Die Bibliothek der Königin Hortense auf Schloss Arenenberg

Autor(en): Egli, Christina

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Librarium : Zeitschrift der Schweizerischen Bibliophilen- Gesellschaft = revue de la Société Suisse des Bibliophiles

Band (Jahr): 56 (2013)

Heft 1

PDF erstellt am: 24.09.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-731113

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http://www.e-periodica.ch CtfRJS77W,4 £GL7 DIE BIBLIOTHEK DER KÖNIGIN HORTENSE AUF SCHLOSS ARENENBERG

Ein kleines Schloss auf einer Anhöhe im Mauerwerk befindliche hölzerne Säule gegenüber der Insel Reichenau birgt ein in der Südwand des heutigen Bibliotheks- Kleinod, eine Bibliothek, deren Spuren über raums im Erdgeschoss sowie die Balken in zwei Jahrhunderte zurückverfolgt werden den Mansarden im dritten Stockwerk lie- können. Das «schönste Schloss am Boden- ferten eine dendrochronologische Datie- see» war einst die Residenz der ehemaligen rung für die Jahre nach 1520. Nach dem Königin von Holland und Herzogin von 16. Jahrhundert veränderte sich baulich Saint-Leu, Hortense Bonaparte, geborene kaum mehr etwas auf Arenenberg. de Beauharnais. Letzte Besitzerin vor dem Kauf durch die Bonapartes war die heute in der Schweiz Ätrte GwcAfcAte der SVA/o.wc.ï lebende Familie von Streng, damals ange- sehene konstanzisch-thurgauische Adlige. Richtig bekannt wurde das kleine Eigentlich hatten diese überhaupt nicht vor, Schloss am Untersee durch die Nieder- ihre Domäne zu verkaufen, als sich Hör- lassung der Familie Bonaparte ab 1817. tense Bonaparte an sie wandte. Sie indessen Doch bestand das Gebäude schon lange ließ nicht locker und erreichte ihr Ziel im vorher. Die erste Erwähnung reicht ins Februar 1817. 14 Jahrhundert zurück. Die Anlage gehörte einer Konstanzer Patrizierfamilie. Sogar Die Dzmi/ie üona^ar/e am .Bodetuee der Kleine Rat von Konstanz beschäftigte sich mit dem ursprünglich «Narrenberg» Im Dezember 1815 erreichten mehrere genannten Gut. In den Ratsprotokollen Kutschen die Markstätte, den Marktplatz wird erwähnt, dass im Jahr 1500, nach der Stadt Konstanz. Daraus entstiegen eine dem Schwaben- bzw. Schweizer-Krieg, das Frau mit ihrem siebenjährigen Sohn sowie Schloss auf Kosten der Stadt befestigt wer- einige Begleitpersonen. Es handelte sich den sollte. Ob dies ausgeführt wurde, ist um die ehemalige Königin von Holland unklar. und Herzogin von Saint-Leu, Hortense de Abgesehen von einer kurzen Phase zwi- Beauharnais, sowie den Prinzen Louis Na- sehen 1520 und 1530, in der die Domäne an poléon Bonaparte. Sie sollten etwa fünf das Kartäuserkloster Buxheim bei Mem- Wochen in einem kleinen Appartement im mingen übergegangen war, gehörte der zweiten Stock des Hotels «Zum Goldenen Arenenberg meistens konstanzisch-thur- Adler» verbringen, bevor sie sich in einem gauischen Adelsfamilien. Sebastian Gais- größeren Haus im Stadtteil Petershausen berger, der letzte reformierte Bürgermeister niederlassen konnten. Das sogenannte Vin- von Konstanz, ließ die Anlage in ein «Lust- cent'sche Gut musste zuerst renoviert wer- schloss» umbauen, zu dem schon ein Gar- den, und die Möbel aus der Schweiz bzw. ten gehörte. Paris mussten eintreffen, bevor der franzö- Wurde es dabei abgerissen und neu ge- sische Hof sich wohnlich einrichtete. baut, oder lediglich ausgekernt und im In- Wie alle Mitglieder der Familie Bona- neren neu aufgeführt? Einzig und allein parte war auch Hortense de Beauharnais zwei Holzproben liefern uns Informationen aus Frankreich vertrieben und ins Exil ge- für die Möglichkeit der zweitenThese: Eine schickt worden. Einige Monate zuvor hat-

