Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg e. V. – KZ-Gedenkstätte – Mitteilungen Heft 43 / Juli 2005

DZOK-Experiment: Comic-workshop für Menschen Inhalt jeden Alters - wer macht mit? Wohin geht‘s mit dem DZOK? 2 Die Geschichte von Die Finanzen 4 Lina und Alfred Haag als Comic!? „Landesstiftung“ und „GFS“ 4 Aktion Sühnezeichen: als dzokki in der Welt 5 Vermisst „im Osten“ 7 Stifter-Motive 9 „Arbeitserziehungslager“ in Württemberg 11 Max heißt der Neue 13 Das Ulmer KZ: Weiterbildung für Lehrer 14 Ulmer Sport 1933 15 Der „Obere Riedhof“ im NS 18 Neue Bücher 19 „Befreiungsminister“ Gottlob Kamm – KZ-Kommandanten 1933 – Gertrud Müller – KZ Natzweiler – Gedenkstätte Vaihingen/Enz – Katalog Dachau – Zwangsarbeit im Norden – Suchdienste – NS-Kraftfahrkorps – Einstein für die Schule – Neuestes zur „Weißen Rose“ – Fritz Hartnagel – Nachkriegszeit in Ulm Neues in Kürze 24 Ulmer Befreiungsfest – Morde in Illerkirchberg – Gedenkstätten-Bibliotheken – DZOK-Besucher – Christoph Probst – Inge Aicher-Scholl – dzokki- Praktikanten – New Herrlingen – Albert Einstein – Holocaust-Mahnmal – Mengele/Günzburg – Topf & Söhne – polnische Freunde – Alfred-Hausser-Preis – Hans Lebrecht – Eleonore Diehl – Susan Losher Veröffentlichungen des DZOK 28 Veranstaltungen Herbst 2005 29

Auf der Grundlage von Lina Haags Buch „Eine Hand voll Staub“ bietet die Berliner Künst- Beitrittserklärung 31 lerin Elke Steiner am Wochenende 1. bis 3. Oktober einen workshop für Menschen jeden Liebe/-r Leser/-in: Alters an, die gerne einmal die Form des Comics zur Beschäftigung mit der NS-Geschichte ausprobieren wollen. Nur 12 Plätze – Anmeldung bis 23. September (vgl. S. 30) wir brauchen Sie! 32 Hier ist die Titelseite des neuesten Buches von Elke Steiner (Die anderen Mendelssohns, Impressum/ Besuchszeiten in Berlin, Reprodukt, 2004) mit Comics zu den Geschichten von zwei Mitgliedern der berühmten Gedenkstätte 32 deutsch-jüdischen Familie Mendelssohn zu sehen. (www.reproduktcomics.de)

Einladung zur Jahreshauptversammlung des Vereins Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg 1. Berichte und Diskussion: Wie steht‘s ums DZOK??? 2. Neuwahlen 3. Der Freiwilligendienst der Aktion Sühnezeichen stellt sich vor Freitag, 8. Juli 2005, 16 Uhr, Volkshochschule Ulm, EinsteinHaus am Kornhausplatz, Club Orange Mitglieder, Freunde, Interessierte sind willkommen!

DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 1 „Weiterrudern und Signal geben“ Ein Gespräch von Vorstand und Mitarbeitern über Gegenwart und Zukunft des Ulmer Dokumentationszentrums

Vor 60 Jahren endete das national- „Ich bin Kassiererin und für die Buch- „Das DZOK ist in die Rolle einer Art sozialistische Regime, Deutschland haltung zuständig, bin auch Mädchen moralischen Instanz zur Bewah- wurde von den Alliierten befreit und es für alles. Ich betreue mit viel Herzblut rung und Festigung der Demokratie begann der Versuch des Aufbaus einer polnische und auch einen holländi- hineingewachsen...“(FB) freiheitlichen und demokratischen schen Zwangsarbeiter.“ (IS) Gesellschaft. Zu diesem Versuch „Mich motiviert zur Mitarbeit die Sorge 3. Was wird, was soll sich gehörte auch immer – in wechselnden um demokratische Grundrechte. an der Arbeit in absehbarer Konjunkturen und unterschiedlichen Zukunft ändern? Akzentuierungen – das Erinnern, d. h. Ich arbeite mehr im Hintergrund und die Überzeugung, dass das, was will den Hauptamtlichen den Rücken „Wir leisten gute Arbeit, Ich sehe geschehen ist, bedeutungsvoll sei für frei halten.“ (WK) keine Erweiterungsmöglichkeiten, wir Gegenwart und Zukunft. müssen weiterhin aktuelle Fragen auf- Eine Art „Agentur des Erinnerns“ 2. Wie sehe ich Rolle und Auf- greifen.“ (ME) in unserer Region war und ist die gaben des DZOK heute? „Der Charakter des Gedenkens ändert Institution des Dokumentationszent- „Das sind wir: Gedenkstätte, Archiv, sich mit dem Verlöschen der Zeit- rums. Aber auch hier gab es neben Wissenschaftliche Arbeit, Verlag, päd- zeugen und der Tatsache, dass die Kontinuität einige Perspektivwechsel, agogische Arbeit, Kommunikations- NS-Zeit immer weiter zurückliegt und ausgelöst durch politisch-gesellschaft- schnittpunkt der Stadt beim Thema damit zumindest für junge Leute all- liche Bedingungen und natürlich auch NS-Zeit.“ (MK) mählich in den Nebel der allgemeinen durch das weitgehende Verlöschen Geschichte versinkt. Stand am Anfang „Die Rahmenbedingungen in der der Erlebensgeneration. noch die historische Erforschung der Ulmer Gesellschaft erscheinen heute In wenigen Tagen, am 8. Juli, steht NS-Zeit im Vordergrund, so wird in relativ gut für uns; wenn es uns aber eine Mitgliederversammlung und es Zukunft der bildungspolitische Auftrag heute nicht gelingt, in der Mitte der stehen Vorstandswahlen im Träger- mehr an Bedeutung gewinnen.“ (WK) Stadt, in den Köpfen der Ulmer Bür- verein ins Haus. Dies ist der Anlass, gergesellschaft anzukommen, dann „Lehrer kommen zunehmend in die dass in den vergangenen Wochen, schaffen wir es nie (…) Wir sitzen in Gedenkstätte wie zu einem beliebigen Vorständler/-innen und Mitarbeiter/- einem Kanu und rudern gegen einen Dienstleister, ohne Verständnis für die innen sich Gedanken gemacht haben Strom des Vergessens und der Gleich- gesellschaftlichen Schwierigkeiten der zu Gegenwart und Zukunft unserer gültigkeit.“ (HG) Arbeit.“ (ET) Arbeit. Auszüge aus diesem Gespräch, vorsichtig gegliedert, können Sie im „Von außen könnte man sagen, so „Wir müssen einerseits dem zuneh- Folgenden lesen… und mit uns weiter gut wie jetzt ging‘s in der öffentlichen menden Zeitabstand und der His- diskutieren! Akzeptanz noch nie. Aber: wie groß ist torisierung des NS-Geschehens bei An dem Gespräch nahmen teil: bei allem Schulterklopfen unsere Tie- Schülern und Lehrern, aber auch dem Annette Lein (AL), Ingrid Siegl (IS), fenwirkung? In Wahrheit aber sind wir Umstand Rechnung tragen, dass ein Erika Tanner (ET), Ilona Walosczyk(IW), in unserer größten Krise.“ (MK) großer Teil unserer gegenwärtigen Schüler-Generation Deutschland gar Fritz Bauer (FB), Manfred Eger (ME), „Sind wir nicht in einer Art Hono- nicht als Heimatland hat. Das heißt, Hansjörg Greimel, (HG) , Wolfgang ratioren-Wohlanständigkeit ange- Betroffenheit kann nicht vorausgesetzt Keck (WK), Martin König (MK), Sil- kommen?“ (HG) vester Lechner(SL) werden, sie muss erst hergestellt „Ja, was unseren Ursprung anbelangt werden.“ (HG) sind wir in einer doppelten Krise: einer- „Aber es ist doch so, dass viele aus 1. Wie sehe ich meine Rolle in seits leben die Menschen, die alles anderen Ländern kommende Schüler, der Arbeit? erlitten und erlebt haben, nicht mehr; ich denke etwa an den Kosovo, andererseits sind auch die politischen „Ich leiste ehrenamtliche Hilfestellung grundsätzlich ähnliche Erfahrungen Vorstellungen und Konzepte, etwa aus meiner Profession als Historiker.“ von Menschenrechtsverletzungen wie des Übergangs von der Weimarer (MK) unsere Kuhberg-Häftlinge gemacht zur NS-Zeit verloren gegangen, oder „Ich stehe zur besonderen Verwen- haben, und daran wäre anzuknüpfen.“ nur noch in sehr veränderter Weise dung bereit.“ (FB) (ET) wahrzunehmen. D. h. wir müssen bei „Zeitzeugenschaft ist meine Rolle; ich den Menschen von heute konkrete „Das gilt natürlich auch für unsere mache Führungen, unterstütze Sil- Anknüpfungs- und auch Leidens- deutschen Jugendlichen mit ihrem vester.“ (ME) punkte finden, allgemeine Menschen- schwierigen Spagat zwischen „60 Jahre nach Kriegsende ist für mich, rechtsfragen erscheinen mir als zu „Spaßgesellschaft“ und drohender Jahrgang 1943, dieser historische Ort abstrakt.“ (SL) Arbeitslosigkeit; und das heißt, mit dem zunehmenden Bezugs- und ein wichtiger Identifikationspunkt mit „Ich sehe in uns ein überparteiliches Vertrauensverlust gegenüber den der Vätergeneration, insbesondere regionales Forum mit dem Hauptge- demokratischen Grundlagen … Die mit denen, die bestimmte Gedanken, wicht auf der politischen Bildungsar- Generationenfrage stellt sich ande- die mir heute wichtig sind, leidvoll ver- beit mit Jugendlichen vor dem Hinter- rerseits nicht nur bei den Besuchern, treten haben.“ (HG) grund der NS-Zeit.“ (WK)

2 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 3 Vorstand und Mitarbeiter des DZOK am 1. Juni, mit Ausnahme von Hansjörg Greimel und Ilona Walosczyk, die die Aufnahme machte. Von links: Martin König, Fritz Bauer, Ingrid Siegl, Annette Lein, Erika Tanner, Wolfgang Keck, Silvester Lechner, Manfred Eger.

sondern vor allem bei denjenigen, „Das bedeutet, wir müssen deutlich „Als Leiter wünsche ich mir vom die die Arbeit inhaltlich leisten, also machen, dass unsere Kompetenz neuen Vorstand, dass er die Ideen z. B. bei den Guides: wer mit welcher heute schon nicht nur der historische und Möglichkeiten der Institution in Motivation wird das künftig machen? Tatort Oberer Kuhberg ist, sondern allen gesellschaftlichen Bereichen Wir haben heute schon einen krassen auch das breite, faszinierende regionale Ulms repräsentiert. Mit dem Ziel, die Mangel an Guides und suchen drin- Material in Archiv und Bibliothek.“ (SL) öffentliche Identifikation mit der Arbeit gend neue.“ (SL) „Wir sollten uns freilich in unseren zu erhöhen und vor allem, die materi- „Gegenwärtige, vor allem aber künf- Visionen nicht überfordern, mit den ellen Grundlagen zu verbessern. Denn tige Besucher aus dem Schulbereich, vorhandenen Kräften können wir, der unsere künftige Arbeit kann – bei aller werden eine erweiterte historische Verein, all das nicht leisten …“ (ET) Notwendigkeit von Ehrenamtlichen Kompetenz von uns erwarten, etwa zu – im wesentlichen nur professionelle, den Themenbereichen Ulmer Juden, 4. Welche Aufgaben kommen also bezahlte Arbeit sein.“ (SL) Zweiter Weltkrieg, Hitlerjugend, Weiße auf den nächsten Vorstand zu? „Es ist schwer, auf 40 Quadratme- Rose.“ (AL) tern und mit nur zwei Leseplätzen, „Der Kampf ums Geld wird sich ein Dokumentationszentrum für die „Als Historiker möchte ich darauf verschärfen, die jetzt schon unzurei- Öffentlichkeit zu unterhalten. Wir brau- beharren, dass es natürlich auch um chende öffentliche Finanzierung wird chen neue Räume, die unserer Rolle Menschenrechtsarbeit geht, aber kaum besser werden; deshalb ist als „Dienstleister“ für die Stadt und die doch immer auf der Grundlage der Verstetigung der finanziellen Grund- Region angemessen sind.“ (IW) konkreten Ulmer Erfahrungen mit dem lagen bei Wahrung der Autonomie Nationalsozialismus, das ist unser des Vereins mein besonderes Ziel. Es „Ja, aber als dieser Dienstleister in Thema und Zentrum.“ (MK) geht auch um die Zukunft der Räum- Sachen politische Bildung müssen „Es gibt in Ulm kein Museum, in dem lichkeiten, wir brauchen mehr Platz, wir zu leistungsgerechten Einnahmen man sich die Geschichte vergegen- möglichst im Zentrum der Stadt. Und kommen, eigentlich durch die öffent- wärtigen kann. Diese Rolle, gewisser- es geht auch um die Nachfolge von liche Hand …“ (FB) maßen als regionales Kompetenzzen- Silvester, der spätestens in fünf Jahren „Weiterrudern und Signal geben; dazu trum in Sachen NS-Zeit, müssen wir in den Ruhestand geht.“ (WK) müssen wir Junge finden; ich selbst wahrnehmen und weiter ausbauen.“ „Wir müssten eigentlich jetzt schon will mich dabei überflüssig machen (MK) versuchen, seine Arbeit auf mehrere und fröhlich bleiben …“ (HG) Schultern zu verteilen.“ (AL)

2 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 3 Die Finanzen des DZOK Worum sich viel dreht: Ein Alarmsignal und ein Appell an „Landesstiftung“ Mitglieder und Sympathisanten und „GFS“ Wolfgang Keck, Erster Vorsitzender

Die gute Nachricht: Der Verein Einsparungen und neue Ein- Die Landesstiftung Baden- hat keine Schulden; die schlechte nahmen 2005 Württemberg … Nachricht: Der Verein hat keine … unterstützt seit 1. Mai 2003 unser Rücklagen mehr! Da bei den laufenden Sachkosten „Projekt Gedenkstättenpädagogik“, Einsparungen nicht weiter möglich das in den ersten beiden von insge- Die in besseren Zeiten angesammelten sind und alle Projekte sowieso aus samt drei Förderjahren sehr erfolgreich Rücklagen waren am Jahresende Drittmitteln finanziert werden, blieb Gestalt angenommen hat. Für die För- 2004 aufgebraucht. Diese Entwick- momentan nur eine Möglichkeit: Ein- derung sind wir sehr dankbar. lung hat sich seit 2001 angekündigt vernehmlich wurden das Gehalt und Die Fördersumme deckt etwa 80 % der und 2004 beschleunigt. Dafür gibt es die wöchentliche Arbeitszeit für die Personalausgaben für die Stelle der hauptsächlich drei Gründe: Pädagogik-Stelle um 15 % gekürzt. Gedenkstättenpädagogin, deren Auf- • Die Stadt Ulm hat 2004 im Überdies wurden zusätzliche Spenden gabe die Vermittlung der historischen Rahmen allgemeiner Sparmaß- gezielt eingeworben. Der Haushalt Inhalte an die Besucher, darunter ca. nahmen den Zuschuss für den 2005 dürfte damit bei weiterhin 5.000 Schüler jährlich, ist. Verein um 10 % gesenkt. Das ist strenger Ausgabendisziplin ausgegli- Wie uns auf unseren Antrag von ein Verlust von ca. 7.000 €, der chen sein. Januar 2005 hin mitgeteilt wurde, uns voraussichtlich auch in den kann die Maßnahme noch ein Jahr, folgenden Jahren belasten wird. Wichtigste Konsequenz: liebe d. h. bis Mai 2007 verlängert werden. • Die Landesstiftung Baden- Freunde und Mitglieder, unter- Da die Landesstiftung keine Dauer- Württemberg finanziert das stützen Sie unsere Projekte! finanzierung leisten darf, ist dann Pädagogik-Projekt (eine Stelle) diese Form der Finanzierung definitiv dankenswerter Weise, aber nur So unersetzlich ehrenamtliche Arbeit beendet. Allerdings müssen wir uns zu etwa 80 % der tatsächlichen ist, Umfang und Qualität der Arbeit jetzt schon Gedanken über eine Kosten (vgl. S. 23). des DZOK sind ohne professionelle Anschlussfinanzierung machen. Das • Die Spendeneinnahmen gingen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht ersatzlose Streichen der Stelle würde zurück. zu halten. Zu ihrer Finanzierung haben das weitestgehende Einstellen der wir die öffentliche Hand (so leer sie Gedenkstättenarbeit zur Folge haben im Moment erscheint) und private (vgl. S. 2 – 4). Ein Blick in den Haushalt 2004 Stiftungen fest im Auge (zu unserer eigenen Stiftung vgl. S. 9f); gern lassen Die wichtigsten Einnahmen: wir uns von Ihnen auch auf mögliche 120.000 €: Zuschüsse Landesstif- Geldquellen aufmerksam machen! tung, Stadt Ulm, Land- Aber bitte prüfen Sie auch, ob Sie nicht kreise und Stadt Neu mit gelegentlichen Beiträgen kurzfris- Ulm tige Projekte (vgl. diese Mitteilungen 14.000 €: Mitgliedsbeiträge S. 27) oder mit einem regelmäßigen Das Zauberwort GFS im Bildungs- 21.000 €: Spenden Beitrag die größeren Projekte finanziell plan 2004 des Landes … 15.000 €: Zuschüsse für Projekte unterstützen können. … bedeutet die Auslagerung von 9.500 €: Eintrittsgelder, Zwei Beispiele: Lernprozessen in die soziale Wirk- Führungen, Verkauf Projekt 1: die gegenwärtig um lichkeit. „GFS“ ist die Abkürzung für: 2.500 €: Sonstiges 15 % reduzierte Projektstelle für die „Gleichwertige Feststellung von Lern- 32.000 €: Zuschüsse pädagogische Arbeit an unserer leistungen“. Investitionen KZ-Gedenkstätte wollen wir wieder Die GFS brachte der Ulmer Gedenk- 214.000 € (Summe Einnahmen) auffüllen (Kennwort: Gedenkstät- stätte neue Interessenten, 2004 allein tenpädagogik); zwanzig Schülerinnen und Schüler. Die wichtigsten Ausgaben: Projekt 2: vor allem, um die profes- Allerdings: damit war für die Gedenk- 151.500 €: Personal sionelle Arbeit der Zukunft zu sichern, stätte ein zusätzlicher Betreuungsauf- 39.500 €: Betrieb haben wir ab September 2005 die wand von zehn bis 20 Stunden pro 16.000 €: Projektkosten Jahresstelle eines anerkannten Kriegs- Einzelfall verbunden. Überdies hatten 3.000 €: Sonstiges dienstverweigerers als „Freiwilliger“ weder Kumi noch Lehrer oder Schüler 36.000 €: Investitionen (Gleisel- der Aktion Sühnezeichen eingerichtet; eine konkrete Vorstellung, welche stetten und neue das Kennwort lautet: „Freiwilliger inhaltlichen und formalen Erforder- Rechner) Max“. Das kostet ca. 4.200 € pro Jahr nisse damit verbunden wären. 246.000 € (Summe Ausgaben) zusätzlich. Das Projekt ist auf S. 13 Zur besseren Orientierung aller Betei- genau beschrieben. ligten haben wir nun einige „GFS- Der Verlust von 32.000 € musste aus standards“ zu Papier gebracht, die den Rücklagen finanziert werden, die Deshalb noch einmal: liebe jeder/jedem Anfragenden zugeschickt damit aufgebraucht sind. Freunde und Mitglieder, unter- werden und die auch auf unserer web- stützen Sie uns! site abrufbar sind. (sl)

4 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 5 Zwei dzokkis machen neue Erfahrungen Lena Dorn und Sonja Thiel absolvieren ein „Freiwilliges soziales Jahr“ der Aktion Sühnezeichen/ Friedensdienste

