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Musikleben im Diskurs

Schwindsucht im Parkett Die Zeit läuft

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editorial 1 Wer gewinnt den Wettlauf um den letzten Konzertbesucher?

Mitmach-, Schnupper-, Action-, Mitternachts-, Frühlings-, Pausen-, Werkstatt,- Wandel- und Afterworkkonzerte vermitteln genauso wie die zahlreichen Fantasienamen für die Ver- Christian Höppner mittlung von Musik vor allem eines: Ein neues Publikum muss her. Das alte Stammpub - Chefredakteur likum stirbt weg, die jungen Alten tummeln sich immer öfter lieber beim „König von Mallorca“ und dem Hörernachwuchs werden durch die multimediale Reizüberflutung die Ohren zugemüllt.

Es ist paradox: Da entern „Kulturagenten“ die Schulen, um vermeintlich neue Zielgrup- pen für das Kulturleben zu gewinnen, und zugleich fällt vielerorts der Musikunterricht aus. Heerscharen von Orchestermusikern engagieren sich in Projekten in der Schule und anschließend wartet der entflammte Nachwuchs jahrelang auf einen Unterrichtsplatz an einer öffentlichen Musikschule. So spannend viele Initiativen sind: Sie kämpfen wie wei- land Don Quichotte auf verlorenem Posten, weil sie auf dem zerbröselnden Fundament kultureller Grundbildung arbeiten (müssen).

Die zahlreichen Projekte und Events sind nur das Sahnehäubchen auf dem Hefeteig einer langfristig angelegten Erziehung. Kein Baby kommt mit einer Vorliebe für Bach, Rap oder Volksmusik auf die Welt. Es liegt in unser aller Verantwortung, Erfahrungen mit der Kultu- rellen Vielfalt in unserem Land zu ermöglichen. Die Orte kultureller Erstbegegnung wie Kindertagesstätten, Schulen und Musikschulen sind die zentralen Orte für das Entzünden kultureller Neugier. Dazu braucht es nicht immer neue und „innovative“ Ansätze. Die „Krise der Klassik“ liegt nicht in der Musik selbst: Barockmusik kann genauso aktuell und mitreißend sein wie viele Werke aus anderen Kulturen, der zeitgenössischen Musik oder der populären Musik. Wenn unsere Kinder Bach und Mozart bestenfalls aus der Werbung oder einer gehypten Crossover-Interpretation kennen, müssen wir uns nicht wundern, wenn sie diese Musik nicht erreicht.

Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass niemand den Wettlauf um den letzten Konzertbesucher gewinnen kann, solange unsere Gesellschaft nicht den Blick auf das Morgen und Übermorgen richtet. Wenn die existenzielle Bedeutung der Musik für unser Menschsein immer mehr auf Sonntagsreden verlagert wird und immer weniger mit dem Lebensalltag zu tun hat, dann helfen auch keine Events. Wenn der Staat kulturelle Teil- habe als ein Menschenrecht propagiert, dann muss auch er investieren: zum Beispiel in ei- nen regelmäßigen und qualitätsgesicherten Musikunterricht für alle Kinder und Jugendli- chen. Die Qualitätssicherung bezieht sich nicht nur auf die differenzierten Studiengänge, wie sie die künstlerischen Hochschulen anbieten, sondern auch auf den Anspruch, die ganze Bandbreite Kultureller Vielfalt zu vermitteln: sinnlich und kognitiv. Dann kommen wir dem Anspruch der bestmöglichen Entfaltungsmöglichkeit für den Einzelnen und dem daraus folgenden Nutzen für das menschliche Zusammenleben ein Stück näher. Kulturelle Teilhabe lässt sich nicht durch das Servieren mundgerechter Häppchenkultur in möglichst bequemen Sesseln erzielen, sondern braucht die unmittelbare Erfahrung unseres kulturel- len Reichtums.

Christian Höppner

4/11 inhalt im fokus: Schwindsucht im Parkett Die Zeit läuft

Änderungen im Konzertleben – Kultur Eine Hommage an Franz Liszt zum abseits der großen Einrichtungen?, Seite 8 200. Geburtstag, Seite 40

im fokus pro & contra | Die Konzertpublika in Deutschland | Erweiterung oder Nicht-Erweiterung? Hans Neuhoff und Jan P. Peschlow: Die Umgestaltung von „Jugend musiziert“ Eine Szenariodiskussion bis 2050 8 in der Diskussion 30

| Musikproduzenten oder Pädagogen? Susanne Keuchel: Eine Infrastrukturerhebung zu begegnung Vermittlungsangeboten in Kultureinrichtungen 14 | Eine linke Hand wie Gott Der Blues- und Boogie-Woogie-Pianist | „Ich hör alles von Punkrock bis Klassik!“ Axel Zwingenberger (Stephan Mayer) 36 Michael Parzer: Grenzüberschreitender Musikgeschmack in der Gegenwartsgesellschaft 18

| Ein Patentrezept gegen Publikumsschwund akzente gibt es nicht | Hommage à Franz Liszt zum 200. Geburtstag Christian Höppner im Gespräch mit Pamela Rosenberg 22 Sechs Ehrungen für Franz Liszt! (Johannes Herwig) 40

| Auf der Suche nach dem Publikum von morgen Das Musikforum hat verschiedene Festivals um ein neue töne kurzes Statement zu ihren Publikums-Strategien gebeten 26 | Am Puls der Avantgarde Die Edition Zeitgenössische Musik porträtiert seit 25 Jahren junge Komponisten in Deutschland (Daniel Mennicken) 44

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Neue Förderstrukturen im EU-Finanzrahmen – Potentiale entdecken – weiße Flecken was bleibt für die Kultur?, Seite 48 in der Publikumsforschung, Seite 54

report bildung | forschung | Wer beharrt, dem gelingt’s | Topografie des Musikstudiums Christian Höppner im Gespräch mit Klaus Wüsthoff 46 1. Universitäten, Pädagogische Hochschulen und Fachhochschulen, Studiengänge für Musikberufe | Kulturpolitik ist auch Gesellschaftspolitik 2. Musikhochschulen, Konservatorien, Fachakademien Zum 80. Geburtstag von Klaus Bernbacher – und Kirchenmusikhochschulen 2009/2010 52 Christian Höppner im Gespräch mit Klaus Bernbacher und Ernst Folz 46 | Wer kommt – wer geht – und warum? Probleme und Potenziale der Publikumsforschung in Deutschland (Robin Kuchar und Volker Kirchberg) 54 europa | Creative Europe Erste Pläne für die EU-Kulturförderung ab 2014 wirtschaft | recht (Sabine Bornemann) 48 | Höhere Mehrwertsteuer für Noten? Brüssel will „harmonisieren“: die Pläne der EU-Kommission zur Zukunft der Mehrwertsteuer (Hans-Willi Hefekäuser) 58 musik und politik | Aus drei mach keins | editorial 1 Wie kulturelle Bildung nachhaltig zerstört wird | nachrichten 4 (Rüdiger Kruse) 50 | rezensionen 61 | finale/impressum 64

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Herbsttagung der Konferenz der Landesmusikräte

Im Rahmen der Herbsttagung schen Musikrats, vertreten durch der Konferenz der Landesmusik- seinen Präsidenten, Martin Maria räte in Schlitz (Hessen) wurden Krüger, Generalsekretär Christian schwerpunktmäßig die Umset- Höppner und die Geschäftsfüh- zung der UNESCO-Konvention rer der DMR gGmbH, Peter Ort- Kulturelle Vielfalt, das Thema mann und Norbert Pietrangeli, Musik in der Schule, der Tag der teil. Begrüßt wurden die Teilneh- Musik und die Aktivitäten zum mer von Ministerialdirigent Eric 50-jährigen Bestehen des Wett- Seng vom Hessischen Ministe - bewerbs „Jugend musiziert“ rium für Wissenschaft und Kunst, Neuer Studiengang musik.welt 2013 behandelt. An der Konfe- von der Präsidentin des Landes- renz nahm unter Leitung der musikrats Hessen, Ursula Jung- Vorsitzenden, Ulrike Liedtke, tra- herr, und vom Bürgermeister Kulturelle Vielfalt eröffnet alle, die das Potenzial der Musik ditionell die Spitze des Deut- von Schlitz, Hans-Jürgen Schäfer. neue berufliche Möglichkeiten. für ihre Arbeit erkannt haben Zum Wintersemester 2011/12 und nutzen wollen. Das bundes- Rheinsberg könnte Schaden nehmen startet an der Stiftung Universität weit einzigartige Pilotprojekt ist Hildesheim der viersemestrige Teil des Programms „musik.welt berufsbegleitende Studiengang @niedersachsen“ der Stiftung Die Stadt Rheinsberg und kraft von Rheinsberg könne „musik.welt - Kulturelle Diversi- Niedersachsen und wurde ge- der Landkreis Ostprignitz-Ruppin Schaden nehmen, wenn die tät in der musikalischen Bil- meinsam mit dem Center for wollen die bisher selbstständigen künstlerisch Verantwortlichen dung“ (Master of Arts oder Zer- World Music, der Stiftung Uni- GmbHs Kammeroper Schloss nicht auch die wirtschaftliche tifikatsstudium). Mit Inhalten versität Hildesheim, der Hoch- Rheinsberg und die Musikakade- Verantwortung tragen würden. wie: Musik und Soziale Arbeit, schule für Musik und Theater mie Rheinsberg zu einer ge- Die Erfahrungen mit ähnlichen Elementare Musikpädagogik, Pro - Hannover, dem Musikland Nie- meinsamen Gesellschaft zusam- Fusionen seien sowohl in jektmanagement, Interkultura- dersachsen und drei weiteren menführen. Der Generalsekretär Deutschland wie in anderen Län- lität, Bandarbeit und viel Praxis. Hochschulen entwickelt. des Deutschen Musikrats, Chris- dern meist negativ. „Der Scha- Der Studiengang richtet sich an Mehr Infos und Kontakt:www. tian Höppner, appellierte an die den, den ich befürchte, steht in MusikerInnen, Lehrkräfte, Sozial- musikwelt-niedersachsen.de, piro Kommunalpolitiker, auf die Fu- keinem Verhältnis zum wirt- arbeiterInnen, ErzieherInnen und @musikwelt-niedersachsen.de sion zu verzichten. Die Strahl- schaftlichen Nutzen“, sagte er.

Kulturbarometer: Besucherrückgang gestoppt Personalia

Zum ersten Mal nach sechs gruppen bis 24 Jahren konnten Jahren konnte der Rückgang der nach wie vor nicht ausreichend jährlichen Konzert- und Musik- angesprochen werden. Deshalb theaterbesucher in Deutschland muss künftig noch verstärkt Ju- gestoppt werden. Damit zeichnet gendarbeit geleistet werden, um sich eine Kehrtwende in der das Publikum von morgen zu si- 2005 konstatierten Entwicklung chern“, sagt Susanne Keuchel, rückläufiger Zuschauerzahlen ab. Geschäftsführerin des Zentrums

Besuchten in der Spielzeit für Kulturforschung. Bei der Fra- © Metin Yilmaz 2004/05 42 Prozent der bun- ge nach der Hauptaufgabe der desweiten Bevölkerung mindes- Orchester nannten 54 Prozent an Jiggs Whigham und Niels Regine Möbius, Vizepräsiden- tens jährlich eine Musiktheater- erster Stelle die Verpflichtung, Klein bilden die neue künstleri- tin des Kulturrats, ist erneut zur aufführung bzw. ein E-Musik- junge Menschen für das musika- sche Leitung des Bundesjazzor- Beauftragten für Kunst und Kul- konzert, waren es in der Spielzeit lische Erbe zu begeistern. chesters. Dies hat die Projektge- tur von ver.di gewählt worden. 2010/11 44 Prozent. „Dass der- Dies sind die Ergebnisse des 9. sellschaft des Deutschen Musik- Die Schriftstellerin aus Chemnitz zeit ein weiterer Abwärtstrend Kulturbarometers des Zentrums rats nach intensiven Beratungen war die erste Beauftragte für verhindert werden konnte, liegt für Kulturforschung in Koopera- im zuständigen Jazzbeirat und Kunst und Kultur von ver.di und am Zuwachs des Publikums ab tion mit der Deutschen Orches- mit Zustimmung des Aufsichts- ist nun in ihrem Amt bestätigt 65 Jahren. Die jungen Alters- tervereinigung (DOV). rats entschieden. worden.

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Musikrat: Kulturelle Vielfalt ist Verwertungsgesellschaften und kein Schubladenpapier die Kulturelle Vielfalt

Die nationalen Musikräte zunehmend gefährdet. Die Kulturstaatsminister Bernd grundlage von Kulturschaffen- von Deutschland, Österreich und UNESCO-Konvention Kulturelle Neumann (Foto) erklärte bei der den bilden. Die VG Media trägt der Schweiz (D-A-CH) appellie- Vielfalt kann ein wirkungsvolles Festveranstaltung zum zehnjähri- so – wie alle anderen Verwer- ren an die nationalen Regierun- Handlungsinstrument für die gen Bestehen der VG Media in tungsgesellschaften – erheblich gen und Parlamente, die Umset- kultur- bzw. musikpolitische Ar- Berlin: „Seit Jahrzehnten tragen zur Kulturellen Vielfalt bei.“ zung der UNESCO-Konvention beit sein, wenn sie nicht in den private Medien als Kultur- und Die VG Media ist die Verwer- zur Kulturellen Vielfalt (Foto) in Schubladen der Sonntags red- Wirtschaftsgut zur Kulturellen tungsgesellschaft der privaten kulturpolitisches Handeln umzu- ner(innen) verstaubt. Die ‚Über- Vielfalt und Meinungsbildung Fernseh- und Hörfunksender. Sie setzen. Die drei Musikräte verab- setzung‘ der völkerrechtlich ver- bei – und seit 10 Jahren ist die vertritt die Urheber- und Leis- schiedeten im Rahmen ihrer Jah- bindlichen Konvention in prakti- VG Media der starke Arm bei der tungsschutzrechte nahezu der restagung in Berlin einstimmig sches kommunal- bzw. landes- Durchsetzung ihrer Interessen. gesamten privaten Rundfunk - eine Resolution mit fünf Forde- politisches Handeln ist dabei ge- Das effiziente und vorbildliche industrie in Deutschland und rungen zur Umsetzung der Kon - nauso wichtig wie die Schärfung System der Verwertungsgesell- mehrerer Sender aus weiteren vention. Hierzu Generalsekretär des Bewusstseins für die gesell- schaften hat sich seit langem be- Ländern, zusammen derzeit 118 Christian Höppner, Leiter der schaftspolitische Bedeutung Kul- währt. Besonders wichtig finde Sendeunternehmen. diesjährigen D-A-CH-Tagung und tureller Vielfalt. Ich freue mich ich, dass die Erlöse der VG Media Vizepräsident des Europäischen über die Einigkeit der nationalen auch den Kreativen und Künst- Musikrats: „Das kulturelle Erbe, Musikräte von Deutschland, Ös - lern zugutekommen. Denn nur die künstlerischen Ausdrucksfor- terreich und der Schweiz und dadurch, dass die privaten Sen- men unserer Zeit und die Kultu- die gemeinsame Forderung nach der angemessen für die Verwer- ren anderer Länder in unserem politischem Handeln zur Umset- tung ihrer Leistungen vergütet Land sind ein Schatz für das Zu- zung der UNESCO-Konvention werden, kann wiederum Geld in sammenleben von Menschen. Kulturelle Vielfalt auf allen Ebe- neue kulturelle Inhalte investiert Kulturelle Teilhabe ist Vorausset- nen.“ werden – und damit in die zung dafür, diese Vielfalt erfah- Die Resolution zur Umsetzung schöpferischen Leistungen von ren und weiterentwickeln zu der UNESCO-Konvention finden Kreativen und Künstlern. Ohne können. Angesichts teils drasti- Sie unter: Verwertungsgesellschaften wäre scher Streichungen bei der Fi- www.musikrat.de es viel umständlicher, Rechte an nanzierung im Bildungs- und kulturellen Leistungen zu erwer-

Kulturbereich ist diese Vielfalt ben, die wiederum die Existenz- © Heinrich-Böll-Stiftung

welt insgesamt und das Musikle- ben Deutschlands im Besonde- ren schulden dem Dirigenten Kurt Sanderling bleibenden Dank. Das musikalische Wirken sowie der persönliche Lebens- weg Sanderlings waren einzig - artig und werden dauerhaft zu den großen Lichtmomenten des © Marion Klemp

© Wilfried Hösl Musiklebens – nicht nur in Deutsch land – gehören. Der Zubin Metha wurde mit dem Justus Thorau, Stipendiat des Kurt Sanderling ist tot. Der Deutsche Musikrat gedenkt einer Echo-Klassik für sein Lebens- Dirigentenforums des Musikrats, Dirigent verstarb am 18. Sep- herausragenden Musikerpersön- werk ausgezeichnet. Der welt- gewann beim Dirigentenwettbe- tember im Alter von 98 Jahren. lichkeit.“ weit tätige Dirigent zählt zu den werb im Rahmen des Internatio- Hierzu Martin Maria Krüger, Seinen Abschied vom Dirigen- bedeutendsten Künstlern der Ge- nalen Sommerfestivals „Little Pa- Präsident des Deutschen Musik- tenpult nahm Sanderling 2002 genwart und machte sich weit ris“ in Bukarest. Justus Thorau rats: „Der Deutsche Musikrat hat als er zum letzten Mal im Kon- über die Musik hinaus durch konnte sich gegen 60 Mitbewer- mit großer Betroffenheit vom zerthaus am Gendarmenmarkt sein soziales Engagement ver- ber aus über 20 Nationen durch- Tod seines Ehrenmitglieds Kurt das Berliner Sinfonieorchester dient. setzen. Sanderling erfahren. Die Musik- dirigierte.

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Classical:NEXT – ausgezeichnet neues Fachforum

BKM-Preis „Kulturelle Bil- und das Kunstprojekt „Paradies ARD-Musikwettbewerb –in Von Mittwoch, 30. Mai bis dung“ 2011: Staatsminister Bernd 2“. Die Laudatoren Hildegard diesem Jahr in den Fächern Samstag, 2. Juni 2012 wird Neumann, der Beauftragte der Bockhorst, Geschäftsführerin der Oboe, Trompete, Klavier und Or- Münchens großes Kultur- und Bundesregierung für Kultur und Bundesvereinigung Kulturelle gel – entschieden. Insgesamt gab Bildungszentrum Gasteig Gast- Medien, verlieh in der Stiftung Kinder- und Jugendbildung, es drei erste, fünf zweite und geber der ersten Classical:Next Genshagen den mit insgesamt Christian Höppner, Generalse- fünf dritte Preise. Der 23-jährige (www.classicalnext.com) sein. 60 000 Euro dotierten BKM- kretär des Deutschen Musikrats ukrainische Pianist Alexej Gor- Dieses neue, internationale Bran- Preis „Kulturelle Bildung 2011“. und Vizepräsident des Europäi- latch konnte am meisten über- chenforum richtet sich an alle In seiner Rede unterstrich Neu- schen Musikrats, und Matthias zeugen und gewann den 1. Preis. professionellen Akteure der erns- mann die Bedeutung der kultu- Pannes, Bundesgeschäftsführer Das Publikum stimmte mit der ten Musik, um gegenwärtige rellen Bildung. Aus zehn nomi- des Verbandes deutscher Musik- Jury überein und verlieh Gor- und zukünftige Herausforderun- nierten Projekten wurden die schulen, unterstrichen in ihren latch auch den Publikumspreis. gen zu thematisieren. Von Alter drei folgenden Projekte ausge- Laudatios den Vorbildcharakter Der 2. Preis im Fach Klavier bis zu zeitgenössischer Musik, zeichnet: die Telenovela „Es geht und die innovative Realisierung wurde der 21-jährigen Tori Hu- traditioneller bis experimenteller um Dein Leben“, „Der unbe- der ausgezeichneten Projekte in- ang aus den USA zugesprochen, Klassik – Classical:Next soll allen kannte Krieg – Ein multimedia- nerhalb der Bildungs- und Kul- der Südkoreaner Da Sol Kim musikalischen Epochen und Sti- les Projekt gegen das Vergessen“ turlandschaft. (22) kam auf Platz drei. listiken einen Platz geben.

Internationaler Bach/Liszt Orgel- wettbewerb

Aus Ungarn kommen die bei- den Preisträger des 2. Internatio- nalen Bach/Liszt-Orgelwettbe- werbs. Der mit 12000 Euro do- tierte 1. Preis, gestiftet von der Commerzbank-Stiftung, wurde nicht vergeben. Den mit 8000 Euro dotierten 2. Preis, gestiftet von der Stadt Weimar und der © Marco Borggreve © Marco Bild: WDR/Michael Fehlauer Sparkasse Mittelthüringen, wur- de an den Organisten Péter Ko- Leopold – Medienpreis „Gute ECHO-Klassik für Nach - Der Musikfest-Preis in Bre- váts verliehen. Den mit 5000 Musik für Kinder“ wurde am 23. wuchs förderung: Die Deutsche men geht 2011 an den japani- Euro dotierten 3. Preis, gestiftet September vom Verband deut- Phono-Akademie, das Kultur - schen Dirigenten, Organisten vom Thüringer Ministerium für scher Musikschulen zum achten institut des Bundesverbandes und Cembalisten Masaaki Su - Bildung, Wissenschaft und Mal verliehen. Rund 200 Musik- Musikindustrie e.V., gab die Ge- zuki: Mit dem Musikfest-Preis Kunst, empfing Agoston Toka. Fi- produktionen waren eingereicht winner der Kategorie „Sonder- zeichnet das Festival seit 1998 nalisten-Diplome in Höhe von worden, 28 schafften es auf die preis der Jury für Nachwuchs- jährlich bedeutende Solisten, En- 1000 Euro gingen an die beiden Empfehlungsliste der Experten- förderung im Bereich der Klas- sembles, Orchester und Dirigen- deutschen Endrundenteilneh- jury. Sechs Produktionen wurden sik“ bekannt. Ausgezeichnet ten aus, die durch ihr herausra- mer, Marcel Andreas Ober und nun mit dem Preis ausgezeich- wurden in diesem Jahr die Mu- gendes künstlerisches Wirken in Lukas Maschke, der sich außer- net. sikalische Akademie des Bayeri- der internationalen Musikwelt dem den mit 1 000 Euro do- Die Gewinner sind: das Musical schen Staatsorchesters e.V. für eigenständige Akzente gesetzt tierten Sonderpreis für die beste Prinzessin Knöpfchen und Prinz das Jugendorchester „ATTACCA“ haben. Die Auszeichnung ist mit Liszt-Interpretation sichern konn - Schleimi, das Orchesterhörspiel sowie der landesweite Nach- 25 000 Euro dotiert und wird te. Der Sonderpreis für die beste Alice im Wunderland, die Lieder- wuchswettbewerb „Jugend mu- von der Commerzbank-Stiftung Bach-Interpretation in Höhe von CD Wer hat die Kokosnuss geklaut siziert“. ausgestattet. Preisträger der ver- 1 000 Euro wurde kurzerhand sowie die Produktionen Der Josa Beide Projekte werden für ihr gangenen Jahre waren u. a. Sir umgewidmet zu einem weiteren mit der Zauberfiedel, Das Orchester großes und nachhaltiges Engage- John Eliot Gardiner, Jessye Nor- Sonderpreis für die beste Liszt-In- zieht sich an und die ZEIT-Edition ment im Bereich der Nach- man, Nikolaus Harnoncourt und terpretation, den die Japanerin Große Klassik für kleine Hörer. wuchsförderung geehrt. Anne Sofie von Otter. Mami Nagata gewann.

