Deutscher Journalisten-Verband ISSN 1861-9517 Landesverband Hessen e. V. Ausgabe 3 Gewerkschaft der Journalisten 2019

Hessischer Journalistenpreis für FR-Chefredakteurin Bascha Mika

Jungjournalistentag: Hessischer Rundfunk: Ortsverbände: Filmförderung: Ingo Zamperoni Regionalnachrichten Oberbürgermeister Geschäftsführer motiviert Nachwuchs aus einem Guss und Minister zu Gast liebäugelt mit AfD

3/2019 1 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Aus dem Inhalt

Editorial: Organ des Landesverbandes Qualitätsjournalismus nicht zum Nulltarif zu haben ...... 3 Hessen (Rheinbahnstraße 3, 65185 ) und des Deutschen Neues aus dem hr: Journalisten-Verbandes e. V., Ge- Beschäftigungsverhältnisse abgesichert ...... 3 werkschaft der Journalisten. Hessischer Journalistenpreis: 30. Jahrgang, Oktober 2019 Nur Gewinnerinnen ...... 4

Herausgeber: Jungjournalistentag: Deutscher Journalisten-Verband Ingo Zamperoni will Impulse geben ...... 6 Landesverband Hessen e. V. V. i. S. d. P.: Fotowettbewerb: Knud Zilian Tipps vom Vorjahressieger Arne Dedert ...... 8 Redaktion: Hessischer Rundfunk: Dr. Christine Dressler (dre), Crossmediale Schaltzentrale installiert ...... 10 Jens Brehl (bre), Andreas Lang (ala), Hessischer Ehrenbrief: Bouffi er würdigt Norbert Dörholts Engagement ...... 12 Koordination: Andreas Lang Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft: Seit 70 Jahren täglich neue Prüfaufträge ...... 14 Schlussredaktion: Andreas Lang, Maik Schulz Fotografen haben Namen: Titelbild: Defi zite in Verbandspublikationen ...... 16 Rainer Rueffer Presserat: Anzeigen: Focus Online auch für Zulieferungen verantwortlich ...... 18 Axel Häsler Berichterstattung und Werbung: Anschrift der Redaktion: Auf saubere Trennung achten ...... 19 Rheinbahnstraße 3 65185 Wiesbaden Radio: Telefon: 06 11-3 4 1 9 1 24 FFH erweitert Programm im Webchannel ...... 20 Telefax: 06 11-3 4 1 9 1 30 Kolumne: E-Mail: [email protected] Homepage: www.djvhessen.de Halbherzig gegen Hetze und Propaganda ...... 21

Erscheinungsweise: Hessische Filmförderung: viermal jährlich Hans Joachim Mendigs vielsagendes Schweigen ...... 23 Für Mitglieder im DJV Hessen ist der Resilienz: Heftpreis im Mitgliedsbeitrag enthal- Neues Weiterbildungsangebot des DJV Hessen ...... 25 ten. ISSN 1861-9517 Neue Serie: Wo sich DJV-Mitglieder noch engagieren ...... 26 Gestaltung und Herstellung: MSB VVW GmbH & Co. KG, Gotha Ortsverband Frankfurt: Stolz im Stoltze-Museum ...... 27

Veröffentlichungen, die nicht Ortsverband Wiesbaden: Plaudereien mit Ministern Dorn und Klose ...... 30 ausdrücklich als Stellungnahme des DJV-Vorstandes gekennzeich- Bad Hersfelder Festspiele: net sind, stellen die persönliche Kritische Töne von Deniz Yücel ...... 32 Meinung des Verfassers dar. Für un- verlangt eingesandte Manuskripte kann keine Haftung übernommen werden. Nachdruck, auch auszugs- weise, nur mit Genehmigung des Herausgebers.

Achtung: Texte für die nächste „Blickpunkt“- Ausgabe müssen an maxala@ online.de eingereicht werden. Einen goldenen Herbst wünscht die Redaktion allen Lesern. Foto: ala

2 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Nicht zum Nulltarif zu haben

er DJV-Bundesverband wird 70. Herzlichen nd wir müssen den Verlegern und Inten- DGlückwunsch kann man da nur sagen. Denn Udanten der Öffentlich-Rechtlichen sowie hier zu Lande und gerade jetzt, in diesen Zeiten, Geschäftsführern der Privaten klar machen, dass sind starke Berufsverbände wichtig. Qualitätsjournalismus die bes- Im Journalismus ganz besonders. te Waffe im Kampf um Presse- freiheit und gegen Hetze und llenthalben Versuche, die Presse- Hassparolen ist. Dazu braucht Afreiheit auch in Deutschland zu es gut ausgebildete Journa- beschneiden, einzuschränken. Gera- listen. de von denen, die öffentlich skandie- ren, dass man ja seine Meinung nicht unge Menschen, die sich frei äußern dürfe. Merken die eigent- Jüberlegen, Journalistin oder lich selbst nicht, was sie da verzap- Journalist zu werden, aber sind fen? Alber auch Behörden verunsichert von den Sparmaß- und Polizei verschanzen nahmen, die überall um sich sich allzu oft hinter dem Knud Zilian, Landesvorsitzender greifen. Gute Leute bekommt Stichwort Datenschutz, DJV Hessen man nicht zum Nulltarif, Quali- (Foto: Wolfgang Kühner) um Informationen nicht tätsjournalismus ebenfalls nicht. Also weiter zu geben an die müssen wir weiter machen, müssen Presse. Überzeugungsarbeit leisten, müssen aber auch in Tarifverhandlungen weiter Position beziehen. berall da, wo so etwas ruchbar wird, müssen Üwir vom DJV einschreiten. Die Landesver- lso nochmals: Glückwunsch Bundesverband bände in den Regionen, der Bundesverband auf Aund packen wir es gemeinsam an, für guten höchster Ebene. Dabei ist es wichtig, diese Struk- Journalismus in unserem Land und angemessene tur weiter auszubauen, weiter zu stärken. Nur so Bezahlung der Medienschaffenden. können wir gemeinsam auf allen Ebenen unseren Berufsstand gegen weitere Angriffe verteidigen. Euer Knud Zilian

+++ Neues aus dem HR +++ Neues aus dem HR +++ Neues aus dem HR +++ Neues

Fest im Bestand

3/2019 3 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien „Print ist nicht tot“ FR-Chefredakteurin Bascha Mika für bisheriges Lebenswerk ausgezeichnet – Silvia Dahlkamp beste Autorin des Jahres

Sie ist links, sie ist krisenerprobt, war, hält diese nun wieder eine Verunsicherung, die bleibt. Zu sie schreckt vor einem klaren Wort Journalistin in Händen. Ein Um- sehr stecken der Mannschaft die nicht zurück und sie weiß zu mo- stand, den Bascha Mika nicht regelmäßigen Veränderungen der tivieren. Bascha Mika, seit über überbetonen würde. Auch wenn Mehrheitsverhältnisse seit Be- fünf Jahren zusammen mit Arnd der Feminismus Stil und Schreibe ginn der Krise bei der Rundschau Festerling Chefredakteurin der der früheren taz-Chefredakteurin 2003 in den Knochen. Und die Frankfurter Rundschau, erhält den ebenso prägt wie dezidiert linke Herausforderungen werden nicht Hessischen Journalistenpreis 2019 Positionen. weniger, weder die des Mark- für ihr bisheriges journalistisches Mindestens genauso sehr ist tes noch der aus dem digitalen Lebenswerk. Mika aber Teamplayerin. Mehr als Transformationsdruck resultie- einmal betont sie im Gespräch rende Anpassungsbedarf. Sie reiht sich damit ein zwischen mit dem „Blickpunkt“, dass der Und dennoch sieht sich Mika an Kollegen wie Werner D‘Inka, Hel- Preis nicht nur ihr gehöre, son- der Spitze einer „tollen Zeitung mut Reitze, Helmut Markwort dern ihrem Team aus heute noch mit einer großartigen Redaktion“, oder Dieter Kürten. Ende Septem- 80 festangestellten Redakteuren. die mit „unglaublicher Energie“ ber ist die mit 3000 Euro dotierte Von diesen haben aber nur 28 ei- an die Zukunft des Blattes denke, Auszeichnung in Frankfurt verlie- nen Vertrag mit der FR, der Rest aber auch an die Themen, die die hen worden. Zusammen mit vier ist bei der Pressedienst Frankfurt FR setze. Für die überregionale weiteren Preisen für herausragen- GmbH angestellt. Dass sie dieses Berichterstattung sei die Rund- de journalistische Leistungen im Rumpfteam nach den heftigen schau „state of the art“, gibt sich Land, die der DJV Hessen und die Turbulenzen und Zumutungen die Chefredakteurin im Vergleich Sparda-Bank Hessen ausgelobt des vergangenen Jahrzehnts mit der Konkurrenz selbstbe- haben. streicheln muss, ist ihr bewusst. wusst. Erstmals seit sechs Jahren, als Auch wenn ökonomische Zwänge „Print ist nicht tot“, ist Mika die legendäre Reporterin der ihren Tribut fordern. überzeugt. Seit den 90er Jahren Frankfurter Neuen Presse, Jutta Seit nun fünfeinhalb Jahren stellten Digital-Gurus diese The- W. Thomasius, mit der gläsernen scheint Mika und Festerling die- se auf, bis heute hätten sie nicht Skulptur ausgezeichnet worden ser Spagat zu gelingen. Bei all der Recht behalten. Auch wenn die

Siegerreportage über Dorfrebellen Wie sich die abgeschnittene Gemeinde Alheim im Landkreis Hersfeld- Rotenburg zu einem Vorzeigeort für ökologisches Lernen entwickelt hat, beschreibt Silvia Dahlkamp einfühlsam und facettenreich in ihrer Sieger- Reportage „Unser Dorf soll weiterleben“. Die nordhessische Kommune stemmt sich mit unterschiedlichen Programmen und Initiativen gegen den demografischen Wandel in den weit verstreuten zehn Ortsteilen. So ist es gelungen, sich komplett mit selbst erzeugter Energie zu versorgen. Ein Dorfladen konnte über wirtschaftliche Turbulenzen hinweg erhalten werden. Das „mobile Rathaus“ kommt in abgelegene Ortsteile, und ein Landschulheim in einem verwaisten Bauernhof bringt Leben ins Dorf. „Bullerbü für Stadtkinder“ wie die Autorin liebevoll formuliert. Eine von vielen aufmerksamen Beobachtungen in einem Dorf, das sich nicht dem Fatalismus hingibt und sich auch durch Rückschläge nicht abbringen lässt von der Absicht, das „Kaff“ nicht verloren zu geben. Silvia Dahlkamp publiziert als freie Autorin mit Fokus auf gesellschaftspolitische und Gesundheitsthemen in Print- und Online-Medien. Mit ihrer Reportage „Ende einer Schulkarriere“, erschienen im Hamburger Abendblatt, war sie 2013 Finalistin beim Deutschen Journalistenpreis. (ala)

4 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

gedruckte FR am Abgrund ent- „Haltung zeigt, der Menschen lang getorkelt ist: Letztlich hat sie befähigt, politisch zu denken sich wieder freigestrampelt. Die und zu handeln“. Auch um ihn zu Mitarbeiter hätten sich bestimmt immunisieren gegen die Vorhal- eine weniger dramatische Wider- tungen von Populisten und die legung der These vom Zeitungs- inflationär wacchsenden Zweifel sterben gewünscht. Letztlich ha- an der Glaubwürdigkeit. ben sie aber den Beweis erbracht, zu welchem Preis eine (linke) Ta- Familiengeschichte geszeitung weitergeführt werden kann. Stellvertretend auch dafür zu Ende schreiben nehme sie den Hessischen Jour- nalistenpreis entgegen. Mika selbst wollte schon als Kind Die gedruckte Auflage werde Geschichten schreiben auch ge- womöglich abnehmen, sich zu prägt durch die Erzähltradition Nimmt die Auszeichnung für die FR-Redaktion entgegen: einem Luxusprodukt für eine im oberschlesischen Elternhaus. Chefredakteurin Bascha Mika, hier mit dem DJV- gewisse Elite entwickeln, schaut Bevor sie diese Leidenschaft zum Landesvorsitzenden Knud Zillian. Foto: Rainer Rueffer Mika in die Zukunft. Aber sie wird Beruf machte, machte sie aber fortbestehen, ist sie sich sicher. zunächst eine Banklehre, arbei- Mika kurz auf – und kommt ganz Das gelte auch für Hessen, wo tete drei Jahre lang bei der Deut- schnell wieder auf die eigene Fa- die Medienkonzentration zwar schen Bank in Aachen und stu- milie zu sprechen, die sie so stark auch ihre Spuren hinterlasse, die dierte danach erst Afrikanistik, geprägt hat. Auf die Fluchterfah- Zeitungslandschaft aber immer später Philosophie, Germanistik rungen der Eltern über die Oder- noch vielfältig und farbig bemer- und Ethnologie. Letztlich zog es Neisse-Grenze und später wieder kenswert sei. sie doch in die Zeitungsredakti- zurück nach Polen. Darüber wie on, 1988 in der taz, wo sie Ende der Umgang mit Minderheiten Lebensmittel für der 90er Jahre in die Chefredak- diese prägt und zum Verstum- tion berufen wurde. Auf diesem men bringt. Darüber wie schwer die Demokratie Schleudersitz hielt sie es rekord- es ist, erlittenes Unrecht zu er- verdächtige zehn Jahre aus, ehe tragen und daran nicht zu zer- Diese Einschätzung speist sich die „Queen“, wie ein ZEIT-Redak- brechen. Nicht nostalgisch ver- auch aus ihren Erfahrungen in teur sie damals charakterisierte, klärt würde sie diese Geschichte der journalistischen Aus- und den Rücken kehrte. erzählen, sondern aufklärerisch, Weiterbildung, in der die 65-Jäh- Und welche Geschichte möch- feministisch, progressiv – so wie rige seit Anfang der 90er Jahre te sie nach 30 recht turbulen- es eben Mikas Stil ist. engagiert ist. Auch aus diesem ten Jahren im Journalismus nun Austausch erwachsen ihre grund- noch schreiben? Da lacht Bascha Andreas Lang legenden Überzeugungen zum Sinn und Ziel journalistischer Arbeit. Dass sich interessierter Nachwuchs eher in Richtung Die weiteren Preisträgerinnen PR orientiert, etwa um eine ver- Der Hessische Journalistenpreis wird seit 2006 vom DJV Hessen und der Sparda-Bank meintlich sichere Anstellung und Hessen verliehen. 2019 konnten Beiträge zum Thema „Soziale Nachhaltigkeit in Hessen“ ein auskömmliches Einkommen eingereicht werden, die eine Jury mit Vertretern aus Wissenschaft und Medienpraxis zu haben, sieht die gestandene beurteilt hat. „Mit dem Hessischen Journalistenpreis werden Arbeiten ausgezeichnet, die Journalistin nicht nur gelassen. in hervorragender Weise das Land Hessen als deutsche Wirtschafts- und Kulturregion in Sondern auch als Ansporn, den Europa, als einzigartige Landschaft und vor allem die Menschen in Hessen und ihr Leben Stellenwert von Qualitätsjourna- zum Thema haben“, beschreibt Markus Müller, Vorstandsvorsitzender der Sparda-Bank lismus zu unterstreichen. „Der Hessen, den Wettbewerbsgedanken. ist ein Lebensmittel für die De- Die Preisträger sind dieses Jahr allesamt weiblich. Gewonnen hat Silvia Dahlkamp für mokratie“, postuliert sie. ihre Reportage „Unser Dorf soll weiterleben“ im AOK-Magazin „G + G Gesundheit und Bei der FR kann sie über Nach- Gesellschaft“. wuchsmangel nicht klagen: In diesem Jahr haben fünf Volontäre Für ihr Multimedia-Special „Odenwälder Köpfe“, ausgestrahlt auf hr2-Kultur, wurden ihre Ausbildung begonnen, einer Christiane Kreiner und Karoline Sinur mit Silber bedacht. mehr als im Vorjahr. „Quanti- Auf dem dritten Platz sieht die Jury Constanze Kleis für ihren Artikel „Die blühende Stadt“ tativ wie qualitativ haben wir so im Magazin „Meinfeeling“. viele Bewerbungen bekommen wie seit Jahren nicht mehr.“ Nun Der Sonderpreis wurde Sabrina Dämon für ihre neunteilige Serie „Unter einem Dach“ in gelte es, einen Journalismus zu der Wetterauer Zeitung zuerkannt. (ala) pflegen und zu bewahren, der