Fast drei Jahre lang waren Lena Dorn verstreut in den verschiedenen Teilen wir reden oder was sie am Morgen und Sonja Thiel in der Jugendgruppe der Stadt wohnen. Es ist unterschied- gemacht hat. Das hat mich anfangs des Dokumentationszentrums Oberer lich, was ich bei ihnen mache. Manche verwirrt. Inzwischen kann ich damit Kuhberg aktiv; so gestalteten sie brauchen einfach nur Gesellschaft, gut umgehen, sie ist wirklich eine das Internationale Jugendcamp im weil sie meistens alleine sind, bei man- liebenswerte Frau und ich rede gerne Sommer 2003 mit und betreuten in chen putze ich, mit einigen gehe ich mit ihr. Sie spricht neben tschechisch ihrem letzten Jahr auch Besucher- spazieren (…) und slowakisch auch deutsch und gruppen der Gedenkstätte. Diese Zwei Tage pro Woche helfe ich in ungarisch und scheint davon kein Erfahrungen motivierten sie, nach der Caritas. Das „Chranené bydlení bisschen zu vergessen. Jedes Mal dem Abitur im September 2004 ein svatého Michaela“ ist eine betreute versuche ich sie zu überreden, mit „Freiwilliges Soziales Jahr“ der Aktion Wohngemeinschaft für Menschen mit mir spazieren zu gehen, oft ist sie zu Sühnezeichen/Friedensdienste zu körperlicher und geistiger Behinde- faul („Das Bett will mich nicht lassen!“), beginnen. Lena kam nach Brno in rung sowie für AutistInnen (…) aber wenn wir dann mal draussen sind Tschechien, Sonja ins Anne-Frank- ist sie immer sehr froh über die frische Haus in Amsterdam. Wir geben im Ursprünglich bin ich aus geschicht- Luft, wir drehen unsere Runden um die Folgenden Auszüge aus Ihren Zwi- lichem Interesse heraus zu ASF Plattenbauten und sie sagt zufrieden: schenberichten wider – Beispiele für gekommen und daher ist für mich „Brno ist eine schöne Stadt!“ (…) engagierte Erinnerungsarbeit einer der geschichtliche Hintergrund sehr neuen Generation. Die vollständigen wichtig und der Sinn, den ich dabei Herr R. ist gesprächsoffen Berichte können bei den Autorinnen versuche, zu erfüllen. In der jüdischen Gleich bei meinem ersten Besuch (über das DZOK) angefordert werden. Gemeinde wird dieser Sinn sicher im erzählt Herr R. von Familienmitglie- (sl) Einzelnen noch deutlicher. Ich habe dern, die er verloren hat. Situationen, dort einfach direkt mit den Menschen deren Bedeutung und Schrecklich- „Warum eigentlich Tschechien, zu tun, die die Zeit des Nationalsozi- keit ich nicht einmal in meinen Kopf warum Brno?“ alismus miterlebt haben. Und meine bekommen kann. Ich habe dann Ausschnitte aus dem Bericht von Tätigkeit soll direkt ihnen zu gute etwas weiter gefragt, inzwischen Lena Dorn kommen, die unter den Deutschen hab ich auch von seiner Flucht nach gelitten haben. Zwei Frauen haben mir Palästina erfahren und etwas von (…) Wenn ich von Leuten hier als gegenüber schon ganz deutlich for- seiner politischen Tätigkeit vor und Deutsche entlarvt werde, verursacht muliert, dass sie es schätzen, dass es seiner Situation nach dem Krieg. Es ist das meistens in erster Linie Interesse „meine Organisation“ gibt und junge ihm sehr wichtig, dass besonders die dafür, warum ich hier bin und was ich Leute kommen, um in der jüdischen jungen Leute in Deutschland erzählt mache. Oder Unverständnis: Warum Gemeinde zu helfen (…) bekommen, was passiert ist, und nicht Tschechien? Warum nicht England, dem Irrglauben verfallen, es Frankreich, Japan, Karriere? Warum sei alles nicht so schlimm keine Weltsprache? gewesen. „Ich habe das Warum eigentlich Tschechien und Gefühl, die Deutschen warum Brno? Vielleich ein bisschen leiden an der Krankheit des aufgrund von unreflektierten Vorstel- Vergessens“. Ich gebe ihm lungen, einer unbestimmten Ahnung, Recht, und will mir Mühe mich gerne mit diesem Land beschäf- geben, etwas dagegen zu tigen zu wollen, das so nah und tun (…) dessen Geschichte mit der deutschen so verwoben ist. Vor allem aber der Projekte wegen, in denen ich Lust hatte, mitzumachen und einen kleinen feinen Sinn zu erfüllen (…) Lena Dorn mit der von ihr betreuten Frau N., Winter 2004/05 Was mache ich und wie sieht (A-DZOK, 2005) meine Arbeit aus? Frau N. aus der Slowakei Ich möchte mit gutem Willen zu den Drei Tage pro Woche arbeite ich für Frau N.s Geschichte (vgl. das Foto) Menschen gehen, Zeit mitbringen, die jüdische Gemeinde („Zidovska ist unglaublich, weil sie dadurch über- reden, praktische Hilfe anbieten obec Brno“), die hier in Brno ca. leben konnte, dass sie sich mit einer und hoffe, ihnen gut zu tun. Und 280 Mitglieder umfasst (das allein Gruppe von Leuten in der Slowakei ich bekomme auch immer mehr schon eine schreckliche Zahl – denn in einem Wald versteckt hielt, wie mir das Gefühl, gern gesehen zu sein, tausende sind es einmal gewesen). erzählt wurde. Sie hat allerdings inzwi- gebraucht zu werden, ich komme Allgemein gesagt: Ich besuche alte schen Alzheimer und kann sich selbst den Menschen näher, mit denen ich Menschen, die grösstenteils noch zu leider nicht an vieles erinnern (…) meine Zeit verbringe und somit auch Hause in ihren Wohnungen und sehr Sie vergisst auch schnell, über was mir selbst (…)

4 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 5 „Geschichte vermitteln auf eine Art, die Spaß macht und Interesse weckt“ Ausschnitte aus dem Bericht von Sonja Thiel

Die „Anne-Frank-Stichting“ … … beschäftigt ca. 130 Mitarbeiter und besteht aus verschiedenen Abteilungen und Unterabteilungen. Die wichtigsten sind die Abteilungen Bildung, Dokumentation, die Interna- tionale Abteilung, die Verwaltung und das Museum. Jede Abteilung ist in sich wieder strukturiert, was auf den ersten Blick sehr verwirrend wirkt. Das Anne-Frank-Haus ist, wie ich finde, ein unglaublich professioneller Betrieb, was mich am Anfang sehr beeindruckt Sonja Thiel an ihrem Arbeitsplatz im Anne-Frank-Haus. Am 17. September wird sie ihre Erfahrungen von hat, weil ich ja noch nie auf diese dort an Ulmer Jugendliche weitergeben (siehe S. 30). (A-DZOK 2005) Art gearbeitet habe. Was auch noch auffällt ist, dass es sehr luxuriös ist, dass ich so schnell anfangen konnte, zu bewegen. Sehr schlimm für sie die Räume, die Einrichtung, die Aus- was sicherlich auch meiner Erfahrung war, dass ihr Jugendfreund Ernst stattung … Aber ich habe das Gefühl, in der Gedenkstätte am Oberen Kuh- 1941 in Mauthausen „auf der Flucht dass das auch dazu beiträgt, dass die berg zu verdanken ist. Die Programme erschossen wurde“. Leute hier professionell arbeiten. hier unterscheiden sich sehr von Meine Aufgabe ist es, ihr zur Hand zu (...) denen, in denen ich bisher gearbeitet gehen, bei Archivierung zu helfen, ihr Mein erstes Interesse gilt der habe. Dabei habe ich lediglich erzählt, Computerdinge zu erklären oder was Geschichte und auch der Geschichts- was in Ulm passiert ist, habe Fakten sie eben gerade nötig hat. Bis jetzt war vermittlung und diesbezüglich lerne vermittelt und keine Ahnung von ich nicht so oft bei ihr, aber das wird ich hier in der Anne Frank Stichting Didaktik gehabt. sich in der nächsten Zeit einpendeln. gerade sehr viel. Mein Ziel für dieses Hier ist die Zielsetzung eine andere. Langweilig wird es mit ihr sicherlich Projekt war es ursprünglich einerseits Die Schüler sollen aus dem Anne- auch nie, sie weiß immer etwas zu einen Museumsbetrieb kennen zu Frank-Haus hinausgehen mit dem erzählen (…) lernen und andererseits dazu beizu- Gefühl, etwas begriffen zu haben und tragen, dass die Schüler etwas von etwas zum Nachdenken mitnehmen Der Mord an Theo van Gogh … den Mechanismen der Geschichte zu können. Da die Schüler natürlich … ist ja nun allgemein bekannt und begreifen. Da ich selber Schüler war, unterschiedlich sind, haben wir auch die Folgen waren sehr erschreckend. weiss ich, wie langweilig das oft sein verschiedene Programmarten, die In nur einem Monat ist die Zahl der kann. Aus diesem Grund wollte ich wir nach persönlichem Ermessen Gewalttaten steil angestiegen. Vor Methoden lernen, wie Geschichte auf einsetzen. Je nach Alter und Vor- allem Anschläge mit rechtsextremem eine Art vermittelt werden kann, die wissen werden andere Dinge erzählt Hintergrund haben enorm zuge- Spaß macht und die Interesse weckt und andere Aufgaben gegeben. nommen. (…) Sehr wichtig dabei ist auch, dass die Spannend finde ich auch den Umgang Schüler selbst aktiv mitarbeiten. Ich der Niederländer mit Theo van Gogh. Ich arbeite in der Abteilung wusste am Anfang nicht so recht, wie Gerade weil er eine so kontroverse Educatie … Schüler zu motivieren sind, selbst das Persönlichkeit war, fiel es vielen … und meine Hauptaufgabe ist es, zu erzählen, was sie bereits wissen. ich schwer, sich eine feste Meinung über deutsche Gruppen zu empfangen und habe aber recht schnell rausgefunden, ihn zu bilden und wenn ich fragte, was mit ihnen ein zweistündiges Programm wie Didaktik sich einsetzen lässt und er denn für ein Mensch gewesen sei, zu machen, das die Schüler auf den inzwischen habe ich das gute Gefühl bekam ich selten eine zufriedenstel- Besuch im Anne-Frank-Haus vorbe- an die Schüler ran zu kommen (…) lende Antwort. Ich denke inzwischen, reitet. Pro Jahr bekommen ca. 800 dass jemand wie Theo van Gogh nur Gruppen ein so genanntes edukatives Mirjam Ohringer in einem Land wie den Niederlanden Programm, davon ca. 200 deutsche. Ich wurde gefragt, ob ich mich einmal bestehen konnte. In jedem anderen Ich bin als einzige muttersprachliche im Monat an meinem freien Tag um Land wäre er von der Öffentlichkeit Deutsche natürlich vor allem für deut- Mirjam Ohringer kümmern möchte. sehr viel schärfer verurteilt worden, sche Schulen zuständig (…) Mirjam Ohringer ist eine alte Dame hier allerdings gilt das Recht auf freie Die Arbeit mit den Gruppen macht polnisch-jüdischer Herkunft, allerdings Meinungsäußerung so viel, dass er mir sehr viel Spaß. Ich habe mich ca. nicht religiös erzogen, die ihr Leben sich sehr viel erlauben konnte, was einen Monat eingelesen und informiert, in den Niederlanden verbracht hat. dann allerdings selbstverständlich eine bin bei Programmen mitgelaufen, Nach Einmarsch der Nazis hat sie extreme Gegenposition zur Folge hat. um den Ablauf kennen zu lernen und Widerstandsorganisationen geholfen Diese Wechselwirkung würde habe dann relativ schnell angefangen, Flugblätter zu verteilen. Durch einen ich allerdings auf die Niederlande selber Programme zu geben. Diese falschen Pass hatte sie die Möglich- beschränken, sprich, sie ist nicht auf Arbeit ist sehr gut und ich bin froh, keit sich überallhin frei und unauffällig Deutschland übertragbar (…)

6 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 7 Vermisst „im Osten“ oder: „Er hat versprochen, dass er wieder kommt ...“

Dagmar Königsdorfer

Therese D. starb am Palmsonntag 2005, 89-jährig, irgendwo im Schwä- bischen, unweit Ulm. Der Zweite Welt- krieg ging für sie wohl erst an diesem Morgen zu Ende, als sie ungebeugt und im Sitzen ihren letzten Atemzug tat. Sie gehörte zu den Frauen, die bis heute nichts über das Schicksal ihrer im Russlandfeldzug vermissten Männer wissen. Therese D. hatte nie einen Ort zum Trauern. Sie hat den Mann, den sie liebte, nie für tot erklären lassen.

Sie sprach ihr Leben lang wenig über ihren Mann Josef. Was ihr aus der kurzen Ehe blieb, waren einige wenige gemeinsame Fotos - und die zwei Kleinkinder, geboren kurz hinterein- ander unmittelbar vor dem Krieg, die Sehr viele deutsche Soldaten hatten einen Foto-Apparat im Krieg dabei, so auch Josef D. Die Bilder auf sie alleine groß ziehen musste. Und dieser und der folgenden Seite („Toter deutscher Soldat“, „Polnische Kriegsgefangene“, „Feldmesse“ und „Soldat und Mädchen am Brunnen“) stammen aus einem Film mit 71 Aufnahmen, den er seiner Frau mit immer trug sie ein winziges Fünkchen der Bitte schickte, ihn entwickeln zu lassen. Er werde ihr beim nächsten Urlaub alles erklären. Dazu aller- Hoffnung, eines Tages könnte Josef dings kam es nicht mehr ... (Fotos: privat) vor der Tür stehen. Alles bewahrte sie auf, was sie an ihn erinnerte, den Hochzeitsanzug und die feinen Spit- zenvorhänge, die er aus dem Frank- bekommen. Nach anderen Frontur- Auf das Ausbleiben der Briefe rea- reichfeldzug, aus Paris, geschickt laubern in Wohnort der jungen Familie gierte Therese, indem sie sich in bit- hatte, für das eigene Häuschen später fragt er und schreibt: „Werd schon tenden Briefen an Menschen wandte, einmal. auch bald kommen dürfen, doch von denen sie wusste, dass ihr Mann muß man mit Angst schon wieder mit ihnen zusammen gewesen war. In letzter Zeit war sie ein wenig alters- ans Gehen denken, bevor man heim Ausweichend sind die Antwort- verwirrt. Dadurch sprach sie plötzlich kommt. Doch wird‘s auch einmal schreiben. „Eine Auskunft kann er mehr über den Mann, auf den sie 62 Schluß werden auch.“ Die Kleinen, die ihnen nicht geben, er weiß nur, daß er Jahre lang wartete, und Ängste wurden in seinem Bett schlafen, dürften das Ihren Mann seit dem 27. Januar nicht spürbar, die sie hinter der Fassade der gern, schreibt er, aber wenn er kommt, mehr sah und auch seitdem nichts Starken all die Jahre verborgen hatte. werde er sie „schon abtransportieren“. mehr von ihm hörte,“ schrieb ihr die „Er hat immer versprochen, dass er Und helfen werde er seiner Frau, mit Frau eines anderen Soldaten stellver- wieder kommt, und dann hat er mich der Landwirtschaft, mit den Pro- tretend für diesen im April. doch alleine gelassen“, sagte sie. Sie blemen, von denen sie ihm in ihren fast Der Brief des Freundes ihres Mannes strickte Strümpfe, jeden Tag. Sorgfältig täglichen Briefen berichtet. „Tut‘s halt aus einem Lazarett spricht davon, und schön strickte sie, und die Wolle, so zu, dann wird man schon sehen“, dass Josef um den 20. Februar leicht mit der sie arbeitete, musste dick und fügt er als Postskriptum an, wissend, verwundet wurde - und verweist auf fest sein. „Für meinen Mann“, sagte dass sie die Arbeit auf dem Hof und den Kompaniechef. Ein seltsamer sie auf die Frage, für wen sie so viel mit beiden Kleinkindern alleine nicht Unterton ist in diesen Antworten, und sticke. Sie strickte, wie sie damals für bewältigen kann. Es blieben die letzten warum kamen aus den Januarwochen ihn strickte, als sie ihn im russischen Zeilen, die sie von ihm erhielt. keine Briefe von Josef mehr? Winter wusste. Therese drängte nach, bis ihr dieser Fast täglich hatte der Mann Freund Georg - unter großer Angst 27 Jahre war sie alt, als sie seinen geschrieben, in seinem Brief vom Hei- und Lebensgefahr, wie er ihr mitteilt letzten Brief bekam, datiert vom 27. ligen Abend hatte sie sein Heimweh - endlich die letzten Stunden mit Dezember 1942. „Im Osten“ steht als erreicht, seine Sehnsucht nach den Josef zusammen und die Situation Ortsangabe auf dem heute vergilbten beiden Kindern und sein „und können an der Front beschrieb, anders als es Papier, die Schrift ist schwer zu lesen. Gott danken, dass wir noch lebend die Durchhaltepropaganda zuhause Von der großen Kälte schreibt der feiern dürfen.“ Dass er immer noch an getan hatte. „Er wird sich vielleicht in Mann, und dass er zuversichtlich gleicher Stelle sei, schreibt er. „Sonst russischer Gefangenschaft befinden. ist, etwa in einem Monat Urlaub zu geht der alte Krieg weiter.“ Was ich durch einen Blick schnell

6 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 7 noch feststellen konnte, wurde Sepp am Fuß verwundet und dadurch wird er nicht mehr laufen gekonnt haben.“ Er bittet sie, seine Offenheit nicht zu verraten, spricht ihr sein tieferschüttertes Beileid aus – und schließt doch mit dem unklaren „Denn jeder von uns sagt, daß diese nicht erschossen worden sind. Da es Zivile waren.“ Später hörte Therese, dieser Freund Georg sei gefallen.

Nach Kriegsende hoffte sie mit jedem Zug von heimkehrenden Kriegsgefan- genen, bis hin zum letzten 1954 - und darüber hinaus. Sie setzte sich mit dem Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Verbindung. Dort geht man davon aus, dass Josef D. wie der größte Teil seiner Regimentskameraden bei Kämpfen am 27./28. Januar 1943 ums Leben kam. Es gebe aber niemanden, der davon berichtet habe.

Therese richtete sich zwei Leben ein, ein äußeres, das sie stark in das soziale Gefüge ihres Ortes einband. Dort war sie wegen ihrer Hilfsbereitschaft und Freund- lichkeit beliebt. Pflegekinder erzog sie mit den beiden eigenen, hing besonders an einem farbigen kleinen Mädchen, das nicht lange bei ihr bleiben durfte. Das andere Leben blieb in ihr verschlossen. In einem Kästchen, das sich beim Aus- räumen ihrer Wohnung fand, liegt ein dicker Packen Fotos, die ihr Josef als Negative in einem der letzten Briefe mit- geschickt hatte. Die solle sie entwickeln lassen; wenn der Krieg aus sei, werde er ihr erklären, was das alles sei auf den Bildern. Eine russische Bauernhochzeit ist darauf zu sehen, fremde Orte, später Schnee, Schlamm, ein Toter. Das Bett neben ihrem bezog sie ein Leben lang mit. Wäre er eines Tages vor der Tür gestanden, er hätte nicht denken sollen, dass sie nicht auf ihn gewartet hätte. Andere Männer, die der jungen Mutter den Hof machten, wies sie ab. „Ich hätte es nicht ertragen“, sagte sie einmal, „wenn einer meine Kinder bestraft hätte, der nicht ihr Vater war.“

Jahrzehnte verwischten die Erinne- rungen und ließen das Warten gefrieren zum Dauerzustand Ungewissheit. Seit dem vergangenen Herbst hofft der Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes, dass die Zusage des Staatli- chen Militärarchivs in Moskau, rund zwei Millionen Personalakten von deutschen Kriegsgefangenen und internierten Zivilisten zur Verfügung zu stellen, die Chance auf ein Ende der Ungewissheit für die Angehörigen bedeutet. Nicht mehr für Therese D., deren Warten am Palmsonntag endete.

