Und Neues Leben Blüht Aus Den Ruinen, Schrieb Ich Einst. Dass

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Und Neues Leben Blüht Aus Den Ruinen, Schrieb Ich Einst. Dass EDITORIAL Liebe Opernfreunde! Und neues Leben blüht aus den Ruinen, schrieb ich einst. Dass jenes Theater, das seit über hundert Jahren meinen Namen trägt, nun von der Staats- oper Unter den Linden wachgeküsst und zu neuem Leben erweckt wird, erfüllt mich mit tiefster Freude. Obzwar ich ein vollkommener Laie im Musikfache bin und nie ein Instrument zu lernen das Vergnügen genoss, so darf ich Ihnen doch versichern: Ich hatte immer ein gewisses Vertrauen zur Oper. Denn: Das Schöne blüht nur im Gesang. Und bitte verstehen Sie es nicht als Affront, wenn Sie mir im Schiller Theater nicht persönlich begegnen werden. Es verhindern mich Gründe, die zu beeinflussen nicht in meiner Macht stehen. Besonders freue ich mich, dass mein Don Karlos in der Fassung des von mir hochgeschätzten Giuseppe Verdi zu erleben sein wird. Lassen Sie sich also verführen und über- raschen, denn: Das Überraschende macht Glück! In diesem Sinne Ihr AUFTAKT GEMEINSAM MUSIK ATMEN Daniel Barenboim und Jürgen Flimm im Gespräch JÜRGEN FLIMM: Lieber Daniel, das ist ja eine unge­ mengearbeitet und großen Erfolg gehabt. Jetzt wohnte Situation: Seit 1992 bist du Generalmusik­ freue ich mich sehr, mit ihr die beiden Berg- direktor der Staatsoper, und nun musst du umziehen, Opern zu machen. Lulu kommt ja ein Jahr später. mit der Kapelle und allen. JF: Was denkst du denn: Wenn wir wieder zurück­ DANIEL BARENBOIM: So groß ist der Unterschied kehren in das neue alte Opernhaus – wird das für hoffentlich nicht. Ich freue mich auf das Schiller dich anders sein? Du kennst ja jeden Zentimeter. Theater, das ja ein berühmtes Haus gewesen ist. Wirst du dich wieder so wohlfühlen wie jetzt? Ich sehe den Wechsel als Herausforderung. DB: Ich hoffe es. Vielleicht sogar mehr. Die akusti- JF: Es heißt, das Haus sei viel zu klein für Wagner. schen Verbesserungen werden ganz deutlich zu DB: Nein, man dirigiert doch immer für die Akus- hören sein, da habe ich große Hoffnung. Die be- tik, in der man musiziert. sondere Schwierigkeit mit der Akustik in einem JF: Hast du eine Lieblingsstelle im Ring? Opernhaus liegt in der Abstimmung zwischen DB: Das kann ich so nicht sagen. Ich bin wieder Musik und Text. Die Musik braucht eine längere sehr neugierig auf das ganze, große Werk, das ist Zeit für den Nachhall, während die Akustik auf immer wieder ein tolles Abenteuer. der Bühne trockener sein muss, damit der Text JF: Joneleit und Schlingensief – wie kamst du zu verständlich wird. Wagner hat das in Bayreuth diesen beiden? dadurch gelöst, dass der Klang vom Orchester DB: Als ich 2006 den Ernst von Siemens Musik- nicht direkt in den Zuschauerraum geht, sondern preis erhielt, habe ich im Rahmen der Preisverlei- zuerst auf die Bühne, sich dort mit den Stimmen hung Mémoriale von Pierre Boulez dirigiert – ein mischt, und der Zuschauer den Klang dann be- Stück für Flöte und kleines Ensemble. Jens reits homogenisiert hört. Das werden wir nicht Joneleit erhielt in jenem Jahr einen der Kompo- erreichen können. Aber ich glaube, dass unser nisten-Förderpreise und hatte zu diesem Anlass Haus die richtige Größe