34 ten die «Hundert Tage», die zweite Phase «La Reine et moi nous faisions de fré- des Ersten Kaiserreichs, mit der verlorenen quentes courses dans les environs de Schlacht von Waterloo und der zweiten Ab- Constance, toujours dans l'intention de dankung Kaiser I. ihr Ende ge- trouver un joli site, où nous établirions funden. wurde auf die weit ent- notre colonie ; mais c'était à présent vers la fernte Insel St. Helena im Südatlantik ge- Suisse que se tournaient tous les plans de schickt, in der Hoffnung, dass er diesmal la Reine. Les magistrats du canton le plus nicht entkommen würde. Seine zweite Ge- voisin de nous, celui deThurgovie, faisaient mahlin, Marie-Louise von Osterreich, seine dire à la Reine que, si elle voulait se fixer Geschwister und seine Mutter hatten dans leur pays, elle y serait soutenue par Frankreich bereits nach seiner ersten Ab- les autorités et par le peuple Ce canton, dankung im April 1814 verlassen und sich comme tous ceux de nouvelle formation, in Italien bzw. in den Vereinigten Staaten était démocratique et dans une ligne d'opi- niedergelassen. Hortense, seine Stieftoch- nion politique qui nous était tout à fait ter und Schwägerin, war während der Ers- favorable. Ce fut donc de ce côté que se ten Restauration in Frankreich geblieben tournèrent toutes nos recherches.»' und hatte sich - zusammen mit ihrer Mut- Im Februar 1817 wurde Hortense de ter, der geschiedenen Kaiserin Joséphine, Beauharnais endlich Besitzerin des Anwe- bis zu deren frühem Tod am 29. Mai 1814 - sens auf dem Arenenberg. Noch bevor mit den Alliierten angefreundet, insbeson- sie es kaufen konnte, plante sie zahlreiche dere mit Zar Alexander I. Nach der Rück- Veränderungen sowie Anbauten: Sie wollte kehr des Kaisers im März 1815 stand Hör- die Umfassungsmauer mit ihren Zinnen tense wieder an seiner Seite. Sie nahm die abreißen, Dependancen errichten und den Rolle der verstorbenen Joséphine und der Garten zu einem Landschaftspark im Stil in ihre Heimat zurückgekehrten zweiten des beginnenden ig. Jahrhunderts umge- Kaiserin ein. stalten. Doch dieses Verhalten wurde von den Zunächst blieb sie jedoch nicht am Alliierten nach der Machtergreifung und Bodensee. Um dem jungen Kanton Thür- der Rückkehr des bourbonischen Königs gau nicht zu schaden - insbesondere gegen- Ludwigs XVIII. nicht geschätzt. Am Abend über der Berner Regierung und dem fran- des 7.Juli 1815 musste Hortense mit ihren zösischen Botschafter in der Schweiz, Graf Söhnen Napoléon Louis und Louis Napo- Auguste de Talleyrand, Neffe des berühm- léon Paris fluchtartig verlassen. Es folgte ten Prinzen von Benevent -, verließ Hör- eine Reise von mehreren Monaten durch tense im Frühjahr 1817 Arenenberg und die Schweiz und Savoyen, bevor sie schließ- siedelte sich im Königreich Bayern an. In lieh an den Bodensee kam. Und auch Augsburg kaufte sie ein Haus in der Heilig- hier durfte sie zunächst nur provisorisch kreuzstraße und fing ein neues Leben an. bleiben, das heißt, man gestand ihr die Mög- In ihren Memoiren erzählt Hortense lichkeit zu, sich von den zahlreichen Stra- über ihre literarischen Aktivitäten, wie zum pazen, die sie erlebt hatte, zu erholen. An- Beispiel bei ihrer Ankunft in Konstanz. schließend sollte sie sich nach einem end- Erschöpft und durchfroren waren sie und gültigen Aufenthaltsort umschauen. Dafür ihr Sohn sowie ihr kleiner Hof an der suchte sie eine angemessene Unterkunft, Markstätte angekommen und hatten das wo sie für längere Zeit bleiben könnte. Hör- Appartement im «Goldenen Adler» bezo- tense fand diese in der Schweiz, im nahen gen. Sofort machte sich Abbé Bertrand, ihr Kanton . Den genauen Hergang Beichtvater und Privatlehrer des jungen beschreibt ihre Gesellschaftsdame Louise Prinzen, auf die Suche nach Lesestoff. Das Cochelet in ihren Memoiren: einzige Buch, das er auftreiben konnte, war