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Kulturelle Bildung von Kindern fördern

In einem offenen Brief appel- lierte Christian Höppner, Gene- ralsekretär des Deutschen Musik- rats und Vizepräsident des Euro- päischen Musikrats, an den Re- gierenden Bürgermeister von Berlin, sich der Gesamtverant- wortung für die kulturelle Bil- dung von Kindern und Jugend - „Für eine Politik mit Musik“ – lichen zu stellen und mit um- Eine Erinnerung an fänglichen Investitionen kon- Hans Günther Bastian tinuierliche und qualifizierte kulturelle Bildungsangebote zu ermöglichen. Den Brief können Hans Günther Bastian ist ben? Die Ergebnisse überrasch- Chor, einen Männerchor und ei- Sie nachlesen unter: www.mu- tot – diese Nachricht schockierte ten vielleicht nicht jeden, der nen Knabenchor. Er arbeitete mit sikrat.de im Juli die Fachkollegen ebenso mit dem Wettbewerb zu tun hat; dem Deutschen Chorverband wie eine größere kulturinteres- ihm aber ist zu verdanken, dass zusammen, unterrichtete an den sierte Öffentlichkeit. Bastian war die Ergebnisse in die Öffentlich- Universitäten Bonn und Pader- nicht allein im musikpädagogi- keit kamen. Auf diesem Hinter- born auch das Fach Chorleitung schen Umfeld eine Institution, grund ist es auch seiner Initia - und verfasste zusammen mit sei- Mixed up-Preise wie kaum ein anderer erreichte tive zu verdanken, dass das heute nem langjährigen Kollegen und 2011 in Köln er die Öffentlichkeit durch seine von Heiner Gembris geleitete Freund Wilfried Fischer das verliehen Forschungsergebnisse, wie kaum universitäre Paderborner „Insti- Handbuch der Chormusik. ein anderer war er in den Me- tut für Begabungsforschung und Zahlreiche Auszeichnungen un- dien präsent, wenn es um die Begabtenförderung in der Mu- terstrichen Hans Günther Bas - Im Kölner Rautenstrauch-Joest- Bedeutung der Musikerziehung sik“ ins Leben gerufen wurde – tians Reputation als Forscher Museum wurden sechs Koopera- ging. Seine im Jahre 2000 veröf- einzigartig in seiner Art. und politischer „Beweger“, der tionsprojekte von Kultur und fentlichte Langzeitstudie zur Fra- Nach seinem Musikstudium in nicht ohne eine tief verwurzelte Schule mit dem Mixed-up-Preis ge der Wirkung der Musik und Frankfurt am Main arbeitete Bas- Überzeugung lebte: „Selbst- der Bundesvereinigung Kulturel- des Musikunterrichts an zwölf tian zunächst an den Universitä- zweck, Wertfreiheit und Autono- le Kinder- und Jugendbildung Berliner Grundschulen war alles ten Gießen, Bonn und Pader- mie von Forschung sind unan- (BKJ) und des Bundesministeri- andere als unumstritten und be- born, bevor er 1998 auf einen tastbare Werte, doch Forschung ums für Familie, Senioren, Frau- wegte die Gemüter sehr stark; Lehrstuhl zurück nach Frankfurt sollte auch einen weitergehen- en und Jugend (BMFSFJ) ausge- sie wurde auf Kongressen und in ging. Hier wurde er 2005 emeri- den Sinn haben: Sie soll der Ge- zeichnet. Die preisgekrönten Pro- Hochschulen ebenso diskutiert tiert; er zog sich mit großer Ver- sellschaft dienen und politisch jekte, die sich im Rahmen der wie in den Ministerien oder im ärgerung darüber aus der Lehre verwertbar sein. (Zu) viele Kin- siebten Ausgabe des bundeswei- Spiegel und in der Zeit. Regelmä- zurück, dass die Musiklehreraus- der haben sozialbedingt keine ten Wettbewerbs gegen 339 Be- ßig luden ihn daraufhin die ein- bildung von der Universität weg Chance auf eine qualifizierte werber durchsetzten, liefern ein- schlägigen Talkshows ein, wenn an die Musikhochschule verlegt Musikerziehung. Als Wissen- drucksvolle Beispiele für die es um die Frage der musikali- werden sollte. schaftler und Forscher möchte Überwindung von Bildungsbar- schen Förderung ging. Und er Bastian engagierte sich auch sehr ich meiner Umgebung nicht die rieren. Auf bilateraler Kooperati- warb für die musikalische Bil- stark ehrenamtlich. Im Deut- Chance geben, das akademische onsebene oder aber eingebettet dung mit einer Verve wie kaum schen Musikrat leitete er die vom politischen Engagement zu in größere Netzwerkstrukturen ein zweiter in Deutschland. Fachkommission „Musikpädago- trennen. Im Dienste der Musik gestalten sie in gemeinschaftli- Nicht ganz so öffentlichkeits- gische Forschung“, zudem war möchte ich mich für eine kin- cher Zusammenarbeit ganzheit- wirksam, aber in anderer Weise er Vorsitzender des Arbeitskreises der- und jugendfreundliche Bil- lich ausgerichtete Bildungsange- folgenreich waren seine For- für Schulmusik und der Bundes- dungs- und Kulturpolitik, eine bote für Kinder und Jugendli- schungen zur Frage der Hochbe- fachgruppe Musikpädagogik. Mu- Politik mit Musik, einsetzen.“ che. gabung und dementsprechend sik & Bildung beriet er zeitweise Am 11. Juli verunglückte Hans zu den „Jugend musiziert“- genauso wie den ARD-Musik- Günther Bastian bei einem Ver- Preisträgern. Hier waren ihm wettbewerb und den Deutschen kehrsunfall tödlich. grundsätzliche Fragen wichtig: Chorwettbewerb. Überhaupt war Hans Bäßler Erreicht die Organisation des das Thema Chor sein Lebensthe- Wettbewerbs wirklich die Hoch- ma: Stark aus der kirchlichen begabten, welche Perspektiven Chortradition kommend leitete haben sie im späteren Berufsle- er lange Jahre einen gemischten

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Relationen zwischen Alt und Jung verändern sich – auch im Musikleben

Die Konzertpublika in Deutschland

Eine Szenariodiskussion bis 2050 Hans Neuhoff und Jan P. Peschlow

In den nächsten Jahrzehnten wird sich die Publikums - struktur durch den demografischen und kulturellen Wandel verändern. Wenn aber die Legitimationsressource Publikum immer knapper und das Auslastungsproblem der Kulturinsti- tutionen immer größer wird, sind starke Kürzungen im Bereich Musik unaufhaltsam. Das Konzertleben in Deutsch- land sieht sich tiefgreifenden Änderungen gegenüber.

Konzertpublika gehören zur Klasse freiwillig konstituierter System, wie im Orchesterwesen oder der Oper, zu mehr als drei Aggregate: Alle Besucher einer Veranstaltung haben im Rahmen Vierteln von Zuwendungen der öffentlichen Hand getragen des gegebenen Angebots dieselbe Wahl getroffen – eine Wahl, wird. In diesem Fall ist das Publikum ein wichtiges Komple- die auch eine kulturelle Zugehörigkeitsentscheidung bedeutet ment zur „diskursiven Legitimität“ („Rechtfertigungskonsens“), und mit der Verausgabung zweier wichtiger Ressourcen verbun- auf welche die Subventionierung sich stützt: Es beweist, dass die den ist: Zeit und Geld. Der Konzertbesuch unterliegt dabei, wie Sache lebensfähig ist und von ausreichenden Teilen der Gesell- die Publikumsforschung gezeigt hat, strukturierter sozialer Un- schaft getragen wird. gleichheit. Bildung, sozioökonomischer Status, Lebensalter und Generationszugehörigkeit, aber auch die familienständische Si- Bedingungen der Publikumsentwicklung tuation sowie bestimmte Einstellungen und Werte sind einige Doch wie stabil sind die Publikumsstrukturen als Grundlage des der Faktoren, die mit der Wahlhandlung „Konzertbesuch“ in Konzertlebens, und welche Dynamiken kennzeichnen sie? Diese Zusammenhang stehen und sie beeinflussen können. Frage stellt sich auch vor dem Hintergrund der schärfer wer- Auf dem Feld des organisierten Musiklebens bedeutet „ein Pub- denden allgemeinen Verteilungskämpfe immer häufiger, und sie likum haben“ Legitimität für die betreffende Musikart: Daseins- verbindet sich mit wichtigen Fragen soziokultureller Identitäts- recht auf einem Terrain existenzieller Konkurrenz sowie relative bildung in Gegenwart und Zukunft überhaupt. Geltung der mit der Musik und dem Handlungskomplex „Kon- Die Rahmenbedingungen für die Publikumsentwicklung sind zert“ verbundenen Werte und Haltungen. Die Legitimität basiert denn in der Tat auch auf dem sozialen und allgemeinen kultu- hier auf dem Erfolg auf Märkten und kann, wenn der Erfolg im rellen Feld zu suchen. Wichtigster einzelner sozialer Faktor ist unverzerrten Wettbewerb erzielt wurde, als „absolute Marktlegi- der demografische Wandel mit seinen drei Teilaspekten der Be- timität“ angesprochen werden. Sie ist nicht gegeben, wenn ein völkerungsschrumpfung, der altersstrukturellen Verschiebungen

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sowie des wachsenden Anteils von Personen mit Migrationshin- 39 Millionen im Jahr 2035 und 33 Millionen im Jahr 2060 zu- tergrund. Wichtigste allgemeinkulturelle Prozesse sind die tech- rück, zugleich wird die Erwerbsbevölkerung strukturell immer nikinduzierte Medialisierung und der damit zusammenhängen- älter. Der so genannte „Altersquotient“ für 65 (Anzahl der Per - de quantitative und diskursive Aufstieg populärer Stile. Alle diese so nen von 65 Jahren und älter auf 100 Personen im erwerbs - Faktoren interagieren selbstverständlich mit weiteren Mechanis- fähi gen Alter) wird sich bis 2060 nahezu verdoppeln: Lag er 2008 men der kulturellen Formationsbildung. bei 34:100, wird für 2060 ein Quotient von 67:100 erwartet. Kinder und Jugendliche werden – diese Tendenz ist im öffentli- Demografischer Wandel chen Erscheinungsbild schon heute spürbar – zu Minderheiten. Der demografische Wandel zählt unstrittig zu den größten ge- Gegenwärtig stehen 14,8 Millionen Personen unter zwanzig Jah- sellschaftlichen Problemen Deutschlands. Es wäre wirklichkeits- ren 16,8 Millionen Personen der Gruppe 65 Jahre und älter ge- fremd zu glauben, dass er ohne Folgen für das Musikleben blei- genüber. Das entspricht einem Anteil dieser Gruppen an der Ge- ben könnte. Nach der zwölften Bevölkerungsvorausberechnung samtbevölkerung von 18 zu 21 Prozent. Für 2050 wird ein Ver- des Statistischen Bundesamtes (2009) wird die Bevölkerung hältnis von 10,7 Millionen zu 23,0 Millionen erwartet (Anteil Deutschlands wegen des rasant wachsenden Geburtendefizits von an der Gesamtbevölkerung 15 zu 33 Prozent). Zum Vergleich: In 81,5 Millionen im Jahr 2010 auf 69,4 Millionen im Jahr 2050 der zweiten Hälfte der 1960er Jahren kamen auf rund 23,5 Mil- sinken (Für das Jahr 2060, den Endpunkt der Vorausberech- lionen Personen unter zwanzig Jahre 10,5 Millionen der Grup- nung, werden 64,7 Millionen erwartet.). pe 65 Jahre und älter (Anteil an der Gesamtbevölkerung 30 zu Im Zuge dieses Prozesses werden sich die Relationen zwischen 13 Prozent). Im Deutschen Reich um 1910 gar zeigte der Al- Alt und Jung verändern. Die Zahl der Personen im erwerbsfähi- tersaufbau noch die klassische Pyramidenform: Kinder und Ju- gen Alter (20-65 Jahre) geht von 50 Millionen im Jahr 2008 auf gendliche stellten 44 Prozent der Gesamtbevölkerung.

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Opernhäuser kämpfen bereits Eine Pyramide wie 1910 stellt jetzt mit massiven die deutsche Bevölkerungsstruktur Auslastungsproblemen schon lange nicht mehr dar © R. B., pixelio

Die Zahl der in Deutschland lebenden Ausländer hat in den ver- Während dabei im Bereich der „Umgangsmusik“ und populä- gangenen dreißig Jahren um vier Millionen auf gegenwärtig 7,3 ren Stile um 1900 eine lange Folge von Innovationen anbricht Millionen zugenommen. Bezieht man alle Personen mit Migra- und dieser (medienbasiert) breite Hörerschaften erreicht, setzt, tionshintergrund ein, sind es rund 15 Millionen (18,8 Prozent ganz anders, im Bereich der Kunstmusik eine Historisierung der Gesamtbevölkerung). Bei einem Wanderungssaldo im obe- und Kanonisierung des Konzertrepertoires mit Werken des 19. ren Bereich des Wahrscheinlichkeitskorridors steigt ihr Anteil bis und 18. Jahrhunderts ein: Es entsteht die „klassische Musik“. Mitte des 21. Jahrhunderts auf 30 Prozent. Dabei spielt auch ei- Gleichsam im Gegenzug zu dem raschen Wandel aller Lebens- ne Rolle, dass Frauen mit Migrationshintergrund die höchste verhältnisse konstituiert sich mit ihr ein kulturelles Erbe und Er- Geburtenhäufigkeit haben. Ein wichtiger Aspekt dieser „Gruppe“ fahrungsgut, das für seine bürgerlichen Trägerschichten zu- ist ihre ethnische Heterogenität, mit Konsequenzen für die gleich Traditions-, Bildungs- und soziale Abgrenzungsfunktio- Selbstwahrnehmung der meisten ethnischen Gruppen als Min- nen übernimmt – Funktionen, die dieses Repertoire über Jahr- derheit und entsprechender Partikularität und Diversität ihrer zehnte hinweg behalten sollte. Infolge ihres Schrift- und Werk- kulturellen Aktivitäten. charakters – der Notentext ändert sich nicht – bleibt die klassi- sche Musik allerdings „nominell gleich“ und wird kognitiv im- Kultureller Wandel mer älter. Das Schlagwort vom „kulturellen Wandel“ ist einfach und kom- Auf der Ebene der Individuen ist eine wichtige Folge des hohen plex zugleich. Einerseits ist der Wandel evident und für jeden im Veränderungstempos die Entstehung generationsspezifischer Alltagsleben spürbar, andererseits erweist er sich bei genauerem kultureller Wissensbestände („Kohorten- oder Generations - Hinsehen als vielschichtig und multifaktoriell bedingt. Technik - effekt“). Wie die psychologische Forschung gezeigt hat, entwi- induzierter sozialer und kultureller Wandel kann als dominantes ckeln Individuen eine dauerhafte emotionale Bindung vor allem Merkmal der abendländischen Moderne seit dem frühen an diejenigen zeitgeschichtlichen kulturellen Phänomene, die 19. Jahrhundert angesprochen werden (Dampfkraft, Elektro- sie im Alter zwischen 18 und 28 Jahren kennen gelernt haben technik, Rotationspresse usw.). Bedeutende Erfindungen für (Filme, Helden, Symbole, Musik usw.), und tragen diese meist den spezielleren Bereich der Musik waren dann die Technologien lebenslang mit sich fort. Gesamtgesellschaftlich resultiert eine der Klangspeicherung, der Klangübertragung und der Klang - epistemische und kognitive Abkopplung der Generationen von- synthese. einander, die bis zur Entfremdung reichen kann. Zwei wichtige allgemeine Konsequenzen sind die gewaltig an- Effekte des biologischen Alters betreffen demgegenüber Orien- schwellende gesellschaftliche Produktivität und das Aufkommen tierungs- und Verhaltensänderungen, die generationsunabhän- der medienbasierten Massenkommunikation. Sie betrifft auch gig in bestimmten Altersstufen auftreten. Hierzu zählt etwa das den kulturellen Bereich im engeren Sinne, insbesondere durch steigende Bedürfnis nach Ruhe, Ordnung, Harmonie und Tradi- die exponentiell sich erhöhende Produktion und Emission kul- tion im mittleren und höheren Erwachsenenalter, das einer der tureller Zeichen (Texte, Bilder, Klänge). Zu den gängigen musik- Gründe für die verstärkte Zuwendung dieser Altersgruppen zur bezogenen Topoi zählt, dass die Loslösung der Musik von Zeit klassischen Musik ist. und Ort ihrer Entstehung und die immer leichtere Verfügbarkeit Der neuere kulturelle Wandel, wie er sich in der Mitte der immer größerer Repertoires neue, rein medienbasierte Hörkul- 1980er-Jahre abzuzeichnen beginnt und in den 1990er-Jahren turen sowie neuartige Wissens- und Präsenzformen von Musik beschleunigt hat, betrifft einerseits den von Kabel- und Satelli- heraufgeführt hat. tenfernsehen, Digital- und Computertechnologie sowie schließ-

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Hat das klassische Orchester bald ausgedient? © Paul-Georg Meister, pixelio © Paul-Georg Meister, lich dem Internet getragenen Medialisierungsschub, andererseits rungsstreben historisch gewachsener Strukturen. Wir haben es die Generational Politics der bildungshoch und postmateriell daher mit komplexen Situationen und, einmal mehr, mit multi- sozialisierten Nachkriegsgenerationen (exemplarisch: die Wäh- faktoriell bedingten Prozessen zu tun. lerschaft der Grünen). Sie sind mit Rock- und Popmusik aufge- Dennoch ist eine Reihe großer Tendenzen erkennbar und be- wachsen, mit autoritätsfreier Erziehung, haben partizipatorische schreibbar. Schon die Bevölkerungsgröße selbst hat vielfältige Sozial- und Kulturpraxen entwickelt und sind gerne außerhäus- Auswirkungen. Das betrifft, zunächst in der Gesamtheit betrach- lich aktiv. Das bürgerliche Kunstverständnis aber, das auf den tet, die Größe von Märkten und Institutionengefügen. Es wird beiden Säulen vom Individualitäts- und Bildungsgedanken be- absolut weniger – noch weniger – Nachfrager geben, freilich mit ruht(e), wird immer unverbindlicher. unterschiedlicher Betroffenheit altersspezischen Nachfragever- Rock- und Popmusik durchlaufen einen mehrfachen Status- haltens. Modifiziert wird dieser Generaleffekt regional und lokal wechsel: Es beginnt ihre Geschichts- und Traditionsbildung (die durch Wanderungsbewegungen zwischen den Regionen Deutsch- sie zur Übernahme von Orientierungsfunktionen im gesamtkultu- lands. Die Regionen und Großstädte befinden sich ihrerseits be- rellen System befähigt), sie erfahren eine diskursive Aufwertung reits im Wettbewerb um Bevölkerung, insbesondere um Zuzug als legitime Ausdrucks- und Erfahrungsformen, werden „wissen- und Bindung junger, gut ausgebildeter und deutscher Personen. schaftsfähig“ und halten Einzug in das akademische Ins ti tu - Gleichzeitig sinken mit der Zahl der Erwerbstätigen die Einnah- tions wesen. Nirgendwo kann man dies leichter und deutlicher men aus Steuern und anderen Abgaben. Das betrifft die Finan- ablesen als am Wandel der Feuilletons der großen Tageszeitun- zierungsmöglichkeiten derjenigen Institutionen und Veranstal- gen: Beschränkten diese noch Anfang der 1980er-Jahre ihre Be- tungen, deren Kosten überwiegend durch Zuwendungen der richt- und Diskursfunktion auf hochkulturell ausgewiesene, „le- öffentlichen Hand gedeckt werden, also die meisten Orchester gitime“ Phänomene, so sind heute weite Teile populärer Kultur und die Opernhäuser, aber auch Veranstaltungsreihen mit popu- darin zu finden. Niemanden überrascht und kaum jemanden lären (vor allem internationalen) Ensembles und Bands, wie sie stört es, wenn heute in FAZ oder SZ neben einer Bayreuth-Pre- von vielen Städten durchgeführt werden, schließlich aber auch miere ein Eminem-Release besprochen wird. Phänotypisch tritt Musikschulen und die Förderstrukturen im Projektbereich. uns dieser Wandel im „musikalischen Allesfresser“ entgegen (Ri- Dieser Effekt wird noch verstärkt durch die notwendige Reform chard Peterson), einer bildungshohen Person, die die Musik ver- der Transferleistungen im Sozialsystem. Da bis 2050 und darü- schiedener sozialer und ethnischer Gruppen (auch klassische Mu- ber hinaus immer weniger Erwerbstätige immer mehr Ruhe- sik) in ihrem jeweiligen Recht erkennt, anerkennt und genießt. ständler umlagefinanzieren müssen, wird vor allem in den „nicht notwendigen“ Bereichen gekürzt werden – zu denen die Szenarien und Perspektiven Musik gehört. Maßnahmen wie die Erhöhung des Rentenein- Der demografische und der allgemeine kulturelle Wandel sind trittsalters oder die verstärkte Ansiedlung hochqualifizierter (ab- als Bedingungen für die spezielleren Prozesse des Musik- und gabestarker) Gewerbe- und Dienstleistungsstrukturen können Konzertlebens aufzufassen. Sie schlagen aber nicht immer direkt diese Entwicklung allenfalls mildern, nicht aber aufhalten. auf Strukturen des Musiklebens durch. Manche Effekte laufen Schließlich kommt für die Orchester und Opernhäuser das sich über Vermittlungsinstanzen (z.B. die politischen Entscheidungs- verschärfende Auslastungsproblem hinzu. Für die Mehrzahl von träger), die ihrerseits noch weiteren Bedingungen unterliegen, ihnen, insbesondere die Opernhäuser, besteht dieses Problem aber auch autonome Aspekte besitzen können. Außerdem gibt es bereits, und zwar mitunter massiv, wie die Statistiken des Deut- autonome Kräfte auch im Musikleben selbst sowie das Behar- schen Bühnenvereins zeigen.