8 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 9 „Von meiner Dankbarkeit will ich etwas zurückgeben ...“ Warum Menschen für die „Stiftung Erinnerung Ulm“ stiften

Die Ulmer „Stiftung Erinnerung“ wurde Bombenangriff 1944 auf Berlin: Groß- Das Geld wurde mir überraschend 2003 mit dem vorrangigen Zweck mutter und 16-jährige Tochter stehen zugedacht als Anerkennung für mein gegründet, die Arbeit des Dokumen- vor Ihrem Haus - was sie da sehen, ist Lebenswerk und das meiner Kol- tationszentrums mittelfristig sicherer nur mehr die Fassade, dahinter nichts legen. zu machen. Am 14. Februar wurde mehr. (...) Rückkehr nach Süddeutsch- Mein Leben und die in ihm getane im Ulmer Stadthaus der zweite Jah- land, Neubeginn von Null, besonders Arbeit ist nicht denkbar ohne die restag der Gründung begangen und für die 16-jährige Tochter, die in Berlin Periode des Nationalsozialismus. es konnte für das zurück liegende Jahr geboren und aufgewachsen war. Auch wenn ich selbst von ihr nur in ein Zuwachs des Stiftungsvermögens Es geht ums Überleben. Erinnerungen meiner frühen Kindheit berührt war, um 25.000 € auf 135.000€ von der werden abgeschottet, ausgeblendet: standen doch meine Eltern und meine Vorsitzenden des Vorstands, Dr. Ilse die Verluste, die geplatzten Träume, Heimatstadt mitten in den Gescheh- Winter, festgestellt werden. (Für Stif- vielleicht auch manche persönlichen nissen. tungs-Laien: von diesem Geld stehen Verstrickungen. (...) Lieber nicht Aber was schwerer wiegt: von sehr jährlich nur die Zinsen, also ca drei zurückschauen, nicht mehr spüren, vielen Menschen, denen ich hier in Prozent der Summe zur Verfügung.) was verloren wurde ... Deutschland ebenso wie in vielen Drei Stifter/innen des zurückliegenden Keine heldenhafter Widerstand, keine Teilen der Welt begegnet bin, spürte Jahres haben begründet, warum offensive politische Aufarbeitung und erfuhr ich, wie sehr die Zer- sie gestiftet haben; zwei wollten dessen, was passiert ist. Es bleiben störungen, die vom Nationalsozia- anonym bleiben, eine Person hat unausgesprochene, zwiespältige lismus ausgingen, ihr Leben und ihr sich auf unsere Bitte hin zu ihrer Lebenserfahrungen und Lebensge- gegenwärtiges Lebensgefühl geprägt Stiftung bekannt. Die Motive sind fühle. haben. Mit den Zerstörungen meine unterschiedlich, aber durchgehend Im Bedenken dieser Schicksale ent- ich neben den materiellen der äußeren bemerkens- und nachahmens(!)- wickelt der Enkel und Sohn seine Welt besonders die geistigen und wert. Deshalb wollen wir hier aus den Werthaltung: seelischen. Begründungen, die an diesem Abend - eine tief verwurzelte Friedens- Diese Erfahrungen wirken fort und ver- zur Sprache kamen, zitieren. sehnsucht; bleiben nolens volens im Gedächtnis - die Einsicht, Besitz sei relativ der Menschheit. Nur wer sich erinnert, Übrigens: In der Gedenkstätte am und es gebe nichts, was einen vermeidet die Wiederholung. Oberen Kuhberg hängt seit einigen Menschen wertvoller als einen Ich bin dankbar, dass ich nicht in dieser Monaten eine Tafel mit den namentlich anderen machen könne; schrecklichen Zeit leben musste, dass bekannten Stifter/-innen. (sl) - die tiefe Überzeugung: das ich Lebens- und Arbeitsbedingungen darf niemals mehr geschehen, eines demokratischen Rechtsstaates dies soll keine Generation mehr vorgefunden habe. Und ich bin Erstes Beispiel: erleben müssen. dankbar, dass es hier in meiner Ulmer Ein Kind der Kriegsgeneration Das Gedenken an die Bombar- Lebenswelt eine Institution gibt, die erbt dierung Ulms am 17. Dezember mir und uns im Spiegel der Vergan- (Aus einem Gespräch des Stifters mit 1944 gab den letzten Anstoß, die genheit zeigt, wie sensibel und verletz- der Vorsitzenden Dr. Winter) Erinnerungsarbeit der Stiftung lich dieser gesellschaftliche Zustand für eine friedvolle und menschen- ist, und wie er täglich neu gesichert Nach dem Tod seiner Mutter hat der würdige Zukunft zu unterstützen werden muss. Stifter deren persönliche Lebensge- – mit einem Beitrag aus dem Erbe schichte und die seiner Großmutter seiner Eltern. Von meiner Dankbarkeit will ich vor Augen. ein wenig zurückgeben an eine Die Großmutter brach als 21-jährige Zweites Beispiel: bedeutende Institution heimatli- mit ihrer Heirat von Ulm in die große „Das Ihnen überwiesene Geld cher Denk- und Gedenkkultur, das Welt nach Berlin und in ihr eigenes wurde mir überraschend zuge- Ulmer Dokumentationszentrum. Leben auf. Sie findet Eingang in ein dacht als Anerkennung für Und ich würde mich freuen, wenn viele diesem Beispiel folgen Leben in bürgerlichem Wohlstand, in mein Lebenswerk“ würden. anerkannter gesellschaftliche Stellung (Aus einem Brief des Stifters an den … Dann – Nationalsozialismus und Stiftungsvorstand) Krieg. Ihr Mann kommt 1943 als Mari- (Am 15.Juni hat die Ulmer Süd- westPresse das Geheimnis gelüftet: neoffizier ums Leben ... Ich habe in diesen Tagen einen Betrag der Stifter war Prof. Horst Kächele, Leben und Überleben im NS-System. von 8.000 € für Ihre „Stiftung Erin- der zusammen mit seinem Kollegen Irgendwie ist man nicht wirklich dabei, nerung Ulm“ überwiesen. Möchte Prof. Helmut Thomä im Dezember aber doch ein Teil des Ganzen ... Zwei ich auch als Stifter bzw. Stifterin 2004 den Mary S Sigourney-Preis in Jüdinnen werden in ihrem Versteck anonym bleiben, so ist es mir doch New York für sein wissenschaftliches von der Familie mit Lebensmitteln ein Bedürfnis Ihnen und der Öffent- Lebenswerk als Psychoanalytiker versorgt, auf eigene Gefahr. Sie ver- lichkeit über meine Motive Auskunft erhalten hatte.) hungern dann doch ... zu geben.

8 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 9 Drittes Beispiel: „… wurde mir bewusst, dass man mit Stiften Einfluss hat darauf, wie die Geschichte weiter geht ...“ (Aus einem Bericht über die Stifterin Ursula Hartkopf in der Neu-Ulmer Zeitung vom 4. 2. 2005, von Dagmar Königsdorfer)

Bei einem Kaffeegespräch mit Freun- dinnen kam es zur Diskussion um das Ulmer Dokumentationszentrum und die Frage nach seiner Finanzierung in Zeiten knapper städtischer Mittel. „Da wurde mir bewusst, dass man mit Stiften Einfluss hat - darauf, wie Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger aus die Geschichte weiter geht, ob junge ihrem Buch „Ich bin in Sehnsucht eingehüllt“, im Menschen Gelegenheit haben, z. B. zweiten Teil des Programms zum 2. Stiftungstag; bei den work camps des Doku-Zen- von links: Markus Munzer-Dorn (Gitarre), Sibylle trums zu lernen.“ Schleicher (Rezitation), Konstanze Ihle (Marimba, Percussion). Sie stammt aus einem angepassten, Podiumsgespräch am 2. Stiftungstag, 14. Feb- (A-DZOK, Stiftung 2/05) unpolitischen Elternhaus; der Vater, ruar 2005, im Ulmer Stadthaus über die Motive des Stiftens; Titel „Die einzige Art von Unsterb- Kaufmann im Rheinland, war bestrebt, lichkeit liegt in den Kindern (Sigmund Freud) … nicht aufzufallen und seine Familie gut oder im Stiften“. Von links : Prof. Horst Kächele, durch die Zeit auch des Nationalsozia- Dr. Hermann Eiselen, Ursula Hartkopf, Ulrich Wil- lismus zu bringen. dermuth, die Moderatorin Amelie Fried. (A-DZOK, Stiftung 2/05) „So hat man mich auch nicht aufzu- halten versucht, als ich unbedingt zu den Jungmädeln wollte. Ich habe in meiner Begeisterung mehr getan als notwendig, Heilkräuter gesammelt, mit der Sammelbüchse fürs ‚Winter- hilfswerk` losgezogen.“ So kam sie auch in das Geschäft eines Metzgers, der ihr sagte: „Du bist ein liebes, braves Mädchen, und ich tät dir gerne was geben, aber ich gebe dir nix, und ich sag dir jetzt nicht warum.“ Auch wenn sie nicht verstand, habe sie begriffen, dass sie diese Worte nicht erzählen dürfe, sie prägten sich ihr tief ein. Später erfuhr sie, dass der Mann Kommunist und sein Sohn im KZ war. Eine andere Szene steht der 77-jäh- „In jedem Menschen ist ein Hang, sich rigen sehr plastisch vor Augen: ein der direkten Verantwortung zu ent- Stifter/-innen gesucht! Zug zerlumpter russischer Kriegs- ziehen“, ist sie überzeugt – ein Hang, gefangener kam auf dem Weg zur den der Nationalsozialismus in perfider Infos über den Stiftungs-Prospekt Arbeit in einer Rüstungsfabrik oft an Weise ausnutzte. bzw. das Stiftungs-Handbuch, ihrem Elternhaus vorbei. „ Denen hab oder: ich einmal aus dem Fenster Stullen Ihre aus diesen Erfahrungen erwach- http://www.stiftung- zugeworfen, da hat mich meine Mutter sene Sensibilität gegenüber Unrecht erinnerung.telebus.de - die eine gutherzige Frau war - vom und Intoleranz ist es, die sie jetzt wün- Fenster weggerissen“, erzählt sie. So schen lässt, dass junge Menschen die Stiftung Erinnerung Ulm habe sie den Menschen, die im Winter Möglichkeit der Auseinandersetzung Postfach 2066, 89010 Ulm nur mit Fußlappen durch die Kälte mit der Geschichte bekommen. Tel.: 0731-21312; gehen mussten, Brot vom Gehweg fax: - 921 40 56 aus zugesteckt. „Aber ich habe nicht Und deshalb hat sie ihren Kindern e-mail: versucht, zu verstehen , warum das ebenso wie der Stiftung Erinne- [email protected] unter Strafe stand. Ich habe es auch rung einen Teil ihres kleinen Ver- nicht als Schizophrenie empfunden, mögens vermacht. Konto: 27 20 704, dass man alle Hoffnung auf Hitler BLZ 630 500 00 setzte und das, was ich da sah, doch Sparkasse Ulm real war.“

10 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 11 „... zur Aufnahme von Arbeitsverweigerern und arbeitsunlustigen Elementen ...“ Forschungsprojekt „Arbeitserziehungslager“ Kniebis-Ruhestein (1941/42) und Oberndorf-Aistaig (1941 bis 1945). Wer kann weiter helfen?

Hermann Wenz

Die nationalsozialistischen „Arbeitserziehungslager“ (AEL) waren ab 1941 insbe- an der heutigen Schwarzwald- sondere Straf- und Disziplinierungsstätten des Regimes für Zwangsarbeiter. Der hochstraße, in 900 bis 1000 m Autor hat im Zusammenhang mit seinen Forschungen zu den AEL in Württemberg, Meereshöhe. Dort hatten zuvor Kniebis-Ruhestein (Schwarzwaldhochstraße) und Oberndorf-Aistaig, schon viele bis zu 1200 Arbeiter des „Reichs- einschlägige Archive und Sammlungen aufgesucht. Zum Ulmer Dokumentations- arbeitsdienstes“ (RAD) in einem zentrum nahm er Kontakt auf, da einerseits über die Person des Kommandanten Bauprojekt der württembergischen des ehemaligen Ulmer KZ, Karl Buck, Verbindungen bestanden und andererseits Straßenbauverwaltung und unter zwei Zwangsarbeiter, deren Berichte in der DZOK-Publikation von 1996, „Schönes, technischer Abwicklung durch schreckliches Ulm“ veröffentlicht worden waren, zeitweise Häftlinge in Oberndorf- die Stuttgarter/Esslinger Baufirma Aistaig gewesen waren. Nun braucht er weitere Hilfe, und deshalb wendet er sich Wolfer & Goebel die Straßentrasse an Sie, liebe Leser. Vor allem zur Identität und zu den Lebensumständen der Häft- in den Wald getrieben. linge in Kniebis-Ruhestein fehlen noch viele Informationen. Wer etwas weiß, möge Die Unterkunft des AEL lag eine sich beim Autor (mail: [email protected], Rostesiepen 26, 58313 Herdecke) Stunde entfernt von jeder Besied- oder beim Ulmer Dok-Zentrum melden. lung mitten im Wald. Kommandant Hier nun eine erste vorläufige Darstellung, noch ohne Quellen-Nachweise. (sl) war der zur Gestapo abgeordnete Stuttgarter Kriminalpolizist Otto Rappold. Wachleute waren zu Verhängung von Schutzhaft und die Himmlers Erlass von 1941 zu diesem Zweck und Zeitpunkt Einweisung in ein Konzentrationslager den „Arbeitserziehungslagern“ „notdienst-verpflichtete“ Hand- zu beantragen.“ Im Himmler‘schen AEL-Erlaß vom werker, die zum Teil dafür ihre 28.5.1941 (verschärft am 12.12.1941) kleinen Handwerksbetriebe auf- heißt es einleitend: „Mit dem ver- Vorgeschichte der AEL geben mussten, ebenfalls aus stärkten Arbeitseinsatz von Auslän- Ähnliche Einrichtungen gab es bereits dem Stuttgarter Raum. Darunter dern und anderen Arbeitskräften in ab Oktober 1938 an verschiedenen waren mehrere Zimmerleute, ein wehr- und volkswirtschaftlich wich- Orten des Westwallbaues, um die Friseur, wohl aber auch freiwillig tigen Betrieben mehren sich die Fälle dortigen Arbeiter zu disziplinieren, so für diesen Dienst gewonnene von Arbeitsverweigerungen, denen im z.B. das Lager Hinzert im Hunsrück. Männer als Polizeiangestellte. Interesse der Wehrkraft des deutschen 1940 folgte die „Stapo-Leitstelle“ Düs- Als Wachleute und als Häftlinge Volkes mit allen Mitteln entgegenge- seldorf“ mit dem Lager Hunswinkel standen sich manchmal Männer treten werden muß. Arbeitskräfte, die bei Lüdenscheid im Sauerland, das gegenüber, die sich kannten: so die Arbeit verweigern oder in sonstiger prototypisch für die spätere Lager- z. B. ein Stuttgarter Friseurmeister Weise die Arbeitsmoral gefährden und konzeption geworden sein könnte. und sein Berufskollege, sowie ein zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Die Gestapo stellte den Lagerkom- Brillenmacher-„Oberstift“ und sein Sicherheit in polizeilichen Gewahrsam mandanten, dessen Vertreter und zum ehemaliger jüngerer Lehrling. Im genommen werden müssen, sind in Teil das Wachpersonal. Eine Baufirma seit Oktober 1935 um württem- besonderen Arbeitserziehungslagern betrieb ein von den Häftlingen in bergische „Schutzhäftlinge“ erwei- zusammenzufassen und dort zu gere- schwerer körperlicher Arbeit zu bewäl- terten „Polizeigefängnis“ in Welz- gelter Arbeit anzuhalten. Die Arbeitser- tigendes Bauprojekt, bei mäßiger heim wurden sie eingekleidet und ziehungslager sind ausschließlich zur Verpflegung und langen Arbeitszeiten, machten Schießübungen. Aufnahme von Arbeitsverweigerern in diesem Fall mit Steinbrucharbeiten Karl Buck, zuvor Kommandant und arbeitsunlustigen Elementen, zum Bau eines Staudammes, der heu- der württembergischen Konzent- deren Verhalten einer Arbeitssabotage tigen Versetalsperre. Die Wirtschaft rationslager Heuberg und Oberer gleichkommt, bestimmt. Die Einwei- wünschte solche Disziplinierungs- Kuhberg und in Welzheim – aktuell sung verfolgt einen Erziehungszweck, möglichkeiten für ihre deutschen und Kommandant im „Sicherungslager“ sie gilt nicht als Strafmaßnahme und ausländischen Arbeiter, ohne sie aller- Schirmeck-Vorbruck im Elsaß darf als solche auch nicht amtlich ver- dings an die KZ verlieren zu wollen, – hielt die Eröffnungsansprache an merkt werden.“ In Abs. IV heißt es zur von wo sie zugrunde gerichtet und die neu eingetretenen Wachleute. „Rechtsgrundlage“: „Die Einweisung deshalb für die Arbeit „unbrauchbar“ [durch die Staatspolizei-Leitstellen, zurück kamen. Einer der Zimmerleute berichtet, abgekürzt „Stapo-Leitstellen“] muß er habe vom Leiter der Stapoleit- schriftlich durch einen Einweisungs- AEL Kniebis stelle im Beisein eines Ingenieurs beschluß erfolgen ... Die Dauer der Bald nach Erscheinen des Himmler- der Straßenbaufirma Anweisungen Haft darf höchstens 56 Tage betragen Erlasses kam es durch die „Stapo- zum Umbau des RAD-Lagers für ... Ist nach Ablauf der Gesamtzeit [...] Leitstelle“ im Juni 1941zur die Zwecke des AEL erhalten. der Haftzweck nicht erfüllt, so ist beim Gründung des AEL Kniebis-Ruhe- Wöchentlich seien per Omnibus Reichssicherheitshauptamt [...] die stein im nördlichen Schwarzwald aus Stuttgart und Karlsruhe Häft-

10 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 11 linge gebracht worden. Über den Anfahrtweg und Art und „Evakuierungs“-Märsche bei Kriegsende Qualität der Verpflegung ist bis heute wenig bekannt. Mitte April 1945 begann, zeitgleich mit den benachbarten Unbekannt ist auch, wann das Lager geschlossen wurde. „Wüste-Lagern“ (Ölschieferprojekte), der berüchtigte „Eva- Die Angaben des Oberndorfer Polizisten von 1946, dass kuierungsmarsch“ Richtung Oberschwaben. Rund 130 dies im Februar 1942 gewesen sei, dürften lediglich vom Häftlinge aus Oberndorf-Aistaig wurden in den Wochen Hörensagen stammen. Es ist eher anzunehmen, dass mit davor von der Oberndorfer Schutzpolizei nach Dormet- Beginn der Schneeperiode, im Verlauf des Dezember 1941, tingen, in eines der Wüste-Lager, verbracht. das Lager geräumt war. Von Toten ist der früheren Zentral- Die „Wüste“- Häftlinge marschierten über Spaichingen stelle nichts bekannt; ob es Misshandlungen Richtung Tuttlingen und von dort ostwärts Richtung Ostrach gab, ist im Dunkeln. und Isny. Der Marschweg der Aistaiger Häftlinge ist bisher unbekannt. AEL Oberndorf-Aistaig: mindestens 79 Tote In Friedrichhafen will sie Kommandant Rappold entlassen Die Verlegung des Lagers in das rund 50 km entfernte haben. Nicht gehfähige Häftlinge waren im Lager Aistaig Oberndorf-Aistaig begann am 28.10.1941. Eine Vorhut ohne Versorgung zurückgelassen worden. Angeblich, so von 30 Häftlingen mit Wachpersonal wurde an diesem Tag eine andere Quelle, soll Rappold in Friedrichhafen aber noch per Omnibus dorthin gebracht, um die Baracken der beim mehr als ein Dutzend Häftlinge umgebracht und nur den Straßenbau eingesetzten Firma Sager & Woerner (Sawoe) Rest entlassen haben. an eine „unauffälligere“ Stelle in einem Seitentälchen des Neckartales zu verlegen. Prozesse gegen die Täter Die Häftlinge wurden zu einem Großteil in der Waffenfabrik Bisher ist von drei Wachleuten und dem Kommandanten Mauser in Oberndorf, aber auch in städtischen Kommandos eine Verurteilung durch das mittlere französische Militärge- beim Bau von Schutzstollen, in Waldarbeiterkolonnen, oder richt in Reutlingen bekannt. Sie wurden zu Freiheitsstrafen bei anderen Firmen eingesetzt. von zwei bis vier Jahren verurteilt, die in Rottenburg und in Die Mauser-Werke pachteten die Baracken von der Firma Wittlich/Eifel zu verbüßen waren. Sawoe und rechneten mit den Firmen, bei denen Häftlinge Die Erkenntnisse über die beiden württembergischen eingesetzt waren, Tagessätze ab. Beim im Prinzip gleichen „Arbeitserziehungslager“ stützen sich insbesondere auf Wachpersonal wie an der Schwarzwaldhochstraße und den Inhalt der Spuchkammerakten des Kommandanten unter dem gleichen Kommandanten kam es zu 79 nament- und einiger Wachleute. Eine wesentliche Schwäche dieser lich bekannten und einer Anzahl unbekannter Toter. Spuchkammerakten ist, dass oft allzu schnell Aussagen ungeprüft hingenommen und Zeugen, die etwa wegen Beispiele von Häftlingen Krankheit nicht erscheinen konnten, nicht nachvernommen Unter den etwa 4500 Häftlingen in Oberndorf-Aistaig wurden. Besonders misslich ist, dass zwischen den beiden dürfte neben wenigen Deutschen die große Mehr- in Rede stehenden AEL vielfach nicht unterschieden wurde. heit aus Zwangsarbeitern im südwestdeutschen Raum bestanden haben, die mit den Arbeits-und Lebensbedingungen als Arbeitssklaven nicht zurecht kamen. In der Berichtesammlung von 130 ehemaligen Zwangsarbeitern in der Region Ulm , „Schönes, schreckliches Ulm“, finden sich die Berichte von zwei polnischen Zwangsarbeitern, die nach Oberndorf- Aistaig verschleppt wurden: der eine ist der damals 22-jährige Stanislaw Fejdasz (22), der andere Josef Wojcik (20), die beide vorher auf Bauernhöfen in der Region Ulm gearbeitet hatten. Wojcik, dem es bei seinem Bauern in Asselfingen ganz gut gegangen war, schreibt über das Lager in Aistaig:„Hier lernte ich ein anderes Leben kennen: stundenlange Appelle, Arbeit bis zur Erschöpfung (wir gruben Tunnels in den Berg), kaum Essen, und pausenlos Schläge und Schreie: ‚los, los‘. Dazu kam noch die Ruhr, die uns aufzehrte. Ein Bild des Jammers. Als ich, zwei Wochen vor der Befreiung, das Lager verlassen hatte, wog ich [bei 185 cm Körpergröße] 46 kg.“ Obwohl nur „Arbeitsverweigerer sowie arbeitsver- tragsbrüchige und arbeitsunlustige Elemente“ in die AEL eingewiesen werden sollten, war nach dem Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 im Rahmen der „Aktion Gewitter“ auch der ehemalige Zentrumsab- geordnete im Reichstag und im württembergischen Landtag, Josef Andre, für rund 6 Wochen in Aistaig. Nach dem Krieg wurde Andre mit Gründung des Karte Württembergs mit einigen erwähnten Örtlichkeiten (Quelle: http: Landes Württemberg-Baden für mehrere Jahre //www.Isg.musin.de/Geschichte/gk/B-Wg-1789+1806; in Bearbeitung des Minister. Autors)

12 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 13 Max heißt der Neue Erstmals ASF-Freiwilliger am Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Förderer gesucht