35 L« awecdofes de fit Cour de AAifijf^e-.^Mg'UJte, aus kleinen Büsten. Ein Stapel großformatiger denen er jeden Abend nach dem Nacht- Bücher liegt auf einer Tischleiter daneben. essen in Fortsetzungen vorlas. Auch später, Auch für Augsburg findet sich eine Bild- nach ihrer Ankunft in Augsburg, schrieb quelle und somit ein Hinweis auf den Hortense: «Rien ne venait plus troubler nächsten Aufenthaltsort des Schranks. Er mes occupations.Je me livrais toute entière ist sehr deutlich zu erkennen, auch hier feh- à la lecture ; je continuai mes études dans len die vier bereits erwähnten kleinen Büs- les arts d'agrément. Je n'avais aucune idée ten. Da drei der vier Büsten den Bruder der de la politique : j'en étais honteuse avec la Königin darstelllen, muss man davon aus- réputation qu'on me faisait. Je cherchais gehen, dass diese erst nach dessenTod 1824 à m'en instruire et principalement à acqué- angefertigt wurden. Bücher sind auf der rir une idée juste des choses. Quoique sur Darstellung ebenfalls zu sehen; leider sind un sol étranger, jamais je n'avais été plus keine Titel zu erkennen. entièrement dans ma patrie. Je recevais Für die Situation auf Schloss Arenenberg tout ce qui paraissait : livres, journaux, bro- klafft zunächst eine Lücke. Zwei Abbildun- chures V gen des (späteren) Bibliothek-Salons sind heute bekannt: eine Bleistiftzeichnung von der.<4renenAerger .BzMoffieA Hortenses eigener Hand und eine Litho- grafie von Louise de Pourtalès.' Aufbeiden Betritt man heute das Bibliothekszimmer ist kein Bibliotheksschrank zu sehen! Auf im Erdgeschoss von Schloss Arenenberg, der zweiten erkennt man immerhin das so wird der Blick zuerst von einem riesigen Pleyel-Klavier sowie vier Stühle mit Hus- Bücherschrank angezogen. Er reicht fast sen, die um i860 auf einer weiteren Litho- bis zur Decke und besteht aus fünf Teilen. grafie erscheinen. Interessant in diesem Zu- Im oberen Bereich sind es Schränke mit sammenhang ist das £ene/i-AucA m Konstanz verglasten Türen - das Glas ist noch das 1824,4 geführt von Heinrich Clärr. Von ursprüngliche, man merkt es an den Un- 1824 bis 1827 verzeichnete Clärr in einem ebenheiten in der Struktur -, im unteren Heft die Bewegungen der Güter von Hör- sind es Geheimfächer, deren Öffnung man tense, die ihm anvertraut worden waren. sorgfältig ertasten muss. Ganz oben thro- Möglicherweise stammten sie aus dem Vin- nen vier kleine Büsten, darunter drei Por- cent'schen Gut, denn auf dem Umschlag ist träts des Bruders von Königin Hortense, das Anwesen im Titel genannt. Am 23-Juli Eugène de Beauharnais. Laut Ulrich Leben, Möbelspezialist und früherer Konservator am Waddesdon Manor in England, wurde der Bibliotheksschrank von Bernard Moli- LEGENDEN ZU DEN tor (1755-1833) gefertigt. Bevor er an das FOLGENDEN VIER SEITEN Schweizer Bodenseeufer kam, machte er j Gammzjy; Sa/on znz .Pam^r S/azfr^a/azj yon erst einmal eine lange Reise. Äonsgj'n /Lortens« (ÏVioaisamm/nng). Ein Aquarell des französischen Malers 2 .rlugujte Garneray: Sa/on im .dugsfiurger &asfi/>a/a£s Auguste Garneray (1785-1824) zeigt die oon Äonzgin i/or/mj*. //ortend iteaz/Aaraaû: Z)aj PzMoM^fozz'znnzfr azz/ Räumlichkeiten eines Salons im Pariser j ScA&jj JrenenAerg. Hortense in der Rue Ce- Stadtpalais von 4 JaAofi /LagenteA/er: Das BiAfioiAeLszimmer (um rutti (heute rue Lafitte im 9. Arrondisse- ment). Umrahmt von Gemälden im Trou- 5 Z)aj Pz£/zo/A