hat, und wenn die Akus- ebenfalls ein Stück für Flöte und Ensemble kom- tik verbessert ist, können wir uns auf viele gute poniert, das Elan heißt. Dieses Stück habe ich Opernabende freuen. auch dirigiert und fand es wirklich sehr interes- JF: Es ist doch ganz selten, dass sich ein Dirigent von sant. Daraus entstand die Idee, ihn mit einer Oper deinem Rang so fest an ein Haus bindet. zu betrauen. Und Christoph Schlingensief ist ein DB: Jimmy Levine tut das seit 39 Jahren an der Met so überaus begabter Mann – mit ihm wollte ich in New York. unbedingt arbeiten. Darauf freue ich mich sehr. JF: Aber sonst? Warum machst du das? Du könntest JF: So wie auf Andrea Breth und den Wozzeck? doch durch die ganze Welt reisen und alles dirigie­ DB: Mit Sicherheit! Für mein Treffen mit Andrea ren, was überhaupt Geige spielen kann. Breth muss ich mich bei dir bedanken, denn du DB: Früher war das absolut üblich. Man spricht so warst es, der uns in Salzburg zusammengebracht oft über die Macht des Dirigenten, aber es ist doch hat. Das war ein großer Moment für mich. Wir so: Ein Dirigent bestimmt vielleicht, wann ein haben bei Eugen Onegin ganz wunderbar zusam- Konzert beginnt und in welchem Tempo gespielt AUFTAKT wird – aber den Rest muss das Orchester können nicht meine Sache. Aber er ist drangeblieben und und wollen. Dass das Orchester so spielt, wie der hat mich überzeugt, einen Versuch zu machen – Dirigent es möchte, das kann jeder Berufsdiri- bei ihm in der Festspielsituation. Dabei könne ich gent. Die wirkliche Musik fängt an, wenn das Or- lernen und dann weitersehen. Genauso ist es ge- chester versteht, wie der Dirigent denkt, und be- kommen. reit ist, auf ihn einzugehen. Und ein Dirigent JF: Aber die erste Oper, die du gesehen hast, war muss auch verstehen, was wichtig für das Orches- auch Don Giovanni, oder? ter ist. Wenn man diese gemeinsame Sprache fin- DB: Als Kind, ja. Als Elfjähriger in Salzburg, Furt- det, dann ist es, als ob der Dirigent und das Or- wängler dirigierte. Mit Siepi als Don Giovanni. Ich chester eine gemeinsame Lunge hätten, als wenn war völlig fasziniert von Furtwängler. Ich durfte sie zugleich die Musik atmeten. Wenn man diese bei den Proben neben dem Cembalo sitzen und Einheit gefunden hat, so wie ich mit der Kapelle, habe überhaupt nicht auf die Bühne geschaut. dann will man nicht unbedingt woanders dirigie- JF: Hast du eine Lieblingsoper? ren, weil man das so schnell nicht erreichen DB: Nein. Die letzte Oper, die ich dirigiert habe, kann. Man kann natürlich tolle Konzerte und war Carmen an der Scala. Deshalb ist Carmen jetzt Aufführungen auch als Gast dirigieren. Aber am sozusagen meine Lieblingsoper. Aber wenn ich schönsten musiziert man zu Hause. nun wieder Tristan dirigiere, wird sie es sein. JF: Du bleibst also erst mal hier in Berlin? JF: Ein berühmter Kollege von dir hat gesagt: Im DB: Ich werde an dem Tag gehen, an dem das Or- Tristan ist er der Allerbeste. Ist Tristan dein Lieb­ chester das Gefühl hat, jetzt reicht es, jetzt wie- lingsstück von Wagner? derholt er sich, oder wenn ich das Gefühl habe, DB: Das kann ich so nicht sagen. Denn wenn ich ich habe nichts mehr mitzuteilen. Dann muss ich den Ring dirigiere und denke, Tristan ist mein gehen. Aber sonst gibt es keinen Grund für