Im kommenden September beginnt Maximilian Ludi, Abiturient am Ulmer List- Gymnasium und anerkannter Kriegsdienstverweigerer, als erster Freiwilliger der Wir suchen einen Bewerber Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) einen 12-monatigen Dienst am Ulmer Dokumentationszentrum. Er wird vor allem in der Gedenkstätten- und Jugendar- für ein „Freiwilliges Jahr“ am beit, aber auch – je nach Neigung – in allen anderen Bereichen tätig sein. Am 8. Juli DZOK ab September 2006 stellt er sich in der Mitgliederversammlung des DZOK vor. Hallo, Abiturienten und Kriegsdienstverweigerer Der Freiwilligen-Dienst bei ASF des Jahres 2006! Mit Max Ludi fangen etwa 22 weitere junge Leute aus zwölf Ländern ihren Noch hat das „Freiwillige Jahr“ von Dienst in Deutschland an. Sie arbeiten Maximilian Ludi nicht begonnen, in Gedenkstätten und Museen (z. B. da müssen wir schon für das auch in Buchenwald, Dachau, Neu- darauf folgende Jahr (September engamme, Sachsenhausen), in Men- 2006 bis August 2007) einen schenrechts- und Antirassismusorga- Bewerber suchen; und zwar mög- nisationen, in verschiedenen sozialen lichst wieder einen aus der Region Einrichtungen. Viele von ihnen unter- Ulm/Neu-Ulm. stützen ehemalige KZ-Häftlinge und Wie bisher auch, gilt dieses „frei- Überlebende des Holocaust. Darüber willige Jahr“ als Ersatz für den Zivil- hinaus entsendet ASF im September dienst von anerkannten Kriegs- ca. 180 Freiwillige ins europäische dienst-Verweigerern. Träger ist Ausland, nach Israel und in die USA. wieder die „Aktion Sühnezeichen Mehr Informationen zu ASF unter http: – Friedensdienste“ in Berlin. //www.asf-ev.de (Freiwilligendienste). Wer sich dafür interessiert, kann Für die Freiwilligen bringt ein Frie- sich über http://www.asf-ev.de densdienst viele neue Erfahrungen Max Ludi, der künftige ASF-Freiwillige am Ulmer näher informieren und dann zum und Wissenszuwachs. In der inter- Doku-Zentrum (Foto: privat) Dokumentationszentrum mög- nationalen Freiwilligengruppe und auf lichst umgehend, bis spätestens den ASF-Seminaren lernen sie andere werden von ASF übernommen und 1. Oktober dieses Jahres Kontakt Perspektiven kennen und führen den sind in der folgenden Aufstellung nicht aufnehmen (Tel.: 0731-21312). Dialog mit Menschen anderer kultu- berücksichtigt. Mit der Stelle sind u. a. ein reller und religiöser Herkunft. Abzüglich eines Zuschusses des Taschengeld von 250 €, Verpfle- Für die Einsatzstellen wie z. B. das „Bundesamtes für Zivildienst“ bleibt gung, Unterkunft und ein Nahver- Ulmer Dokumentationszentrum sind eine Deckungslücke von 4.200 €, kehr-Ticket verbunden. (sl) die jungen motivierten Freiwilligen die der Träger der Stelle, nämlich eine große Hilfe und Bereicherung. das Dokumentationszentrum, über- Sie bringen den eigenen, ihrer Gene- nehmen muss. ration entsprechenden Zugang zur Geschichte in die pädagogische Arbeit Da wir das Geld nicht übrig haben, ein. Dies ist nicht nur hilfreich, sondern unser Vorschlag: auch ein wesentliches Stück Zukunft Übernehmen Sie die Patenschaft – auch für die Ulmer Gedenkstättenar- für einen Monat Taschengeld und Kosten für 12 Monate beit – deren historischer Gegenstand Verpflegung unseres Freiwilligen sich ja immer weiter entfernt. in Höhe von 300 €, (zur Not ginge Taschengeld, Verpflegung 3.600 € auch ein halber Monat in Höhe von Geldprobleme, oder: 150 €.) Versicherungskosten 1.800 € Wollen Sie fördern? Geben Sie einen anteiligen Dauerauf- ASF und Dokumentationszentrum trag über 12 Monate oder überweisen Reisekosten (zu Seminaren) 300 € verbindet inhaltlich und in den Zielen Sie die Summe bitte bis Ende Juli sehr viel; aber leider verbindet beide 2005 unter dem Kennwort „Freiwil- Nahverkehrstickets 600 € auch eins: der große Geldmangel und liger Max“ auf das Konto 7 649 062 d.h. das Angewiesensein auf private des Dokumentationszentrums bei der Unterkunft 1.200 € Spenden. Sparkasse Ulm, BLZ 630 500 00. Eine Freiwilligenstelle in Deutschland Summe 7.500 € kostet durchschnittlich 7.900 Euro im Als Dankeschön gibt‘s im Frühsommer Zuschuss BAZ 3.300 € Jahr, in unserem Fall etwas weniger. 2006 eine Einladung für alle „Paten“ Dazu kommen Kosten für die Beglei- zu einem Vesper in einem ländlichen Deckungslücke 4.200 € tung und die Seminare von ASF, sie Gasthaus, natürlich mit Max. (sl)

12 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 13 „Ich will den Kuhberg in das nächste Schuljahr einbauen“ Das Lehrer-/Schüler-Seminar in der Ulmer KZ-Gedenkstätte war erfolgreich. Nächstes Seminar: April 2006

Am Schluss gab‘s einen Auswertungs- bogen mit fünf Fragen. Und da stand dann Lob in Mengen, z. B.: „gute Atmosphäre, nette Leute“, „unkon- ventionelle Lernkanäle“, „wir konnten das Gehörte direkt ausprobieren“, „großes Engagement des Organisa- tionsteams“, „Ich will den Kuhberg in das nächste Schuljahr einbauen“ …

Die Rede ist von einem zweitägigen Seminar im April für Lehrer aller Schul- typen aus Baden-Württemberg. Der Inhalt war einerseits die Geschichte des Konzentrationslagers Oberer Kuh- berg als Teil der Macht-Stabilisierung des NS-Regimes in den Jahren 1933 bis 1935; und andererseits, die Arbeit der gegenwärtigen Gedenkstätte mit ihren pädagogischen Angeboten.

Das Besondere an diesem Seminar, das ähnlich schon mehrmals von Ergebnisse der Arbeitsgruppe „Themenalben“, Gedenkstätte und Landeszentrale Leitung: Hansjörg Greimel. Neben 21 Lehren für Politische Bildung durchgeführt nahmen auch 5 Schüler teil, drei von ihnen sind wurde, war, dass dieses Mal auch fünf hier zu sehen. Schüler aus der Jugendgruppe des DZOK teilnahmen. Es scheint so, dass davon alle profitiert haben.

Infos und Sonderprospekt zum nächsten Seminar am Don- nerstag/ Freitag 6./7. April 2006 (das Wochenende vor der Kar- Woche) : über das DZOK oder die Landeszentrale für politische Bil- dung Baden-Württemberg (mail: [email protected]). (sl)

Präsentation von „Elfchen“, Gedichten mit 11 Wörtern in fünf Zeilen zu den „Botschaften“ des ehemaligen KZ: Arbeitsgruppe unter Leitung von Annette Lein. (Fotos: W. Herrlinger, A-DZOK, 4/2005)

14 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 15 Als der Ulmer Sport nationalsozialistisch wurde: z. B. das Verbot der Arbeitersport-Bewegung Broschüre „Sport in Ulm 1933“ erschienen

Silvester Lechner

Seit im Jahr 1996 der „Gedenktag für deren Repräsentanten in die frühen auf Landes-, Kreis-, Bezirks- und die Opfer des Nationalsozialismus“ Konzentrationslager wie den Oberen Ortsebene. bundesweit eingeführt wurde, findet Kuhberg verschleppt wurden - soll Überdies gab es nach dem Ersten im Ulmer Stadthaus am 27. Januar dieses Kapitel hier wider gegeben Weltkrieg, ab 1920, eine „Sozialistische eine zentrale öffentliche Veranstaltung werden. Auf Literaturangaben wurde Arbeitersport-Internationale“ (LSI), die statt. Das Prinzip: wenig allgemeine verzichtet. Vgl. Lorenz Peiffer, Sport ab 1925 Arbeiter-Olympiaden und Betroffenheits-Reden und - Gesten , im Nationalsozialismus. Zum aktuellen z. B. auch Fußball-Meisterschaften der viel konkrete, ulm- und gegenwartsbe- Stand der Forschung. Eine kommen- Arbeiter-Ländermannschaften aus- zogene historische Information. tierte Bibliografie, Göttingen 2004. richtete. 1921 wurde in Moskau eine Etwa zehn Organisationen bilden den „Rote Sportinternationale“ (RSI) der „Ulmer Arbeitskreis 27. Januar“, aus Sport als Teil der Arbeiter- KP gegründet, die in Deutschland in dem jedes Jahr ein kleines Team die kultur-Bewegung vor 1933 Konfrontation mit der SPD verstärkt Veranstaltung erarbeitet und prä- ab 1927 eigene Wege ging. sentiert. Von Anfang an dabei: das Idee und Praxis eines „Arbeitersports“ Dokumentationszentrum, die Volks- waren von ihren Anfängen in der In vielen Sportbereichen, insbeson- hochschule, die Deutsch-.Israelische zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dere auch im Fussball, gab es eigene Gesellschaft, die Städte Ulm und Neu- an bis zum Ende der Weimarer Repu- Arbeiter-Ligen, die sich von den so Ulm...und der Ulmer OB Ivo Gönner , blik Teil der Arbeiterkultur bzw. der genannten „bürgerlichen Vereinen“ der die Begrüßung übernimmt. Arbeiterkultur-Bewegung. und deren Ligen abgrenzten. Das Thema des Jahres 2005, „Als Sie stand in enger Verbindung mit den Drei prinzipielle Merkmale des Arbei- der Sport in Ulm nationalsozialistisch anderen drei Säulen der Arbeiterbe- tersports vor 1933 sind festzuhalten: wurde“, entsprang zunächst dem wegung: Gewerkschaften, Parteien - Sein Internationalismus, im Gegen- Umstand, dass mit Fritz Glauninger, und Genossenschaften. satz zum völkischen Nationalismus, dem ehrenamtlichen Archivar des Der Arbeiterkultur-Bewegung ging insbesondere der Turnvereine; größten Ulmer Sportvereins SSV Ulm es um die geistige und körperliche - seine Abgrenzung zum bürgerlichen 1846, ein Mensch zur Verfügung Erziehung/Bildung und damit die poli- Sport, die sich in eigenen Arbeiter- stand, der nicht nur wertvolle histo- tische und gesellschaftliche Selbstfin- sport-Ligen zeigte; weitere Merkmale rische Quellen bewahrt, sondern der dung und Positionierung des einzelnen der Abgrenzung waren: Mannschafts- auch ein Gefühl für die politischen Arbeiters, und zwar in dezidierter Aus- sport contra bürgerlichen Individu- Dimensionen des Sports heute und einandersetzung („im Kampf“) mit der alsport und Starkult; Amateursport damals, 1933, hat. bürgerlichen Gesellschaft und ihren contra „bürgerlichen“ Profisport; Am Beispiel des Sports, eines vorder- Organisationen. - das dritte und vielleicht wichtigste gründig unpolitischen gesellschaft- Musik-, Gesangs-, Bildungs- und Merkmal war die programmatische lichen Bereichs , lassen sich fast Lesevereine, Wandervereine wie Verbindung zur Politik, d.h. beson- sämtliche Schreckensaspekte des die Naturfreunde und tausende von ders zur SPD (bzw zur KPD) und den Nationalsozialismus , vom Antise- Sportvereinen gehörten dazu. Mit Gewerkschaften sowie - am Ende der mitismus bis zur „Erbhygiene“, vom dem Beginn der Weimarer Republik Weimarer Republik – zu Organisati- Nationalismus bis zum Militarismus 1918 erlebte die Arbeiterkulturbewe- onen wie „Reichsbanner Schwarz- im Detail nachzeichnen. Es wurde an gung, an der weitgehend die Wähler Rot-Gold“ und „Eiserne Front“, die diesem Abend dreierlei dargestellt: der Arbeiterparteien, etwa ein Drittel sich der Verteidigung der Weimarer a) Was ist nationalsozialistischer der deutschen Bevölkerung, beteiligt Republik verschrieben hatten. Sport? (Silvester Lechner) waren, ihren Höhepunkt. b) Die Ausschaltung jüdischer Sportler Allerdings hinterließen die Ausein- Arbeitersport in Ulm aus dem Sportbetrieb (Prof. Lorenz andersetzungen und Spaltungen im Peiffer, S. Lechner, Fritz Glauninger, sozialistischen Lager, insbesondere In Ulm und Neu-Ulm war die Dachor- Natalja Kurz) die zwischen SPD und KPD, auch ihre ganisation das „Bezirks-Arbeitersport- c) Die Zerschlagung der Arbeiter- tiefen Spuren im Arbeitersport. und Kulturkartell Ulm“, dem in der sportbewegung (Silvester Lechner) Region von Laupheim bis Göppingen Das erarbeitete Material zu Die Arbeitersportvereine waren über 50 Vereine angehörten. diesem Abend ist in einer Bro- reichsweit (nach den Anfängen 1893, Der Bogen war weit gespannt. Einer- schüre zusammengefasst, die getrennt nach Sportarten) ab 1912 seits reichte er von den „Freien Volks- beim DZOK zu bestellen ist (70 S., in einem eigenen Dachverband , der chören“, „Frohsinn“ und „Harmonia“, 8,00 € incl. Porto) „Zentralkommission für Sport- und der Theatergemeinde, der Büchergilde Da der Arbeiter-Sport ganz wesentlich Körperpflege“ mit Sitz in Leipzig Gutenberg, dem Arbeiterstenografen- zur Identität der entschiedensten und organisiert. Dazu kamen Dachorgani- verein, dem Arbeiter-Schachbund bis zahlreichsten politischen Gegner der sationen, die sogenannten „Kartelle“, zum Arbeitersamariterbund; anderer- Nazis im Jahr 1933 zählte - Gegner

14 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 15 seits vom Touristenverein „Die Natur- aus der regionalen SPD-Zeitung, blutige Formen angenommen (…) Man freunde“, dem Radfahrerbund „Solida- „Die Donau-Wacht“, deren Redaktion glaubt, die Arbeiterklasse schrecken rität“, den Arbeiter-Kegelverein bis zu Johannes Weißer inne hatte. Der zu können (…) Bundesgenossen, die den mehrere Sportarten umfassenden Sportteil hatte übrigens die Überschrift Zeit ist ernst, es geht um die gesamte „Turn- und Sportvereinen“. „Sport und Körperpflege“. Arbeiterbewegung. Es geht auch um Der größte Ulmer Arbeitersportverein die Freiheit, das höchste Gut der war die „Freie Turnerschaft Ulm/Neu- - Im Oktober 1932 attackiert dort ein Arbeiterklasse. Deshalb nutzt die Zeit Ulm“ mit etwa 500 Mitgliedern am Ulmer Verantwortlicher der Arbeiter- vor den Wahlen zur politischen Aufklä- Ende der Weimarer Republik, darunter Fußballer den UFV 1894 (= Ulmer rung. Nehmt teil an den Vorarbeiten Frauen und Kinder. Außerdem gab es Fußball-Verein) und seine Versuche, zur Wahl.“ als gesonderten Verein eine „Freie Tur- Arbeiter-Fußballer abzuwerben. Wört- nerschaft Söflingen“. lich heißt es, der „Spieleraufkauf“ sei Die Zerschlagung des Arbei- „typisch für die morsche bürgerliche tersports in Ulm Die „Freie Turnerschaft“ wurde 1905 Fußballbewegung“ mit ihren „Schein- gegründet, ihr Nachfolgeverein nach Amateuren“ und deren „Entlohnung“. Der Appell nützte nicht. Nachdem 1945, der VfL Ulm, feierte heuer sein - Am 16. Januar 1933 wird über das bei diesen Wahlen am 5. März Hitler 100-jähriges Bestehen. Fußball-Meisterschaftsspiel in einer mit Hilfe der Deutschnationalen 1921 erarbeitete sich die „Freie Tur- württembergischen Arbeiter-Kreis- („Harzburger Front“) an die Macht nerschaft“ in großen Gemeinschafts- klasse zwischen Stuttgart-Ost (ein gekommen war, wehte am 7. März aktionen einen eigenen Sportplatz in wichtiges Stuttgarter Arbeiterviertel) erstmals eine Hakenkreuzfahne am der Friedrichsau und dort 1926 ein und der Freien Turnerschaft Ulm am Ulmer Rathaus. Am 8. März über- Vereinsheim mit Sporthalle, genannt Tag zuvor im Ulmer Stadion vor 1000 nimmt die Hitlerregierung die voll- „Spielhaus“. Zuschauern berichtet. Dabei kritisiert ziehende Gewalt in Deutschland, es Die Hauptdisziplinen des Ulmer Arbei- der Berichterstatter das Foulspiel beginnt die systematische Verfolgung tersports waren: Fußball (die Fußballer der Stuttgarter als Verstoß gegen die aller politischen Gegner und das der Freien Turnerschaft wurden „die „moralische, sportgenössische Seite“. Verbot ihrer Organisationen. Rothosen“ genannt), Turnen, Hand- Denn „für Arbeitersportler“ komme „es Die Funktionäre der sozialistischen ball, Schwimmen, Kegeln, Radfahren, in erster Linie darauf an, werbend zu Parteien und damit auch des Arbei- Boxen, Ringen. wirken, vollends auf solch undank- tersports werden auf Verdacht hin in barem und steinigem Boden, wie es „Schutzhaft“ genommen. Nur zehn „Reichsbanner“ die bürgerliche Fußballhochburg Ulm Tage später, am 20. März, wird für und „Eiserne Front“ ist“. Im ausklingenden Jahr 1932 kam auch Wehrsport wie Schießen hinzu, Dies stand im Zusammenhang mit der Ulm/NeuUlmer Ortsgruppe des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“. Das Reichsbanner war 1924 als repu- blikanische Selbstschutz- Organisation zur Abwehr gewalttätiger Angriffe bei Parteiveranstaltungen insbesondere seitens der SA, des Kampfverbandes der NSDAP, gegründet worden. Der Reichsbanner- „Führer“ für Württem- berg war der Ulmer „Liberale“ Wilhelm Wirthle, Der bedeutendste Reichs- banner- Redner in Württemberg war Kurt Schumacher. Beide wurden gleich nach der Machtübernahme der Nazis in „Schutzhaft“ genommen und ins KZ Heuberg verschleppt, Schumacher später auch ins Ulmer KZ Kuhberg. Aus dem Reichsbanner, der SPD, den Das Richtfest des „Arbeitersport-Hauses“ der Freien Turnerschaft, Frühsommer 1926; Eröff- Gewerkschaften und den Arbeiter- - Am 26. Februar 1933 – am Tag nung Sept. 1926 (StA Ulm, FTU) sportvereinen ging 1931 die „Eiserne danach brennt in Berlin der Reichstag Front“ hervor, deren Aufgabe die Ver- und einen weiteren Tag später setzt teidigung der Republik gegen Nazis die Regierung Grundrechte der Wei- sie das erste württembergische Kon- und andere extreme Rechte war. marer Verfassung außer Kraft – steht zentrationslager auf dem Heuberg auf der Sportseite der „Donau-Wacht“ errichtet, das im November 1933 auf „… die morsche bürgerliche der Aufruf an die „Arbeiterturner und den Ulmer Kuhberg verlegt wird. Fußballbewegung …“ -Sportler“, sich am Wahlkampf zu den Drei Tage nach Einrichtung des KZ Wahlen am 5. März zu beteiligen. Zitat: Heuberg, am 23. März, ist mit dem Einige Ulmer Beispiele, um den Arbei- „… der Kampf um Sein oder Nichtsein „Ermächtigungsgesetz“ der Schritt in tersport vor 1933 zu charakterisieren der Demokratie in Deutschland hat die NS-Diktatur faktisch vollzogen.

16 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 17 Dies sind die wesentlichen Schritte, am Beispiel Ulms: - Am Freitag, den 10. März 1933, erscheint die „Donau-Wacht“ zum letzten Mal, die darin angekündigten Veranstaltungen der Arbeitersportler finden nicht mehr statt. Nun geht es Schlag auf Schlag. - In den Tagen danach werden auch in Ulm die Organisationen und Strukturen der Arbeiter- Sport- und Kultur-Bewegung verboten. - Am 30. März verfügt die nationalso- zialistisch „gleichgeschaltete“ Ulmer Stadtverwaltung erstmals, dass „für alle dem ‚Arbeiter-Sport-Kulturkartell‘ angehörenden Vereine keine städtischen Gebäude und Anlagen mehr zur Ver- fügung gestellt werden. Die durch das Nutzungsverbot frei gewordenen Räume Sportfeste, die immer eine Art Familienfeste der Arbeiterbewegung waren, spielten eine große bekommen z. B. die Hitlerjugend oder die Rolle. Hier der Festzug durch Ulm im Rahmen des Arbeiter- Turn- und Sportfestes im Juli 1930 (A-DZOK, MOW) Jugend des ‚Marine- und Kolonialkrieger- vereins‘“; - Das Ulmer Naturfreundehaus „Spatzen- nest“ wird am 2. April von SA besetzt und bald darauf enteignet. Etwa gleichzeitig werden die Sportanlagen der Freien Turnerschaft in der Friedrichsau von der SA besetzt und Ende April vom Ober- bürgermeister dem „SA-Sturmbann 120“ als „Kampfbahn“ zur „Benützung über- lassen“.