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Bedürfnis nach „Soziokultur“ steigt: Szenekulturen sind vielfältig und bunt: Gabriel Vetter der Musikkabarettist Lars Reichow bei den Poetry Slam-Meisterschaften in St. Gallen © Herbert Piel

Kulturorchester und Opernhäuser: Schrumpfung und der von Gerhardt Kapner vor 25 Jahren formulierten Epochen- Marktorientierung, Trend zum Festival tendenz einer Schwerpunktverlagerung im Kunstsystem von den Selbst wenn man einen altersbedingten Klassikeffekt annimmt, Auftraggebern über die Künstler und die Vermittler hin zum diesen in der Gruppe 48 bis 77 Jahre ansiedelt und damit noch Publikum entspricht als auch der marktdemokratischen Basis- einen leichten Zuwachs der zentralen Rekrutierungsmasse für ideologie unserer Gesellschaft. Das bedeutet auch, dass die ge- Klassik von gegenwärtig 31 Millionen auf 32,5 Millionen in sellige Seite und der Unterhaltungsaspekt von Veranstaltungen, den Jahren 2015 bis 2025 erwartet (danach beginnt diese Zahl die von vielen vermisst werden, ihr Recht anmelden werden. zu sinken), so ist doch mit Blick auf die veränderte Kulturorien- Der künstlerische Autonomieanspruch aber – im allgemeinen tierung der bildungshöheren Bevölkerungsgruppen nicht nur Bewusstsein ohnehin längst geschwächt (exemplarisch hierfür mit einem weiteren Altern dieser Publika zu rechnen (sie sind ist die Publikumskritik am Regietheater) – wird nun auch noch nach den Publika der volkstümlichen Musik bereits die ältes- nach den Regeln von Märkten zurückgeschnitten. ten), sondern auch mit ihrer Schrumpfung. (Den Haupteffekt Bedroht ist aber auch die Institution des festen Spielbetriebs durch Zuwachs der „Rekrutierungsmasse 48-77“ hat der Klassik - überhaupt – zugunsten des Festivalkonzepts. Der Trend zum Fes- bereich übrigens soeben durchlaufen: Sie wuchs von 25,6 Millio- tival ist seit Jahren zu beobachten. Eventcharakter, effektivere nen im Jahr 1993 auf erwartete 31,5 Millionen im Jahr 2012.) Bewerbung, geringere laufende Personalkosten, der Wegfall län- Für die zuwendungsfinanzierten Institutionen, allen voran die gerfristiger Verpflichtungen, zeitliche Flexibilität, Spezialisie- Opernhäuser, ist die Konsequenz einer „deutlichen Reduzierung“ rungschancen und anderes mehr sind Punkte, die es Städten ihrer Zahl und Dichte in den kommenden Jahrzehnten daher sehr viel mehr erlauben, in dem anstehenden Strukturwandel unausweichlich. Konkret werden – unbeschadet möglicher lokaler ein prestigeträchtiges kulturelles Aushängeschild zu erhalten als Sonderentwicklungen – vor allem kleinere und regional ausge- die Etatbürde eines festen Spielbetriebs. Damit wird schließlich richtete Spielbetriebe eingestellt werden. Hervorgehen aus die- das Marketing-Denken in einem Maß und einer Form im Hoch- sen Prozessen wird eine schlanke Leuchtturmstruktur hervor - kulturbereich Einzug halten, die man bislang hier für wesens- ragender Häuser, die auch internationales Publikum anziehen. fremd hielt. Das Wort des Netrebko-Managers Jeffrey D. Vander- Dies wird begünstigt durch eine weiter wachsende Mobilität, veen, das musikalische Veranstaltungswesen müsse sich mehr insbesondere die schnellen Verbindungen, die einen Veranstal- am Erfolgsmodell des Sportmarketings orientieren, könnte nicht tungsbesuch auch über größere Entfernungen ermöglichen. ungehört verhallen. Aber auch die Angebotsstruktur und der Gesamtcharakter dieser Einrichtungen werden sich wandeln. Denn wenn die Legitima - Proportionale Zuwächse populärer Stile und tionsressource Publikum knapper wird, verschärft sich der von „Soziokultur“ Kampf um sie. Es ist daher wahrscheinlich, dass Intendanten- Die Entwicklungsperspektiven in den nicht-zuwendungsfinan- herrlichkeit zugunsten von Wettbewerbsstrukturen zurückgehen zierten Bereichen des Konzertlebens sind von widersprüchli- wird und dass Publikumswünsche sehr viel mehr das Programm chen Kräften gekennzeichnet. Einerseits schrumpft auch hier die und die Gestaltung von Aufführungen und Ambiente beeinflus- Rekrutierungsmasse, und zwar umso mehr, als die meisten der sen werden, als das bislang der Fall war. zugehörigen Künstler und Genres jüngere Publika haben oder Damit durchlaufen diese Häuser einen Wandel von der organisa- sich durch ein junges Publikum etablieren (und dann mit die- tions- zur besucherzentrierten Kultureinrichtung, der sowohl sem altern). Gleichzeitig wächst die Angebotsseite durch die ra-

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sante Entwicklung der Produktivkräfte immer mehr an (zuzüg- Kategorial verwandt, aber sozial geschieden, sind die Aktivitäten lich der Verfügbarkeit von immer mehr älterer Musik auf Spei- der verschiedenen ethnischen Gruppierungen in Deutschland. chermedien), während auf der Nachfrageseite, neben ihrer Es gibt, von der deutschen Bevölkerung weitgehend unbemerkt, Schrumpfung, Sättigungseffekte auftreten. Viele der Angebote nicht nur ein ausdifferenziertes türkisches Sozial- und Kultur - sind gar nicht performancefähig und kommen für Konzerte leben, in dem stets auch Musik eine Rolle spielt, sondern es nicht in Betracht, viele andere dürften zu schwach sein, um in haben die meisten Communities von Migranten und deren Kin- einkommensrelevante Veranstaltungsstrukturen aufsteigen zu dern ähnliche Stukturen aufgebaut, die durch Satellitenfernse- können. hen aus den Herkunftsländern eine zusätzliche Stütze erhalten. Andererseits haben die Etablierung populärer Genres in den Bil- Die zweisprachig aufwachsenden n-ten Generationen dieser dungsmilieus und der erörterte Strukturwandel dieser Milieus Gruppen mischen sich einerseits in die Rekrutierungsmasse der selbst die Rekrutierungsmasse für deren Konzertbesucher stark übergeordneten populären Generationskulturen – befördern vergrößert. Das betrifft bereits die Babyboomer-Generation von also deren ethnische Durchmischung –, bleiben daneben aber 1955 bis 1970. Die derzeit noch konzertierenden Altstars wer- auch ihren Herkunftskulturen verbunden und entwickeln au- den vor allem von ihnen frequentiert („Generationseffekt“). ßerdem eigene Stile. Interessenten für das deutsche Hochkultur- Wenn sie abtreten, werden andere Generationskünstler folgen, system sind dabei kaum zu erwarten (und wenn, so kommen aber ihre Zahl bzw. ihr Publikumsvolumen wird analog zum sie aus osteuropäischen Migrantenstämmen). Geburtenrückgang ab 1970 ebenfalls schrumpfen. Abträglich ist Mittelfristig ist im Bereich von populärer Musik und Soziokultur hier außerdem, dass die individuelle Konzertbesuchshäufigkeit, in seiner Gesamtheit also ein relativer Größenerhalt zu erwar- insbesondere bei Pop und Rock, sehr viel geringer ist als im ten, und proportional zum Klassikbereich bedeutet das einen Klassikbereich (sie beträgt durchschnittlich nur zwei bis vier Zuwachs. Allerdings umfasst er ein sehr viel größeres Repertoire Konzerte im Jahr). an Stilen und Formen als klassische Musik und Oper. Er stellt Es ist aber fraglich, ob sich diese Logik ohne weiteren Struktur- sich daher weniger als abgrenzbarer Bereich mit wenigen Ober- wandel über die Generationen fortschreiben wird. Seit Rap, begriffen denn als fragmentiertes Terrain ohne Tiefenstruktur Techno oder House, die gegenwärtig schon in ihr viertes Lebens- dar, das sich einem zusammenfassenden Verständnis entzieht. jahrzehnt eintreten, hat es keine neue Stilkategorie vergleichba- rer Dimension mehr gegeben. Entwickeln sich hier keine neu- Fazit en, das zeitgeschichtliche Lebensgefühl reflektierenden Formen, Das Konzertleben in Deutschland steht vor tiefgreifenden Ände- könnte es zu einer Ausdünnung generationsgebundener Musik rungssprozessen, ja es befindet sich bereits darin. Demografi- kommen – zugunsten anderer, mit dem Internet und seinen scher und kultureller Wandel erodieren gleichsam von innen, Folgestrukturen verbundener Bereiche von Alltagskultur. von der Bevölkerungssubstanz her, die historisch gewachsenen Im Ergebnis sprechen alle diese Punkte für eine weitere Diversi- Strukturen des Hochkulturbereichs und befördern die Fragmen- fizierung des medialen Angebots populärer Musik, aus dem sich tierung in den Bereichen von Umgangsmusik, medienbasierten eine kleine konzertante Angebotsstruktur herausselektiert, mit populären Stilen und Lokalphänomenen. Während das Netz der wenigen Veranstaltungen großer internationaler Acts. Das betrifft zuwendungsfinanzierten Einrichtungen eine Verschlankung hin die Musik und Konzerte im engeren Sinne. Viele Beobachter aus zu einer Leuchtturmstruktur überregional ausgerichteter Häuser Kultur- und Stadtsoziologie erwarten für die nächsten zwei, drei und zu weiteren Festivals erfährt, kennzeichnet den medien-, Jahrzehnte daneben einen Fortbestand der lokalen Szenekulturen markt- und initiativgesteuerten Bereich eine alters-, milieu- und – manche halten die Existenz einer Szenekultur in der Konkur- lokalspezifische Struktur kleiner Systeme und Parzellen plus we- renz der Städte sogar für wichtiger als einzelne traditionelle niger Stars, die übergreifendes kollektives Wissen verbürgen. Die Hochkulturinstitutionen. Nachfragerseite wird in allen Bereichen und auf allen Ebenen Generell hat das Interesse an außerhäuslichen Aktivitäten in der gegenüber der Anbieterseite gestärkt. Wertrational motivierte Tat nicht nachgelassen, zumal aufgrund der niedrigen Gebur- und interventionistisch ambitionierte Bestrebungen aber (etwa tenrate die familiären und verwandtschaftlichen Strukturen aus- im Sinne der Kunstidee) wären besser beraten, diese Entwick- dünnen und das Bedürfnis nach „Soziokultur“ entsprechend lungen zum Ausgangspunkt ihres Tuns zu machen, als sich ih- steigt. Und im Bereich der Bühnenkünste hat der Medialisie- nen zu verschließen. rungsschub sogar zu einer Aufwertung des Live-Erlebnisses ge- führt. Allerdings sind die „Szenekulturen“ sehr vielfältig und Hans Neuhoff ist Professor für Musiksoziologie und Musikpsychologie an der bunt – Musik ist, neben Kabarett, Freien Theatern, Lesungen, Hochschule für Musik und Tanz Köln. Poetry Slams, Diskussionsveranstaltungen, Weinproben usw.

überhaupt nur eine Sparte oder ein Begleitphänomen darin – und Jan P. Peschlow ist Musikpädagoge und Absolvent des Masterstudiengangs setzen sich daher aus kleinformatigen Elementen zusammen. Kunstmanagement an der Hochschule für Musik und Tanz Köln.

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Musikproduzenten oder Pädagogen?

Eine Infrastrukturerhebung zu Vermittlungsangeboten in Kultureinrichtungen Susanne Keuchel © Franky De Meyer

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Das Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) führte 2009/2010 für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Infrastrukturerhebung zu Bildungsangeboten in klassischen Kultureinrichtungen, u. a. auch in Orchestern und Mehrspartenhäusern (Vollerhebung), durch.1 Im Fokus standen Einführungen, Jugendtheaterclubs, moderierte Kin- derkonzerte, Themenworkshops und viele andere künstle- risch-kreative Bildungsangebote.

Seit 2004 hat sich die Diskussion um die Notwendigkeit von zu erreichen. Dafür konzentrieren sie sich im Rahmen von Fa- Jugend- und Vermittlungsangeboten in klassischen Kulturein- milienkonzerten etwas stärker als die anderen Kultureinrichtun- richtungen intensiviert. Unterstützt wurde dieser Prozess von gen auf die Zielgruppe Familie. Die Mehrspartenhäuser setzen der empirisch nachgewiesenen Erkenntnis, dass das Interesse an ihren Schwerpunkt in der Vermittlung, wie schon erwähnt, auf klassischen Konzerten kein Alters-, sondern ein Generatio- das Theaterangebot und erreichen dabei stärker Schüler der wei- nenphänomen ist. In einem Zeitvergleich der KulturBarometer- terführenden Schulen und junge Menschen in der Freizeit. Die Reihe2 wurde deutlich, dass der jährliche Besuch von klassi- seltenen Bildungsformate im Konzertbereich der Musiktheater schen Musikkonzerten bei der jungen, aber auch der Elternge- setzen dagegen ähnliche Akzente wie die Orchester. neration und der jüngeren älteren Bevölkerung 20053 im Ver- Auffällig ist der geringe Anteil von Bildungsformaten für Senio- gleich zu 19944 deutlich abgenommen hat. Ein deutlich ausge- ren bei den Mehrspartenhäusern und speziell bei den Orches- prägtes Desinteresse der 14- bis 24-Jährigen an Angeboten der tern (4 Prozent). Dass es so wenige Bildungsveranstaltungen für Orchester bzw. Musiktheater wurde zugleich im ersten Jugend- eine Zielgruppe gibt, die ansonsten als Publikum in den Ein- KulturBarometer 20045 sichtbar. richtungen so präsent ist, könnte u. a. auf fehlende didaktische Konzepte für diese Zielgruppe6 zurückgeführt werden, mögli- Musikvermittlung – ein neues Aufgabenfeld? cherweise auch auf eine gewisse Scheu, eine Zielgruppe zusätz- Die eben skizzierte Entwicklung führte in den vergangenen Jah- lich im Rahmen von Bildungsangeboten anzusprechen, die in- ren zu einem wachsenden Engagement der Orchester und Mu- nerhalb des Publikums oftmals schon überrepräsentiert ist. Eines siktheater im Bereich der Musikvermittlung, das sich auch in der wenigen Vermittlungsangebote, das sich zugleich an Jugend- der Infrastrukturerhebung im deutlichen Zuwachs an Bildungs- liche und Senioren im Musiktheaterbereich wendet, ist das angeboten in den Einrichtungen seit 2004 abbilden lässt (vgl. Theaterprojekt „Schwund“ des Theaters Bielefeld und des dazu Übersicht 1). 90 Prozent der Orchester und alle befragten Alarmtheaters. Dieses Generationsprojekt bedient sich verschie- Mehrspartenhäuser investieren heute in Vermittlungsangebote. dener Darstellungsformen, z. B. des Tanzes, des Schauspiels oder Durchschnittlich haben die Orchester 2,8 unterschiedliche Ver- des Gesangs, und thematisiert unterschiedliche inhaltliche As- mittlungsformate, wie moderierte Kinderkonzerte, Einführun- pekte des demografischen Wandels wie Kinderkriegen, Tod oder gen oder Musikworkshops, die Mehrspartenhäuser 4,6 Vermitt- Jugendwahn. lungsformate. Im Fokus der Formate der Mehrspartenhäuser steht allerdings der Sprechtheaterbereich (58 Prozent). Nur 21 Interkulturelle Konzepte und Bildungsangebote Prozent der Bildungsformate werden hier im Konzert- und 21 für migrantische Zielgruppen fehlen Prozent im Musiktheaterbereich angeboten. Allgemein zeigt sich in der Studie – auch bezogen auf alle ande- ren befragten Einrichtungen – ein deutliches Defizit bei Vermitt- Mehr zielgruppenspezifische Bildungsarbeit lungsangeboten, die sich an migrantische Zielgruppen richten. Der deutliche Zuwachs der Bildungsangebote in Orchestern und Bei den Mehrspartenhäusern macht der Anteil der Bildungsan- Musiktheatern kann vor allem auf die Erkenntnis zurückgeführt gebote 2008, die sich auch (nicht nur) an Migranten richteten, werden, dass es heute wichtig ist, unterschiedliche Vermitt- 3 Prozent aus, bei den Orchestern wie auch im Schnitt bei allen lungsangebote für verschiedene Zielgruppen zu konzipieren Kultureinrichtungen etwa 1 Prozent und steht damit in keinerlei (vgl. dazu Übersicht 2). Nur 18 Prozent der aktuellen Vermitt- Relation zum Bevölkerungsanteil der Personen mit Migrations- lungsangebote in Orchestern und 20 Prozent in Mehrsparten- hintergrund (19,6 Prozent)7 in unserer Gesellschaft. häusern sind offen für alle Bevölkerungsgruppen. Das Gros der wenigen Bildungsangebote, mit denen die Kultur- Schulklassen stellen die größte Zielgruppe der klassischen Kul- einrichtungen nach eigener Aussage migrantische Zielgruppen tureinrichtungen, so auch der Musiktheater und Orchester, dar. erreichen wollen, sind in der Regel Schulprojekte in sozialen Seltener schaffen es Orchester, junge Menschen in der Freizeit Brennpunkten. Statistisch ist die Gleichsetzung von Zielgruppen

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seit 2005 2000 – 2004 1995 – 1999 1990 – 1994 1985 – 1989 Kultureinrichtungen insgesamt davon Orchester 1980 – 1984 davon Mehrspartenhäuser vor 1980

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Übersicht 1: Das Entstehungsjahr der Bildungsformate, die derzeit von den Kultureinrichtungen angeboten werden, differenziert nach Einrichtungsart. © ZfKf 2010 ZfKf ©

sonstige Klassen der Sekundarstufe Grundschulklassen Hauptschulklassen Junge Menschen in der Freizeit Auszubildende/Studierende Familien Kindertagesstättengruppen Vorschulkinder Senioren bildungsferne Bevölkerungsgruppen Kultureinrichtungen insgesamt ohne Migrantengruppen Mehrspartenhäuser und Orchester Orchester andere Mehrspartenhäuser keine Einschränkung

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Übersicht 2: Zielgruppen der Bildungsformate, differenziert nach Mehrspartenhäusern, Orchestern und sonstigen klassischen Kultureinrichtungen (Mehrfachnennungen möglich). © ZfKf 2010 ZfKf © mit migrantischem und bildungsfernen Hintergrund nicht halt- der Infrastrukturerhebung gaben 31 Prozent der befragten bar. Sehr selten sind Vermittlungsangebote, die kulturelle Erfah- Mehrspartenhäuser an, konkret einen Ausbau an Vermittlungs- rungen aus den Herkunftsländern migrantischer Zielgruppen angeboten für migrantische Zielgruppen zu planen, bei den aufgreifen, wie beispielsweise Workshops des Education-Pro- Orchestern waren es 19 Prozent. gramms der Berliner Philharmonie, die Bezug nehmen auf die Reihe „Alla turca“ mit Begegnungen von Künstlern und Musik Zur Konzeption von musikalischen aus Orient und Okzident. Vermittlungsangeboten In Gesprächen mit Kulturschaffenden wird deutlich, dass noch Die Orchester arbeiten eher mit rein rezeptiven Vermittlungsfor- eine große Unsicherheit vorherrscht, mit welchen Konzepten maten (52 Prozent) als mit rein künstlerisch-kreativen Formaten und Vermittlungsangeboten man migrantisches Publikum ge- (17 Prozent). Im Mittelpunkt der Bildungsveranstaltungen steht winnen kann. Dies gilt vor allem für interkulturelle Begeg- hier vielfach das Werk, beispielsweise im Rahmen von Work- nungskonzepte, die gleichermaßen Zielgruppen mit und ohne shops zum Thema Komposition oder Einführungen, die Kennt- Migrationshintergrund ansprechen und den Dialog anregen. In nisse zum Werk, zu den Orchesterinstrumenten und der Musik-

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theorie vermitteln. Zum Beispiel auch im Rahmen neuer Me- der kulturellen Bildung. Ein Großteil der Mehrspartenhäuser (78 dien und Orte, wie „KlangReich“, das interaktive Klangmuseum Prozent) plant zudem künftig einen konkreten Ausbau des kul- der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, das im Rah- turellen Bildungsangebotes für einzelne Zielgruppen. Bei den men der Dauerausstellung nicht nur auf anschauliche Weise Orchestern liegt der Anteil bei 39 Prozent. Einig sind sich heute Grundlagen der Musiktheorie und der Musikgeschichte vermit- weitgehend alle Kultureinrichtungen, dass Vermittlung auch ei- telt, sondern auch Besucher animiert, verschiedenartige Instru- ne Aufgabe der Produzenten ist. Keines der befragten Orchester mente selbst auszuprobieren. Vor allem sind es aber die mode- und Musiktheater vermerkt bei einer entsprechenden Nachfra- rierten Konzerte für spezielle Zielgruppen, aber auch Proben - ge, dass kulturelle Bildung nicht Aufgabe der eigenen Einrich- besuche, die den hohen Anteil an rezeptiven Bildungsformaten tung sei. ausmachen, wie auch der Besuch von Orchestermusikern in der Zugleich wünschen sich die Orchester und Musiktheater auch Schule, der eine lange Tradition8 hat. noch mehr konkrete Unterstützung von Seiten der Kulturpolitik. Eine Besonderheit in den Mehrspartenhäusern stellen Bildungs- Als sehr hilfreich wurde die Kontinuität der politischen Auf- formate dar, die beide Aspekte – Theater und Konzert bzw. das merksamkeit für das Thema Kulturelle Bildung bewertet. Den- Musiktheater – aufgreifen. Allerdings gibt es eher wenige Ange- noch werden neben mehr finanzieller Unterstützung noch mehr bote, die sich explizit mit der Vermittlung des Musiktheaters be- Anerkennung für erfolgreich geleistete Bildungsarbeit in Kultur- schäftigen, was wiederum auf das fehlende fachliche Ausbil- einrichtungen durch öffentliche Foren, wie z. B. „Kinder zum dungsangebot zurückgeführt werden kann. Eine der wenigen Olymp“ oder der BKM-Preis „Kulturelle Bildung“, von den Ein- Ausnahmen ist das Vermittlungsangebot „op|erleben“ in der richtungen gefordert, ebenso wie mehr kommunale und regio- Staatsoper Unter den Linden, in dem Schüler beispielsweise nale Steuerungsprozesse für das systematische Vernetzen von selbst in die Rollen eines Opernwerks schlüpfen, einzelne Sze- Schulen und Kindergärten mit Kultureinrichtungen. nen nachspielen oder selbst weiterentwickeln. 1 Susanne Keuchel, Benjamin Weil: Lernorte oder Kulturtempel – Infrastrukturerhe- Zu den Musikvermittlern in den Einrichtungen bung: Bildungsangebote in klassischen Kultureinrichtungen, Köln 2010. Insgesamt antworteten 413 (54 Prozent) der 771 befragten Einrichtungen. Darunter waren 56 Akteure der Musikvermittlungsangebote sind anders als in den Orchester mit einem Rücklauf von 55 Prozent und 74 Mehrspartenhäuser mit ei- anderen Spartenhäusern vielfach die Orchestermusiker selbst. nem Rücklauf von 49 Prozent. Liegt im Rahmen der Vermittlungsangebote in den anderen Kul- 2 Die KulturBarometer-Reihe ist eine bundesweite Bevölkerungsbefragung des tureinrichtungen der Anteil der beteiligten Künstler bei 16 Pro- Zentrums für Kulturforschung zu wechselnden, aber auch wiederkehrenden Frage- stellungen zu Kulturpartizipation und Einstellungen. zent, liegt er bei den Orchestern bei 70 Prozent. Dies liegt u. a. 3 Zentrum für Kulturforschung, Gesellschaft für Konsumforschung (Hg.): 8. Kultur- daran, dass erst in jüngster Zeit der Konzert- bzw. Musikvermitt- Barometer (Tabellenband), Bonn 2005. ler in der universitären Ausbildung eine Rolle spielt. So existiert 4 Zentrum für Kulturforschung, Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Hg.): 5. z. B. der Studiengang Musikvermittlung und Konzertpädagogik KulturBarometer (Tabellenband), Bonn 1994/95. an der Hochschule für Musik in Detmold erst seit 1998. Die 5 Susanne Keuchel, Andreas Johannes Wiesand (Hg.): Das 1. Jugend-KulturBaro- meter. „Zwischen Eminem und Picasso…“, Bonn 2006. erste hauptamtliche Stelle für einen Konzertpädagogen in NRW 6 Kim de Groote, Flavia Neubauer: Kulturelle Bildung im Alter, hg. vom Europäi- richteten 2003 die Duisburger Philharmoniker ein. schen Zentrum für Kultur und Bildung im Alter (kuiba) und dem Institut für Bildung Die Intensität des Engagements in der Musikvermittlung ist bei und Kultur e.V. (ikb), Remscheid 2008. den Orchestern und Mehrspartenhäusern unterschiedlich ausge- 7 vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.): Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölke- rung mit Migrationshintergrund – Ergebnisse des Mikrozensus 2009 –, Wiesbaden prägt, im Gegensatz zu den Bibliotheken und Museen jedoch 2010, S. 7. nicht abhängig von der personellen und finanziellen Infrastruk- 8 Gerald Mertens: „Zwischen Bildungsauftrag und Feigenblatt. Eine systematische tur. Auffällig bei den Orchestern ist der Umstand, dass die Ange- Analyse der Kinder- und Jugendarbeit von deutschen Orchestern“, in: das Orches- botsvielfalt im Vermittlungsbereich mit der Anzahl beschäftigter ter 1/2005. Mitarbeiter im Feld Pädagogik zwar zunimmt, die jährliche Zahl der kulturellen Bildungsveranstaltungen jedoch in keiner Bezie- hung zur Anzahl beschäftigter Vermittler steht: Hier spielen of- fenbar andere Faktoren eine Rolle, vermutlich das Engagement der Leitung oder anderer Einzelpersonen.