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1824 wurden die ersten Bücherkisten von noch ist anzunehmen, dass der Bibliotheks- Konstanz nach Arenenberg geschickt: schrank seit dem Umzug aus Konstanz hier «Envoyer à Arenemberg [sic] tout les gestanden hatte. Mémoire sur la révolution françoise, Iti- naire [sic] de Paris à Jérusalem,5 Biogra- DzV «n« A/eznen AfädcAenr phie universelle 32 Volumes, Biographie des Contemporains 9 Volume, 3 diction- Um verstehen zu können, wie es kam, naire de la lengue oratoire & poétique» dass Hortense de Beauharnais eine solche Am 29. Juli wurden «des livres 52 vo- umfangreiche Bibliothek besaß, muss man lûmes» ohne nähere Angaben auf den Are- zunächst ihre Erziehung näher betrachten. nenberg gebracht. Es folgten am 21. Juli Hortense Eugénie de Beauharnais wurde 1826 und am 22.Juni 1827 weitere Bücher- am 10. April 1783 geboren, sechs Jahre vor transporte und schließlich am 9. November der Französischen Revolution, die gerade 1827: «La Bibliothèque en bois d'acajou & auf die Kindererziehung einen großen Ein- bronze doré et tout les livres & gravures». fluss haben sollte. Die Revolutionäre ließen Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein fast alle Klöster schließen und damit die Zettel hinzugefügt: Erziehungsanstalten für junge Mädchen. N" 1 le bas de la Bibliotéque Stattdessen besuchte die kleine Hortense ab N° 2 le haut de la Bibliotéque 1790 das Atelier einer Schneiderin und er- N°3 les croisées de la Bibliothèque [...] lernte diesen Beruf. Erst nach dem Ende N° 6 Echelle de la Bibliotéque en forme de der Terrorherrschaft von Robespierre und table [...] seinen Anhängern konnte die kleine Adlige N" 13 des livres. eine geeignete schulische Erziehung genie- Im Dezember 1827 löste Hortense den ßen. Imjahr 1795 hatte Henriette Genest- Haushalt in Konstanz endgültig auf. Ihre Campan im Viertel von Saint-Germain ein ganze Habe hatte sie entweder nach Are- «Institut» eröffnet; sie war eine ehemalige nenberg oder nach Rom, wo sie die Winter Gesellschaftsdame der guillotinierten Kö- verbrachte, schicken lassen. Hier findet nigin Marie-Antoinette. Madame Campan sich nun die Lösung für das Fehlen des wollte sich eigentlich in erster Linie um die Schrankes auf den zwei Darstellungen: er Erziehung ihrer drei Nichten kümmern, für kam erst 1827 auf Arenenberg. die sie nach dem Tod der Mutter zuständig Bekannt ist, dass Hortense de Beauhar- war. Damit begann die Geschichte dieser nais in denjahren 1831/32 das Erdgeschoss berühmten Institution, wo die Töchter der einschneidend umgestalten ließ. Eine wahre besten Pariser Familien erzogen wurden. Rochade der Raumfunktionen fand statt. So Madame Campan selbst besaß eine gute befand sich bis dahin im heutigen Billard- Ausbildung, sprach fließend Englisch und zimmer die Hauskapelle; beim Umbau er- Italienisch. Dies alles wollte sie «ihren» richtete Hortense dafür ein eigenes außer- Mädchen vermitteln. Neben den üblichen halb liegendes Gebäude. Der Bibliotheks- Fächern wie Lesen, Schreiben, Rechnen räum erhielt eine neue Tür, die vorhandene brachte sie ihnen Musik, Gesang, Tanz, in der Wand zur Kapelle wurde geschlos- Malen und Zeichnen bei. Unterricht erteil- sen. Wo stand nun ab 1827 der Bibliotheks- ten die größten Künstler der Zeit wieJean- schrank? Auch wenn der Schrank aus fünf Baptiste Isabey für Malerei oder Martin Teilen besteht, ist er am Stück gebaut! Erst Pierre d'Alvimare, Harfinist der Kaiserin im Inventar um 1855 erscheinen «1 biblio- Joséphine, und Pierre-Jean Garat, Bariton, thèque à 5 portes vitrées» und «4 petits für Musik und Gesang. Hier erhielt Hör- bustes bronze sur la bibliothèque» in der tense nicht nur die Grundlagen, um spä- heutigen Bibliothek im Erdgeschoss. Den- ter eine «femme artiste» zu werden, sozia-

