrund der Betroffe- Herr Abgeordneter Dragowski! Ihre Redezeit ist bereits nen erfassen“. Ich gehe davon aus, dass wir uns mit der beendet! Integrationsthematik gemeinsam inhaltlich befassen und auch weit reichende Schritte gehen wollen. Diese beiden Anträge sind deshalb sehr wichtig für uns. Mirco Dragowski (FDP): Frau Präsidentin! Ich komme zu meinem letzten Satz. – „Praktische Integration“ ist ein Antrag, den ich einge- Wir Liberale fordern des weiteren: Nutzen wir die jetzi- bracht habe insbesondere aufgrund zweier Erfahrungen, gen Ressourcen für Spiel- und Freizeitflächen besser aus! die ich Ihnen kurz mitteilen möchte. Einmal habe ich in Öffnen Sie Schulhöfe und Sportplätze auch außerhalb der einem Gespräch mit einer Frauengruppe, die einen Integ- Schulzeit und in den Ferien! Dann haben Kinder noch rationskurs besucht hat, mitgenommen, dass sehr viele der weitere geeignete Spiel- und Freizeitflächen. – Vielen Frauen häufig nicht die Gelegenheit haben, das in der Dank! Theorie sehr schwer erlernte Deutsch in die Praxis umzu- setzen. Sie haben oft nicht die Gelegenheit, mit anderen in [Beifall bei der FDP] Kontakt zu kommen und das Theoretische in der Praxis so zu festigen, dass es ihnen im Alltag richtig weiterhilft. Nur beim Bäcker ein Brot zu bestellen, reicht nicht. Des- Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: halb halte ich es für sehr wichtig, dass die Menschen, die Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dragowski! – Weitere neu in unser Land kommen, aber auch die Menschen, die Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Anträge Drucksa- schon in diesem Lande leben, die Gelegenheit bekommen, che 16/2029, Drucksache 16/2030 und Drucksa- in dieses System hineingeführt zu werden, Begegnungs- che 16/2031 sollen zur Beratung federführend an den möglichkeiten zu haben und Kontakte zu knüpfen. Auch Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und Verbraucher- das ist in der Integrationsdebatte ein sehr wesentlicher schutz und mitberatend an den Ausschuss für Bildung, Teil. Jugend und Familie überwiesen werden, der Antrag [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Drucksache 16/2032 allein an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie. – Zu diesen Überweisungen höre ich Es ist sehr spannend, wie wir dieses Projekt „Praktische keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. Integration“ in Berlin umsetzen wollen. Wir haben be- wusst in den Antrag geschrieben, dass wir zunächst ein- Ich rufe auf mal in einem Modellprojekt Erfahrung sammeln möchten. Ich würde es sehr begrüßen, wenn wir sehr positive Erfah- lfd. Nr. 4 b: rung damit sammelten und in der nächsten Zukunft den a) Antrag Integrationskursen eine Verpflichtung beifügen könnten, sodass die Menschen zu dem theoretisch Gelernten auch Praktische Integration zeitnah ein Praktikum im Umfeld machen können. Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2043 b) Antrag Die andere Erfahrung, die ich gemacht habe: In einem Integrationsprogramm wurde ein Konzept eingereicht, das Verknüpfung der Maßnahmen der ich auch sehr spannend fand. Und zwar wurden Men- Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung schen, insbesondere Migranten, Rundgänge angeboten, für Migrantinnen und Migranten verbessern bei denen sie ihren Stadtteil kennenlernen konnten. Es Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2044 waren häufig Menschen, die schon sehr lange in diesem Stadtteil wohnten, aber nicht wussten, was sich drei Stra- Das ist die gemeinsame Priorität der Fraktion Die Linke ßen weiter befand. Dieses Projekt hat einen Integrations- und der Fraktion der SPD unter der lfd. Nr. 34. preis bekommen. Nachdem wir 40, fast 50 Jahre Integra- tionspolitik oder Zuwanderung in diesem Land haben, Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- halte ich es spätestens jetzt für sehr wichtig, dass wir auch zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt solche Rundgänge anbieten. Momentan sollen sie noch die Fraktion der SPD. Frau Radziwill hat das Wort. – auf freiwilliger Basis durchgeführt werden, es wäre sinn- Bitte sehr! voll, sie in der Zukunft fortzuschreiben. Es ist Teil der Willkommenskultur! Ülker Radziwill (SPD): [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Meine Damen und Her- Ein Punkt in dieser ganzen Integrationsdebatte ist mir ren! Ich freue mich, dass wir das Thema Integration heute ganz wichtig, darauf gehe ich jetzt, zum Schluss meiner als Priorität besprechen können. Die Schlüssel zu guter Rede, noch ein. Häufig schwingt bei Integrationspolitik und gelungener Integration sind – wie wir alle wissen – im Raum: Migrant gleich Problem. – Migranten sind Sprachkenntnisse und Arbeitsmarktchancen und nicht – keine Probleme. Menschen können kein Problem in die- worüber so häufig debattiert wird – Integrationspolitik sem Land sein, sie dürfen es auch nicht. Migranten haben über Themenfelder wie „Schulschwänzen konsequent Probleme. Viele von ihnen – nicht alle – schaffen die ahnden“, „Repressionen bei den Eltern“ oder „In der Integration in diesem Land aus eigener Kraft, aber wir

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Ülker Radziwill müssen trotzdem verlässliche Rahmenbedingungen für sie – Anreize für Ehrenamt und bürgerschaftliches anbieten. Und zu diesen verlässlichen Rahmenbedingun- Engagement schaffen und gleichzeitig die gen gehört auch, dass sie mit ihrem Spracherwerb die Grundlage für berufliche Orientierung legen. Voraussetzungen dafür erlangen können, auf dem Ar- – Die soziale Infrastruktur im sozialen Umfeld beitsmarkt vorwärts zu kommen. und Stadtteil kennenzulernen, um bei Bedarf

diese selbstständig nutzen zu können. Weil wir in einem politischen Rahmen auch solche Debat- ten führen sollten, mache ich Sie auf Folgendes aufmerk- Liebe Frau Radziwill! Das sind Selbstverständlichkeiten. sam: Ich möchte, dass wir von Begriffen wie „Problem- Die muss man nicht in einem Antrag aufführen. Man kiezen“, „Problemgruppen“ oder „Problemmenschen“ muss sie einfach nur endlich machen. Wer hindert Sie wegkommen und hinkommen zu „Kiezen mit hohem daran, das in dieser Stadt durchzuführen? Bedarf“ und „Kiezen, die Hilfe brauchen“. [Beifall bei der CDU – [Zuruf von Gregor Hoffmann (CDU)] Uwe Doering (Linksfraktion): Aber Anträge darf man doch noch stellen, oder?] Darum müssen wir uns gemeinsam bemühen. – Ich freue mich, wenn wir die eingebrachten Anträge im Ausschuss Im Integrationsprogramm I und II und mit Ihren unzähli- konstruktiv debattieren und entsprechend in Berlin umset- gen Aktionsprogrammen haben Sie, meine Damen und zen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Herren, schon bessere Integrationsansätze geliefert. Sie sind zum großen Teil leider aber nicht umgesetzt worden, [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] und die Erfolge blieben aus. – Liebe Frau Senatorin! Das ist eigentlich Ihre persönliche Tragödie. Vizepräsidentin Karin Seidel-Kalmutzki: Peinlich ist nur, dass gerade in dieser Woche der Hilferuf der Schulleiter aus dem Bezirk Mitte bekannt geworden Vielen Dank, Frau Abgeordnete Radziwill! – Für die ist, knapp drei Jahre nach dem Verzweiflungsruf des CDU-Fraktion hat jetzt der Abgeordnete Wansner das Schulleiters der Rütli-Schule in Neukölln. Dazwischen Wort. – Bitte sehr! lagen noch Hilferufe von Kreuzberger Schulleitern. Das bedeutet, dass Sie nach dem Hilferuf der Rütli-Schule Kurt Wansner (CDU): nichts, aber auch gar nichts an den Schulen verändert haben, insbesondere nicht an den Schulen mit einem sehr Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! hohen Anteil von Schülern mit Migrationshintergrund. Integration ist zurzeit in Deutschland in aller Munde. Als Hier hätten Sie meiner Meinung nach – das haben wir Thema ist es in den letzten Jahren endlich vom Rand in Ihnen auch oft in den Ausschüssen vorgeworfen – han- die Mitte der Politik gewandert, von einem Thema für deln müssen. Hier haben Sie wiederum mindestens drei Wohlfahrtsverbände wurde es zu einer harten Standort- Jahre durch Untätigkeit geglänzt. frage. Integration ist mittlerweile Chefsache, jedenfalls in fast allen Bundesländern in Deutschland, aber insbeson- Wenn Integration in dieser Stadt eine Chance haben soll, dere bei der derzeitigen Bundesregierung. Auf dem Integ- dann nur mit vernünftiger Schulausbildung, damit die rationsgipfel der Bundesregierung zeigen Politik, Wirt- Jugendlichen die Möglichkeit haben, nach ihrer Schulzeit schaft und Zivilgesellschaft zwischenzeitlich, dass sie die einen Arbeitsplatz bzw. eine Ausbildung zu bekommen. – Bedeutung des Themas für die Zukunftsfähigkeit unseres Frau Radziwill! Ihnen sind doch die Statistiken bekannt, Landes begriffen haben und aktiv geworden sind. Es ist mit welchen Arbeitslosenzahlen wir gerade bei den Men- eigentlich nicht mehr an der Zeit, auf die Notwendigkeit schen mit Migrationshintergrund zu kämpfen haben. Ich von Aktivitäten und Verpflichtungen zur Integration auf- bin entsetzt, wie Sie solche Anträge hier bringen können. merksam zu machen. Wir sind deshalb dankbar, dass die Integrationsbeauftrag- Aber in Berlin ist alles ganz anders. Chefsache war Integ- te der Bundesregierung, die Staatsministerin Böhmer, die rationsarbeit in dieser Stadt noch nie, und für den Regie- Lehrer aus dem Bezirk Mitte ins Kanzleramt eingeladen renden Bürgermeister scheint es dieses Thema überhaupt hat. Vielleicht hat sie die Möglichkeit, das Nichtstun nicht zu geben. Heute bekommen wir von den Regie- dieses Senats zu beenden. rungsparteien SPD und Linke zwei Anträge vorgelegt mit der Überschrift: „Praktische Integration“ bzw. „Verknüp- [Beifall bei der CDU – fung der Maßnahmen der Sprachförderung und berufli- Ha, ha! von Lars Oberg (SPD)] chen Qualifizierung für Migrantinnen und Migranten Der Aussage von Frau Böhmer: „Bildung ist der Schlüs- verbessern“. Unter dem Antrag „Praktische Integration“ sel für Integration.“ – ist nichts hinzuzufügen. Ich werde lesen wir: es unserer Integrationssenatorin und unserem Schulsena- – Sprachgelegenheiten schaffen, um die theore- tor noch einmal schriftlich geben, damit sie es nicht wie- tischen Deutschkenntnisse schneller festigen der vergessen. zu können. [Beifall bei der CDU – – Begegnungsmöglichkeiten ermöglichen und Zuruf von Senator Dr. Jürgen Zöllner] fördern.

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Kurt Wansner – Man sollte die Möglichkeit ergreifen, sich beraten zu Deshalb ist das Integrationskonzept II ein Programm und lassen. Aber ich bin mir bei Ihnen nicht so sicher, ob das Arbeitspapier der Landesregierung, das ganz wesentlich überhaupt noch Zweck hat. – Möglicherweise sollten die Projekte und Angebote formuliert, die die soziale und integrationspolitischen Sprecher in diesem Hause einmal demokratische Teilhabe von Migrantinnen und Migranten einen Hilferuf an Frau Böhmer senden, dass die gesamte fördern sollen. Im Vergleich zum ersten ist das zweite Integrationsarbeit in dieser Stadt – Integrationskonzept um ein Vielfaches konkreter und um einiges ambitionierter geworden. Weil wir es beständig Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: fortentwickeln und erkannte Defizite bearbeiten wollen, legen wir Ihnen heute zwei Anträge zu wichtigen Teilas- Herr Kollege! Kommen Sie bitte zum Schluss! pekten gelingender Integration in Berlin vor – ganz be- stimmt nicht mit dem Anspruch, alle Integrationsproble- Kurt Wansner (CDU): me in dieser Stadt mit diesen zwei kleinen, aber wichtigen Anträgen zu lösen. Es gibt sicher schönere Sprachen als – nachweislich nicht vorankommt. Ich glaube, hier sollten die deutsche, aber ein wesentlicher Schlüssel zur gelin- wir die Hilfe der Bundesregierung in Anspruch nehmen. genden Integration in Deutschland ist die ausreichende [Beifall bei der CDU – Beherrschung derselben. Ein ebenso wichtiger Schlüssel Stefan Liebich (Linksfraktion): Sie müssen nicht ist die Integration durch Arbeit und Ausbildung. Hilferufe senden, sondern bessere Wahlergebnisse haben!] Weil Herr Wansner nur die Hälfte des Antrags zitiert hat, muss ich jetzt im Einzelnen auch noch auf die Inhalte dieser Anträge eingehen. Um die Arbeitsmarktchancen Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: von Migrantinnen und Migranten zu erhöhen, ist eine stärkere Verknüpfung von Sprachförderung und der be- Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der schäftigungspolitischen Maßnahmen erforderlich. Das ist Kollege Wolf! übrigens auch das Ergebnis einer Studie im Auftrag des

Bundesministeriums für Arbeit, des IAB-Forschungsbe- Udo Wolf (Linksfraktion): richts. Den sollten Sie vielleicht auch einmal lesen, dann Danke, Herr Präsident! – Meine sehr verehrten Damen werden Sie feststellen, dass zwischen den Integrations- und Herren! Herr Wansner! Wenn Sie sich ein bisschen kursen des BAMF und der konkreten Eingliederung in mehr mit dem Thema befassen würden, anstatt einfach den Arbeitsmarkt einiges im Argen liegt. Da brauchen wir immer sozusagen Ihren Dancemix der letzten Jahre zu dringend Nachbesserung und Verbesserung. Deshalb wiederholen, dann würden Sie feststellen, dass mittlerwei- fordern wir den Senat auf, hier seiner koordinierenden le die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung von Funktion nachzukommen und zu einer besseren Verzah- den Integrationskonzepten I und II Berlins abschreibt, und nung zu kommen. Der Antrag 16/2044 der Koalitionsfrak- zwar die Vorlagen für den Integrationsgipfel der Bundes- tionen dient dazu, den Senat bei seinen notwendigen Ver- kanzlerin. handlungen zu unterstützen.

[Beifall bei der Linksfraktion] Im Antrag 16/2043, den Sie unvollständig zitiert haben, In der Tat, Herr Wansner: Mit den Integrationskonzepten Herr Wansner, wünschen wir uns vom Senat, mit dem I und II haben die rot-rote Koalition und der Berliner BAMF, den Volkshochschulen, der Liga der Wohlfahrts- Senat nicht nur den Paradigmenwechsel in der Integrati- verbände, den Migrantenorganisationen und ggf. auch onspolitik Berlins vollzogen, sondern wir haben uns auch anderen Gruppierungen und Organisationen zu prüfen, in aufgemacht, die angehäuften Probleme von 40 Jahren welcher Form auf freiwilliger Basis zeitlich begrenzte Ignoranz und Borniertheit in diesem Themenfeld beharr- Praktika im Rahmen der Integrationskurse für Neuzuwan- lich anzugehen und zu bearbeiten. Die Geschichte dieser derer und sogenannte „Bestandsausländer“ angeboten gefährlichen Borniertheit und der vertanen Chancen einer werden können. Das ist eine sinnvolle Innovation. Das Politik, die die Einwanderungsrealität Berlins zu leugnen gibt es nämlich bisher noch nicht, und das kann man auch versuchte, liebe Kollegen von der CDU, können Sie jetzt nicht einfach dekretieren, denn wie Sie vielleicht wissen, in diesem kleinen Büchlein von Sanem Kleff und Eber- muss man dann auch Träger gewinnen, die diese Praktika hard Seidel: „Stadt der Vielfalt – das Entstehen des neuen anbieten. Wir wollen dem Senat die Anregung geben, auf Berlin durch Migration“ nachlesen. Da können Sie lernen, diesem Feld noch einmal tätig zu werden. Ich gehe davon woher die Probleme kommen. Es lohnt sich zu wissen, aus, dass der Senat dies tun wird. woher die Probleme kommen und wer sie verschuldet hat, damit man auch weiß, wie man sie lösen kann. Sie können Dann kommt im Übrigen all das, was Sie zitiert haben. In dann lesen, dass die Integrationsprobleme in den seltens- der Tat ist es sinnvoll, theoretisch erworbene Kenntnisse ten Fällen von den Menschen mit Migrationshintergrund in der Praxis zu überprüfen. Das ist eine sehr vernünftige selbst verschuldet wurden, sondern wesentlich von der Vorbereitung auf weitere Beschäftigungsfelder für die verfehlten Politik der letzten 40 Jahre. Betroffenen. Da wir diese Anträge in dieser Form sinnvoll finden, haben wir uns entschlossen, sie zu stellen. Wir gehen davon aus, dass es im Ausschuss eine größere

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Udo W olf Udo Wolf Mehrheit geben wird, auch wenn die CDU-Fraktion nur fen. Ziel der Integrationskurse und der Begleitmaßnah- das gern hören möchte, was Frau Böhmer erzählt. – Dan- men muss es sein, auch berufliche Perspektiven zu eröff- ke für Ihre Aufmerksamkeit! nen. [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] Eine andere Frage ist, wie viele Migranten tatsächlich an einem Praktikum teilnehmen könnten. Nicht wenige müs- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: sen neben den Kursen ihren Lebensunterhalt bestreiten. Sie haben bereits jetzt Schwierigkeiten, die Pflichtstunden Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat zu erfüllen. Diesen Leuten fehlt keine Arbeitspraxis, son- die Kollegin Öney. dern einfach nur die Zeit. Wichtig wäre daher ein zeitlich flexibles Kursangebot. Was wir brauchen, sind Abendkur- Bilkay Öney (Grüne): se und bessere Möglichkeiten der Kinderbetreuung. Auch das ist seit Langem bekannt; auch diese Missstände muss Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Wans- Berlin angehen. Ein gutgemeinter Prüfauftrag wird dazu ner! Die Stunde Null der Integrationspolitik begann im kaum ausreichen. Jahr 2005, als unter Rot-Grün verpflichtende Integrati- onskurse eingeführt wurden. Warum diese Kurse so wich- [Beifall bei den Grünen] tig sind, muss ich Ihnen nicht sagen. Dass diese Kurse In Ihrem zweiten Antrag fordern Sie eine Verknüpfung nicht ganz optimal laufen, habe ich bereits gesagt. Ich von Sprachfördermaßnahmen und beruflichen Qualifizie- erinnere an meine Kleine Anfrage vom März 2007. Da- rungsmaßnahmen. Da kann ich nur Ja sagen. Es kann mals redete der Senat sich heraus und sagte, dass die doch nicht sein, dass die Leute an einem Integrationskurs Zuständigkeit dafür nicht beim Senat, sondern beim Bun- teilnehmen, um anschließend ihrem Schicksal überlassen desamt für Migration und Flüchtlinge liege. Das stimmt zu werden! Integrationsmaßnahmen müssen daher mit zwar. Aber warum soll sich Berlin nicht einmischen, beruflichen Maßnahmen verzahnt werden. Das ist richtig wenn es Fehler beim Bund entdeckt? – Die Einstellung, und wird auch nicht dadurch falsch, dass Rot-Rot das nun was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß, oder was nicht auch fordert. Wir werden das auf jeden Fall unterstützen. meine Aufgabe ist, geht mich nichts an, darf nicht das Wie das praktisch aussehen soll, darüber wird im Aus- Motto der Berliner Integrationspolitik sein. Dafür ist das schuss noch zu reden sein. Sie sehen: Wenn sich Rot-Rot Thema für unsere Stadt einfach zu wichtig. integrationspolitisch endlich bewegt, findet das unsere [Beifall bei den Grünen] Zustimmung, und wir könnten längst weiter sein, wenn die Regierungsfraktionen unsere Anträge nicht grundsätz- Darum hat unsere Fraktion bereits 2006 das Konzept lich ablehnten. „Integration konkret“ vorgelegt. Wenn Sie nun endlich bereit sind, den Schwachstellen der Integrationskurse [Beifall bei den Grünen] nachzugehen, ist das ein überfälliger Schritt. Er ist ver- Lassen Sie uns im neuen Jahr konstruktiv zusammenar- gleichsweise klein, aber er geht in die richtige Richtung. beiten, damit die Integrationspolitik in dieser Stadt voran- kommt! – Ich danke Ihnen! Wir haben Ihre Anträge wohlwollend geprüft und Fol- gendes festgestellt: Beim ersten Antrag zur praktischen [Beifall bei den Grünen] Integration handelt es sich um einen Prüfauftrag. Sie wollen prüfen lassen, ob man im Rahmen der Integrati- onskurse freiwillige Praktika anbieten kann. Prüfen kann Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: man natürlich immer. Insofern ist der Antrag völlig un- Vielen Dank, Frau Öney! – Das Wort für die FDP- spektakulär. Das Kernproblem der Integrationskurse ist Fraktion hat der Kollege Lehmann. ein anderes. Die Evaluation hat gezeigt: Die Kurse sind unterfinanziert, und ihre Qualität ist unzureichend. Die Rainer-Michael Lehmann (FDP): Folge? – Bundesweit erreichen nur 46 Prozent der Kurs- teilnehmer das vorgesehene Sprachniveau B 1. Und wenn Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Inzwischen über die Hälfte der Teilnehmer das Sprachniveau nicht ist allen Akteuren hinlänglich bekannt, dass wir in der erreicht, muss man sich schon fragen, ob ein freiwilliges Integrationspolitik einen beträchtlichen Nachholbedarf Praktikum die Probleme löst. haben und unsere Anstrengungen erheblich intensivieren müssen. Auf jeden Fall darf das Praktikum nicht auf Kosten des knapp bemessenen Deutschunterrichts gehen. Realisti- Wer auf Dauer hier leben möchte, muss die deutsche scher erscheint daher ein Praktikumsangebot im An- Sprache beherrschen und den hier geltenden Wertekanon schluss an den Sprachkurs oder begleitend zum Orientie- kennen. Integration ist keine Einbahnstraße. Hier sind rungskurs. Und es spricht überhaupt nichts dagegen, mit sowohl die Aufnahmegesellschaft als auch die Zuwande- den Trägern zu sprechen, ob Praktika im Verbund ange- rinnen und Zuwanderer gefordert. boten werden können. Es spricht auch nichts dagegen, [Beifall bei der FDP] insbesondere die Orientierungskurse mit lokalen Struktu- ren zu vernetzen und Begegnungsmöglichkeiten zu schaf-

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Rainer-Michael Lehmann Dass auf Seiten der hier lebenden Migrantinnen und kann. Sie wollen noch mehr Ein-Euro-Jobs schaffen und Migranten der Wunsch besteht, Deutsch und mehr über suchen krampfhaft nach Möglichkeiten, das Projekt des das Leben und den Alltag in Deutschland zu lernen, zeigt staatlich kontrollierten ÖBS-Arbeitsmarktes weiter voran- die große Annahme der Integrationskurse sowohl von neu zutreiben. Ich weiß nicht, was das mit bürgerschaftlichem Zugezogenen als auch von schon lange hier lebenden Engagement und Sprachförderung zu tun hat. Ausländern oder Deutschen mit Migrationshintergrund. [Beifall bei der FDP] Das sehe ich als positives Zeichen, als Beleg dafür, dass viele ihren Parallelgesellschaften entkommen wollen. Dem zweiten Antrag stimmen wir gern zu. In der Tat gibt Zwei Drittel der Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind es inzwischen ein unüberschaubares Angebot an soge- übrigens Frauen. Bei den Männern muss man vielleicht nannten Maßnahmen, die der beruflichen Qualifizierung noch ein wenig die Motivation fördern oder auch fordern. oder der Sprachförderung dienen sollen. Das Angebot ist noch größer geworden, nachdem das Bundesministerium Ich begrüße es auch, wenn den Teilnehmern Möglichkei- für Arbeit und Soziales das Programm zur berufsbezoge- ten geboten werden, die deutsche Sprache zu praktizieren. nen Sprachförderung für Menschen mit Migrationshin- Viele von uns wissen aus eigener Erfahrung, dass die tergrund aufgelegt hat. All diese Maßnahmen werden in Fremdsprachenkenntnisse, die man sich in der Schule Berlin unkoordiniert und ohne Plan angewendet. Sie ha- angeeignet hat, aufgrund mangelnder Sprachpraxis ben natürlich recht, wenn Sie den Senat auffordern, hier schnell verflogen sind. Es hilft uns also nicht weiter, endlich tätig zu werden und diese Programme besser zu wenn die Frauen und Mütter die Integrationskurse mit koordinieren. Ich begrüße es auch sehr, dass Sie diese Bravour absolvieren, danach aber wieder nur noch die Aufforderung an den Senat, endlich seine Hausaufgaben Sprache ihres Herkunftslandes sprechen und Kontakt nur zu machen, zu Ihrer Priorität erklärt haben. noch mit Mitgliedern ihrer eigenen Community haben. Beide hier vorliegenden Anträge sind entweder Klientel- Solche Sprachpraxismöglichkeiten könnten natürlich im politik oder Ausdruck eines integrationspolitischen Akti- Rahmen der Integrationskurse organisiert werden. Aber onismus, der uns angesichts der vorliegenden Probleme viele solcher Gelegenheiten bestehen doch schon. Sie keinen Schritt weiterbringt. verweisen in Ihrem Antrag selbst auf Ehrenamt und bür- Wir brauchen keine neuen Maßnahmen oder sogenannte gerschaftliches Engagement. Ich bin mir sicher, dass kein Koordinatoren, denn die gibt es bereits genug in dieser gemeinnütziger Träger einen Interessenten oder eine Stadt. Interessentin abweist, der oder die sich bürgerschaftlich [Beifall bei der FDP] engagieren und die Hilfe für bedürftige Menschen und die Praxis der deutschen Sprache verbinden möchte. Sorgen Sie einfach dafür, dass diese ihre Arbeit machen. Manchmal, nicht immer, wären Sie gut beraten, Herrn [Beifall bei der FDP] Buschkowsky zuzuhören. Wir haben inzwischen ein gut ausgebautes Netz von Freiwilligenagenturen, die bestimmt auch solche Angebo- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: te für Absolventen von Integrationskursen machen kön- nen. Mir fallen spontan viele konkrete Möglichkeiten ein, Herr Kollege! wie man im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements die deutsche Sprache üben kann. Rainer-Michael Lehmann (FDP):