Auflösung der Vereine

Am 4. Juli 1933 verschickt der Chef der Württembergischen politischen Polizei, Hermann Mattheis, unter „Betreff: Neu- aufbau der deutschen Sportorganisation“ ein Rundschreiben an alle württembergi- schen Oberämter mit dem Kernsatz: „Nach dem großen Umbruch zu einer ein- zigen Volksgemeinschaft (...) ist für gesell- schaftlich und klassenmäßig umgrenzte Verbände und Vereine kein Platz mehr im Die 2. Kameradschaft des Ulmer Reichsbanners 1932 mit dem Zeichen der „Eisernen Front“ ( drei deutschen Sport“. Pfeile) vor dem Vereinsheim der Freien Turnerschaft. (A-DZOK, MOW) Sie würden aufgelöst, ihr Vermögen werde beschlagnahmt. Wer sich dem widersetze, gebe sich als „staatsfeindlich“ zu erkennen und müsse in Schutzhaft genommen, d.h. in ein KZ gesperrt werden. Im Oktober 1933 werden die „Auflösung der Hilfs- und Ersatzorganisationen der kommunistischen und sozialdemokrati- schen Partei und der Einzug von deren gesamten Vermögen“ als vollzogen gemeldet. - Arbeitersportler, die sich nach der Auf- lösung ihrer Vereine den anderen Ulmer Vereinen anschließen wollten, sollten einer genauen Gesinnungs-Kontrolle unter- zogen werden.

Die Zerschlagung des Arbeitersports war vollzogen und wirkte über das Jahr 1945 hinaus; doch dies ist ein anderes Kapitel. Vor dem Gebäude der „Donau-Wacht“ in der Sterngasse 11 sammelt sich ein Demonstrationszug des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ (A-DZOK, Wirthle)

16 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 17 Der Ulmer „Obere Riedhof“ – auch ein Stück Heimatgeschichte

Walter Wuttke: „O diese Menschen“. Das Leben in der Ulmer Anstalt „Oberer Geschichtsschreibung des nationalso- Riedhof“ im Nationalsozialismus. Bericht über eine Einrichtung des württember- zialistischen Umgangs mit behinderten gischen Landesfürsorgeverbandes (Landeswohlfahrtsverband Württemberg- Menschen, von den „erbhyginischen“ Hohenzollern), Blaubeuren 2005 (= Blaubeurer Geographische Hefte 28), 200 S., Maßnahmen bis hin zur zielgerichteten 12,80 €. Die Drucklegung des Buches wurde u. a von der Gedenkstättenförderung Ermordung im Rahmen des „Eutha- des Landes Baden-Württemberg unterstützt. nasie“-Programms (Aktion T-4) im Einzugsbereich von Grafeneck. Das vorliegende Buch des in Ulm Die Umwandlung des Riedhofes in Was aber das Entscheidende ist: lebenden Medizin-Historikers Walter ein Altersheim; Die Namen der Ermor- Die Beschreibung der historischen Wuttke zeichnet ein vielschichtiges deten. Vorgänge ist ein moralischer Akt, ein soziales und politisches Panorama Die Arbeit schließt zum einen eine Denk-mal gegen das Vergessen von einer der Landesfürsorgeanstalten Lücke in der Geschichtsschreibung Verbrechen und Opfern; und sie ist Württembergs im Nationalsozialismus, über das württembergische Wohl- eine notwendige, gegenwartsbezo- des Oberen Riedhof in Ulm. Viele fahrtswesen seit Ende des 19. Jahr- gene Richtschnur überall dort, wo Anstaltsbewohner sind Zwangs- hunderts bis in die 50er Jahre des 20. auch heute der Wert eines Menschen sterilisationen unterzogen worden. Jahrhunderts; zum anderen, und dies über seine Nützlichkeit für die Volks- Insgesamt 58 sind im Rahmen der vor allem, schließt es eine Lücke in der wirtschaft definiert wird. (sl) „Euthanasie“-Aktion 1940 in der nahe gelegenen Tötungsanstalt Grafeneck bei Münsingen ermordet worden. Das Werk hat nach der Einleitung folgende 15 Kapitel-Überschriften: Die Anstaltsinsassen; Die politische Situation zu Beginn des Nationalsozia- lismus; Die Angestellten; „Dienen“: Die Diakone; Die Riedhof-Ärzte; Rassen- politik; Das GzVeN (=“Gesetz zur Ver- hinderung erbkranken Nachwuchses“) in Ulm; Zwangssterilisationen im Riedhof; „Euthanasie“; Die evangeli- sche Kirche und die Vernichtung; Die Mordanstalt Grafeneck; Der Leiter des Landesfürsorgeverbandes Karl Mailänder; Die T4-Aktion im Riedhof;

Eine Gedenktafel für die ermordeten Riedhof-Bewohner wurde am 23. September 2004, wenige Monate vor dem Erscheinen von Walter Wuttkes Monographie, enthüllt. Anlass war die Eröffnung eines neuen „Logistik-Zen- trums“ der pharmazeutischen Unternehmens- gruppe Merckle/Ratiopharm, auf dem Gelände der ehemaligen württembergischen „Landesfür- sorgeanstalt“ Oberer Riedhof. Die von Merckle errichtete Gedenktafel hat folgende Inschrift:

An dieser Stelle stand bis zum Abbruch 1998 der Obere Riedhof. Er wurde 1893 errichtet als Armenbeschäftigungs- und Bewahranstalt. 58 der hier ansässigen Behin- derten fanden 1940 als Opfer der NS-Euthanasie- Aktionen in Grafeneck den Tod durch Gas. Wir gedenken der Opfer. Wir werden sie nicht vergessen.

(Foto: E. Tanner, A-DZOK, 9/04 Riedhof)

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Befreiungsminister Gottlob Kamm; Wer wurde 1933 und Kontinuitäten beim Auf- und oder: die Neuentdeckung eines KZ-Kommandant? Ausbau des nationalsozialistischen sozialdemokratischen Kuhberg- Terror- und Vernichtungsapparates“ Häftlings Hans-Peter Klausch: eröffnen zu können. Tätergeschichten. Die SS-Kom- Obwohl wissenschaftlich strukturiert, Bertold Kamm, Wolfgang Mayer: mandanten der frühen Konzent- ist die Arbeit gut (auch kapitelweise) Der Befreiungsminister. Gottlob rationslager im Emsland, Bremen und mit Gewinn zu lesen. Und fast auf Kamm und die Entnazifizierung (Edition Temmen) 2005, hg. vom jeder Seite ergeben sich Vergleichbar- in Württemberg-Baden, Tübingen Dokumentations- und Informations- keiten zu den frühen KZs in Württem- (Silberburg) 2005, 250 S., 16,90 €. zentrum Emslandlager, Bd. 13., 320 berg. (sl) S., 19,90 €. Am 19. April wurde im Landtag von Baden-Württemberg ein neues Buch Die so genannten „Emslandlager“ vorgestellt, das mit Gottlob Kamm bestanden von 1933 bis 1936 im Die „Entnazifizierung“ einer aus Schorndorf (1897 – 1973) einen damaligen Preußen und gehörten – wie Kommunistin … Menschen historisch beschreibt, der Heuberg und Kuhberg in Württemberg im Frühjahr 1934 vier Monate im KZ – zu den frühen Konzentrationslagern Gertrud Müller: Oberer Kuhberg eingekerkert war. des NS-Regimes. Die vorliegende, Die erste Hälfte meines Lebens. Das Buch und einige Original-Zeug- vom sehr rührigen Dok-Zentrum Ems- Erinnerungen 1915 – 1950. Nach nisse wie z. B. Briefe, die über einen landlager herausgegebene Arbeit hat Gesprächen aufgezeichnet von der Autoren, Kamms Sohn Bertold, sich zweierlei Ziele gesetzt: einerseits, Michael Nolte und Ursula Krause- (geb. 1924) dem DZOK zugänglich einen Beitrag zu leisten zu den in der Schmitt, hrsg. von der Lagergemein- wurden, vertiefen nicht nur Information wissenschaftlichen Literatur (zumin- schaft Ravensbrück/Freundeskreis und Material zu einem sozialdemo- dest vor den jüngsten Projekten von e. V., Renchen 2004, 84 S., 5,00 €. kratischen Häftling des Kuhbergs. Benz/Distel) noch wenig beschrie- Sie erweitern auch grundlegend das benen „frühen Konzentrationslagern“ ; Dieses Buch über die erste Hälfte des Wissen um die politische Situation der zum anderen, der Frage nachzugehen, Lebens von Gertrud Müller, Ergebnis Sozialdemokratie in Württemberg vor wie und woher die Kommandanten , eines langen Gesprächs, nimmt einem 33, um die Haftbedingungen auf dem also die frühesten Nazi-Täter, kamen. den Atem. Denn es zeigt am Beispiel Kuhberg, und vor allem um die von Die Zielsetzung des Autors ist es, neue eines unglaublichen Falles einmal heute aus so unübersichtlich wirkende Sichtweisen auf „personelle Brüche mehr, mit welch unbelehrbar brutaler Situation der „Entnazifizierung“ nach Dreistigkeit die „alten Kameraden“ 1945. nach dem Mai 1945 weiter gewirkt Denn Kamm war von August 1946 haben. bis Februar 1948 im amerikanisch Das Buch beginnt mit dem Portrait besetzten Württemberg-Baden Präsentation des Buches über Gottlob Kamm im eines fast idealtypischen Heranwach- Landtag von Baden-Württemberg am 19. April. „Staatsminister für politische Von rechts: Ruth Kamm und Bertold Kamm sowie sens im kommunistischen Milieu von Befreiung“. Damit war er im Auftrag Landtags-Vizepräsident Frieder Birzele. Hinweis: Stuttgart-Feuerbach, im Umfeld des der Alliierten zuständig dafür, über Bei der traditionellen Gedenkfeier im ehe- dort beherrschenden Industrie-Unter- die sogenannten „Spruchkammern“ maligen Ulmer KZ am 13. November werden nehmens Bosch. Gertrud Wieland Persönlichkeit und KZ-Briefe von Kamm die militärisch und politisch Verant- vorgestellt. (Foto: Lechner, DZOK-A 4/05) wird 1915 mitten im Krieg geboren, wortlichen des untergegangenen NS-Regimes ausfindig zu machen und nach Möglichkeit aus allen einflussrei- chen Positionen zu entfernen. In seinem Ministeramt und für sein ganzes Leben war „das Leiden in der Haft“ auf dem Kuhberg latent ein immer gegenwärtiges „Schlüssel- erlebnis“, wie die Autoren schreiben (S. 32). Fazit: ein sehr kenntnisreich und gut lesbar geschriebener Einblick in eine fast vergessene (und verdrängte) historische Persönlichkeit und damit in eine Vorstufe der jungen Bundes- republik. Dieser Einblick macht sehr viel von deren weiterer Entwicklung kenntlich. (sl)

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Das KZ Natzweiler und seine Außenlager

Christine Glauning, Konrad Pflug (Hg.): Arbeit und Vernichtung. Das Außenlagersystem des KZ Natz- weiler-Struthof. Beiträge zur Jahres- tagung 2002 der LAG Gedenkstätten Baden-Württemberg, hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart 2004; 110 S., Bestellung über LpB Baden- Württemberg.

Im Mai 1941 wurde beim Dorf Natz- weiler in den nördlichen Vogesen, ca. 50 km südwestlich von Straßburg, ein Konzentrationslager der SS errichtet, dem besonders in den letzten beiden links: Gertrud Müller am 26. Mai 2000 im Stuttgarter Rathaus, anlässlich der Verleihung des Bundesver- Kriegsjahren – auf heute deutschem dienstkreuzes an Hans Gasparitsch. Links Gasparitsch, rechts Alfred Hausser. (Foto: Lechner; A-DZOK, Gasparitsch 2000) Boden – ein Netz von gut 50 Außenla- gern angegliedert wurde. Über 40.000 Häftlinge, davon etwa zwei Drittel in den Außenlagern, gehörten diesem Komplex des Terrors an, dessen der Vater Emil ist Arbeiter und an der den Bedingungen der katastrophalen Prinzipien „Arbeit und Vernichtung“ Front. „Nie wieder Krieg“ ist seine Versorgungslage … und unter den waren. Botschaft, er begründet 1919 mit Augen der SS. Am 30. April 1945 Im vorliegenden, wissenschaftlich nicht anderen die KPD in Feuerbach. In werden die Geislinger Häftlinge in mehr taufrischen Band beschreiben diesem Milieu sind Gertruds Stati- Allach bei München befreit. sieben Autor/-innen am Beispiel der onen vorgezeichnet: „Junge Pioniere“ Im Herbst 1947 bekommt sie eine Vor- Außenlager Bisingen, Hessental, mit 6, Mitglied im „Kommunistischen ladung vor die Spruchkammer, nach Mannheim-Sandhofen, Leonberg, Vai- Jugendverband“ mit 15; Mithilfe bei dem Gesetz „zur Befreiung von Natio- hingen sowie der Neckarlager einer- allen Parteiarbeiten des Vaters, etwa nalsozialismus und Militarismus“(!). seits die Funktionszusammenhänge bei der „Internationalen Arbeiterhilfe“. Fünfzehn Geislinger Häftlinge hätten im NS- und KZ-System, andererseits „Ich bin mit der Solidarität aufge- ausgesagt, dass Gertrud Müller sie die Lebens- und Leidensbedingungen wachsen“, sagt sie im Rückblick. geschlagen hätte; diese sprach von der Häftlinge, und drittens die „Organi- Im März 1933 macht sie an der Stutt- Disziplin-Maßnahmen bei Essensdieb- sations“-Strukturen der Lager. garter Handelsschule ihren Abschluss stahl. Sie wird zunächst als „Belastete“ Das Werk stellt einen guten Überblick … gleichzeitig verschwinden im zu zwei Jahren Arbeitslager, und in der dar, der weiterreichende Ergebnisse KZ Heuberg viele der Feuerbacher Berufungsverhandlung im Mai 48 der Forschung zusammenfasst. Es Genossen … und berichten danach als „Hauptschuldige“ zu vier Jahren sollte bei keinem Interessierten und hinter vorgehaltener Hand. Sie wird Arbeitslager verurteilt. in keiner Bibliothek fehlen. Wichtig: selbst 1933 zweimal verhaftet, kommt Ehe sie 1950 in Ludwigsburg völlig Im kommenden Herbst 2005 wird frei, hält Kontakt zu Genossen, die in rehabilitiert wird, sitzt sie zwei Jahre in Natzweiler die Gedenkstätte neu Haft oder in „Freiheit“ sind. Sie heiratet lang unter lauter Nazis im Internie- eröffnet, wobei auch die heute auf 1937 den Arbeiter und Kommunisten rungslager Ludwigsburg ... Es stellt deutschem Boden befindlichen Hans Müller. sich heraus, dass mehrere ehemalige Außenlager dokumentiert sind. (sl) 1942 erneute Verhaftung und Einwei- Nazis bei ihrer Verurteilung die Hand sung ins Lager Rudersberg; schließlich im Spiel gehabt hatten. im Oktober 1943 Verschleppung ins So spricht viel für das Fazit der Auto- Frauen-KZ Ravensbrück, sie überlebt rinnen: In den Spruchkammer-Ver- Zum Beispiel Vaihingen: mit Glück. Von dort wird sie ein Jahr fahren gegen Gertrud Müller ging es mal hinfahren! später in ein Außenlager des KZ Natz- im Klima des Kalten Krieges darum, weiler, nach Geislingen an der Steige durch die Beschuldigung einer Kom- 1. KZ-Gedenkstätte Vaihingen/Enz: gebracht. Die etwa 800 weiblichen munistin „die nationalsozialistischen Im Blick zurück – kein Vergessen: jüdischen Häftlinge dort – u. a. aus Täter und Täterinnen verschwinden Erinnerungen von Wendelgard von Polen und Ungarn – waren Zwangs- zu lassen, unsichtbar zu machen …“ Staden an die Häftlinge des KZ arbeiterinnen bei WMF. Gertrud Müller Fazit: sehr lesenswert! Wiesengrund, Vaihingen 2004, Film, wird von der SS zum „Anweisungs- 19 min. häftling“ gemacht, hat also plötzlich 2. KZ-Gedenkstätte Vaihingen/Enz: eine existenzielle Befehlsgewalt unter

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Die andere Reise. Amsterdam – KZ Essays von Jürgen Zarusky, Stanislav denn in ihm wird die historische Vaihingen an der Enz. Zamecnik, Barbara Distel und Wolf- Entwicklung des Arbeitsbegriffes in Erinnerungen des ehemaligen gang Benz umreißen den „Kosmos Deutschland bis in die Gegenwart Häftlings Jules Schevis, Dachau“ in seinen wichtigsten behandelt, insbesondere die antise- Vaihingen 2003, Film, 20 min. Aspekten. mitischen Implikationen der Wendung DVD mit beiden Filmen: 20€ plus Texte und Bilddokumente liegen auch von „der deutschen Arbeit“ im Natio- Porto; Bestellung: Gedenkstaette- als CD dem Buch bei. nalsozialismus. [email protected] So ist diese Publikation ein inhaltlich Die norddeutschen „Beiträge“ sind und gestalterisch überzeugendes auch im hier vorliegenden Band 8 ein Eines der ehemaligen Außenlager des Begleitinstrument nicht nur für jeden würdiges Pendant zu den mehr an KZ Natzweiler, das KZ „Wiesengrund“ Dachau-Besucher und Dachau-Inte- Süddeutschland orientierten „Dach- in Vaihingen/Enz (ab Frühjahr 1944), ressierten, sondern auch für all die auer Heften“. Zu begrüßen ist, dass ist heute eine sehr rührige baden- Nachgeborenen geworden, die Bilder die norddeutschen „Beiträge“ auch württembergische Gedenkstätte brauchen zur Vorstellung des Unvor- ein Drittel des Bandes aktuellen Nach- geworden (Öffnungszeiten: So. 14 bis stellbaren. (sl) richten aus der Gedenkstättenarbeit 17 Uhr; tel. 07042-81 77 51). Neben widmen. Fazit: wichtig und lesens- dem Neubau eines Info-Zentrums wert. (sl) in der Nähe der KZ-Relikte, sind nun auch zwei interessante Medien Zwangsarbeit und kein Ende? zum Info-Angebot gekommen. Da ist einerseits der Video-Bericht von KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.): Hilfe bei der Suche Wendelgard von Staden, geborene Zwangsarbeit und Gesellschaft. nach Personen von Neurath, deren Mutter Irmgard Beiträge zur Geschichte der natio- am Ende des Krieges den im nahe nalsozialistischen Verfolgung in Deutsche Dienststelle Berlin (Hg.): gelegenen Hofgut der Neuraths einge- Norddeutschland, Narben bleiben. Die Arbeit der setzten Häftlingen zu helfen versuchte. Bremen (Edition Temmen), 2004 (Bei- Suchdienste – 60 Jahre nach Und da ist andererseits der Bericht träge zur Geschichte der nationalsozia- dem Zweiten Weltkrieg, Pößneck des ehemaligen holländischen Häft- listischen Verfolgung in Norddeutsch- 2005 (zu beziehen über: Volksbund lings Jules Schelvis. land, Bd. 8), 226 S., 12,90 €. Deutsche Kriegsgräberfürsorge, W.- Beides sind Zeugnisse, die Dauer Hilpert-Straße 2, 34112 Kassel; mail: haben werden - im Gegensatz zum „Zwangsarbeit und kein Ende?“ lautet [email protected]) Leben derer, die die Geschehnisse die Eingangsfrage im Editorial des erlebt und erlitten hatten. (sl) vorliegenden Bandes. Und der ganze Das gigantische Zerstörungswerk Band gibt die Antwort: für diese und von Nationalsozialismus und Zweitem die nächsten Generationen gibt‘s kein Weltkrieg betraf fast ganz Europa; Ende. Denn einerseits wurden Milli- es hat neben fast 60 Millionen Toten Der Katalog zur neuen Dachau- onen von Zwangsarbeitern (von denen auch über eine Million bis heute unge- Ausstellung ist da heute höchstens noch einige Zehn- klärter Schicksale hinterlassen. Heute tausend leben) nie oder nur minimal fragen überdies Tausende nach dem Comitée Internationale de Dachau, entschädigt, und andererseits sind Schicksal, nach Leidensweg oder Barbara Distel, KZ-Gedenkstätte Kenntnisse über die Erscheinungs- Karrieren von damals überlebenden, Dachau (Hg.): formen und die Begründungen der aber heute längst verstorbenen Ange- Katalog zur Ausstellung „Kon- Zwangsarbeit im Nationalsozialismus hörigen. zentrationslager Dachau 1933 bis immer noch ein aufschlussreiches Auch für die Ulmer Gedenkstätte ist 1945“ (mit CD), München 2005, 228 Lernfeld. es eine fast alltägliche Aufgabe, auf S., 15,00 € Die Beiträge der zehn Autor/innen im solche Fragen zu antworten bzw. wei- Hauptteil befassen sich mit den ver- terzuhelfen. Kurz vor dem 60. Jahrestag der schiedensten Formen von Zwangsar- Dafür ist nun ein äußerst wertvolles Befreiung des Konzentrationslagers beit im NS-Staat. So z. B. mit der von Hilfsmittel erschienen: eine Darstel- Dachau im Mai 2005 ist nun auch der Kriegsgefangenen, von weiblichen KZ- lung von Aufgaben und Möglichkeiten Katalog zum Riesenprojekt der Neu- Häftlingen, von „jüdisch Versippten“ . der wichtigsten, aber auch der mehr gestaltung der Dachauer KZ-Gedenk- Daneben steht die „Zwangsarbeit in entlegenen deutschen und internatio- stätte, das seit seinen Anfängen ein der Landwirtschaft“, das Schicksal nalen Suchdienste und Archive zum Jahrzehnt in Anspruch genommen von „Kindern polnischer und sow- 2. Weltkrieg. Aufgenommen sind u.a.: hat, erschienen. jetischer Zwangsarbeiterinnen“, die verschiedenen Suchdienste des Gut tausend Bilder und Texte aus von Zwangsarbeit in so genannten Roten Kreuzes bis hin zum Interna- der neuen Ausstellung illustrieren und „Arbeitserziehungslagern“ . tionalen Suchdienst in Arolsen; die erläutern Vorgeschichte, Geschichte Ein Schlüsselbeitrag ist in einer ehemalige „Wehrmachts-Auskunfts- und Nachgeschichte dieses neben kleinen Rezension des Buches von stelle“, heute „Deutsche Dienststelle“; Auschwitz wohl weltweit bekann- Holger Schatz und Andrea Woeldike der „Volksbund Deutscher Kriegsgrä- testen deutschen KZ. Vier einleitende (Freiheit und Würde deutscher Arbeit, berfürsorge“; aber auch die Archive in Hamburg/Münster 2001) versteckt; Russland. (sl)