41 les Engagement stand ebenfalls auf dem 6* bibliothèque Stundenplan! [...] 2 étagères pour livres Hortense kultivierte ihre Erziehung als [...] 4 cartes diverses de l'histoire française Erwachsene ausgiebig. Für beinahe 250 Ro- 1 grande armoire à droite de la porte avec manzen darf sie als Autorin gelten. Sie 4 portes vitrées contenant des livres et hinterließ eine große Anzahl von Zeich- atlas, et étant double [...] nungen und Gemälden. Eigene Kreationen Danach folgt eine lange Bücherliste. Sie sowie Kopien nach berühmten Malern zäh- zählt insgesamt 715 Bände auf, Musikalien, len zu ihrenWerken. DasTheater war eben- Alben und die Zeitschrift CAanüan nicht falls Bestandteil ihres Lebens. Uberall wo mitgerechnet. sie lebte, achtete sie darauf, geeignete Ein um 1866 entstandenes Inventar - er- Räumlichkeiten für Aufführungen in ihrer gänzt im Jahr 1871 - enthält eine eigene Nähe zu haben. So in Paris, in Konstanz, in Bücherliste mit Titeln und Bandzahlen, Augsburg (in ihrem Palais) oder auf Schloss Bücher, die im «Appartement du prince Arenenberg. Louis Napoléon, Bibliothèque», im «Salon So ist es nicht weiter überraschend, dass du sud» sowie im «grenier» untergebracht eine umfangreiche Bibliothek zu ihrer Ein- waren. Den Titeln nach handelt es sich aus- richtung gehörte - und dies eindeutig nicht schließlich um Bestände aus dem Eigentum als Dekoration, sondern für den Eigen- von Louis Napoléon und nicht um diejeni- bedarf, für sie, ihren Hof und natürlich für gen seiner Mutter. Von den Werken aus die Studien ihres Sohnes Louis Napoléon. ihrem Besitz findet sich keine Auflistung. Auf Arenenberg sind davon bis heute ca. Diese sind aber im Bücherschrank klar zu 950 Bände verblieben. Wie groß die Samm- erkennen: Die meisten sind in rotem Maro- lung von Königin Hortense ursprünglich quin oder Leder gebunden und weisen auf war, lässt sich zumindest momentan nicht dem Rücken ein H - in verschiedenen erschließen. Verzierungen - auf. Es sind hauptsächlich französische Autoren und Philosophen, Der A?«/ant/ der Aii/orircAen AEA/to/AcA Historiker, Lexika und Biografien, wie La DacAme zfe Z,at>a//zere von M Genlis, über Natürlich stand dazu nicht nur ein einzi- Christine von Schweden, oder gar La reine ger Bücherschrank im Schloss und in den A/ortenre en Zfa/ie j&enzAin/ /année z8jr von Dependancen. Im «Cabinet de la Reine» Hortense de Beauharnais selbst. könnte «1 armoire vitrée à 3 portes gar- Im letzten nach der Schenkung aufge- nies en velour [sic] violet» auch für Bücher stellten Inventar aus dem Jahr 1906/07 fin- gedient haben. Doch sind keine Bücher er- den sich drei Bücherschränke: wähnt, genauso wenig wie für den Bücher- [Inv.-Nr.] 200: Glasschrank mit der Biblio- schrank im Erdgeschoss. Die Liste der «Tra- thek der Hortense. Mahagoni vaux à exécuter au château d'Arenenberg», 609: Bibliothekschrank mit Glasthüren & die um 1855, das heißt nach dem Rückkauf Unterbau mit einem Teil der Bibliothek des Schlosses durch Kaiser Napoleon III., des Kaisers als Prinz in Arenenberg erstellt wurde, erwähnt im ersten Stock ein ca. 350 Bände «Grand Cabinet Bibliothèque». Es ist aber 789, a-b: 2 Bibliothekseckschränke mit nicht ganz klar, um welches Zimmer es H-Krone. sich handelt. Möglicherweise ist das heu- Diese Schränke standen im Bibliothekszim- tige Schlafzimmer der Kaiserin Eugénie ge- mer, im blauen Salon im ersten Stock und in meint. Eine weitere findet sich laut Inventar der Kapelle. Letzterer war anscheinend leer. um 1855 im «Appartement du Prince Louis Mit dem Inventar der beweglichen Gü- Napoléon»: ter wurde ein Inventar der Bücher erstellt.