3/2019 5 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Mit voller Absicht für die Mülltonne geschrieben -Moderator Ingo Zamperoni ist einer der Referenten beim Jungjournalistentag des DJV Hessen im November in Frankfurt Auch er hat mal klein angefangen: weiter zu versuchen“, berichtet für Medien, Kommunikation und Für die Schülerzeitung der Leib- Zamperoni im Gespräch mit dem Wirtschaft (HMKW) zuvorderst nizschule in Wiesbaden hat Ingo „Blickpunkt“. Sein Debütstück vermitteln. „In der digitalisierten Zamperoni, einer der Referenten hat er zwar für die „Mülltonne“ Medienwelt, in der vermeintliche beim Jungjournalistentag Mitte geschrieben, für die Tonne war es Nachrichten via Smartphone in November in Frankfurt, Anfang aber mitnichten. Echtzeit verbreitet werden, ist es der 90er Jahre seinen ersten Arti- zwar kaum mehr möglich, un- kel geschrieben. Der Gymnasiast hatte alle Frei- ter den Ersten zu sein. Aber der heiten, sich in der Schülerzeitung Drang, immer gleich live senden Damals hatte Saddam Hussein weiter auszubreiten. Zensiert wur- zu wollen, entbindet nicht von der mit der Okkupation Kuwaits einen de keiner seiner Artikel durch die Pflicht, sauber zu recherchieren. Krieg provoziert. In einer Analyse Schulleitung. Maßgeblich aus dem Gründlichkeit geht immer noch führte der Jungjournalist aus, wa- Grund, dass Zamperoni gründlich vor Schnelligkeit“. rum die Golfregion seit jeher ein recherchierte und ausgewogen be- Pulverfass ist. Am Tag nach dem richtete. In einer Zeit, in der Nach- Journalismus: Wandern Erscheinen der „Mülltonne“ be- richten noch entschleunigter pro- zwischen den Welten dankte sich eine Mitschülerin bei duziert und verbreitet wurden ein dem Autoren, weil sie nach der einfacheres Unterfangen. Aber für Will heißen: Jenseits der Breaking Lektüre die komplizierten Zusam- Zamperoni keine Entschuldigung News fängt die Arbeit der Journa- menhänge und Verflechtungen für gewissenhaftes Arbeiten auch listen erst an. Die Nachricht zu endlich verstanden habe. unter Zeit- und Erwartungsdruck. sortieren, einzuordnen und zu ge- wichten ist der Mehrwert, den eine Dass eine Leserin meine Erläute- „Be first, but first be right“ – die- journalistische Berichterstattung rungen verstanden und einen Er- sem Grundsatz folgt der Tages- bietet. Blasen bilden sich in den kenntnisgewinn daraus gezogen themen-Moderator bis heute. Und sozialen Netzwerken mit rasanter hat, war für mich Motivation und diese Einstellung will er beim Jung- Geschwindigkeit. In diese zu ste- Ansporn, mich auf diesem Terrain journalistentag in der Hochschule chen, die heiße Luft herauszulas- sen und die verbliebene Substanz zu verarbeiten ist der Anspruch, dem sich auch Zamperoni ver- Weitere Referenten beim Jungjournalistentag pflichtet fühlt und für den er bei Der zweite Jungjournalistentag am 16. November in der Frankfurter Hochschule für seinem Vortrag in Wiesbaden sen- Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) richtet sich an Nachwuchsjournalisten, sibilisieren will. Dass der nächste Studenten und Oberstufenschüler. Er steht unter dem Motto „Journalismus - wandern Jungjournalistentag – womit Nach- zwischen den Welten“. Als Referenten haben über Anchorman Ingo Zamperoni hinaus wuchsjournalisten, Studenten und bislang zugesagt: Professor Oliver Quiring, Leiter des Lehr- und Forschungsbereichs für Oberstufenschüler gemeint sind Kommunikationswissenschaften an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz – unter dem Titel „Journalismus – Gregor Mayer, Leiter Digitale Medien bei phoenix wandern zwischen den Welten“ fir- miert, unterstreicht diesen Ansatz. Stefan Schröder, Chefredakteur des Wiesbadener Kuriers Andreas Fauth, Chefredakteur der Multimedia-Redaktion des evangelischen Medienhauses Dem Anchorman der ARD ist be- in Frankfurt und Leiter der evangelischen Hörfunkschule in Frankfurt wusst, dass er bei seinem öffent- lich-rechtlichen Arbeitgeber in Stanley Vitte, Hochschulbeauftragter des DJV Nordrhein-Westfalen einer privilegierten Situation ar- Wolfgang Kiesel, Journalist und Dozent beitet; und das Umfeld und Team hat, um diesen professionellen An- Alice Engel, Pressesprecherin im hessischen Sozialministerium, davor Journalistin beim hr sprüchen zu genügen. „Viele ande- Wolfgang Kothen, Standortleiter HMKW re Kollegen arbeiten unter anderen ökonomischen Bedingungen und Knud Zilian, Vorsitzender des DJV Hessen, Gesamtpersonalratsvorsitzender beim hr sind einem deutlich stärkeren Druck ausgesetzt“, ist sich Zam-

6 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

peroni bewusst. „Da braucht es Mut, um sich durchzubeißen.“ Mit der gereiften Mentalität der User, Online-Inhalte kostenlos konsu- mieren zu können, sei zudem eine Büchse der Pandora geöffnet wor- den. Dennoch prognostiziert auch er dem Qualitätsjournalismus eine Zukunft.

Was aber unter anderem voraus- setze, den Leser, Zuschauer, User ernst zu nehmen, Glaubwürdigkeit mit seriöser Berichterstattung auf- zubauen und zumindest den Ver- such zu unternehmen, Vertrauen zu bilden. „Das ist anstrengender und zeitintensiver geworden, das spornt unseren Berufsstand aber auch an, korrekt und gewissenhaft zu arbeiten.“ Multimediale Strategie beim NDR ausgebaut

Und wie erreichen Tagesschau und Am Tag der Pressefreiheit, dem 3. Mai, hat Ingo Zamperoni Tagesthemen, die Flaggschiffe in ben.“ Journalismus zwischen zwei Geburtstag. Bei seinem Besuch voriges Jahr in der Wiesbadener der als immer behäbiger wahr- Welten eben. Und wer, wenn nicht Geschäftsstelle hatte ihm Schatzmeisterin Gabriela Blumschein mit Mozartkugeln zum 44. gratuliert. Foto: Andreas Lang genommenen ARD-Flotte, junge einer wie Mister Tagesthemen Zuschauer und neue Zielgruppen? kann zwischen diesen zwei Welten Zum einen, jenseits der Berliner vermitteln? Weshalb er nicht lange Prinzipien, mit denen der Wahl- Politik-Analyse Inhalte zu thema- überlegt hat, als ihn Stefan Schrö- Hamburger aus Wiesbaden gut tisieren, die in deren Alltagsleben der, Chefredakteur des Wiesbade- gefahren ist und die er weiterge- hineinwirken, führt Zamperoni ner Kuriers und einer der weiteren ben will. Er hat es damit immerhin aus. Zum anderen, indem sie die- Referenten auf dem Jungjournalis- vom Krankenhaus-Rundfunk in der se Inhalte nicht nur linear versen- tentag, für dieses Format angewor- hessischen Landeshauptstadt ins den, sondern auf nutzeraffinen ben hat. Tagesthemen-Studio in Lokstedt Kanälen in den sozialen Medien geschafft. ausspielen. Um diese Strategie Nicht gleich Nein akzep- weiter auszubauen und passge- tieren, hartnäckig bleiben, nach- nauer produzieren zu können, ist haken – das sind journalistische Andreas Lang auf dem Gelände des NDR neben dem Stammhaus für die Redaktion von ARD aktuell ein weiteres Haus gebaut werden, in dem News- Pate der „Feder für die Pressefreiheit“ room-Strukturen nach den Ideen Über die Fürsprache von Chefredakteur Stefan Schröder hinaus hat der Charme von DJV- der NDR-Mitarbeitern eingerichtet Schatzmeisterin Gabriela Blumschein ein Übriges getan, Ingo Zamperoni für eine weitere worden sind. Zusammenarbeit mit dem Landesverband zu gewinnen. Dieser hatte im vergangenen Jahr erstmals verfangen als sie den Moderator als Paten für die Vergabe der „Feder für die Die digitale Transformation, mul- Pressefreiheit“ zu gewinnen. Diese Auszeichnung in Form eines Füllfederhalters, die am timediale Dossiers und die Aus- Tag der Pressefreiheit am 3. Mai verliehen wird, soll an Journalistinnen und Journalisten richtung auf jüngere Zuschauer erinnern, die aufgrund ihrer unerschrockenen Berichterstattung drangsaliert werden. begreift Zamperoni jedenfalls Sie ging bei der Premiere an die türkische Journalistin und Künstlerin Zehra Dogan und nicht als Ballast, sondern als eine dieses Jahr an den ägyptischen Journalisten und Blogger Ismail Iskandarani. Sie sind auf faszinierende und inspirierende Empfehlung Zamperonis, der an diesem Tag seinen Geburtstag feiert, ausgewählt worden. Herausforderung. Und als Bewäh- Dogan ist mittlerweile aus der Haft entlassen worden, und hält sich auf Einladung des rungsprobe für den Journalismus, Autorenverbands PEN in London auf. Iskandarani verbüßt eine zehnjährige Haftstrafe wie er ihn einst im Leibniz-Gymna- wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation und Verbreitung sium erlernt hat. „Die technischen falscher Nachrichten. ala Möglichkeiten haben sich verän- dert, die Grundwerte sind geblie-

3/2019 7 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Gespür für den magischen Moment 13. Fotowettbewerb der DJV-Landesverbände Hessen und Thüringen läuft – Vorjahresgewinner Arne Dedert über den besonderen Blickwinkel

Fingerzeig: Mit dieser Kunstinstallation von Präsident Erdogan hat Arne Dedert voriges Jahr den Wettbewerb gewonnen. Foto: dpa Deutsche-Presseagentur GmbH Landtag präsentiert werden. Vo- und die Schokoladenseiten einer riges Jahr hat Arne Dedert, Fo- Festanstellung. Ende September ist die Frist tojournalist im dpa-Landesbüro abgelaufen, um Aufnahmen für mit Sitz in Frankfurt, die Jury am Herr Dedert, nach über 35 Jah- die Teilnahme am Wettbewerb stärksten beeindruckt, mit der ren in diesem Job scheinen Sie „PresseFoto Hessen-Thüringen“, Aufnahme einer überdimensi- einen Blick zu haben für den be- zum 13. Mal ausgelobt von den onalen und vergoldeten Statue sonderen Moment. Binnen zehn beiden DJV-Landesverbänden des türkischen Präsidenten Re- Jahren haben Sie zweimal ein Hessen und Thüringen, einzurei- cep Tayyip Erdogan, die auf der Foto des Jahres aufgenommen, chen. Das Foto des Jahres und Wiesbaden Biennale nach 24 2008 mit der gescheiterten frü- die attraktivsten Aufnahmen Stunden vorsorglich wieder ab- heren SPD-Landesvorsitzenden aus dem Verbreitungsgebiet in gebaut worden war. Wir sprachen Andrea Ypsilanti und voriges sechs weiteren Kategorien sollen mit Dedert über die Kompositi- Jahr mit den Irritationen, die Anfang Dezember im Thüringer on einer gelungenen Aufnahme die vier Meter hohe Erdogan- Büste auf dem Wiesbadener Kunstfestival auslöste. Hatten Sie es im Gefühl, dass Ihnen da- Zur Person mit wieder eine herausragende Arne Dedert (55) hat 1985 bei der Sportfoto-Agentur Baumann in Aufnahme geglückt ist? Ludwigsburg volontiert. Ende der 80er Jahre wechselte er als freier Geahnt habe ich es, dass das Bild Bildjournalist zur Agentur AP, für die er unter anderem den Fall der Potenzial zum Blickfang hat. Ge- Berliner Mauer dokumentierte. 1993 heuerte Dedert für kurze Zeit rechnet habe ich damit nicht. Ich bei Reuters an, ehe er 1995 bei dpa festangestellt wurde. Was er als nehme regelmäßig an dem Wett- „Sechser im Lotto“ bezeichnet, hat er der Fürsprache von dpa-Kollegen zu verdanken, bewerb teil und bin jedes Mal die ihn bei diesem Arbeitgeber empfahlen. Dedert ist einer von zwei festangestellten beeindruckt von der Qualität der Bildjournalisten für den dpa-Landesdienst Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland, die vom Einreichungen. Die Konkurrenz regionalen Multimedia-Redakteur am Newsdesk in Frankfurt gesteuert werden. Über die ist beeindruckend. beiden Siegerfotos aus 2008 und 2018 hinaus hat er voriges Jahr auch in der Kategorie Umwelt und Natur überzeugt, mit der Silhouette eines Rehs, das eine Landstraße passierte. Was macht ein gutes Bild aus? „Ich hatte auf einen Radfahrer gewartet, um die Szenerie etwas zu beleben. Stattdessen Lassen Sie mich das anhand der ist mir ein Reh vor die Linse gelaufen.“ (ala/Foto: Axel Häsler) Erdogan-Installation erläutern: Da erhielt ich morgens den An-

8 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

Akrobatisch: Der frühere Frankfurter Eintracht-Stürmer Luca Jovic beim Schuss aufs Tor – fotografiert von Arne Dedert. ruf, dass diese auf dem Platz der tuation vor Ort wider. Deutschen Einheit zur allgemei- nen Überraschung unangekün- Wie sehr kam Ihnen zugute, digt aufgestellt worden war. Ich dass Sie nicht unter Zeitdruck hatte die Möglichkeit, mich den standen? übrigen Material, das Sie ver- ganzen Tag über dort aufzuhal- Geahnt habe ich es, dass das sandt haben? Was macht seine ten und konnte nachspüren, wie ein komfortabler Vorteil war. Ich Magie aus? sich da Emotionen aufgebaut habe den ganzen Tag über Kon- Ein gutes Bild soll den Betrachter haben. Die zunehmend gereizte takt mit der Redaktion gehalten für längere Zeit fixieren, soll ihn Stimmung, die sich da aufgebaut und diese mit Fotos bedient. zum Verweilen animieren. Idea- hat, konnte ich mit der Kamera Gleich zu Beginn für die digitalen lerweise soll es in Erinnerung über einen längeren Zeitraum Medien. Später habe ich von bleiben, sich im Gegensatz zu dokumentieren. Das letztlich verschiedenen Standorten aus einer flüchtigen Momentaufnah- prämierte Bild ist relativ spät an nachgeliefert, insgesamt über me einbrennen. Und es soll eine diesem Tag entstanden. Ich habe 20 Bilder. Das Siegerfoto konnte Entwicklung dokumentieren, diesem Objekt eines anonymen ich aus erhöhter Position im Flur in diesem Fall die wachsende Spenders bewusst den Titel „pro- eines Wohnhauses aus machen. Aufmerksamkeit und die unter- vokative Kunst“ gegeben. Das schiedlichen Reaktionen der Be- spiegelt mein Empfinden der Si- Was unterscheidet es von dem trachter auf diese Provokation.