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„Nationalsozialistisches Fazit: für Kenner und Interessierte eine Seine systematischen Forschungen Kraftfahrkorps“ erhellende, detaillierte Gesamtdar- begannen in den 90er Jahren mit stellung, für Laien äußerst spannend dem Eintritt in das Rentenalter. Unter Dorothee Hochstetter: zum Quer-Lesen. Und für alle eine seinen Publikationen stand am Anfang Motorisierung und „Volksge- Anregung , den „Mythos Auto“ in der (2000) die Monographie über Eugen meinschaft“. Das Nationalsozia- Bundesrepublik im historischen Licht Grimminger („Widerständler und listische Kraftfahrkorps (NSKK), besser zu verstehen. (sl) Genossenschaftspionier“, 1931 – 1945, München (Oldenbourg) 2000). Grimminger war Freund und 2005, 540 S., 69,80 €. Kollege von Robert Scholl und wich- Einstein für den Unterricht tiger Finanzier der Flugblattaktionen Unter den diversen Unterorganisati- der Münchener Studenten. onen der NSDAP ist das NSKK, wie Diana Sprick, Stephan Reuter: Danach folgten, herausgefordert von das „Nationalsozialistische Kraftfahr- Wer war Albert Einstein? Eine allerlei Widersprüchen in der vorhan- korps“ abgekürzt genannt wurde, im fächerübergreifende Projektmappe für denen Weiße-Rose-Literatur, 2001 Nachkriegs-Gespräch der Deutschen die Sekundarstufe, Müllheim (Verlag zwei gebundene Manuskripte, zuerst über die „braune Zeit“ gerne zur an der Ruhr) 2005; 70 S., 18,60 €. zu den Geschwistern Scholl, dann „unpolitischen“ Kraftfahrer-Vereinigung zur „Weißen Rose“. Und nun ist 2005 klein geredet worden. Von F. J. Strauss Im Ulmer Einstein-Jahr 2004 und die vertiefte Zusammenfassung dieser wurde z. B. immer gesagt, er sei ja insbesondere im internationalen Ein- Vorstudien, wiederum als Manuskript, „nur beim NSKK Motorrad gefahren“. stein-Jahr 2005 sind Unmengen neuer erschienen. Nun ist die erste wissenschaftliche Publikationen erschienen, von denen Hier finden sich auf den ersten gut Gesamtdarstellung des NSKK wir eine herausgreifen wollen. Denn in hundert Seiten „Fakten, Fragen, erschienen, und zumindest von nun ihr geht es um die didaktische Vermitt- Streitpunkte“, unter letzteren z.B. an müssen die Akzente etwas anders lung an Schüler von der 7. bis zur 11. die Aspekte, „Wer war der Kopf der gesetzt werden. Klasse. Die Themen reichen von der ‚Weißen Rose‘?“, „War es eine poli- Wie keine andere politische Bewe- Biografie über die physikalischen Leis- tische Widerstandsbewegung?“, „Die gung hat die NSDAP den in den tungen bis hin zu den Nachwirkungen Bedeutung der Religion?“ 20er-Jahren aufblühenden Mythos und Vermarktungen in den letzten 50 Die Stärke Zieglers ist, dass er prinzi- vom Auto als Inbegriff von Modernität, Jahren Einsteins. piell die gesamte Weiße-Rose-Literatur Freiheit und Unabhängigkeit aufge- Auch wenn die wichtigsten Aspekte in den Blick nimmt und insbesondere griffen und mittels NSKK in ihre propa- zu Einsteins Leben (z. B. Familie, die neue Literatur dahin überprüft, gandistische Selbstdarstellung über- Kindheit, Schule, Nationalsozialismus, welche Erkenntnisfortschritte sie nommen. Goebbels sagt 1938: „Das Judentum, Pazifismus, Krieg, Atom- bringt. Von ganz besonderem Wert 20. Jahrhundert ist das Jahrhundert bombe, …) nur auf jeweils einer sind im zweiten Teil der vorliegenden des Motors, ein wahrhaft modernes Seite zusammengefasst sind, werden Publikation die „Lebensbilder“ der Zeitalter, das nicht nur auf dem Gebiet überall links zu weiteren Infos, die sechs Kerngestalten der Weißen Rose der Anschauung und Politik, sondern sich die Schüler leicht „herunterladen“ und danach „Kurzinformationen“ zum auch auf dem der Technik von wahr- können, angegeben. Beitrag von 32 weiteren „Menschen im haft revolutionären Neuerungen und Fazit: Ein, wie uns scheint sinnvoller Umfeld der Weißen Rose‘“ in Bezug auf Erfindungen gekennzeichnet ist.“ Ulm Versuch, das Jahrhundert-Genie die Widerstandsaktionen. Gut ist, dass stand im Zentrum der nationalsozia- ganzheitlich in die Schule zu holen dabei auch Negativfiguren wie die NS- listischen Indienstnahme der Moto- – ob der Versuch erfolgreich ist, wird Richter Cuhorst und Freisler oder der risierung für die Partei-Propaganda: die Praxis erweisen. (sl) von den Scholls sehr positiv gesehene Hier wurden bei Magirus ab 1933 Ulmer Gestapo-Mann Rechtsteiner die beiden „größten Autozüge“ der und der Ulmer Gestapo-Zuträger damaligen Welt produziert. Sie dienten Neuestes zur Weißen Rose Albert Riester genannt werden. einerseits der Parteipropaganda und andererseits der logistischen Unter- Armin Ziegler: All das Gebotene ist ein „work in pro- stützung von Partei-Massenveranstal- Es ging um Freiheit! Die Geschichte gress“, immer hilfreich, nie vollständig, tungen. der Widerstandsgruppe „Weiße dauernd auf der Suche: Und was Die Autorin handelt in elf Kapiteln u. a. Rose“ – Fakten, Fragen, Streit- das Tolle ist, die Suche kann man „Organisation und Aufbau“ des NSKK, punkte, Menschen“, im Selbstverlag am Internet nicht nur mitverfolgen, die „Ideologie und Praxis der NS-Moto- erschienen, Schönaich 2005; 184 man kann sich auch dran beteiligen: risierungspolitik“, die Resonanz in der S., 25,00 € (zu bestellen beim Autor, www.weisse-rose-studien.de. HJ („Motor-HJ“), den Motorsport, die Amselweg 4, 71101 Schönaich), „Was ist es, was an der Geschichte Beziehungen zur Automobilindustrie http://www.weisse-rose-studien.de der ‚Weißen Rose‘ so fesselt, dass und zur NS-Verkehrsplanung ab. Das man sie auch für sich nicht abschließt Buch gipfelt in der Beschreibung der Schon mehrfach wurde in den Mittei- und immer weiter fragt?“ vermerkt Beteiligung des NSKK an Verfolgung lungen auf ihn hingewiesen: auf Armin Ziegler eingangs seiner Studie; und er und Ermordung der Juden sowie an Ziegler, den zur Zeit wohl aktivsten antwortet mit dem, was ihn fesselt: der Krieg und Kriegsverbrechen zwischen und anregendsten privaten Weiße- immer aktuelle „Kampf für die persön- 1939 und 1945. Rose-Forscher in der Bundesrepublik. liche Freiheit“. (sl)

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Die Geschichte einer Umkehr: eine gemeinsame Zukunft zerstört, Da die Altersgruppe der heutigen Fritz Hartnagel trägt er das Vermächtnis weiter; noch „jungen Alten“ als Kinder und Jugend- während des Krieges, und dann in liche einerseits von den Einflüssen Hermann Vinke: der jungen Bundesrepublik, und nationalsozialistischer Jugenderzie- Fritz Hartnagel. Der Freund von besonders auch in Ulm: als Richter, hung im Krieg und andererseits von , Zürich/Hamburg auf Ostermärschen, in der Friedens- den Erfahrungen des „Umbruchs“ (arche) 2005; 266 S., 19,90 €. bewegung, bei der Beratung von 1945 und der unmittelbaren Nach- Kriegsdienstverweigerern. kriegszeit tief geprägt wurden, lag es Das republikweite Bekanntwerden im nahe, diesem Lebens-Thema nach- Februar 2003 des Vorhandenseins Das Buch ist das Portrait einer Umkehr. zugehen. eines sechs Jahre anhaltenden Brief- Der Umkehr einer bedeutenden Ulmer wechsels zwischen Sophie Scholl und Persönlichkeit, die den Geist und his- Herausgekommen sind zwei ansehn- Fritz Hartnagel hat zwei Buch-Editi- torischen Charakter dieser Stadt, der liche Publikationen mit Einzelbeiträgen onen zur Folge: einmal eine monogra- in großen Zügen ein von Militär und von 12 bzw. 16 Autor/-innen. Wäh- phische Darstellung zu Fritz Hartnagel Soldatentum geprägter war, weit mehr rend der erste Band sich mehr aus von Hermann Vinke (erschienen verkörpert als etwa Sophie Scholl. autobiographischen Erinnerungen im März 2005), zum zweiten eine Manches an diesem Buch – insbeson- zusammensetzt, sind mit dem zweiten Ausgabe der Briefe durch Thomas dere die Profilierung des Ulmer - Hin Band weitergehende historische Hartnagel (erscheint im Juli 2005). tergrunds – scheint in Eile und daher Recherchen verbunden. Besonders Während Vinke sein Buch am 8. März unterschiedlich genau gemacht. Es ist interessant ist das im ersten Band aus in Ulm vorstellte, wird dies Hartnagel auf eine überarbeitete zweite Auflage 15 kleinen Beiträgen zusammenge- am 11. Oktober tun (vgl. S. 31). zu hoffen. Trotzdem: Wem die Weiße setzte Kapitel zu den Erfahrungen mit Rose in Herz und Verstand liegt, der den Grenzen der französischen und Vinke war vor fast 20 Jahren mit liest das Buch mit Gewinn. (sl) der amerikanischen Besatzungszone „Das kurze Leben der Sophie Scholl“ in der Ulmer Region und anderswo. bekannt geworden; ein Buch, in dem Auch in Beiträgen zur Wohnungsnot er wie kaum ein Autor zuvor, der Per- „Junge Alte“ auf den Spuren ihrer im zerstörten Ulm, zum Schulbetrieb sönlichkeit Sophies nahe kam. Damals Jugend in der Nachkriegszeit bis hin zur Währensreform wird viel schon hatte er ausführliche Gespräche Zeit-Kolorit vermittelt. mit dem da noch lebenden Fritz Hart- 1. Carmen Stadelhofer; Margit Ste- Im 2005 erschienenen Band ist ein nagel für seine Darstellung genutzt. phan, Zentrum für allgemeine Wissen- Leitthema die Verwaltung Ulms durch Jetzt kamen viele weitere Gespräche schaftliche Weiterbildung der Univer- die amerikanische Besatzungsmacht dazu, insbesondere mit Elisabeth sität Ulm (ZAWiW), Hg.: in all ihren Verästelungen. Dabei ist Hartnagel, Sophies Schwester und Besatzungszeit 1945 - 1949. Erin- von großem Interesse der Beitrag Hartnagels Frau seit Oktober 1945, nerungen und Nachforschungen über das riesige Internierungslager in aber auch mit politischen Wegge- aus dem Ulmer Raum und anderen Ludwigsfeld, es ist bisher auch kaum fährten Hartnagels in den 50er und Regionen, wissenschaftlich behandelt worden. 60er Jahren. Vor allem aber kam dazu Ulm 2002; 110 S., 8,00 €. Eine Grundaussage zum Wandel des die Einsicht in den riesigen Bestand persönlichen Erinnerns zwischen der Briefe, die Fritz und Sophie seit 2. Dieselben: 1945 und heute, die für fast alle ihrem Kennenlernen 1937 gewechselt Nachkriegszeit in Ulm 1945 – 1949. Artikel von Bedeutung ist, spricht hatten. Einfluss der US-Besatzungsmacht Wolfgang Walther (geboren 1929) aus: Sie waren damals sechzehn und auf das Leben in Ulm und Neu- „Wenn ich an diese Nachkriegsjahre zwanzig: der in Ulm geborene Fähn- Ulm, zurückdenke, wird mir bewusst, dass rich und angehende Berufsoffizier Fritz Ulm 2005; 124 S., 9,00 € (Bestellung: sich meine Einschätzung mancher Hartnagel (1917 – 2001) und die Ober- ZAWiW/Uni Ulm, 89069 Ulm; tel: Vorgänge mit der zeitlichen Distanz schülerin Sophie Scholl (1921 – 1943). 0731-5002-3193; www.zawiw.de) verändert hat. Frühere Erinnerungen Zwei Jahre später beginnt der Zweite waren noch stark von Emotionen Weltkrieg. Hartnagel dient an der Das „Zentrum für Allgemeine Wissen- geprägt, die aus dem Zusammen- Front dem NS-Regime, bis hin nach schaftliche Weiterbildung“ an der Uni- bruch des Dritten Reiches und dessen Stalingrad. Sophie Scholl schließt sich versität Ulm (ZAWiW) hat sich die Wei- Folgen resultierten. Viele Erfahrungen, dem studentischen Widerstand der terbildung von älteren Erwachsenen, die wir damals als Zumutung oder gar „Weißen Rose“ eben gegen dieses meist solchen, die ihre Berufstätigkeit als Schikanen der Sieger empfunden Regime an. Freundschaft und Liebe abgeschlossen haben, zur Aufgabe hatten, erscheinen mir heute verständ- zwischen den beiden verändern Sicht gemacht. Seit den Neunziger-Jahren lich bzw. für den damaligen Neubeginn und Einstellungen von Fritz zu Krieg haben sich in diesem Rahmen mit zwingend.“ (2002, S. 99) und Regime, sie scheinen umgekehrt dem Programm „Forschendes Fazit: spannende Lesebücher für die Sophie noch entschiedener in ihrem Lernen“ Gruppen gebildet, die auf Generation der Betroffenen … und Widerstandshandeln gemacht zu verschiedensten Wissensgebieten, so hoffentlich auch für deren Enkel. (sl) haben. Als Sophies Hinrichtung am auch auf dem der Ulmer Regionalge- 22. Februar 1943 die Hoffnung auf schichte, aktiv sind.

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Das Ulmer Befreiungsfest am In Unterkirchberg, in der Nacht Topographie des Terrors/Berlin, der 8. Mai … vom 24. auf den 25. April 1945, … Gedenkstätte Deutscher Widerstand/ … hatten wir zusammen mit 25 Ulmer … ereignete sich 10 km von Ulm ent- Berlin sind online nunmehr zu errei- Organisationen rund um die Gedenk- fernt, wo die 7. Armee der US-Army chen: http://www.zeitgeschichte- stätte auf dem Oberen Kuhberg ver- schon angekommen war, eine jener online.de/alg-agg/. anstaltet. Das Programm war vielge- letzten Wahnsinnstaten des NS- Die DZOK-Bibliothek gehört (noch?) staltig: Saxophon- Swing , Klassische Regimes, die Methode hatten: weil sie nicht zu diesem Verbund, da das Per- Musik, türkische Folklore, Freudentöne keine Panzersperren gegen die heran- sonal dazu fehlt. auf dem Piano und durch die Bläser- rückenden Alliierten wollten, um den Erwähnenswert an der Tagung ist Band „Trötenwahn“, „Young blood Ort vor der Zerstörung zu bewahren, die Vorstellung des Dokumentations- grave jazz“ stellten den musikalischen wurden auf Anweisung des Orts- und Informationszentrums Torgau Teil dar. Einige inhaltliche Angebote: gruppenleiters Nothelfer drei Bürger zur Geschichte der Torgauer militä- Eine neu gemachte Ausstellung über des Dorfes wegen „Defätismus“ rischen Strafverfolgungsinstitutionen Deserteure am Beispiel Ulms; eine erschossen: der Land- und Gastwirt während des »Dritten Reichs«, und Lesung Ulmer Texte zum Kriegsende Georg Gerlach, der Schmied Georg dann auch während der sowjetischen und zur Befreiung April 1945; Zeitzeu- Hermann, der Jungbauer Eugen Behr. Besatzungszeit und der DDR (http: gengespräche zu Kriegserfahrungen Nun wurde 60 Jahre später für sie //www.stsg.de). Des Weiteren wurden im Umfeld der „Weißen Rose“ mit Eli- in ihrer Gemeinde ein Gedenkstein besucht: das Archiv des Zentrums sabeth-Scholl-Hartnagel sowie mit Otl errichtet. Ein Zeitzeugenbericht unter Judaicum, mit seinem reichhaltigen Aichers Schwester Hedwig und Sohn http://www.illerkirchberg.de (sl) Archiv- und Sammlungsgut (http: Julian; ein Vortrag über „Kriegskinder //www.cjudaicum.de); das deut- aus dem 2. Weltkrieg, ein Zeitzeugen- sche Institut für Menschenrechte gespräch zu „Flucht und Vertreibung“. (http://www.institut-fuer-menschen- Dazu kamen ein Dutzend Infostände, Die Bibliotheken deutscher rechte.de), das im März 2001 Getränke-Ausschank, Verköstigung Gedenkstätten … gegründet wurde. Es informiert über … und 80 Bier-Garnituren. Letztere … haben in der Regel zweimal jährlich die Menschenrechtslage im In- und freilich waren weitgehend leer, da die ein Treffen. Anfang März fand in der Ausland und betreibt Bildungsar- Außen-Temperaturen bei etwa 5 Grad „Stiftung Topographie des Terrors“ in beit. In diesem Kontext ist in diesen Celsius lagen. Dies war der einzige Berlin das 14. Treffen der „Arbeitsge- Wochen die Publikation mit dem Titel eindeutige Misserfolg – trotzdem meinschaft der (ungefähr 30) Gedenk- „Kompass“ erschienen. (IW) kamen fast 1000 Besucher zwischen stättenbibliotheken“ (= AGGB) statt. 11 und 17 Uhr. Sehr viele kostenlose Ilona Walosczyk hat an dem Treffen Beiträge, praktische Hilfen und einige teilgenommen und dabei die Arbeit Nach Christoph Probst … Finanzspritzen ermöglichten einen des DZOK vorgestellt. … wurde am 9. März die Realschule einigermaßen ausgeglichenen Fest- Die Bestände von drei deutschen Biblio- Neu-Ulm benannt. Es ist die zweite Haushalt von etwa 1200 €. (sl) theken, nämlich der des Hauses der Schule in Deutschland (die erste Wannseekonferenz/Berlin, der Stiftung war das Gymnasium in Gilching bei München), die nach Probst, einer der Hauptgestalten der Wider- Infostände am Ulmer Befreiungsfest am 8. Mai standsgruppe der Weißen Rose (Forto: Sobkowiak; A-Dzok, 6/05) benannt wurde. Probst, geboren am 6. November 1919 in Murnau am Staffelsee, war bei seinem Tod Student der Medizin und Vater dreier Kinder. Er wurde am 22. Februar 1943 zusammen mit Hans und Sophie Scholl zum Tod verurteilt und hinge- richtet. Unter den Gästen der Benennungs- feier waren u. a. die Witwe von Christoph Probst, Herta, geb. Dohrn und Elisabeth Hartnagel-Scholl. Dr. Michael Probst, der älteste Sohn, hielt die Gedenkansprache. Christoph Probst wurde hingerichtet, weil von ihm bei ein Flug- blatt-Entwurf gefunden wurde. Darin hieß es u.a.: „Heute ist ganz Deutsch- land eingekesselt wie es Stalingrad war. Soll[en] dem Sendboten des Hasses und des Vernichtungswillens alle Deutschen geopfert werden[?]