42 Er stammt aus der Feder von Friedrich Bücherschränken, wo man sie erwarten Schaltegger, Thurgauer Pfarrer und später würde, sondern an den Wänden. Als Ma- Kantonsarchivar. Es ist der erste Gesamt- kulatur unter die Tapeten geklebt. So wer- katalog der Arenenberger Bücher. Sie wur- den sie ein zweites Mal interessant. Ihr den nach Kategorien sortiert und durch- Inhalt und die manchmal noch zu lesende nummeriert: Datumsangabe stellen eine wichtige Hilfe A Encyklopädien, Sammelwerke zur Datierung der verschiedenen Restau- B Staats- und Rechtswissenschaft rierungsphasen zur Zeit von Hortense bzw. C Theologie von Kaiser Napoleon III. dar. D Philosophie E Pädagogisches F Sprachwissenschaft und deutsche Der .Bestand der FörscAungsAfA/zotAeA Sprache u. Literatur G Klassische Sprachen und Literatur Neben der oben beschriebenen «histo- H Helvetica und Thurgoviana rischen Bibliothek» besitzt das Napoleon- Ja Französische Sprache und Literatur museum heutzutage eine umfangreiche mo- Jb Italienische Sprache und Literatur derne Forschungsbibliothek.'' Drei externe Je Englische Sprache und Literatur Sammlungen bilden den Grundstock dafür. K Belletristik Darunter findet sich auch diejenige des frü- L Geschichte heren deutschen Diplomaten und Napoleon- M Geographie Länder- und Völkerkunde forschers Joachim Kühn. Er verfasste eine N Mathematik große Zahl historischer Essays und Bücher. O Naturwissenschaften Nach seinem Tod gelangte ein Teil seiner P Medicin,Veterinärmedicin umfangreichen Bibliothek ins Napoleon- Q_ Militaria museum. Daraus erwuchs ein separater R Künste Bilderwerke Bestand, der mitderweile ca. 20000 Bände S Karten u. Adanten umfasst und ständig aktualisiert wird. T Technologie Sammlungsschwerpunkt ist natürlich die U Musik napoleonische Ära, aber eigentlich die V Varia ganze Zeitspanne zwischen Französischer Revolution und Erstem Weltkrieg. Letzte- Heute sind nicht mehr alle Bücher vor- res liegt darin begründet, dass Kaiserin handen. Gerade die Zeitungen fehlen. Aus Eugénie, die Witwe von Napoleon III., der Korrespondenz von Königin Hortense noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts gro- mit dem Bankier Macaire in Konstanz sind ßen Einfluss auf die französische Politik die Titel der abonnierten Zeitungen und ausübte, so zum Beispiel auf das Vertrags- Zeitschriften bekannt. Ihn beauftragte die werk von Versailles. Die Re-Annektion von Königin mit der Bestellung und Bezah- Elsass-Lothringen 1918 durch Frankreich lung ihrer Abonnements. Hortense las den trägt ihre Handschrift. Conjh'ttth'oTme/, den Courrier, die Quotidienne, Die meiste Literatur in der Arenenber- die Gazette de France, das Journai det DeFats, ger Bibliothek ist auf Französisch, denn in aber auch die Aonstanzer/lo/itiicAe Leitung, die Frankreich erscheinen fast täglich Bücher ^//gemeine Leitung aus Augsburg sowie den zu dieser Thematik, insbesondere während ITzcAter, eine im thurgauischen Weinfelden der seit einigenjahren laufenden «napoleo- gedruckte republikanische Zeitung. Obwohl nischen Jubiläen». Noch bis 1821 jähren sie eigentlich nicht mehr greifbar sind, be- sich wichtige Ereignisse zum 200. Mal, so finden sich diese Wochen- und Tageblätter 2012 der Russlandfeldzug, 2013 die Völker- aber noch im Haus. Jedoch nicht in den Schlacht von Leipzig, 2014 die Befreiungs-