Der Wettbewerb Metz, Monika Plhal sowie Matthias Haupt, Sprecher des Hauptsponsors und Rüdiger Pichler von der hessischen Zum 13. Mal haben die DJV-Landesverbände Hessen und Film- und Medienakademie. Thüringen den Wettbewerb „PresseFoto Hessen-Thürin- Ausgewählte Bilder werden nach der Preisverleihung Anfang gen“ ausgeschrieben, den die Sparkassen-Finanzgruppe Dezember im Thüringer Landtag in einer Wanderausstel- Hessen-Thüringen wieder als Hauptsponsor unterstützt. lung in beiden Bundesländern gezeigt. Alle ausgezeichne- Neben dem Foto des Jahres werden die anspruchsvollsten ten Aufnahmen, die laut Veranstalter die „Arbeit fotografie- Aufnahmen in sechs Kategorien mit Geld- und Sachprämien render, hauptberuflicher Journalistinnen und Journalisten honoriert: beste Serie, Menschen und Momente, Kultur und der Öffentlichkeit nahebringen und das aktuelle Geschehen Gesellschaft, Sport und Freizeit, Umwelt und Natur sowie in Hessen und Thüringen dokumentieren“ sollen, werden Technik und Verkehr. on einem Katalog aufgenommen. Dafür haben die beiden Übe die Vergabe der Preise entscheidet eine Jury, bestehend Landtagspräsidenten Birgit Diezel (Thüringen) und Boris aus den Journalisten Umberto Biagioni, Anke Deleiter, Hen- Rhein (Hessen) die Schirmherrschaft übernommen. ner Flohr, Roland Holschneider, Sergej Lochthofen, Dirk (ala)

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Die Kunst besteht nicht nur da- Wesentlichste, bis hinein in die vom vorbeiziehenden Sarg hat rin, zur rechten Zeit am rechten Schwarz-Weiß-Farbkompositi- es auf die Titelseite der FAZ ge- Ort zu sein, sondern einen be- on. schafft. Zu den bekannteren zählt sonderen Moment zu antizipie- In dieser aufgeheizten Pha- auch die Szene in Deidesheim, ren. Wenn man diesen vor Augen se der Landespolitik, in der sie als die damalige Premierminis- hat, ist es schon zu spät zum ihre Chancen auslotete, von der terin Margaret Thatcher beim Abdrücken. Linkspartei mitgetragen, Minis- Eintrag ins Goldene Buch die terpräsidentin werden zu kön- vertauschten Wimpel von Groß- Kann man lernen, reizvolle Au- nen, nutzte sie eine Pause in britannien und Deutschland auf genblicke vorwegzunehmen? der Plenarsitzung, um sich zum dem Tisch vor ihr umdrehte. Es ist schon ein Anspruch, kon- Telefonieren zurückzuziehen. Ich zentriert zu bleiben und ein Ge- hatte das Glück, mich ebenfalls Der Fall der Berliner Mauer, den spür dafür zu entwickeln, was als im Flur aufzuhalten und sie un- Sie als junger Bildjournalist vor Nächstes passieren könnte. Und verstellt studieren zu können. Ort verfolgen konnten, hat kei- es braucht Geduld, bis etwas ge- nen vergleichbar nachhaltigen schieht, was das Geschehen au- Welche weiteren besonderen Eindruck hinterlassen? thentisch abbildet. Motive sind Ihnen in Erinnerung Da fehlte mir noch die Routine, geblieben? um dieses Gespür entwickelt Das zweite Bild, mit dem Sie Da sind im Lauf der Jahrzehnte zu haben. Was mir aber in Er- einen Fotowettbewerb gewon- einige zusammengekommen. innerung geblieben ist, ist die nen haben – die telefonieren- Etwa ein akrobatisches Tor von Demontage der Quadriga vom de Andrea Ypsilanti im Flur des Luka Jovic für Eintracht Frankfurt Brandenburger Tor zur Sanie- Wiesbadener Landtags – ver- oder der Trauergottesdienst für rung. Als diese mächtige Skulp- anschaulicht das genaue Ge- Helmut Kohl im Speyerer Dom, tur über mir schwebte, war das genteil: Einsamkeit, fast schon wo ich mich auf der Empore posi- schon imposant. Intimität, Reduktion auf das tionieren konnte. Die Aufnahme Andreas Lang

Geschichten in Bildern erzählen

Mit dem Frankfurter Bildjournalisten Arne Dedert haben wir über seine besonderen belichteten Momente gesprochen, mit Alexandra Schuler, stell- vertretende Redaktionsleiterin bei dpa in Berlin, über den Stellenwert des Fotojournalismus unter crossmedialen Voraussetzungen und ökonomischen Sachzwängen.

Frau Schuler, welche besonderen Fähigkeiten muss ein Bildjournalist mit- bringen? Im Prinzip braucht ein Bildjournalist ein ähnliches Mindset wie alle anderen Foto: Kai Nietfeld Journalisten auch. Dazu zählen Neugier, Offenheit, Organisationstalent und einfach sauberes Arbeiten. Zusätzlich sind eine gute Portion Kreativität, Sinn für Ästhetik und das viel zitierte Gespür für den richtigen Augenblick notwendig. Zunehmend wichtig ist es, multimedial zu denken und produzieren zu können. Videoproduktion und Ton sollten keine Fremdwörter sein. Auch für Bilder, die in Social Media verwendet werden, gelten oft andere Regeln. Die muss man drauf haben. Letztlich geht es um die komplette Kompetenz für das Visual Storytelling.

Mit wie viel Sorge beobachten Sie den Trend, dass immer mehr Wortjournalisten den Job von Bildjournalisten ersetzen (müssen)? Das macht mir relativ wenig Sorge. Ich sehe das eher auch als Chance. Im Zuge der Digitalisierung zerfließen die strengen Schranken zwischen den Genres mehr und mehr. Da braucht es gute, multimedial aufgestellte Fotojournalisten genauso wie gute Schreiber, die auch gleich mal ein passendes Bild produzieren können. Das bilden wir in weiten Teilen so auch in unserem Volontariat ab. Wir nennen diese Rolle Multimedialer Reporter. Am Ende ist es entscheidend, dass die Qualität stimmt.

Würden Sie Nachwuchs dazu raten, diesen Beruf zu ergreifen? Hat er Zukunft? Bildjournalist zu sein ist nach wie vor ein spannender und vielseitiger Beruf. Aber das Berufsbild hat sich verändert und wird sich weiter verändern. Im Zeitalter der Smartphones haben wir als Pressevertreter viele Bilder eben nicht mehr exklusiv. Hier liegt aber auch die große Chance für Bildjournalisten. Wir müssen verifizierte und wahrhaftige Inhalte liefern. Die Menschen müssen sich bei den Qualitätsmedien darauf verlassen können, dass das, was sie sehen, auch der Wirklichkeit entspricht. Dass Bilder nicht aus dem Zusammenhang gerissen oder verfälscht werden. Unsere Expertise und unsere Verlässlichkeit hat mittlerweile eine ungeheure Wer- tigkeit. Das macht unsere Arbeit so verantwortungsvoll – und eben deshalb auch so spannend. Die Fragen stellte Andreas Lang

10 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Mehrkanal-Verstärker Seit einem Jahr werden in der „Hessen Unit“ des Hessischen Rundfunks Nachrichten aus dem Land crossmedial aufbereitet – Jörg Rheinländer Leiter

Wo genau liegt eigentlich Alten- stadt, dieser bisher weitgehend unbekannte Ort in Hessen, in dem im September der NPD- Kandidat Jagsch zum Ortsvor- steher gewählt worden ist? Und welche Parteivertreter im Orts- beirat haben ihn ins Amt ge- hievt? Zwei der vielen Fragen, die sich einem politisch Interes- sierten zu diesem ungewöhn- lichen Vorgang stellen und zu dem sie schnell eine Antwort suchen.

Fündig wurden Nutzer des Hes- sischen Rundfunks zum Bei- spiel auf hessenschau.de, wo seit einer tiefgreifenden Struk- turreform vor gut einem Jahr crossmediale Inhalte wesent- lich dichter verknüpft werden als in der Vergangenheit. Diese Online-Adresse, aber auch die Neue Schaltstelle: An diesem Desk laufen die regionalen Nachrichten zusammen und werden für die diversen Ausspielwege aufbereitet. Foto: Andreas Lang Mutter im hr-Fernsehen soll noch öfter als Quelle regionaler Informationen wahrgenommen ren sollte. „Wir wollen unsere nen Schreibtisch stehen hat); und angezapft werden. Relevanz als regionaler Nach- und eines für das operativ Ge- richtenproduzent steigern“, schäft, wo auf kurzen Dienst- Das ist jedenfalls das Ziel der gibt Rheinländer als Devise aus. wegen die Ausspielwege abge- neuen Hessen Unit im hr. Und Vorgedacht und vorbereitet soll stimmt und mit den Außenstu- der Auftrag von Jörg Rheinlän- diese in einem komplett neuen dios in Kassel, Gießen, Fulda der, seit August 2017 Leiter Trakt mit bisher zwei Desks und und Darmstadt koordiniert dieses neu geschaffenen und insgesamt 80 Arbeitsplätzen werden. Zur Themenfindung crossmedial konzipierten Pro- am Frankfurter Dornbusch, wo können sich die Mitarbeiter aus grammbereichs „Hesseninfor- die Teams in situationsabhän- den verschiedenen Programm- mation“. Hessen, aktuell und gigen Konstellationen planen bereichen, die zum Tagdienst informativ – das war das Anfor- und produzieren können. Eine an den Desk abgestellt werden, derungsprofil, das der frühere Etage tiefer soll nun weiterer in beliebiger Konstellation zu- ARD-Korrespondent in Spanien Arbeitsplatz für die Reporter sammenfinden. Denn regionale und Chef der „Hessenschau“ geschaffen werden. Nachrichten verbreiten in ihrem vom Intendanten mit auf den Programm alle sechs Radiowel- Weg bekommen hat. Mit die- Mit einer Architektin ist eine len (inklusive YOU FM und hr- sem Anspruch sollte eine Pro- offene Landschaft geschaffen iNFO), die Hessenschau und jektgruppe um Rheinländer eine worden. Die wenigen Büros, die die Maintower-Redaktion aus Arbeitsumgebung schaffen, in gebraucht werden, um unge- dem Fernsehen, hessenschau. der ein variables Team von Mit- stört arbeiten zu können, sind de und die Social-Media-Redak- arbeitern aus den Ausspielwe- gläsern. tion via Facebook, Instagram gen Fernsehen, Radio, Online und Twitter. Insgesamt arbeiten und Social Media schnell und Zentral sind zwei Großraumbü- rund 350 feste und freie Mit- umfassend regionale Nachrich- ros, eines für die strategische arbeiter dem neu konzipierten ten aufbereiten beziehungswei- Gesamtplanung (wo Chef Programmbereich. se auf Nachrichtenlagen reagie- Rheinländer am Kopfende sei- Die immer weniger in ihren

3/2019 11 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

Grafiken von einem Arbeiten im Großraumbüro kei- Team, das ebenso nen Tinnitus auslösen muss. angedockt ist wie Alle Mitarbeiter werden für ih- eine Produktions- ren neuen Einsatz in der Unit einheit, die alle Pro- gezielt geschult und absolvie- duktionsmittel vom ren eine Basisschulung sowohl Kamerateam bis hin für crossmediales Arbeiten als zu den Schneide- auch für einen Ausspielweg jen- plätzen direkt in den seits ihrer Kernkompetenz. „Da Redaktionsräumen war so mancher überrascht, koordiniert. Neu ge- welche Fähigkeiten er für ein schaffen wurde die anderes Medium entwickeln Position eines Mate- kann und welche Chancen es rial Scouts, der dafür birgt, über den Tellerrand der sorgt, dass etwa aus bisherigen Produktion hinaus- einem TV-Interview zublicken“, so Rheinländers auch ein Audio-File Beobachtung. für eine Radiowelle entsteht. Mit dem Zwischenstand nach einem Jahr ist er jedenfalls zu- Simulation frieden. Von der Direktion und den Aufsichtsgremien hatte in der Kantine er allen Sparzwängen im Sen- Sitzt mittlerweile fest im Sattel der „Hessen Unit": Jörg der zum Trotz von Anfang an Rheinländer, Leiter des Programmbereichs Hesseninformation. Ganz abgesehen von grünes Licht erhalten, und die Foto: Andreas Lang den kreativen Ideen, die zu- Zustimmung seiner Mitarbei- stande kommen, wenn Köpfe ter, die gedanklich wie räumlich schnell zusammengesteckt umdenken mussten, wächst werden oder Nachrichtenma- nach seinem Empfinden. herkömmlichen medienspezi- cher aus den verschiedenen fischen Kategorien denken und Genres in der Kommunikati- Von der hausinternen Medien- immer mehr die Synergien der onsecke mit angedockter Kü- forschung hat Rheinländer zwar konzentrierten Nachrichten- chenzeile zusammenstehen. noch keine belastbaren Zahlen, produktion erkennen, so Rhein- Simuliert worden ist das kon- in welcher Dimension auch die länders Beobachtung. Nach zertierte Arbeiten am Desk Zuschauer, Hörer und User den seiner groben Schätzung leuch- während der Planungsphase in Mehrwert goutieren und etwa tet 75 Prozent der Redakteure einem Teil der hr-Kantine, die öfters den „Maintower“ ein- die Sinnhaftigkeit und Nach- dafür zwei Tage lang komplett schalten oder auf Hessenschau. haltigkeit der crossmedialen ausgeräumt und nach den Vor- de klicken. „Aber unsere Kanäle Arbeitsweise ein, jeder fünfte stellungen eingerichtet worden werden als Informationsquellen geht noch mit einer gesunden war, die in mehreren Work- wahrgenommen. Die Reich- Skepsis an den Desk, und nur shops entwickelt worden. Der weiten steigen, hessenschau. ein kleiner Prozentsatz bleibe Belastungstest wurde bestan- de und die ,hessenschau‘ im grundsätzlich zurückhaltend. den, die Grundstruktur hat sich hr-Fernsehen steuern auf ein Die ersten praktischen Erfah- bewährt, diese Schablone ist Rekordjahr zu. Der Hessische rungen bestärken den Chef- dann auf eine komplette Ebene Rundfunk wird immer öfter als strategen in der Auffassung, im Hauptgebäude in der Ber- Quelle zitiert.“ Gut möglich, dass sie auf dem richtigen Weg tramstraße übertragen worden. dass die Pionierarbeit der regi- sind, um den Hessischen Rund- Dafür ist ein Bürotrakt in der onalen Hessen Unit demnächst funk führend zu halten bei der ersten Jahreshälfte 2018 kom- auf eine Kultur Unit übertragen Grundversorgung mit regio- plett entkernt und umgebaut wird. Entschieden ist aber noch nalen Nachrichten. worden. nichts.

So können die TV-Macher etwa Herausgekommen ist eine Jetzt gehen erst einmal die deutlich schneller mit einer modern ausgestattete offene Bauarbeiten für einen weiteren zusätzlichen „Hessenschau Arbeitsumgebung mit dezent Trakt der Hessen Unit 1.0 wei- kompakt“ auf Sendung gehen, farbigen Möbeln, elektrisch ter. Die crossmediale Welt ex- weil sie auf Material und Ex- höhenverstellbaren Schreib- pandiert beim hr. pertise aus der Unit zurück- tischen und ausreichend Schall- greifen konnten. Dazu gehören schutz, der auch so manchen beispielsweise auch bewegte Skeptiker überzeugt hat, dass Andreas Lang

12 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Hilfsbereitschaft in der DNA Ehrenbrief des Landes für Frankfurter Journalisten Norbert Dörholt – Langjähriger Ortsverbands-Vize und Tagungspräsident

Es war an der Zeit: Im August holts Stärken: trockenen Ver- hat Ministerpräsident Volker anstaltungen eine humorvolle Bouffier Norbert Dörholt den Note zu geben. So wartete er Ehrenbrief des Landes verlie- im kulturellen Part dieser Mit- hen. Er geht an einen Journa- gliederversammlungen je nach listen aus Leidenschaft und Tagungsort mit literarischen eine Frohnatur aus der Oberp- Schmankerln und Anekdoten falz, die längst eine Frankfurter mit Bezug zur Lokalgeschich- Instanz geworden ist. te auf, ehe es in die Trockenü- bungen der Verbandsregularien Norbert Dörholt hatte und hat ging. Und die Sitzungspräsi- immer noch so viele Ehrenäm- denten (von denen der Verfas- ter. Sie sind gewissermaßen ser einer ist) waren im Lauf die- Teil seiner DNA und entspre- ser Versammlungen dankbar für chen seiner Philosophie, dass seine stabilisierenden Sidekicks sich Zustände vom Kritisieren und auflockernden Bonmots. allein nicht ändern, allenfalls Auf Dörholt war Verlass, er hat- durch Engagement. Den Mit- te eben Ahnung. gliedern des Ortsverbands Frankfurt ist er bekannt als Und das von Vielem. Nicht nur langjähriger Vize-Vorsitzender, von Lokaljournalismus, wie er der Umberto Biagioni stets in den 70er Jahren als kreativer den Rücken freigehalten oder und umtriebiger Lokalchef bei sich wahlweise schützend vor der Frankfurter Neuen Presse ihn gestellt hat. Als dieser im bewies. Auf seinen Sprachwitz Frühjahr unmissverständlich soll die Metapher vom „Ginn- klar gemacht hatte, dass er heimer Spargel“ zurückgehen. nicht erneut für die Führung Weil das Wort „Fernmeldeturm“ des Ortsverbands kandidiert, nicht in die Überschrift über zog Dörholt konsequent nach einem Einspalter passt, hatte und sich aus dieser Funktion der findige Redakteur auf die- zurück. Loyal, uneigennützig ses Bild zurückgegriffen. Par- und mit ausgeprägtem Gespür allelen zu seiner kulinarischen für den richtigen Zeitpunkt, Leidenschaft – Dörholt ist auch den Weg frei zu machen. Lang- Pressewart des „Vereins Frank- weiliger ist dem 72-Jährigen furter Köche“ – sind rein zufäl- seitdem nicht geworden. lig, würde er in der ihm eigenen Bescheidenheit und Sprachwit- Weiß trockenen Veranstaltungen einen heiteren Anstrich Die Delegierten der DJV- zigkeit postulieren. zu geben: Norbert Dörholt. Foto: Dieter Kuhn Landesgewerkschaftstage er- innern sich an eine von Dör- Anfang der 80er Jahre wech-