Ich kann daher nicht verstehen, warum Sie von der Koali- Ich bin gleich fertig! – Sorgen Sie dafür, dass in den Kitas tion prüfen lassen wollen, in welcher Form Praktika und und Schulen gute Arbeit geleistet werden kann, dass allen Begegnungsmöglichkeiten angeboten werden können, wo Kindern und Jugendlichen die Grundlagen vermittelt es doch schon viele Möglichkeiten gibt, die deutsche werden können, damit sie später gerade nicht auf die Sprache zu praktizieren. Wer freiwillig einen Integrati- ganzen Programme und Maßnahmen angewiesen sind. onskurs absolviert, der wird aus diesem so viel mitneh- Tun Sie mehr für die Wirtschaft, die Industrie, das Hand- men, dass er weiß, wo er sich engagieren und wo er sich werk und die Anbieter von Dienstleistungen, damit richti- um ein Praktikum bewerben kann. Wir haben in vielen ge Arbeitsplätze entstehen, an denen man die deutsche Gebieten ein gut ausgebautes Quartiersmanagement, in Sprache am besten praktizieren kann. Damit wäre allen denen es reichlich solcher Möglichkeiten gibt. Das gilt für Migrantinnen und Migranten in dieser Stadt geholfen. – die in Ihrem Antrag schon erwähnten Stadtteil- und Vielen Dank! Nachbarschaftszentren wie auch für die vielen anderen [Beifall bei der FDP – gemeinnützigen und kirchlichen Träger. Vereinzelter Beifall bei der CDU]

In Wahrheit soll geprüft werden, inwieweit es Bundes- oder EU-Mittel gibt, mit denen Ihre Klientel der Integra- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: tions- und Sozialindustrie bedient werden kann, deren Vielen Dank! – Zu beiden Anträgen empfiehlt der Ältes- Geschäftsgrundlage eben die schlechte soziale Lage die- tenrat die Überweisung an den Ausschuss für Integration, ser Stadt ist. Sie wollen prüfen, ob man das Heer des zweiten oder dritten Arbeitsmarktes weiter ausbauen

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns Arbeit, Berufliche Bildung und Soziales. – Dazu höre ich Nicolas Zimmer (CDU): keinen Widerspruch. Sehr geehrte Frau Kollegin Schillhaneck! Finden Sie

nicht, dass bei der Bedeutung dieses Themas die Anwe- Ich rufe auf senheit des Senator angebracht wäre? lfd. Nr. 4 c: [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): Und die Antrag der CDU-Fraktion!] Für eine zukunftsfähige Wissenschaftslandschaft in Berlin – Vertragsverhandlungen nutzen, Anja Schillhaneck (Grüne): Hochschulverträge weiterentwickeln Ich sehe gerade, dass Herr Zöllner den Raum betritt. – Antrag der Grünen Drs 16/2045 Danke, Herr Zöllner, dass Sie die Zeit gefunden haben! Das ist die Priorität der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unter dem laufenden Tagesordnungspunkt 30. Zweitens geht es um das Modell der Verträge an sich. Senator Dr. Zöllner zieht seit einiger Zeit mit einer Idee Für die Beratung stehen pro Fraktion bis zu fünf Minuten durch die Lande, die er schmissig „Geld folgt Studieren- Redezeit zur Verfügung. Es beginnt für die Fraktion der den“ getauft hat. Das will er jetzt auch in Berlin umsetzen Grünen die Kollegin Schillhaneck. – Bitte! – ohne Rücksicht auf Verluste und ohne die Folgen zu Anja Schillhaneck (Grüne): bedenken. Dem erteilen wir eine deutliche Absage. Es ist richtig, dass Studienplätze ausfinanziert werden müssen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weitgehend und zwar realistisch anhand der tatsächlich Studierenden unbemerkt von der Öffentlichkeit werden die nächsten und nicht anhand der viel zu niedrigen Planzahlen. Was Hochschulverträge verhandelt. Die Bedeutung dieser Sie aber wollen, Herr Senator, und was die Koalition Verhandlungen für die Berliner Wissenschaftslandschaft offenbar mitträgt, ist eine Orientierung an Auslastungs- ist kaum zu überschätzen. Alle vier Jahre werden die und Absolventenquoten. Dazu sage ich: Hochschulen sind Höhe der Zuschüsse für die Hochschulen festgelegt, aber keine Fabriken, die das Produkt Absolvent auf den Markt auch das, was die Hochschulen dafür zu leisten haben. werfen. Weder die Öffentlichkeit noch wir Grüne werden Wir haben in Berlin eines der besten und modernsten uns von Ihnen für dumm verkaufen lassen. Systeme der Hochschulsteuerung. Das wollen wir Grüne erhalten und weiterentwickeln. [Beifall bei den Grünen] [Beifall bei den Grünen] Denn nicht nur Quantität zählt, auch Qualität brauchen unsere Hochschulen. In Zeiten der anhaltenden Unterfi- Wie sieht es aber derzeit aus? – Die Verhandlungen unter nanzierung ist Lehre dabei kein Selbstläufer. Die imma- der Ägide von Herrn Wissenschaftssenator Zöllner schei- nenten Belohnungssysteme der Wissenschaft fördern vor nen nicht so recht voranzukommen. Dennoch wird aller- allem Publikationen und Drittmittel. In der Tat sind unse- orten vorsichtiger Zweckoptimismus verbreitet. Etwas re Berliner Hochschulen im Bereich der Forschungsleis- anderes bleibt den Hochschulen auch nicht übrig. Woran tung ziemlich gut – noch. Denn das Modell gefährdet hakt es? – Zum einen – das ist nicht verwunderlich – am auch forschungsstarke Bereiche, die aber möglicherweise Geld. Es ist zu hören, dass Sie, Herr Senator Zöllner, den für einige Jahre nicht so stark von Studierenden nachge- Hochschulen erklärt haben, dass Sie deren Forderungen fragt werden. Das werden Sie dann sicher mit Ihrer Ein- „berechtigt“ finden. Auch bei der Koalition scheint end- stein-Stiftung und anderen Sondertöpfen abfedern wollen. lich angekommen zu sein, dass eine Fortschreibung der Dabei sind wir dann aber bei Hochschulsteuerungsansät- jetzigen Summen schlichtweg nicht ausreicht – Gratulati- zen von denen wir uns aus guten Gründen 1996 bei der on zu dieser Einsicht! Wir sagen Ihnen das bereits seit Einführung des Vertragssystems getrennt haben, nämlich 2001. Eine Bemühenszusage ist aber noch kein Geld. Ich den intransparenten und direkten Eingriffen nach Gutsher- weise ausdrücklich darauf hin, dass sich auch in den renart. Das wollen wir nicht. Hochschulen niemand irgendwelche Illusionen machen soll. Das Good-Cop-bad-Cop-Spiel zwischen den Fachse- [Beifall bei den Grünen – natoren und Herrn Sarrazin kennen wir schon. Beifall von Nicolas Zimmer (CDU)] Deshalb: Keine Trennung von Forschung und Lehre im Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Hochschulvertragsmodell, kein Preismodell, das Schmal- spurstudium belohnt und eine Trennung von Forschung Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten und Lehre fördert, und auch keine Finanzierung, die nur Zimmer, Frau Schillhaneck? auf den ersten Blick gerecht aussieht, aber neue Unge- rechtigkeit und vor allem Intransparenz schafft. Sie wol- Anja Schillhaneck (Grüne): len den Stellenwert von Lehre stärken? – Dann tun Sie genau das. Dafür haben Sie sofort unsere Unterstützung. Aber sicher – bitte! Geben Sie mehr Geld für die Verbesserung der Lehrquali- tät aus – und zwar im Rahmen der Hochschulverträge, nicht als neuer Masterplan XY. Definieren Sie gemeinsam

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Anja Schillhaneck mit den Hochschulen verbindliche Ziele, wo die Hoch- Hochschulen eine Art Goldesel für Berlin und die Politik schulen in fünf bis zehn Jahren stehen sollen, definieren – also wir alle – ist gut beraten, dieses Tier zu pflegen, zu Sie, was die Mindeststandards beispielsweise für eine füttern und nicht etwa auf Diät zu setzen oder verhungern Lehrveranstaltung sind. Das sind sinnvolle politische zu lassen. Vorgaben, aber nicht die, wie viel irgendein fiktiver [Beifall bei der SPD – Studierender der Hochschule an Geld bringt. Wenn Sie Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] diese Rahmenbedingungen dann auch noch mit den richtigen Leistungsparametern verbinden, die tatsächlich Die Hochschulverträge, über die wir heute sprechen, sind das messen, was erreicht werden soll – wie sich die Lehre – um im Bild zu bleiben – gewissermaßen der Speiseplan verbessert – kommen wir zu einer Diskussion über für unseren Goldesel in den nächsten fünf Jahren. Die vernünftige Hochschulverträge. Hochschulen haben vor Beginn der laufenden Verhand- lungen zu Recht auf die immensen zusätzlichen Belastun- Für die Verhandlungen wollen wir Ihnen drei zentrale gen hingewiesen, die in den nächsten Jahren auf sie zu- Dinge mit auf den Weg geben. Erstens müssen die Hoch- kommen. Vieles von dem, was dort angeführt worden ist, schulverträge konsequent weiterentwickelt werden, auch lässt sich nicht wegdiskutieren und muss berücksichtigt durch die Integration der benannten mittelfristigen Ent- werden. Darauf haben sowohl der Senator als auch die wicklungsperspektive. Zweitens muss das Berichtssystem Wissenschaftspolitiker der Koalition immer wieder hin- angepasst werden, sodass der enorme bürokratische Un- gewiesen und sich öffentlich völlig unzweideutig geäu- sinn, der derzeit jedes Jahr fabriziert wird, wegfällt und ßert. Unser Ziel ist es, die Finanzausstattung der Hoch- das Parlament stattdessen transparente und belastbare schulen so anzupassen, dass ihre Leistungsfähigkeit erhal- Berichte über die Umsetzung der vereinbarten Ziele er- ten und wo immer möglich, weiter verbessert wird. hält. Gern nehmen wir die nur jedes zweite Jahr in Emp- Jetzt wird die findige Opposition sicherlich auf die Fest- fang, wenn man dafür endlich über Meilensteine und legungen im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2006 hinwei- Zielerreichung diskutieren kann und nicht nur über sen. Dort ist zu lesen, dass die zusätzlichen Belastungen Durchschnittsbildungen. Drittens legen wir Ihnen konkre- der Hochschulen durch Mehrwertsteuer und steigende te Vorschläge dafür vor, welche Leistungsparameter an- Personalkosten nicht ausgeglichen werden können. Ja, das gepasst werden müssen, um nicht wieder ungewollte ist richtig, das steht da! Hierzu kann ich nur Folgendes Effekte wie den Leistungsanreiz nach unten zu fabrizie- sagen: Erstens können sich Dinge und Einschätzungen ren. ändern, Menschen werden klüger. Das gilt nicht zuletzt auch für die Sozialdemokraten, auch wir werden klüger. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne) und Sebastian Czaja (FDP)] Frau Kollegin! Zweitens ist es ganz normal, dass die Positionen, mit denen man in Verhandlungen geht, niemals identisch sind Anja Schillhaneck (Grüne): mit dem Ergebnis von Verhandlungen, andernfalls Ich komme zum letzten Satz! – Wir haben unsere brauchte man diese nicht zu führen. Ich denke mir, dass Hausaufgaben gemacht, Herr Senator und liebe Koalition. auch die Hochschulen wissen, dass die von ihnen formu- Machen Sie jetzt die Ihren, und sorgen Sie dafür, dass lierten Maximalforderungen am Ende nicht das Ergebnis diese Vorschläge umgesetzt und die Hochschulen damit der Verhandlungen sein werden. So wissen wir auch, dass wieder auf eine zukunftsfähige politische und finanzielle die maximalen Sparvorstellungen des Finanzsenators – Basis gestellt werden! – Danke! Erhöhungen zwischen 1,3 und 1,4 Prozent – auch nicht [Beifall bei den Grünen] das Ergebnis der Verhandlungen sein werden. [Sebastian Czaja (FDP): Sondern?] Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Drittens: Es gibt viele gute Dinge, die nicht im Koaliti- onsvertrag stehen und trotzdem von der Koalition umge- Vielen Dank! – Das Wort für die SPD- Fraktion hat der setzt werden. Es handelt sich bei dem Koalitionsvertrag Kollege Oberg – bitte! also nicht um eine Bibel, denn wäre es eine, hätte darin auch der Masterplan „Wissen schafft Berlins Zukunft!“ Lars Oberg (SPD): stehen müssen. Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Eine Un- [Carl Wechselberg (Linksfraktion):Nur im tersuchung der Technischen Universität hat unlängst Notfall ist er eine Bibel!] aufgezeigt, welche wirtschaftliche Bedeutung die Hoch- Der Masterplan ist zweifelsohne gut und wird umgesetzt, schulen für Berlin haben. obwohl er nicht im Koalitionsvertrag steht. Die Hoch- [Mieke Senftleben (FDP): Ach!] schulverträge müssen aber auch eine Antwort auf die doppelten Abiturjahrgänge geben, die ungefähr im Jahr Die wirtschaftliche Stärke und das wirtschaftliche Poten- 2012 auf Berlin zukommen und eine zu erwartende Stei- zial dieser Stadt hängen demnach wesentlich von den gerung der Studienbewerber nach sich ziehen. Wir möch- Hochschulen ab. Wenn das richtig ist, dann sind die ten, dass Berliner Abiturienten eine Chance haben, in

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Lars Oberg Berlin zu studieren, deshalb brauchen wir mehr Studien- gen konstruktiv weiterführen werden und am Ende für die plätze. Es ist unser Ziel, gemeinsam mit den Hochschulen Hochschulen ein gutes Ergebnis erzielen werden. – Herz- die Studienanfängerplätze weiter zu erhöhen, wie wir das lichen Dank! bereits in den vergangenen beiden Jahren getan haben. [Beifall bei der SPD – Und der Hochschulpakt II, der zurzeit zwischen dem Vereinzelter Beifall bei der Linksfraktion] Bund und den Ländern verhandelt wird, bietet hierfür hervorragende Chancen, die wir nutzen wollen. Für die Hochschulen heißt das: Für zusätzliche Studienplätze gibt Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: es auch zusätzliches Geld. Ich finde es richtig, auch in Berlin das Prinzip „Geld folgt Studierenden“ anzuwen- Vielen Dank! – Das Wort für die CDU-Fraktion hat der den, denn es setzt hohe Anreize, dass die Hochschulen Kollege Zimmer. ihre Kapazitäten ausschöpfen und ausweiten. [Mieke Senftleben (FDP): Ach!] Nicolas Zimmer (CDU): Mit diesem Instrument verschaffen wir der Lehre eine Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oberg! größere Bedeutung. Das nutzt den Studierenden, der Ber- Das fand ich jetzt aber eine interessante Schlusswendung: liner Wirtschaft, die dringend Fachkräfte braucht, dem anzunehmen, dass Rot-Rot dazu einen Beitrag geleistet Wissenschaftsstandort und am Ende allen Berlinerinnen habe, dass die FU Exzellenzuniversität geworden ist. Da und Berlinern. sind Sie der einzige, der das glaubt, möglicherweise noch Ihre Fraktion. Die Verhandlungen über die Hochschulverträge müssen [Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): aber nicht nur dafür genutzt werden, zu definieren, wie Das weiß sogar Herr Lenzen!] viel Geld die Hochschulen für welche Zwecke mehr be- kommen, die Verhandlungen müssen auch genutzt wer- Dass in der Berliner Wissenschaftslandschaft irgendje- den, um die Leistungs- und Optimierungspotenziale der mand der Meinung ist, dass Sie mit Ihrer Wissenschafts- Hochschule auszuschöpfen. Die Hochschulen haben – das politik und Herrn Zöllner einen positiven Beitrag geleistet ist zweifellos so – in den letzten Jahren erhebliche Ein- hätten, das kann man getrost in das Reich der Fantasie sparungen erbracht und sind effizienter geworden. Aber verweisen. es gibt nach wie vor Bereiche, bei denen sie noch besser [Beifall bei der CDU – werden können z. B. beim Facility-Management. Ich habe Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)] den Eindruck, dass die Verhandlungen – auch das, was Tatsächlich ist es so: Man kann sagen, trotz Rot-Rot sind wir den Zeitungen entnehmen können, spricht dafür – auf unsere Universitäten nach wie vor in der Lage, exzellente einem guten Weg sind. Die Hochschulen sind aufgerufen, Leistungen zu erbringen. Und warum können sie das? – diesen Weg partnerschaftlich weiterzugehen. Es freut Weil sie tatsächlich nicht in jedem Detail von rot-roter mich, dass die Hochschulen die Vorschläge des Senators Politik abhängig sind und es die Hochschulverträge gibt. jüngst als positiven Impuls gewertet haben und daran Ohne die Hochschulverträge, die den Universitäten ein weiterarbeiten wollen. gehöriges Maß an Eigenverantwortung oder an eigener

Steuerungskompetenz zubilligen, wären diese Einrichtun- Abschließend möchte ich noch alle, die hier im Haus, gen nicht exzellent, sondern würden an der Kandare des aber auch gerne diejenigen aus den oberen Etagen der Senats und insbesondere der des Finanzsenators durch die Hochschulen, die laut und oft wider besseres Wissen den Stadt geführt werden. Wissenschaftssenator und die Wissenschaftspolitik dieser Koalition kritisieren, auf eines hinweisen: Rot-Rot und [Senator Dr. Thilo Sarrazin: Richtig!] Jürgen Zöllner tun dem Wissenschaftsstandort Berlin und – Da sagt Herr Sarrazin: „Richtig!“. Darauf würde er sich den Hochschulen gut. Wir stecken mehr Geld in die För- richtiggehend freuen. Das ist ja ein großer Batzen. Herr derung exzellenter Forschung, wir haben zusätzliche Sarrazin, ich weiß, Sie sehen die großen Zahlen und sagen Studienplätze geschaffen. Und auch eine Exzellenzuni in sich: Wo viel Geld drin ist, kann man auch viel Geld Berlin wäre ohne die entsprechenden wissenschaftlichen rausholen. – Nur ist das an dieser Stelle einfach eine Voraussetzungen undenkbar. Fehlvorstellung. [Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)] Herr Oberg hat zu Recht gesagt, dass die Universitäten Ich denke, gerade an der FU ist das bekannt. und unsere Forschungslandschaft für Berlin eine der we-

sentlichen Faktoren für wirtschaftlichen Erfolg, für Erfolg Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: und Wohlstand in dieser Stadt seien. Jeder, der seine Herr Kollege! Hand daran legt, Herr Sarrazin, legt seine Hand auch an die Einnahmeseite des Berliner Landeshaushalts. Diese Diskussion führt man mit Ihnen schon sehr lange. Aber Lars Oberg (SPD): wer meint, dadurch, dass man Ausgaben auf ein Min- Ich glaube, diese Bilanz kann sich sehen lassen. Ich freue destmaß absenkt, nicht auch die Einnahmen und die Zu- mich darauf, dass wir die Hochschulvertragsverhandlun- kunftschancen zu beschädigen, der reagiert kurzsichtig.

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Nicolas Zimmer Da muss ich sagen: Ich bin sehr froh, Herr Sarrazin, dass chen, nämlich die, die im medizinischen, im technologi- Sie nicht die Verantwortung für die Wissenschaftspolitik schen, im biotechnologischen Bereich, im physikalischen in dieser Stadt tragen. und mathematischen Bereich tätig sind. Das kann nicht richtig sein. Man könnte jetzt noch über die Summen, die im Raum [Beifall bei der CDU – stehen, diskutieren oder über die Frage, was die Universi- Beifall von Anja Schillhaneck (Grüne)] täten möchten, was Herr Zöllner davon für richtig und begründet hält, was Herr Sarrazin will und was am Ende Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, den ich fatal finde, der dabei herauskommt. Die Aussage, dass alles Gegenstand aber gut in das Konzept von Herrn Zöllner hineinpasst. In von Verhandlungen ist, ist sicherlich richtig, aber die dem Augenblick, wo er die Lehre subventioniert und die Tatsache, dass die Vorstellungen der Universitäten durch- Lehre zum Maßstab der Finanzierung der Hochschulen aus sachlich begründet sind, die des Senators, jedenfalls macht, tut er eines: Er grenzt die Forschung damit aus der die des Senators für Finanzen bislang jedoch nicht, zeigt, Universitätsfinanzierung aus. Es geht also darum, dass die dass es hier nicht um Vernunftargumente geht, sondern Universität nur noch reine Lehrvermittlungsanstalten um die Frage, wer der Stärkere im Senat ist. Da durften werden. Das passt gut in Ihr Konzept Ihrer Einstein- wir in der Vergangenheit leidvoll erfahren, dass sich einer Stiftung hinein. der Senatoren immer sehr hervorgetan hat, weil sich der Regierende Bürgermeister aus solchen Diskussionen Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: regelmäßig heraushält und es immer gut findet, wenn ein Senator mit der Kasperklatsche von Herrn Sarrazin ge- Herr Zimmer! troffen wird. [Vereinzelter Beifall bei der CDU] Nicolas Zimmer (CDU): Kommen wir zu den Hochschulverträgen. Ich glaube, Ich komme zum letzten Satz, Herr Präsident! – Sie geben dass das Konzept, das im Augenblick im Raum steht, Millionenbeträge in eine von Ihnen politisch gesteuerte nämlich eine Hinwendung zu einer Kopfpauschale, einem Stiftung hinein. Sie reduzieren die Universitäten auf Kopfgeld oder wie man das nennen möchte, eine studien- Volkshochschulen, die die Ausbildung des Fußvolks platzbezogene Finanzierung, grundlegend falsch ist. Es ist machen dürfen. Das ist eine Wissenschaftspolitik, die mit deswegen falsch, obwohl es am Anfang gut und gerecht Sicherheit, was Exzellenz angeht, kontraproduktiv ist und klingt. Wer würde etwas dagegen haben, dass wir Stu- die Berliner Wissenschaftslandschaft in ein absolutes dienplätze auskömmlich finanzieren? – Selbstverständ- Chaos und den Niedergang führen wird. – Herzlichen lich, das wollen wir auch, wir wollen in Berlin noch mehr Dank! Studienplätze haben, das ist auch keine Frage, sie müssen [Beifall bei der CDU – auch finanziert werden. Aber kann man Hochschulfinan- Vereinzelter Beifall bei der FDP] zierung im Kern darauf reduzieren, dass man sagt: Ich gebe eine Summe X für einen Studienplatz? – Das funkti- oniert aus diversen Gründen nicht, obwohl ich ein großer Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Fan von leistungsbezogener Mittelvergabe bin, weil es Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat nun dort nicht zwingend um das Leistungskriterium geht. der Herr Abgeordnete Dr. Albers.