43 kriege und die erste Abdankung Napo- in der Zentralbibliothek in Zürich verfüg- leons, 2015 die Hundert Tage, der Siebte bar. Karikaturen und Grafiken sollen künf- Koalitionskrieg, Waterloo, die zweite Ab- dg über die französische Bilddatenbank der dankung Napoleons, das Exil auf St. He- Réunion des musées nationaux (http:// lena usw. Die Anschaffung von in diesem photo.rmn.fr) abrufbar sein, erste Verhand- Zusammenhang neu erscheinenden Schlüs- lungen dazu laufen. Eine historische Biblio- seiwerken ist kein einfaches Unterfangen. thek öffnet sich der Welt. Wie überall leidet auch im Napoleon- museum der Bibliotheksetat unter den all- gemeinen Budgetkürzungen. ANMERKUNGEN Zur Bibliothek zählen ebenfalls die Auto- * Louise Cochelet: Mémoires de la reine Hör- grafen, Briefe und handschriftliche Texte, tense, Bd. 4, Paris, 1839, S. 289b geschrieben von Mitgliedern und nahen «Die Königin und ich machten öfters Spazierfahr- ten in der Konstanz, immer mit dem Freunden der Familien Bonaparte und Gegend von Vorhaben, einen schönen Ort zu finden, wo wir Beauharnais, sowie Musikalien, Karikatu- uns alle niederlassen könnten; jetzt aber dehnte ren und Grafiken. Diese Bestände stam- die Königin ihre Suche in Richtung Schweiz aus. men alle aus gezielten Ankäufen nach 1906. Die Magistraten des Nachbarkantons, des Thür- ließen der Königin mitteilen, dass, wenn sie aus der Zeit davor, das heißt gaus, Sammlungen sich auf ihrem Territorium niederlassen möchte, vor der Schenkung durch Kaiserin Eugé- sie von Behörden und Volk unterstützt würde! nie an den Kanton Thurgau, blieben im Dieser Kanton, wie alle anderen neugebildeten, Besitz der kaiserlichen Familie. So zum war demokratisch gesinnt und seine politische Nun Beispiel die berühmten Liebesbriefe Napo- Führung war uns gänzlich wohlgesinnt. setzten wir auf dieser Seite [der Grenze] unsere leons I. an Kaiserin Joséphine. Ursprüng- Recherchen fort.» lieh auf Arenenberg verwahrt und 1833 * Hortense de Beauharnais, Mémoires. Paris, durch Königin Hortense erstmals ediert, I927.S-5I7- «Nichts störte meine mehr. Ich lagern sie heute in den Pariser Archives Beschäftigungen widmete mich gänzlich der Lektüre und setzte Nationales. Die Arenenberger Autografen, meine Studien der Künste fort. Ich hatte keine Karikaturen und Grafiken werden Stück Ahnung von Politik: ich war darüber beschämt, für Stück gescannt und Forschern aus kon- da ich einen anderen Ruf hatte. Ich versuchte servatorischen Gründen zunächst in mich politisch zu bilden, hauptsächlich um eine nur gerechte Vorstellung der Dinge zu bekommen. Kopie zurVerfügung gestellt. Obwohl ich auf fremdem Boden weilte, war ich meiner Heimat noch nie so nah. Ich bekam alles, was [dort] veröffentlicht wurde: Bücher, Zeitun- Broschüren.» Die e/e^ironiscAe ffr/ztgAarAeü gen, 3 Louise de Castellane-Norante (1793-1881) war eine Jugendfreundin von Königin Hortense. Seit einigen Jahren wird die gesamte Sie wurde durch Kaiserinjoséphine erzogen und Bibliothek nach und nach in den SWB (Süd- mit einer Mitgift ausgestattet. Sie heiratete 1811 den Grafen Frédéric de Pourtalès. Im Sommer westdeutscher Bibliotheksverbund) katalo- 1825 kam das Ehepaar zu Besuch auf Schloss gisiert. Darüber - und über den KVK Arenenberg. (KarlsruherVirtueller Katalog, http: //www. < Bibliothèque Thiers, Paris. Fonds Masson, ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html) sind die carton 65. - 5 Bestände weltweit abrufbar. Die François-René de Chateaubriand, Itinéraire Autogra- de Paris àjérusalem, Paris 1811. fen werden zusätzlich im BAM-Portal (Bi- ® Siehe auch Handbuch der historischen Buch- bliothek - Archiv - Museum, http://www. bestände in der Schweiz. Herausgegeben von der bam-portal.de) nachgewiesen. Die vor 1800 Zentralbibliothek Zürich. Bearbeitet von Urs B. entstandenen Musikalien sind im Leu, Hanspeter Marti, Jean-Luc Rouiller, Vero- Réper- nica Carmine und Paola Costantini, Hildesheim des toire International Sources Musicales 2011, Bd. 2 S. 505-508, mit weiteren Literatur- (RISM) nachgewiesen und als Mikrofilm hinweisen.

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