Susanne Keuchel ist geschäftsführende Direktorin des Zentrums für Kulturfor- Empfehlungen für den künftigen Ausbau schung (ZfKf), studierte Musikwissenschaft, Germanistik und Soziologie an der der Musikvermittlung Universität Bonn und der Technischen Universität Berlin. Sie ist zudem Honorar- Viele Orchester und Musiktheater engagieren sich bereits nach professorin am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim sowie Dozentin den vorliegenden Daten der Infrastrukturerhebung im Bereich an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Hamburg.

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„ICH HÖR alles VON PUNKROCK BIS KLASSIK!“

Grenzüberschreitender Musikgeschmack in der Gegenwartsgesellschaft Michael Parzer

Die Überwindung der Grenze zwischen Hoch- und Popular- MusikrezipientInnen wie Tina M. mit ihrem grenzüberschrei- kultur scheint zu einem zentralen Charakteristikum gegen- tenden Geschmack einige Annahmen über die Rigidität musika- wärtigen Musikkonsums geworden zu sein. Höchste Zeit, ei- lischer Vorlieben grundlegend infrage. In der neueren kulturso- nige fundamentale kultursoziologische Annahmen zum The- ziologischen Diskussion ist mittlerweile von „musikalischer Al- ma Musikgeschmack über Bord zu werfen? lesfresserei“ die Rede; damit gemeint ist der Konsum von Klas- sik und Pop bzw. ein breitgefächerter und grenzüberschreitender Tina M. besitzt ein Konzertabo des Wiener Musikvereins, wo Geschmack. Für die Soziologie erfordert dieser Befund, einige sie am liebsten Rudolf Buchbinders Beethoven-Interpretationen theoretische Gewissheiten über die gesellschaftlichen Implika- hört. Mit ihren Freunden geht sie spätabends gerne in den „Ost- tionen musikalischer Vorlieben neu zu überdenken. Klub“ oder ins „Flex“, vor allem, wenn wieder mal ihr Lieblings- DJ Sugar B auflegt. Tinas digitale Musikbibliothek umfasst etwa Musikalische Vorlieben und soziale Distinktion 3000 Dateien, die Bandbreite reicht von ’ Blue in Green In seiner berühmten Studie Die feinen Unterschiede1 analysiert der über einige Tracks der Beastie Boys bis hin zum aktuellen Album französische Soziologe Pierre Bourdieu die gesellschaftliche Be- von Christina Stürmer. „Ich höre alles querbeet“, antwortet sie auf deutung von Geschmack. Ausgangspunkt ist die Kritik an der die Frage nach ihren musikalischen Vorlieben und ergänzt: „Ich eng mit dem Aufstieg des Bürgertums verbundenen Unterschei- bin froh, einen so breitgefächerten Geschmack zu haben!“ dung zwischen einem „reinen“ bzw. „wahren“ und einem Alltagsbeobachtungen wie diese sind allgegenwärtig – und den- „barbarischen“ bzw. „primitiven“ Geschmack. Bourdieus Ziel noch auch ein wenig verstörend. Sie entsprechen nicht mehr ist es, diese Hierarchie, die etwas zeitgemäßer in den Begriffs- dem Bild, das insbesondere die Soziologie in den vergangenen paaren „Hoch- und Popularkultur“ oder „high culture“ vs. „low Jahrzehnten vom typischen Musikpublikum gezeichnet hat: auf culture“ zum Ausdruck kommt, als ideologisches Konstrukt zu der einen Seite die häufig aus gutbürgerlichem Hause stammen- entlarven und deren Effekte in der gegenwärtigen Gesellschaft den Klassik-Liebhaber, für die Kontemplation die einzig adäqua- aufzuzeigen. te Form der Musikrezeption darstellt und die allem Populären in Für Bourdieu ist es nicht Zufall, welche Personen Gefallen an der Musik mit Ablehnung begegnen; auf der anderen Seite die klassischer Musik finden, zumal er für die Ausprägung des Ge- tendenziell weniger gebildeten „U-Musik“-Hörer, die mit „be- schmacks in erster Linie die jeweilige Herkunftsfamilie verant- schaulicher Betrachtung“ nicht viel am Hut haben und auch mit wortlich macht. Kinder, die bereits im frühkindlichen Alter mit Johann Sebastian Bach nicht sehr viel anfangen wollen und Musik von Mozart und Beethoven in Berührung kommen und können. dazu noch die Möglichkeit haben, selbst ein Instrument zu ler- Galt bis vor Kurzem die Undurchlässigkeit der Grenze zwischen nen oder das Wissen über klassische Musik in der weiteren Hoch- und Popularkultur noch als selbstverständlich, stellen Schulbildung zu vertiefen, werden einen anderen Geschmack

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U und E: kein Entweder-Oder mehr

erlangen als Kinder, in deren Umgebung aus- achtungen der französischen Gesellschaft der 1960er-Jahre. schließlich Schlager zu hören sind. Weitreichende soziale Veränderungen im letzten Drittel des 20. Die Vertrautheit mit klassischer Musik bildet für Jahrhunderts stellen allerdings die Gültigkeit von Bourdieus An- Bourdieu einen wichtigen Bestandteil des „kultu- nahmen in Frage. „Jenseits von Klasse und Schicht“3 lautet die rellen Kapitals“, das im Rahmen von Sozialisa - mittlerweile als Individualisierungsthese in den soziologischen tionsprozessen angehäuft wird und in weiterer Diskurs eingegangene Gesellschaftsdiagnose, die Bourdieus Auf- Folge eine zentrale Rolle in sozialen Distinktions- fassung einer klassenspezifisch hierarchisierten Sozialstruktur prozessen spielt: Anhand alltäglicher Geschmack- für mehr oder weniger obsolet erklärt. Die Bildungsexpansion, surteile veranschaulicht Bourdieu, wie die Vorliebe der Anstieg des Arbeitseinkommens, die zunehmende soziale für klassische Musik den privilegierten Gesell- und geografische Mobilität sowie die aus der Verkürzung der Ar- schaftsmitgliedern dazu dient, ihre soziale Posi - beitszeit resultierende Aufwertung der Freizeit haben nicht nur tion in Form eines spezifischen Lebensstils auszu- zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensbedingungen, son- drücken. Individuen und soziale Gruppen würden dern auch zu einer bedeutsamen Erweiterung der Handlungs- sich demnach nicht nur durch sozioökonomische spielräume beigetragen. In Hinblick auf den Musikkonsum ist Charakteristika, sondern auch durch Differenzen schließlich auch die zunehmende Verfügbarkeit unterschied - in Geschmacksfragen unterscheiden. Darum eigne licher Musikstile durch digitale Technologien bzw. das Internet sich Geschmack als besonders aussagekräftiger In- nicht zu vernachlässigen. Dadurch ist es möglich geworden, dikator zur Bestimmung von sozialen Klassen: viele unterschiedliche musikalische Welten ohne großen finan- „Geschmack klassifiziert – nicht zuletzt den, der ziellen Aufwand kennen zu lernen. Vor dem Hintergrund dieser die Klassifikationen vornimmt. Die sozialen Sub- Entwicklungen stellt sich die Frage, inwiefern Bourdieus Mo- jekte, Klassifizierende, die sich durch ihre Klassifi- dell, das von einer hohen Konstanz klassenspezifisch vermittel- zierungen selbst klassifizieren, unterscheiden sich ter Dispositionen ausgeht, als Erklärung zur Ausbildung von voneinander durch die Unterschiede, die sie zwi- Musikgeschmack überhaupt noch geeignet ist. schen schön und hässlich, fein und vulgär ma- So erteilt Gerhard Schulze bereits Anfang der 1990er-Jahre in chen und in denen sich ihre Position in den ob- seinem Buch Die Erlebnisgesellschaft4 der Bourdieu’schen Klassen- jektiven Klassifizierungen ausdrückt oder verrät.“2 theorie eine klare Absage. Während Bourdieu davon ausgeht, dass Geschmack maßgeblich von den internalisierten Disposi- Geschmack jenseits von Klasse und Schicht tionen des Herkunftsmilieus bestimmt wird, betont Schulze die Pierre Bourdieus Analyse des Zusammenhangs von Unabhängigkeit der Akteure von ihrer angestammten Welt und

Geschmack und Sozialstruktur beruht auf Beob- Schild: © klenger den damit verbundenden Orientierungsmustern. Diese Unab-

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Warum sollte ein Cellist nicht Geigen-Punk Nigel auch Fan der Metalband Kennedy – Vermittler Apocalyptica sein? zwischen zwei Welten? ven Untersuchungen darauf hin, dass klassische Musik nach wie vor von bildungsnahen und privilegierten Gesellschaftsmitglie- dern konsumiert wird – allerdings nicht in der Ausschließlich- keit, wie das Bourdieu für die Angehörigen (groß-)bürgerlicher Milieus in Frankreich konstatiert hat. Vielmehr zeigt sich, dass vor allem Mitglieder in hohen sozialen Positionen neben Produk - ten der Hochkultur auch populäre Genres in ihr Geschmacksre- pertoire integriert haben. Diese MusikkonsumentInnen, die sich durch einen breitgefächerten Geschmack auszeichnen, nennt Ri - chard Peterson „Omnivores“ – im Gegensatz zu den so ge nannten „Univores“, also jenen vorwiegend aus bildungsfernen Milieus stammenden Gesellschaftsmitgliedern, die lediglich an einem Genre Gefallen finden. Viele KultursoziologInnen sehen darin ei- ne neue Logik soziokultureller Distink tion, die den Umfang musikalischer Vorlieben zum grundlegenden Maßstab macht. © Stefan Füsers © Nina Large Die zentrale These lautet, dass sich gesellschaftliche Gruppen nicht mehr primär dadurch unterscheiden, an welchen, sondern hängigkeit impliziert eine prinzipielle Wahlfreiheit, die sich an wievielen unterschiedlichen Genres sie Gefallen finden. auch in den ästhetischen Präferenzen widerspiegelt. Wenn sich Wenden wir uns nochmals Tinas Musikvorlieben zu: Sie nennt aber jede und jeder ihre/seine Lieblingsmusik unabhängig von mehrere Musikschaffende, die ganz unterschiedlichen Richtun- Einkommen, Beruf und Familie aussuchen kann, beschränkt sich gen zugeordnet werden. Ihr breitgefächerter Geschmack, den Distinktion lediglich auf horizontale Abgrenzungen, ohne dass sie demonstrativ zur Schau stellt, entspricht durchaus dem Bild dabei die soziale Position zum Ausdruck kommt. Für die Analyse der Omnivores, wie es Peterson beschrieben hat. Ob ihr nun tat- von Musikgeschmack würde das bedeuten, dass mit der Vorliebe sächlich alles gefällt, wie der Begriff „Allesfresserei“ suggeriert, für Johannes Brahms nicht zwingend eine privilegierte Position sei aber infrage gestellt. Vielleicht findet sie ja Techno total nervig in der Sozialstruktur demonstriert wird. Und umgekehrt ließe und Hansi Hinterseers Gesang einfach nur schlecht. Vieles deutet das Faible für die aktuellen Charts nicht unbedingt auf die Her- darauf hin, dass der Omnivore-Geschmack nicht grenzen los ist kunft aus einer bildungsfernen Schicht schließen. und auch Allesfresser Einschränkungen in ihren Präferenzen vor - nehmen.7 Neben dem Charakteristikum „breitgefächert“ scheint Das Ende ästhetischer Hierarchien also ein weiteres Moment zur Bestimmung von Allesfresserei Ungeachtet sozialstruktureller Veränderungen stellt sich freilich viel wichtiger, nämlich die Grenzüberschreitung. Überschritten auch die Frage, ob es heutzutage überhaupt noch Sinn macht, werden allerdings nicht bloß die Grenzen zwischen Hoch- und von „Hochkultur“ zu sprechen. „Ent-Hierarchisierung“ lautet Popularkultur: So zeigen eine Reihe aktueller Studien, dass auch die Diagnose einer Reihe kulturtheoretischer Ansätze insbeson- innerhalb der Popularkultur symbolische Grenzen, wie zum Bei- dere postmoderner Provenienz: Beobachtet werden die Erosion spiel jene zwischen „authentischer“ und „kommerzieller“ Mu- ästhetischer Hierarchien, der Bedeutungsverlust hochkultureller sik, zugunsten größerer Offenheit überwunden werden.8 Praktiken sowie eine grundlegende Aufwertung der Popularkul- tur.5 Die Dichotomie von „High culture“ versus „Low culture“ Grenzüberschreitender Geschmack als Ressource? verliert damit ihre klassifizierende Wirkung; der Distinktionsge- Allesfresserei, so ließe sich annehmen, ist ein Indiz für den end- winn, den die Vorliebe für klassische Musik lange Zeit abgewor- gültigen Bedeutungsverlust traditioneller ästhetischer Grenzzie- fen hat, wird zunehmend geringer. hungen im Feld der Musik. Vor allem aus individualisierungs- theoretischer Sicht werden die musikalischen Allesfresser wie Ti- Die musikalischen Allesfresser na M. als tolerante Individuen gesehen, die sich durch eine ge- Der Befund einer zunehmenden Erosion der Grenze zwischen nerelle Offenheit gegenüber unterschiedlichen musikalischen Hoch- und Popularkultur findet sich auch in der neueren US- Welten auszeichnen. Diese Offenheit sei dem Bedürfnis geschul- amerikanischen Kultursoziologie. In seinen Anfang der 1990er- det, mit unterschiedlichen kulturellen Verhaltensweisen zu expe- Jahre veröffentlichten Studien zum Einfluss von Berufsgruppen- rimentieren, und diene in erster Linie der Selbstverwirklichung.9 zugehörigkeit auf den Musikgeschmack zeigt Richard Peterson,6 Eine alternative Sichtweise betrachtet Allesfresserei dagegen als dass der Zusammenhang zwischen einer hohen sozialen Stel- eine neue Möglichkeit, hohen sozialen Status durch Geschmack lung in der Sozialstruktur und einem elitären Geschmack seine zum Ausdruck zu bringen: „Omnivores may be seen as expres- Gültigkeit eingebüßt hat. Zwar deuten die Daten der quantitati- sing a new aesthetic which, even if more inclusive and ‚cosmo-

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politan‘ than that of earlier cultural elites, is no less directed festlegen. Vor dem Hintergrund der Beobachtung, dass ein breit- towards the demonstration of cultural and social superiority.“10 gefächerter Geschmack in der gegenwärtigen Gesellschaft von Zu klären ist allerdings, worin die Überlegenheit eines breitge- großem Nutzen sein kann, spricht vieles dafür, dass Allesfresse- fächerten Geschmacks überhaupt bestehen kann. Denn im Ge- rei als kulturelles Kapital fungiert – als Kapital, das vor allem in gensatz zur Annahme Bourdieus, wonach legitimer Geschmack, privilegierten Gesellschaftsgruppen angehäuft und für eigene nämlich die Vorliebe für Hochkultur, gerade dadurch gekenn- Vorteile nutzbar gemacht werden kann. Der breitgefächerte Ge- zeichnet ist, dass seine Superiorität als gesellschaftlich anerkannt schmack der Allesfresser läuft damit Gefahr, unter dem Deck- gilt, deutet nichts darauf hin, dass sich eine allgemein gültige mantel der Toleranz die Grundlage für eine neue Form sozialer Überlegenheit aus einer womöglich sogar beliebig anmutenden Exklusion hervorzubringen. Breite des Musikgeschmacks ableiten ließe. Andererseits wird Pierre Bourdieus Annahmen zur Undurchlässigkeit von Hoch- niemand bestreiten, dass ein umfangreiches Wissen über unter- und Popularkultur mögen getrost über Bord geworfen werden, schiedliche musikalische Genres von Vorteil ist, speziell dann, seine Überlegungen zur Bedeutung von Musikgeschmack in so- wenn es um die Nutzbarmachung dieser Wissensbestände in all- zialen Distinktionsprozessen haben jedoch an Brisanz und Ak- täglichen Interaktionen geht, also zum Beispiel unterschiedliche tualität nichts eingebüßt. „Nur selten nimmt die Soziologie der- (berufliche und private) Kontakte geknüpft, etabliert oder auf- art prägnante Züge einer Psychoanalyse des Sozialen an wie in rechterhalten werden. Gerade in einer Gesellschaft, in der Of- der Beschäftigung mit dem ‚Geschmack‘“,13 schreibt Bourdieu, fenheit, Flexibilität sowie die Einbindung in soziale Netzwerke der seine LeserInnen gerne an ihre eigene Rolle in sozialen Re- zu den wichtigsten Anforderungen zählen, stellen Wissensbe- produktionsprozessen erinnert: „De te fabula narratur“14 – stände und Kompetenzen in möglichst unterschiedlichen Berei- „Diese Geschichte wird über Dich erzählt.“ Das sollten wir, vor chen eine bedeutsame Ressource dar. Da kann es schon einmal allem dann, wenn wir unseren Geschmack für besonders tole- vorkommen, dass sich die einseitige Festlegung auf Hoch- oder rant und aufgeklärt halten, nicht vergessen. Popularkultur als problematisch erweist, wie Andreas Gebesmair 1 Pierre Bourdieu: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteils- anhand eines Beispiels verdeutlicht: „Wer lediglich Vorlieben et- kraft, Frankfurt/Main 1987. wa für Madonna artikuliert, ist leicht als wenig Gebildeter zu 2 Bourdieu, ebd., S. 25. identifizieren. Wer allerdings als Gebildeter im Kreise – sagen 3 Ulrich Beck: Die Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne, wir – amerikanischer Geschäftsfreunde auf seinen erlesenen Ge- Frankfurt/Main 1986, S. 121. 4 Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, schmack pocht und mit abschätzigen Bemerkungen über Ma- Frankfurt/Main 1992. donna ein Klima der Verbundenheit zu schaffen trachtet, kann 5 siehe dazu vor allem die Studien im Umfeld der Cultural Studies: u.a. Dick Heb- damit durchaus Schiffbruch erleiden. Geschmack muss also dige: Subculture. The meaning of style, London et al. 1979; Paul Willis: „Profane breit sein, um als Kapital fungieren zu können.“11 Culture“. Rocker, Hippies: Subversive Stile der Jugendkultur, Frankfurt/Main 1981; John Fiske: Understanding Popular Culture, London 1989. Während soziokulturelle Superiorität lange Zeit durch demons- 6 Richard Peterson: „Understanding audience segmentation: From elite and mass trative Distanz zu populärkulturellen Formen und einen snobis- to omnivore and univore“, in: Poetics, Vol. 21, S. 243-258; Richard Peterson/Roger tischen Lebensstil zum Ausdruck gebracht wurde, ist es in der Kern: „Changing highbrow taste: From snob to omnivore“, in: American Sociologi- Gegenwartsgesellschaft erforderlich, Elemente der Popularkultur cal Review, Vol. 61, S. 900-907. in den eigenen Lebensstil zu integrieren: „Wer auf der Überle- 7 siehe dazu vor allem: Bethany Bryson: „‚Anything but Heavy Metal‘: Symbolic ex- clusion and musical dislikes“, in: American Sociological Review, Vol. 61, S. 884-899. genheit seines Geschmacks beharrt und für alles Populäre nur 8 siehe dazu Michael Parzer: Der gute Musikgeschmack. Zur sozialen Praxis äs- Abscheu zeigt, darf nicht mit der Anerkennung rechnen, die je- thetischer Bewertung in der Popularkultur, Frankfurt/Main 2011; Oliver Berli: „Mu- nen entgegengebracht wird, die sich gegenüber einer Vielzahl sikgeschmack jenseits von Hoch- und Populärkultur. Grenzüberschreitender Mu- von kulturellen Praktiken offen zeigen.“12 sikgeschmack als Distinktionsstrategie“, in: Brunner, Anja/Leitich, Lisa/Parzer, Mi- chael (Hg.): Ästhetik und populäre Musik, Innsbruck 2010, S. 9-28. 9 Tak Wing Chan/John H. Goldthorpe: „Social Stratification and Cultural Consump - Bourdieu revisited tion: Music in England“, in: European Sociological Review, Vol. 23, 2007, S. 1-19. Die traditionelle Vorstellung, es gäbe ein typisches Klassik-Publi- 10 ebd., S. 3. kum auf der einen Seite und ein Publikum für populäre Musik auf 11 Andreas Gebesmair: Grundzüge einer Soziologie des Musikgeschmacks, Wies- der anderen, erweist sich vor dem Hintergrund neuer Befunde der baden 2001, S. 201. 12 Andreas Gebesmair: „Renditen der Grenzüberschreitung. Zur Relevanz der Kultursoziologie als problematisch: Übersehen wird dabei nicht Bourdieuschen Kapitaltheorie für die Analyse sozialer Ungleichheiten“, in: Soziale bloß die zunehmende Heterogenität musikalischer Geschmäcker Welt, 55. Jg., 2004, S. 199. sowie die Vermischung gegenwärtiger Publika, sondern auch das 13 Bourdieu, a. a. O., S. 31. Entstehen einer neuen Distinktionslogik, die jenseits der klassi- 14 Bourdieu, a. a. O., S. 32. schen Dichotomie von „Hoch-“ und „Popularkultur“ fungiert. Michael Parzer ist Universitätsassistent am Institut für Soziologie der Universität Eine neue symbolische Grenze verläuft zwischen jenen, die alles Wien. Zuletzt erschienen: Der gute Musikgeschmack. Zur sozialen Praxis ästheti- „querbeet“ hören, und jenen, die sich auf ein bestimmtes Genre scher Bewertung in der Popularkultur, Frankfurt/Main 2011.