Es geht im Grunde genommen um einen Wettbewerb, wer in der Lage ist, möglichst viel möglichst billige Studien- Dr. Wolfgang Albers (Linksfraktion): plätze anzubieten. Der wird am Ende das meiste Geld Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Herr Zim- kassieren für einen geringstmöglichen Einsatz. Das ist aus mer! Ich glaube, außer Ihnen weiß jeder, auch Herr Len- der Sicht einer Universität ein nachvollziehbares Verhal- zen, welche wesentlichen Anteile und welchen wesentli- ten. Ich mache meine Studienplätze billig. Wie mache ich chen Einsatz gerade der Wissenschaftssenator geleistet das? – Indem ich die Qualität absenke. Wie mache ich hat, damit Herr Lenzen für die FU die Auszeichnung das? – Indem ich mich auf Mainstream konzentriere. Wie Exzellenzuniversität bekommen hat. Hoffentlich hat er mache ich das? – Indem ich mir in der Schwerpunktset- wenigstens die Telefonrechnungen dafür bezahlt! zung Studiengänge heraussuche, die günstiger sind als andere. [Beifall von Andreas Kugler (SPD)] Die Grünen haben am 4. Januar 2009 – am 4. Januar! – Denn es ist doch kein Geheimnis, dass der Studienplatz diesen Antrag eingebracht, über den wir heute reden. Es eines Wirtschaftswissenschaftlers, eines Politologen oder war auch Ihnen, Frau Schillhaneck, lange bekannt, dass eines Juristen günstiger zu finanzieren als der Studien- die alten Hochschulverträge auslaufen und neue Verhand- platz in einem technischen Studiengang. Das ist keine lungen anstehen. Sie schreiben in der Begründung selbst, Frage. Solang wir dafür kein vernünftiges Kompensati- dass die entsprechenden Verhandlungen derzeit bereits onsinstrumentarium haben, ist klar, was passiert. Wir angelaufen seien. Da fragt sich jeder Beteiligte: Warum düngen damit die geisteswissenschaftlichen Fakultäten kommt Ihr Antrag erst jetzt, mitten hinein in diese Ver- und reduzieren damit diejenigen Fakultäten, von denen handlungen? Ginge es Ihnen wirklich in erster Linie um wir uns den meisten Fortschritt in unserer Stadt verspre-

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Dr. Wolfgang Albers Einflussnahme darauf, die Hochschulverträge weiterzu- hinten nicht. Allein das Auslaufen des Anwendungstarif- entwickeln, hätte dieser Antrag spätestens im Herbst vertrags kostet rund 30 Millionen Euro. vorliegen müssen. So ist es wieder einmal ein Schaufens- terantrag, „Hurra, wir leben noch!“, der auf Effekt aus ist, Wir haben im Vorfeld der Verhandlungen mehrfach mit nicht auf hochschulpolitische Wirkung. den Vertretern der Hochschulen gesprochen. In diesen [Michael Schäfer (Grüne): So wie Ihrer, oder?] Gesprächen haben diese sehr glaubhaft vermitteln kön- nen, dass die Schmerzgrenze in diesem Semester über- Dabei kommt manches in dem Antrag unseren Vorstel- schritten wurde, weitere Einsparungen nur über den Ab- lungen nahe und ist zum Teil auch in die aktuellen Ver- bau von Leistungen kompensiert werden könnten und handlungen schon eingeflossen. Allerdings bin ich bisher somit eine weitere Verschlechterung der Bedingungen der davon ausgegangen, dass die Hochschulverträge bereits Lehre – bis hin zum Streichen ganzer Studiengänge und die mittelfristige Entwicklungsplanung der Hochschulen Schließung von Fachbereichen – zur Folge haben würde. abbilden und frage mich deshalb nach dem Sinn Ihrer im Wir sollten diese Warnungen ernst nehmen. Wir werden Antrag erwähnten zusätzlichen mittelfristigen Entwick- den Finanzbedarf, den die Hochschulen und Fachhoch- lungsziele. schulen gemeinsam mit rund 183 Millionen Euro angege- ben haben, natürlich nicht vollständig abdecken können, Ihre Kritik am Berichtswesen dagegen kann ich nachvoll- aber ein großer Schritt in diese Richtung und eine zwin- ziehen. Man holt sich in der Tat eine Staublunge beim gende Investition in die Zukunft der Wissenschaftsstadt Durchblättern der Leistungsberichte. Wenn ich dann höre Berlin sind notwendig. – Danke! und sehe, welcher Aufwand mit der Erstellung dieser jährlichen Leistungsberichte verbunden ist, wie groß [Beifall bei der Linksfraktion und der SPD] anschließend der Lyrikanteil darin ist und welche Res- sourcen das alles bindet, dann frage ich mich, ob es nicht Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: tatsächlich Sinn machen würde, hier nach einer Alternati- ve zu suchen oder zumindest auf einen Zweijahresrhyth- Vielen Dank! – Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege mus in der Berichterstattung umzusteigen. Bei der leis- Czaja das Wort. – Bitte sehr! tungsbezogenen Mittelvergabe die bisherige Praxis des Abrechnungsverfahrens zu ändern und Gewinne und Sebastian Czaja (FDP): Verluste nicht erst durch die Gratifikation im übernächs- ten Jahr zu Buche schlagen zu lassen, kommt unserem Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Da- Anliegen nahe, und auch die Forderung nach einer geän- men und Herren! Die FDP-Fraktion ist der festen Über- derten Gewichtung zwischen Forschung und Lehre zeugung, dass die Haushalte der Berliner Hochschulen zugunsten der Lehre halte ich für berechtigt. kostendeckend sein müssen. Anderenfalls werden Hoch- schulen in dieser Stadt sehenden Auges in die Pleite ge- Die Lehre insgesamt stärker zu berücksichtigen, kann nur führt. Ein unabweisbarer finanzieller Bedarf in Höhe von richtig sein und macht doppelt Sinn, zum einen, um die annähernd 200 Millionen Euro aufseiten der Hochschulen Bundesmittel aus dem Hochschulpakt abgreifen zu kön- steht den Vorstellungen des Finanzsenators gegenüber. Er nen, zum anderen aber auch, weil ich denke, dass eine ist bereit, hier zusätzlich ganze 15 Millionen Euro zur Rückbesinnung auf Bedeutung und Wert der Lehre an Verfügung zu stellen. Herr Senator Sarrazin! Das ist lä- unseren Hochschulen nicht nur dringend notwendig, son- cherlich und unverständlich. dern auch die Voraussetzung dafür ist, dass die politisch [Beifall bei der FDP – gewollt stark forcierte Forschungsorientierung mittelfris- [Senator Dr. Thilo Sarrazin: Viel zu viel!] tig abgesichert werden kann. Ohne forschenden Nach- wuchs mit guter und gut ausgestatteter Lehre auszubilden, – Ich finde es noch unverständlicher, wenn Sie mir dann entziehen Sie dieser Forschung den Boden. Wir werden von Ihrem Platz aus zurufen, dass das viel zu viel ist. im Ausschuss noch hinreichend Gelegenheit haben, im Denken Sie darüber nach, dass diese Hochschulen die Einzelnen über Ihren Antrag zu sprechen. Zukunft, das Rückgrat dieser Stadt sind und Investitionen dort hineinfließen müssen! Ich möchte abschließend noch etwas zu dem letzten Satz Ihres Antrags sagen, der sowohl die Berücksichtigung des Wenn der Senat nicht bereit ist, seine Hochschulen durch Auslaufens des Anwendungstarifvertrags fordert wie auch Steuergelder – Sie führten es eben aus – ausreichend zu eine Gesamtfinanzierung, die die Hochschulen in die finanzieren, dann muss es auch hier klare Konsequenzen Lage versetzt, ihre Aufgabe zu erfüllen. Natürlich muss geben. Das heißt, dann muss er den Hochschulen auch die das Berücksichtigung finden. So ist zum Beispiel die Freiheit geben, sich um ihre Finanzierung selbst kümmern Aufnahme einer Gleitklausel in die Hochschulverträge für zu dürfen. Im Klartext heißt das unserer Auffassung nach: die zukünftige Kostenentwicklung bei den Kosten, die Ein Höchstmaß an Autonomie, Gestaltungs- und Entfal- von den Hochschulen nicht beeinflussbar sind, unver- tungsfreiheit für die Hochschulen sowie letztlich auch die zichtbar. Wir sind da den Hochschulen in der Tat im Möglichkeit, Studienentgelte zu erheben. Die Hochschu- Wort. Der auch in den Medien bereits kolportierte Betrag len entscheiden dann selbst über die Aufnahme von Stu- von 15 Millionen Euro Aufwuchs, den der Finanzsenator dierenden, frei von jeglichen Kapazitätsverordnungen. angeblich nur Verfügung stellen möchte, reicht vorne und

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Sebastian Czaja Senator Zöllner hat zwar erklärt, den zusätzlichen Bedarf Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: der Hochschulen anzuerkennen und wiederholt verspro- Vielen Dank! – Zu der Überweisung an den Ausschuss chen, sich dafür im Senat und Abgeordnetenhaus einzu- für Wissenschaft und Forschung und an den Hauptaus- setzen, aber anstatt sich im Senat durchzusetzen – nicht schuss, auf Empfehlung des Ältestenrats, höre ich keinen einzusetzen, sondern durchzusetzen! –, geht er zum wie- Widerspruch. – Dann ist das so beschlossen. derholten Mal den Weg der Trickserei, deren Folgen dann die Hochschulen auszubaden haben. Wir kommen nun zur [Senator Dr. Jürgen Zöllner: Wo denn?] lfd. Nr. 4 d: Die Hochschulen haben ihre Studienkapazitäten – wie die Antrag Vorredner schon erwähnten – bereits bis zum Anschlag ausgereizt. Trotz der zum Teil bereits desaströsen Studen- Zukunftskonzept für den Mellowpark umgehend ten-Lehrerrelation und eklatanter Raumnot und bei an- gemeinsam entwickeln! dauernder chronischer Unterfinanzierung haben die Hoch- Antrag der FDP Drs 16/2039 schulen bereits ihre Kapazitäten mit Blick auf den doppelten Abiturgang noch einmal erheblich verdichtet. Es macht überhaupt keinen Sinn, darüber hinaus Stu- Für die Beratung stehen jeweils wieder fünf Minuten zur dienplätze um ihrer selbst willen zu schaffen, ohne Rück- Verfügung. Herr Kollege Czaja, ich bitte Sie erneut vor sicht auf das Forschungsprofil von Hochschulen und das Mikrofon! konjunkturabhängige Schwankungen bei der Nachfrage nach Studienplätzen zu nehmen. Sebastian Czaja (FDP):

Meine Fraktion unterstützt deshalb ohne jedes Wenn und Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aber den Antrag der Grünen, denn auch wir sagen und heutige Priorität der FDP-Fraktion ist unser Antrag, um- sind der festen Überzeugung, dass die jetzige Grundstruk- gehend gemeinsam das Zukunftskonzept für den Mellow- tur der Berechnung und Zuweisung der Globalsummen an park zu entwickeln. Wir haben dies zur Priorität erklärt, den Hochschulen erhalten bleiben muss. Zweitens muss weil uns klar und deutlich geworden ist, dass hier ein darüber hinaus jegliche Form der Aufsplittung von Bud- eindeutiger Fehler des Bezirksamts Treptow-Köpenick gets abgelehnt werden. Drittens bedarf es klarer – auch dazu führen könnte, dass ein einmaliges und gesamtstädti- das steht in Ihrem Antrag – Zielvereinbarungen, die am sches Jugend- und Sportprojekt vor dem Aus steht. Wir Ende des Tages auch zu sanktionieren sind. wollen mit Ihnen ein klares Signal setzen, dass dieses einmalige gesamtstädtische Jugend- und Sportprojekt in [Rainer-Michael Lehmann (FDP): Bravo!] dieser Stadt bleibt und nicht vor dem Aus steht. Sie sind stattdessen dabei, alle diese wesentlichen Punkte [Beifall bei der FDP] als Senat zu ignorieren. Sie ignorieren Beschlusslagen zum Facility-Management, zum Umgang mit dem Ver- Wagt man einen Blick in die historische Betrachtung, so waltungspersonal der Hochschulen und der Hochschul- kommt man zu folgenden Ergebnissen: Die Idee, ein struktur. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sie das ehemaliges Industriebrachland zu einem Sport- und Erho- vorsätzlich tun, denn Sie belegen unter anderem unab- lungspark auszubauen, überzeugte den Berliner Senat. Die weisbare Bedarfe der Hochschulen, ganz nach dem Mot- Projektgruppe des all eins e. V. gewann deshalb 1999 und to: Wenn uns ein gewohntes Ergebnis nicht mehr passt, 2000 den Senatswettbewerb „Jugend entwickelt das neue ignorieren wir es eben und schaffen uns ein neues. – So Berlin“. Im Jahr 2001 erhielt der all eins e. V. und das kann man nicht glaubwürdig verhandeln, und so kann dazugehörige Jugendzentrum all nach Verhandlungen mit man an dieser Stelle nicht weiter die Verhandlungen füh- der TLG und dem Bezirk das ca. ein Hektar große Indust- ren. riebrachland für eine symbolische Miete von 1 000 DM von der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft zur befriste- [Beifall bei der FDP] ten Zwischennutzung. Das Mindeste, was Ihre Ansprechpartner erwarten kön- nen, ist ein fairer Kompromiss. Herr Senator Zöllner! Sie Drittens: Im Laufe von nur sieben Jahren entwickelte sich haben Ihr Wort gegeben, sich für eine auskömmliche das von Köpenicker Jugendlichen geplante und aufgebau- Finanzierung einzusetzen. Die Präsidenten haben Ihnen te Projekt durch anhaltendes Engagement und Kreativität vertraut und Ihrer Einstein-Stiftung aus diesem Grund zu einem der größten Jugend-, Sport- und Freizeitparks zugestimmt. Setzen Sie dieses Vertrauen nicht mit Trick- Europas. Das gilt es in Berlin zu erhalten. sereien aufs Spiel! An dieser Stelle hilft es nicht, einen [Beifall bei der FDP] Staatssekretär auszuwechseln, denn an dieser Stelle tragen Sie die Verantwortung dafür, dass die Mittel fließen. Viertens: Heute ist der Mellowpark Anlaufstelle – auch Gewährleisten Sie also, dass die Berliner Hochschulen das müssen Sie verstehen – für mehr als 20 000 Jugendli- verlässlich und auskömmlich finanziert werden! che und Familien jährlich, Sammelpunkt für Jugendliche und zahlreiche Firmenausgründungen. Dieser Mellow- [Beifall bei der FDP] park, von dem ich heute spreche, ist ein klarer Gegensatz, eine klare Antwort auch auf die Jugendarbeit im Bezirk,

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Sebastian Czaja die die NPD dort leistet. Wir brauchen diesen Mellowpark [Beifall bei der FDP] an der Stelle, um ein klares Zeichen zu setzen.

[Beifall bei der FDP] Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Ich finde es dann schon etwas traurig – wenn diese ganze Vielen Dank! – Das Wort für die SPD-Fraktion hat die Sache nicht sogar für ein Trauerspiel ausreicht –, wenn Kollegin Haußdörfer. sich der Bezirksstadtrat für Jugend und Schule aus Trep- tow-Köpenick an die FDP-Fraktion wendet und an den Fraktionsvorsitzenden schreibt, er wende sich für den Ellen Haußdörfer (SPD): Bezirk Treptow-Köpenick und für den all eins e. V. als Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Träger des Mellowparks an Sie. Er führt alle Punkte, drei Herren! Um es kurz zu fassen: Ich stimme Herrn Czaja an der Zahl, auf, welche in den nächsten Wochen und dem Jüngeren zu. Ich stimme ihm darin zu, dass der Monaten zur Entscheidung kommen müssen. Ein bemer- Zweckbetrieb Mellowpark vom Träger „all eins e. V.“ kenswerter Satz, den ich an dieser Stelle zitieren möchte, sehr erfolgreich in Treptow-Köpenick Jugendprojekte ist dann: betreibt, sehr erfolgreich in der Zwischennutzung war und Da der Mellowpark auf seinem jetzigen Standort ein wahrlich innovatives, modernes Jugendprogramm von der Räumung bedroht ist, bedarf es der schnel- gestaltet. Ich kann aber nicht zustimmen, dass es neuer- len Entscheidung. Ich bitte Sie herzlich, Ihren Ein- dings Aufgabe des Senats wäre, Konzepte für Träger zu fluss dahingehend geltend zu machen, dass nun- entwerfen. Im Übrigen – Herr Werner, ich weiß, Sie sind mehr die nötigen Entscheidungen ohne Zeitverzug da; ich darf Ihnen dazu gratulieren –: Das Konzept, das getroffen werden. der Mellowpark bzw. der Betreiber vorgelegt hat, ist ein sehr innovatives. Ob es auch zukunftsträchtig ist, wird Genau deswegen wollen wir heute eine sofortige Ab- und muss sich zeigen. stimmung, denn Zeit hat dieses Projekt nicht mehr. [Dr. Martin Lindner (FDP): Na ja!] [Beifall bei der FDP – Dr. Martin Lindner (FDP): Von welcher Partei ist denn Ich halte übrigens nichts davon, Problemstellungen, die dieser Stadtrat?] man im Bezirk nicht lösen kann, auf die Abgeordneten- hausebene abzuwälzen. – Dieser Stadtrat ist – wie zu erwarten – Mitglied der SPD. – Er hatte im Jahr 2007 am 31. Dezember bereits [Beifall bei der SPD] diese Entscheidung auf seinem Schreibtisch liegen und Und das sollten Sie zur Halbzeit der Legislatur auch wusste, dass es am 31. Dezember 2008 zu diesen Ent- schon gelernt haben. scheidungen und damit zum Aus des Mellowparks kom- men würde. Und er hat nicht gehandelt! – Ich habe auf [Dr. Martin Lindner (FDP): Ihr drückt euch davor! – den Eingangsstempel geguckt: Der Eingang dieses Christian Gaebler (SPD): Als ob Sie das Projekt jemals Schreibens ist nicht etwa der 1. Januar 2008, sondern interessiert hätte!] tatsächlich der 1. Januar 2009. Damit wurde im Bezirk – Herr Dr. Lindner, dass Sie diesen Antrag unterschrieben schlichtweg ein Jahr gepennt. haben, wundert mich. Der Antrag ändert nichts an einer [Uwe Doering (Linksfraktion): Wie haben Sie denn das schnellen Entscheidung, im Gegenteil. – Das Jahr 2008, gemacht? Waren Sie am 1. Januar arbeiten? – Herr Czaja, hat sehr viel Arbeit gemacht und sehr viel Rainer-Michael Lehmann (FDP): Wir arbeiten immer!] Kraft gekostet. Daran waren Sie aber auch nicht beteiligt. Der Senat war über den Liegenschaftsfonds – da gibt es Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir Ihnen als FDP- ein kleines Bonbon in Ihrem Antrag, weil nämlich eines Fraktion noch einmal mit allem Nachdruck unseren An- fehlt; diese Institution verwaltet nun wahrlich keine trübe trag ans Herz legen wollen. Wir fordern den Senat auf, Brühe – eingebunden; auch über weitere stadtentwick- sich umgehend mit den beteiligten Akteuren zusammen- lungspolitische und planungsrechtliche Änderungen sind zusetzen und ein tragfähiges Zukunftskonzept für den wir im Abgeordnetenhaus involviert. Mellowpark ist Mellowpark, möglichst im Bezirk, zu entwickeln und sich sicherlich ein Projekt, womit sich jeder Bezirk schmücken dafür einzusetzen, dass der Mellowpark mindestens bis kann. Das mag stimmen und ist auch so. Umso besser, zum 30. September 2009 an seinem derzeitigen Standort sage ich als Treptow-Köpenickerin, ist, dass das Projekt verbleiben kann. bei uns im Bezirk angesiedelt ist.

Im Übrigen fordern wir eine sofortige Abstimmung, denn mehr Zeit gibt es nicht. Wir müssen an dieser Stelle ein- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: mal schnell handeln und nicht in Form von Ausschussde- Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Cza- batten oder dergleichen probieren, für uns als Parlamenta- ja? rier Zeit zu gewinnen und sehenden Auges aus der Ferne, aus Berlins Mitte, zuzuschauen, wie in Treptow-Köpenick ein goldwertes, ein dort richtiges Projekt vor dem Aus Ellen Haußdörfer (SPD): steht. Aber gern doch!

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Ellen Haußdörfer (SPD): Bitte sehr, Herr Czaja! – Zunächst ist der Herr Czaja von Wie Sie sicherlich wissen, Herr Czaja, haben wir uns mit der FDP dran! den FNP-Änderungen für die Friedrichshagener Straße auf der einen Seite, worauf bis heute Teile des Mellow- Ellen Haußdörfer (SPD): parks sind, im Ausschuss befasst, übrigens auch schon durchs Plenum gebracht. Vor wem? [Mario Czaja (CDU): Also ist es Thema dieses Hauses!] Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Auch zukünftige FNP-Änderungen – das werden Sie auch wissen – für Gelände anderer Art sind Sache des Aus- Gestatten Sie danach eine Frage des Czaja von der CDU- schusses, aber eben des Ausschusses. Was wir brauchen, Fraktion? ist – da stimme ich Herrn Czaja von der FDP zu – eine schnelle Entscheidung, wie auch immer sie aussehen mag. Ellen Haußdörfer (SPD): Natürlich können das Bezirksamt Treptow-Köpenick und Aber gern doch! Der jüngere und der ältere! wir als Treptow-Köpenicker Abgeordnete noch einmal an die TLG appellieren, an der Standortverhandlung mitzu- Sebastian Czaja (FDP): wirken bzw. das Duldungsrecht zu verlängern. Das wird aber von hier aus nicht gelingen und mit populistischen, Sie führten eben aus, dass es nicht Aufgabe des Senats ist, kurzatmigen Anträgen erst recht nicht. Auch hätten es an dieser Stelle aktiv zu werden. Deswegen frage ich Sie: sich nicht alle Beteiligten so schwer machen müssen und Stimmen Sie mir zu, dass es Aufgabe des Senats oder dürfen. Nun muss zeitnah und dringlich eine Entschei- zumindest des Hauses ist, sich dieses Verfahrens anzu- dung über das favorisierte Grundstück getroffen werden nehmen, wenn ein Bezirk an dieser Stelle auf ganzer Linie und sich gegebenenfalls schnellstmöglich auf einen neuen versagt hat? Standort geeinigt werden. Darum appelliere ich noch einmal an alle Beteiligten, sich zusammenzusetzen und Ellen Haußdörfer (SPD): schnell eine Entscheidung zu treffen. Das heißt für den Bezirk und den Liegenschaftsfonds, noch einmal realisti- Herr Czaja! In keinem Bezirk kenne ich irgendein Pro- sche Grundstücke für Nutzung und Konzept anzubieten. jekt, das so viel Unterstützung von einem Bezirk erhalten Es heißt aber auch für den Verein „all eins e. V.“, Poker- hat wie der Mellowpark vom Bezirksamt Treptow- und Blockadehaltung aufzugeben und kommunikativ in Köpenick. die Verhandlungen zu gehen. [Vereinzelter Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Hätten Sie mal Herrn Thiel gefragt als den fachlich ver- Ich weiß aus der Erfahrung, dass es im letzten Jahr daran sierten und in bezirksrelevanten Themen durchaus aus- durchaus gemangelt hat. Wenn der Raum für eine Erwei- kunftsfähigen FDP-Abgeordneten, dann hätten Sie ge- terung des Konzepts möglich ist, dann wird man das prü- wusst, dass die TLG den Mellowpark schon zum 31. fen. Wenn es nämlich realistisch und realisierbar ist, das Dezember 2007 gekündigt hat. Und nur aufgrund der muss es nämlich auch sein. Bestrebungen und der Verhandlungen des SPD- Bezirksstadtrats Hölmer hat die TLG bis zum 31. Dezem- Stadtentwicklungspolitisch ist eine wohnungsbauliche ber 2008 verlängert. Entwicklung mit sportlichen, kulturellen und Jugendan- geboten für das Gelände Straße an der Wuhlheide durch- aus zu begrüßen. Ebenso muss es hier auch zu realisti- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: schen und schnellen Umsetzungen kommen. – Abschlie- Jetzt ist der andere Herr Czaja dran! ßend ist festzuhalten: In der Broschüre des „all eins e. V.“ heißt es: „Experimente wagen, Projektentwicklung als dynamischer und offener Lernprozess“. – Dies können Mario Czaja (CDU): wir von der SPD nur herzlich empfehlen und schnelle Frau Kollegin Haußdörfer! Sie haben gesagt, dass der Entscheidungen und ein Weiterbestehen des Mellowparks Senat für dieses Projekt nicht zuständig ist, sondern der unterstützen. – Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit! Bezirk. Aber teilen Sie mit mir die Auffassung, dass die [Beifall bei der SPD] Flächennutzungsplanänderung für das bestehende Grund- stück des Mellowparks vom Abgeordnetenhaus zu be- schließen ist und damit erst die Räumung und Verände- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: rung dieses Grundstücks möglich ist, ansonsten die TLG die gewünschte Nutzung nicht möglich machen könnte Vielen Dank auch von hier! – Das Wort für die CDU- und die TLG durch die Veränderung des Flächennut- Fraktion hat Kollege Statzkowski. zungsplans, den wir beschließen, einen großen Mehrwert hat, den sie ohne dies nicht hätte?