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Ihm, der die Juden zu Tode mar- Richard W. Sonnenfeldt, einstmals Pfizer, geboren 1894, war während der terte, die Hälfte der Polen ausrottete, Schüler in Anna Essingers „New gesamten NS-Zeit höherer Beamter Russland vernichten wollte, ihm der Herrlingen“ … bei der Reichsbahn gewesen und Euch Freiheit, Frieden, Familienglück, … hat jetzt seine Autobiografie her- hat selbst nie über den Inhalt seiner Hoffnung und Frohsinn nahm und ausgegeben Der Titel des Fischer- Tätigkeit dort Auskunft gegeben. Viele dafür Inflationsgeld gab. Das soll, das Taschenbuches lautet: „Mehr als ein Gerüchte zu einer möglichen Invol- darf nicht sein! Hitler und sein Regime Leben. Vom jüdischen Flüchtlings- viertheit Pfizers z. B. in Reichsbahnak- muss fallen, damit Deutschland weiter jungen zum Chefdolmetscher der tionen bei der Deportation von Juden lebt. Entscheidet Euch … Und wenn Anklage bei den Nürnberger Pro- können archivalisch bisher nicht belegt Ihr Euch entschieden habt, dann han- zessen“. Sonnenfeldt konnte Ende der werden. Die Personalakten über seine delt.“ (Zitiert nach Armin Ziegler, Es 30er Jahren nach England emigrieren Reichsbahn-Zeit sind bisher nicht auf- ging um Freiheit! 2005, vgl. S. 21) und wurde Schüler in Anna Essingers findbar. bis 1933 in Herrlingen bei Ulm ange- Die Ulmer SüdwestPresse meinte siedeltem Internat „New-Herrlingen“ zum Namensvorschlag „Einstein“, Nach Inge Aicher-Scholl … in Süd-England. Er beschreibt u. a. der sei wohl etwas zu hoch gegriffen, … wurde wenige Wochen später, sehr intensiv die damals revolutionär die Universität sei für eine solche am 30. April, die zweite Realschule fortschrittlichen Erziehungsmethoden Benennung geeigneter. Wie bekannt, der Stadt Neu-Ulm, im Ortsteil Pfuhl, der Schule. hatte die baden-württembergische benannt. (1917 - 1997), Übrigens: in einem der Gebäude des Kultusverwaltung die Benennung der die älteste Schwester der Geschwister ehemaligen „Landschulheims Herr- jungen Ulmer Universität nach Einstein Scholl, hat nach dem Krieg wie wohl lingen“ etablierte sich 1985 ein Verein, in den 70er-Jahren aus verschiedenen keine zweite Bürgerin der Region Ulm/ der die historische Erinnerung verband Gründen abgelehnt. Neu-Ulm Zukunftsweisendes auf den mit gegenwärtiger Bildungsarbeit Ein DZOK-Vorschlag, falls weitere Weg gebracht. Sie hat im Geist der zu allen Aspekten der sogenannten Benennungen in Ulm anstehen: Weißen Rose zur Entstehung und zum „Dritten Welt“. Das „Haus Unterm Robert Scholl, erster Nachkriegs- Wirken von Institutionen beigetragen, Regenbogen, e. V.“ feierte jetzt Oberbürgermeister mit nachweisbar die den Ulmern, den Deutschen seinen 20. Geburtstag (www.haus- demokratisch-widerständigem Vor- halfen, auf der Basis humanistischer unterm-regenbogen.de). Wir gratu- leben vom Ersten bis zum Ende des Traditionen Anschluss zu finden an lieren! (sl) Zweiten Weltkriegs, wäre ein sehr den demokratisch-pazifistischen Kon- würdiger Namenspatron … (sl) sens Europas. So war sie – zusammen mit ihrem späteren Mann Nach Albert Einstein, … – nicht nur beteiligt am Aufbau der … dem 1879 in Ulm geborenen Welt- „Hochschule für Gestaltung“. Sie hat bürger, soll nun das Wiblinger Schul- Die Ausstellung über Albert auch 28 Jahre lang die großartige zentrum benannt werden. Wie Leser Einsteins Leben und Werk, … Ulmer Volkshochschule geleitet. Und der Mitteilungen (Nr. 41/42) wissen, … die im vergangenen Jahr in Ulm nicht vergessen: sie hat zusammen war ursprünglich im Frühjahr 2004 der gezeigt wurde (vgl. Mitteilungen 41), mit Otl Aicher nicht nur ab 1970 die Name des Ulmer Oberbürgermeisters ist in einer erweiterten Fassung nun Grundlagen einer Ulmer KZ-Gedenk- von 1948 bis 1972, Theodor Pfizer, als auch im Historischen Museum in Bern stätte im Fort Oberer Kuhberg zu legen Namenspatron genannt worden. zu sehen: und zwar vom 16. Juni bis geholfen; sie stand auch bis zu ihrem Als sich Lehrer und Schüler gegen zum 17. April 2006. Projektleiterin Tod in lebendigem Kontakt zu Silvester diese nicht von ihnen gekommene (zusammen mit Peter Jezler) ist wie- Lechner und seiner Ulmer Arbeit; Benennung wehrten, hat die Stadt- derum – wie in Ulm – Anne Schmidt. unvergessen z. B. ist das Zusammen- spitze von ihrem Vorschlag Abstand Wie bekannt, lebte Einstein 1905, also wirken bei einer Demo gegen den genommen und einen Platz hinter vor 100 Jahren, in Bern, als er u. a. Landesparteitag der „Reps“ in Ulm, in der neuen Stadtbibliothek Ulms nach die Formel für seine Relativitätstheorie den 90er Jahren. (sl) Pfizer benannt. fand.

Ein Praktikum der beiden dzokkis Jacob und Victor … … am DZOK verlief für alle Betei- ligten positiv. Die beiden Schüler der 11. Klasse des Humboldt-Gymna- siums erarbeiteten in zwei Wochen Das Foto zeigt links für sich eine „Musterführung“, die sie Jacob Schneikart und am letzten Praktikumstag gleich an rechts Victor Gerstner, dazwischen Gedenk- der eigenen Klasse ausprobierten. s t ä t t e n p ä d a g o g i n Mittlerweile gehören sie zum „Stamm“ Annette Lein und die derjenigen Jugendlichen rund ums mittlerweile studierende Marlene Jahnke, bis DZOK, die regelmäßig Führungen für 2004 ebenfalls aktives Gleichaltrige anbieten. (sl) dzokki-Mitglied. (Foto: Lechner, A-DZOK 3/05)

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Auch in der Berner Ausstellung ist das Das „Holocaust-Mahnmal“ in Nähere Infos: info@stiftung- Ulmer Dokumentationszentrum mit Berlin … denkmal.de. Besucher-Service: einigen Leihgaben aus dem Nachlass … (genaue Bezeichnung „Denkmal 030-74 07 2929 (hotline); mail: von Alfred Moos, vertreten. Moos‘ für die ermordeten Juden Europas“) [email protected]. Großmutter Friederike und Einsteins wurde im Winter fertig gestellt und am Wichtiger Literatur-Hinweis: Claus Vater waren Geschwister gewesen. 8. Mai offiziell zugänglich gemacht. Leggewie/Erik Meyer, „Ein Ort, an Zusätzlich zur Ausstellung gibt es zahl- Zum Stelenfeld von Peter Eisen- den man gerne geht.“ Das Holo- reiche weitere Veranstaltungen rund mann gehört ein unterirdischer „Ort caust-Mahnmal und die deutsche um Einstein, z. B. einen „Erlebnispark der Information“, in dem auch die Geschichtspolitik nach 1989, Mün- Physik“ und ein „Energie-Spektakel“. Gedenkstätten der Bundesrepublik chen/ Wien(Hanser) 2005. (sl) Ein Besuch lohnt sich! Infos: http:// kurz portraitiert sind. Auch die Ulmer www.bhm.ch; [email protected]. (sl) KZ-Gedenkstätte findet sich darunter.

An die Opfer des aus Günzburg stammenden KZ-Arztes Josef Mengele … … erinnert jetzt ein Mahnmal im Hof des Günzburger Dossenberger- Gymnasiums, das von Schülern zweier Gymnasien erarbeitet und am 8. März der Öffentlichkeit übergeben wurde. Dies ist ein bedeutsamer Schritt im Umgang dieser Stadt mit dem Mengele-Erbe. Über ein halbes Jahrhundert überwog die Zurückwei- sung einer besonderen historischen Verantwortung seitens großer Teile der Bürgerschaft. Viele fühlten sich gar als „Opfer“ von außen kommender Fragen und „Anschuldigungen“ (vgl. das Buch von Sven Keller, Günzburg und der Fall Josef Mengele). Nun scheint mit einer neuen Gene- ration die Zeit gekommen, in der die Günzburger die Erinnerung an die wirklichen Opfer, nämlich die des Josef Mengele, in den Mittelpunkt Von Tokyo bis Ellwangenreichen Gruppen, die jedes Jahr wieder das Ulmer ehemalige KZ besuchen. stellen könnten. Auf dem Mahnmal Unten die über das Reisebüro „Miki“ in Frankfurt vermittelte Gruppe der sozialwissenschaftlichen Schule ist der Auschwitz-Überlebende Jean Tokyo, am 23. Januar (mit DZOK-guide Martin König); oben die 9. Klasse der Eugen-Bolz-Realschule Ell- wangen mit Lehrer Koch, in der Mitte DZOK-Mitarbeiterin Annette Lein. (A-DZOK; Gedenkstätte 1/05) Améry zitiert: „Niemand kann aus der Geschichte seines Volkes austreten. Man soll und darf die Vergangenheit nicht ‚auf sich beruhen‘ lassen, weil sie sonst auferstehen und zu neuer Gegenwart werden könnte.“ Bittere Pille für die Stadt: Der Aufruf an die Bürger, sich an den Mahnmal- kosten von 20.000 € mit Spenden zu beteiligen, blieb auch zwei Monate nach der Enthüllung noch ohne Reaktion … (Augsburger Allgemeine 3.5.2005, S. 5) Doch kein neuer Geist? Auskünfte: Stadt Günzburg, Schlossplatz 1, 89312 Günzburg, Tel. 08221-903-100 (sl)

„Topf & Söhne“ … … war eine 1878 in Erfurt gegründete Spezialfirma für „feuerungstechnische Anlagen“. Nach 1914 produzierte sie

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u. a. Einäscherungsanlagen für städ- tische Krematorien, wofür sie bald Marktführer wurde. Als in der End- phase des NS-Regimes in Auschwitz und in anderen Lagern Millionen Menschen ermordet wurden, standen die Mörder vor dem „technischen“ Problem einer „effektiven“ Leichen- beseitigung. So kamen sie mit „Topf Söhne“ ins Geschäft … Die Geschichte dieser Firma von ihrer Gründung bis Auschwitz wird unter dem Titel „Techniker der ‚Endlösung‘“ jetzt (19. Juni bis 18. September) in einer Ausstellung des „Jüdischen Museums Berlin“ gezeigt. (sl)

Der Verein der „Ehemaligen pol- nischen Zwangsarbeiter bei Tele- funken in Lodz und Ulm“, … Foto oben: 15. August 2004: eine Gruppe … der sich in Lodz 1997 nach den ehemaliger Zwangsarbeiter/-innen von Einladungen von 150 ehemaligen und deiner Mitarbeiter, entstanden Telefunken traf sich in Lodz, um gemeinsam Zwangsarbeiter/innen nach Ulm ist. Auf diesem Weg wollen wir uns des 15. August 1944 zu gedenken. An gegründet hatte, wird sich in den bei euch allen herzlich bedanken diesem Tag nämlich waren viele von ihnen nach Ulm verschleppt worden. Damals nächsten Wochen auflösen. Dies teilte für Euren Beitrag zur Verbreitung am 11. März die Vorsitzende Waclawa waren sie 15 oder 16 Jahre alt. Ewelina Fie- der historischen Wahrheit über jene dorowicz (erste von links) schrieb: „Wir erin- Galazka dem DZOK mit. Der Grund ist, Zeit. Eure Arbeit ist das Fundament nern uns sehr oft an unser Treffen in Ulm dass einerseits die Entschädigungs- unserer Freundschaft. Eure Freunde und an eure Herzlichkeit und Gastfreund- Aktion seitens der Bundesrepublik aus Lodz.“ (sl) lichkeit.“ (A-DZOK, Zwangsarbeiter 05) abgeschlossen ist, und dass ande- rerseits die Zahl der im Verein Aktiven immer kleiner wird. Die jüngsten sind 75 Jahre alt, viele sind krank. Einen Alfred-Hausser-Preis … Hans Lebrecht, geboren in Ulm Die ursprüngliche Idee, dass die … hat die Vereinigung der Verfolgten 1915, emigriert 1937 nach Paläs- nächste oder übernächste Generation des Naziregimes – Bund der Anti- tina … die Vereinsidee mit neuen Inhalten faschisten in Baden-Württemberg … und seither in Israel lebend, war (Verständigungsarbeit zwischen Polen (VVN-BdA) zur Erinnerung an ihren im September 2004 zu Besuch in und Deutschen) fortsetzen könne, ließ Ehrenvorsitzenden (1912 – 2003) seiner Heimatstadt (vgl. Mitteilungen sich mit wenigen Ausnahmen (den ausgeschrieben. Der Preis beinhaltet 42, S. 19). Kindern und Enkelkindern von Frau 500 € und soll Geschichtsinitiativen, Im Rahmen des Besuches beim Ulmer Galazka, z. B.) nicht realisieren. Schulklassen und Jugendgruppen OB wurde eine Unterstützung der Waclawa Galazka schreibt am Ende ermutigen und unterstützen, die Stadt bei der Drucklegung der Lebens- Ihres Briefes: „So lange wir noch Geschichte des Widerstands zu erfor- erinnerungen sowie beim Anbringen leben, werden wir uns an Ulm und schen und zu vermitteln. Insbesondere einer Gedenktafel an der ehemaligen insbesondere unsere „zweite Reise“ sollen Erinnerungen von ZeitzeugInnen Lebrecht-Villa in der Steinhövel-Str. 5 1996/97 mit Dankbarkeit erinnern. festgehalten und so ihre Erfahrungen in Aussicht gestellt. Die Tafel wurde Und wir hoffen, dass auch bei unseren weitergegeben werden. nun am 23. Mai durch das Klinikum Freunden in Ulm die Erinnerung an Mit dem Preis will die VVN-BdA der Uni Ulm unter tatkräftiger Mithilfe das Unrecht unter dem NS-Regime das Lebenswerk des antifaschisti- vom heutigen „Hausherrn“, Professor und gleichzeitig an die Freunde in schen Widerstandskämpfers Alfred Jörg Fegert, öffentlich gemacht. Polen wach bleibt, über unseren Tod Hausser fortsetzen. Nähere Infor- Zur Zeit scheint es, dass das Lebrecht- hinaus.“ mationen gibt es bei der VVN-BdA, Buch im Ulmer Verlag Klemm & Oel- Im April schrieb sie u. a. dies: „Ich Böblinger Str. 195, 70199 Stuttgart, schlaeger Ende 2005 (90. Geburtstag) glaube, dass der vor uns stehende tel. 0711-603237, fax -600718, erscheinen kann. Dafür haben wir 60. Jahrestag des 24. April (Tag [email protected], ein Sonderkonto „Lebrecht-Buch“ der Befreiung Ulms und damit der www.vvn.telebus.de im Rahmen unseres DZOK-Kontos Zwangsarbeiterinnen) uns verbindet 7 649 062 bei der Sparkasse Ulm, und unsere Freundschaft stärkt, die BLZ 630 500 00 eingerichtet. Spenden vor Jahren, dank dir, lieber Silvester, erbeten! (sl)

26 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 27 ürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kürze+++Neues in Kü Veröffentlichungen des DZOK Als „Antifaschistin durch die „Bridges to Ulm“ und Susan Liebe“ … Losher, geborene Susi Ehrlich, … DZOK-Manuskripte … bezeichnete sich Eleonore Diehl … gehörten zusammen und hatten im anlässlich ihres 90. Geburtstags in Dokumentationszentrum einen treuen einem Gespräch mit den „Mitteilungen“ Partner. Bd. 1: Ulmer Geschichtswerkstatt zur (Nr.38). Nun ist sie am 21. Januar Angeregt von der bisher letzten Ein- NS-Zeit (Hg.), 2005 in Göppingen verstorben, im ladung (1997) von ehemals jüdischen Die „Hitlerjugend“ am Beispiel der 93. Lebensjahr. Ein wenig hatte sie die Bürgern Ulms durch die Stadt, hatte Region Ulm/Neu-Ulm. Ein Aspekt im Mitarbeiter des Dokumentationszen- sie, die am 15.8.1929 in Ulm geboren Umfeld der „Weißen Rose“, 1942/43. trums „adoptiert“. Arthrose-geplagt war und zehn Jahre später mit ihren Eine kommentierte Dokumenten- und war sie jahrelang weitgehend an die Eltern fliehen musste, mit einigen Materialien-Sammlung, Wohnung und den Rollstuhl gefesselt anderen eine Idee: nämlich, neue 6. Aufl. 2004, 170 S., 10 €. gewesen. Brücken nach Ulm (bridges to Ulm) zu Befragt im Interview von 2002, „Eleo- schlagen, d. h. besonders für Kinder Bd. 2: Claudia Dauerer, nore, 90, und ein bisschen weise....?! und Enkel eine Beziehung zur Stadt Alfred Moos, ein Ulmer Jude auf Was ist Weisheit für dich?“, hatte ihrer Eltern und Großeltern herzu- der Flucht vor dem NS-Staat. Ein sie geantwortet.:„Ach, Weisheit! Die stellen. Das DZOK griff die Idee auf (in Beitrag zur deutschen Emigration Weisheit überlasse ich der Natur!“ den Mitteilungen 36, 2001, findet sich nach Palästina. Die Zahl der Älteren, die uns den ein Interview mit ihr) und so entstand Ulm 1995, 2. Aufl. ,150 S., 8 €. Rücken stärken, nimmt ständig ab. ein herzlicher Kontakt. Nun fehlt sie uns auch und wir trauern 2003 erkrankte sie und ein Jahr später Bd. 3: Silvester Lechner (Hg.), um sie. (sl) erreichte uns aus ihrem Wohnort New Schönes, schreckliches Ulm. Wenige Wochen zuvor, am 2. Januar, Preston in Connecticut die Nachricht, 130 Berichte ehemaliger polni- war in Gruibingen Lisette Fischer, die dass sie am 10. Dezember 2004 ver- scher Zwangsarbeiterinnen und Ehefrau von Franz-Josef Fischer, im storben sei. Zwangsarbeiter, die in den Jahren Alter von 84 Jahren verstorben. Auch Wir trauern um sie und es ist nur ein 1940 bis 1945 in die Region Ulm/ sie hat zusammen mit Franz-Josef kleiner Trost, dass sie um das Jahr Neu-Ulm verschleppt worden waren, als überzeugte Antifaschistin unsere 2000 noch „Erinnerungen aus meiner 2. Aufl. 1997, 420 S., 20 €. Arbeit in den letzten Jahrzehnten Kindeszeit in Ulm, 1933 – 1939“ aufge- (Zur Zeit vergriffen!) begleitet. Wir trauern um sie. schrieben hat … Bd. 4: Silvester Lechner, Ulm im Nationalsozialismus. Stadt- führer auf den Spuren des Regimes, der Verfolgten, des Widerstands. Ulm 1997, 120 S., 8 €. (Zur Zeit vergriffen!)

Bd. 5: Myrah Adams, Die Würde des Menschen ist unan- tastbar. Das KZ Oberer Kuhberg in Ulm, 1933 – 1935, Katalog zur Aus- stellung, Ulm 2002, 64 S., 138 Abb., 10 €.

Bd. 6: Oberschulamt Tübingen, Doku- mentationszentrum Oberer Kuhberg (Hgg.), „Württembergisches Schutzhaft- lager Ulm“. Ein frühes Konzentra- oben: Eleonore Diehl mit tionslager im Nationalsozialismus Silvester Lechner bei der (1933-1935). Materialien für den Gedenkfeier in der Ulmer KZ- Gedenkstätte im November Besuch der Ulmer KZ-Gedenkstätte 2002, als sie zu ihrem 90. mit Schülern, Geburtstag beglückwünscht Tübingen/Ulm 2004, 120 S., wurde. (Foto Nülle, A-DZOK, 15 Abbildungen, 8 €. 11/02)

Bestellung und Versand (zusätzlich Versandkosten) ist auch über das Susan Losher mit ihrem Mann Morton, um 1999 (A-DZOK, DZOK möglich! Losher)

28 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 29 Sonderveröffentlichungen

„… daß es so etwas gibt, wo man Silvester Lechner (Hg.), Vorstand Stiftung Erinnerung Ulm Menschen einsperrt …“. Das KZ Die Kraft, nein zu sagen. Zeitzeu- (Hg.), Oberer Kuhberg bei Ulm. genberichte, Dokumente, Mate- Die Stiftung Erinnerung Ulm - für Ein Film von Bernhard Häusle und rialien zu Kurt Schumachers 100. Demokratie, Toleranz und Men- Siegi Jonas, Geburtstag, Ulm (DZOK) 1995, 80 schenwürde. Ihre Gründung, ihr Stuttgart 1995, 33 Min., 18 €. S., 10 €. Zweck, ihre Ziele, Ulm 2004; 64 S., 22 Abb., 10 €. „Ich bin ja jetzt der Letzte …“ Markus Kienle, Arbeiterkultur – Jugendwider- Gotteszell – das frühe Konzentra- Ulm/Neu-Ulmer Arbeitskreis stand – Konzentrationslager. Hans tionslager für Frauen in Württem- 27. Januar (Hg.), Gasparitsch, geboren 1918 in berg. Die Schutzhaftabteilung im Als der Sport in Ulm 1933 national- Stuttgart, erzählt. Frauengefängnis Gotteszell in Schwä- sozialistisch wurde … Aufsätze und Ein Film von Silvester Lechner und bisch Gmünd, Dokumente, Manuskript, Roland Barth; Ulm 1999, VHS-Video, Ulm (Klemm & Oelschläger) 2002, Ulm (DZOK) 2005; 68 S., 8 €. 40 Min., 25 €. 90 S.,12 €. Friedrich Fröschle (Leitung), CD des Peter Stratmann (Hg.), Markus Kienle, Chor-Konzertes am 17.12.2004 im Zugänge. Neunzehn direkt ein- Das Konzentrationslager Heuberg Ulmer Münster zur Erinnerung an die setzbare Unterrichtseinheiten für bei Stetten am kalten Markt, Zerstörung Ulms vor 60 Jahren: eine vertiefende Auseinandersetzung Ulm (Klemm & Oelschläger) 1998; Rudolf Mauersberger: Wie liegt die mit der Ulmer KZ-Gedenkstätte, 220 S., 50 Abb., 10 €. Stadt so wüst. Johannes Brahms: Ulm (DZOK), 2. Aufl. 1999, 60 S., 5 €. Deutsches Requiem, 16 €.