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Ein Patentrezept gegen PUBLIKUMSSCHWUND gibt es nicht

Christian Höppner im Gespräch mit Pamela Rosenberg

Für die Mehrheit der Menschen sind klassische Konzerte total irrelevant. Was ist also bei zunehmendem Publikumsschwund zu tun? Pamela Rosenberg sieht die Orchester in der Pflicht, sich neben ihrem Musikschaffen auch mit der gesellschaftlichen Situation auseinanderzusetzen. Und die Politik muss endlich verstehen, wie wichtig frühkindliche Bildung ist.

Wie definieren Sie „Kulturelle Vielfalt“? wohl das politische Gewissen stärken und ein bisschen Ehr- Das Gegenteil einer engen Beschreibung der Impulse, die uns furcht einflößen. von der Gesellschaft, in der wir leben, erreichen. Man muss eine großzügige Offenheit haben und nicht denken, man habe selbst Sie sprachen eben von einem möglichen Ort, an dem Kulturelle die Wahrheit gepachtet. Für mich heißt das, die Eigenschaften Vielfalt gefährdet ist. Können Sie das für Deutschland konkretisie- aller verschiedenen, in einem Land versammelten Nationalitäten ren? Sehen Sie hier an irgendeiner Stelle Kulturelle Vielfalt gefährdet? zuzulassen und ihnen zuzuhören, selbst wenn wir das, was wir Nicht in Form von Zensur oder des Verbots bestimmter Aus- hören, nicht aufnehmen oder begreifen können. Was uns heute drucksformen, so wie in manch anderen Ländern, aber natürlich ausmacht, ist, dass wir nicht nur in der Vergangenheit verhaftet kann man durch das Streichen von Subventionen sehr viel zum bleiben, sondern mit dieser großen Vielfalt aus den verschie- Schweigen bringen. In Deutschland wird Kultur von der Politik densten Richtungen die Zukunft bestreiten. als etwas Peripheres gesehen. Wenn finanzielle Krisensituationen eintreten, wird bei Kultureinrichtungen als erstes gestrichen, Welche Bedeutung spielt für die kulturpolitische Arbeit in Zu- was von der Politik sehr kurzsichtig ist. Ich verurteile das zutiefst, kunft die UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der weil ich denke, die haben nicht begriffen, dass die Künste und Kulturellen Vielfalt – Schubladenkonvention oder kulturpolitisches die künstlerische Früherziehung dem Menschen eine Basis für das Handlungsinstrument? Zusammenleben geben und eine Bereicherung darstellen. Wir Ich denke, dass die UNESCO-Konvention hauptsächlich wichtig hätten auf lange Sicht viel weniger soziale Probleme, wenn die für eine Bewusstseinsbildung ist. Natürlich wird das keine Re- Stadt, anstatt bei Kultur zu streichen, mehr investieren würde. gierung davon abhalten, auch die krasseste Form der Einengung von Kultur, also Zensur, auszuüben. In bestimmten Ländern Welche Priorität sollte die gesellschaftspolitische Verankerung in wird diese Konvention nicht helfen, Situationen der Bevormun- der konzeptionellen Planung bei der Orchesterarbeit haben? Wie dung oder des Ausschaltens bestimmter Ausdrucksformen vor- politisch sollten die Konzeption und auch die praktische Arbeit von zubeugen, aber in manch anderen Situationen kann sie sehr Orchestern sein?

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Pamela Rosenberg ist seit September 2010 Mitglied des Management Teams der Ame- rican Academy in Berlin in der Position Dean of Fellows and Pro- grams. Davor war Rosenberg von der Spielzeit 2006/07 bis ein- schließlich 2009/10 als Intendantin der Berliner Philharmoniker tä- tig. Von 2001 bis 2006 übte sie die Tätigkeit der Generalintendantin der San Francisco Opera aus und war Co-Intendantin an der Staatsoper Stuttgart, zusammen mit Klaus Zehelein (von 1991- 2000). Davor hatte Pamela Rosenberg diverse Führungspositionen an der Nederlandse Opera Amsterdam, dem Deutschen Schau- spielhaus in Hamburg und der Frankfurter Oper. Pamela Rosenberg wurde in Los Angeles geboren und wuchs in Caracas, Venezuela auf. Sie studierte Geschichte, Musik- und Lite- raturwissenschaften.

Im 21. Jahrhundert haben wir eine andere Situation als im 19. Mit dem Aufgabenprofil, das Sie beschreiben, verändert sich oder im 20. Jahrhundert, als die Orchester florierten. Orchester auch das Berufsbild des Intendanten oder der Intendantin. Wie viel müssen Leitbilder sein, und sie müssen einiges von dem wett- Kulturpolitiker darf bzw. muss in einem Intendanten, in einer Inten- machen, was die kulturpolitischen Entscheidungsträger ver- dantin stecken? nachlässigt haben. Die Orchester haben in den letzten zehn Jah- In unserer Kunst reflektieren wir unsere Gesellschaft, und die ren also sehr wohl eine zusätzliche Aufgabe bekommen. Kunst hilft uns, überhaupt Fragen an uns und an die Welt um uns herum stellen zu können. Kunst ist daher für mich zutiefst Ist das für die Orchester nicht eine Zerreißprobe, wenn sie zu- politisch und ein Teil unseres sozialen Gefüges. Wenn man einer nehmend Reparaturbetrieb für die Defizite, zum Beispiel in der mu- Kulturinstitution vorsteht, ist es eine der wichtigsten Aufgaben, sikalischen Bildung, sind – Stichworte: ausfallender Musikunter- darüber nachzudenken, wo diese Schnittstellen in unserer Ge- richt in den Schulen oder Wartelisten an den Musikschulen. Kön- sellschaft sind. nen die Orchester das überhaupt leisten? Sie können das nicht nur leisten, sondern ich glaube, die Berei- Ist Kultur ein Spiegel oder eine Glaskugel, die uns das zeigt, was cherung, die sie dadurch auch erfahren, ist wesentlich. Ich habe uns unter Umständen in Zukunft erwartet, oder ist sie einfach L’art mit vielen Musikern gesprochen, die in solche Projekte invol- pour l’art? viert sind und ausnahmslos alle haben gesagt, dass sie so viel Wenn Kunst nur eine Bestätigung des Status quo ist, den Ist-Zu- zurückbekommen. Orchester können es sich heute nicht mehr stand bewahrt, dann ist sie keine Kunst mehr, dann bedeutet leisten, sich aus der Gesellschaft auszuklinken. Sie arbeiten nicht das, dass wir als Gesellschaft zum Stillstand kommen. Kunst und in einem Elfenbeinturm, sondern sie müssen sich mit der ge- Kultur müssen immer weiter schauen, müssen immer bis an die sellschaftlichen Situation auseinandersetzen, sich engagieren. Grenzen gehen. Kultur ist nur insofern unser Spiegel, als wir da- Dabei ist es aber nicht so, dass die Zeit, die sie dort investieren, rin vielleicht entdecken, welche Fragen wir noch an uns haben. die Auseinandersetzung mit sozialen Bereichen ihre eigentliche Eine Gesellschaft, die wirklich still steht, stirbt irgendwann. Arbeit einschränkt.

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Immer weniger Jugendliche lesen Bücher und beschäftigen sich stattdessen mit Instant Messaging © Mark Rose

Die Ausgabe des Musikforums trägt den Titel „Schwindsucht im Sie haben gerade vor der zunehmenden Virtualisierung von Le- Parkett – Die Zeit läuft“. Welche Patentrezepte gibt es gegen den benswelten gewarnt. Wird die gesellschaftliche und technologi- Publikumsschwund? sche Entwicklung nicht die zunehmende Virtualisierung befördern, Wenn ich das Patent darauf hätte, wäre ich reich… Nein, ein Pa- sodass die Live-Begegnung und damit auch das Live-Konzert er- tentrezept gibt es nicht. Man muss sich viele flankierende Maß- setzt werden? nahmen vornehmen. Wir müssen alles dafür tun, dass die jetzt Oh, das kann passieren, wenn man nicht aufpasst. Man kann na- existierende Konzertform – zwei Stunden hinsetzen, sich wirk- türlich diese Technologie auch instrumentalisieren, für sich nut- lich konzentrieren – so erhalten bleibt. Aber sie wird nur eine zen, indem man Websites interaktiv gestaltet wie etwa die des Form sein. Bereits vor fünfzehn bis zwanzig Jahren fand ich, San Francisco Symphony Orchestra. Mein Ideal Bochum, also dass unser klassischer Musikbetrieb gefährdet sei. Für 98 Pro- Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker, planen jetzt et- zent der Bevölkerung sind Konzerte total irrelevant. Aber seit was sehr Aufregendes, und zwar ein Musikzentrum neben einer den letzten fünf Jahren bin ich wegen des ganzen Social Media – Konzerthalle. Das wird eine Begegnungsstätte für alle in der Twitter, Facebook etc. – noch viel alarmierter. Neulich habe ich Stadt, und da werden dann gemeinsam Live-Musik, aber auch einen Artikel gelesen, dass selbst Kinder und Jugendliche, die aus virtuelle Geschichten gemacht. Haushalten kommen, in denen normalerweise noch ein bisschen gelesen wird, Bücher in der Freizeit überhaupt nicht mehr in Müssten die Online-Angebote der Orchester nicht viel mehr in- die Hand nehmen, weil sie mit diesem ganzen Hin und Her des teraktive Elemente enthalten – zum Beispiel die Kameraführung bei Instant Messaging so verzettelt sind. Diese „Zapfkultur“ hat über- einem Orchesterkonzert mit einem Joystick vom heimischen PC? hand genommen, ist sehr extrem geworden. Wir müssen Kinder Das würde Spaß machen. Zunehmend wird die Digital Concert lehren, wie man zur Ruhe kommt, wie man sich konzentrieren Hall eingesetzt. Aber ich finde, man müsste dann die Möglich- kann. Außerdem findet so vieles, was sie erleben, hinter diesen keit haben, direkt da anzurufen und wirklich in einen Dialog Glasscheiben statt, also Computergames, Fernsehen usw. Wir mit anderen einzutreten. müssen viel mehr Begegnungsorte in der Wirklichkeit schaffen, an denen am Nachmittag nach der Schule interaktiv Musik ge- Kennen Sie da schon Beispiele aus dem internationalen Bereich, macht wird oder Ähnliches. Man muss früh anfangen, denn wo das möglich ist oder angedacht wird? wenn die Jugendlichen zu Teens werden, ist es schon zu spät. Es Ich habe gehört, dass das London Symphony Orchestra so etwas ist wichtig, dass man dieses Spaßelement am Miteinander-Mu- vorhat. Viele Orchester haben Blogs, aber ich bezweifle, ob das sik-Machen sehr früh erlebt. Außerdem sollte in jeder Schule der dann einen Vierzehnjährigen wirklich interessiert. Aber zum Chor obligatorisch sein. Eine der flankierenden Maßnahmen ist, Beispiel diese Geschichte mit dem Worldwide Orchestra, bei die Politik dazu zu bringen, massiv frühkind liche Bildung zu dem man im Internet vorspielen konnte, und dann saßen dort fördern. Das Verschwinden von Musik in den Schulen ist gravie- ausgewählte Musiker – ein paar von den Berliner Philharmoni- rend. Und wir müssen Begegnungsstätten haben, an denen kern waren auch dabei –, und das war wie beim Vorspiel beim nicht nur klassische Musik, sondern viele verschiedene Musik- Orchester, und sie entschieden, wer die hundert sind. Das war stile, etwa Hip-Hop, ebenbürtig sind und nicht Mauern zwi- wirklich toll. schen den verschiedenen Bereichen hochgezogen werden.

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Auch die neuen Medien spielen bei der Rekrutierung der Kinder Interaktiv gestaltet – die Website des eine große Rolle: hier die interaktive Website „Listen to our San Francisco Symphony Orchestra future“ der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz

Ich beobachte seit vielen Jahren eine Globalisierung von Klang- Sängern beim Bau von Klangkulturen nicht wahrnimmt. In ästhetik, das heißt, dass individuelle Profile immer mehr verschwin- Stuttgart gab es einen im Ensemble, der nirgends sonst den. Ist das eine Tendenz, die Sie auch beobachten, oder trügt der berühmt war, aber der hatte eine Fangemeinde, einfach weil die Eindruck? Zuschauer ihn haben wachsen sehen. Diese wunderbare Opern- Der Eindruck trügt nicht, auch wenn es natürlich Ausnahme - landschaft, die bis in die 1990er-Jahre existierte und in der man orchester gibt. Kurz nach der Wende bin ich nach Schwerin ge- sich mit dem ganz eigenen Profil seiner Oper vor Ort identi - gangen, um mir dort einen mir empfohlenen Dirigenten bei ei- fizierte und aufsaugte, was dort geboten wurde, existiert heute ner Rosenkavalier-Aufführung anzuhören. Ich hatte mir vorher nicht mehr in gleichem Maße. Ich weiß nicht, was ein Publi- keine Gedanken über das Orchester in Schwerin gemacht, dach- kum wirklich hört und was es nicht hört. Manchmal bin ich in te nur: „Oh Gott, das ist ein Provinzorchester und ich werde Konzerten, bei denen ich nicht begreife, warum die Leute so den Rosenkavalier von einem Provinzorchester hören“, und ich begeistert sind und dann umgekehrt, wo ich ganz bewegt bin war etwas traurig, dass ich das Wochenende so verbringen und denke: „Hört ihr das nicht?“ Also who knows? musste. Und dann war ich völlig überrascht, wie toll die ge- spielt haben und was für eine Klangkultur die hatten. Obwohl Ich würde Ihnen gerne noch einige Satzanfänge geben und Sie ich einige Orchester in der DDR gehört und erfahren hatte, dass bitten, den Satz fortzusetzen: „Die Berliner Philharmoniker sind…“ da noch eine bestimmte Klangkultur herrschte, weil die meisten … absolut leidenschaftlich. Musiker in Dresden oder in Leipzig ausgebildet wurden, war das für mich schon ein Aha-Erlebnis in Schwerin. Bestimmte „Klaus Wowereit wünsche ich…“ Orchester geben das weiter und achten darauf, aber insgesamt … ein besseres Verständnis für die Notwendigkeit, das miserable glaube ich, dass es nicht so viele Dirigenten gibt, die kontinu- Berliner Schulsystem finanziell besser auszustatten. ierlich über Jahre insistierend an bestimmten Klangfarben und Klangkulturen arbeiten. „Von den USA kann das Kulturland Deutschland lernen, dass…“ … das Ausbildungssystem zum Teil stringenter wird. Die Ursachen dafür sind sicher vielschichtig, das liegt möglicher- weise an der Ausbildung der Dirigenten. Das typische Kapellmeis- „Die American Academy ist…“ ter-Studium mit dem reichen Erfahrungsschatz ist nicht unbedingt … ein Forum, um Deutschland die aufregendsten Geisteswis- die typische Dirigentenlaufbahn. Und vielleicht ist es auch die Ver- senschaftler Nordamerikas zu präsentieren. marktungssituation, die dazu verleitet, auch designte Produkte auf den Markt zu bringen, um gut zu verkaufen. Sehen Sie Möglich - Ganz zum Schluss noch eine persönliche Frage: Wie sieht es mit keiten, wie man dieser Entwicklung gegensteuern kann? Es gibt Ihrer praktischen Musikausübung aus? durchaus Orchester, die ihr Klangprofil pflegen. Sehen Sie einen Frustrierend. Ich habe jahrelang Klavier gespielt und in den letz- Hoffnungsschimmer, dass das Publikum dieses Einmalige im ten Jahren so wenig geübt, dass ein Stück, das ich früher glän- Klangprofil fordert? zend gespielt habe, nun erbärmlich klingt. Was nimmt ein Publikum wahr? Das ist ein ganz eigenes Ter- rain. Ich habe mich früher so aufgeregt, was das Publikum bei

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Auf der Suche NACH DEM PUBLIKUM VON MORGEN

Das „Musikforum“ hat verschiedene Festivals um ein kurzes Statement zu ihren Publikums-Strategien gebeten

Der Seltenheitswert von Festivals macht sie zu etwas Einmaligem, zu einem ganz besonderen Ereignis. Im Gegensatz zu stehenden Opern- und Konzert- häusern, denen das Publikum schlicht ausstirbt, haben Festivals kaum mit einem Publikumsschwund zu kämpfen. Liegt das am Einmaligkeitscharak- ter des Festivals selbst? Muss man ein paar Tage „Kultur“ einfach mit dem Stempel „Festival“ versehen und schon rennen alle Zuschauer hin? Oder können wir von ihren Vermarktungsstrategien möglicherweise lernen? Die Redaktion des Musikforums hat deshalb, sich der besonderen Stellung dieser Veranstaltungsform bewusst, kleineren Festivals – nicht den absoluten Selbstläufern wie beispielsweise die Bayreuther Festspiele – die Frage ge- stellt: „Was tun Sie auf der Suche nach dem Publikum von morgen?“

Ein Konzert des Festivals TFF Rudolstadt ©J_M_Unger

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TFF Rudolstadt Morgenland Festival Osnabrück Mit den vielen Fassetten unseres Programms erreichen wir seit Das Morgenland Festival Osnabrück präsentiert seit 2005 die gut zwei Jahrzehnten eine sehr heterogene Besucherschaft: Fa- Musik des Vorderen Orients, von traditioneller Musik bis Hip- milien, die den kulturell aufgeladenen Kurzurlaub suchen, welt- Hop, von komponierter Musik bis Jazz. musikalisch gebildete Spezialisten, Jazzer, Jünger diverser elek- Es versteht sich ausdrücklich nicht als Weltmusikfestival, son- tronischer Stile, Volkstänzer … Unser Publikum kommt ebenso dern möchte die ganze Bandbreite des musikalischen Lebens aus urbanen wie aus ländlichen Milieus. Die allermeisten unse- dieser Region zeigen. Dies hat zwei Günde: Natürlich möchten rer Besucher eint allerdings ihre weitgehende kulturelle Offen- wir ein möglichst vielfältiges Publikum erreichen, zum anderen heit und Neugier. aber auch zeigen, dass es alle diese Musikstile auch im Nahen Wir sind nicht genötigt, kurzatmig auf jeden Trend aufzusprin- und Mittleren Osten gibt. gen, gleichwohl wir Tendenzen genau beobachten. Im Festival- Da die arabische, persische und türkische Musikwelt hierzulande team sind wir uns darin einig, dass sich der beständige Erfolg kaum bekannt sind, ist das Thema „Nahebringen – Wie erreichen des TFF (roots-folk-world-music) neben seinen fantastischen wir unser Publikum?“ per se immer präsent, denn das „normale“ Rudolstädter Schauplätzen vor allem der Tatsache verdankt, es Konzertpublikum kommt gerne zu Mozart und Bach, aber wenn stets konsequent von seinem inhaltlichen Anspruch aus zu den- die Komponisten Mashayekhi, Azmeh und Haddad heißen, wird ken. Unsere Besucher, das Fachpublikum eingeschlossen, erhof- es schon schwieriger. Letztendlich glaube ich – und das betrifft fen sich immer auch das Überraschende, die Möglichkeit, eige- das Publikum von heute wie das von morgen –, dass es immer ne Entdeckungen machen zu können. Sie erwarten künstlerische mit der eigenen Begeisterung zu tun hat, die sich bestenfalls Klasse, eine freundschaftlich-familiäre Atmosphäre und einen reibungslosen Service. Die Ausstrahlung des Festivals wird frag- los auch für ein „Publikum von morgen“ von der Qualität in diesen Kriterien bestimmt. Denn glückliche Besucher werden immer die besten Multiplikatoren sein, das gilt auch in der Ära der „sozialen Netzwerke“. Von dieser Position aus setzen wir natürlich auf eine Reihe von Instrumenten, mit denen wir uns als Festival in Richtung Zu- kunft navigieren. So pflegen wir, inzwischen vor allem über un- ser Internetforum und in loser Folge publizierte Newsletter, eine enge Kommunikation mit unserem Publikum und setzen die bewährte Zusammenarbeit mit unseren Medienpartnern (insbe- sondere MDR Figaro) fort. Wir stehen in regem Austausch mit vermitteln lässt und Neugierde weckt. Insofern hat sich bei mir befreundeten Festivalmachern überall in Europa und kooperie- nicht viel geändert, seit ich 14 Jahre alt war und jedem – ob er ren mit dem bundesweiten Weltmusik-Wettbewerbspreis Creole. wollte oder nicht – von der neuen AC/DC-Schallplatte oder Frank Wir pflegen eine Facebook-Präsenz, über die sich z. B. unpro- Zappa vorgeschwärmt habe. Für jedes Konzert stelle ich mir bis blematisch Videofiles unserer Künstler verlinken lassen, was vor heute vor, wie ich es meinen Freunden nahe bringen würde. allem einem jüngeren Publikum inzwischen geläufiger Standard Wenn ich nicht selber ins Schwärmen gerate, stimmt etwas ist. Und schließlich unterstützen wir die in der Regel ehrenamt- nicht. lich wirkenden Aktivisten im Bereich der neuen Medien genau Was machen wir auf der Suche nach dem Publikum von morgen? so rückhaltlos wie ihre professionell arbeitenden Kollegen der Wir haben viele Projekte, die Jugendliche miteinbeziehen, sei es arrivierten Institutionen. ein Schüleraustausch mit dem Barenboim Said Conservatory in Wolfram Böhme Nazareth, Konzerte mit dem Osnabrücker Jugendchor in Teheran, Weitere Informationen: Damaskus, Amman und Izmir, ein Young Talents Festival mit Ju- www.tff-rudolstadt.de gendlichen aus Syrien, Aserbaidschan und Israel, eine Schulpart- nerschaft, die auf verschiedene Weise das Festival begleitet. Dies sind alles Projekte, die organisch entstanden sind, weniger aus dem reflektierten Ziel heraus, ein Publikum aufzubauen als ein- fach, weil sie sinnvoll erschienen und Freude bereiten. Michael Dreyer Weitere Informationen: www.morgenland-festival.com ©J_M_Unger