mich. Lieblingsstück, werde ich den Ring als Tristan diri- JF: Was war denn deine erste Oper als Dirigent? gieren. Das ist vielleicht auch so ein beruflicher DB: Das war Don Giovanni in Edinburgh. Verteidigungsmechanismus. Ich versuche nur JF: Wie alt warst du da? Stücke zu spielen und zu dirigieren, von denen DB: Ich war 32. Ich bin überhaupt nicht mit der ich in dem Moment, in dem ich sie aufführe, das Oper aufgewachsen. In Argentinien, wo es ein Gefühl habe, das ist mein Lieblingsstück. Wenn tolles Haus gab, das Teatro Colón, war ich zu jung. ich also während Carmen gedacht hätte, Tristan ist Dann war ich in Israel, und die Oper in Tel Aviv mein Lieblingsstück, wäre das nicht gutgegangen. war damals nicht so gut – jetzt ist sie sehr gut. Ich habe erst als erwachsener Mensch angefangen, wirklich in die Oper zu gehen. Ich hatte nie im Leben gedacht, dass ich dirigieren würde – ich wollte Klavier spielen! Dann dachte ich, die Kla- vierkonzerte von Mozart muss ich vom Flügel aus dirigieren. Danach habe ich Kammerorchester dirigiert, mit dem English Chamber Orchestra »Wir wollen, dass zum Beispiel habe ich jahrelang gearbeitet, und dann kamen die ersten Sinfonieorchester. In das Schiller Theater Edinburgh gab es dann Peter Diamond, den Leiter der Festspiele, der ein sehr erfahrener Mann war. den ganzen Tag Der sagte: So wie du Mozart spielst, musst du Don Giovanni dirigieren. Ich habe gesagt: Nein, das ist etwas bietet.« Daniel Barenboim »Der Wind wirkt nur, wenn auch ein Segel JF: Gibt es eine Oper, die du noch nie dirigiert hast und unbedingt noch machen möchtest? da ist.« Jürgen Flimm DB: Ja, viele, sehr viele. Falstaff zum Beispiel habe ich nie dirigiert. Ich würde auch sehr gern Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann dirigieren und Il trovatore – mit Anna Netrebko! JF: Gibt es ein Stück, das du als Pianist nie gespielt DB: Vielleicht erlaubst du als Intendant mir, mal hast und noch spielen willst? eine Wiederaufnahme des Barbiers von Sevilla zu DB: Was Stücke aus der Vergangenheit angeht, so dirigieren. habe ich vieles von Schumann nicht gespielt. Aber JF: Schon erlaubt – bitte schön! Dann könntest du wichtig ist natürlich auch die zeitgenössische Mu- die Ruth noch mal treffen, da würde sie sich sicher sik. Ich bin sehr froh, wenn die Komponisten, die sehr freuen. Hast du mit ihr mal gearbeitet? mir am meisten zu sagen haben, Elliott Carter DB: Nein, aber ich habe sie gekannt. Ich saß neben und Pierre Boulez, neue Stücke für mich schrei- ihr in der Premiere des Don Giovanni von Harry ben, die ich entweder spielen oder dirigieren Kupfer in der Komischen Oper. Das muss 1988 kann. Ich wünsche mir, dass sie wieder ein gro- gewesen sein. Ich hatte ein paar sehr interessante ßes Klavierstück schreiben oder ein großes sinfo- Gespräche mit ihr. Ihre Arbeit hat mich fasziniert, nisches Stück. Bei Boulez haben wir alle noch die sowohl ihr Barbier als auch Pelléas et Mélisande. Hoffnung, dass er eines Tages doch die Oper JF: Die Aufführung haben wir noch, die wollen wir schreibt, die er immer für uns schreiben wollte! ja auch zeigen. Sie hat bei mir am Hamburger Tha­ Er ist ein großer Theatermann, denn er sieht die lia Theater dreimal inszeniert.
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