Parkett der Rhein-Main-Region zu Hause. Charmant, witzig, bescheiden Seine dadurch weitreichenden Kontakte nutzte und nutzt Ehre, wem Ehre gebührt. Und unserem langjährigen, en- er still und heimlich zum Wohl der Anderen, der bedürf- gagierten Mitglied Norbert Dörholt, gebührt diese ganz tigen und förderwürdigen Mitglieder unserer Gesellschaft. sicher. Das meinte auch Ministerpräsident Volker Bouf- Sein Charme und sein Witz sind fast genauso legendär, fier und verlieh ihm den Ehrenbrief des Landes Hessen. wie sein profundes Wissen in fast allen Themenbereichen. Denn Dörholt ist nicht nur ein herausragender Journalist, Konstruktiv und inspirativ unterstützt er jede ehrenamt- der sich weit über seine eigentliche Arbeit hinaus selbst liche Sitzung und hält sich stets bescheiden im Hinter- verpflichtete, er war und ist auch in zahlreichen anderen grund. Bereichen ehrenamtlich aktiv und dem gesellschaftlichen Ina Knobloch

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selte Dörholt in die Öffentlich- ter oder in einem Förderverein, Stellungnahme abgegeben. keitsarbeit bei Hoechst, deren der Kinder und deren Familien Sprecher er bis fast zum Mil- vor und nach Organtransplan- Für all das und noch viel Un- leniumswechsel blieb, ehe er tationen betreut. erwähntes mehr hat Norbert vom Kuratorium für Dialyse und Dörholt vergangenes Jahr die Nierentransplantation, bundes- Ehrennadel des Bundesinnen- weit Marktführer in der Dialy- Mit starkem ministers erhalten und nun sebehandlung, abgeworben Gerechtigkeitssinn den Ehrenbrief des hessischen wurde. Später verantwortete Ministerpräsidenten. Dass ihm der ebenso eloquente wie char- diese der Frankfurter Oberbür- mante Repräsentant auch die Diese Fülle an öffentlichen Äm- germeister Peter Feldmann im Unternehmenskommunikation tern charakterisiert Dörholts Kaisersaal des Römers über- der Orthopädischen Universi- soziale Ader ebenso wie die reicht hat, ist mehr als ange- tätsklinik Heidelberg und der vielen treuen Dienste, die er messen. auf Wirbelsäulenoperationen im Stillen getan hat. Aus So- spezialisierten Galenus-Klinik lidarität, aus einem Gerech- Dem Geehrten wäre zuzutrauen in Stuttgart. tigkeitsempfinden, eben aus gewesen, dass er sich so origi- der Haltung heraus, nicht zu nell und überraschend bedankt Ehrenämter hat er in dieser Zeit lamentieren, sondern sich für wie man ihn kennt: mit selbst und weit darüber hinaus en ein funktionierendes Gemein- gedichteten Liedstrophen etwa masse ausgefüllt: über seinen wesen zu engagieren. Jüngstes und sich selbst auf der Gitarre DJV hinaus im 11.000 Mitglie- Beispiel: Als seinem Kollege oder dem Banjo begleitend, die der zählenden Bundesverband Shams ul-Haq vorgehalten er auch noch beherrscht. Er hat für Patienten-und Versicher- worden war, unsauber recher- sich im Römer aber beherrscht. teninteressen etwa. Oder bei chiert zu haben, hat Dörholt Gefeiert worden ist Norbert den „Sportlern für Organspen- die inkriminierenden Vorwürfe Dörholt dennoch, völlig zu de“. In der Sindlinger Fasnach- geprüft und eine ausgewogene Recht. Andreas Lang

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3/2019 14 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien An den Grenzen des Zumutbaren Seit 70 Jahren prüft die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) filmische Produktionen auf ihre Jugendtauglichkeit – Sitz in Wiesbaden

Für unbedenkliche Inhalte ver- müssen sie nicht mit einem der aber verhindern wollten, dass die geben die Medienwächter nicht kleinen Vorführräume im ersten Zuschauer durch bewegtes Pro- nur die bekannten Alterskenn- Stock vorlieb nehmen, sondern pagandamaterial einmal mehr zeichen. Sie bieten auch an, können sich für ihre Prüfarbeit in manipuliert würden. Die Allianz Webauftritte auf Konformität mit einem der blauen Plüschsessel zwischen freier Filmwirtschaft dem Jugendschutz zu überprü- im großen Saal im Erdgeschoss und staatlicher Gesetzgebung – fen beziehungsweise beraten bei zurücklehnen, der auch für ganz die durch ein breit aufgestelltes, der entsprechenden Gestaltung. reguläre Kinovorstellungen geöff- aber freiwilliges Kontrollgremium So leistet die FSK ihren Beitrag net wird. exekutiert wird – hat sich als be- zur Stärkung von Medienkom- Auf das Prüfurteil, das in eine Al- lastbar erwiesen. Jugendschutz in petenz und -bildung – und teilt tersfreigabe für einen Spielfilm, den Medien in Kooperation statt damit den Ansatz des DJV zu Kinofilm, Trailer, Werbespot, in Konfrontation – dieser Ansatz einem qualifizierten Umgang Musikclip oder eine Konzertauf- geht auf, so der Eindruck von mit Medien. nahme mündet, legen nicht nur FSK-Geschäftsführer Linz. Regu- Eltern und Erzieher Wert, die jun- lierung ist nicht in Reglementie- „Du glaubst nicht, was wir uns ge Zuschauer vor verstörenden rung ausgeartet. eben haben anschauen müssen.“ Inhalten bewahren wollen. Stabilisiert wird diese Balance – „Das war als Komödie dekla- Alle rund 230 Prüferinnen und durch mehrere Mechanismen. riert.“ – „Ich habe erwartet, das Prüfer sind ehrenamtlich beru- Zum einen dadurch, dass die FSK kommt noch brutaler.“ fen; mit Ausnahme der drei stän- nicht proaktiv Inhalte bewertet, Ausschnitte aus einem Gespräch digen Vertreter, die die obersten sondern von der Filmwirtschaft dreier Prüfer, nachdem sie sich Landesjugendbehörden entsen- eingeschaltet werden muss. Zum in nachgebildeter Kinoatmosphä- den, erläutert FSK-Geschäftsfüh- anderen, weil in den Prüfaus- re im Deutschen Filmhaus in rer Stefan Linz die Zusammen- schüssen zwar auch Vertreter der Wiesbadener Murnaustraße setzung. Ihrem Urteil wollen sich staatlicher Behörden sitzen – und einen Film angeschaut haben. nicht nur die Auftraggeber unter- diesen auch vorsitzen –, sie aber Sie sind auf dem Weg zur Nach- ordnen, denen sie ihr Material nicht die Mehrheit stellen und besprechung in dem zehn Jah- vorlegen. Ihr Verdikt erlangt auch auch überstimmt werden kön- re alten, kreisrunden Bau quasi dadurch Gesetzeskraft, dass das nen. Vergleichbar mit der Kon- hinterm Hauptbahnhof, der in Jugendschutzgesetz der Publika- struktion in den Rundfunkräten seiner Architektur bewusst an tionsfreiheit da Grenzen setzt, der öffentlich-rechtlichen Sender eine Filmrolle erinnert. Wenn es wo die Entwicklung Heranwach- entsenden gesellschaftlich rele- die Raumkapazitäten hergeben, sender durch beeinträchtigende vante Gruppierungen – im Falle Medieninhalte Schaden nehmen der FSK mit besonderem Bezug könnte. Auch um juristisch auf zur Arbeit mit Kindern und Ju- der sicheren Seite zu sein, tun gendlichen sowie zur Medien- die Produzenten also gut daran, wirkung – Vertreter zum Filme- Schiedsrichter entscheiden zu schauen ins Murnau-Filmtheater. lassen, ob und ab welchem Alter Der Pool besteht derzeit aus 229 ihre Inhalte zumutbar sind. ehrenamtlichen Prüferinnen und Die Schwelle des Erträglichen Prüfern, aus dem gesamten Bun- mag gerade im Zeitalter überbor- desgebiet und vom Studenten bis dender Internet-Inhalte und im zum Pensionär. Wandel des Zeitgeistes gesunken Zehn bis 20 von ihnen schauen sein. Das Prinzip „Freiwilligkeit sich täglich parallel in bis zu fünf gegen Gütesiegel“ hat sich indes Ausschüssen Filme, Trailer, Wer- über die Jahrzehnte hinweg und bung oder Serien an – zumeist in in die Digitalisierung hinein be- Fünfer-Teams – und diskutieren währt. Eingeführt worden ist es hernach die Wirkung auf heran- nach dem Zweiten Weltkrieg, als wachsende Zuschauer. Am Ende Prüfender Blick: Stefan Linz arbeitet bereits sein halbes Leben lang für die FSK. Seit April ist er deren Unterhaltung durch Kinofilme wird mehrheitlich, in eindeutigen Geschäftsführer. Foto: ala zu den wenigen Zerstreuungen Fällen einstimmig entschieden, gehörte, die Besatzungsmächte ab wann der Beitrag aus Sicht der

15 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

Jugendschützer angeschaut wer- ein Assistent, kein Entscheider. den kann: vom Kleinkindalter an, Die Gesamtbewertung solcher ab sechs, ab zwölf ab 16 Jahren ethischer Fragen fällt bei inter- – oder erst mit der Volljährigkeit, nationalen kommerziellen Pro- womit keine Jugendfreigabe erteilt duzenten wie YouTube, Amazon würde. oder Apple in den USA doch Spätestens nach zwei Wochen sol- anders aus als im Bundesfamili- len Filmproduzenten diesen Be- enministerium. Die Grenze des scheid erhalten. Trailer und Werbe- Zumutbaren wird ja sogar in den filme werden in der Regel am ver- Ausschüssen in Wiesbaden zu einbarten Tag geprüft. Nicht nur Recht kontrovers erörtert. Filme deshalb hat die FSK der stattlichen wie die „Tribute von Panem“ oder Zahl an Prüfern zum Trotz alle Serien wie „Game of Thrones“ Hände voll zu tun. Sie versuchen, mögen in einzelnen Sequenzen der explosionsartigen Vermehrung Exzesse von Gewalt und Sexuali- Foto: ala von Inhalten im Internet und über tät zeigen. Aber, so relativiert der Streamingdienste auf mobilen Ge- FSK-Geschäftsführer an diesen der Murnaustraße goutiert wird. räten Herr zu werden. beiden bekannten Beispielen, sie Sie diente nicht nur als Blaupause Dazu kommen die vielen tech- transportieren auch positive Bot- für medienspezifischere Dienste nischen Verbreitungswege auf schaften von Menschlichkeit, Mut wie die Freiwillige Selbstkontrolle Datenträgern wie zunächst VHS- und Widerstand gegen totalitäre Fernsehen (FSF) oder die Unter- Videokassetten, später DVDs und Systeme. Am Ende steht die Fra- haltung Software-Selbstkontrolle Blue Ray Discs. Formal gesehen ge: Wie stark beeinträchtigt eine (USK). Sie wird zunehmend auch zeigt der Jugendmedienschutz solche Produktion die Entwick- konsultiert, wenn Unternehmen auch allen Online-Inhalten Gren- lung eines jungen Zuschauers – ihre Web-Auftritte jugendschutz- zen auf, nicht nur den etwa zehn in eine positive wie eine destruk- konform gestalten wollen. Damit Prozent, die deutsche Betreiber tive Richtung? Schadet es mehr, kann auch sie dezent Einfluss produzieren. Diesen Anspruch sich solch ein Werk anzusehen, nehmen, was jungen Zuschauern gegenüber Anbietern aus dem als dass es inspiriert? in der schönen neuen Medienwelt Ausland durchzusetzen, gestaltet Die FSK hat sich manch kontro- zumutbar ist und wie sie einen sich in der Praxis aber schwierig. verser Freigabe in der Vergangen- gesunden Umgang mit Medien Was der Wiesbadener Prüfinstanz heit zum Trotz einen Ruf erarbei- lernen können. Freiwillig, aber gerade in den vergangenen 20 tet, der weit über das Filmhaus in nachhaltig. Andreas Lang Jahren in der Summe beträchtlich mehr Arbeit beschert, bringt ihr aber auch mehr Einnahmen, denn sie finanziert sich ausschließlich Praktische Hilfen über Prüfgebühren, die die Auf- Seit der Gründung im Sommer 1949 hat die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft traggeber entrichten. Um der Me- (FSK) rund 250.000 filmische Inhalte geprüft und freigegeben. Die zumeist ehrenamtlichen dienflut Herr zu bleiben, feilen Prüferinnen und Prüfer haben sich dafür gut 228.000 Stunden lang Material vom Trailer und Geschäftsführer Linz und seine Spot bis hin zur Spielfilmlänge angeschaut. Pro Jahr werden an die 12.000 Freigaben erteilt. 16 festangestellten Mitarbeiter im Seit 2010 können Kurzbegründungen für die Altersklassifizierungen online nachgelesen werden, Deutschen Filmhaus über das be- seit fünf Jahren auch in einer FSK-App. Voriges Jahr wurden diese Freigabe-Begründungen von währte personenbasierte Proze- (potenziellen) Zuschauern oder sensiblen Eltern fast 245.000 Mal angeklickt. dere hinaus an einem Klassifizie- rungstool, das basierend auf einer Auf Wunsch können Anbieter bewegter Online-Inhalte die FSK damit beauftragen, die definierten und dynamischen Be- Aufgaben des gesetzlich vorgeschriebenen Jugendschutzbeauftragten wahrzunehmen. urteilungslogik Altersfreigaben er- Unter anderen mit der Hochschule Rhein-Main gestaltet die FSK seit 2016 das Projekt rechnen und vorschlagen könnte. „Lernort Kino: Filmarbeit mit jungen Flüchtlingen“. Dabei werden im Filmhaus Filme zu Der Beurteilung liegt ein Set von den Themenbereichen Demokratie, Toleranz, Geschlechterrollen oder Identitätsfindung knapp 100 Fragen zugrunde, ausgestrahlt und anschließend diskutiert. die ihrerseits gewichtet werden. Über FSK.online werden nicht nur Leistungen angeboten, um eigene Webangebote Am Ende entscheidet aber nicht jugendschutzkonform zu gestalten. Dort können über ein Beschwerdeformular auch Künstliche Intelligenz darüber, problematische Sites gemeldet werden. Über einen Label-Generator können eigene ab wann Gewalt zu exzessiv oder Seiten für ein Jugendschutzprogramm programmiert werden, um Kompatibilität mit dem sexuelle Darstellungen zu explizit Jugendmedienschutz-Staatsvertrag herzustellen. dargestellt werden, erläutert Linz die Systematik. Den Online-Frage- Seit April 2019 ist Stefan Linz (40) Geschäftsführer der FSK. Zuvor saß er 19 Jahre lang in bogen, der sich nicht eigenständig Prüfausschüssen. Hauptamtlich arbeitet er seit zehn Jahren für die FSK, zunächst als Sprecher weiterentwickelt, füllen am Ende der Film- und Videowirtschaft bei der FSK, danach auch als Leiter für FSK online. (ala) Menschen aus. Das Tool ist nur

3/2019 16 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Als ob auf einem Greenpeace- Schiff Walfleisch serviert wird „Fotografen haben Namen“: Auch die zweite Auswertung von DJV-Magazinen lässt bei Quellenangaben mitunter zu wünschen übrig