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Wittenberger Renaissance Reeperbahn Festival Festival In den vergangenen zwei Jahren haben sich unsere Marketingmaß- nahmen zunehmend in den Online-Bereich verschoben. Zwar Als Gründer und Leiter des Nachwuchsensembles Praetorius sind wir weiterhin in klassischen Medien sehr aktiv, blicken je- Consorts und der Schola Wittenberg, der Musikschule der Wit- doch verstärkt auf verschiedene Online-Kanäle. Neben der akti- tenberger Hofkapelle, bin ich seit vielen Jahren bemüht, Kin- ven Kommunikation über unsere Homepage und den Reeper- dern und Jugendlichen den Reiz der Alten Musik und des Musi- bahn Festival-Blog nutzen wir soziale Medien wie Facebook, zierens auf historischen Instrumenten zu vermitteln. Eine leben- Twitter oder Myspace und verstärken die Möglichkeiten des Aus - dige Alte Musik zu gestalten, soll allerdings keine Einbahnstraße tauschs mit dem Publikum. Für die diesjährige Textil-Kollektion sein und wird wesentlich durch die Wertschätzung des Publi- zum Reeperbahn Festival ließen wir darüber abstimmen, welche kums geprägt. Als künstlerischer Leiter des Wittenberger Renais- Motive zu produzieren seien, welche Favoriten es gibt und wel- sance Musikfestivals habe ich außerdem seit sechs Jahren die che Farbkombinationen am besten ankommen. In der Program- Aufgabe, mein Publikum von morgen schon heute neugierig zu mierung wächst ebenfalls die Bedeutung der Interaktion mit machen und Begeisterung zu wecken. den Besuchern, auch wenn bei ca. 200 kleinteilig ausgewählten Alte Musik begegnet oft dem Vorurteil, sie sei verstaubt und ein- Acts nicht über jede einzelne Show abgestimmt werden kann. tönig, und trotzdem und gerade deswegen sollte man der jün- Unsere Programmverantwortlichen sind über das ganze Jahr da- geren Generation damit innovativ und modern begegnen. Im mit beschäftigt, neue Künstler zu entdecken, bereisen Veranstal- Rahmen der Möglichkeiten vor Ort hat das Festival einige tungen im Ausland oder wälzen Fachmagazine. Den Besucher - Schnittpunkte geschaffen, an denen junge Menschen auf beiden geschmack, insbesondere bei teilweise noch sehr unbekannten, Seiten aktiv an die Vielfalt und Schönheit der Renaissancemusik aufstrebenden internationalen Künstlern, zu treffen, stellt hier- herangeführt werden. Dazu gehört, dass Kinder und Jugendli- che kostengünstig an Workshops teilnehmen können, in denen in diesem Jahr beispielsweise Renaissancedudelsack, historische Zupfinstrumente und Gambe unterrichtet werden. In den Work- World Culture Festival, Berlin shops herrscht eine lockere Atmosphäre des gemeinsamen Ler- Die Art of Living Foundation veranstaltet Musikkonzerte, an de- nens und Musizieren. Es wird gezeigt, dass Musik hören und nen Musiker und Tänzer gleichzeitig zusammen spielen bzw. machen als gemeinschaftliches Erlebnis Freude bereitet und kei- tanzen. Beispiele vor dem World Culture Festival dafür sind ne Frage des Alters oder der Vorkenntnis ist. „Brahma Naad“ – 1200 Sitarspieler am 21. November 2008 in Darüber hinaus zahlen Kinder und Jugendliche bis zum 16. Le- Delhi –, „Antarnaad“ – 2750 Sänger am 12. Januar 2010 in Pu- bensjahr keinen Eintritt für die Konzerte des Wittenberger Re- ne – sowie „Mohiniyattam“ – 1200 Tänzer am 28. November naissance Musikfestivals und in der Stadt selbst regen wir Ko- 2006 in Kerala. Musiker und Tänzer kommen auf einer Bühne operationen mit Kinder- und Jugendprojekten an. Mit dem Wit- zusammen und bilden eine Synergie. Amateure und Profis füh- tenberger Theater-Jugendclub beispielsweise gestalten wir in len dabei die Einheit, etwas zusammen zu bewegen. Viele Ama- diesem Jahr ein szenisches Konzert mit Musik von Dowland teurmusiker und -tänzer haben die Chance, auf einer großen und Texten von Shakespeare. Dieses Projekt läuft über mehrere Monate und endet mit einer Aufführung beim Festival vor „ech- tem“ Publikum. Kooperationen wie diese binden auch die Fa- milien der Kinder mit ein, die Anteil am Erfolg und somit auch Uckermärkische Musikwochen an unserem Festival nehmen. Thomas Höhne Mit etwa zwanzig Konzerten in Dorf- und Stadtkirchen, in Scheu- nen und Ställen bieten die Uckermärkischen Musikwochen Mu- Weitere Informationen: sik vom Mittelalter bis zur Gegenwart, aus nahen und fernen www.wittenberger-renaissancemusik.de Ländern, vom Solorezital bis zum Oratorium. Dabei kommt oft Überraschendes zusammen: Mittelalterliche Vokalmusik und Jazz im Kartoffellager, Barockmusik und Tango im Schafstall, Sa- xofonklänge und Barockarien in der Scheune. Blicke auf ferne Musikkulturen und -epochen brauchen einen Ausgangspunkt – der ist bei den Uckermärkischen Musikwochen die europäische Barockmusik. Selten stehen Standards auf dem Programm – mu- sikgeschichtliche Ausgrabungen wie Vivaldis Oper Griselda und Benedetto Marcellos Vier Jahreszeiten sind die Regel. Bevölkerungsrückgang durch Abwanderung der Jüngeren ist in der Uckermark ein gewichtiges gesellschaftliches Problem. Jun- ge Menschen, die unser Publikum von morgen werden könn-

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bei die größte Herausforderung dar. In den letzten Jahren spü- ren wir vermehrt das große Vertrauen, das die Besucher unserer Programmgestaltung entgegenbringen, und hier liegt wohl der Kern der Aufgabenstellung für eine Veranstaltung mit einem programmatischen Konzept, wie es das Reeperbahn Festival hat. Denn anders als bei anderen Festivals ist ein (emotionaler) Kon- sens unter den Besuchern nicht durch einzelne bekannte Künst- ler(-gruppen) herzustellen. Beim Reeperbahn Festival ist das Konzept der Konsens, die Marke ist der Headliner. Wir laden die Marke auf und verleihen ihr Musik-Kompetenz, indem sie ganz- jährig und auch in Zusammenhängen außerhalb der eigentli- chen Veranstaltung Orientierungshilfe für unsere Besucher in ei- grammen (Hörfunk und Fernsehen) gesendet. Einige dieser nem sehr diversifizierten Markt ist. Neben der Präsenz beim Mitschnitte sind anschließend auch als Alben käuflich erhältlich. SXSW oder dem Eurosonic-Festival präsentiert das Reeperbahn In einer Zeit, in der niemand mehr verantwortlich ist für den Festival inzwischen – wie ein Medienpartner – Touren von in- Aufbau neuer Künstler als der Künstler selbst, versuchen wir die ternationalen Künstlern (vornehmlich im Frühjahr). Zusätzlich Marke Reeperbahn Festival in einer Weise zu platzieren, wie wir zu der Reeperbahn Festival Textil-Kollektion gibt es eine Compi- es von einigen Tonträger-Labels aus den 1970er-Jahren kennen. lation mit einzelnen Tracks der auftretenden Künstler, und es Alexander Schulz werden ca. vierzig Aufnahmen ganzer Shows des Reeperbahn Weitere Informationen: Festivals von Oktober bis Mai in unterschiedlichen ARD-Pro- http://www.reeperbahnfestival.com

zusammengehören. Die Musik ist ein Schlüssel dazu und hat die Kraft, Harmonie und Frieden zu stiften und Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen zusammenzubringen. Die Konzerte sind eine Mischung von Traditionellem und Moder- nem, sodass jeder angesprochen ist. Die Musiker und Tänzer kommen aus Freude zusammen, etwas darzubieten, einfach mit dabei zu sein und das Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erle- ben und zu teilen. Bühne für eine größere Zuhörerschaft zu spielen. Sie gewinnen Marcel Verbay dabei ein enormes Vertrauen. Art of Living setzt sich dafür ein, Weitere Informationen: dass wir – trotz all unserer Verschiedenheit – als eine Weltfamilie [email protected]

ten, fehlen hier also weitgehend, daher finden die Familienkon- zerte der Musikwochen größeren Zuspruch bei der Großeltern- generation als bei Kindern und Jugendlichen. Das Durch- schnittsalter der Festivalbesucher von 56 Jahren entspricht somit der Bedeutung dieser Altersgruppe in der Region. Für uns ist es weniger wichtig, wie wir das Publikum von mor- gen finden. Das Publikum gibt es schon und es ist durch die Er- wanderern an den Konzertbesuchern zu. Öffentlicher Personen- weiterung des musikalischen Spektrums gewachsen. Eine größe- nahverkehr in der Uckermark war lange Zeit an den Wochenenden re Herausforderung ist es für das Publikum, zu uns zu finden. fast nicht existent. Verkehrsbetriebe und Tourismusmarketing ha- Neues Publikum kommt von außerhalb der Uckermark, heute ben jüngst einen Uckermark-Shuttle eingerichtet, der den Weg zu reisen fast 60 Prozent der Besucher aus Berlin oder anderen unseren Konzerten erleichtert. Damit ist dem Publikum von mor- Bundesländern zu den Konzerten an, die meisten mit dem PKW, gen der Weg zu den Uckermärkischen Musikwochen noch nicht dabei verfügen weniger als die Hälfte der Berliner Haushalte geebnet, doch erste Hindernisse sind aus dem Weg geräumt. über ein Auto. Daher kooperieren die Uckermärkischen Musik- Christoph Wichtmann wochen zunehmend mit Veranstaltern von kulturhistorischen Weitere Informationen: Exkursionen und Konzertreisen. Auch nimmt der Anteil an Rad- www.uckermaerkische-musikwochen.de

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Erweiterung oder Nicht-Erweiterung?

Die Umgestaltung von „Jugend musiziert“ in der Diskussion

Kulturelle Vielfalt prägt unser Zusammenleben in Deutschland – wir leben und ar- Auch jetzt schon kann man bei „Jugend beiten mit Menschen unterschiedlichster Herkunft, Kulturen und Religionen. Die musiziert“ höchst umgewöhnliche Vorträge bestaunen: Lukas Grunert mit seinem selbst- UNESCO-Konvention zum „Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Aus- komponierten Stück „Need no Snare, have a drucksformen“ schließt explizit ebenso die Kulturen anderer Länder mit ein. Mit Chair“ (1. Preis 2010, Percussion) der Frage an Reinhart von Gutzeit im Musikforum-Interview, welche Bedeutung die Forderungen der UNESCO-Konvention auf die konzeptionelle Weiterentwicklung von „Jugend musiziert“ hat, begann eine kontroverse Diskussion im Musikforum zur Erweiterung oder Nicht-Erweiterung von „Jugend musiziert“. Zu dieser Debat- te gesellte sich auch die Forderung einer Fusion von „Jugend musiziert“ und „Ju- gend jazzt“, bei der sich Jürgen Terhag und der Landesmusikrat Nordrhein-Westfa- len zu Wort meldeten. Das Musikforum – Marktplatz für unterschiedliche Positionen – zeigt die Entwicklung der Debatte auf und veröffentlicht die verschiedenen Stel- lungnahmen zum Thema Erweiterung „Jugend musiziert“ sowie zur Fusion „Ju- gend musiziert“ und „Jugend jazzt“. Musikforum-Chefredakteur Christian Höppner und Redaktionsmitglied Hans Bäßler nahmen die Diskussion zum Anlass, um für ein „Jugend musiziert“ zu plädieren, das sich in seiner konzeptionellen Entwicklung der Vielfalt anderer Länder öffnet. 1.

In dem Interview „Kostbarer Schatz des von „Jugend musiziert“, nahm das Inter- Musiklebens“ (1/2011) sprach sich view mit von Gutzeit zum Anlass, um für Reinhart von Gutzeit, Vorsitzender des eine Fusion von „Jugend musiziert“ und Projektbeirats für den Wettbewerb „Ju- „Jugend jazzt“ zu plädieren. gend musiziert“ und Präsidiumsmitglied des Deutschen Musikrats, für eine Be- | Das Interview mit Reinhart von Gutzeit wahrung des bisherigen musikalischen finden Sie unter der Musikforum-Ausgabe Profils von „Jugend musiziert“ und ge- 01/2011 auf www.musik-forum-on- gen eine Erweiterung des Musikwettbe- line.de werbs um Musikkulturen anderer Länder | Jürgen Terhags Beitrag „Im Jazz wird aus. Jürgen Terhag, Bundesvorsitzender auch musiziert, oder?“ unter der Musik- im Arbeitskreis für Schulmusik (AfS) und forum-Ausgabe 02/2011 auf www.mu-

© Jugend musiziert /Erich Malter Kölner Regionalausschussvorsitzender sik-forum-online.de.

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FUSION: „Jugend musiziert“ und „Jugend jazzt“?

2. Philip Allar gewann in der Kategorie „Gesang (Pop)“ den ersten Preis beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ 2010

Die Antwort des Landesmusikrats Jürgen Terhag stellt in Aussicht, dass eine ben wir die wesentlichen Sparten zusam- Nordrhein-Westfalen auf das Plä- stärkere Ensemble-Orientierung auch men, „klassische“ Kunstmusik, Rock und doyer von Jürgen Terhag in der „Jugend musiziert“ gut tun würde und Jazz. Tatsächlich existiert in unserem Mu- Musikforum-Ausgabe 2/2011. ein nutzbringender Effekt der Fusion wä- sikleben eine große Zahl musikalischer Jürgen Terhag spricht sich im Musikforum re. In der Tat werden sich die Pop-Katego- Szenen, deren Artikulationsformen und für eine Fusion von „Jugend jazzt“ mit rien von „Jugend musiziert“ dahin ent- Instrumentarien mit den Wertungen von „Jugend musiziert“ aus, gebe es doch wickeln müssen, dass die Leistungen der „Jugend musiziert“ wenig gemein haben. keinen Grund mehr für den „Ausschluss Musiker innerhalb des Live-Spiels ihrer Durch Einwanderung und durch die Ver- des Jazz“ aus dem großen Wettbewerb, Band gewertet werden, sonst wird der änderungsfreudigkeit der Popgenres ist der mit der Etablierung der Bundesbe- Wettbewerb keinen realen Bezug zum eine große Bandbreite von Szenen ent- gegnung 1997 geschehen sei. Tatsächlich Pop-Musikleben gewinnen. Das allein standen, die einander oft überlagern, zu- gibt es „Jugend jazzt“ als Wettbewerb in wäre aber noch keine Reform, auf deren weilen aber auch biotopähnlich existie- Nordrhein-Westfalen seit 1978 und mit Grundlage man ein homogenes Katego- ren. gutem Grund stellen die Veranstalter hier riensystem für die traditionellen Wertun- „Jugend musiziert“ hat sich vorsichtig ein inhaltlich autarkes Forum für jazz- gen und den Jazz etablieren könnte. Viel- dafür entschieden, in Bezug auf einzelne spielende Jugendliche zur Verfügung. mehr wäre ein grundsätzlich anderer Zu- Genres und auf einzelne Instrumente We- Denn kein musikalisches Genre ist stilis- gang der Juroren zur Improvisations- ge der Integration in das Wettbewerbsge- tisch derart offen, kein anderes Genre in und Interaktionsfähigkeit der Musikerin- schehen zu finden. So sind diese neuen einem solchen Ausmaß befähigt, Impulse nen und Musiker notwendig. Kategorien inhaltlich kompatibel und es aus anderen Kulturen aufzunehmen und Was spricht dafür, das Risiko einer Amal- besteht stets Gewähr, im Rahmen einer Neues daraus entstehen zu lassen. Kaum gamierung einzugehen? Folgt man Jür- Finanzierbarkeit zu bleiben. Kein ein anderes Genre fordert von seinen gen Terhags Plädoyer, gewinnt man den schlechter Weg – man bleibt auf diese Musikern so sehr die Fähigkeit zur Im- Eindruck, es gehe um eine Vollständigkeit Weise zwar von einer solchen „Vollstän- provisation und bei kaum einem anderen von „Jugend musiziert“ in Bezug auf die digkeit“ der Abbildung musikalischer ist die Leistung des Musikers so sehr in dort abgebildeten musikalischen Genres Genres Welten entfernt, aber man geht der flexiblen und kreativen Interaktion und um eine Art später Gerechtigkeit ge- den Weg mit Augenmaß, begünstigt mit anderen Musikern zu sehen. Das genüber Genres, die zum etablierten Mu- durch den Wettbewerbsaufbau mit Re- führt zwangsläufig dazu, dass das Krite- sikleben „nicht dazu gehörten“. Diese gional-, Landes- und Bundesausscheidun- rienwerk ein völlig anderes, weitaus offe- Perspektive erscheint nicht zeitgemäß. gen ohne Durchgriffsrecht von oben. neres ist als das des Wettbewerbs „Jugend Ganz sicher würde man nach einer sol- Diese Vorsicht ist legitim, denn die Teil- musiziert“. chen Fusion nicht sagen können, nun ha- nehmerzahlen von „Jugend musiziert“

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3.

Warum um aller Welt sollte eine ju- gendliche Pianistin zwischen Bach und Beatles nicht auch Bebop spielen dürfen? – Eine Antwort von Jürgen Terhag Es ist ein seltsames Gefühl, wenn auf eine nett gemeinte Einladung eine schroffe Ab- grenzung folgt: Hat der Jazz es wirklich nö- tig, dass die von mir sehr geschätzten Kol- © Jugend musiziert /Erich Malter legen angesichts meiner vorsichtig formu- lierten Überlegung, vorhandene Barrieren vergrößern sich ständig. Die Wettbe- und zum Zeigen des eigenen Könnens eventuell abzubauen, völlig neue Schutzwäl- werbsmacher wissen, dass der Wettbe- einlädt. Auch die Ansprache von Einwan- le auftürmen? Ich finde nicht! werb seine Bedeutung langfristig nur er- dererkulturen über die einsame Ba˘glama- Man liest mit Erstaunen und Unbehagen, halten kann, wenn er sich ständig weiter- Kategorie hinaus wird es erfordern, Be- was alles „kein musikalisches Genre“ außer entwickelt und aktuell bleibt und auf die- gegnungsmodelle zu formen, in denen dem Jazz auszeichnet, zu welchen musikali- se Weise Entwicklungen weiterhin mitge- sich die Jugendlichen und die kulturellen schen Leistungen „kein anderes Genre in ei- staltet. Fusionen aber erfordern gleichar- Erwartungen, die sie durch ihre Musik nem solchen Ausmaß befähigt“ usw. Diese tige Strukturen der Partner. Und es ist da- artikulieren, wiederfinden können. Qualitäten des Jazz führen laut der oben ab- von nicht auszugehen, dass die Teilneh- Das zeigt auch den einzigen Weg einer gedruckten Replik „zwangsläufig dazu, dass merInnen der Begegnung „Jugend jazzt“ sinnvollen Verbindung von „Jugend das Kriterienwerk [von „Jugend jazz“] ein ebenso gerne an einem sehr stark struk- jazzt“ und „Jugend musiziert“: „Jugend völlig anderes, weitaus offeneres ist als das turierten Wettbewerb „Jugend musiziert“ jazzt“ könnte als inhaltlich selbstständige des Wettbewerbs ‚Jugend musiziert‘.“ Wie teilnehmen würden. Begegnung unter einem Dach neben schade, dass ein derart offenes Kriterienwerk Die Einführung des DJing in das Katego- Wettbewerben des Rocks, der Kunstmusik nicht auch bei „Jugend musiziert“ Anwen- riensystem hat in NRW gezeigt, dass es und anderer Musikformen siedeln. Wie dung finden soll, was ein Anlass meiner vor- beim Einbeziehen eines neueren Genres dieses Dach dann heißt, wäre zu diskutie- sichtigen Anfrage gewesen war. wichtig ist, ein möglichst selbstständiges ren. Und ob man es wirklich braucht? Trotz dieser Abgrenzungsversuche bleibt zu Wettbewerbsprofil zu kreieren, welches hoffen, dass auch bei „Jugend musiziert“ es den potenziellen Teilnehmern ermög- Thomas Haberkamp, Christian de Witt, ein „grundsätzlich anderer Zugang der Juro- licht, sich mit ihrem Wettbewerb oder Michael Bender und Robert v. Zahn ren zur Improvisations- und Interaktionsfä- der Begegnung zu identifizieren. Neben- higkeit der Musikerinnen und Musiker“ bei sei bemerkt, dass sich sechs Unter- möglich werden kann, denn letztlich geht es nehmen, die die so entstandene „Reife- hier nicht um „eine Art später Gerechtig- prüfung“ sponsern, auf eine reine „Ju- keit“ gegenüber bestimmten Genres, son- gend-musiziert“-Kategorie wohl kaum dern um Jugendliche und deren Art mit Mu- einlassen würden. sik umzugehen – und die lässt sich heute Die Kulturelle Vielfalt in unserer Gesell- nicht mehr in die alten Schubladensysteme schaft lässt es immer unwahrscheinlicher einsortieren: Warum um aller Welt sollte ei- werden, dass es gelingen könnte, ein ne jugendliche Pianistin zwischen Bach und übergreifendes Wettbewerbsprofil zu fin- Beatles nicht auch Bebop spielen dürfen? Ich den, das alle Begabten zur Identifikation hoffe sehr, dass wir im Gespräch bleiben!