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Andreas Statzkowski (CDU): ger von Qualität in diesem Bereich. So etwas wollen Sie Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! infrage stellen. So etwas wollen Sie verunsichert lassen. Wenn das so wäre, Herr Gaebler, dann brauchten wir Nein! Wir müssen dafür sorgen, dass auch dieser Träger diese Diskussion nicht zu führen, denn dann wären die eine Zukunft hat und seine Arbeit weiterhin erfolgreich Probleme längst gelöst. Fakt ist, dass Frau Haußdörfer durchführen kann. Dafür wird sich die CDU-Fraktion mit zwar schön um den heißen Brei herumgeredet und im aller Macht einsetzen. Einzelnen dargestellt hat, was sie meinte, was schon alles [Beifall bei der CDU – ist. Aber wenn das so wäre, dann gäbe es hier keine Prob- Beifall von Volker Thiel (FDP)] leme, dann gäbe es nicht diese Diskussion, dann gäbe es Es geht weit über diese Form der Jugendarbeit hinaus. nicht diese Anträge, und dann gäbe es auch keinen Träger Vielleicht ist dem einen oder anderen entgangen, dass der freien Jugendhilfe, der eine ungewisse Zukunft vor BMX inzwischen olympisch geworden ist. Vielleicht sich hat. Deswegen ist es richtig und wichtig, dass es weiß auch der eine oder andere hier im Haus nicht, dass diesen Antrag der FDP-Fraktion und diese Diskussion die Anzahl der BMX-Bahnen im Land Berlin sehr über- gibt, um diesem Träger der freien Jugendhilfe diese Zu- schaubar ist, sich nämlich bisher ausschließlich auf den kunft und diese Sicherheit deutlich zu machen und zu Mellowpark bezieht und wir dort die Möglichkeit haben, vermitteln. über dieses breite Angebot von Jugendarbeit und Brei- [Beifall bei der CDU und der FDP] tensport auch Leistungs- und Spitzensport zu fördern. Wir sollten uns zunächst einmal die Frage stellen, wel- Wer will hier die Verantwortung tragen, wenn den Damen chen Rechtsstatus der Träger hat, welche Qualität der und Herren, den Kindern und Jugendlichen, die bereit Arbeit, wie Angebot und Nachfrage aussehen und wie es sind, sich im Leistungssport zu engagieren, die Zukunft mit der finanziellen Situation und dem Verhalten des genommen und die einzige adäquate BMX-Bahn im Land Trägers in dieser jetzigen Diskussion aussieht. Es ist be- Berlin vorenthalten wird? Sie tragen die Verantwortung reits darauf hingewiesen worden: Es wird eine hohe Qua- für dieses Desaster. Es ist dringend notwendig, dass sich lität der Arbeit vor Ort geleistet. Es gibt einen hohen der Berliner Senat zu dieser Verantwortung bekennt und Rechtsstatus, den der freie Träger als Träger der freien dementsprechend aktiv wird. Jugendhilfe innehat. Das sind Dinge, die man nicht ein- [Beifall bei der CDU und der FDP] fach so wegschieben kann, sondern mit denen man sich Natürlich ist auch dieses Haus hier im Rennen, spätestens ernsthaft auseinandersetzen muss, wenn man Jugendpoli- dann, wenn es um die Frage der Entwidmung des Sport- tik in dieser Stadt ernst meint. grundstücks an der Wuhlheide geht. Es ist eine Angele-

genheit des Sportausschusses, darüber zu befinden. Es ist Es sind über 200 000 Kinder und Jugendliche – auch mit schon sehr problematisch, was an dieser Stelle, aber auch ihren Eltern –, die diese Einrichtung pro Jahr besuchen. an anderen Stellen dieser Stadt diesbezüglich passiert. Es gibt ein breites Angebot: Streetball, Basketball, BMX, Hier gilt es, sehr weise zu entscheiden und eine kluge Skateboard. Es gibt einen Spielplatz. Das ist ein Angebot, Entscheidung zu finden, die Interessen des Sports, die die das wir geradezu an anderen Stellen dieser Stadt erfinden Interessen des freien Trägers der Jugendhilfe dementspre- müssten. Wir sollten froh sein, dass es einen freien Träger chend mit berücksichtigt und auch für eine Zukunftssi- gibt, der dieses Angebot im Bezirk Treptow-Köpenick in cherheit des freien Trägers an dieser Stelle Sorge trägt. dieser Form vorhält und der übrigens auch weit über den

Bezirk hinaus dafür Sorge trägt, dass dieses Angebot Ich fasse zusammen: Es gibt ein hervorragendes Angebot, akzeptiert und angenommen wird, und zwar bis nach eine starke Frequentierung, einen hohen Rechtsstatus. Es Neukölln, Tempelhof oder auch nach Lichtenberg, Mar- gibt einen geringen Zuschuss der öffentlichen Hand. Es zahn-Hellersdorf. gibt die Erwirtschaftung eines hohen Eigenanteils. Es gibt [Beifall bei der CDU und der FDP] eine Finanzierung mehrerer Stellen. Es gibt eine erfolg- Wir haben einen freien Träger der Jugendhilfe, der nicht reiche wirtschaftliche Basis bei diesem Trägerverein, bei ausschließlich am Tropf der öffentlichen Hand hängt, diesem Projekt. Es ist ein anerkannter Träger der freien sondern wir haben einen freien Träger, der auch wirt- Jugendhilfe. Es gibt sehr wenige Angebote im öffentli- schaftlich aktiv, präsent und erfolgreich ist, der Stellen chen Bereich, die gerade im Trendsportbereich, die gera- selbst finanziert und der nur mit einem kleinen Zuschuss de in diesem Bereich der Jugendkultur Angebote unter- des Bezirksamts zu arbeiten hat. Was wollen wir eigent- breiten. Und last but not least: Es gibt ein konstruktives lich mehr, wenn nicht so einen freien Träger, der selbst- Verhalten des Trägers, der durchaus bereit ist und unter bewusst seine Zukunft in die Hand nimmt und finanziell Beweis gestellt hat, dass er bereit ist, auch auf ein anderes zu wirtschaften weiß! Grundstück zu ziehen, wenn man ihm ein adäquates An- gebot im Bezirk unterbreitet, und daran sollten wir mitar- [Beifall bei der CDU und der FDP] beiten. Da gibt es immerhin ein erfolgreiches Konzept, wie man [Beifall bei der CDU und der FDP] BMX-Bahnen baut und erstellt. Da hat man wirtschaftli- che Aktivitäten bis nach Italien und darüber hinaus. Da ist der Begriff Mellowpark inzwischen ein anerkannter Trä-

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der Oliver Scholz (CDU): Abgeordnete Doering. Herr Kollege Doering! Wie erklären Sie sich den Wider-

spruch, dass auf der einen Seite der Finanzsenator sagt, Uwe Doering (Linksfraktion): das Grundstück, von dem Sie eben sprachen, wird in Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist rich- jedem Fall an einen Wohnungsbauinvestor veräußert und tig, es muss eine schnelle Lösung für den Mellowpark da gebe es kein Zurück, den Widerspruch dazu, dass Sie gefunden werden. Wenn jedoch die FDP in ihren Antrag jetzt sagen, das ist das geeignetste Grundstück für den schreibt, dass der Mellowpark ein tragfähiges Zukunfts- Mellowpark? Was ist denn nun richtig? projekt entwickeln soll, dann sage ich Ihnen: Der Mel- [Joachim Esser (Grüne): Na, das ist doch lowpark beweist jeden Tag, dass er ein zukunftsfähiges der Streit!] Projekt und Konzept hat.

[Beifall bei der Linksfraktion und der SPD – Uwe Doering (Linksfraktion): Dr. Martin Lindner (FDP): Alles Gerede! Stimmen Sie doch zu!] Wenn Sie mir eben zugehört hätten, dann hätten Sie hören können, dass es einen einstimmigen Beschluss oder meh- Was ihm jedoch fehlt, ist ein geeigneter Standort. Jeder, rere einstimmige Beschlüsse der BVV gibt und im Be- der meint, jeder Standort sei geeignet, der weiß einfach zirksamt in dem Bezirk, in dem Sie auch wohnen. Ich nicht, worüber er redet. Der FDP-Antrag beschreibt richti- habe zum Finanzsenator noch gar nichts gesagt. Dazu gerweise, dass die TLG den Zwischennutzungsvertrag für komme ich noch. Ich kann es auch gleich sagen: Natürlich die Friedrichshagener Straße zum Ende des letzten Jahres gibt es da ein Problem, weil wir wissen, dass das Grund- gekündigt hat. Es muss also eine Zwischenlösung gefun- stück an der Wuhlheide vor Jahren an den Liegenschafts- den werden, bis dem Mellowpark eine neue geeignete fonds zur Vermarktung abgegeben wurde. Ich glaube, das Fläche zur Verfügung gestellt werden kann. Entsprechen- ist fünf Jahre her. Inzwischen hat der Liegenschaftsfonds de Gespräche müssen mit der TLG geführt werden. das Grundstück an der Wuhlheide verkauft. Das ist be-

kannt. Aber Herr Statzkowski hat es richtig gesagt: Die Jetzt komme ich auf des Pudels Kern: Das Bezirksamt Entscheidung, ob das Grundstück verkauft wird, fällt hier. und die BVV in Treptow-Köpenick haben, was die Aus- wahl des Grundstücks betrifft, zusammen mit dem Mel- [Zuruf von Sebastian Czaja (FDP)] lowpark klare Vorstellungen, welches Grundstück das Der Finanzsenator Sarrazin hat seinerzeit auf eine Münd- sein könnte. Mehrmals wurde einstimmig in der BVV und liche Anfrage, wie es um das Grundstück steht, gesagt, im Bezirksamt beschlossen, dass der geeignete Standort dass das Grundstück verkauft ist, unter der Vorausset- das einstige Paul-Zobel-Stadion an der Wuhlheide ist. zung, dass das Abgeordnetenhaus zustimmt. Dazu gehört Dieser Standort ist auch aus stadtentwicklungspolitischer aus meiner Sicht – das ist eben auch von Ihrem Kollegen Sicht ideal. Als Ergänzung zum FEZ in unmittelbarer gesagt worden – dann eine entsprechende Zustimmung Nähe zur Alten Försterei und einer gerade im Neubau zur Entwidmung des Geländes als Sportfläche, und es befindlichen Sporthalle würde an diesem Standort ein gehört dazu eine Änderung des FNP, und es gehört dazu zusammenhängendes Sport-, Jugend- und Freizeitzentrum eine Zustimmung zu dem Vermögensgeschäft, wenn wir in Köpenick entstehen, das zugleich mit dazu beitragen es denn wollen. Darüber müssen wir diskutieren. Der kann, dass die Altstadt von Köpenick weiter aufgewertet Bezirk hat das vorgeschlagen. Es sind da Gespräche zu wird. führen. Wir müssen uns in den Ausschüssen darüber un- terhalten, wie wir mit der Arbeit des Liegenschaftsfonds Der Mellowpark ist eine Kinder- und Jugendfreizeitein- umgehen. Denn selbstverständlich ist es richtig, dass der richtung in freier Trägerschaft im Bezirk Treptow- Verkauf des Grundstücks – die Zahl kann ich inzwischen Köpenick. Das ist schon gesagt worden. Sie hat sich zu nennen, da sie bekannt ist – knapp 6 Millionen € in die Europas größtem Skate- und BMX-Park entwickelt. Dort knappen Kassen des Landes spülen wird. Das ist die eine haben bereits deutsche und Europameisterschaften statt- Position. gefunden. Allein diese knappe Beschreibung zeigt, dass es besondere Anforderungen an einen künftigen Standort gibt. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Herr Doering! Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage? Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Herr Doering! Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Ab- Uwe Doering (Linksfraktion): geordneten Scholz? Ich bin immer noch bei der Erläuterung bezüglich der Frage von Herrn Scholz. – Die andere Frage, die man sich Uwe Doering (Linksfraktion): aber stellen muss, heißt: Liegt es nicht im öffentlichen Interesse, dass an diesem Standort – ich habe ihn be- Ja, bitte schön! schrieben – eine Jugend- und Freizeiteinrichtung existiert,

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Uwe Doering von der offenkundig alle Fraktionen sagen, sie ist so Da ich in der Beantwortung der Fragen bereits meine wertvoll, dass sie erhalten werden muss? Position dargestellt habe, kann ich an dieser Stelle enden. [Zuruf von Oliver Schruoffeneger (Grüne)] Ich freue mich auf Diskussionen im Ausschuss und dar- auf, dass wir uns in dem Zusammenhang, wie ich dies Auf der einen Seite die Vermögenseinnahme, auf der angedeutet habe, auch einmal über die Geschäftspolitik anderen Seite das öffentliche Interesse, und dies nicht nur des Liegenschaftsfonds unterhalten sollten. – Danke unter stadtentwicklungspolitischer Sicht: Wir wissen, dass schön! wir in Treptow-Köpenick mit der NPD-Zentrale eine Partei haben, die ihre Netze in Richtung Rechtspropagan- da und rassistischer Politik aufbaut. Wir wissen, dass die Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Kameradschaften bei uns im Bezirk tätig sind. Allein aus Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat diesem Grund finde ich es richtig, dass es in unserem der Kollege Esser. Bezirk eine Art Gegenkultur gibt und diese erhalten bleibt. Joachim Esser (Grüne): [Beifall bei der Linksfraktion – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Anfang Beifall von Mario Czaja (CDU)] der Debatte, bis nun Herr Doering gesprochen hat, hatte Deswegen kommen wir nicht aus der Verpflichtung her- ich das Gefühl, dies ist eine Gespensterdiskussion. Insbe- aus – auch Sie nicht, Herr Scholz –, uns eindeutig zu sondere bei Frau Haußdörfer war es eine derartig verdeck- diesem Projekt zu bekennen und gemeinsam nach einem te Rede, dass man überhaupt nicht erkennen konnte, wa- vernünftigen Standort zu suchen. Hier schlägt der Bezirk rum dies heute ein Thema ist, warum es das Abgeordne- – nichts weiter habe ich gesagt – An der Wuhlheide vor. – tenhaus beschäftigt und warum es vielleicht auch nicht Jetzt gab es eine weitere Frage. ganz verkehrt ist, dass die FDP mit einem Antrag vorge- prescht ist. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Das Bild, das sich hier entworfen hat, ist folgendes: Es Es gab eine Zwischenfrage von Herrn Czaja von der handelt sich bei dem Mellowpark um ein – wie wurde CDU-Fraktion. – Bitte schön! bereits gesagt? – innovatives, erfolgreiches und von allen Fraktionen im Haus geschätztes, jedenfalls verbal unter- Mario Czaja (CDU): stütztes Jugend- und Sportprojekt. Das Gleiche gilt für den Bezirk, auch da mit allen Fraktionen. Und dennoch Herr Kollege! Sie haben aus meiner Sicht die Problemla- diskutieren wir darüber, dass der Fortbestand eines sol- ge richtig dargestellt. Das Grundstück in der Straße An chen Projekts, das allseits politisch gewollt ist, gefährdet der Wuhlheide ist um ein Vielfaches größer als das ist, wenn – wie richtig gesagt wurde – nicht rasch eine Grundstück, auf dem der Mellowpark derzeit vertreten ist. Lösung gefunden wird. Können Sie sich vorstellen, dass zwischen dem Liegen- schaftsfonds und dem Finanzsenator eine Einigung dar- Ich möchte mich jetzt nicht in die Auseinandersetzungen über gefunden wird, dass beide Interessen auf diesem und die Vorgeschichte sowie die Gerüchteküche vertie- Grundstück realisierbar sind? Wenn ja, in welchem zeitli- fen, wer wann was gemacht oder über wen gesagt, was chen Rahmen halten Sie das für möglich? angeboten oder abgelehnt hat. Ich lasse das alles weg. Das Haus und auch der Senat, der Finanzsenator, müssen aber Uwe Doering (Linksfraktion): meiner Ansicht nach wissen, dass es keine gute Lösung wäre, wenn der gesamte jetzt vorgezeichnete offizielle Zunächst einmal empfehle ich den entsprechenden Aus- Weg gegangen würde. Dann passiert auf dem TLG- schüssen, wenn das Geschäft eines Tages das Abgeordne- Grundstück, wo es wenn überhaupt nur noch um eine tenhaus erreichen sollte, sich den Vertrag und den ent- Verlängerung, eine Zwischenzeit gehen kann, irgendwann sprechenden Investor einmal genau anzusehen. Soweit die Räumung. Dann steht im Bezirk ein Ersatzstandort mir bekannt ist, soll es sehr dürftig sein, was der zukünf- nicht zur Verfügung. Dann kommt hier in das Abgeordne- tige Investor dem Liegenschaftsfonds dort an Vorstellun- tenhaus ein Vermögensgeschäft über den Verkauf des gen vorgelegt hat, wie er das Gelände entwickeln will. Geländes An der Wuhlheide/Paul-Zobel-Stadion zu den Das soll man sich genauer angucken! eben genannten Beträgen.

Andererseits sage ich, dass ich mir das vorstellen kann: Da es sich dabei um eine noch nicht entwidmete Sportan- Der Mellowpark ist zurzeit auf einer Fläche von rund lage handelt, kommt parallel dazu der Antrag an den 10 000 Quadratmetern. Würde man das Gelände, von dem Sportausschuss, Bauausschuss und Hauptausschuss, die- wir gerade reden, teilen, würden für den Mellowpark ses Gelände als Sportanlage zu entwidmen. Dann haben 30 000 Quadratmeter zur Verfügung stehen. Ich denke, wir hier eine Diskussion, die man als Golfplatz Wann- das wäre ein fairer Deal. Aber auch darüber müssen wir see II bezeichnen kann, wenn auch unter ganz anderen im Rahmen der Ausschussberatungen reden. Vorzeichen. Wir hätten es dann auch jederzeit in der Hand, lieber Herr Sarrazin, mit unserer Mehrheit dieses ganze Geschäft schon auf der Ebene, dass wir nicht

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Joachim Esser entwidmen, zu stoppen. Ich halte das für Unsinn, es bis Ich lasse jetzt zunächst über die Überweisung an den dahin kommen zu lassen. Ausschuss für Stadtentwicklung und Verkehr abstimmen, und zwar federführend auf Antrag von SPD und Links- Ich halte es für vernünftig – und dies wäre vor allem eine fraktion. Ich komme zur Abstimmung. Wer ist für diesen koalitions- und senatsinterne Klärung, aber auch aufseiten Antrag? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist der Opposition wäre jeder bereit, dabei mitzuhelfen –, dagegen? – Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer eine Lösung oder, wie es im FDP-Antrag heißt, eine trag- enthält sich? – Damit ist gemäß dem Antrag beschlossen. fähige Zukunftsperspektive bis zum Februar zu finden, damit wir die vor der nächsten Sitzung des Aufsichtsrates Dann komme ich zu dem weiteren Überweisungsantrag des Liegenschaftsfonds haben und damit nicht die Situati- an den Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie, wie- on eintritt, dass das Vermögensgeschäft weiterläuft und derum auf Antrag von SPD und Linksfraktion. Ich kom- dann die ganze Erpressungsnummer, die ich mit dem me wieder zur Abstimmung. Wer ist für diesen Antrag? – Wannseebeispiel genannt habe, mit all den Verwerfungen, Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? – die dies mit sich bringt. Ich glaube, deshalb ist die Schnel- Das sind die Oppositionsfraktionen. – Damit ist antrags- ligkeit erforderlich und deshalb ist auch klar, dass die gemäß beschlossen. FDP mit der Sofortabstimmung recht hat. Diesen Antrag nun durch drei Ausschüsse zu schicken, ist nicht sinnvoll. Jetzt komme ich zum Antrag auf Überweisung an den Die Entscheidung wird auch in der Realität früher getrof- Ausschuss für Sport auf Antrag der Fraktion der FDP. fen werden müssen. Wer für diesen Antrag auf Überweisung ist, den bitte ich [Vereinzelter Beifall bei den Grünen und der FDP] um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CDU, der FDP und der Grünen. Gegenstimmen? – Das sind die Ansonsten sind plötzlich im munteren Pingpongspiel, Koalitionsfraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt. nachdem Herr Doering wenigsten ein wenig von der Wahrheit gesagt hat, die verschiedenen Möglichkeiten Schließlich komme ich zum Antrag auf Überweisung an aufgezeigt worden. Die erste Möglichkeit ist: Wir geben den Hauptausschuss auf Antrag der Fraktion der FDP. schlichtweg dem Antrag des Bezirks statt und geben ihm Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzei- diese Sportanlage zurück. Soll er damit glücklich werden chen. – Das sind die Fraktionen der CDU, der FDP und samt den Kosten! Da sage ich aber auch, weil es nicht der Grünen. Wer ist dagegen? – Das sind die Koalitions- Schule machen kann: Ich schiebe die Sachen in den Lie- fraktionen. Damit ist auch dieser Antrag abgelehnt. genschaftsfonds, werde dadurch die Kosten los, und wenn ich das Grundstück wieder brauche, hole ich es zurück – Der Aufruf eines Tagesordnungspunkts 4 d – Priorität der dann wird man wohl die Verwaltungskosten und die in Fraktion der SPD – hat sich erledigt, da er bereits gemein- der Zwischenzeit entstandenen Kosten bezahlen müssen. same Priorität von Linksfraktion und SPD unter dem Tagesordnungspunkt 4 b war. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Die lfd. Nrn. 5 und 6 stehen auf der Konsensliste. Die lfd. Herr Kollege! Sie sind am Ende Ihrer Redezeit! Nr. 7 war Priorität der Fraktion der CDU unter dem Ta- gesordnungspunkt 4 a. Auch lfd. Nr. 8 steht auf der Kon- Joachim Esser (Grüne): sensliste.

Ja, ich beeile mich! – Die zweite Lösung – sie ist hier Ich komme jetzt zu genannt worden, und ich favorisiere sie: Das Grundstück Paul-Zobel-Stadion wird geteilt. Es passen beide Interes- lfd. Nr. 9: sen darauf. Dritte und meiner Ansicht nach schlechteste Große Anfrage Lösung, die im Raum ist, ist der Standort am S-Bahnhof Wuhlheide. Die Koalition ist aufgefordert – und das Ab- Keine Personal- und Aufgabenplanung des geordnetenhaus kann sie jetzt in der Abstimmung ein Senates – was kann der öffentliche Dienst der bisschen jagen –, sich auf die Schnelle für eine dieser drei Zukunft für die Bürger überhaupt noch leisten? Varianten zu entscheiden. Große Anfrage der CDU Drs 16/1915 [Beifall bei den Grünen – Eine Behandlung in unserer heutigen Sitzung erfolgt Vereinzelter Beifall bei der CDU und den Grünen] nicht, da die anfragende Fraktion der CDU um schriftli- che Beantwortung gebeten hat.

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Zur weiteren Großen Anfrage Drucksache 16/2041 unter Vielen Dank! – Die antragstellende Fraktion der FDP hat dem Tagesordnungspunkt 10 haben die Fraktion der SPD die sofortige Abstimmung beantragt. Es liegen jedoch und die Linksfraktion die schriftliche Beantwortung erbe- Anträge auf Ausschussüberweisungen vor, über die ich in ten, wie Sie der Konsensliste entnehmen können. Einzelabstimmungen beschließen lasse, da sich die Frak- tionen bisher nicht einigen konnten. Ich komme zu

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Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns lfd. Nr. 11: 6 800 000 Euro vor. Das heißt, für die Verkehrserschlie- Beschlussempfehlungen ßung, die Abfallentsorgung, die öffentliche und nichtöf- fentliche Erschließung stehen über 4 Millionen Euro zur Justizvollzugsanstalt jetzt professionell planen! Verfügung, also fast doppelt so viel wie für die externe Beschlussempfehlungen BauWohn und Haupt Erschließung. Das ist zumindest erklärungsbedürftig. Drs 16/1948 Antrag der CDU Drs 16/1213 Nun sind die Investitionskosten nur die Spitze des Eis- bergs. Die eigentlichen Haushaltsbelastungen stellen die Für die Beratung steht wieder eine Redezeit von bis zu Bewirtschaftungskosten über die Gesamtdauer der Nut- fünf Minuten zur Verfügung. Für die Fraktion der CDU zung dar. Auch dazu ein Beispiel für die unprofessionelle hat die Frau Abgeordnete Thamm das Wort. – Bitte Planungsweise der Senatsverwaltung. Die Gutachter ma- schön! chen deutlich, dass eine Klimatisierung nicht vorgesehen ist, ein Aspekt, der für die künftigen Energiekosten we- Monika Thamm (CDU): sentlich wäre, zumal der Bau über viele große Glasflä- chen verfügen wird, ein Umstand übrigens, der die Justiz- Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Her- senatorin zu der Äußerung veranlasste, ein Grund dafür ren! Im Jahr 2000 wurde erkannt, dass Berlin aufgrund sei, dass in der Anstalt Gebäudereiniger ausgebildet wer- der herrschenden Zustände in den Justizvollzugsanstalten den sollen. So weit zum Inhalt. dringenden Bedarf an einem Anstaltsneubau hat. Folge- richtig wurde im Haushaltsplan 2001 ein entsprechender Meine Damen und Herren von der SPD und der Linkspar- Titel mit einer Verpflichtungsermächtigung in Höhe von tei! Unser Antrag datiert vom Februar 2008 und wurde 20 Millionen DM eingerichtet. In der Begründung stand: vor dem Hintergrund eines Erfahrungshorizontes mit dem Die Gesamtkosten der Maßnahme werden auf 111 Projekt von über sieben Jahren gestellt. Wir haben in Millionen DM geschätzt. dieser Zeit immer wieder mit unseren Vorstößen errei- chen wollen, dass sich die teilweise unwürdigen Lebens- – Das sind heute ca. 60 Millionen Euro. – verhältnisse der Gefangenen und die Arbeitsbedingungen Die Verpflichtungsermächtigungen sind wegen der des Personals endlich verbessern. Auch die bisherige Dringlichkeit der Maßnahme nach § 24 Abs. 3 der Behandlung des Projekts Heidering durch die Senatsver- LHO veranschlagt. Es wird erwartet, dass die Bau- waltung lässt nur den Schluss zu, dass hier bislang nicht planungsunterlagen bis zum 1. Januar 2001 vorlie- mit der erforderlichen Professionalität herangegangen gen. wurde. Es steht zu befürchten, dass das Projekt zu einem Damals hat man in dieser Stadt noch versucht, erkannte Millionengrab wird. Unser Antrag wäre eine letzte Mög- Problemlagen zeitnah zu beseitigen. Die CDU hat sich lichkeit, wenigstens das zu verhindern. Deshalb bitten wir vor dem Hintergrund der Erfahrungen in anderen Bundes- um ihre Zustimmung. – Vielen Dank! ländern auch immer wieder dafür eingesetzt, das Projekt [Beifall bei der CDU] als Investorenmodell auszuschreiben, das auch unter dem

Aspekt, dass Planungs- und Bauzeiten bei privaten Inves- toren wesentlich kürzer als bei öffentlichen Baumaßnah- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: men sind. Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der SPD hat nun der Herr Abgeordnete Kohlmeier. – Bitte! Nun hatten wir den Regierungswechsel, und die SPD und die Linken halten es eher mit dem Volksmund, der da sagt: „Was lange währt, wird gut!“ – Ein trauriges Bei- Sven Kohlmeier (SPD): spiel dafür hatten wir heute schon, die Schulmisere. Op- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und timismus zu verbreiten, wäre also völlig verfrüht und fehl Herren! Sehr geehrte Kollegin Thamm! Wenn Sie sich am Platz. gesetzt haben, dürfen Sie meinem kleinen Hinweis lau- schen: Vielleicht lassen Sie einfach den großartigen Die Darstellung der Kostenentwicklung von 2001 Rechtspolitiker Rissmann zu dem Thema reden. Da ist bis 2007 auf 118,5 Millionen Euro ist ein deutliches Indiz wenigstens ein Stück fundiertes Fachwissen zu erwarten für unprofessionelle Planung. Ein weiteres Indiz sind die und möglicherweise auch ein Stück Qualität. Gleich sie- Ungereimtheiten in der Darstellung der Kostengruppen, ben Abgeordnete Ihrer Fraktion haben den Antrag unter- die erst nach zähen Diskussionen ausgeräumt wurden. schrieben: Pflüger, Goetze, Graf, Thamm, Gram, Seibeld, Erst auf Anforderung stellte die Senatsverwaltung den Rissmann. Ich gebe die Prognose ab, Sie hätten auch alle Abgeordneten ein Gutachten vom Dezember 2007 über aus der CDU-Fraktion unterschreiben können, da wäre Ver- und Entsorgungskonzepte zur Verfügung. Die Ex- tatsächlich nicht mehr zu erwarten gewesen. pertise macht deutlich, wie unprofessionell die bisherige Planung war. In ihr wird nämlich aufgeführt, dass die [Vereinzelter Beifall bei der SPD – externen Erschließungskosten mit einer Summe in Höhe Zuruf von Uwe Goetze (CDU)] von maximal 2 645 000 Euro zu Buche schlagen. Die Ich will den Versuch machen, Ihnen ein Stück weit zu entsprechende Planung der Verwaltung sieht bislang dafür helfen.