Während die bayerischen Kol- Dauerzustand bliebe, würde das te PR-Bilder ohne Angabe des legen konsequent bei nahezu der Aktion Fotografen haben Na- Urhebers das Hauptproblem. jedem abgedruckten Foto den men schaden. Wir müssen mit „Wir versuchen immer nach der Urheber nennen, fehlt beim gutem Beispiel voran gehen. Es Quelle von Fotos zu forschen“, Schlusslicht, dem vom Bun- ist ganz klar Aufgabe der Chef- sagt Corinna Pfaff, Geschäfts- desverband herausgegebenen redaktion, öfter die Urheber zu führerin des DJV Mecklenburg- "journalist", bei jedem Bild der nennen.“ Vorpommern. Allerdings seien Name. im Arbeitsalltag auch zeitliche Schriftlich teilte Chefredakteur Grenzen gesetzt. Manch einer Eine akzeptable Fehlerquote liegt Matthias Daniel mit, ausschließ- wünscht sogar, anonym zu blei- bei höchstens fünf Prozent, sagt lich folgendermaßen zitiert wer- ben. Bei dem Bericht über den Michael Hirschler vom Bundes- den zu wollen: „Beim journalist Bundesverbandstag (Kiek an! fachausschuss Bildjournalisten, werden grundsätzlich alle Fotos 2/18) wollte der Fotograf aus- der maßgeblich bei der jähr- mit Fotografennamen gekenn- drücklich nicht genannt werden. lichen DJV-Aktion „Fotografen zeichnet. Hat ein Bild keinen Ur- haben Namen“ eingebunden ist. hebercredit, dann gibt es dafür Ähnliches weiß Corinna Blümel Das diesjährige Ergebnis zeige jeweils einen Grund. Für uns ist zu berichten, die für die Redak- einen ähnlichen Widerspruch, wichtig, professionelle Fotogra- tion des Journals (NRW) ver- als würde man auf einem Green- finnen und Fotografen zu un- antwortlich zeichnet. „Manche peace-Schiff Walfleisch servie- terstützen und zu beauftragen Fotografen wollen aus Angst ren. – wo immer das möglich ist.“ dem Arbeit- oder Auftraggeber gegenüber nicht zeigen, dass sie Mit gutem Beispiel „Es ist richtig, die Ergebnisse zu für die Gewerkschaft arbeiten.“ veröffentlichen und zu kritisie- Dennoch könnten deutlich mehr voran gehen ren“, sagt Hirschler. Man müsse Urheber genannt werden. Auch jedoch aufpassen, sich im Über- im teilweise hektischen Redak- Im letzten Jahr fehlte beim „jour- schwang der Selbstkritik nicht zu tionsalltag braucht es nur den nalist" bei nahezu jedem zweiten zerfleischen. Auch wenn einige Willen, etwas zu ändern – wie die Foto der Name (siehe „Der Kopf Landesverbände und die Redak- Kollegen aus Bayern zeigen. hinter dem Bild" Blickpunt 4/18). tionen ihrer Mitgliedermagazine Damals sagte Hendrik Zörner, schlecht da stünden, mache sich „Ein Verbandsmagazin sollte Pressesprecher des Bundesver- der DJV mit der Aktion „Foto- eine Vorbildfunktion haben. Wir bands: „Wir dulden es nicht, grafen haben Namen“ nicht können es anderen nicht ankrei- wenn die Namen fehlen und ge- unglaubwürdig, wenn er Tages- den, keine Namen zu nennen, hen der Sache selbstverständlich zeitungen auf fehlende Urhe- wenn wir das ebenfalls tun“, nach.“ Er zeigte sich überrascht, berangaben aufmerksam macht. stellte die leitende Redakteurin dass das Magazin nun den letz- Das durchwachsene Ergebnis Michaela Schneider bereits bei ten Platz belegt. Die Chefredak- zeige auf, dass im Verband un- der letztjährigen Auswertung tion habe im Gespräch die Not- terschiedliche Interessen aufei- klar. „Ich nehme keine Bilder wendigkeit eingesehen und als nander träfen. Nicht jedem sei ohne Fotografennamen an.“ Herausgeber könne man davon es gleichermaßen wichtig, die Ihren Kollegen in der Redakti- ausgehen, dass es entsprechend Urheber stets zu nennen. on habe es einiges an Überzeu- umgesetzt wird. gungsarbeit gegenüber Presse- „Die innere Pressefreiheit der Wunsch nach stellen abverlangt. Allerdings Redaktion ist uns wichtig“, be- sind die Namen nicht immer tont Zörner. „Doch ich kann mir Anonymität ermittelbar. Wird das Foto den- vorstellen, dass der Herausgeber noch benötigt, erfolgt zumindest sich bald wieder mit dem Thema Auch in den Verbandsmedien der Hinweis „der Fotograf ist beschäftigen muss. Wenn es ein sind von Pressestellen geliefer- nicht bekannt“. Jens Brehl

17 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

Foto: Jens Brehl

Infokasten: Die Auswertung

Seit 2009 wird im Rahmen der DJV-Aktion Fotografen haben Namen an einem bestimmten Stichtag die Aus- gaben der Tageszeitungen ausgewertet, ob bei den abgedruckten Bildern auch die Namen der Fotografen korrekt angegeben sind. Dazu muss mindestens der Familienname des Urhebers genannt sein. Berück- sichtigt werden Tageszeitungen ab einer Mindestauf- lagenhöhe von 15.000 Exemplaren. Den Namen nicht zu nennen, ist ein Verstoß gegen das Urheberrecht und kein Kavaliersdelikt. Wenn er fehlt, haben Fotografen einen Anspruch auf Scha- densersatz mindestens in Höhe des angemessenen Cover und Karikaturen habe ich generell nicht gezählt, Informations- Honorars. seiten zu eigenen Angeboten/Veranstaltungen und Screenshots hingegen schon. 1) Collage auf Seite 38 als zwei Fotos gezählt, fehlender Name auf Seite 40 nicht gewertet, da der Hinweis „Fotograf ist nicht bekannt“ erfolgt ist. 2) Angaben des Redaktionskürzels als Urheber nicht als Fehler gewertet, da das Kürzel im Impressum aufgeschlüsselt ist. 3) Nach den Vorgaben der Aktion „Fotografen haben Namen“, werden auch Beilagen ausgewertet. Dieser Ausgabe lag die Einladung zum Gewerkschafts- tag in Bielefeld bei. 4) Twitter-Profilbilder in der Rubrik Leserforum wurden nicht gezählt. Jens Brehl

Kommentar: Dauerlauf in Badelatschen

Ein Sportler, der sich auf einen Marathonlauf vorbereitet, nimmt enorm viel Mühen auf sich. Er trainiert regelmäßig mit eiserner Disziplin, ändert seine Ernährung und verzichtet dabei auf so manchen Luxus. Doch kurz bevor der Start- schuss zum Wettkampf fällt, zieht er keine Laufschuhe an, sondern wählt Badelatschen. Damit kann er auch irgendwie übers Ziel kommen, aber eine Bestzeit wird er wohl kaum abliefern.

Bei der jährlichen Aktion "Fotografen haben Namen" agiert der DJV wie solch ein Sportler. In stundenlanger Arbeit werten Verantwortliche und Mitglieder teils ehrenamtlich jedes Jahr an einem bestimmten Stichtag die Tageszeitungen danach aus, ob bei den abgedruckten Fotos die Namen der Urheber korrekt genannt sind. Es ist ebenso mehr ein Dauerlauf als ein Sprint, Redaktionen zu sensibilisieren. Und dann torpedieren im gewissen Sinne einzelne Landes- verbände und Redaktionen der jeweiligen Mitgliedsmagazine das Vorhaben, indem sie in ihren eigenen Medien nicht minder nachlässig mit den Namen der Fotografen umgehen.

Aus hessischer Sicht belegte die Frankfurter Neue Presse bei der diesjährigen Auswertung den vorletzten Platz. Nur bei rund einem Viertel der Fotos waren die Namen korrekt genannt. Die Chefredaktion wies auf Nachfrage nach den Hintergründen auch auf fehlende Hinweise in den DJV-Medien hin – und schon gingen die Argumente aus. Warum soll ich etwas tun, was du selbst nicht machst?

Die Aktion behält nur dann ihre Glaubwürdigkeit, wenn Bundesverband, Landesverbände und zuständige Redaktionen konsequent an einem Strang ziehen. Mag es der eine oder andere übertrieben oder andere Themen als wichtiger emp- finden: So viel Professionalität und Kollegialität sollte doch möglich sein. Jens Brehl

3/2019 18 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Fremdanbieter im Fokus Presserat schreibt Focus Online presserechtliche Verantwortung auch für zugelieferte Inhalte zu – Verdacht auf Schleichwerbung

Vorsorglich: Bereits vor der Grundsatzentscheidung des Presserats hatte Focus Online beanstandete Beiträge entfernt. Screenshot: Jens Brehl

Neben eigenen Inhalten veröf- gebundenen Medienmarken. veröffentlichten Beiträgen. Im fentlicht Focus Online auch von Deshalb sind die Redaktionen Raum stehen der Verdacht auf regionalen Partnern Beiträge, grundsätzlich auch für zuge- nicht ausreichende Kennzeich- ohne diese allerdings redaktio- lieferte Inhalte von Dritten ver- nung von Pressemitteilungen nell zu prüfen. Für die Inhalte antwortlich“, so der Sprecher und Verdacht auf Schleichwer- seien die jeweiligen Lieferanten des Deutschen Presserats, bung. Noch im Dezember wer- zuständig. Der Deutsche Pres- Volker Stennei. „Der Presse- den sich die Beschwerdeaus- serat widerspricht dem in sei- rat akzeptiert keine Ethik, die schüsse dazu beraten. ner Grundsatzentscheidung. sich nach Geschäftsmodellen richtet. Zentraler Maßstab ist Focus Online hatte bereits An- Focus Online ist demnach stets das Ziel der deutschen fang des Jahres von Dritten ge- presseethisch für sämtliche auf Presse, die Leser unabhängig lieferte, beanstandete Beiträge seiner Plattform veröffentlich- und wahrheitsgemäß zu infor- gelöscht, da diese nicht den ten Inhalte verantwortlich. Eine mieren, ohne die berechtigten Richtlinien entsprechen wür- Anfrage an Burda Forward, ob Interessen von Menschen und den, wie Johanna Schallehn von sich daraus Konsequenzen er- ihre Würde zu verletzen“, heißt der Burda Forward Kommuni- geben und wenn ja, welche es in einer Pressemitteilung kation mitteilte. Die Richtlinien blieb bis zum Redaktions- des Deutschen Presserats. untersagen unter anderem die schluss trotz Erinnerung unbe- Weitergabe von reinen Agen- antwortet. Anlass für den Deutschen Pres- turmeldungen und werblichen serat aktiv zu werden, waren Inhalten. „Userinnen und User vertrau- sechs Beschwerden bezüglich en Inhalten von presseethisch von Partnern auf Focus Online Jens Brehl

19 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Die Konkurrenz schläft nicht Energieversorger mahnt zwei hessische Medien ab – Unsaubere Trennung von Werbung und Berichterstattung vorgeworfen

Mitte Juni mahnte ein Ener- verschleiert. gelegen, seinen Arbeitgeber gieversorger mehrere Medien Dies ist nach dem Gesetz ge- in einem möglichst günstigen ab, die eine Pressemitteilung gen den unlauteren Wettbe- Licht darzustellen und even- eines Konkurrenten veröffent- werb (UWG) unlauter und zu tuell unliebsame Fakten nicht licht haben. Mindestens zwei unterlassen. Aber worin be- zu nennen. Die Wahrnehmung hessische Medien sind betrof- steht eigentlich das Problem, der Leser ist ein Grund, wa- fen. Der Text sei zu werblich, wenn redaktionelle Inhalte und rum redaktionelle Inhalte und weil er im Zuge einer Preisver- Werbung vermischt werden Werbung klar getrennt wer- leihung ein Unternehmen und oder wenn Werbung als seriöse den müssen. Die Leser sollen dessen Leistungen ohne jegli- Berichterstattung getarnt wird? einschätzen können, wie be- che kritische Distanz werbend stimmte Informationen einzu- herausstelle. Daher hätte der Gedankenspiel: In einem Arti- ordnen sind. Beitrag als „Anzeige“ gekenn- kel wird ein Unternehmen be- zeichnet sein müssen. schrieben und dessen Erfolgs- Grenzen wahren aussichten werden sehr positiv Da dies nicht erfolgt war, läge dargestellt. Wie bewerten die ein Wettbewerbsverstoß vor. Leser diesen Artikel, wenn ein Wo die Grenze zwischen Wer- Die abgemahnten Herausge- Redakteur der Zeitung ihn ei- bung und redaktionellem Inhalt ber sollen eine strafbewehrte genständig recherchiert und verläuft, hängt vom jeweiligen Unterlassungserklärung unter- verfasst hat? Und wie bewerten Einzelfall ab. Verlage sollten schreiben und 1.242,84 Euro die Leser den Artikel, wenn ein immer beachten, dass Anzei- zahlen. Ansonsten drohen ge- Pressesprecher des Unterneh- gen nicht den Eindruck eines richtliche Schritte. mens der Autor ist? Die Ant- redaktionellen Beitrags erwe- wort ist einfach: Leser bringen cken, dass sie Anzeigenaufträ- Vorsicht geboten den Informationen ein größe- ge nicht mit Vereinbarungen res Vertrauen entgegen, die über den redaktionellen Teil ein unabhängiger Journalist re- verknüpfen und keine Schleich- Tatsächlich gibt es Argumente, cherchiert hat. werbung für bestimmte Pro- die die Gründe der Abmah- dukte oder Dienstleistungen nung untermauern aber auch Skepsis ist angebracht betreiben dürfen. solche, die dagegen sprechen. Da es sich um ein laufendes Schleichwerbung liegt bei- Verfahren handelt, können an Dem Text des Pressesprechers spielsweise vor, wenn ein dieser Stelle keine weiteren würden sie in Bezug auf Infor- Verlag ein bestimmtes Un- Einzelheiten genannt werden, mationsgehalt und Glaubwür- ternehmen, dessen Produkte die Blickpunkt-Redaktion bleibt digkeit mit Skepsis begegnen oder Dienstleistungen lobend aber am Thema dran. – schließlich ist ihm daran hervorhebt, ohne damit ein

Für die Presse gilt der Grund- Wie verhalte ich mich bei einer Abmahnung richtig? satz, dass re- daktionelle Wer als DJV-Mitglied wegen seiner Berichterstattung eine Abmahnung erhält, sollte in erster Berichterstat- Linie Ruhe bewahren und sofort die Geschäftsstelle in Wiesbaden informieren. tung strikt von Werbung zu Der Fall wird dort juristisch geprüft und je nach Sachverhalt gegebenenfalls ein externer, spe- trennen ist. zialisierter Anwalt eingeschaltet. Gibt es Aussichten auf Erfolg, steht der DJV Hessen seinen Wenn Wer- Mitgliedern auch vor Gericht zur Seite. bung in einer redaktionellen Also: Keinerlei Kontakt mit der abmahnenden Rechtsanwaltskanzlei aufnehmen und nichts un- Aufmachung terschreiben. Wer selbst einen Anwalt einschaltet, bevor er den DJV Hessen informiert, muss daherkommt, dann eventuell auch dessen Kosten übernehmen. wird der Wer- becharakter

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ausreichendes Informations- Arbeitsplätze und vieles mehr Unterlassung möglich interesse seines Publikums zu von Interesse – sowie mitunter befriedigen – und das gilt auch eine kritische Einordnung der Der DJV Hessen rät allen sei- bei wortgleich übernommenen Ereignisse. nen Mitgliedern sensibel zu Pressemitteilung. sein und die redaktionellen In- Verstößt ein Verlag gegen die halte anhand der oben genann- Für die Leser sind in der Re- oben genannten Grundsätze, ten Kriterien immer wieder gel sachliche Berichte über kann er auf Unterlassung in kritisch zu hinterfragen und zu Unternehmen, zum Beispiel Anspruch genommen werden. überprüfen. über Ausstellungen, Neuer- Dies geschieht häufig durch öffnungen oder betriebliche eine so genannte Abmahnung, Veränderungen, Geschäftsju- wie im eingangs beschrieben biläen, eine neue Geschäfts- Fall geschehen. Imke Sawitzky führung, die Schaffung neuer Jens Brehl Musikgeschmack maßgeschneidert HitRadio FFH bietet im Netz Varianten nach persönlichen Vorlieben an – Reaktion auf kommerzielle Streamingdienste