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Murat Boztas aus Köln: einer der ersten Preisträger in der Wertungskategorie Bag˘lama aus Nordrhein-Westfalen

ERWEITERUNG: musikalische Vielfalt 4. anderer Länder

Eine kleine Geschichte: Acatay hat Gökhan voller Begeisterung da- jungen Türken stellt sich die Frage, ob denn Gemeinsam geht vieles besser von erzählt, dass er beim nächsten Wettbe- „ihre“ Musik nicht würdig sei, bei diesem Acatay und Gökhan spielen viel zusammen: werb „Jugend musiziert“ mit seinem Turn - Wettbewerb vertreten zu sein. „Unser Ober- Computerspiele, Fußball im Verein und sie table als DJer antreten wird. „Ey krass Alter, häuptling Wulff hat doch neulich lauthals machen zusammen Musik. Acatay geht auf isch dachte, dat is son verstaubter Klassik- verkündet, dass wir – äh ick meine der Is- ein Gymnasium, während Gökhan die Se- wettbewerb für Leute mit Kohle“, freut sich lam – zu Deutschland gehören. Wenn der kundarstufe besucht, wie jetzt die alte Haupt - Gökhan. Da beide am Türkischen Konserva- och Oberhäuptling von Jugend musiziert is, schule in Berlin heißt. Ihre jahrelange Freund - torium in einem Ba˘glama-Ensemble spielen, kann er mal wat für uns tun – wa?“ So be- schaft, die bereits im Kindergarten begann, kommt ihnen der Gedanke, sich auch mit schlossen beide, dem Herrn Bundespräsi- ist von vielen gemeinsamen Aktivitäten ge- ihrem Ensemble für „Jugend musiziert“ an- denten einen Brief zu schreiben. prägt. Manchmal mehr, als den um die Schul- zumelden. Es folgt ungläubiges Staunen, als Recht haben sie. Acatay und Gökhan stehen noten besorgten Eltern lieb ist. Dennoch: Mit ihnen die freundliche Geschäftsführerin des nicht alleine mit ihrer Überzeugung, dass ihren guten Deutschkenntnissen und ihrem Berliner Landeswettbewerbs erzählt, dass es Deutschland reich ist an der Musik verschie- sozialen Engagement für die alte Oma in der keine Bundeswertung für die Ba˘glama gebe. dener Kulturen und diese Musik auch zu ei- Nachbarschaft von Acatay – einmal die Wo- Die Gründe dafür seien ihr auch nicht be- nem nationalen Wettbewerb wie „Jugend che gehen sie mit ihr einkaufen – sind beide kannt. Acatay war bereits mit seinem E- musiziert“ gehört. ein gelungenes Beispiel für Integration. beim Bundeswettbewerb dabei. Den beiden

Vier Impulse für die weitere Diskussion Vorschläge für eine Umsetzung 1. „Jugend musiziert“ ist Impulsgeber für lung von „Jugend musiziert“. Zu den | Keine bestehende Wertungskategorie die und Spiegel der musizierenden Ju- Grundlagenpapieren gehören: wird wegen der Einführung neuer Wer- gend. | die völkerrechtlich verbindliche tungskategorien aus dem transkulturellen 2. „Jugend musiziert“ fordert und för- UNESCO-Konvention zum Schutz und Bereich abgeschafft. dert: zur Förderung der Vielfalt kultureller | Es gilt das Regelwerk von „Jugend musi- | Engagement, Ausdrucksformen mit den gleichberech- ziert“. Die Erfahrungen in Berlin und | die immerwährende Suche nach und tigten Grundsäulen: Nordrhein-Westfalen haben gezeigt, dass das Entdecken der eigenen Wurzeln, a) Schutz und Förderung des kulturellen das Regelwerk von „Jugend musiziert“ aus - | die Neugierde auf das Eigene und das Erbes, reicht, um neue Wertungskategorien aus Andere, b) Schutz und Förderung der zeitgenös- dem transkulturellen Bereich einzuführen. | das Entdecken und Nutzen der eige- sischen künstlerischen Ausdrucksformen | Die Einführung neuer Wertungskategorien nen Fähigkeiten. einschließlich der Populären Musik, aus dem transkulturellen Bereich sollte – wie 3. „Jugend musiziert“ ist – wie jedes Pro- c) Schutz und Förderung der Kulturen bisher üblich – instrumentenbezogen sein. jekt des Deutschen Musikrats – Förder- anderer Länder in (dem jeweiligen Land) | Die Literaturlisten von „Jugend musiziert“ maßnahme und Medium für die mu- Deutschland. sind um die jeweiligen instrumenten- bzw. sikpolitischen Botschaften zugleich. | die Berliner Appelle des Deutschen Mu- ensemblespezifischen Werke zu ergänzen. 4. Der Schutz und die Förderung der Kul- sikrats. | Die Ausschreibung für den Bundeswettbe - turellen Vielfalt sind handlungsleitend werb „Jugend musiziert“ 2013 wird um die für die konzeptionelle Weiterentwick- Wertungskategorie „Ba˘glama solo“ erweitert.

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„Jugend musiziert“ – für wen? einander. Insbesondere die zunehmende werden. Die Diskussion scheint nicht Für uns alle. Die Kinder und Jugendli- Präsenz von Kulturen anderer Länder in wirklich voranzukommen, obwohl beim chen, die Erfahrung von „Jugend musi- unserem Land spiegelt sich nicht im Bundeswettwerb 2009 die „Bundesbe- ziert“ machen können, gewinnen nicht Wettbewerb wider. Der Grund dafür ist gegnung Ba˘glama“ Klarheit über den wei- nur für sich selbst an Selbstbewusstsein einfach: Es gibt keine Wertungskatego- teren Weg bringen sollte. und Ausdrucksstärke, sondern sind ein rien, die die Instrumente und die damit „Jugend musiziert“ hat sich in seiner na- Gewinn für uns alle. Wer lernt, zuzuhö- verbundenen Literaturen dieser Kulturen hezu 50-jährigen Geschichte einen exzel- ren und in sich hineinzuhorchen, ist auf vorsehen. So hat zum Beispiel die Lang- lenten Ruf erworben; der Deutsche Mu- dem Wege, sich auch gesellschaftlich zu halslaute Ba˘glama einen hohen Stellen- sikrat kann darüber zu Recht sehr stolz integrieren. wert in der Kunst- und Volksmusik der sein. Doch die Balance zwischen „Nach- Die „Jugend-musiziert“-Frage nach dem Türkei und vielen weiteren Ländern. Sie frage wecken und Nachfrage decken“ „für wen?“ bezieht sich erst recht auf die wird generationenübergreifend im En- steht für den Anspruch, Mut zu entwi- Zielgruppen des Wettbewerbs. Sind alle semble, solo und oft in Verbindung mit ckeln, um neu oder zumindest weiter zu musizierenden Kinder und Jugendlichen Gesang musiziert. Deswegen führte der denken – aber auch danach zu handeln. angesprochen oder richtet sich dieser Landesmusikrat Berlin 2001 als erster für Das haben auch die entscheidenden Gre- Wettbewerb nur an diejenigen, die ein die drei Regionalwettbewerbe und auch mien (Mitgliederversammlung, Konfe- bestimmtes Profil erfüllen? den Landeswettbewerb die Wertungskate- renz der Landesmusikräte und das Präsi- „Jugend musiziert“ steht in unserem gorie Ba˘glama in der Solo- und Ensemble- dium) betont. Und Bundespräsident Horst Land – unter Beachtung der Teilnahme- wertung ein. Inzwischen sind weitere Köhler und sein Nachfolger Christian voraussetzungen – der musizierenden Ju- Länder gefolgt. Aber: Auf der Bundesebe- Wulff haben den Deutschen Musikrat in gend offen. Dieser Wettbewerb steht für ne findet sich diese Kategorie dennoch der gesellschaftspolitischen Orientierung „Fördern und Begegnen“ und er muss nicht, obwohl die Ba˘glama in vielen Län- seiner Arbeit ausdrücklich unterstützt. offen sein, unabhängig der sozialen und dern gespielt wird. Konkret bedeutet das: Gerade die Vielfalt ethnischen Herkunft, auch für eine Of- An der Bereitschaft zur weiteren Öffnung der zahlreichen Musikgenres wird als ein fenheit der Musikstile. „Jugend musi- von „Jugend musiziert“ kann es nicht lie- besonderer kultureller Wert gesehen. ziert“ definiert nicht, welche Jugendli- gen, denn die Einführung der Kategorie Und das muss sich jetzt auch bei „Jugend chen und welche Musik gemeint sind, „Populäre Musik“ im Jahr 2006 ist ein musiziert“ niederschlagen. sondern erwartet, dass wirklich alle Ju- Beleg von vielen für die Bereitschaft, sich gendlichen und alle musikalischen Aus- an neuen ästhetischen Erscheinungen zu Hans Bäßler ist Leiter des Master-Studiengangs drucksformen gemeint sind. Erst durch orientieren. Schulmusik an der Hochschule für Musik, Theater einen Blick auf die Wertungskategorien Für den transkulturellen Bereich gibt es und Medien in Hannover, Vorsitzender des Bundes- wird deutlich, dass dem nicht so ist. So bislang weder einen roten Faden in der fachausschusses Musikalische Bildung des DMR, fehlen beispielsweise die Instrumente Meinungsbildung noch erkennbare Mitglied des Projektbeirats „Jugend musiziert“ des und die damit verbundenen Literaturen Gründe, warum nicht – ähnlich wie bei DMR und Ehrenvorsitzender des Verbandes deut- anderer Kulturen. der „Populären Musik“ – beispielhaft ei- scher Schulmusiker. Hinzu kommt: Die Schere zwischen all- nige Instrumente anderer Kulturen als gemeiner gesellschaftlicher Entwicklung Wertungskategorien in die Solo- und En- Christian Höppner ist Generalsekretär des Deut- schen Musikrats, Mitglied im Projektbeirat „Jugend und konzeptioneller Weiterentwicklung semblewertungen beim Bundeswettbe- musiziert“ und Ehrenvorsitzender von „Jugend musi- von „Jugend musiziert“ klafft weiter aus- werb „Jugend musiziert“ aufgenommen ziert Berlin".

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Eine linke Hand wie Gott

Der Blues- und Boogie-Woogie-Pianist Axel Zwingenberger Stephan Mayer

Unten schubsen die quietschgelben Lackschuhe immer wieder die Pedale des Bösendorfer-Flügels, und oben fliegen die Hände so schnell über die Tastatur, dass sie mit meiner kleinen Digitalkamera einfach nicht scharf werden. Wenn Axel Zwingenberger Boogie-Woogie spielt, ist das fast schon ein Gesamtkunstwerk. Er besitzt diese „linke Hand wie Gott“, so hat das der amerikanische Autor Peter J. Silvester einmal genannt.* Eine linke Hand, die völlig unabhängig von der improvisierenden rechten Hand die rollenden Bässe stampfen kann, wie in den Anfängen des 20. Jahrhunderts schon bei Zwingenbergers Vorbildern Pete Johnson, Albert Ammons und Meade Lux Lewis. Mit Blues und Boogie-Woogie überspielten sie die Tristesse des kargen Lebens der schwarzen Land- und Eisen- bahnarbeiter in den Südstaaten der USA. So arm sind heute weder die Spieler noch die Zuhörer. Aber heute wie damals ist diese Musik ansteckend wie ein Virus. Der Boogie-Woogie ist heimisch geworden im deutschsprachigen Raum und hat inzwischen eine große Fangemeinde. „Das waren dreißig Jahre harte Arbeit“, sagt Axel Zwingenberger.

Ich erinnere mich noch ganz genau. rie“ in der Oxfordstraße am Rande der Leo von Knobelsdorff aus Köln. Eine sol- Es war im Jahr 1982, an einem kalten Bonner Innenstadt. Eine Institution für che Session kann man nicht planen, so Novembertag in Bonn. Überall Schnee- Jazz und heiße Rhythmen, wie ich erst etwas kommt zustande, wenn die Leiden- matsch und kriechende Nässe, ein eisiger später erfahren habe. Dort unten saß in schaft am Musizieren auf die Zuhörer Wind pfiff durch die Straßen und ich einer verrauchten Kneipe Axel Zwingen- einfach so überschwappt. Dann muss es hatte mit meinen Freunden beschlossen, berger am Klavier. Schon damals mit die- weitergehen, manchmal bis zum Mor- jetzt, so gegen Mitternacht, nach Hause ser prächtigen Löwenmähne auf dem gengrauen. Bei einer Musik, die keinen zu fahren. Und dann hörten wir diese Kopf, der er bis heute die Treue gehalten Kommerz kennt „und so ‚indepent‘ ist, Musik. Unglaubliche Musik, mit einem hat. Sein Bruder Torsten Zwingenberger wie es nur irgend geht“, sagt Axel Zwin- „Drive“, der mir bis dahin völlig unbe- spielte Schlagzeug. Das offizielle Pro- genberger. Das war damals meine erste kannt war. Die Musik kam aus irgend- gramm war längst zu Ende, wir waren Begegnung mit ihm, viele weitere in einem Keller in der Nähe. Es war wie ein mitten in eine so genannte Session gera- ganz Deutschland sollten folgen und der Sog, dem wir ganz einfach folgen muss- ten, zu der sich noch viel später eine Boogie-Woogie hat mich seitdem nicht ten. Die Musik kam aus der „Jazz-Gale- weitere Boogie-Woogie-Ikone gesellte: mehr losgelassen.

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In den 1970er-Jahren, da hatten die gro- selbst“, so Zwingenberger. „Oder aber zweimal stattgefunden hat, ist Tradition. ßen Plattenlabels noch Interesse an den durch Mundpropaganda und – glückliche Also, zur Summe des Musiklebens gehö- aufstrebenden Nachwuchs-Jazzmusikern. Fügung der modernen Zeit – auch durch ren Blues und Boogie-Woogie einfach Die ersten Schallplatten von Axel Zwin- das Internet.“ dazu. genberger erschienen bei den Elefanten- Totgesagt waren Blues und Boogie-Woo- Während es vor dreißig Jahren im marken Teldec und EMI. Aber heute ist gie eigentlich nie, stattdessen aber immer deutschsprachigen Raum gerade mal eine deren Interesse weitgehend abgeklungen. mal wieder für „jetzt gerade lebendig“ Handvoll Boogie-Woogie-Pianisten gab, Zwingenberger produziert seine Platten erklärt. Das hört Axel Zwingenberger nun sind es heutzutage weit über hundert. bei einem kleinen Label, weil für die gro- schon seit vielen Jahren und kommen- Das ist hauptsächlich das Verdienst von ßen Firmen bei Jazz und Boogie-Woogie tiert es süffisant so: „Wenn etwas immer Axel Zwingenberger, aber auch von sei- keine so genannten „cash-cows“ für das wieder im Kommen ist, dann ist es doch nem etwas älteren Kollegen Vince Weber. schnelle Geld sorgen. „Das ist eine Musik, auch etwas Konstantes.“ Man könnte das Die beiden bespielten im ganzen Land die nicht von der Werbung weitergetra- auch mit einer bayerischen Redensart die Kneipen und Jazzclubs und bei jedem gen wird, sondern durch die Musiker umschreiben: Alles, was mindestens Auftritt wurde die Fangemeinde größer.

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Axel Zwingenberger und die Blues- sängerin Lila Ammons (die Enkelin des Boogie-Woogie-Spielers Albert Ammons) © privat © privat

Axel Zwingenberger, der gelernte Kon- ses, in dem sich seinerzeit der Haupt- Axel Zwingenberger in Amerika aufge- zertpianist, wagte dann noch, was es bis mann von Köpenick verschanzt hatte; sucht und mit einigen Schallplatten und dahin überhaupt nicht gab. Er ging mit eingehüllt in dünne Regenumhänge aus Tourneen durch Europa gemacht. Ich er- Blues und Boogie-Woogie in die großen Plastik, eng zusammengerückt, zum Teil innere mich an eine solche Begegnung Theater und Konzertsäle und hatte damit unter Regenschirmen. Auf den Umhän- Mitte der 1980er-Jahre in Hamburg. Ich enormen Erfolg. Heute spielt er sogar re- gen tanzen die Regentropfen, weil man war angehender Fernsehjournalist und gelmäßig in der Berliner Philharmonie bei dieser Musik einfach nicht ruhig sit- durfte beim NDR einen Auftritt von Axel diese „Musik der alten Schwarzen aus zen bleiben kann. Also wippen die Zuhö- Zwingenberger betreuen. Er kam mit ei- den USA“, wie er sie liebevoll nennt. Na- rer auch diesmal so heftig mit den Kör- ner der letzten damals noch lebenden türlich auf einem modernen Konzertflü- pern, dass die Regentropfen tanzen. Bluessängerinnen der alten Zeit: Sippie gel. Aber das ist mittlerweile Standard bei „Der Boogie-Woogie“, sagt Zwingenber- Wallace. Der Auftritt war im wahrsten vielen Jazzmusikern, weil diese Instru- ger, „gehört zum Jazz und ist eine Form, Sinne des Wortes filmreif. Etwas eingefal- mente mehr Möglichkeiten bieten als die den Blues, der sonst eigentlich gesungen len schon, zerfurcht im Gesicht und zer- verstimmten Klaviere, die uns klischee- wird, auf dem Klavier zu spielen. Ge- brechlich wirkte die 85-jährige Dame. Sie haft an Jazz erinnern. kennzeichnet ist diese Musik von einem saß im Rollstuhl und wirkte ziemlich ab- Und so stand im vergangenen Juli ein rollenden Achtelbeat: dieser ist ursprüng- wesend, bis Axel Zwingenberger am Flü- Bösendorfer-Flügel auf dem Podium lich so im Jazz gar nicht vorhanden ge- gel im NDR-Studio den ersten Ton an- beim Jazzfestival in Köpenick. Dreißig wesen. Aber als der Boogie-Woogie po- stimmte. Da schoss förmlich das Leben in Jahre sind vergangen seit meiner ersten pulärer wurde, kamen diese rhythmi- das Gesicht der alten Dame, sie erhob Begegnung mit Axel Zwingenberger, und schen Formen auch in den Jazz. Diese sich wie selbstverständlich aus dem Roll- ich bin wieder mit ein paar Freunden bei Veränderung im Jazz fing also eigentlich stuhl und begann zu singen – mit sicht- einem seiner Konzerte. Kalt ist es diesmal mit dem Boogie-Woogie an.“ barer Leidenschaft und Freude an der nicht, aber es regnet in Strömen beim Und dann, nicht zu vergessen, der Blues. Musik. Das war ein beeindruckendes Er- Open-Air-Festival „Jazz in Town“. Die „Der wiederum ist die Basis des Boogie- lebnis. Boogie-Fangemeinde konnte das nicht Woogie“, sagt Axel Zwingenberger. „Das Die Liste der Stars aus der internationalen aufhalten. Sie kommen aus allen Gesell- geht leider manchmal zwischen der Vir- Bluesszene, mit denen Axel Zwingenber- schaftsschichten: die, die früher in den tuosität des Boogie-Woogie ein wenig ger musiziert hat, ist lang: allen voran verrauchten Kneipen saßen, die „Cross - unter. Aber eigentlich spielen wir Blues Lionel Hampton, Big Joe Turner, Cham- over-Zuhörer“ aus den klassischen Kon- und Boogie-Woogie.“ Will man also zu pion Jack Dupree. Im Moment ist Zwin- zertsälen und auch ganz viele neugierige den Wurzeln des Boogie-Woogie, landet genberger mit der Enkelin seines großen junge Menschen. Da sitzen sie nun auf man irgendwann unweigerlich bei den Vorbildes Albert Ammons unterwegs: Lila den Bierbänken im Innenhof des Rathau- alten Bluesmusikern. Viele von ihnen hat Ammons. Die beiden sind gerade von ei-

4/11 ten aus dem nationalen und internationalen Musikleben. ten ausdemnationalen undinternationalen der Serie„Begegnungen“berichtetMayer im Bundesfachausschuss „MusikundMedien“ desDeutschenMusikratsan.In schaftler, inBerlin.Ergehörtdem istStudioleiterdesBayerischenFernsehens Stephan Mayer, die hinterdem„Großmeister desBoogie-Woogie“,zwischen wie HandundimmerwiederBluesnummern liegenin- rechten Mehr alsdreißig Jahre rollende Bässe, Figuren virtuose inder gebracht,schaft diekaumzuüberbietenseindürfte. dann hat eresamKlavier zueinerBoogie-Woogie-Meister- worden. sindjemalsgedruckt gies oderBlues-Stücke Und Notenpapier geschrieben, denndiewenigsten Boogie-Woo- unddannauf jahrelang angehört mühsamdiealtenStücke Zwingenberger hat alleZweifler einesBesseren belehrt. Erhat Woogie gelesenhatte, war: Weiße könnendasnicht.“ Axel wissen, denndaserste, seinerzeitüberdenBoogie- was ich such, Spaghetti schwedische zuverkaufen. wollteAber ich es hinzu, Legitima „einechtes eineRolle.das spielteschon Daswar“, fügterakademisch von nicht dunklerHautfarbe, Musikistundich eine schwarze „Das war am soeinfach“,Anfang er: garnicht lacht „Dassdas berger aufderganzen spieltinzwischen Welt Boogie-Woogie. jedes Konzert endetmit‚standingovations‘.“ Axel Zwingen- zen diejungenLeutesogarzuDixielandaufderStraße, und längerbekanntist. schon se Musikdort Aber inBrasilientan- Erscheinung.nordamerikanische Vermutlich deshalb, weil die- Zwingenberger, auch undvielleicht „isteineeuropäische Jugendliche. „Das Alterungsproblem desJazzpublikums“, sagt 000Menschen, vorwiegend den Konzerten waren biszu10 –einvoller zurückgekommen Erfolg,ner Brasilientournee in New York 1988. * PeterJ.Silvester: CD-Aufnahmen desKünstlers. undBücher unter www.boogiewoogie.net.ternet auch finden Dort sich Weitere Informationen zu Axel Zwingenberger gibtesimIn- Lackschuhe. und diequietschgelben an diesem einmallos:Abend noch die„linke HandwieGott“ diesmal nicht, dafüraber einesatte Zugabe. Undsolegtensie ihn Zwingenberger neuerfunden. ZueinerSessionkames Boogie-Woogie, der neten Abend beimJazzfestival inKöpenick. SelbstderParade- hat.bezeichnet andiesemverreg- Dasallesspüren wirauch Frankfurter Allgemeine Zeitung Frankfurter Allgemeine studierter Geschichts-,Kunstgeschichts- undMusikwissen- A left hand like God. A history ofBoogie-Woogie-PianoA lefthandlikeGod.history Honky Tonk TrainBlues, tionsproblem. Dasistwieder Ver- Axel Zwingenberger einmal Musikforum klingt, alshätte über Persönlichkei- , Wir die Termine. Sie habendieTöne. concerti.de Opernhäusern. Dazuliefert artigen Klassikportal fürDeutschland.Hierfi Die Konzerte Ihrer Lieblingskünstler zufi Inspiration mitInterviews, Porträts undKonzerttipps. Klassik ist unser Programm Probieren Sieesgleich aus: in Konzertsälen oderKirchen, obaufFestivals oderin staltungen: obinIhrer Region oderbundesweit, ob so einfach wienochnie:mit den kompletten Überblick überalleKlassikveran- Fotos: © Felix Broede concerti.de concerti.de fokus 39 jedeMenge , demeinzig- nden ist jetzt nden Sie 4/11 40 akzente