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Sven Kohlmeier [Uwe Goetze (CDU): Das ist doch unerträglich!] genheiten, Immunität und Geschäftsordnung hat sich die – Einfach zuhören, Herr Goetze! – Fraktion der Grünen zu Ihrem Antrag enthalten, obwohl die Grünen das Bauvorhaben sehr kritisch begleiten. [Uwe Goetze (CDU): Da kann ich nicht zuhören!] [Benedikt Lux (Grüne): Wäre ja auch schlimm, – Hören Sie doch einfach einmal zu! Oder melden Sie wenn wir Sie damit allein lassen würden!] sich und machen eine Intervention! – Wir waren es, lieber Kollege Goetze, die den Neubau der Justizvollzugsanstalt – Sie sind gleich dran, Herr Kollege Lux. – Die rot-rote Heidering als notwendig erkannt haben, weil es eine Koalition wird mit der Justizvollzugsanstalt Heidering die Überbelegung gibt und weil wir sie abschaffen wollen. Überbelegung abbauen. Wir werden die Arbeitsgelegen- Die rot-rote Koalition war es, die diesen Beschluss zum heiten und die Bedingungen für die Insassen und das Bau von Heidering im Abgeordnetenhaus gefasst hat. Es Personal verbessern. Das alles haben wir erreicht und ist die Justizsenatorin, die die Verhandlungen mit dem lassen es uns von Ihnen nicht schwarzmalen. Land Brandenburg führt. Wir als rot-rote Koalition haben bei den letzten Haushaltsberatungen die gesamte Fi- Zum Abschluss sage ich das, was ich bereits in meiner nanzierung für Heidering sichergestellt. Sie von der CDU Rede im Dezember gesagt habe: Dieser Antrag wird abge- haben sich in dem gesamten Verfahren nicht eingebracht. lehnt, und zwar mit einer großen Mehrheit. – Herzlichen Dank!

[Uwe Goetze (CDU): Waren Sie im Hauptaus- [Beifall bei der SPD – schuss dabei? – Nein!] Benedikt Lux (Grüne): Lassen Sie sich die Rede nächstes Mal lieber wieder von Während Sie Anträge schreiben und Anträge ins Plenum der Senatsverwaltung schreiben!] einbringen, haben Justiz und Bauverwaltung längst mit den Planungen begonnen. Zwischen der Justiz und der Bauverwaltung finden die Abstimmungen des Bauvorha- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: bens statt, es gibt ein Begleitgremium, dem die Staatssek- Das Wort für die Fraktion der Grünen hat der Kollege retäre Spranger, Lieber und die Senatsbaudirektorin Lü- Behrendt. – Bitte! scher angehören. Es gibt gesetzliche Vorgaben, die diese

Koalition und diese Regierung selbstverständlich einhal- ten werden. Dirk Behrendt (Grüne): [Uwe Goetze (CDU): Ha, ha!] Ich verrate Ihnen kein Geheimnis, wenn ich sage, dass wir Grünen die Planung eines neuen Gefängnisses auf der Ich muss Ihnen den Vorwurf machen, dass es Ihnen nicht Brandenburger grünen Wiese von Beginn an sehr kritisch darum geht, den fristgerechten und ordnungsgemäßen verfolgt haben. Die Entwicklungen der letzten zwei Jahre, Bauablauf sicherzustellen, sondern Sie wollen mit Ihrem insbesondere die der Gefangenenzahlen, bestätigen uns in Antrag chaotisieren, Sie wollen bürokratische Hürden unserer Skepsis. Hatten wir noch im Februar 2007 schaffen, und Sie wollen den Bau letztendlich verzögern. 5 600 Gefangene in den Berliner Gefängnissen, so waren

es am Ende des letzten Jahres nur noch knapp 5 000. Das Die Bauvorbereitung und die Bauplanung sind zurzeit ist ein Rückgang um mehr als 10 Prozent. So haben sich vollständig im Zeitplan. Die Arbeiten für die Vorpla- die Prognosen, die für den Knastneubau herangezogen nungsunterlagen und die Teilbauplanungsunterlagen zur wurden und einen kontinuierlichen Gefangenenzuwachs Außensicherungsanlage sind erfolgreich abgeschlossen. voraussahen, als falsch erwiesen. Das ist nicht besonders In der ersten Hälfte des Jahres 2009 werden die Baupla- überraschend. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass nungsunterlagen erstellt, und das Prüfungsverfahren wird wir aufgrund der Strafrahmenerweiterung vom Ende der durchgeführt. Sie werden die ersten sichtbaren Arbeiten 90er Jahre und dem Beginn dieses Jahrzehnts eine Gefan- auf dem Grundstück feststellen können, wenn Sie sich in genenspitze erreichen, die wieder abnehmen wird. das schöne Land Brandenburg begeben, und werden dort im Februar und März erkennen können, dass die Zudem unternimmt die Senatsverwaltung zwischenzeit- Erdaushubarbeiten begonnen haben. Ab Mitte 2009 lich erfreulicherweise mehr Anstrengungen bei den Zwei- werden die Bauarbeiten der Außensicherungsanlage Drittel-Entlassungen. Wir haben lange gefordert, dass in beginnen, und wenn Sie sich im Sommer nach diese Richtung etwas passiert. Auch das wird zu einem Brandenburg begeben, werden Sie sehen, dass da langsam Abbau der Gefangenenzahlen beitragen. Der Bedarf für auch ein Zaun entsteht. Parallel finden dazu die einen Gefängnisneubau ist dann noch kritischer zu sehen. Umsetzungen der Personalplanung und die

Vergabeverfahren statt. Im Jahr 2011 werden wir die JVA Wo falsche Gefängnisplanungen hinführen, kann man Heidering eröffnen. Es gibt keinen Grund, am Zeitplan zu sich in Hamburg – mit dem immer gerne Vergleiche an- z weifeln. geführt werden – ansehen. Hamburg hat die Gefangenen- Das sehen selbst die Kollegen der Jamaika-Koalition so. kapazitäten in den letzten zehn Jahren in erheblichem Im Hauptausschuss und im Ausschuss für Bauen und Umfang erweitert und ausgebaut. Sie haben heute eine Wohnen hat die FDP Ihrem Antrag nicht zugestimmt, und Auslastung von lediglich 60 Prozent. Diese Überkapa- auch im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangele-

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Dirk Behrendt zitäten von 40 Prozent kosten erhebliche Summen. Diesen Insgesamt halten wir an unserer Kritik an der Notwendig- Weg wollen wir nicht mitgehen. keit dieses Gefängnisbaus fest und werden uns deshalb [Beifall bei den Grünen] bei der Abstimmung enthalten. – Danke schön! Wir haben immer kritisiert, dass Heidering auf der grünen [Beifall bei den Grünen] Wiese entstehen soll, ohne jegliche vernünftige Anbin- dung an den öffentlichen Personennahverkehr. Da ist es Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: besonders schwierig, den wünschenswerten sozialen Kon- takt der Gefangenen mit ihren Familienangehörigen auf- Vielen Dank! – Das Wort für die Linksfraktion hat der rechtzuerhalten. Das wird völlig unnötig erschwert. Wenn Abgeordnete Doering. – Bitte! man schon neu baut, hätte man an eine Erweiterung eines Berliner Gefängnisses denken müssen und nicht an eine Uwe Doering (Linksfraktion): Planung weit ab vom Schuss auf der grünen Wiese. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag Schließlich zeigt auch die reale Kostenentwicklung – die der CDU ist dermaßen ohne Richtung, und auch nach dem Kollegin Thamm hat darauf hingewiesen, dass einiges aus Beitrag von Frau Thamm weiß man nicht so richtig, was dem Ruder gelaufen ist –, dass wir schon, ohne den ersten man dazu sagen soll. Nicht, weil man keine Ahnung hat, Spatenstich zu tun, eine Kostensteigerung von immerhin sondern weil man die Zielrichtung nicht erkennen kann. 50 Prozent haben. Das zeigt, dass die Justizverwaltung [Beifall von Wolfgang Brauer (Linksfraktion)] offenbar unsauber geplant hat. Das mussten wir auch bei einem anderen Vorhaben feststellen. Bei einem einfachen Das unverhohlen geringe Interesse bei der Behandlung Zaun für die Jugendstrafanstalt waren ebenfalls Kosten- des Antrags in den drei Ausschüssen, in der teilweise steigerungen festzustellen. Er sollte ursprünglich 900 000 noch nicht einmal die CDU selbst Stellung nehmen woll- Euro kosten. Zwischenzeitlich sind es 2,6 Millionen Euro. te, zeigt die Überflüssigkeit des Antrags. Genauso über- Das ist eine Verdreifachung der Kosten bei einem einfa- flüssig ist es nun, hier im Plenum eine weitere Rederunde chen Zaun. Man muss wirklich sagen, dass die Befürch- zu Selbstverständlichkeiten zu veranstalten. Es geht der tung der CDU, dass die Planung völlig schiefläuft und in CDU in dem Antrag darum, von vornherein die den falschen Händen liegt, vollkommen berechtigt ist. Spekulationen zu nähren, bei dem Bau und der Planung der JVA Heidering wäre geschludert worden und es seien [Beifall bei den Grünen und der CDU] intransparente Prozesse zu beklagen. Wenn man das Gefängnis tatsächlich baut, ist es richtig, das modern und professionell zu machen. Uns hat an dem Nichts davon ist der Fall. Von der Justizsenatorin wurde Antrag insbesondere ein Aspekt gefreut, den wir in den im Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenhei- Ausschüssen immer wieder angesprochen haben, nämlich ten, Immunität und Geschäftsordnung über die Aus- die Notwendigkeit, ein Blockheizkraftwerk zu schaffen schreibung, den Entwurf, die Planung und die Bauherren- und die Solarthermie in großem Umfang zu nutzen. Das tätigkeit, die von der Senatsverwaltung für Stadtentwick- ist in den bisherigen Planungen überhaupt nicht vorgese- lung übernommen wird, berichtet. Es gab eine öffentliche hen. Es mutet schon abenteuerlich an, dass ein Senat, der Präsentation des Architektenwettbewerbs und eine um- sich den Klimaschutz auf die Fahnen geschrieben hat, hier fangreiche Anhörung, bei der unter anderem auch der nach Grundsätzen des letzten Jahrzehnts plant und nicht ausführende Architekt als Gewinner des Wettbewerbs in der Lage und bereit ist, die Nutzung alternativer Ener- zugegen war. gien und effektiverer Energieversorgungen in die Planun- gen einzubeziehen. Es stellt sich also die Frage, was die CDU mit diesem Antrag bezwecken will, wenn doch alles seinen geregel- [Beifall bei den Grünen – ten Gang geht und das zudem in transparenter Weise Beifall von Uwe Goetze (CDU)] geschieht. Das ist insbesondere deshalb ärgerlich, weil – wie bei [Benedikt Lux (Grüne) meldet sich Krankenhäusern – die Leute in Gefängnissen rund um die zu einer Zwischenfrage.] Uhr anwesend sind und rund um die Uhr Wärme-, Warmwasser und Strombedarf besteht. Diese Technik Ich glaube, die Antwort darauf findet sich in der Begrün- könnte deshalb hier besonders gut genutzt werden. Wir dung des Antrags. Dort wird mehrfach darauf hingewie- müssen ja fast befürchten, dass Sie das Gefängnis, gleich sen – – wenn es fertig ist, in die Sanierungsprogramme einbezie- hen müssen, um sie energetisch zu verbessern. Wir sind Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: der Meinung, es ist sinnvoller, jetzt umzukehren. Man kann die Nutzung alternativer Energien, ein Blockheiz- Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lux von kraftwerk und Solarthermie noch in die Planungen einbe- der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen? ziehen. Steuern Sie hier um! Uwe Doering (Linksfraktion): Ja, bitte!

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das gleich sehen. Erklärtes Ziel des Antrags ist es, weitere Benedikt Lux (Grüne): Verzögerungen und Kostensteigerungen bei der Planung der JVA Heidering zu vermeiden. Das ist ein hochtraben- Herr Doering! Fänden Sie es nicht intelligent, bei einem der Titel, aber ein etwas schlichter Antrag, denn im Grun- solch großen Projekt ökologische Standards von vornher- de werden keine konkreten Forderungen gestellt, wie man ein einzuplanen? besser planen soll.

Uwe Doering (Linksfraktion): Die grundsätzliche Fragestellung ist allein interessant: Wie werden die Kosten bei öffentlichen Bauvorhaben Ich setze mich mit dem CDU-Antrag auseinander. Der gesteuert? – Aber darauf gibt der Antrag keine Antwort. sagt dazu nichts. Er ist, wie ich bereits erwähnte, nichts- Grundsätzlich befürchtet die CDU – und das haben wir sagend. auch heute zur Kenntnis genommen –, dass die Kosten- explosion den Bau insgesamt gefährden könnte. Aber für Das Einzige, was an diesem Antrag erkennbar ist, ist die diese Befürchtung gibt es zum jetzigen Zeitpunkt der Begründung – damit komme ich auf meinen Redebeitrag Planung keine konkreten Hinweise. In diversen Bespre- zurück –, in der die CDU darauf hinweist, dass die JVA chungen in den beteiligten Ausschüssen – im Rechtsaus- immer noch als PPP-Projekt realisiert werden sollte und schuss, im Ausschuss für Bauen und Wohnen und im die rot-rote Koalition das einfach nicht getan hat. Darum Hauptausschuss – sind die Planungsunterlagen, der Zeit- geht es in diesem Antrag. Damit setzen wir uns auseinan- ablauf und die Kosten der verschiedenen Leistungsphasen der. Es handelt sich um ein Nachtreten, weil Sie nicht detailliert dargestellt worden. akzeptiert haben, dass die eigenen Konzepte keine Mehr- heit gefunden haben. Und wie ein Blick nach Hessen Nun fordert der Antrag u. a. die Berücksichtigung beson- zeigt, hat die rot-rote Koalition vollkommen recht: Kon- derer energetischer Standards und Umweltaspekte. Hin- zepte des PPP im Justizvollzug sind nicht implementier- sichtlich der Notwendigkeit dieses Antrags gebe ich bar. Herrn Doering hierbei durchaus recht: Diese Forderung [Zuruf von Benedikt Lux (Grüne)] ist völlig unnötig, da diese Nachweise im Rahmen jedes Neubauplanungsprozesses erbracht werden müssen. Dies Nicht nur, weil es sich hierbei um eine hoheitliche Aufga- schreibt schon die Energiesparverordnung vor, und die be des Staates handelt, sondern es lohnt sich auch unter bautechnischen Nachweise sind notwendiger Teil der wirtschaftlichen Aspekten nicht. Die PPP-Projekte haben Bauplanungsunterlagen. gezeigt, dass sie teilweise nicht kostengünstiger, sondern sogar teurer als rein staatliche Gefängnisse arbeiten. Inso- Dann haben Sie die Forderung aufgestellt, wegen der fern ist die Frage meines Fraktionskollegen Lederer vom hohen Reinigungskosten solle auf Glasflächen verzichtet 21. Mai 2008 im Ausschuss für Verfassungs- und Rechts- werden. Das ist ebenfalls ein etwas merkwürdiges Argu- angelegenheiten, Immunität und Geschäftsordnung aktu- ment. Man hat die Assoziation von fensterlosen Beton- eller denn je: Was ist die Relevanz dieses Antrags? – Dem quadern mit Schießscharten, die dabei entstehen würden. habe ich nichts hinzuzufügen. Das wurde auch im Bauausschuss thematisiert. Nach [Beifall bei der Linksfraktion] heutigen Kenntnissen ist das kein besonders interessantes Gefängniskonzept.

Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: Ebenso fragwürdig und wenig hilfreich ist in diesem Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Zusammenhang die folgende Aussage der Grünen. Ich Kollege von Lüdeke. – Bitte! zitiere den Kollegen Esser, der im Hauptausschuss sagte, Ausgangspunkt der Diskussion sei gewesen, dass man mehr Glas habe verwenden wollen, weil es schön und Klaus-Peter von Lüdeke (FDP): auch nützlich sei, um Gefangene zu Fensterputzern aus- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir könnten zubilden. uns lange über Kostenentwicklungen bei öffentlichen [Beifall bei der FDP] Bauprojekten unterhalten oder über den Sinn oder Unsinn von PPP-Modellen. Wir tun das immer gern, um zu klä- Dann wollen Sie dabei noch das Urheberrecht erwerben, ren, ob PPP-Modelle sich besser eignen als öffentliche gehen aber nicht darauf ein, dass das zusätzliches Geld Finanzierungen und ob diese Projekte eine Eigendynamik erfordert. Diese Diskussion haben wir auch geführt. Es entfalten und schneller fertig werden. Darüber steht in dürfte eine kostspielige Angelegenheit sein, dort das Ur- diesem Antrag aber gar nichts drin, und deshalb möchte heberrecht zu erwerben. ich an dieser Stelle ungern darüber reden. Weiterhin macht die Forderung des Antrages, dass für [Uwe Doering (Linksfraktion): In der Begründung! jede Änderung des Raumprogramms die vorherige Zu- Sie haben den Antrag nicht gelesen!] stimmung des Hauptausschusses einzuholen sei, wenig Die Überschrift lautet: Justizvollzugsanstalt jetzt profes- Sinn. Das sorgt nur für zusätzlichen, unnötigen Verwal- sionell planen! – Ich gebe Ihnen völlig recht. Sie werden tungsaufwand und damit ebenfalls für Mehrkosten und Verzögerungen. Die Behauptung, eine – Zitat – enge

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Klaus-Peter von Lüdeke Kontrolle durch den Hauptausschuss könne kostendämp- Bezirke aus dem Jahr 2006 verglichen und behauptet, die fend wirken, ist wenig überzeugend. Nach unserer Kennt- Bezirke arbeiteten unwirtschaftlich und könnten mehr nis des Hauptausschusses kann man nicht davon ausge- sparen. Nun kann man alles mit allem vergleichen, aber hen, dass das kostendämpfend wirken würde. Wir würden wenn man aus seinen Vergleichen Schlüsse ziehen will, davon lieber Abstand nehmen. muss man wissen, wozu solche Vergleiche geeignet sind. Wenn Herr Sarrazin Zahlen aus dem Jahr 2003 mit denen Wie bei der Beschlussempfehlung im Ausschuss bereits von 2006 vergleicht, ist das an sich in Ordnung. Wenn er dargestellt wurde, ist das ein unnötiger Antrag, da er den aber den Schluss zieht, die Bezirke seien unwirtschaftlich, wichtigen Aspekt der Kosten- und Projektsteuerung in der befindet er sich in einer Schieflage. Der einzige Schluss, Planungs- und Bauphase durch das Land Berlin gar nicht der daraus zu ziehen wäre, ist der, dass früher alles billi- erfasst und keine konstruktiven Vorschläge zur Optimie- ger war. Herr Finanzsenator! Für diese Erkenntnis hätte es rung macht. Des Weiteren wird leider in mehreren Teilen keines Städtevergleichs bedurft. Das kann jeder aus den des Antrags eine gewisse Unkenntnis über die Abläufe Veröffentlichungen der Statistischen Ämter ablesen. von aktuellen Planungs- und Bauprozessen deutlich. Des- halb wird meine Fraktion hier und heute diesem Antrag Sie haben für Ihr Informationsbedürfnis die falsche Me- nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. thode gewählt oder aus der von Ihnen gewählten Methode [Beifall bei der FDP] die falschen Schlüsse gezogen – auf jeden Fall eine be- merkenswerte Fehlleistung. Die CDU-Fraktion ist dank- bar, dass die Bezirke diesen polemischen Vergleich kon- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: struktiv genutzt haben und entsprechende, methodisch fundierte Vergleiche organisierten, um ihre Leistungsfä- Bau- und Hauptausschuss empfehlen mehrheitlich – ge- higkeit zu hinterfragen und gegebenenfalls zu verbessern. gen die Stimmen von CDU und Grünen bei Enthaltung der FDP – die Ablehnung. Wer dem Antrag der CDU- Das war Gegenstand unserer Kritik und für uns Anlass, Fraktion zustimmen möchte, den bitte ich um das Hand- mit unserem Antrag Ihren im Grundsatz richtigen Gedan- zeichen. – Das ist die Fraktion der CDU. Wer ist dage- ken in eine qualifizierte Form zu bringen. Es geht uns gen? – Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer enthält darum, dass sich der Senat endlich der konstruktiven sich? – Die Fraktion der Grünen und die Fraktion der Kritik des Rates der Bürgermeister stellt und dessen For- FDP. Damit ist der Antrag abgelehnt. derungen Rechnung trägt, damit die unsachgemäße, un- durchsichtige und fehlerhafte Handhabung bei der Erstel- Ich rufe auf lung der Bezirkshaushalte ein Ende hat, damit den Bezir- lfd. Nr. 12: ken nicht mehr willkürlich Gelder vorenthalten werden, die sie dringend benötigen, und die Bevölkerung nicht Beschlussempfehlungen unter mangelhafter Gesundheitsfürsorge oder mangelhaf- Mehr Professionalität bei „Berlin im ter Vorsorge für Kleinkinder, unzumutbaren baulichen Städtevergleich“ Zuständen in Schulen und im Straßennetz, überlangen Bearbeitungszeiten bei den Ämtern und Ähnlichem zu Beschlussempfehlungen VerwRefKIT und Haupt leiden hat. Drs 16/1999

Antrag der CDU Drs 16/0897 Ihre Beschlussempfehlung, die Sie uns vorsetzen, wird Auch hier steht jeder Fraktion eine Beratungszeit von bis diesem Ansinnen nicht mehr gerecht. Berlin hat mit seiner zu fünf Minuten zur Verfügung. Verwaltungsreform Mitte der 90er-Jahre einen mutigen Gedanken entwickelt, der noch immer beispielhaft ist und Das Wort für die CDU-Fraktion hat Kollegin Thamm. – der die Möglichkeit gibt, diese Stadt zu führen und zu Bitte schön! einer Stadt zu machen, in der sich Bürgerinnen und Bür- ger angenommen und wohlfühlen. Dies ist der Gedanke Monika Thamm (CDU): der Outputorientierung: Nicht mehr das Geld, sondern die Leistung Berlins für die Bürgerinnen und Bürger sollte in Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Her- den Mittelpunkt politischen Handelns gerückt werden. ren! Uns liegt die Beschlussempfehlung zu unserem An- Der Finanzpolitik sollte in diesem Sinne eine dienende trag: „Mehr Professionalität bei ‚Berlin im Städtever- Funktion zugeordnet werden. Sie kleben an einem über- gleich’“ vor. Hätten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen kommenen kameralen Finanzsystem, in dem immer nur von der SPD und von der Linken, unseren Antrag abge- alle auf das Geld sehen und nicht auf das, wofür dieses lehnt, wäre eine Kommentierung hier im Plenum entbehr- Geld dienen sollen. lich. Das, was Sie aus unserem Antrag gemacht haben, bedarf jedoch des Kommentars. Ihre Begriffsstutzigkeit findet inzwischen auch ihren Niederschlag in der Fachöffentlichkeit. Ich zitiere aus Gegenstand unseres Antrags war der Bericht „Berlin im dem Artikel: „Sarrazins Rechnung geht nicht auf“ von Städtevergleich“ des Senators für Finanzen aus dem Jahr Prof. Budäus aus dem „Neuen Kämmerer“ vom Juli 2008: 2007. Herr Dr. Sarrazin hat damals Finanzdaten deutscher Städte aus dem Jahr 2003 mit den Zahlen der Berliner

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Monika Thamm Zwar mag es noch einzelne Politiker und Verwal- tungsmanager geben, die über die Fähigkeit und Das System der Vergleichsringe ist ein vernünftiges Sys- das Verantwortungsbewusstsein verfügen, auch tem, aber auch ein verbesserungsfähiges System. Die auf Basis der Kameralistik ein Gemeinwesen in Kritik der Bezirke setzt an der Willkürlichkeit des Vergli- Ordnung zu halten. Nur kann es nicht im Ermessen chenen an. Ich sagte es eingangs: Wir können Bezirke Einzelner liegen, ob und wann sie trotz der unzu- nicht ohne Weiteres mit x-beliebigen Kommunen in länglichen Kameralistik verantwortungsvoll han- Deutschland vergleichen. Vor allen Dingen aber wollen deln. wir, dass die Bezirke bei der Erstellung der vom Senat Und weiter: initiierten Vergleiche angemessen einbezogen werden. Wir wollen die Bezirke nicht mit Vergleichen provozie- In einer virtuellen kameralen Welt scheinen sich ren, sondern wir wollen die Unterstützung der Bezirke zur nach wie vor Teile von Politik und Verwaltung Verwaltungsoptimierung gewinnen. – Deswegen, Frau wohler zu fühlen, da wesentliche Folgewirkungen Thamm, läuft Ihre Kritik ins Leere, denn wir haben das, ihrer Entscheidungen unberücksichtigt bleiben. was uns aus dem Rat der Bürgermeister zugetragen wur- Prof. Budäus plädiert in diesem Sinne nicht nur für die de, aufgegriffen und in diesem Antrag so formuliert. Einführung des betrieblichen Rechnungswesens, sondern er sieht auch die unbedingte Notwendigkeit einer institu- Wir unterstützen das Bemühen des Senats, ein einheitli- tionellen Verpflichtung, ein derart strukturiertes System ches und belastbares Kennzahlensystem zu entwickeln zu nutzen. Das war Gegenstand unseres Antrags, was Sie und das System der Vergleichsringe insgesamt zu effekti- in Ihrer eingeschränkten Sicht nicht erkennen wollen. vieren und zu verbessern. Deshalb haben wir den Senat in Deshalb müssen wir Sie mit Ihrer Beschlussempfehlung, seinen bisherigen Bemühungen unterstützt und werden die mit unserem Antrag nichts mehr gemeinsam hat, und das auch weiter tun und haben den Antrag in der vorlie- mit Ihrer Begriffsstutzigkeit allein lassen. – Vielen Dank! genden Fassung eingebracht. Wir rechnen auf eine breite Mehrheit des Hauses. – Vielen Dank! Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Vielen Dank! – Für die Fraktion der SPD spricht der Kollege Treichel. Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns:

Vielen Dank! – Das Wort für die Fraktion der Grünen hat Peter Treichel (SPD): der Kollege Birk. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Frau Thamm! Ihre Kritik daran, dass wir uns der Diskussion Thomas Birk (Grüne): gestellt haben, die Sie mit Ihrem Antragsentwurf im Aus- schuss initiiert haben, habe ich nicht verstanden. Dass wir Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! anders damit umgehen und auch etwas andere Schlussfol- Wir kennen das alle – Herr Sarrazin und seine berüchtig- gerungen ziehen, werden Sie uns nachsehen, aber es gab ten Folien. Vor gut zwei Jahren war es einmal wieder so überhaupt keinen Grund, diesen Antrag und das Thema, weit, Herr Sarrazin präsentierte einen Städtevergleich das Sie angesprochen haben, abzulehnen. zwischen den Berliner Bezirken und 27 weiteren Städten. Was wurde verglichen? – In der Regel eine einzige Kenn- Vergleiche sind niemals unproblematisch. Sie werden zahl, zum Beispiel die Anzahl der Fälle bei Sozialleistun- vom Vergleichenden und vom Verglichenen unterschied- gen oder die Größe der Grünflächen, mit der Anzahl der lich wahrgenommen. Man bewertet das anders, das liegt Vollzeitäquivalente. Das war es. Kein Wort darüber, in- in der Natur der Sache. Deswegen fragen wir: Weshalb wieweit die Leistung vom Amt selbst oder durch kosten- vergleichen wir? Was vergleichen wir? Und wer arbeitet verursachende Externe erbracht wurde, kein Wort zu den an der Erstellung der Vergleiche mit? tatsächlichen Kosten – nicht einmal zu den Personalkos- ten –, die tatsächlich bei den Kommunen anfallen! Kein Fest steht für uns: Es reicht nicht, willkürlich Zahlen Wort zur Altersstruktur der Mitarbeiterinnen und Mitar- irgendwelcher Kommunen mit denen unserer Bezirke zu beiter, kein Wort zur Ausstattung der Behörden, kein vergleichen, wir müssen das etwas substanzieller tun. Wort zur Qualität der Leistungen, zum Beispiel zu Warte- „Berlin im Städtevergleich“ soll uns helfen, die Verwal- zeiten, zur Bearbeitungsdauer oder zur Zufriedenheit der tungen des Landes und der Bezirke zu optimieren. Des- Kunden! – Das ist kein professioneller Vergleich, Herr wegen wollen wir Berlin mit anderen Metropolen in Sarrazin! Deutschland vergleichen – davon gibt es nicht so viele – [Beifall bei den Grünen] und auch mit anderen Metropolen in Europa. Wir wollen Auch kein Wort darüber, dass einige der Kommunen Bezirke miteinander vergleichen. Wir wollen, dass Kom- selbst in der Haushaltssicherung stecken und quasi nur munen in Deutschland miteinander verglichen werden, den Mangel verwalten! Solche Vergleiche bringen und wir wollen Erkenntnisse aus dem System der nationa- Schlagzeilen, sie sorgen sicher für Unmut bei den Betei- len Kooperationsgremien, der Vergleichsringe, auswerten ligten, aber professionell sind sie nicht. und für uns angemessen nutzbar machen.