Deutschlands Privatradios stellen sich aktuell für die identische Inhalte: Nachrichten aus der Region, das digitale Zukunft auf. Anders als in Ländern wie Groß- Wetter, Comedy, Interviews, Beiträge – eben das kom- britannien, Norwegen oder der Schweiz heißt diese für plette FFH-Programm. die Sender aber vorrangig nicht DAB+. Mit der Neuausrichtung im Webradio-Angebot reagiert Im terrestrischen Digitalradio strahlen die Kommerz- FFH auf den Erfolg von Musikstreamern wie Spotify sender maximal ihre und stellt wie- UKW-Programme im der die Stärken Simulcast aus, um des Radios he- nicht zu stark Markt- raus. Bisher be- anteile zu verlieren. So schränken sich richtig wollen die Pri- die meisten vatradios diesen Stan- Privatradios dard aber auch heute in ihren Web- noch nicht, trotz stei- channels auf gender Hörerzahlen. Nonstop-Musik Hauptargument: ohne Modera- DAB+ ermöglicht kei- tion und Nach- ne personalisierten richten. Nur Inhalte und Werbung. Einige große Sender vor allem Musik ausstrahlen –das können die Musikstreamer wie im Norden und Osten sind bis heute nicht digital-terre- Spotify oder Deezer allerdings besser. strisch hörbar. Ganz anders sieht es bei internetbasier- FFH ist nicht das erste Privatradio in Deutschland in ten Wegen aus, wie Apps, Smart Speaker oder WLAN- verschiedenen musikalischen Varianten: In Berlin gab Radios: Hier starten die Privatradios nun zunehmend es bis vor kurzem es ein ähnliches Angebot – allerdings Innovationen wie Podcast-Portale oder Streaming. nur bei der Morning-Show „Arno und die Morgencrew“ Seit August präsentiert der hessische Privatradio- beim Sender 104.6 RTL. Mangels Interesse wurde es marktführer HitRadio FFH eine solche Innovation: Das aber wieder eingestellt. gewohnte FFH-Programm gibt es nun in vier weite- In Österreich plant der neue Privatsender Radio Aus- ren musikalischen Varianten: FFH+ 80er, FFH+ 90er, tria ebenfalls unterschiedliche Musik bei identischen FFH+ Charts und FFH+ Rock. Dabei werden die glei- redaktionellen Inhalten im Webradio. In Flandern, dem chen Wortinhalte und Moderationen verbreitet wie im niederländischsprachigen Teil Belgiens, gibt es ein ver- Hauptprogramm: Während im FFH-Hauptprogramm gleichbares Angebot beim Privatsender Joe, der seine ein aktueller Hit läuft, läuft zur gleichen Zeit im Web- Inhalte in fünf verschiedenen Varianten sogar neben channel ein Hit aus den 80ern oder ein Rock-Hit. Jeder Internet über DAB+ verbreitet. Es gilt als sicher, dass kann sich also „sein“ FFH in einer eigenen Musikrich- weitere Privatradios mit diesem Konzept folgen werden. tung aussuchen. Ansonsten bieten die Programme Michael Fuhr

21 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Google sperrt sich Zwischen Desinteresse und Zensur – die Maßnahmen sozialer Netzwerke gegen rechte Propaganda und Hatespeech sind intransparent und schädlich

Der Münchner Journalist Thomas Motivation, über die rechte Szene striktiver gegen „Hatespeech“ Witzgall verantwortet seit einigen zu berichten, sei daraus entstan- vorzugehen: „Our ongoing work Jahren die von der Bayern-SPD den, dass er „über die Berichter- to tackle hate“ (tinyurl.com/tack- und den Jungsozialisten Bayerns stattung über Demonstrationen le-hate). Auf dem Youtube-Portal betriebene Website Endstati- sehr unzufrieden war“. Es seien von ER Bayern stand nur noch on Rechts Bayern (endstation- von den Medien häufig nur „ex- dieser Kommentar: „Dieses Kon- rechts-bayern.de) – ein „Informa- akte Kopien des Polizeiberichts“ to wurde aufgrund wiederholter tionsportal über Neonazis und veröffentlicht worden, freilich mit Rechtsextremismus in Bayern“. „deren Schwerpunkten: Die Ein- Das Angebot entstand als Able- satzleitung war zufrieden, beide ger der 2006 von den Jusos in Seiten getrennt zu haben und Kolumne Mecklenburg-Vorpommern ein- egal wie krude die Aussagen von gerichteten Informationsseite Rechtsaußen waren – die demo- oder schwerwiegender Verstöße endstation-rechts.de. Sind sol- kratische Seite erschien mit ih- gegen die YouTube-Richtlinie zum che, letztlich unter der Obhut rer Gegendemonstration als das Verbot von Hassrede gekündigt.“ der SPD betriebenen Nachrich- eigentliche Problem“, skizziert Über die Sperrung seines Ka- tenportale noch oder überhaupt Witzgall sein Unbehagen. Kritik nals wurde der Journalist vorab Journalismus oder sind es – bei an der Polizei als eine Quelle nicht informiert. Er beschwerte aller Wertschätzung für ihr demo- journalistischer Recherchen ist sich über ein Formular sofort kratisches und aufklärerisches Ar- in letzter Zeit wieder verstärkt zu bei Youtube und erklärte, was beiten – PR- oder gar Propaganda- vernehmen (siehe Linksammlung es mit diesen Dokumentationen plattformen? Die Portale haben des Autors: tinyurl.com/polizei- rechter Aktivitäten dort auf sich den Anspruch, „überparteilich journalismus). Aktuell sei nach habe. „Nach ein paar Tagen kam zu agieren und sich um Objekti- Einschätzung von Witzgall „die die Antwort, dass man bei der vität und eine Berichterstattung Berichterstattung der Medien Entscheidung bleibe.“ Witzgall nach journalistischen Prinzipien“ über Rechtsextremismus definitiv nahm Kontakt mit der für Youtu- zu bemühen, führen die Macher intensiver“. be verantwortlichen PR-Agentur in ihrer Selbstbeschreibung an. und einzelnen Google-Presse- Die akribische und jahrelange Abrupt Endstation sprechern auf: „Ich habe jeweils Beobachtung dieser Plattformen unsere Tätigkeit beschrieben, durch den Autor bestätigt dieses Endstation Rechts Bayern (ER Ba- ein Bild vom Presseausweis ge- Versprechen. yern) ist auf allen relevanten sozi- schickt und auf eine Stellungnah- alen Netzwerken mit Tausenden me des Bayerischen Journalisten- Zurück zum Journalisten Witzgall: Bildern und auch einigen Videos Verbands verwiesen“, berichtet Er besucht bei seinen Recherchen vertreten. Gerade bei Letzteren der Redakteur und ergänzt: „Alles unter anderem rechte Veranstal- trat im Juni ein Problem auf: You- in der Hoffnung, dass sie schnell tungen, Rechtsrock-Konzerte tube sperrte den ER Bayern-Kanal erkennen, warum wir rechte Aus- und Gerichtssäle, in welchen ein- just an dem Tag als die zu Google sagen in Videos zeigen“. Doch schlägige Straftaten aus diesem zugehörige Plattform öffentlich Witzgall wurde nur vertröstet, Milieu behandelt werden. Seine versprochen hatte, künftig re- „das Team“ schaue sich das ge-

Weil Youtube Probleme mit der Öffentlichkeitsarbeit der bayrischen Jusos hat, sperrte das Portal einen Online-Auftritt des Parteinachwuchses wegen angeblicher Hassrede. Foto: pixabay.com

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nau ein, es könnte sein, dass die die offene Hetze und seelischen gewinn für den Leser ist gering. Entscheidung in Irland oder den Grausamkeiten unterbinden“. Mit hervorgehobenen Zahlen USA getroffen werde. Große Hoffnungen setzt Gutjahr soll offenbar suggeriert werden, nicht darauf: „Es steht zu be- dass man die Plattform voll im Der aktuelle Stand ist, dass Google fürchten, dass Googles PR-Nach- Griff hat. So wird unter Berufung ER Bayern künftig zugestehe, mit richten, künftig entschlossener auf den eigenen Transparenzbe- einer distanzierenden Erklärung gegen Homophobie und Ver- richt (transparencyreport.google. solche Inhalte zu veröffentlichen. schwörungstheorien vorgehen com) erwähnt, dass allein im er- Für Witzgall wäre es „technisch zu wollen, nicht mehr sind, als sten Quartal 2019 8,3 Millionen kein großer Aufwand“. „Aber eigentlich ist es verrückt. Man stelle sich vor, der BR oder die SZ müssten nach einer Minute Beitrag über Pegida einblenden, dass sie nicht hinter den Re- deinhalten stehen“. Aberwitzig würde es bei Neonazis werden: „Was ist, wenn die das in ihren Propaganda-Videos kurz einblen- den oder bei Rechtsrock-Bands – blenden die dann eine Tafel mit einem Zwinker-Smiley ein?“

Um die Dimension noch mal zu verdeutlichen: Das knapp zwei- minütige Video, in welchem Witzgall im Mai massive Be- hinderungen von Journalisten bei einem Treffen des AfD-Flü- gels in Greding dokumentierte, hatte allein bei Youtube über 100.000 Aufrufe, bei Twitter so- Können Neonazis Propaganda-Videos mit einem Zwinker-Smiley gar 263.000 (tinyurl.com/afd- verharmlosen? Foto: pixabay.com journalisten). Jetzt kann ER Ba- yern wieder Videos hochladen, alle alten Videos sind jedoch die Inhalte, um die es geht: Pro- von Youtube entfernt wurden, gesperrt. Zwischenzeitlich muss paganda in eigener Sache, Fake weil sie gegen die Youtube-Com- sich Witzgall auch auf dem Fa- News“, schreibt der Journalist in munity-Richtlinien verstießen. 76 cebook-Kanal von ER Bayern mit seinem Blog-Beitrag: „Youtube, Prozent der „problematischen Vi- temporären Sperrungen von ihm Petri-Schale für Hasskulturen – deos, die im ersten Quartal 2019 publizierter Inhalte auseinander- Kampf gegen Hate Speech“ (tiny- zuerst von Algorithmen auf You- setzen – auch hier erlebt er nach url.com/hasskulturen). tube entdeckt wurden, konnten eigenen Angaben willkürliches von der Plattform entfernt wer- und inkompetentes Handeln der Kontrolle entgleitet den, bevor auch nur ein einziger Verantwortlichen. Nutzer sie gesehen hat“. Derweil versucht Google seinen Der Münchner Journalist Richard Video-Ableger Youtube wieder in „Ja, die tun ja was“, mag man Gutjahr erinnerte sich bei You- ein besseres Licht zu bringen. nach der Lektüre dieser Publikati- tubes Ankündigung, härter ge- In der Ende September erschie- on denken. Wenn man dem indes gen Hatespeech vorzugehen, an nen 36-seitigen Anzeigenson- die geschilderten Erfahrungen seine „zahllosen Versuche bei derveröffentlichung „Aufbruch der beiden sehr Internet-affinen Google Deutschland, wenigstens Video – Kreativität und Wissen Kollegen entgegenhält, erschei- die Verschwörungs-Videos über in Bewegung“ werden den Lesern nen die Argumente der Google- meine Frau und Kinder zu entfer- „Einblicke in die anspruchsvolle Propagandisten nur wenig glaub- nen. Die Hinweise auf rechtsex- Arbeit des Trust&Safety-Teams“ haft. Es bleibt das ungute Gefühl, treme Netzwerke und Strukturen versprochen. Auf einer Dop- dass den Verantwortlichen bei hinter Dutzenden von Youtube- pelseite gibt es äußerst knappe Google die Kontrolle über die Videos. Das Flehen der Betrof- Informationen unter anderem eigene Plattform zunehmend fenen und Opferverbände, You- zu Themen wie Algorithmen, entgleitet; ähnliches ist auch bei tube möge doch endlich seine Hassrede, Grauzonen oder Facebook zu beobachten. Verantwortung wahrnehmen und Deepfakes – der Informations- Thomas Mrazek

23 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Keine filmreife Vorstellung

Vom Erlöschen des Leuchtfeuers in der hessischen Filmlandschaft – Zur Affäre um den freigestellten Leiter der Hessischen Filmförderung

Reden ist Silber und Schweigen schon da und zwar ganz nah, fenden Bildern, dessen Erbe Gold, heißt es zumindest. Im bei jedem Schritt, den der Ge- im Deutschen Filmmuseum in Fall von Hans Joachim Mendig schäftsführer seit Amtsantritt Frankfurt gewahrt wird. wäre vielleicht Reden Gold ge- von Angela Dorn gemacht hat- wesen, denn das Schweigen war te. Denn Mendig war schon vor Es ist kein Zufall, dass das Deut- eher Quecksilber denn Gold. Dorn vielen Filmemachern ein sche Filmmuseum in Frankfurt Dorn im Auge. Viele aus der lokalisiert ist und nicht in Berlin, Der ehemalige Geschäftsführer Branche fühlten sich durch Men- von HessenFilm und Medien dig nicht vertreten und geför- GmbH, wie die Hessische Film- dert, denn er hatte den Betrieb förderung seit einigen Jahren gehörig umgekrempelt. Analyse heißt, schwieg und schweigt nämlich von diesem Treffen Wie Schläfer hatten die Brüskier- denn in Frankfurt wurde Filmge- mit AfD-Chef Jörg Meuthen im ten auf den Augenblick gewartet, schichte geschrieben. Der Hes- Sommer. Und dieses Schweigen aktiv zu werden. Und Mendig sische Rundfunk trug wesent- wurde ziemlich toxisch für ihn hatte anscheinend eine ganze lich zu diesem Erfolg bei, vor und die gesamte Filmbranche Reihe Filmemacher mit seiner allem im Dokumentarfilm. Der in Hessen. Ende September zog neuen wirtschaftsorientierten Sender war einst das Flaggschiff Angela Dorn, die neue Ministe- Filmpolitik brüskiert. Der Ge- des kritischen Journalismus und rin für Wissenschaft und Kunst schäftsführer brach zwar auch schreckte vor keiner Herausfor- in Hessen, die Reißleine und alte Seilschaften auf und brachte derung zurück, es war stellte Mendig frei. Die Bezüge frischen Wind in eine verkruste- als Joachim Mendig dort arbei- des einstigen Filmchefs laufen te Struktur. Aber er führte sein tete. weiter, ein Verfahren wird es wohl noch geben. Schon bevor Ministerin Dorn die Beides liegt Jahrzehnte Reißleine zog, war Mendig einer zurück und seither Doch wer denkt, dass die Grüne haben weder Mendig Ministerin jeden schasst, der ganzen Reihe Filmemachern ein noch der Hessische mit AFD-Funktionären redet, Dorn im Auge. Rundfunk als intellek- hat weit gefehlt und folgt der tuelle Filmemacher perfiden AFD-Strategie, auf die „Regiment“ wohl auch undiplo- oder Institution brilliert, von Mendig ganz offensichtlich rein- matisch, wie ein unerfahrener Ausnahmen abgesehen. Dem gefallen ist. Denn die Rechtsau- Minister, der unter dem Schutz Sender grollt die Branche schon ßen-Partei stilisiert sich seither seines Königs steht. Der König lange, dass er einen Kurs fährt, als Opfer. war Boris Rhein. Der frühere der Filmemacher und freie Re- Minister hatte Mendig ins Amt gisseure fast vollständig aus- „Seht her, wer sich mit uns nur gehoben und wollte das Kultur- sperrt, als einziger Sender in trifft, wird gleich bestraft“, lautet gut Film auf Biegen und Brechen ganz Deutschland. die Botschaft die von der AfD, ih- zum Wirtschaftsgut machen. ren Anhängern, aber auch vielen Dabei ist der künstlerische Film Doch dagegen ist die hiesige sonstigen AfD-fernen Mitgliedern wie ein Gemälde, dessen wah- Branche ziemlich machtlos. der Gesellschaft, seither verbrei- rer Wert der Spiegel der Ge- Aber im Fall Mendig witterten tet wird. Dabei war noch nicht ein- sellschaft ist und dessen Gut die brüskierten Filmemacher be- mal das Treffen mit Jörg Meuthen vom Mainstream vielleicht erst reits bei dem Wechsel im Mini- und PR-Berater Moritz Hunzinger viel später entdeckt wird und sterium eine Chance und schrie- eine rote Linie, die Mendig über- das mit Gold nicht aufgewogen ben eben diesen anonymen schritten hatte, sondern erst das werden kann, zumindest nicht Brief, den Anfang vom Ende der Foto vom Treffen, das Meuthen zum Zeitpunkt des Entstehens. Ära Mendig. auf Instagram mit freudigem So war es früher jedenfalls und Kommentar zu den lachenden ist es in vielen Bundesländern Daraufhin wurden Gespräche Protagonisten gepostet hatte. auch heute noch. Früher war der mit dem Minsterium geführt. Denn dazu schwieg Mendig auch. Hessische Film noch ein Leucht- Die Beschwerden häuften sich. Aber die rote Linie war vorher feuer unter nichtssagenden lau- Von all dem bekamen die mei-

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Herrenrunde: So warb der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen in seinem Instagram-Account für das Treffen mit Hans Joachim Mendig (Mitte) und Moritz Hunzinger.