Veranstaltungen Herbst 2005

DZOK-Treff: Nationalsozialismus für Jugendliche unter dem Titel „quo 3. Jüdische Grabsteine damals und heute vadis?“. im Ulmer Münster Ein offener politischer Gesprächskreis Darunter: „Argumentationstraining Eine Führung mit Gil Hüttenmeister des Ulmer Dokumentationszentrums, gegen rechte Parolen“, und Christof Maihoefer in der Regel jeweils jeder dritte Don- 8. Oktober, 13 Uhr, vh Ulm Treffpunkt: West-Pforte nerstag im Monat, 20 Uhr Das ganze Programm gibt‘s u. a. über des Münsters Ulmer Volkshochschule, das DZOK ab September. 16:15 Uhr bis 18 Uhr; Eintritt: 3,00 € 15. September, 20. Oktober, 17. November 2005 Verantwortlich: Karin Jasbar, Fritz Bauer, Silvester Lechner Europäischer Tag der jüdischen Tag des Offenen Denkmals 2005: Kultur „Krieg und Frieden“ und 15. September: Götz Alys neues Sonntag, 4. September Gleiselstetter Nachbarschaftstreff Buch „Hitlers Volksstaat“ – pro und Sonntag, 11. September contra 1. Jüdisches Ulm Eine Stadtführung mit Christof Mai- Der „Bunker“ in Gleiselstetten hoefer zur Geschichte der Juden in Ehemaliger militärischer „Infanterie- Ulm vom Mittelalter bis ins 21. Jahr- stützpunkt“ und Außenlager des KZ dzokki-Treff hundert Oberer Kuhberg, genannt „Panzer- Monatliches Treffen der Jugendgruppe Treffpunkt: Weinhof/Brunnen kreuzer“ des Dokumentationszentrums 11:30 – 13:30 Uhr; Eintritt 3,00 € (In Zusammenarbeit mit dem Förder- Jeweils dienstags, 16:30 Uhr kreis Bundesfestung Ulm,e.V.) Ulmer Volkshochschule 2. Mazzes und gefilte Fisch 13 – 16 Uhr: Regelmäßig Führungen 13. September, 4. Oktober, 8. Eine Einführung in jüdisches Essen nach Bedarf durch Mitglieder des November, 6. Dezember und jüdische Speisegesetze „Förderkreises Bundesfestung Ulm“ Rabbiner Shneor Trebnik und des „Dokumentationszentrums“ Hinweis: Jüdische Gemeinde Ulm, 16 – 17:30 Uhr: Nachbarschafts- Die Jugendgruppe des DZOK, Neutorstraße 28 treffen bei Kaffee und Kuchen zum die dzokkis, organisiert im Herbst 14 – 16 Uhr Thema: Der „Bunker“ und seine wei- in eigener Verantwortung ein politi- Anmeldung bis spätestens tere Nutzung. sches Bildungsprogramm speziell 31. August, fax: 0731-96 91 692

28 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 29 Veranstaltungen Herbst 2005 (Fortsetzung)

Gedenkarbeit ist spannend – aber kermord an den europäischen Juden. als Dokumentation, ist er in Wahrheit wie macht man‘s? „Das deutsche Geld“ ist die Entschä- ein Hetzfilm, der den Juden das Vom Anne-Frank-Haus in Ams- digung, die die Bundesrepublik an Menschsein abspricht und kaum ver- terdam zur KZ-Gedenkstätte eine jüdische Familie bezahlt hat. Das schlüsselt ihre im Jahr danach begin- Oberer Kuhberg Geld fällt als Erbe an Paul als seine nende systematische Ermordung Eine Einführung für Jugendliche ab 15 Mutter, die den Holocaust überlebt rechtfertigt. Jahren hat, stirbt. Die Botschaft des Romans: Der Film darf öffentlich nur kommen- Sonja Thiel, Annette Lein wir können unserer Vergangenheit tiert zu pädagogischen Zwecken auf- Samstag, 17. September, nicht entgehen. geführt werden, was an diesem Abend 10 – 14 Uhr, mit Mittagspause der Fall ist. KZ-Gedenkstätte Oberer Kuhberg Anmeldung bis 15. September im Geschichte neu (er-)finden – mit DZOK, tel. 0731-21312 Comics Workshop für Menschen ab 13, Nationalsozialismus, Widerstand, Sonja Thiel hat eben ein „Freiwil- die sich auf der Grundlage von Judenverfolgung liges Soziales Jahr“ der „Aktion Lina Haags Buch „Eine Hand voll Eine Veranstaltungsreihe des Sühnezeichen/ Friedensdienste“ am Staub“ der KZ-Geschichte mit Dokumentationszentrums Oberer Anne-Frank-Zentrum in Amsterdam Zeichnungen und Texten annähern Kuhberg absolviert. wollen dienstags, ab 11. Oktober bis 22. Die dort gemachten pädagogischen Elke Steiner, Berlin November Erfahrungen sind die Grundlage für Samstag 1. bis Montag, 3. Oktober Moderation: Silvester Lechner diese Veranstaltung. Sie soll Ulmer Jeweils 10 - 12.30 und 14 bis 16 Uhr (In Zusammenarbeit mit: Ulmer Jugendliche für die Gedenkstättenar- Ort: KZ-Gedenkstätte sowie ehem. Volkshochschule; Stadtbibliothek beit im ehemaligen KZ Oberer Kuh- Hochschule für Gestaltung Ulm; Deutsch-Israelische Gesell- berg begeistern (vgl. S. 6). Gebühr: 50 €/30 € (für Jugendliche, schaft Ulm/Neu-Ulm; Jüdische Arbeitslose u. a.) Gemeinde Ulm) (Mit Unterstützung der Gedenk- Ulmer Kulturnacht, stättenförderung des Landes Dienstag, 11. Oktober, 20 Uhr auch in der KZ-Gedenkstätte Baden-Württemberg) „Damit wir uns nicht verlieren“ Samstag, 17. September Anmeldung bis 23. September in vh Der Briefwechsel zwischen Sophie Ulm und/oder Ulmer Dokumentati- Scholl und Fritz Hartnagel 14:30 Uhr: Das ehemalige KZ Oberer onszentrum tel. 0731-21312; mail: Buch-Vorstellung durch den Heraus- Kuhberg. [email protected]; geber Thomas Hartnagel Eine Führung von Jugendlichen für dort auch ein ausführliches Info-Blatt (Mit Unterstützung der Buchhandlung Jugendliche Jastram) Kenner wissen: Comics herstellen kann vh Ulm 16:00 Uhr: Was, in Ulm gab‘s ein fast jeder, zumindest kann es fast jeder KZ? lernen. Bei diesem Comic-workshop Als zum 60. Jahrestag der Hinrichtung Eine Führung für Ulmer/-innen, die ist die Grundlage das berühmte Buch der Geschwister Scholl, am 22. Feb- noch nie da waren von Lina Haag, „Eine Handvoll Staub“. ruar 2003, in der Ulmer KZ-Gedenk- Silvester Lechner In ihm ist die Geschichte der Familie stätte zum ersten Mal öffentlich aus Haag aus Schwäbisch Gmünd im Briefen gelesen wurde, die Sophie 18 Uhr: „Wohin ich immer reise, ich Nationalsozialismus beschrieben. Eine Scholl und ihr Ulmer Freund Fritz fahr nach Nirgendland“ Geschichte, die von vielen schreck- Hartnagel 1942/43 sich geschrieben Gedichte von Mascha Kaleko, Selma lichen Erfahrungen mit Gestapo und hatten, war das eine bundesdeut- Meerbaum-Eisinger, Hilde Domin, Konzentrationslagern, aber auch vom sche Sensation. Von der Bild-Zeitung Erich Fried Triumph des Überlebenswillens und bis Focus, von der SüdwestPresse Gesang, Rezitation, Gitarre, Säge: der Liebe erzählt... und auch vom bis zum Spiegel wurde in fast allen Sibylle Schleicher; ehemaligen Ulmer KZ auf dem Oberen Medien über den Fund berichtet und Markus Munzer-Dorn Kuhberg. (vgl. auch S. 1) aus den wenigen damals öffentlich gewordenen Briefen zitiert. Nun ist bei S. Fischer/Frankfurt der Das deutsche Geld »Der ewige Jude« gesamte Briefwechsel der Jahre Lev Raphael stellt seinen neuen NS-Propaganda im Film, 1937 - 1943 erschienen. Diese Briefe Roman vor mit Moderation werden auf Dauer zu den bewe- In Zusammenarbeit mit der Stadtbibli- Dr. Bernd Kleinhans gendsten Zeugnissen der deutschen othek Ulm, der Bücherstube Jastram , Mittwoch, 12. Oktober, 20 Uhr Zustände in den Kriegsjahren der NS- der Deutsch-Israelischen Gesellschaft vh Ulm Zeit zählen. Montag, 26. September, 20 Uhr vh Ulm Im Herbst 1940 kam mit »Der ewige Der Roman des US-amerikanische Jude« einer der berüchtigtsten NS- Autors beschäftigt sich mit dem Völ- Propagandafilme ins Kino. Präsentiert

30 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 31 Dienstag, 18. Oktober, 20 Uhr Dienstag, 8. November, 20 Uhr Buch „Der Gezeichnete“ auf Lese- Im Schatten des Holocaust Die alten Bilder der reise durch viele südwestdeutsche Erlebnisse von jugendlichen württem- Judenfeindschaft Städte mit einer jüdischen Gemeinde, bergischen „Luftwaffenhelfern“, Vortrag mit Lichtbildern so auch nach Ulm. Das Buch ist das z.B. in Auschwitz 1944/45 Fritz Endemann letzte große literarische Dokument des Konrad Plieninger vh ulm süddeutschen Landjudentums. Picard vh Ulm trat im Rahmen des Ulmer „Jüdi- „Ritualmord“, „Hostienfrevel“, „Juden- schen Kulturbundes“ im Jüdischen Die Schüler-Jahrgänge 1927/28 sau“ – mit diesen und anderen Bildern Gemeindehaus neben der Synagoge wurden ab Februar 1943 oft klassen- der religiösen Disqualifizierung und am Weinhof auf, ausgeschlossen von weise zu Hilfsdiensten im Luftkrieg als moralischen Diffamierung haben Jahr- den „arischen“ Ulmern. Nun, 68 Jahre damals so genannte „Luftwaffenhelfer“ hunderte lang Christen ihr Verhältnis später, hat der Freundeskreis Jacob verpflichtet und haben deshalb im his- zu den unter ihnen lebenden Juden Picard erneut eine Lesereise durch torischen Rückblick das Etikett „Flak- dargestellt. Viele dieser Bilder sind etwa 20 Städte organisiert. Verbunden helfer-Generation“ bekommen. noch öffentlich zu sehen, in und an Kir- ist damit ein Einblick in die Geschichte An diesem Abend ist von den Erfah- chen und in Museen; manche dienen des Landjudentums, das - ehe die rungen und Wahrnehmungen vor noch heute religiösen Zwecken. Wie Juden städtisch wurden - 300 Jahre allem Ludwigsburger Flakhelfer die soll man mit ihnen umgehen? Weg- lang bis weit ins 19. Jahrhundert ihre Rede, die 1944/45 im engen Umkreis schließen? Verändern? Vernichten? Identität bestimmt hat. und im Inneren des Konzentrations- Oder haben sie eine Lektion für uns und Vernichtungslagers Auschwitz heute? Dienstag, 22. November, 20 Uhr eingesetzt wurden. Die Deportation der badischen Dienstag, 15. November, 20 Uhr Juden 1940 – eine „Generalprobe“ Dienstag, 25. Oktober, 20 Uhr „Der Gezeichnete“ – eine späte der „Endlösung“ Julius Baum – Stationen einer Rückkehr nach Ulm Zeitzeugengespräch mit Hanna jüdischen Biografie Lesung aus dem Buch des jüdi- Meyer-Moses Myrah Adams schen Autors Jacob Picard (1883 vh Ulm Stadtbibliothek Ulm - 1967) Hans-Helmut Straub, „Freundeskreis Vor 65 Jahren, am 22. Oktober 1940, Julius Baum (1882-1959), 1924 zum Jacob Picard“ (Forum Allmende e.V.) wurden 6500 Juden aus Baden und Direktor des Ulmer Museums berufen, (Mit Unterstützung der Sparkasse Ulm der Saarpfalz mit einer Vorwarnzeit gab diesem durch die Verbindung von und der Gedenkstättenförderung der von zwei Stunden ohne Angabe Stadtmuseum und Moderner Galerie Landes Baden-Württemberg) eines Zieles deportiert. Die Zwangs- seine noch heute gültige Gestalt. Stadtbibliothek Ulm reise ging ins unbesetzte Südwest- Schon in den 20er Jahren ange- Frankreich, genau nach Gurs. Diese feindet, wurde er 1933 unmittelbar Im Jahr 1937, als die nationalsozia- Deportationen sind historisch als eine nach der Machtübernahme der Nazis listischen Verfolgung der deutschen „Generalprobe“ für die Deportationen entlassen. Sein Schicksal steht exem- Juden immer weiter eskalierte und in die Vernichtungslager im Osten, die plarisch für ein weitestgehend assimi- die jüdischen Gemeinden ins soziale ein knappes Jahr später begannen, zu liertes jüdisches Bildungsbürgertum Ghetto getrieben wurden, hatte werten. und spiegelt verschiedene Aspekte der „Oberrat der Israeliten Badens“ Hanna Meyer-Moses, 1927 in Karls- der politischen, kulturellen und ideolo- eine Idee: Er schickte Jacob Picard ruhe geboren, wurde mit ihrer Familie gischen Geschichte seiner Zeit. (geboren in Wangen am Bodensee nach Gurs deportiert. Durch glückliche 1883, verstorben 1967) mit seinem Umstände konnte sie in die Schweiz

Unterstützen Sie das Ulmer Dokumentationszentrum! Werden Sie Mitglied! Hiermit beantrage ich die Mitgliedschaft im Dokumentationszentrum Oberer Kuhberg Ulm e. V. – KZ Gedenkstätte – Ich erkenne die Satzung an und werde einen Jahresbeitrag* von ...... € entrichten. Beitrittserklärung und Lastschrift-Einzugsermächtigung Name und Vorname: ...... Straße und Hausnummer: ...... PLZ und Wohnort: ...... Bank, BLZ, Kontonr.: ...... Datum und Unterschrift: ...... Mit der Abbuchung meines Mitgliedsbeitrages im ersten Quartal des Kalenderjahres in Höhe von ...... € /jährlich bin ich einverstanden.

* Der Mindestbeitrag beträgt jährlich € 35, für Arbeitslose, Wehr- und Ersatzdienstleistende jährlich € 15.

30 DZOK-Mitteilungen Heft 43, 2005 31 Veranstaltungen Herbst 2005 (Fortsetzung) Liebe Leserin, lieber Leser, fliehen, während ihre Eltern nach Gedenkfeier in der Ulmer so breit wie in kaum einem Jahr Auschwitz deportiert wurden. zuvor wurde rund um den 8. Mai Zwei Aspekte verbinden sie mit der KZ-Gedenkstätte am 2005 auf allen Kanälen unserer Region Ulm: 1938 verlebte sie einen Volkstrauertag Mediengesellschaft der Taten des glücklichen Sommer im jüdischen NS-Regimes und seiner Folgen Landschulheim Herrlingen; in Gurs „Meinem Bertold zu seinem 8. gedacht. Bei dieser Hochkon- wiederum kam sie in Kontakt mit dem Geburtstag die herzlichsten junktur schwang viel mit: Zum Bei- aus Neu-Ulm stammenden jüdischen Glückwünsche (…) Ein selbst spiel der „sichere Abstand“ von 60 Maler Richard Liebermann und dessen Jahren. Das heißt, einerseits hatte gebastelter Ulmer Spatz soll Schwester Trude … sich die Phase von Abwehr und ihn an mich erinnern …“ Verdrängung der Verantwortlichen erledigt; andererseits war – des- Euthanasie in Grafeneck Briefe des Sozialdemokraten halb? – das Interesse der ersten Ausstellung, 28. Oktober bis Ende Gottlob Kamm aus dem Ulmer und zweiten Nachgeborenen- November KZ, 1934, an seine Frau Rosa Generation relativ groß. Und das Haus der Begegnung ist gut – wenn auch offen ist, was Eröffnung: Freitag, 28. Oktober, Gelesen von Bertold Kamm, u. a. da erreicht und bewegt wurde. 17 Uhr Uns vom Ulmer Dokumentati- onszentrum, die wir alle diesen Dr. Thomas Stöckle Sonntag, 13. November, 11 Uhr 16. November, 19:30 Uhr, Nachgeborenen-Generationen Haus der Begegnung: angehören, bewegt vor allem die Dr. Walter Wuttke: Zwangssterilisation 12:30 und 14:30 Uhr: Führungen Frage, wie wir das nun vorhandene und „Euthanasie“ in der Ulmer Landes- durch die Gedenkstätte Wissen und ein Bedürfnis danach Fürsorge-Anstalt „Oberer Riedhof“ an die nächsten Generationen weitergeben können. Wir haben im Wesentlichen zwei Antworten: - wir wollen mit unseren histo- Diese Nummer der Mitteilungen wird gefördert von: rischen Informationen so nah wie möglich der Region und Café Omar Engel-Apotheke Ulm der Gegenwart, das heißt dem König-Wilhelm-Straße 5; Hafengasse 9 alltäglichen Erfahrungsraum der Tel. 921 31 66 Tel. 6 38 84 Alten und der Jungen, verbunden bleiben; OffsetDruck Martin Ulmer Bücherstube Jastram - dies zu erreichen, bedürfen wir Erhard-Grözinger-Straße 1, Am Judenhof; Tel. 67137 zwar der Experten; vor allem aber Blaustein; Tel. 9540211 bedürfen wir der unsere Arbeit Verlag Klemm & Oelschläger wahrnehmenden und weiter Sparkasse Ulm Pappelauer Weg 15 tragenden Sympathisanten und Neue Straße 66; Tel. 101 - 0 Tel. 38 51 36 Freunde; wir bedürfen der reg- samen Mitglieder eines Vereins, der um zu überleben auch noch den Charakter einer Bürgerinitia- tive bewahren muss. Auch die hier vorliegenden Mittei- lungen - so dick wie noch nie - sind Impressum ein wichtiger Teil der Umsetzung Herausgeber: Dokumentationszentrum Oberer Öffnungszeiten der KZ-Gedenkstätte: dieser Überzeugung; nämlich, mit Kuhberg Ulm e.V.; Postfach 2066, 89010 Ulm; Sa/So 14 bis 17 Uhr. Führungen sonntags um Ihnen im Gespräch zu bleiben und www.dzokulm.telebus.de; [email protected] 14:30 Uhr, für Gruppen nach Vereinbarung Mitdenken, Mitreden, Mittragen auch werktags (mind. zwei Wochen vorher DZOK-Büro mit Archiv, Bibliothek: anmelden). anzuregen und zu vertiefen. König-Wilhelm-Straße 34, 89073 Ulm Vom 9. Dezember 2005 bis 22. Januar 2006 ist Lesen Sie die Beiträge, lassen Tel.: 0731 / 2 13 12, Fax: 9 21 40 56 die Gedenkstätte geschlossen. Sie uns ihre Bemerkungen dazu Redaktion: Spendenkonto: 764 90 62 wissen und denken Sie nach, wo Dr. Silvester Lechner (verantwortlich) Sonderkonto „Stiftung“: 272 07 04 Sie mit Ideen, Hinweisen oder beide: Sparkasse Ulm (BLZ 630 500 00) auch Geld helfen können. Druck: Offsetdruck Martin, Blaustein Vielleicht sehen wir uns bei der Mit- Eintritt: 2,00 € / 0,50 € Auflage: 1 500 gliederversammlung am 8. Juli!? Führung: 35,00 € / Gruppe Einen schönen Sommer wünscht Mitarbeiter/-innen: Dr. Silvester Lechner (Leiter), Annette Lein, Ilona Walosczyk Bürozeiten: Mo-Do 9 – 16 Uhr, Fr 9 – 12 Uhr Mitteilungen des DZOK: 1,00 € / Heft Silvester Lechner

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