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Thomas Birk [Beifall bei den Grünen] gründliche Aufgabenkritik und Analyse und eine gezielte Das treibt dann solche Blüten wie das Verhältnis von Personalentwicklung vornehmen. Dabei könnten solche Medienbestand und Vollzeitäquivalenten in Bibliotheken. Städtevergleiche im Sinne des Ursprungsantrags der CDU Wir wissen, dass der Medienbestand der bezirklichen hilfreich sein. Dafür müssten Sie aber dem Finanzsenator Bibliotheken seit Jahren sinkt, weil die Bezirke Kürzun- Vorgaben machen, und dazu haben Sie in der Koalition gen der Sachmitteletats vornehmen mussten. Aber sollen nicht den Mut, Herr Treichel! Aber für so sinnentstellende sie deswegen jetzt auch noch ihr Fachpersonal wegspa- Änderungsanträge im Sinne der Koalition stehen wir nicht ren? zur Verfügung. – Vielen Dank! [Beifall bei den Grünen] Da wäre es sinnvoller, andere Fragen zu stellen: Wie können wir so geschickt durch Technik rationalisieren und gleichzeitig die Leistungen der Bibliotheken so stei- Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: gern, dass der Bildungsauftrag der Bibliotheken erhalten Vielen Dank! – Das Wort für Die Fraktion Die Linke hat bleiben kann, und das möglichst in allen Bezirken zu der Abgeordnete Dr. Zotl. gleicher Qualität? – Dazu hatte der letzte Senat unter Flierl mit den Bezirken ein Modell entwickelt. Aber es wurde von Herrn Wowereit persönlich vom Tisch ge- Dr. Peter-Rudolf Zotl (Linksfraktion): wischt, mit der Folge, dass weitere Bezirksbibliotheken Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! schließen mussten und die Qualität weiter sehr zu wün- Vor einigen Monaten verglich die Finanzverwaltung die schen übrig lässt – übrigens zu einem relativ hohen Preis. Verwaltungskosten in den Berliner Bezirken mit denen in So werden die Reformbemühungen von diesem Senat anderen Kommunen außerhalb Berlins. Das Ergebnis war erstickt, und das ist leider kein Ausnahmebeispiel. für die Bezirke deprimierend: Überall woanders gab es [Beifall bei den Grünen] die angeblich gleichartigen Leistungen zu niedrigeren Kosten. Daraus zog die Finanzverwaltung die Schlussfol- Noch ein kurzes Beispiel: Gestern war ich mit Frau Ko- gerung, dass die Bezirke mit weniger Geld auskommen sche im Gesundheitsamt in Marzahn-Hellersdorf mit dem könnten, wenn sie sich die Erfahrungen anderer Kommu- Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung. nen beim effizienten Umgang mit Geld aneigneten. Dieser Dort gibt es im ganzen Hause nur zwei Computer, die Vergleich hat viel Aufregung ausgelöst – und zu Recht. einen Internetanschluss haben. Die meisten Mitarbeiterin- Auch wir waren und sind – ebenso wie der Rat der Bür- nen und Mitarbeiter müssen zu Hause im Internet arbei- germeister – der Auffassung, dass ein reiner Kostenver- ten. Übrigens waren auch drei Stellen nicht besetzt, für gleich bei Verwaltungsdienstleistungen nur dann möglich die zwar das Geld vorhanden ist, aber nicht die Genehmi- ist, wenn es sich um die gleichen Leistungsqualitäten gung, sie zu besetzen. – Das sind die Standards in der handelt. Berliner Verwaltung 2009. Es ist erbärmlich. [Beifall bei den Grünen] Eine gleichartige Leistungsqualität ist zwischen unseren Bezirken und den meisten anderen Kommunen nicht Die CDU hat nun gefordert, dass Städtevergleiche zu- gegeben. Wir sind in Berlin bei aller Kritik im Einzelnen künftig ergebnisorientiert sein sollen, dass strukturelle auf dem Weg zu einer bürgernahen Dienstleistungsver- Unterschiede und Erträge berücksichtigt werden sollen waltung weit vorangeschritten. Bei uns sind Maßstäbe zur und der Overhead in der Senatsverwaltung einberechnet allgemeinen Norm geworden, über die man woanders wird. Das entspricht auch den Forderungen des Rates der noch gar nicht nachdenkt. Auch unabhängige Expertisen Bürgermeister. Es sind alles sinnvolle Vorschläge, die wir bescheinigen Berlin genau dieses. Längst ist es bei uns nur unterstreichen können. zum Beispiel üblich, dass in den Bürgerämtern alle An-

liegen, mit denen der Einzelne kommt, aus einer Hand Was macht die Koalition? – Sie dehnt die Geschäftsord- und zumeist sofort erledigt werden. Durchgesetzt hat sich nung des Abgeordnetenhauses sehr aus, indem sie einen das Lebenslagenprinzip, das heißt, wer sich ummeldet, komplett anderen Antrag daraus macht. Sie bezieht sich wird auf eine Reihe weiterer, damit in Zusammenhang auf die Vergleichsringe, an denen einige Berliner Verwal- stehender Leistungen aufmerksam gemacht, zum Beispiel, tungen sich beteiligen, und fordert den Senat auf, diese ob man die Autozulassung ändern muss, einen Kitaplatz Kooperation auszubauen. Das hat nun wirklich nichts, beantragen muss, ob die Hundesteuer umgemeldet werden aber auch gar nichts, mit den sarrazinschen Vergleichen muss usw. Das wird dann sofort erledigt. Mit den mobilen zu tun. Die Vergleichsringe sind zum einen anonym, sie Bürgerämtern und dem Ausbau des Online-Behörden- werden längerfristig vollzogen, und zum anderen wird gangs hat längst ein grundlegender Wandel in der Verwal- dort auch die Qualität von Leistungen verglichen Es geht tungskultur begonnen, denn immer öfter kommt das Amt bei den Vergleichsringen also um weit mehr als um das zum Bürger und werden Behördengänge überflüssig. Köpfezählen à la Sarrazin. Erwähnen möchte ich auch die durchgängige Einrichtun-

gen von Spät- und Wochenendsprechstunden sowie die Wir können diesem Senat nur empfehlen: Wenn in den elektronische Sofortbearbeitung von Bürgeranliegen. nächsten Jahren nicht ganze Behörden wegen Altersfluk- tuation zusammenbrechen sollen, müssen Sie endlich eine

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Dr. Peter-Rudolf Zotl Das alles gibt es in Berlin. Das ist der Leistungsumfang in Dr. Peter-Rudolf Zotl (Linksfraktion): Berlin, und das gibt es oftmals nirgendwo anders. Das ist Darf ich noch zwei Sätze sagen? in hohem Maße bürgernah, aber mit einer völlig anderen

Kostenstruktur verbunden, als wenn es sich nur um die Entgegennahme von Anträgen handelt, wie es anderswo Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: oft noch der Fall ist. Kurz, all das muss man beachten, Einen Satz! wenn man Verwaltungsleistungen miteinander verglei- chen will. Genau das hat der Rat der Bürgermeister gefor- dert, und ich wiederhole: zu Recht. Dr. Peter-Rudolf Zotl (Linksfraktion): Wir wollen nicht nur die bezirkliche Ebene vergleichen, Die CDU hat nun die Kritik des Rates der Bürgermeister sondern wir wollen die gesamten Verwaltungen für Ver- aufgenommen und daraus einen Antrag formuliert. So gleiche öffnen. berechtigt die Kritik der Bürgermeister war, so irrefüh- rend und so unseriös ist der CDU-Antrag. Wir sehen das Drittens. Es geht nicht darum, einzelne Kriterien für einen vor allem aus drei Gründen: Einzelfall aufzugreifen und sie für immer zu stabilisieren und zu statuisieren, sondern es geht darum ein demokrati- Erstens. Im RdB gab es durchaus auch Zustimmung zu sches Verfahren zu finden, damit alle Betroffenen betei- einzelnen Seiten des insgesamt umstrittenen Vergleichs. ligt werden bei der jeweiligen Erarbeitung der Kriterien Spätestens als sich ein Bürgermeister vor Ort umgesehen für den konkreten Vergleich. Das ist der Sinn unserer hatte, bekam die Diskussion eine sachliche und kon- Änderungen. Ich bitte Sie herzlich, diesen zuzustimmen. struktive Ebene. Mit einer reinen Ablehnung hatte diese Diskussion nichts mehr zu tun. Das reflektiert der CDU- [Beifall bei der Linksfraktion – Antrag auf keinen Fall. Vereinzelter Beifall bei der SPD]

Zweitens. Die CDU greift einen einzelnen Vergleich auf Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: und macht gewissermaßen Pars pro Toto aus dieser unzu- reichenden Grundlage jegliche Vergleiche nieder, die der Vielen Dank! – Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Senat dankenswerterweise unternimmt. Kollege Schmidt.

Drittens. Daraus leitet die CDU die Grundintention ihres Henner Schmidt (FDP): Antrags ab, dass man den Senat erst einmal zu seriösen Vergleichen zwingen müsse. Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Zotl! Was Sie eben gesagt haben, bezieht sich nicht auf den Alle diese drei Punkte entsprechen nicht der Realität. Antrag der CDU. Dieser geht überhaupt nicht auf Einzel- Darüber haben wir im Ausschuss ausgiebig diskutiert. fälle ein, sondern es ist ein Antrag, der sich mit methodi- schen Fragestellungen beschäftigt. Dieser Antrag wurde Wir wollten aber den Antrag nicht grundsätzlich ableh- von der Koalition komplett ersetzt durch irgendein Trala- nen, weil das grundsätzliche Anliegen des RdB auch das la. Was uns als Beschlussempfehlung vorliegt, ist absolut unsere ist. Deshalb haben wir drei Änderungen einge- trivial und wird vom Senat sowieso schon gemacht. Das reicht und in einer Beschlussempfehlung des Ausschusses haben wir im Ausschuss diskutiert. Also wozu ist dann für Verwaltungsreform verankert: dieser Koalitionsantrag da?

Erstens. Der Senat muss unterstützt werden, denn Berlin Der Antragstext der CDU ist anders. Der möchte metho- gehört zu den Pionieren, wenn es um seriöse Verwal- disch klären, wie man in Zukunft Vergleiche machen tungsvergleiche geht. Die allermeisten Vergleiche sind kann, die nicht so hinken wie die von Herrn Sarrazin und seriös und professionell. Das wird auch, bis auf die Oppo- anderen, sondern wie man dafür eine solide Grundlage sition in diesem Haus, wie wir gehört haben, von nieman- erstellt. Frau Thamm hat es dargestellt: Es handelt sich dem bestritten. Der Widerstand gegen solche Vergleiche nicht um Theorien, sondern auf den Ergebnissen dieser kommt von anderen Ländern und Kommunen. Hier Vergleiche werden Leistungsumfang und die Ausstattung braucht der Senat die deutliche Unterstützung, so weiter- von Institutionen festgelegt. Das ist also für die Leis- zumachen. Er braucht die Stärkung durch das Parlament, tungserbringung gegenüber den Bürgern wichtig. Jede der und er braucht keine ungerechtfertigten Schmähungen. drei ursprünglichen Forderungen des CDU-Antrag ist richtig und hat eine wichtige Bedeutung. Zweitens. Der erste Punkt: Vergleiche müssen outputorientiert sein. Herr Dr. Zotl! Sie haben das eben auch bestätigt. Deshalb Vizepräsident Dr. Uwe Lehmann-Brauns: verstehe ich nicht, weshalb Sie das dann hier ablehnen. Es Sie sind am Ende Ihrer Redezeit, Herr Dr. Zotl! ist nämlich nicht nur wichtig, wie viel Geld pro Buch oder pro Quadratmeter Grünfläche hineingesteckt wird, son- dern auch, was herauskommt. Dann kann man einen

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Henner Schmidt Quadratmeter Blumenbeet am Pariser Platz nicht mit Die Beratung wurde für heute vertragt. einem Quadratmeter Wiese vergleichen. Die lfd. Nrn. 17 und 18 stehen auf der Konsensliste. Es ist wichtig – das ist die zweite Forderung der CDU –, die Einnahmeseite zu berücksichtigen und die Zahlen Lfd. Nr. 19: strukturell vergleichbar zu machen. Das heißt, wer mehr Einnahmen generiert, weil er eine bessere Leistung er- Beschlussempfehlung bringt, darf sich auch höhere Kosten leisten. Entscheidend Lebensmittelsicherheit ist das A und O einer ist, dass dann der Zuschuss oder die Kostendeckung guten Verbraucherpolitik gleich sind. Das ist für Berlin nicht irrelevant, denn es trifft die Musikschulen oder die Volkshochschulen. Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/2027 Antrag der CDU Drs 16/1259 Das Dritte finde ich auch wichtig: die Berücksichtigung Die Beratung wurde für heute vertagt. des Overheads in den Senatsverwaltungen. Es gibt in den Senatsverwaltungen Mitarbeiter, die Dinge machen, die eigentlich bezirkliche Aufgaben sind. Es fängt mit der Lfd. Nr. 19 A: Koordination City West an, es wird irgendwann aufhören Dringliche Beschlussempfehlung mit dem, was Sie ja wollen, mit der Verwaltung zentraler Vermögensgeschäft Nr. 6/2006 des Plätze, und da ist es richtig, dass dieser zusätzliche zentra- Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte le Verwaltungsaufwand in die Städtevergleiche einbezo- gen wird und der Senat ihn nicht herausrechnet. Aber da Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2058 ist es wieder so: Der Senat ist beim Kürzen und Verglei- Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß chen, wenn es um die zentralen Funktionen geht, nicht so § 38 Abs. 1 GO Abghs kritisch wie bei den Bezirken. Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widerspro- chen. Die CDU hat also drei konkrete methodische Vorgaben vorgeschlagen. Sie entsprechen dem Stand moderner Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss Vergleichsansätze. Wir als FDP können sie nur unterstüt- empfiehlt einstimmig bei Enthaltung der Oppositionsfrak- zen. tionen die Annahme des Vermögensgeschäfts. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wenn jetzt die Koalition diese minimalen methodischen Das sind die Regierungsfraktionen. Danke. Die Gegen- Anforderungen nicht akzeptiert, wendet sie sich eigentlich probe! – Dann ist das so weit einstimmig. Enthaltungen gegen aussagefähige Städtevergleiche als Ganzes. Des- der Oppositionsfraktionen! halb lehnen wir als FDP die Neufassung der Koalition ab. Dann komme ich zu – Vielen Dank! lfd. Nr. 19 B: [Beifall bei der FDP] Dringliche Beschlussempfehlung

Vermögensgeschäft Nr. 21/2008 des Präsident Walter Momper: Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Danke schön, Herr Kollege! Die Ausschüsse empfehlen Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2059 mehrheitlich gegen die Stimmen der Oppositionsfraktio- Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß nen die Annahme des Antrags mit neuer Überschrift und § 38 Abs. 1 GO Abghs in neuer Fassung. Wer so gemäß der Drucksache 16/1999 beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Der Dringlichkeit wird ersichtlich nicht widersprochen. Das sind die Regierungsfraktionen. Danke! Die Gegen- probe! – Das sind die Oppositionsfraktionen. Ersteres war Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss die Mehrheit, deshalb ist das so beschlossen. empfiehlt einstimmig die Annahme des Vermögensge- schäfts Nr. 21/2008. Wer so beschließen möchte, den bitte Die lfd. Nr. 13 hatten wir bereits mit der Aktuellen Stunde ich um das Handzeichen! – Das sind alle Fraktionen. aufgerufen. Die lfd. Nrn. 14 und 15 stehen auf der Kon- Danke schön! – Gegenstimmen sehe ich nicht, Enthaltun- sensliste. gen auch nicht. Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich komme zu Lfd. Nr. 16: Beschlussempfehlung Keine Aufweichung des Nachtflugverbots bei BBI Beschlussempfehlung StadtVerk Drs 16/2003 Antrag der Grünen Drs 16/1119

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Präsident Walter Momper lfd. Nr. 19 C: der Menschen, die über 100 Jahre alt sein werden, deut- Dringliche Beschlussempfehlung lich ansteigen. Das heißt, dass – statistisch gesehen – einige von uns, die jetzt über fünfzig sind, eine gute Änderung des Beschlusses zur Einsetzung eines Chance haben, auch 2050 noch mit dabei zu sein. Untersuchungsausschusses „Spreedreieck“ Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2060 Jede und jeder Zweite wird heute schon über 80. Dem- Antrag der SPD, der CDU, der Linksfraktion, nach werden 2030 unter den Ex-Abgeordneten, die dann der Grünen und der FDP Drs 16/1986 älter als 80 Jahre sein könnten, zehn noch am Leben sein. Sie, Kolleginnen und Kollegen der Linken, Sie sind hier Der Dringlichkeit wird offensichtlich nicht widerspro- im Haus die älteste Fraktion mit einem Altersdurchschnitt chen. von 48,4 Jahren – unsere Oldies. Das war die gute Nach- richt. Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Der Hauptausschuss empfiehlt einstimmig die Annahme des Antrags auf Die schlechte Nachricht: Selbst wenn man zu den zehn Drucksache 16/1986. Wer so beschließen möchte, den Gewinnern gehört und 2030 als über 80-Jähriger noch da bitte ich um das Handzeichen! – Das sind wieder alle ist – man weiß nicht so richtig, wie es einem dabei erge- Fraktionen. Danke schön! – Die Gegenprobe! – Keine hen wird. Bereits jetzt liegt der Anteil der Menschen mit Gegenstimmen. Dann ist das einstimmig so beschlossen. Pflegebedarf in der Gruppe der 85-Jährigen und älter bei Enthaltungen sehe ich nicht. 40 Prozent. Das bedeutet, dass 2030 von nun noch zehn lebenden Ex-Abgeordneten vier mit Pflegebedarf rechnen Ich komme zu müssen. 2050 wird es für uns alle hier ziemlich ernst. lfd. Nr. 20: Selbst junges Gemüse wie unsere Abgeordnete Clara Hermann oder der SPD-Abgeordnete Lars Oberg werden Zusammenstellung im Alter sein, wo sie mit Krankheit, Behinderung und Vorlagen – zur Kenntnisnahme – Pflegebedarf rechnen müssen. gemäß Artikel 64 Abs. 3 VvB Wer wird die Pflege übernehmen? Die Familie? Das ist Drs 16/2025 sehr ungewiss. Die Beziehungen ändern sich sehr, und Die Fraktion der CDU bittet um Überweisung der laufen- junge Menschen müssen heute mobil sein. Werden wir den Nr. 4 – das ist die Verordnung Nr. 16/144 über Neu- genug Altenpflegerinnen und -pfleger haben? Werden wir erlass der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung überhaupt genug Pflegekräfte haben? Die Herausforde- des allgemeinen Vollzugsdienstes an Justizvollzugsanstal- rungen auf diesem Gebiet sind schon sehr groß. ten – an den Rechtsausschuss, wozu ich keinen Wider- spruch höre. Dann ist das so beschlossen. Wer ignoriert, dass hier jetzt gehandelt werden muss, der verhält sich nicht nur gegenüber Menschen verantwor- Weitere Überweisungswünsche liegen mir nicht vor. Das tungslos, die heute oder in der nächsten Zeit pflegebedürf- Haus hat damit von den übrigen Verordnungen Kenntnis tig werden, sondern verdrängt auch die eigene voraus- genommen. sichtliche Betroffenheit. Wir müssen Vorsorge treffen, wenn wir für die künftige Altersgeneration eine men- Die lfd. Nrn. 21 und 22 stehen auf der Konsensliste. schenwürdige Versorgung sichern wollen.

[Beifall bei den Grünen] Ich komme zu Das Land ist für diese Entwicklung nicht alleine verant- lfd. Nr. 23: wortlich. Aber wir haben klare Aufgaben zu erledigen. Antrag Das Erste, was wir tun müssen, ist, dafür zu sorgen, dass Zukunftsplan Pflege vorlegen demnächst, ausgehend von heutigen Erkenntnissen und Entwicklungen, eine differenzierte Bedarfsprognose für Antrag der Grünen Drs 16/1976 Berlin erarbeitet wird, die dann einen Zukunftsplan Pflege Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- und eine Handlungsstrategie Pflege bis mindestens 2030 zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt ermöglicht. Wir müssen Einschätzungen über das zu die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in erwartende Pflege- und Demenzrisiko bekommen, über Person der herbeieilenden Frau Villbrandt. – Bitte schön, die Entwicklung von Helferpotenzialen, über den zu er- Frau Villbrandt, Sie haben das Wort! wartenden Bedarf an Fachkräften unterschiedlicher Aus- bildungsniveaus in der ambulanten und stationären Pfle- ge, über den zu erwartenden Bedarf an neuen Wohn- und Jasenka Villbrandt (Grüne): Pflegeformen, über den zu erwartenden Bedarf an ziel- Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Sie alle gruppenspezifischen Angeboten wie zum Beispiel für schon ziemlich müde sind, möchte ich Sie zuerst mit einer Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderungen positiven Prognose erfreuen: Die Lebenserwartung in und mit gerontopsychiatrischen Erkrankungen. Schließ- Deutschland nimmt ständig zu. Bis 2050 wird der Anteil lich müssen wir einen Maßnahmeplan entwickeln und mit seiner Realisierung beginnen. Natürlich müssen alle re-

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Jasenka Villbrandt levanten Akteure der Pflege sowie die Träger von pflege- Ihnen gefordertem Umfang innerhalb von zehn Wochen rischen Ausbildungsberufen beteiligt sein. Diese zu- möglich ist. kunftsweisende Perspektive hat der Pflegeplan des Senats [Jasenka Villbrandt (Grüne): Wir von 2006 nicht geleistet. verändern den Termin!]