so viele kreative und kritische sten Regisseure/Innen, Film- schäftsführers das Flaggschiff Filmemacher in Hessen jaulen Journalisten/Innen und Doku- „Hessischer Film“ noch längst würden. Die meisten sind schon mentarfilmer/Innen zwar nichts nicht unter geht. Aber dann hat abgewandert, die wenigen Er- mit, obwohl die Affäre wohl man übersehen, dass seit fast folgreichen, die geblieben sind, schon deutlichen Einfluss auf Jahrzehnten die Filmförderung sind sozusagen heimatblind, zu die letzte Fördersitzung genom- quasi der letzte Anker der Hes- verliebt ins Land um auszuwan- men hatte. Erst als das Foto von sischen Filmemacher/Innen dern. Mendig, Meuthen und Hunzin- war. ger, Wochen nach dem Treffen, Mendig ist auch ge- in Umlauf gebracht wurde und Mit seinem Flirt mit der AfD hat blieben, vielleicht wäre er ein ganz ande- der Chef von HessenFilm sich Hans Joachim Mendig das Fass dazu äußern sollte, wurde es rer geworden, wenn er wirklich brisant. zum Überlaufen gebracht und dem ausgewandert wäre. hessischen Film geschadet. Aber mit seinem Flirt Äußern wollte sich Mendig je- mit der AfD hat er das doch nicht. Mit einem schmal- Fass zum Überlaufen lippigen Kommentar, das sei gebracht und den Hessischen privat, war für ihn der Fall ab- Ein Anker, den andere Länder Film dem Untergang geweiht. geschlossen. Doch das war auch haben, aber so nicht brau- er nicht, denn Meuthen hatte chen, denn sie haben ja noch Denn auch der Sender hat statt freudig gepostet und kommen- einen Sender, der den Filme- den Filmemachern einen Anker tiert, dass es um konstruktive machern Heimat und Halt gibt. zu werfen, mal wieder einen An- „politische“ Gespräche gegan- Nicht so in Hessen, denn der ker zu Bertelsmann geworfen- gen wäre und dass er selbstver- Hessische Rundfunk sperrt genauer zu UFA-Show und sich ständlich Herrn Mendig gefragt schon seit Jahrzehnten die Do- an dem Dokumentarfilm über hätte, ob er das Foto veröffent- kumentarfilmer/Innen und auch die gigantische Expedition des lich könne, auf dem sie gemein- weitgehend die fiktionalen Fil- Forschungsschiffs Polarstern in sam so glücklich in die Kamera memacher/Innen aus. Und da- die Antarktis beteiligt. Ein tolles grinsten. mit eben auch die kritischen Projekt mit wahrscheinlich viel Journalisten/Innen, die sich Geld, das hessische Filmema- Themen in längeren Formaten cher/Innen und Journalisten/ Mehr wollte Mendig dazu dann annehmen. Innen zu phantastischen Filmen aber immer noch nicht sagen hätten machen können. und das war zu wenig, oder Wenn ich singen könnte, wür- auch zu viel für die rote Linie, de ich ein Lied davon singen Warum muss ich beim Hes- die wohl dick und fett zuvor und das hätte ziemlich viele sischen Film nur immer an die schon aufgemalt worden war. Strophen. Da ich aber nicht Titanic denken? Jetzt könnte man meinen, dass singen kann, erspare ich allen mit dem Abgang eines Ge- das leidvolle Gemaunze, das Ina Knobloch

25 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Lippenlärm überhören Glosse: Ulla Atzerts hilfreiche Tipps zur Stärkung der Widerstandskräfte – Neues DJV-Seminar

Na dann wollen wir doch mal drucks serviceorientiert, nutzer- erfrischende und ein bisschen resilient sein... affin und medienneutral zugleich praxistaugliche Wei- Ist ja gerade schick. So wie schreiben sollen. se aus. Idealerweise FaceAppen, E-Scooter fahren Und doch – so gelingt es Referen- um aus einem krank oder eine Bowl zu mixen. tin Ulla Atzert zu vermitteln – hilft machenden Stress- Und wie erhöhen wir unse- alles nichts außer diese Heraus- level ein gesundes re Achtsamkeit, damit diese forderungen anzunehmen und zu machen. Einstellung zu mehr wird als sich diese idealerweise nutzbar zu Und zwischen all nur einem Modewort? Wie machen. Zum Beispiel indem man diesen Hilfestel- Inspirierend: Ulla Atzert schaffen wir es, dass der sich bewusst macht, dass es auch lungen wird sie Foto: Andreas Lang Alltag uns beherrscht und „guten Stress“ gibt, der Adrenalin tiefgründig und re- nicht dieser uns? Ohren auf ausschüttet und zu Produktivität feriert Gedanken und Wortkre- Durchzug stellen, Mandalas antreibt. Die Krux an der Sache: ationen, die nachhallen. Entweder ausmalen, ans Mittagessen Die Differenzierung zwischen der Versuch eines Autisten, seinen denken, wenn uns der Chef gutem (Eu) Stress und schlechtem Gefühlen einen Ausdruck zu geben, die Frühstückslaune verdirbt? (Dis) Stress ist subjektiv, hängt ab wenn er den Ärger seines Gegen- Holen wir uns also etwas In- von der eigenen Sozialisation und übers registriert und emotional spiration von der Fachfrau Konstitution. Was den Einen an einzuordnen versucht: „Er macht und melden uns beim ersten den Rand der Erschöpfung treibt, Lippenlärm“. Seminar des DJV Hessen lässt den Anderen Adrenalin in die Den hat Atzert bei ihrer Premiere zum Thema „Wie laut soll Adern schießen. im Seminarprogramm des DJV der Urschrei sein, um diesen Ulla Atzert, die nicht nur in diversen Hessen mitnichten gemacht. Die ganzen Stress abzustreifen?“ Lebenslagen coacht, sondern nach Erwartungen der Teilnehmer sind an. Und siehe da: Es geht gar einer Station bei Radio FFH heute in vollauf erfüllt worden: lehrreich, nicht so sehr um die Laut- hr1 und hr2 moderiert, hat für diese motivierend, gute Tools, trifft den stärke. Es geht um die innere unterschiedlichen Charaktertypen Nerv der Zeit lauteten einige der Einstellung. dennoch das ein oder andere Uni- Kommentare in der Fazitrunde. An Offiziell klingt das neueste versalrezept im Psychologenkoffer. diesem Seminartag in Frankfurt ist Angebot im bewährten Wei- Die stellt die Autorin, die auch für schon mal niemand in Stress aus- terbildungsangebot natürlich die FAZ und die ZEIT schreibt, auf gebrochen. Andreas Lang seriöser: „Resilienz-Training 5.0 – konkrete Lösungen für den journalistischen Alltag“. Aber gemeint ist nichts an- Praktische Hilfen deres als der produktive und konstruktive Umgang mit Maßnahmen zur Resilienz-Prophylaxe gibt es unzählige. Ihre Wirkung hängt stark von Stress. Nichts anderes meint der persönlichen Konstitution und Disposition ab. Zu den Grundüberzeugungen von Ulla das Modewort Resilienz ja: Atzert zählt, dass Multitasking zu Kontrollverlust und Leistungsabfall führt. Im Idealfall die eigenen Abwehrkräfte sind beide Gehirnhälften – die besonnene strukturierte linke und die emotionale kreative gegen den kontinuierlichen rechte – ausgeglichen. Diese Ausgeglichenheit (oder Resilienz) kann man trainieren. Leistungsdruck zu aktivieren, Etwa mit der Pfad-Strategie der fünf A (annehmen, abkühlen, analysieren und in der externe Störungen produktiv Konklusion entweder agieren oder ablenken). Hilfreich kann es auch sein, ein tägliches verarbeiten. Was oft leichter Erfolgs- und Motivationsjournal zu führen. Oder mit Übungen zum Regulieren, Motivieren, gesagt als getan ist, wenn Beruhigen, Kontrollieren oder Stärken. Oder mit dem Vorhaben, destruktive Gedanken der Redaktions- beziehungs- zu durchbrechen, zum Beispiel indem man aufsteht, aus einer unangenehmen Situation weise Abgabeschluss naht. ausbricht – und etwa zum Drucker läuft, bewusst weiter entfernt vom Schreibtisch steht. Wenn man sich als Freier Atzerts Fazit: Resilienz ist die Kunst des Perspektivwechsels. Negationen werden in fragt, was der Auftraggeber Affirmationen umgekehrt, belastende Denk- und Verhaltensmuster werden aufgebrochen an dieser x-ten Fassung nun und ihr konstruktives Potenzial wird extrahiert. Resilienz erwächst aus durchdachter schon wieder zu nörgeln Kommunikation. Und wer, wenn nicht Journalisten sollten kommunizieren können. Aber hat. Wenn festangestellte Re- auch für alle anderen Stressgeplagten hat die Trainerin eine gute Nachricht: „Gelingende dakteure unter dem schwe- Kommunikation ist erlernbar, Konfliktmanagement ist steuerbar, Resilienz ist trainierbar“. benden Damoklesschwert des Quoten- und Kosten-

3/2019 26 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Leidenschaftlich und natürlich Außerhalb des DJV: Ina Knobloch, Vorsitzende des Ortsverbands Frankfurt, hat vor 30 Jahren den Umweltschutzverein Tropica Verde gegründet

Davon hat Dr. Ina Knobloch Gesamtschule im Frankfurter des Naturforschers Alexander selbst nichts gewusst: Die Norden finanziell unterstütz- von Humboldt gefeiert wur- Vorsitzende des Ortsverbands ten. Das Geld soll gezielt für de. Die prominenteste war die Frankfurt und Beisitzerin im Baumpflanzungen ausgegeben Botschafterin von Costa Rica, Landesvorstand ist auch noch werden. Diese Aufforstungen Lydia Peralta. Sie führte beein- Geburtshelferin für die erste sollen einfließen in die Öko-Bi- druckend aus, wie weit das mit- CO2-neutrale Schule in Frank- lanz der Schule, die auf gutem telamerikanische Land durch furt. Das hat die promovierte Weg ist, ihren CO2-Verbrauch konsequentes Umsteuern hin Biologin ganz nebenbei erfah- zu neutralisieren. Mit 4000 zur Klimaneutralität bereits ge- ren, als der von ihr gegründete Bäumen wäre dieses Ziel er- kommen ist. Verein Tropica Verde im Sep- reicht, hat Lehrer Bernhard tember im Frankfurter Palmen- Gabriel ausgerechnet. Und der Wie im vorigen „Blickpunkt“ garten seinen 30. Geburtstag erzählte bei der Feier des Ver- berichtet, hat sich Knobloch feierte. einsjubiläums, dass er sich bei in diesem Land einen Lebens- der Auswahl des Projektpart- traum erfüllt und ein kom- ners für diese Pflanzungen an fortables Baumhaus aus dem Ein Scheck seine Betreuerin als Biologie- Holz von Gewächsen errich- als Geschenk Student erinnert habe, die ihm tet, die sie in den 80er Jahren in ihrer leidenschaftlichen Art selbst gepflanzt hatte. Einen Als ein Geschenk gab es näm- auch von ihrem Engagement in Teil des Jahres verbringt sie in lich einen Scheck über 5900 den Tropen erzählt habe. Das Lateinamerika. Für Costa Rica, Euro für den „Verein zum war Ina Knobloch, und das ist das sie im Rahmen ihrer Nutz- Schutz tropischer Lebensräu- von ihr über die Jahre hängen pflanzenforschung Ende der me, biologischer Vielfalt und geblieben. 80er Jahre erstmals bereist hat, bedrohter Arten“. Die Summe hat sie den ersten Reiseführer kam zusammen von Spon- Gabriel war einer der Gratulan- in deutscher Sprache geschrie- soren, die einen Benefizlauf ten zum Jubiläum von Tropica ben. Und natürlich wollte die von Schülern der Integrierten Verde, das am 250. Geburtstag Journalistin in ihr nicht ver- schweigen, dass das Land im Ranking der Pressefreiheit vor Deutschland liegt.

Fürsprecherin der Ozeane

Die Führung des Tropenschutz- vereins, der die Artenvielfalt erhalten will, hat die Wissen- schaftsjournalistin, Autorin und Dokumentarfilmerin in andere Hände abgegeben. Ihr Engagement für die Bewah- rung der Schöpfung ist aber ungebrochen. Gerade ist ihr jüngstes Buch „Aufschrei der Meere. Was unsere Ozeane be- droht und wie wir sie schützen müssen“ erschienen, das sie zusammen mit dem Schauspie- Prominente Gratulantinnen: Costa Ricas Botschafterin Lydia Peralta (Mitte) und die Frankfurter Honorarkonsulin Jana Maria Dressler (rechts) mit Vereinsgründerin Ina Knobloch ler Hannes Jaenicke geschrie- im Palmengarten. (Foto: ala) ben hat. Im September war das Duo auf Lesereise quer durch

27 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien

Deutschland und auch zu Gast in Markus Lanz‘ Talkshow im Neue Serie ZDF. Zum Thema „Ozeane am Li- Es gibt ein Leben und Engagement mit“ war Knobloch im Septem- außerhalb des DJV. Einer stattlichen ber auch bei der Verleihung Zahl an Mitgliedern und Funktikonären des Bernhard-Grzimek-Preises liegt nicht nur der Berufsverband am der kfW-Stiftung gefragt. Die Herzen. Sie stecken nicht weniger mit 50.000 Euro dotierte Aus- Herzblut auch in andere Initiativen zeichnung ging an die Leiterin und Vereinigungen, die die Welt ein des Tubbataha Reefs Natural Stückchen besser machen wollen. Sie Park auf den Philippinen, An- publizieren nicht nur über Defizite und gelique Songco. Die Laudatio Handlungsbedarf, sie gestalten positive sprach der Dokumentarfilmer Veränderungen auch praktisch mit. Ina Andreas Kieling. Knobloch saß Knobloch ist ein prägnantes Beispiel mit auf dem Podium. Und war dafür. nicht nur in diesem Setting, In loser Folge wollen wir vorstellen, umgeben von Gleichgesinnten, was DJV-Mitglieder noch bewegen und in ihrem Temperament und Ele- was sie damit bereits erreicht haben. ment. Für Hinweise und Anregungen, wie weit dieses Spektrum reicht, ist die Im Internet gibt es weitere In- Redaktion dankbar. Die Kontaktdaten formationen unter www.tropi- finden sich im Impressum. ca-verde.de. ala Andreas Lang Stolz auf Stoltze Ortsverband Frankfurt erkundet mit Oberbürgermeister Feldmann und Museumsdirektorin Breitkreuz die neue Altstadt

Der 27. September hätte ein strahlend blauer Herbst- Und es kam noch etwas: Heftiger Regen. Der erste tag werden sollen, mit leichten Böen und angenehmen Lichtblick waren dann ein halbes Dutzend aufgespann- spätsommerlichen Temperaturen. Ein perfekter Tag ter Schirme, die sich mir entgegenstreckten, als ich mich also, an dem uns der Frankfurter Oberbürgermeister eine viertel Stunde vor unserem Termin dem Treffpunkt Peter Feldmann zu meiner Einführungsveranstaltung näherte. Zweifellos steckten unter den schützenden als Vorsitzende des OV Frankfurts, vor dem Frankfurter Schirmen treue DJV-Mitglieder, die mich ins Trockene Römer begrüßen wollte. Persönlich wollte er uns durch holen wollten. die Altstadt führen und es hatten sich ein paar Dutzend Mitglieder angemeldet. Am Vortag sah alles noch per- Keine Minute später erschien auch Petra Breitkreuz, die fekt aus, bis ich im Rathaus hinterließ, dass ich bereits noch gar nichts von ihrem „Glück“ wusste, da sie ganz eine viertel Stunde eher am Treffpunkt sein würde, um offensichtlich meine Nachricht nicht gelesen hatte und letzte Details zu besprechen. nach dem Oberbürgermeister fragte. Aber noch bevor ich zu der frustrierenden Antwort ausholen und meine Als wenig später der Anruf aus dem Römer kam, fiel Bitte, die Führung zu übernehmen vortragen konnte, mir beinahe der Hörer aus der Hand: Der Termin wäre klingelte mein Telefon: das Büro des Oberbürgermeis- angeblich vor zwei Wochen abgesagt worden, ob mir ters. Herr Feldmann würde uns im Stoltze-Museum keiner Bescheid gesagt hätte? Keine 24 Stunden vor begrüßen. der Veranstaltung war die Nachricht schlicht eine Ka- Nach dem ersten Lichtblick, ließ der zweite nicht lan- tastrophe. Da ich aber immer einen Plan B habe und ge auf sich warten. Ohne zu zögern erklärte sich die die wunderbare Direktorin des Stoltze-Museums, Petra Stoltze-Expertin bereit, unsere Gruppe auf den Spuren Breitkreuz, ebenfalls ganz hervorragend und unter jour- des berühmten Frankfurter Dichters und Denkers, der nalistischen Stoltze-Aspekten durch die Altstadt führt, auch Ehrenmitglied des Journalisten-Verbandes war und beschloss ich gemeinsam mit unserer Geschäftsführe- für die Pressefreiheit kämpfte, wie kaum ein anderer rin Imke Sawitzky, dass wir die Veranstaltung durchzie- seiner Zeit, durch die Altstadt zu führen. Stoltze wäre hen, egal was kommt oder nicht kommt. stolz auf unsere Frankfurter DJV-Mitglieder gewesen, die auch keinerlei Enttäuschung darüber zeigten, dass uns