Wir erwarten eine konstruktive Auseinandersetzung mit Sie wissen aber auch, dass der Senat festgelegt hat und diesem Antrag. Meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Sie darüber in Kenntnis gesetzt worden sind, dass 2010 zuständigen Ausschuss, insbesondere Sie, Frau Schulze, der Landespflegeplan weiterentwickelt werden wird. Der möchte ich freundlich daran erinnern, dass wir fraktions- alte ist bis zu diesem Zeitpunkt gültig. Auch hier könnte übergreifend von Aktivitäten in Wien bezüglich der Her- man meiner Ansicht nach noch ein bisschen abwarten. ausforderungen der Pflege sehr beeindruckt waren. Wir Interessant ist – das haben Sie in Ihrem Redebeitrag un- sollten es auch so oder besser machen – für Berlin und für erwähnt gelassen, zumindest habe ich es nicht gehört –, uns. – Danke! dass auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigt werden müssen. [Beifall bei den Grünen] [Jasenka Villbrandt (Grüne): Das ist

doch Sinn der Sache!] Präsident Walter Momper: So sinken beispielsweise entgegen den bisherigen An- Danke schön, Frau Villbrandt! – Jetzt ist Frau Radziwill nahmen die Zahlen im Bereich der vollstationären Pflege. für die SPD-Fraktion dran. – Bitte schön, Frau Radziwill! Es sind weitere Aspekte zu berücksichtigen wie bei- spielsweise der, dass sich der Pflegebedarf bei Männern Ülker Radziwill (SPD): und Frauen unterschiedlich entwickelt. Bisherige Annah- men treten nicht so ein wie prognostiziert. Sie sind auch Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau nicht darauf eingegangen, dass wir berücksichtigen müs- Villbrandt! All die Statistik, die Sie uns hier vorgeführt sen, wie sich die neuen Lebensstile entwickeln, haben – wer von uns wann eventuell welchen Bedarf haben könnte –, soll nun der Senat laut Ihrem Antrag [Jasenka Villbrandt (Grüne): Haben Sie innerhalb von zehn Wochen bis Ende März vorlegen. den Antrag überhaupt gelesen?] Respekt, dass Sie dem Senat so viel Power und Umset- das, was sich bei den Wohnformen, generationsübergrei- zungsvermögen unterstellen! Ich danke Ihnen. Das ehrt fendem Wohnen und anderem entwickelt. Wie wird sich unseren Senat. all das auf den Pflegeplan auswirken? Welchen Bedarf an Fachkräften wir haben, können wir nicht innerhalb von Aber mit allem Ernst: Ich glaube, das Thema ist so kom- zehn Wochen komplett vorlegen. plex, dass nicht alles so, wie Sie das möchten, innerhalb [Jasenka Villbrandt (Grüne): Haben Sie dieser zehn Wochen möglich ist. Für mich heißt das: in den Antrag gelesen?] eine Glaskugel schauen, eine Prognose machen, und am Ende, egal, was herauskommt, wollen Sie meckern. Das – Ich habe den Antrag gelesen und glaube, dass ich ihn zeigt dieser Antrag, und das wollen wir so nicht zulassen. richtig verstanden habe. Wir werden ihn ausgiebig im Ausschuss beraten. [Beifall bei der SPD]

Nun aber zum Ernst des Themas. Ja, wir sind in einer Was mir in diesem Zusammenhang wichtig ist, sind aktu- Umbruchphase. Das, glaube ich, wissen wir alle. Der elle Daten, die belegen, dass zwar die Zahl der über 60- demografische Wandel ist schon im Gange, und deshalb bis 80-Jährigen steigt, aber deren Pflegebedarf nicht ih- haben wir verschiedene Spezialberichte und verschiedene rem Bevölkerungsanteil entsprechend gestiegen ist. Bes- Daten, die uns noch vorgelegt werden. So wird etwa das sere und gesundere Lebensbedingungen, besseres Arbei- Demografiekonzept des Senats in diesem Kontext zu ten und gesunderes Arbeiten, gesundere Lebensweise, ein berücksichtigen sein. Derzeit wird auf Bundesebene eine besserer Umgang und bewusstes Altern, all das wird Ein- interessante Debatte über den Begriff der Pflegebedürf- fluss auf den Pflegebedarf haben. Das kann man nicht tigkeit geführt. Dieser wird sich qualitativ und quantitativ innerhalb von zehn Wochen aus dem Ärmel schütteln. ändern. Unbestritten wird die Definition dieses Begriffs Das ist ein Punkt, den wir berücksichtigen müssen. weitergefasst werden. Auch das müssen wir berücksichti- gen. Noch kurz zum Fachkräftemangel: Mir ist aufgrund mei- ner Gespräche und der mir zur Verfügung stehenden Der Senat hat eigene Spezialberichte in Auftrag gegeben, Unterlagen ein aktueller Fachkräftemangel nicht bekannt. auch die müssen zunächst für solch eine umfassende Allerdings müssen wir – da gebe ich Ihnen recht – hin- Prognose abgewartet werden. Interessant ist auch – das sichtlich der Fachkräfte aufpassen, wie die Entwicklung haben Sie in Ihrem Antrag unberücksichtigt gelassen –, sein wird. Ich hoffe, dass auf Bundesebene bald eine dass die Stadtentwicklungsverwaltung eine Bevölke- Entscheidung hinsichtlich des dritten Ausbildungsjahres rungsprognose bis zum Jahr 2030 vorgelegt hat. Auch gefällt wird. dabei müssen die Daten für den Bereich Pflege berück- sichtigt werden. Ich glaube nicht, dass dies in dem von

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Ülker Radziwill Es gibt keinen Mangel bei den Angeboten zur Pflege. Es waltung, endlich ihre Hausaufgaben zu machen, damit gibt keinen aktuellen Mangel bei dem Pflegepersonal. Ich Berlin in Sachen Pflegepolitik nicht restlos abgeschlagen fasse zusammen: Der Antrag ist ein Schnellschuss, zu wird. Ein Blick auf die Aktivitäten anderer Bundesländer schnell zu viel gewollt, das können wir, wenn wir seriöse zeigt, wie viel noch zu tun ist und dass das Land Berlin Politik, wenn wir einen seriösen Pflegeplan machen wol- nicht gerade mit Innovationen glänzt. Deshalb ist es gut len, nicht akzeptieren. – Ich danke Ihnen für die Auf- und richtig, dass die Opposition bei diesem Thema nicht merksamkeit! locker lässt, sondern immer wieder deutlich macht, dass [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] Sie hier schlafen. Wachen Sie auf! [Beifall bei der CDU und den Grünen – Beifall von Rainer-Michael Lehmann (FDP)] Präsident Walter Momper:

Danke schön, Frau Kollegin Radziwill! – Für die CDU- Fraktion hat jetzt der Kollege Hoffmann das Wort. – Bitte Präsident Walter Momper: schön, Herr Hoffmann! Danke schön, Herr Kollege Hoffmann! – Für die Links- fraktion hat nunmehr Frau Dr. Schulze das Wort. – Bitte Gregor Hoffmann (CDU): schön, Frau Dr. Schulze!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Radzi- will! Erinnern wir uns zunächst einmal an den Kampf um Dr. Stefanie Schulze (Linksfraktion): mehr Transparenz bei den Pflegeangeboten im Land Ber- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und lin! Mehr als vier Jahre Dauerbeschuss der Opposition hat Herren! Herr Hoffmann! Kein Mensch bezweifelt, dass es gebraucht, bis auch die Senatorin erkannt hat, weshalb wir über das Thema reden müssen. Frau Villbrandt! Uns das ein so wichtiges Anliegen ist. Wenn Sie jetzt behaup- ist dieses Thema wichtig, dass wissen Sie aufgrund vieler ten, Sie sollten das innerhalb weniger Wochen erledigen, Ausschussdiskussionen. Ich finde, dass Ihre Einleitung zeigt dies nur, dass Sie nach wie vor nichts bewegt haben richtig war: Wir stehen vor einem enormen Wandel der bei einem Thema, an dem seit Jahren parlamentarisch Erwerbsbiografien, demografischen Umbrüchen, alles, gearbeitet wird, weil sich in der Praxis leider nichts ver- was Sie genannt haben. Wir wissen zwar noch nicht ge- ändert. Deshalb ist es richtig, dass es hier thematisiert nau, was wann genau wie eintritt und in welcher Dimen- wird. sion, dennoch verlangen Sie heute von der Senatsveral- [Beifall bei der CDU und der FDP – tung eine differenzierte Analyse der künftigen Pflege- und Vereinzelter Beifall bei den Grünen] Hilfebedarfsplanung. Was denn nun konkret? Zu wel- chem Zeitpunkt? Dasselbe Dilemma scheint uns bei der Forderung nach einer zukunftsorientierten Planung der Pflegepolitik des [Jasenka Villbrandt (Grüne):Steht doch alles drin!] Landes Berlin bevorzustehen. Auch hier zeigt sich, dass Ich finde – um es vorweg zu nehmen –, dass Ihr Antrag der Senat und mit ihm die Koalition unbeweglich, unein- nicht geeignet ist, einen parlamentarischen Schlagab- sichtlich und arrogant sind. Beide ignorieren die Meinung tausch zu einer Zeit einzufordern, zu der die Daten einer vieler Pflegeexperten und verschlafen damit die notwen- solchen Analyse, wie Sie sie fordern, noch gar nicht vor- digen Weichenstellungen für eine moderne Pflegepolitik liegen. Berlin ist mit der vorliegenden Planung, was den der nächsten Jahrzehnte. Das ist umso unverständlicher, Pflegebedarf und eine differenzierte Entwicklung der als auf den diversen Pflegefachveranstaltungen, auch Pflegeangebote anbelangt, sehr gut aufgestellt. Ich habe denen des Senats, ähnliche Forderungen erhoben wurden. den persönlichen Eindruck in vielen Fachforen gewonnen, Alle mündeten letztlich in der Aufforderung, umgehend dass das in Zukunft nicht anders sein wird. Ich sage dies die Fortschreibung des Landespflegeplans vorzunehmen. sowohl mit Blick auf die laufenden Planungsprozesse als Das hat die CDU bereits im Januar 2008 mit ihrem Antrag auch auf die Anregungen, die sich Berlin bei der Aus- mit dem Titel „Leitlinien für eine neue Pflegepolitik im schussreise, die wir gemeinsam nach Wien unternommen Land Berlin“ aufgegriffen, die Grünen bekräftigen dies haben, geholt hat. Künftig gibt es enormen Diskussions- heute mit dem vorliegenden Antrag „Zukunftsplan Pflege bedarf darüber, wie aufgrund der veränderten Rahmenbe- vorlegen“. Beide Anträge nehmen den Senat politisch in dingungen Pflege in Berlin so aufgestellt werden kann, die Pflicht, denn dieser verweist im Landespflegeplan dass sie zum einen finanzierbar und zum anderen ein 2006 selbst darauf, dass verschiedene Entwicklungen von Fachkräftepotenzial aufweist, das den aktuellen Heraus- der Pflegereform bis hin zur Abschichtung des Heim- forderungen gerecht wird und wie sie sich an den Bedürf- rechts auf die Länder, von der Entstehung neuer Wohn- nissen derjenigen orientieren kann, die Pflege künftig in formen bis hin zum steigenden Fachkräftebedarf nicht Anspruch nehmen wollen. aufgegriffen werden konnten. Das heißt nichts anderes, als dass hier nachgearbeitet werden muss. Auch die in den Sie haben die Bandbreite der Möglichkeiten deutlich letzten Jahren zugefügten Anlagen zum Landespflegeplan gemacht. Die Planung, die Sie fordern, ist momentan in enthalten keine Planungen, sondern spiegeln lediglich den dieser Form nicht leistbar. Ich nenne Ihnen dazu einige Istzustand wider. Deshalb sind unsere Anträge nichts Zahlen, die das verdeutlichen. Der Planungsprozess, den weiter als die Aufforderung an die zuständige Senatsver- Sie einfordern, beinhaltet eigentlich eine Bundespflege-

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Dr. Stefanie Schulze statistik, die Ende 2007 in groben Zügen vorlag, aber Auswirkungen des demografischen Wandels und mögli- noch nicht offiziell vorliegt. Er beinhaltet eine differen- chen Handlungsansätzen auseinandersetzt. Außerdem be- zierte Bevölkerungsprognose, die meines Wissens erst mängele ich, dass der Pflegeplan des Senats den Zeithori- Ende Dezember 2008 vorgestellt wurde. Er beinhaltet zont 2020 im Blick hat. Hier greift auch der Antrag der weitere Daten, die in der Bundespflegestatistik in dieser Fraktion der Grünen zu kurz. Form noch gar nicht vorliegen, beispielsweise Prävalenz- [Jasenka Villbrandt (Grüne): Mit Blick auf 2030!] zahlen zu demenziellen Erkrankungen, die bisher nur in einigen Bundesländern vorgelegt wurden. Das ist nur eine Denn inzwischen liegen Prognosen für 2030 vor. Das ist Bandbreite, die ich hier beschreiben kann, dass eine fach- auch der Zeithorizont, den meine Fraktion bei der künfti- liche Neuausrichtung, eine Neuplanung zu einem Zeit- gen Pflegeplanung für sinnvoll erachtet. punkt vorgelegt werden muss, der nach dem Zeitpunkt 2010 kommt. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir eine Wenn es um Pflege geht, werden wir künftig nicht mehr solide Planung. Danach wird eine Neuplanung aufgestellt zwischen ambulanter und stationärer Pflege unterschei- werden. Diese Neuplanung braucht diese Zahlen und den, sondern es wird eine Bandbreite an unterschiedlichen Daten, die ich eben genannt habe. Deshalb plädiere ich Wohn- und Pflegeformen geben. Die ersten Ansätze in dafür, dass wir eine seriöse Planung vorlegen, keinen diese Richtung sehen wir heute bereits. Mehrgeneratio- Schnellschuss machen. Dafür sind Sie sicher auch. Wir nenhäuser oder besondere Pflegeformen für Menschen werden im Fachausschuss – das ist übrigens für den März mit Migrationshintergrund oder Pflegeheime und Alters- geplant – diese Diskussion führen, wie wir uns fachlich ruhesitze für homosexuelle Menschen zeugen bereits jetzt eine gut organisierte Planungsperspektive für die Pflege- von dieser Vielfalt, die auf uns zukommen wird. Auch planung bis zum Jahr 2020 in Berlin vorstellen. – Danke diese Entwicklung wird im Pflegeplan aus dem Jahr 2006 schön! nur ungenügend berücksichtigt. Es wird ebenfalls nicht ausreichend hinterfragt, wer die ganzen Pflegeleistungen, [Beifall bei der Linksfraktion – die auf die Gesellschaft zukommen werden, überhaupt Vereinzelter Beifall bei der SPD] erbringen soll. Das Ehrenamt und das bürgerschaftliche Engagement werden ein Schlüssel bei der Pflege älterer Präsident Walter Momper: und pflegebedürftiger Menschen sein. Darum ist es auch eine Selbstverständlichkeit, dass die Träger der Wohl- Danke schön, Frau Dr. Schulze! – Für die FDP-Fraktion fahrtspflege bei der Erarbeitung eines Zukunftsplans hat der Kollege Lehmann das Wort. – Bitte schön, Herr Pflege beteiligt werden, insbesondere wenn es um die im Lehmann! Antrag sogenannten informellen Helferinnenpotenziale geht. Rainer-Michael Lehmann (FDP): Aber auch dem bürgerschaftlichen Engagement sind Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Sehr ge- Grenzen gesetzt: Pflegebedarf professioneller Strukturen. ehrte Frau Villbrandt! Ich habe es nachgerechnet: Im Jahr Mit der Gestaltung dieser Strukturen müssen wir jetzt be- 2050 bin ich 90, da kann ich wahrscheinlich irgendwo ginnen. Der Berliner Senat steht da zuvorderst in der noch mitmischen, das habe ich vor. Pflicht. Wir werden gut ausgebildete Pflegekräfte benöti- [Jasenka Villbrandt (Grüne): Hoffentlich ohne Pflege!] gen, die eine würdevolle und qualitativ hochwertige Pfle- ge sicherstellen müssen. Wir müssen jetzt auch endlich Jetzt aber zum eigentlichen Thema. Diese Stadt wird sich mit der Analyse beginnen, welche genauen Qualifikati- in den nächsten Jahren grundlegend wandeln, egal, wel- onsbedarfe auf die verschiedenen Träger der Aus- und che demografischen Untersuchungen wir als Ausgang Fortbildung zukommen werden. Wir werden an vielen nehmen: Grundlegende Aufgabe der Sozial- und Pflege- Schrauben drehen müssen, um die Ausbildung von Pfle- politik ist es, diesem demografischen Wandel gerecht zu gekräften den künftigen Anforderungen anzupassen. Auch werden. Damit wir bei der Bewältigung der Probleme, die die Hochschulen, die Studiengänge im Pflegebereich an- mit diesem Wandel einhergehen, nicht auch noch alt aus- bieten, sind noch nicht genügend vorbereitet und haben sehen, müssen wir spätestens jetzt mit der Analyse begin- dazu keine ausreichende Planungsgrundlage zur Hand. nen, was auf uns zukommen wird und mit welchen Maß- Ich wage auch zu bezweifeln, dass ein geriatrischer Lehr- nahmen wir darauf reagieren müssen. Dazu bedarf es stuhl in dieser Stadt künftig ausreichen wird. Vom Senat einer langfristigen Vorausschau. Die jetzigen Instrumente erwarte ich, dass er sich endlich ernsthaft und grundle- der Pflegepolitik dieser Stadt genügen dem in keiner gend mit dieser Thematik befasst. Weise. [Beifall bei der FDP – Der letzte Pflegeplan des Senats stammt aus dem Jahr Beifall von Jasenka Villbrandt (Grüne) – 2006. Inwieweit die Bevölkerungsprognosen darin zutref- Senatorin Dr. Heidi Knake-Werner: fend sind, will ich hier nicht thematisieren. Bevölke- Die Abgeordneten aber auch!] rungsprognosen sind immer auch ein Stück Stochern im Darüber, dass die Zukunftsplanung wichtig ist, sind wir Nebel, das von unterschiedlichen Faktoren abhängig ist. uns einig. Bei der Gestaltung der Zukunft dürfen wir aber Nein, mich stört, dass der vorliegende Pflegeplan viel zu eines nicht aus dem Blick verlieren: Auch heute schon sehr den Jetztzustand abbildet und sich zu wenig mit den müssen wir eine würdevolle und qualitativ hochwertige

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Rainer-Michael Lehmann Pflege sicherstellen. Wer heute pflegebedürftig ist, hat pädagogische Arbeit sinnvoll ist, Kontinuität zu gewähr- auch ein Anrecht auf gute Pflegeleistungen. Darum darf leisten. Aber es ist doch offensichtlich gewesen, dass an Zukunftsplanung der Pflege nicht zulasten derjenigen diesen Schulen von Anfang an Lehrer gefehlt haben. Hier gehen, die heute schon auf Pflegeleistungen angewiesen wird eben offensichtlich in Berlin nur noch der Mangel sind. – Vielen Dank! verwaltet. [Beifall bei der FDP – Beifall von Jasenka Villbrandt (Grüne)] Zu Ihrer Idee der Lehrerfeuerwehr: Wir finden sie gut, aber dieses Modell kann nur dann funktionieren, wenn die festgebundenen Lehrer im Pool der sogenannten Lehrer- Präsident Walter Momper: feuerwehr auch wieder ersetzt werden, also ihre Zahl wieder auf 140 aufgestockt wird. Dies hatten Sie, Senator Danke schön, Herr Kollege! – Der Ältestenrat empfiehlt Zöllner, übrigens bei der Einführung auch versprochen, die Überweisung an den Ausschuss für Integration, Ar- wie das Protokoll des Bildungsausschusses ausweist. beit, Berufliche Bildung und Soziales, wozu ich keinen Jeder Lehrer, der länger als drei Monate an einer Schule Widerspruch höre. ist, sollte dort fest eingestellt und dann logischerweise auch im Pool ersetzt werden. Das haben Sie öffentlich Die lfd. Nr. 24 steht auf der Konsensliste. versprochen, aber Sie haben die Öffentlichkeit offenbar getäuscht. Kein Lehrer wurde ersetzt. Die sogenannte Wir kommen zu Lehrerfeuerwehr gibt es gar nicht. lfd. Nr. 25: [Beifall bei der CDU] Antrag Wir fordern heute die Einführung einer echten Lehrerfeu- Eine echte Lehrerfeuerwehr für Berlin erwehr. Wir wollen dafür 280 Lehrerinnen und Lehrer sofort einstellen, die bei Bedarf von den Schulen abgefor- Antrag der CDU Drs 16/2033 dert werden können, aber wenn sie abgefordert werden, Für die Beratung steht den Fraktionen jeweils eine Rede- nach drei Monaten auch ersetzt werden müssen. Nur so zeit von bis zu fünf Minuten zur Verfügung. Es beginnt kann die gute Idee von einer flexiblen Personalreserve tat- die antragstellende Fraktion der CDU in Person des her- sächlich funktionieren. Uns ist ganz klar, alle Schulen, beieilenden Herrn Steuer. – Herr Steuer, Sie haben das Herr Zöllner, nicht nur 134, sondern alle 800 Schulen, Wort! haben ein Recht auf Unterstützung und müssen in die Lage versetzt werden, den Unterrichtsausfall zu minimie- ren. Sascha Steuer (CDU): [Zuruf von Mieke Senftleben (FDP)] Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am Montag berichtete mir ein Schüler, dass an seiner Schule in den Unsere Idee, 280 Lehrer in der Lehrerfeuerwehr einzustel- letzten zehn Schultagen – also den ersten zehn Schultagen len, kostet keinen einzigen Cent zusätzlich, denn in die- dieses Halbjahres – bereits an vier Schultagen vier Stun- sem Schuljahr werden 400 Lehrerinnen und Lehrer mehr den Unterricht ersatzlos ausgefallen sind. Er habe Angst in Pension gehen, als von Ihnen eingestellt worden sind. um seine Klausuren, sagte er mir. Das ist die traurige Es gibt also eine Lücke von 400 Stellen, die jederzeit Realität an vielen Berliner Schulen. besetzt werden können, ohne dass dafür mehr Geld im Landeshaushalt veranschlagt werden muss. Stimmen Sie [Beifall bei der CDU] unserem Antrag zu, und leisten wir damit gemeinsam Dagegen sollte die sogenannte Lehrerfeuerwehr etwas einen echten Beitrag gegen den massiven Unterrichtsaus- tun. Viele hatten zu Beginn dieses Schuljahres Hoffnung fall in Berlin! geschöpft, und viele wurden enttäuscht. Ich habe nicht [Beifall bei der CDU] schlecht gestaunt, als der Bildungssenator in der letzten Plenarsitzung vor Weihnachten zugeben musste, dass von den 140 Lehrerinnen und Lehrern in der sogenannten Präsident Walter Momper: Lehrerfeuerwehr bis heute 134 Lehrer nach wie vor an der Schule eingesetzt sind, an die sie am ersten Tag geschickt Danke schön, Herr Kollege! – Für die SPD-Fraktion hat wurden. Zum Löschen der Brände in Berlin stehen also Frau Tesch das Wort. – Bitte schön, Frau Tesch! ganze sechs Lehrer zur Verfügung. Mit Feuerwehr hat das nichts zu tun, rein gar nichts. Dr. Felicitas Tesch (SPD): [Beifall bei der CDU – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieser Antrag, Beifall von Mieke Senftleben (FDP)] Herr Steuer, mutet irgendwie an wie ein Déjà-vu. Das Ich gehe davon aus, dass die 134 Lehrer noch an der ers- haben Sie ziemlich wörtlich so als Mündliche Anfrage im ten Schule sind, weil sie dort dringend gebraucht werden, letzten Plenum gestellt. Ich frage mich, warum Sie daraus weil sie unabkömmlich sind, weil sie im Grunde genom- so einen knappen Antrag gießen. Oder sind Sie beleidigt, men zum Stammpersonal der Schule gehören. Es ist auch weil Sie nicht zu Ihrer Aktuellen Stunde reden durften? – in Ordnung, diese Lehrer dort zu belassen, weil es für die Was Sie wieder angeführt haben, sind Einzelbeispiele, die

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Dr. Felicitas Tesch es sicherlich geben mag. Ich frage mich nur, ob sie auch zuzuhören, was die Opposition manchmal auch Geschei- statistisch haltbar sind. Ich erinnere mich noch gut an den tes vorschlägt. Beginn dieses Schuljahres, das – ich muss es sagen, ich [Beifall bei den Grünen, der CDU und der FDP] mache das ja schon eine ganze Weile hier – noch nie so gut angelaufen ist wie dieses Jahr. Ich habe es noch nie Aber das war das einzige Positive, was ich in Richtung erlebt, dass die GEW dem Schulsenator einen Blumen- der CDU sage. Dieser Antrag, Kollege Steuer, ist einfach strauß überreicht hat. keine Lösung für die Probleme, die wir in dieser Stadt haben. Am besten wäre es, wenn wir überhaupt gar keine [Vereinzelter Beifall bei der SPD – Lehrerfeuerwehr bräuchten. Wenn Sie sagen, ich packe da Mieke Senftleben (FDP): War völlig überflüssig! noch 140 drauf – das nützt uns auch nichts. Viel besser Dafür ist der Senator da!] wäre es, wenn die Berliner Schulen endlich eine echte Ich habe bei Ihrer letzten Mündlichen Anfrage auch ge- hundertprozentige Lehrerversorgung vor Ort hätten. Es sagt, dass ich es für sinnvoll halte, wenn die Kolleginnen reicht nämlich nicht – das hat inzwischen der Senator und Kollegen, die ursprünglich als Lehrerfeuerwehr ein- auch begriffen, der muss nur seinen Kollegen Sarrazin gestellt wurden, dann auch an den jeweiligen Schulen überzeugen –, im Schnitt 100 Prozent Lehrerversorgung verbleiben können, da das pädagogisch sinnvoll ist und zu haben in dieser Stadt, sondern es muss mehr werden. eine Kontinuität darstellt. Ich komme selbst aus dem Ich hoffe, dass bei den Haushaltsberatungen auch mehr Bereich und kann mir vorstellen, wie anstrengend es ist, herauskommt. wenn man drei Wochen in der einen Schule und dann wieder drei Wochen in der anderen Schule unterrichten Aber wir haben auch bei dem Brandbrief Rütli oder dem muss – für beide Seiten, für die Schülerinnen und Schüler jüngsten Brief der Schulleiterinnen und Schulleiter aus und für die Lehrerinnen und Lehrer, schon allein wenn ich Mitte mitbekommen: Wir haben viel mehr Baustellen als daran denke, wie viele Namen man lernen muss und wie nur ein Personalproblem. Wir haben einen immensen man das jeweilige Lehrprogramm weiterführt. Bedarf an Sanierung in unseren Schulen, das haben wir [Mieke Senftleben (FDP): Oh!] des Öfteren gehört: 1 Milliarde, das ist eine Zahl, die muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wir haben Wie kommen Sie nun bitte schön, lieber Herr Steuer, auf eine Menge Baustellen inhaltlicher pädagogischer Art in die Zahl 280? – Ich kann noch rechnen, Sie nehmen es der Berliner Schule. Inhaltlich heißt: Die Pädagogik einfach mal zwei. Aber wie kommen Sie darauf? – Diese stimmt vorne und hinten nicht. Wenn Berlin bei irgend- Zahl ist völlig gegriffen und nicht nachzuvollziehen. Und welchen Studien mittelmäßig abschneidet und bei IGLU warum ist das dann plötzlich eine echte Lehrerfeuerwehr? und PISA regelmäßig auf den hinteren Plätzen landet, Es könnte sein, dass diese, auch wenn man mehr einstel- heißt das: Man muss mehr investieren, man muss mehr len würde, auch an den Schulen verblieben. – Frau Senft- tun. Man braucht ein ganzheitliches Konzept. leben stimmt mir zu, etwas ganz Seltenes. Das freut mich. – Schließlich – ich möchte die Zeit der Zuhörenden nicht Dieser Antrag, diese Forderung nach 140 zusätzlichen weiter strapazieren für einen so unnützen Antrag – gibt es Lehrerinnen und Lehrern in der Lehrerfeuerwehr greift noch die Möglichkeit, dass alle Schulen über die PKB- leider zu kurz. Wir haben kürzlich erfahren, dass eine Mittel, also die Personalkostenbudgetierung, Vertretungs- Menge der PKB-Mittel, warum auch immer, nicht ver- kräfte einstellen können. Also, dieser Antrag ist völlig ausgabt worden ist. Lehrermangel und Unterrichtsausfall sinnlos. Dennoch bitte ich um die Überweisung des An- gibt es. Man muss sich einmal genauer angucken, warum trags in den Schulausschuss. – Ich danke Ihnen! diese Mittel nicht vor Ort verwendet werden. Ich fände es [Beifall bei der SPD und der Linksfraktion] viel besser, wenn wir diese Mittel den Schulen nicht als PKB-Mittel zur Verfügung stellen würden, sondern als feste Personalstellen zusätzlich zu den 100 Prozent dazu- Präsident Walter Momper: packen und denen das tatsächlich geben – ohne Antrags- verfahren, ohne Mitbestimmung. Wenn die Lehrerinnen Danke schön, Frau Tesch! – Der Kollege Mutlu von den und Lehrer vor Ort sind, sind sie vor Ort und können viel Grünen hat das Wort. – Bitte schön! besser auf die Missstände und auf den Unterrichtsausfall reagieren, als wenn die Schulen über PKB und sonstige Özcan Mutlu (Grüne): Wege an Personal herankommen müssen. Das müsste das Ziel sein. Ich erhoffe mir, dass Sie sich in diese Richtung Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau bewegen. Dr. Tesch! Wenn ich Sie mal wieder von hier vorne höre, habe ich auch immer ein Déjà-vu, weil Sie sich immer Ich erhoffe mir auch, dass sich im Rahmen der Struktur- wieder hier hinstellen und sagen: Alles, was die Oppositi- debatte an der Stellschraube Personal etwas tut. Dieses on erzählt, ist Nonsens; was die Eltern an Beschwerden neue Berliner Schulmodell, das kommen soll, wird es vorbringen, ist sowieso nicht richtig; und was die Presse nicht zum Nulltarif geben, auch nicht, was das Personal über die Bildungsmisere dieses Landes Berlin schreibt, ist betrifft. Ich hoffe, dass es keine Nivellierung nach unten nur erfunden und erlogen. – Das ist ein Déjà-vu, das ich gibt. Daran müssen wir arbeiten, alle gemeinsam, Opposi- bei Ihnen habe, immer wenn Sie hier reden, statt einmal tion wie Regierung, dass die neue Berliner Schule oder die neue Berliner Schulform nicht zulasten der Schüle-

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Özcan Mutlu rinnen und Schüler geht. Denn wenn wir es Herrn Sarra- natürlich dort und nehmen diesen langfristigen Vertre- zin überlassen, wird der gucken, wo er noch mehr sparen tungsbedarf wahr. Nun gehe ich davon aus – so hat es der kann. Ich kann nur hoffen, dass Herr Zöllner es nicht dem Bildungssenator gesagt, und nun weiß ich auch, dass der Finanzsenator überlässt, dass am Ende auch noch Geld Bildungssenator sozusagen ein Interesse daran haben eingespart wird. muss, alles, was er einstellen kann, im Moment einzustel- [Beifall bei den Grünen] len –, dass er dann in diesem Fall den Pool von 140 Leh- rerinnen und Lehrern, den er als Feuerwehrpool haben will, wieder auffüllt. Nun haben wir das Ganze jetzt ein Präsident Walter Momper: halbes Jahr. Natürlich ist es sinnvoll, dass wir uns im Ausschuss damit beschäftigen, wie es funktioniert und Danke schön, Herr Kollege Mutlu! – Für die Linksfrakti- wie das im Einzelnen angenommen wird. Das werden wir on hat Herr Zillich das Wort. – Bitte schön, Herr Zillich! tun. Aber an dieser Stelle zu sagen: Wir brauchen jetzt eine Verdoppelung oder eine Verdreifachung oder 50 Steffen Zillich (Linksfraktion): mehr oder was weiß ich –, das ist viel zu früh. Wir sollten uns das in Ruhe angucken und auch im Kopf haben, dass Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will wir dabei sind, schrittweise eine Verbesserung zu ma- nicht über Déjà-vus reden und auch nicht über all die chen, und dass überhaupt die Einrichtung eines solchen Dinge, die nicht in diesem Antrag stehen. Ich habe meiner Pools sicherlich sinnvoll ist. – Danke schön! Fraktion versprochen, nachdem ich mich nur mit Mühe und vielen Ellbogen durchsetzen konnte, zu diesem wich- [Beifall bei der Linksfraktion – tigen Antrag zu Feuerwehrfragen reden zu dürfen, dass Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] ich es kurz mache. [Beifall von Dr. Felicitas Tesch (SPD)] Präsident Walter Momper: Worum geht es? Es geht darum, dass wir vor mittlerweile Danke schön, Herr Kollege Zillich! – Für die FDP- drei Jahren, wenn ich es richtig im Kopf habe, die Aus- Fraktion hat nunmehr Frau Senftleben das Wort. – Bitte stattung der Schulen auf ein anderes Berechnungsmodell schön! umgestellt haben. Wir haben gesagt, jede Schule be- kommt 100 Prozent Lehrerinnen und Lehrer. Nicht einge- rechnet sind diejenigen, die zwar eigentlich an einer Mieke Senftleben (FDP): Schule beschäftigt, aber dauerkrank, in Schwangerschaft Vielen Dank, Herr Präsident! – Apropos Déjà-vu: Das oder längerfristig nicht dort sind. Darüber hinaus hat jede hatte ich auch kürzlich, als ich mit meiner jüngsten Enke- Schule einen Bedarf an kurzfristigen Vertretungen, weil lin durch die Roedernallee fuhr, auf einmal eine Feuer- Lehrerinnen und Lehrer kurzfristig krank werden. Dazu wehr mit großem Tatütata ankam und sie mich fragte: hat jede Schule ein Budget in Höhe von 3 Prozent ihres Omi, was ist das? – Ich erklärte ihr: Das ist eine Feuer- Gesamtpersonalbudgets, mit dem sie Vertretungslehrerin- wehr, die, wenn es brennt, mit Tatütata schnell durch nen und -lehrer einstellen darf. Das ist insbesondere, weil Berlin fährt, um zu löschen. Feuerwehr löscht und rettet es neu eingeführt worden ist, kein ganz einfaches Verfah- im Notfall. – Nicht so die Lehrerfeuerwehr, Herr Senator, ren, auch weil es eine bestimmte Zeit braucht, um jeman- die Sie im letzten Jahr mit 140 Stellen eingerichtet haben! den zu finden, wenn es nicht schon feste Kooperationen Die rettet nicht im Notfall. Die springt nicht da ein, wo es gibt. Deswegen hat der Bildungssenator gesagt – das ist brennt. Von den 140 Stellen sind lediglich sechs übrig im Prinzip eine gute Idee –: Wir stellen den Schulen nicht geblieben, die die Aufgabe einer Feuerwehr übernehmen nur dieses Budget zur Verfügung, sondern wir stellen können. Die übrigen 134 Lehrer sind fest an den jeweili- einen Pool von 140 Lehrerinnen und Lehrern zur Verfü- gen Schulen eingeplant. Das hat nichts, aber auch gar gung, die tatsächlich da sind und eingesetzt werden kön- nichts mehr mit der Intention des Senators zu tun, dem nen, auf die die Schulen zurückgreifen können, natürlich Unterrichtsausfall in dieser Stadt mit den 140 Stellen aus ihrem 3-Prozent-Budget. flexibel zu begegnen.

Nun haben wir die Situation – und die versucht Herr [Beifall bei der FDP und der CDU] Steuer nun schon die ganze Zeit aufzugreifen –, dass es Herr Senator! Der Unterrichtsausfall war in den letzten entstehen kann und auch in nicht ganz kleinem Umfang Jahren ein Riesenproblem. Ein Recht auf Unterricht, wie entstanden ist, dass sich ein kurzfristiger Vertretungsbe- wir es gefordert haben, hat es nicht gegeben. Auch heute darf zu einem langfristigen Vertretungsbedarf entwickelt. ist Unterrichtsausfall bzw. nicht fachgerechter Vertre- In diesem Zusammenhang ist es absurd zu sagen, dass tungsunterricht auf der Tagesordnung. Das haben auch man diejenigen Lehrerinnen und Lehrer, die aus diesem Sie erkannt, und zum Schuljahr 2007/2008 folgten Sie der Vertretungspool, aus der sogenannten Lehrerfeuerwehr, Forderung der FDP-Fraktion, was mich sehr gefreut hat, an einer Schule sind, für zwei oder drei Wochen, nach- den Schulen ein Budget von drei Prozent zur Verfügung dem klar ist, der Vertretungsbedarf besteht nicht nur für zu stellen, um den Vertretungsunterricht in Eigenverant- zwei oder drei Wochen, sondern vielleicht für ein halbes wortung selbst zu regeln. Das sogenannte Personalkos- Jahr, dann wieder herauszieht, nur weil sie zur Lehrerfeu- tenbudget – kurz PKB – einzuführen, war eine richtige erwehr gehören, sondern die bleiben dann an dieser Stelle Entscheidung, denn dies lässt Flexibilität zu, im Ge-

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Mieke Senftleben Gegensatz zu Ihrem Modell, Kollege Mutlu, das von Präsident Walter Momper: einem festen, erweiterten Lehrerkollegium ausgeht. Herr Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin! Senator! Hier dachten Sie richtig. Aber richtig gedacht ist in dieser Stadt noch lange nicht richtig gemacht. Denn die Schulen haben nicht das Budget erhalten, wie wir es gerne Mieke Senftleben (FDP): gesehen hätten und wie es hätte sein müssen. Nach einem Wenn wir mit den Mitteln nicht auskommen, müssen wir Jahr PKB-Praxis stellten Sie folgendes fest: Erstens: Das die PKB-Mittel aufstocken. Alles andere ist Quatsch. – Verfahren der zentralen Lehrerbeschaffung, auch der Danke! zentralen Vertretungslehrerbeschaffung, war zu bürokra- tisch und für die Schulen zu unzuverlässig. Zweitens: Es [Beifall bei der FDP – gab zu wenig Schulen, die sich eine eigene Datei für den Beifall von Uwe Goetze (CDU)] Vertretungsunterricht angelegt hatten. Drittens haben Sie offensichtlich erkannt: Ein Budget von drei Prozent war zu wenig, um den Unterrichtsausfall zu minimieren. Präsident Walter Momper: Danke schön, Frau Kollegin Senftleben! – Der Ältestenrat Ihre Analyse war richtig. Ihre Reaktion hingegen, die empfiehlt die Überweisung an den Ausschuss für Bildung, Einrichtung der Lehrerfeuerwehr für dieses Schuljahr, Jugend und Familie sowie an den Hauptausschuss, wozu war grundfalsch. Wenn Sie erstens feststellen, dass Ihre ich keinen Widerspruch höre. Verwaltung nicht zuverlässig und anständig arbeitet, dann Die lfd. Nr. 26 steht als vertagt auf der Konsensliste. Die müssen Sie Ihrer Verwaltung auf die Finger klopfen. lfd. Nr. 27 hatten wir bereits mit der Aktuellen Stunde Wenn Sie zweitens feststellen, dass es zu wenig Schulen aufgerufen. Auch die lfd. Nr. 28 ist vertagt. Die lfd. gibt, die in Eigenverantwortung eine Schuldatei anlegen, Nrn. 29 und 30 finden Sie wiederum auf der Konsensliste. dann müssen Sie diese Schulen bzw. Schulleiter beraten. Die lfd. Nr. 31 war Priorität der Fraktion der FDP unter Und wenn Sie drittens auch noch feststellen, dass die dem Tagesordnungspunkt 4 d. Mittel nach wie vor nicht ausreichen, dann müssen Sie das PKB aufstocken. Sie, Herr Senator, machen die Rolle Ich rufe auf rückwärts, obwohl der eingeschlagene Weg der richtige lfd. Nr. 32: wäre. Dass es der richtige Weg ist, bestätigen uns die Schulen, die an dem Modellversuch „eigenverantwortli- Antrag che Schule“ teilgenommen haben. Sie haben es auspro- Mehr Berlin in Europa – mehr Europa in biert. Nachdem sie nach einem halben Jahr ihre eigene Berlin (I): Ein Beitrag zur Umsetzung der Datei entwickelt hatten, hat es geklappt und funktioniert. Lissabon-Strategie: mehr Wirtschaftskompetenz Zu Ihrer Reaktion, Herr Senator: Her mit einer Lehrerfeu- in die Schulen erwehr, die wird es schon richten –, kann ich nur sagen: Gepfiffen! Die richtet gar nichts, denn bis auf sechs Leh- Antrag der FDP Drs 16/2040 Neu rer sind alle fest eingeplant. – Ihre Lehrerfeuerwehr ist Der Antrag ist vertagt. schlicht eine verkappte Personalaufstockung. Das muss man dann auch so nennen. Aber einer Personalaufsto- Ich rufe auf ckung hätte offensichtlich der Finanzsenator nicht zuge- stimmt. Der Begriff Lehrerfeuerwehr ist vielleicht für Sie lfd. Nr. 33: etwas Neues, Herr Senator Sarrazin. Antrag

Erleichterung von islamischen Bestattungen Verehrte Kollegen von der CDU-Fraktion! Sie wollen die Aufstockung der Lehrerfeuerwehr. Damit manifestieren Antrag der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2042 Sie diesen Unfug. Das ist mit uns nicht zu machen. Das Eine Beratung ist nicht vorgesehen. Wir müssen über die wird Sie nach dieser Rede nicht verwundern. Ausschussüberweisungen beschließen. Einvernehmen bestand im Ältestenrat dahin gehend, zur Beratung den Wir wollen – und das ist richtig – den nicht immer einfa- Antrag an den Ausschuss für Gesundheit, Umwelt und chen Weg zu mehr Verantwortung der Schule, aber wir Verbraucherschutz – federführend – sowie mitberatend an wollen ihn konsequent weitergehen und begleiten, denn er den Ausschuss für Integration, Arbeit, Berufliche Bildung ist unbestritten der richtige. Wir unterstützen daher eigen- und Soziales zu überweisen. – Hierzu höre ich keinen verantwortliches Handeln der Schulen, auch in Personal- Widerspruch. Dann ist das so. fragen. Hier sehen wir uns ganz auf der richtigen Seite, denn auch Sie, Herr Senator, und wir alle hier wissen, Auf Vorschlag der Fraktion der CDU sollte der Antrag eine der zentralen Forderungen der Schulleiter aus Mitte, mitberatend auch an den Ausschuss für Inneres, Sicher- die den Brandbrief verfasst haben, geht exakt in diese heit und Ordnung überwiesen werden. Wer diesem Antrag Richtung. Dieser Antrag unterstützt den Unsinn, den der der CDU zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Senat mit der Einrichtung der Lehrerfeuerwehr gemacht Handzeichen. – Das sind CDU, FDP und die Grünen. Wer hat. Das lehnen wir ab. stimmt dagegen? – Das sind SPD und Linke. Letzteres

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Präsident Walter Momper war die Mehrheit. Damit ist der Antrag der CDU abge- lehnt.

Die lfd. Nr. 34 war Priorität der Linksfraktion unter dem Tagesordnungspunkt 4 b. Die lfd. Nr. 35 war Priorität der Fraktion der Grünen unter dem Tagesordnungspunkt 4 c.

Ich rufe auf lfd. Nr. 36: Entschließungsantrag Denkjahr 2009 (I): 90. Jahrestag der Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht: Leben und Werk kritisch würdigen Entschließungsantrag der Grünen Drs 16/2046 Auf eine Beratung wurde inzwischen leider verzichtet. Vorgeschlagen wird die Überweisung an den Ausschuss für Kulturelle Angelegenheiten. – Ich höre hierzu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Die lfd. Nr. 37 steht auf der Konsensliste.

Meine Damen und Herren! Dies war unsere heutige Ta- gesordnung. Die nächste, nämlich die 41. Sitzung findet am Donnerstag, dem 29. Januar 2009 um 13 Uhr statt.

Die Sitzung ist geschlossen. Ich wünsche einen guten und sicheren Heimweg. [Schluss der Sitzung: 20.00 Uhr]

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Anlage 1

Liste der Dringlichkeiten

Lfd. Nr. 19 A: Dringliche Beschlussempfehlung Vermögensgeschäft Nr. 6/2006 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2058 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs einstimmig bei Enth. CDU, Grüne und FDP angenommen Lfd. Nr. 19 B: Dringliche Beschlussempfehlung Vermögensgeschäft Nr. 21/2008 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2059 Vorlage – zur Beschlussfassung – gemäß § 38 Abs. 1 GO Abghs einstimmig angenommen Lfd. Nr. 19 C: Dringliche Beschlussempfehlung Änderung des Beschlusses zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Spreedreieck“ Beschlussempfehlung Haupt Drs 16/2060 Antrag der SPD, der CDU, der Linksfraktion, der Grünen und der FDP Drs 16/1986 einstimmig angenommen

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Anlage 2

Konsensliste

Der Ältestenrat empfiehlt, nachstehende Tagesordnungspunkte ohne Aussprache wie folgt zu behandeln:

Lfd. Nr. 5: I. Lesung Lfd. Nr. 17: Beschlussempfehlung Siebenundzwanzigstes Gesetz zur Handlungsfeld „Aktive Bürgergesellschaft“ beim Änderung des Landesbeamtengesetzes Programm „ServiceStadt Berlin“ ausbauen – (Siebenundzwanzigstes Bürger- und Volksbegehren ernst nehmen! Landesbeamtenrechtsänderungsgesetz – Beschlussempfehlung VerwRefKIT Drs 16/2004 27. LBÄndG) Antrag der CDU Drs 16/1456 Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2010 mehrheitlich gegen CDU, Grüne und FDP auch mit an InnSichO dem geänderten Berichtsdatum „31. August 2009“ Lfd. Nr. 6: I. Lesung abgelehnt Gesetz zur Änderung des Berliner Lfd. Nr. 18: Beschlussempfehlung Datenschutzgesetzes – Speicherung von Verbraucherschutz bei neuer Pflichtquote zur Videoaufnahmen bis zu 48 Stunden lang Beimischung von Bioethanol ernst nehmen! Antrag der CDU Drs 16/2028 Beschlussempfehlung GesUmVer Drs 16/2026 an InnSichO (f) und StadtVerk Antrag der FDP Drs 16/1325 Lfd. Nr. 8: I. Lesung einstimmig für erledigt erklärt Lfd. Nr. 21: Vorlage – zur Kenntnisnahme – Dienstrechtsänderungsgesetz (DRÄndG) gemäß Artikel 50 Abs. 1 Satz 3 VvB Vorlage – zur Beschlussfassung – Drs 16/2049 Vierter Staatsvertrag zur Änderung des an InnSichO und Haupt Staatsvertrages über die Zusammenarbeit Lfd. Nr. 10: Große Anfrage zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks Literatur in Berlin Vorlage – zur Kenntnisnahme – Drs 16/2048 Große Anfrage der SPD und der Linksfraktion Drs 16/2041 vorab an EuroBundMedienBerlBra (auf Antrag SPD und Linksfraktion) Die anfragenden Fraktionen beantragen die schriftliche Beantwortung des Senats Lfd. Nr. 22: Antrag Lfd. Nr. 14: Beschlussempfehlungen Mehr tun für die Opfer von Gewalt Konzept zur Finanzierung der Hilfen zur Antrag der CDU Drs 16/1970 Erziehung vorlegen vertagt Beschlussempfehlungen BildJugFam und Haupt Lfd. Nr. 24: Antrag Drs 16/2001 Antrag der CDU Drs 16/0585 „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ durch die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern vertagt stärken Lfd. Nr. 15: Beschlussempfehlung Antrag der Grünen Drs 16/2011 Lernen jenseits des formalen Unterrichts – an BildJugFam kulturelle Projekte für alle Schulen ermöglichen Lfd. Nr. 26: Antrag Beschlussempfehlung BildJugFam Drs 16/2002 Antrag der Grünen Drs 16/0165 Verschobene Gelder aus dem SED-Vermögen für die Opfer der SED-Diktatur verwenden mehrheitlich gegen CDU und Grüne bei Enth. FDP abgelehnt Antrag der CDU Drs 16/2034 vertagt

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Lfd. Nr. 28: Antrag Nachnutzung Flughafen Tegel – wirtschaftliche Zukunft im Berliner Norden Antrag der CDU Drs 16/2036 vertagt Lfd. Nr. 29: Antrag Entstandene Defizite in der zahnärztlichen Versorgung schwerstmehrfach behinderter Menschen umgehend beseitigen Antrag der CDU Drs 16/2037 an GesUmVer Lfd. Nr. 30: Antrag Heimbericht qualifizieren – Pflegequalität verbessern Antrag der CDU Drs 16/2038 an IntArbBSoz Lfd. Nr. 37: Antrag Energieausweise öffentlicher Liegenschaften ins Internet stellen Antrag der Grünen Drs 16/2047 an GesUmVer

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Anlage 3

Beschlüsse des Abgeordnetenhauses

Mehr Professionalität bei „Berlin im Vermögensgeschäft Nr. 21/2008 des Städtevergleich“ Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Das Abgeordnetenhaus unterstützt den Senat in seinem Das Abgeordnetenhaus von Berlin stimmt der Zuordnung Bemühen, zur Förderung von Effektivität und Effizienz der nachfolgend genannten Grundstücke bzw. Teilflächen des Verwaltungshandelns Städtevergleiche zwischen zum Sondervermögen Immobilien des Landes Berlin Berlin und anderen Metropolen innerhalb und außerhalb (SILB) mit Wirkung zum 1. Januar 2009 zu. der Bundesrepublik sowie zwischen den Bezirken und Kommunen durchzuführen.

Dabei bestärkt das Abgeordnetenhaus den Senat aus- drücklich darin,

– das System entsprechender nationaler Kooperations- gremien (Vergleichsringe) auszubauen sowie – weiter darauf hinzuwirken, ein einheitliches und be- lastbares Kennzahlensystem zu entwickeln. Darüber hinaus sollen die vom Senat initiierten Verglei- che generell gemeinsam mit den betroffenen Verwaltun- gen bzw. Bezirken durchgeführt werden.

Vermögensgeschäft Nr. 6/2006 des Verzeichnisses über Vermögensgeschäfte Dem Verkauf eines Grundstücks der Gemarkungen Lud- wigsfelde und Siethen – ehemalige NVA-Kaserne –, Neckarstraße, Flur 1 bzw. 4, Flurstücke 36, ½ und 74 – alle teilw. – mit insgesamt ca. 103 333 m² an die Ent- wicklungs- und Verwaltungsgesellschaft Ludwigsdorfer Park GmbH i. G. zu einem Kaufpreis von 160 000 € zu den Bedingungen des am 7. Dezember 2005 zur Urkun- denrolle Nr. R 546/2005 des Notars Dr. Udo Rodig in Berlin beurkundeten, unter Vorbehalt geschlossenen Vertrages wird zugestimmt. Die Zustimmung erfolgt mit der Maßgabe des Abschlusses einer Zwecksicherungs- klausel – § 12 – zur dinglichen Sicherung der beab- sichtigten Nutzung.

Änderung des Beschlusses zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Spreedreieck“ In Nummer II Absatz 2 Satz 1 des Beschlusses über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklä- rung der Vermögens- und Baupolitik am Spreedreieck und den umliegenden Grundstücken, insbesondere Fried- richstraße 100 – 103, vom 11. September 2008 (Drs 16/1730) werden die Worte „eine wissenschaftliche Mit- arbeiterin oder einen wissenschaftlichen Mitarbeiter“ durch die Worte „wissenschaftliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter“ ersetzt.

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Lfd. Liegenschaft Bezirk Berlin Flurstück Grundstücksfläche Nr. in m² 1. Albrechtstr. 20 Mitte 175 2.826 (Berliner Ensemble) 2. Alte Jakobstr. 128 Friedrichshain- 484 136 (Berlinische Galerie) Kreuzberg 682 3.511 683 5.006 insges. 8.653 3. Trebbiner Str. 8, Friedrichshain- 269/2 1.451 Trebbiner Str. 9 Kreuzberg 269/3 118 (Deutsches Technikmuse- 2519/269 902 um Berlin) 2520/269 63 3087(teilweise) 45.240 3093 1.368 3123 48 3164 714 3166 690 3253 998 insges. 51.592 4. Möckernstr. 26, 42, 43, 44, Friedrichshain- 3089 754 Yorkstr. 24 Kreuzberg 3182 1.923 (Deutsches Technikmuse- 3183 4.804 um Berlin) 3184 12.361 3185 602 3337 1.218 3338 1.095 3339 142 3340 2.960 3344 11 3345 19.845 insges. 45.715

5. Alt-Treptow 1 Treptow-Köpenick 1001 5.564 Alt-Treptow 1090 teilweise; ca. 8.962 Bulgarische Str. (Außenanlagen der insges. ca. 14.526 Treptower Park Sternwarte; hierzu (Archenhold Sternwarte) wird noch eine verein- fachte Sonderung erfolgen.) 6. Prenzlauer Allee 80 Pankow 158 2.619 (Zeiss Großplanetarium) 7. Gendarmenmarkt 3-4 Mitte 9 3.844 (Konzerthaus Berlin) 8. Jägerstr. 20 Mitte 6 719 Charlottenstr. 55 7 1.004 Charlottenstr. 56 und Tau- 8 1.734 benstr. 31, 32, 33 insges. 3.457 (Konzerthaus Berlin) 9. Fasanenstr. 23 Charlottenburg- 1869/9 2.068 (Literaturhaus Berlin) Wilmersdorf 10. Am Festungsgraben 2, Mitte 12 934 Dorotheenstr. 9 und 11 (Maxim Gorki Theater) 11. Hinter dem Gießhaus 2, Mitte 243 teilweise; 1.275 Am Festungsgraben 1, (Hierzu wird noch Dorotheenstr. 7 und 5 eine vereinfachte (Maxim Gorki Theater) Sonderung erfolgen.)

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