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nun nicht der Oberbürgermeister, sondern die Stoltze- Expertin in die Altstadt führte. Und unter „Stoltzen“ Augen hatte sie auch noch kei- ner der anwesenden Journalisten gesehen. Unter eben diesem „Stoltzen Blick“ führte uns Petra Breitkreuz zunächst zu „Klein-Nürnberg“ und zum „Goldenen Lämmchen“ am heutigen Kunstverein, wo Stoltze seine geliebten Butter- und Heidelbeerkuchen kaufte, bevor sie uns zum Hühnermarkt lotste. Die „Stoltzen Pfade“ dorthin, führten vorbei an Goe- thes „Tante Melbers“ Haus, den Esslinger Häuser und Hinterhöfen. Zu allen Gebäuden mit ihren Reliefs und Zierden hatte unsere kundige Führerin eine Anekdote Ina Knobloch überreicht Frankfurts Oberbürgermeister bereit. Stoltze schien stolz von seinem Denkmal zu Peter Feldmann ihr jüngstes Werk. Foto: AG lächeln, als wir uns andächtig um seinen Brunnen ver- sammelten, der noch im Original erhalten ist, vom Krieg wie ein Wunder verschont worden war und jetzt wieder an seinem angestammten Platz glänzt. Gebannt lausch- Und schließlich bezeichnete sich Stoltze auch selbst ten wir den Geschichten und als wir Stoltzes Geburts- als Migrant, genauer als: „Lokaldichter, Redakteur und haus am Rebstockhof, Ecke Braubachstraße als letzte Flüchtling von 1866“, neben „Bürgervereinsler, Zeitungs- Station erreicht hatten, klingelte erneut mein Telefon: besitzer, Familienvater, Humorist, Demokrat, Bürger, Der Oberbürgermeister! Er war auf dem Weg zu uns. Briefkasten, Ehrenmann, guter Kerl und schlechter Mu- sikant…“. Unsere Gruppe zufrieden und trocken zum wenige Me- ter entfernten Museum am Hühnermarkt marschierte. Feldmann kann reden und bei der Altstadt weiß er nicht Vorbei an Stoltzes charakteristischen Karikaturen über nur wovon er redet, er kann die Zuhörer mitreißen, weil den braven „Deutschen Michel“, der von Vater Staat er glaubwürdig von seiner Stadt schwärmt und den Hu- drangsaliert und ausgenommen wird, drängten wir mor dabei nicht vergisst. durchs enge Treppenhaus hinauf in den großen Saal im Von Stoltzes süffisantem Humor und seinen treff- ersten Stock. sicheren satirischen Beiträgen bekamen wir nach dem Gerade als die Hausherrin mit einführenden Worte die eleganten Abgang unseres städtischen Oberhaupts, neuen Gemächer der Stoltze – Reliquien vorgestellt hat- noch ein paar erheiternde Kostproben von Petra Breit- te, traf der Oberbürgermeister strahlend ein und be- kreuz geboten. Mit Inbrunst und Begeisterung trug sie grüßte jedes Mitglied mit Handschlag, bevor er elegant im Finale vor allem Zitate von journalistischer Relevanz den Bogen von Stoltze zur erfolgreichen Jahrhunderte vor, die heute kaum aktueller sein könnten: alten Migrationspolitik in Frankfurt, schlug. Denn ohne „Darum nimmt auf Erden, die Händler aus aller Herren Länder, die sich in der Stadt Redacteur zu werden auch niedergelassen hatten, wäre Frankfurt nie zu Wohl- sich von Anbeginn wohl Niemand vor...“ stand und Toleranz gekommen. Ina Knobloch

Hommage an einen „Lokaldichter, Redakteur und Flüchtling“: Museumsdirektorin Petra Breitkreuz führt die DJV- Delegation durch das nach Friedrich Stoltze benannte Museum. Foto: Wolfgang Minich

29 3/2019 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien Gemischte Doppel Antrittsbesuche der neuen Grünen-Minister Angela Dorn und Kai Klose beim Ortsverband Wiesbaden

faktensicher ist, sondern auch, warf Fragen auf. Fand Dorn be- mit welch einer Themenfülle sie reits die Premiere der schwarz- sich zu beschäftigen hat. Dabei grünen Zusammenarbeit mit kommt der studierten Psycholo- zwei grünen Ministern bemer- gin zugute, dass sie bereits seit kenswert, so hat sich die Zahl der zehn Jahren im Hessischen Land- übernommenen Ressorts nun be- tag sitzt, dass sie zusammen mit kanntermaßen verdoppelt. Wobei Klose bis Anfang des Jahres die die Koalitionsverhandlungen aus Landespartei geführt hat und in einem verblüffenden Grund dies- die Koalitionsverhandlungen für mal anstrengender waren: „Beim beide Bouffier-Kabinette einge- ersten Mal, als wir uns als Re- bunden war. Charmant hat sie gierungspartner noch gar nicht bislang – und auch an diesem kannten, mussten wir genauer Abend – mit allerlei Klischees auf- hin- und zuhören. Das hatte sei- geräumt. nen Charme“. Etwa dass eine grüne Politikerin Und was will die Ministerin bis mit dem feingeistigen Kunstres- zum Ende der Legislaturperiode sort fremdeln könnte; oder wie erreicht haben? Die Hochschulen eine Mutter von drei Kindern Fa- will Dorn auch für studentische milie und Beruf vereinbaren kön- Quereinsteiger öffnen. Die Ziel- ne. „Tarek al-Wazir, Vater zweier vereinbarungen mit den Hoch- Söhne, wird das nicht gefragt“, schulen will sie konsequent errei- wunderte sich die Mutter dreier chen, auch als Reaktion darauf, Töchter mit leicht süffisantem dass Hessen zur allseitigen Ent- Unterton. Sie habe unterschätzt, täuschung außen vor geblieben Gefragt: Hessens Wissenschaftsministerin wie viel Freude das neue Amt ist in der Endauswahl der bundes- Angela Dorn. (Foto: Mika Beuster) bereiten könne, formulierte sie weiten Exzellenzinitiative. Und mit leichtem Understatement. ein Masterplan Kultur schwebt Über das Programm „Museum ihr vor, um Kulturschaffende zu Vor der Sommerpause war ihr des Monats“ etwa bekomme motivieren und zu fördern. Partei- und Kabinettskollege Kai sie regelmäßig einen Eindruck Klose zu Gast beim Ortsverband vom Kunstreichtum des Bundes- Kai Kloses Wiesbaden. Unmittelbar nach landes. der Pause ist Wissenschaftsmi- Dass es aber nicht nur ein Ge- Koalitionserfahrungen nisterin Angela Dorn (Grüne) nuss ist, Ministerin für Wissen- gekommen, um wenige Monate schaft und Kunst zu sein, zeigen Mit Sozialminister Kai Klose nach ihrem Amtsantritt präsent Dorn die politischen Heraus- arbeitet Angela Dorn längst und eloquent Rede und Antwort forderungen, die sie teils geerbt nicht erst in diesem Kabinett zu stehen. Der Nebenraum im hat, teils ereilt haben. Etwa die zusammen. Dieses Duo hat „Kleinen König“ war bis auf den Missstände in der Psychiatrie an die Landespartei der Grünen letzten Platz gefüllt, die Stim- der Uni-Klinik Frankfurt oder die von Ende 2017 bis Mai dieses mung war gelöst, die Offenheit finanzielle Konsolidierung der Jahres zusammengeführt, ehe der jungen Ministerin erfri- documenta in Kassel. „Ich spü- auch in Hessen Parteiamt und schend. re dort eine Aufbruchstimmung. Politikmandat getrennt wurden. Krise ist genug gewesen“, so Und auch, dass sie als frisch Ortsverbandsvorsitzende Sylvia Dorns Eindruck aus Nordhessen. gebackene Minister gleich dem Kuck musste nur wenige einlei- Nicht nur das Wirken der ge- Ortsverband Wiesbaden einen tende Fragen stellen, ehe sich bürtigen Aschaffenburgerin als Besuch abstatteten, eint die eine rege Diskussion entspann. Ministerin in Hessen war Gegen- beiden. So manche ihrer ersten Bei den unterschiedlichen Kom- stand der Diskussion an diesem Eindrücke sind erstaunlich de- plexen zeigte sich nicht nur, dass lebendigen Abend. Auch die Rol- ckungsgleich, etwa von der har- die Ministerin, die ihr Amt Anfang le der erstarkten Grünen in der monischen Zusammenarbeit des Jahres übernommen hatte, zweiten Koalition mit der CDU der vermeintlich so ungleichen

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Seitenwechsel: Alice Engel (2.v.l.) ist von hr-Info als Pressesprecherin ins Ministerium von Kai Klose (links) gewechselt. In ihrer vorherigen Funktion war sie Kollegin der Ortsverbandsvorsitzenden von Koalitionspartner. Wiesbaden, Sylvia Kuck. Und auch Landesvorsitzender Knud Zillian arbeitet bekanntermaßen beim hr. Foto: Wolfgang Kühner Dieses Kommunikationsproblem muss man erst mal haben: Die Zusammenarbeit zwischen der CDU und den Grünen im zwei- gen, nur zehnmal so stressig“, so Dornbusch in Frankfurt in die ten schwarz-grünen Kabinett von ihre erste Bilanz. Was nicht nur Sonnenberger Straße in Wiesba- Ministerpräsident Volker Bouffier den inhaltlichen Herausforde- den wechseln wollte. funktioniert - zumindest von au- rungen geschuldet ist, mit dem Per Du ist die Radio-Redakteurin ßen betrachtet - so störungsfrei, das Team um den Minister quasi mit dem neuen Chef, als die bei- dass die Granden in den beiden vom ersten Tag an konfrontiert den wenige Tage nach dem Dien- Parteien darüber sinnieren, wie war. Etwa nach den Enthüllungen stantritt ihre erste gemeinsame weit sie sich in die Karten schau- des „Teams Wallraff“ über Miss- Pressekonferenz überstanden en lassen. Denn noch gibt es un- stände in der Psychiatrie des Klini- hatten, in der sie gleich die jüngs- terschiedliche Positionierungen kums Frankfurt-Höchst im März ten Studien zum systematischen und Priorisierungen; und diese oder der aufgeflammten Debatte Missbrauch in der Odenwald- kommen in den wöchentlichen um eine allgemeine Impfpflicht. schule zu präsentieren hatten. Koalitionsrunden durchaus zum Sondern auch, weil die Kommu- Eine Last, die Klose vom Amts- Ausdruck. nikationsstrategie von Kloses vorgänger übernommen hatte Das ist zumindest die Wahrneh- Vorgänger Stefan Grüttner so gar und die nach seiner Auffassung mung von Sozialminister Kai nicht den Vorstellungen der neu- keinen weiteren Aufschub mehr Klose. Der Politiker, der bis Mai en Mannschaft entsprach. duldete. Die Feuertaufe hat zu- parallel zum Ministeramt seine Über das Binnenklima in der Ko- sammengeschweißt. Partei mitgeführt hat, war unmit- alition und im Ministerium, aber In regelmäßigen Abständen lädt telbar nach seinem Rückzug von auch über diverse Politikfelder der Ortsverband Wiesbaden pro- der Spitze der hessischen Grü- stand Klose, der auch die Inte- minente Vertreter aus Politik und nen Gast des DJV-Ortsverbands grationspolitik des Landes ver- Gesellschaft zum Feierabend-Talk Wiesbaden im Presseclub. antwortet, erfrischend offen und in ungezwungener Runde ein. Er hatte seine Pressespreche- unverstellt Rede und Antwort. Zuletzt hatte sich Innenminister rin Alice Engel mitgebracht, die Selten unterbrochen oder ergänzt Peter Beuth Ende vorigen Jahres Anfang des Jahres von der Mar- von seiner Pressesprecherin, die den Fragen der Vorsitzenden Syl- kensteuerung bei hr-Info ins So- nach seinem überraschenden An- via Kuck gestellt. zialministerium gewechselt war. ruf Anfang des Jahres zwei Tage „Der neue Job ist wie Kinderkrie- Bedenkzeit hatte, ob sie vom (ala)

3/2019 31 Meinung Nachrichten Medien Internes Personalien „Gefährlichste Behörde Deutschlands” Welt-Korrespondent Deniz Yücel eröffnet Bad Hersfelder Festspiele mit pointierter Ansprache – Bouffier nimmt Verfassungsschutz in Schutz

Seine Körpersprache war lässig, mit Josef K., dem Protagonisten dent Volker Bouffier beherrscht, die Beine waren locker überei- von Kafkas surrealem Roman –, aber bestimmt widersprach. Vor nander geschlagen, aber die Bot- verwandelte sich phasenweise in fast 1300 Zuhörern würdigte er schaft war eisenhart: Mit einer eine bittere Abrechnung mit Be- die Verdienste des Landesamts, politischen Rede hat der Jour- hörden, unter deren Willkür bei- deren Mitarbeiter manche Straf- nalist Deniz Yücel die 69. Bad de zu leiden hatten. Yücel griff tat verhindert hätten. Yücels Ur- Hersfelder Festspiele eröffnet. dabei nicht nur die türkische teil sei daher grundfalsch und Bürokratie an, die Präsident Er- ungerecht, konterte Bouffier und Der aus dem südhessischen dogan willfährig zu Diensten bekam für diese Bewertung ver- Flörsheim stammende Welt-Kor- gewesen und erst in jüngster gleichbar viel Applaus wie Yücel. respondent war auf Einladung Vergangenheit vorsichtig zu- Gleichwohl konnte sich der Mi- des Staatssekretärs im Auswär- rückgerudert sei. Überraschend nisterpräsident ehrlich darüber tigen Amt, Michael Roth, nach hart ging er auch mit dem hes- freuen, dem Journalisten in Frei- Osthessen gekommen. Der in sischen Verfassungsschutz ins heit zu begegnen. Das gelte bei- der Region beheimatete Politi- Gericht, der die „gefährlichste spielsweise nicht für den frühe- ker war auf den Gedanken ge- Behörde Deutschlands“ darstel- ren Gouverneur der Provinz Bur- kommen, Yücel als Festredner le. Die Ermordung des Kasseler sa, über dessen Verbleib Bouffier zu gewinnen, weil die Saison Internet-Café-Besitzers Halit Yo- sich bisher vergeblich erkundigt in der Stiftsruine mit Franz Kaf- zgat durch Mitglieder des NSU hat. Eingaben und Anfragen blie- kas Stück „Der Prozess“ eröff- habe diese nicht verhindern ben in beharrlicher Weise unbe- net worden ist. Parallelen zur können, obwohl ein V-Mann des antwortet. Biografie des Journalisten, der hessischen Landesamtes sich wegen des Vorwurfs der Verbrei- unmittelbar am Tatort aufgehal- Yücel hatte der Romanfigur Josef tung von Terrorpropaganda fast ten habe. Auch mit diesem Vor- K., der er sich über einen „Bund ein Jahr lang inhaftiert war, sind fall habe die Behörde bewiesen, der Knackis“ verbunden fühlt, evident. dass sie „nicht reformfähig“ sei. sieben Ratschläge für den Um- Folglich gehöre sie aufgelöst. gang mit Willkür und Ungerech- Was als lockere Plauderei begann tigkeiten gegeben. Der erste, – Yücels Seelenverwandtschaft Ein Urteil, dem Ministerpräsi- „sei nicht naiv“, hatte ihn gleich zur harschen Abrechnung mit dem hessischen Verfassungs- schutz geführt. Beim letzten, „gib niemals auf“, fühlte er sich am weitesten entfernt von sei- nem Seelenbruder, der letztlich vor den Mühlen der Justiz kapi- tulierte und sich in sein absur- des Schicksal ergab.

Die zeitgemäße Inszenierung von Regisseur Joern Hinkel vor imposanter, halboffener Ku- lisse wurde mit anhaltendem Applaus quittiert. Zum Ensem- ble gehören neben dem aus- drucksstarken Hauptdarsteller Ronny Miersch auch Marianne Seelenverwandt: Deniz Yücel machte bei seiner Rede in Bad Hersfeld Parallelen mit Josef K. aus. Sägebrecht, Ingrid Steeger und Mit Kafkas „Prozess“ wurden danach die 69. Festspiele eröffnet. Foto: Karsten Socher Thors ten Nindel. Andreas Lang

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