HOMMAGE À Franz Liszt ZUM 200. GEBURTSTAG

„Lisztomania“ ohne Grenzen! Doch die Feierlichkeiten, Die internationalen und nationalen Feier- die sich mitunter wie lichkeiten anlässlich des 200. Geburtstags Wiedergutmachungen von Franz Liszt sind schier unüberschau- ausnehmen, sollten nicht bar und werden am 22. Oktober im darüber hinwegtäuschen, „World-Liszt-Day“2 gipfeln. Blicken wir dass sich an Liszt nach wie auf ausgesuchte Höhepunkte der Liszt- vor die Geister scheiden. Da- Ehrungen: bei polarisiert nicht der Pianist, „schlechter Kompo- Der Freistaat Thüringen präsentiert in sondern vorrangig der Komponist. nist“ gewesen sei („hierin für viele ver- diesem Jahr unter dem Motto „Ein Euro- Dazu rufe man sich zunächst einige Für- derblich“8); und erinnert sei, um in die päer in Thüringen“ ein breit angelegtes, sprecher in Erinnerung: Richard Strauss Gegenwart zu kommen, an namhafte Pia- künstlerisch-wissenschaftliches Programm stellt 1890 in derbem Ton fest, dass Liszt nisten wie András Schiff, die sich wei- an ehemaligen Wirkungsstätten des der einzige Sinfoniker sei, der nach Beet- gern, Kompositionen Liszts zu spielen. Künstlers; Liszts Sterbestadt Bayreuth3 hoven habe kommen müssen und alles veranstaltet ein Jubiläums-Event unter der Übrige „purer Dreck“4 sei; Camille Saint- Sechs Ehrungen für Franz Liszt: alliterierenden Überschrift „Lust auf Saëns bezeichnet Liszt 1911 als einen Der Pianist … Liszt“; das diesjährige Beethovenfest in „genialen Komponisten“;5 Alfred Brendel … Franz Liszt war ein „Star“ seiner Zeit. Bonn steht unter dem Leitthema „Zu- nennt ihn einen der „atemraubendsten Seine Auftritte in nahezu allen Teilen kunftsmusik. Beethoven, Liszt und das Revolutionäre der Musikgeschichte“.6 Europas entfachten Stürme der Begeiste- Neue in der Musik“; der Pianist Daniel Auf der anderen Seite sei an den Musik- rung, ja, der Kult, der um ihn getrieben Barenboim geht mit beiden Klavierkon- kritiker Eduard Hanslick erinnert, der wurde, entwickelte hysterische Züge. Aus zerten Liszts unter der Stabführung Pierre Liszt schöpferisches Genie rundweg ab- zeitgenössischen Berichten erfahren wir, Boulez’ auf Tournee; der Pianist Alfred spricht und die Symphonischen Dichtun- welch’ Faszination und Zauber von sei- Brendel hält unter dem Motto „Vom gen als „symphonische Unglücksfälle“7 nem Spiel9 ausgegangen sind. Der Ver- Überschwang zur Askese“ „Liszt-Lectu- bezeichnet; Clara Schumann vermerkt gleich des Lisztforschers Alan Walkers res“ ab. 1886 in ihrem Tagebuch, dass Liszt ein „Was Euklid für die Geometrie, ist Liszt

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Sechs Ehrungen für Franz Liszt! Johannes Herwig

„Liszt war eine Zentralfigur in der Geschichte der Musik. […] Sei- ne Musik ist ein Ergebnis seiner paneuropäischen Natur“, sagte jüngst .1 Liszts Wirken als Pianist, Komponist, Di- rigent, Musikschriftsteller, Förderer und Lehrer war vielgestaltig und hat mannigfaltige Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen.

Der Komponist … einen Stillstand, nie ein „behaglich-bie- … Franz Liszt hat ein immenses Œuvre dermeierliches Sich-Einrichten“. Immer hinterlassen. Es umfasst an die 670 Kom- wieder hat er mit beißender Ironie das positionen und Transkriptionen. Ange- Juste-milieu der Konservatorien gebrand- für das Kla- sichts dieses „kaum fassbaren Reichtums markt. So ruft er beim Schülervortrag ei- vier“,10 scheint der gesamten Musik Franz Liszts“,11 in nes seiner Klavierstücke (Funérailles) aus: indes nicht über- der sich neues musikalisches Denken „Der Componist hat kein Conservatori- trieben, denn Liszt vielgestaltig artikuliert, muten Diskussio- um absolviert, das sieht man!“13 In sei- hat die Technik des Klavier- nen über vermeintliche kompositorische nem Spätwerk, in dem spiels revolutioniert und die Klangpa- Schwächen häufig fragwürdig an, weil „keimenden Wahnsinn“14 zu erkennen lette des Instruments gleichsam ins diese seit über 100 Jahren geführten Dis- glaubte, bricht Liszt noch radikaler mit Orchestrale erweitert. kussionen zumeist aus hartnäckigen Vor- den Konventionen. Die späte Klaviermu- Nun war Franz Liszt keineswegs nur urteilen, Ignoranz und Unwissen gespeist sik, zwischen Melancholie und Resigna- der Virtuose rauschender Paraphrasen werden.12 Dabei verstellen Begriffe wie tion changierend und am Rande der To- und kühner Improvisationen, sondern „Tastenakrobatik“, „Erotomanie“ und nalität, weist den Weg ins 20. Jahrhun- er setzte in seinen Tourneejahren (er „Abbé-Verkleidungen“ die Findung se- dert. Busoni, Schönberg, Bartók und Ra- selbst nannte diese Zeit später ironisch riöser Urteile. vel haben dies erkannt. „Saus und Braus“) stets auch wenig Der zutiefst gläubige Liszt bleibt Zeit sei- bekannte bis unbekannte Werke auf nes Lebens ein Suchender, ein Wanderer Der Dirigent … die Programme. Seinem untrüglichen (Liszt über sich: „Halb Zigeuner, halb … Franz Liszt setzte in der Orchesterlei- ästhetischen Instinkt ist es somit zu Franziskaner“) und das macht ihn in der tung neue Maßstäbe. Mit seinem Aus- verdanken, dass die Musik eines Lud- Musikgeschichte andersartig, ja einzig - spruch „Wir sind Steuermänner und kei- wig van Beethoven, Robert Schu- artig. Deutlich kommt dieser Musicien- ne Ruderknechte“15 weist der Weimarer mann, Frédéric Chopin und vor allem voyageur Franz Liszt in den zahlreichen Kapellmeister Kritik am neuen Stil seiner Franz Schubert in allen Winkeln Revisionen bzw. Bearbeitungen eigener Dirigate energisch zurück und breitet sei- Europas bekannt gemacht wurde. Werke zum Ausdruck. Es gibt bei Liszt nie ne Vorstellungen einer modernen Orches-

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Der gefeierte Konzertpianist mit weit Der Komponist Liszt – Manuskript der ausholendem Armschwung ungarischen Rhapsodie Nr. 19

terleitung aus. Der mutige „Zukunftsmu- rer Periode greife man den Aufsatz „Ber- ritas entscheidende Bedeutung zu. Vor siker“ bringt in mehr als der Hälfte sei- lioz und seine Harold-Symphonie“ (1855) diesem Hintergrund erschließt sich die ner 43 Opernproduktionen zeitgenössi- heraus, da Liszt sich hier nicht nur für Dimension des Pädagogen Liszt, durch sche Werke, das heißt Ur- bzw. Erstauf- den Franzosen vehement einsetzt, son- dessen Leben sich das Unterrichten wie führungen auf die Bühne (davon sind dern eigene ästhetische Positionen zur ein roter Faden zieht: Das Weitergeben, Opernhäuser heutzutage wohl weit ent- Programmmusik entfaltet und die Ver- das Vermitteln ist ihm inneres Bedürfnis. fernt!). In Weimar veranstaltet Liszt mit schmelzung von Musik, Literatur und Bil- Namen seiner Schüler und Schülerinnen der 34-köpfigen Hofkapelle erste Berlioz- dender Kunst metaphernreich propagiert. lesen sich wie ein „who is who“ der Pia- und Wagner-Festtage. Große Dirigenten nistenelite, die zum Teil weit ins 20. Jahr- wie Hans von Bülow oder Arthur Nikisch Der Förderer und Mäzen … hundert hinein gewirkt hat. Zeitgenössi- berufen sich in ihrer Orchesterarbeit aus- … Franz Liszt hat sich in selbstloser Wei- sche Berichte17 gewähren uns aufschluss- drücklich auf den Dirigenten Liszt. se für die Musik anderer eingesetzt. Sein reiche Einblicke in die Liszt’sche Unter- vehementes Eintreten für Richard Wag- richtswerkstatt, die selbst einem heutigen Der Musikschriftsteller … ner, dessen Lohengrin in Weimar uraufge- Unterricht alle Ehre machen würde. Als … Franz Liszt meldet sich in zahlreichen führt wird, ist hinreichend bekannt. Stichpunkte seien genannt: Gruppenun- Schriften kritisch, schwärmerisch, visio- Doch sollte man darüber die anderen terricht, freie Literaturwahl, Förderung när, utopisch, auch apodiktisch zu Wort.16 Komponisten nicht vergessen, die durch der individuellen Anlagen, Interpretation Unter den frühen Pariser Aufsätzen neh- Liszt mannigfaltige Förderung erfahren im Sinne einer Einheit von Technik, Geist men die sechs Folgen „Über die Stellung haben, indem er ihnen in seinen Kon- und Idee, das Vorspielen bzw. die prak - des Künstlers“ eine zentrale Stellung ein, zert- und Opernprogrammen Klang und tischen Erläuterungen des Lehrers am denn hier übt der 24-jährige Virtuosen- Rang gegeben hat. Man denke nur an Instrument, Förderung zeitgenössischer Star, unter den Lehren des Saint-Simonis- Berlioz, Schumann, Saint-Saëns, Smetana, Musik, kostenloser Unterricht für alle mus und des Abbé de Lamennais ste- Borodin bzw. an die „Gruppe der Fünf“. Schüler und Schülerinnen. hend, fundamentale Kritik am bestehen- den Kunst- und Konzertbetrieb und ent- Der Lehrer … Zum Ausklang wickelt jene berückende Vision einer … Franz Liszt schließt sich an den Förde- Nike Wagner hat sich in einem berühren- „Musique humanitaire“. Aus der nicht rer nahtlos an. In Liszts Weltbild eines den Essay mit Franz Liszt, ihrem Urur- nur schriftstellerisch produktiven Weima- christlichen Humanismus kommt der Ca- großvater, auseinandergesetzt. Hier lesen

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Lisztschüler, Sondershausen 1886; unter ihnen Bernhard Stavenhagen (rechts Liszt als Dirigent (Lithografie oben), Alexander Siloti (halb liegend) und Arthur Friedheim (rechts unten) nach C. F. Hoffmann)

wir u. a.: „Sein ‚Romantisches‘ im schöns- 11 Wolfgang Dömling: Franz Liszt, München 2011, 17 z. B. August Stradal: Erinnerungen an Franz Liszt, ten Sinn gefällt mir – als dem unbeding- S.104 Bern 1929; siehe auch Fußnote 13. 12 siehe dazu Nobert Nagler: „Das Liszt-Bild – ein ten Gefühl, der Generosität, der entgren- 18 Nike Wagner: „Zu meinem Franz Liszt“, in: Alma wirkungsgeschichtliches Missverständnis?“, in: nach 2011. Jahrbuch der Gesellschaft der Freunde zenden Träumereien und exzessiven Er- Heinz-Klaus Metzger / Rainer Riehn (Hg.): Musikkon- von Bayreuth e.V., Bayreuth 2011, S. 162. forschung anderer Welten.“18 zepte 12. Franz Liszt, München 1980, S. 115-127. Herzlichen Glückwunsch Franz Liszt! 13 August Göllerich: Franz Liszts Klavierunterricht von 1884-1886, Regensburg 1975, S. 61. 14 Cosima Wagner: Die Tagebücher (Bd. 2), hg. von Johannes Herwig studierte Schulmusik, Klavier und 1 Daniel Barenboim im Interview, unter YouTube Martin Gregor-Dellin und Dietrich Mack, München (Stichwort: „Barenboim Liszt Interview“) 1977, S.1059. Musikwissenschaft. Seit 1996 ist er Professor für Mu- 2 In verschiedenen Metropolen wird an jenem Tag 15 Öffentlicher Brief Liszts vom 5.11.1853, in: Ernst sik und ihre Didaktik an der Hochschule für Musik, Liszts Oratorium Christus aufgeführt. Burger: Franz Liszt, München 1986, S. 191 Theater und Medien in Hannover. Er veröffentlicht zu 3 Im Rahmen der diesjährigen Bayreuther Festspiele 16 Detlef Altenburg (Hg.): Franz Liszt. Sämtliche musikpädagogischen und musikwissenschaftlichen fand kein Liszt-Festkonzert (wie 1986 zum 100. To- Schriften. Bd. 1-9, Wiesbaden 1989 ff. Themen. destag) im Festspielhaus statt. 4 Ernst Krause (Hg.): Richard Strauss: Dokumente, Leipzig 1980, S. 28. 5 Charles-Camille Saint-Saëns: Musikalische Remi- niszenzen, hg. von Reiner Zimmermann, Leipzig Internetadressen zum Liszt-Jahr 2011 1978, S. 126. 6 Alfred Brendel: „Der missverstandene Liszt“ (1961), www.liszt-2011.de www.lisztomania.at in: Alfred Brendel: Nachdenken über Musik, München www.liszt.bayreuth.de www.lisztfestival.at 1977, S. 120. www.liszt-2011.hu/de www.anneeliszt.com 7 Eduard Hanslick: Aus dem Tagebuch eines Rezen- senten, hg. von Peter Wapnewski, Kassel 1989, S. 36. 8 zitiert nach: Beatrix Borchard: Clara Schumann, Frankfurt/Main 1991, S. 374. Empfohlene Literatur 9 Erinnert sei an dieser Stelle an Wilhelm Buschs Bil- Altenburg, Detlev (Hg.): Franz Liszt. Sämtliche Schriften, neun Bände, Wiesbaden 1989 ff dergeschichte Der Virtuos. Hier wird das „Spiel“ des Burger, Ernst: Franz Liszt. Eine Lebenschronik in Bildern und Dokumenten, München 1986 Künstlers mit seinem Publikum eindrucksvoll kari- Dömling, Wolfgang: Franz Liszt, München 2011 kiert. Huschke, Wolfram: Franz Liszt. Wirken und Wirkungen in Weimar, Weimar 2010 10 Alan Walker: Franz Liszt (Band 1), London 1989, Raabe, Peter: Liszt, zwei Bände, Stuttgart 1931 (Reprint Tutzing 1968) S. 296.

4/11 44 neue töne Am Puls der AVANTGARDE

Die Edition Zeitgenössische Musik porträtiert seit 25 Jahren junge Komponisten in Deutschland Daniel Mennicken

Die Edition Zeitgenössische Musik Seit 1986 die erste CD erschien, hat sich Visitenkarte zu produzieren, bei deren Ge- (EZM) feiert in diesem Jahr ihr 25-jäh- die Reihe kontinuierlich weiterentwickelt, staltung er in allen Punkten entscheidend riges Bestehen. In ihrem Katalog aus hat einige optische Veränderungen voll- mitwirken kann: von der Musik- und En- nunmehr gut achtzig Komponistenport- zogen und ist auch inhaltlich heute mehr sembleauswahl über den Autor des Book - räts in CD-Form finden sich regelmäßig als „nur“ eine Ansammlung von Kompo- lettextes bis zur Covergestaltung. So ent- vielversprechende und talentierte Ver- nistenporträts. Waren es in den Anfangs- steht am Ende ein ganz persönliches Zeit- treter der jungen Komponistengenera- tagen nahezu ausschließlich bereits vor- dokument, das den Komponisten so prä- tion. Mittlerweile sind in diesem Kom- handene Aufnahmen der Rundfunkanstal- sentiert, wie er sich selbst sieht – musika- pendium zeitgenössischen Komponie- ten, die auf CD kompiliert wurden, so ist lisch, ästhetisch, philosophisch. Nicht sel- rens auch etablierte Größen wie Isabel der Anteil der Neuproduktionen in den ten folgen den Juryentscheidungen Kom- Mundry, Jörg Widmann oder Enno Pop- letzten Jahren immens gestiegen. Allein positionsaufträge und Festivalprogram- pe vertreten. 2010 wurden auf drei von vier veröffent- mierungen; sie geben der jungen Künst- lichten CDs ausschließlich für diese pro- lerlaufbahn den entscheidenden Schub, Wer sich einen kompakten Überblick duzierte Aufnahmen veröffentlicht. Der fördern das kompositorische Selbstbe- über ein Vierteljahrhundert Editionsge- öffentlich-rechtliche Rundfunk bleibt da- wusstsein und die Weiterentwicklung des schichte verschaffen möchte, der kann bei ein wichtiger Partner des Musikrats, eigenen Werks. Für die Künstler ist die dies mithilfe des 2010 erschienenen fungieren die Sendeanstalten der ARD doch Edition als Fördermaßnahme attraktiv, wie Samplers Collection 75 tun. Diese Zusam- in den allermeisten Fällen als Koprodu- die hohe Bewerberzahl für eine Aufnah- menstellung, anlässlich der 75. Veröffent- zenten, die ihre Infrastruktur in Form me in die Reihe regelmäßig bestätigt. lichung der Reihe erschienen, vereint von Studios und Personal für neue Pro- zehn Werke unterschiedlichster Ästhetik duktionen zur Verfügung stellen. Geför- Noch aktuell? von den 1970er-Jahren bis heute. Lässt dert werden dabei nicht nur die jungen Nach erfolgreicher 25-jähriger Editions- man sich auf diese Zeitreise ein, wird Komponisten, auch die vielfältige deut- geschichte stellt sich im digital-virtuellen klar, dass der Wert der Edition Zeitgenös- sche Szene von Spezialensembles und Zeitalter dennoch die Frage, ob das Medi- sische Musik nicht zuletzt darin liegt, Einzelinterpreten Neuer Musik wird im um CD dieser Tage überhaupt noch zeit- dass hier eine Enzyklopädie geschaffen Rahmen der Edition Zeitgenössische Mu- gemäß ist, ob die Möglichkeiten des Ton- wurde, die in ihrem Umfang und ihrer sik dokumentiert und präsentiert, darunter trägers nicht längst ausgereizt sind. Abge- Vielfalt einen repräsentativen Überblick z. B. aktuell das , das En - sehen von den derzeit technisch und über das kompositorische Schaffen der semble musikFabrik, l’art pour l’art oder rechtlich noch eingeschränkten Möglich- vergangenen 25 Jahre in Deutschland zu das e-mex ensemble. Durch die Realisie- keiten einer rein virtuellen Präsenz der leisten vermag. Auch durch die kontinu- rung solcher Neuproduktionen geraten EZM treibt es Komponisten, die Grenzen ierliche Zusammenarbeit der Förderpro- die CDs der Edition Zeitgenössische Mu- der CD auszuloten und sozusagen mit jekte Zeitgenössische Musik des Deut- sik nicht selten zur Referenzaufnahme. dem Medium gemeinsam ein Kunstwerk schen Musikrats mit dem in Mainz ansäs- Wird ein Komponist durch den zwölfköp- zu schaffen, das mehr ist als die bloße Ab- sigen Label Wergo entwickelte sich die figen Beirat unter der Leitung von Wolf- bildung von Musik. So verknüpft aktuell Reihe zu einer wichtigen Institution zur gang Rihm für ein Porträt ausgewählt, er- etwa der 2010 ausgewählte Mathias Ockert Dokumentation und Präsentation zeitge- hält er hiermit die – meist einmalige – seine speziell für das Porträt bearbeiteten nössischer Musik. Möglichkeit, für sich eine musikalische Werke durch Brücken elektronischer Mu-

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sik miteinander. Die 2011 in die Edition „Abenteuer Neue Musik“, das sich vor al- nössische Musik“ in ihren Unterricht in- aufgenommene Komponistin Annesley lem an jüngere Hörerinnen und Hörer tegrieren wollen. Black plant beispielsweise zusätzlich zu wendet. Zu ausgewählten Produktionen So bleibt die Edition Zeitgenössische Musik ihrer Porträt-CD ein interaktives PC-Spiel der Edition wird gemeinsam mit dem je- mit ihren nun 25 Jahren eine konstante ein, mittels dessen dem hörenden Benut- weiligen Komponisten, einem Pädagogen Größe der Neuen-Musik-Szene. Ihr Poten- zer die Möglichkeit gegeben werden soll, und einem Musikwissenschaftler ein Kon- zial zur Integration unterschiedlichster in direkten Kontakt mit dem musikalischen zept zur Vermittlung einer exemplarischen künstlerischer Genres und Spielarten ist Material der CD zu kommen und selbst Komposition erarbeitet und zumeist im noch längst nicht ausgeschöpft. Sie ist ins Gesche hen eingreifen zu können. schulischen Bereich, in jüngster Zeit aber wandlungsfähig genug, um auch auf neue Eine sinnvolle Ergänzungsmöglichkeit bie - auch in der Erwachsenenbildung, praxis- Marktbedürfnisse und verändertes Rezep- tet indessen die Kombination von tradi- nah umgesetzt. Diese Workshops werden tionsverhalten angemessen zu reagieren. tionellen und neuen Medien wie zum filmisch dokumentiert und sind zusam- Beispiel die kompakten Film-Porträts, die men mit den verwendeten Unterrichts- Daniel Mennicken studierte Musikwissenschaft und begleitend zu den CDs der Edition Zeit- materialien frei im Internet verfügbar – Germanistik in Bonn. Nach seinem Studium arbeitete genössische Musik online abrufbar sind. als Anregung oder auch als fertige Kon- er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Kurz und informativ ermöglichen sie ei- zepte für Pädagogen, die den oftmals stief- Projektgesellschaft des Deutschen Musikrats. Seit 2010 nen Einblick in die Klang- und Arbeits- mütterlich behandelten Bereich „Zeitge- betreut er die Reihe „Edition Zeitgenössische Musik“. welt des porträtierten Komponisten. Zwei dieser Filme – über Oliver Schneller und Jörg Widmann – sind bereits im Internet Infos für Bewerber verfügbar, weitere sind in Planung. Hier Bewerben können sich all jene Komponisten, die in Deutschland geboren sind bzw. ih- gilt es, für die Zukunft weiterzuarbeiten. ren Lebensmittelpunkt über mehrere Jahre in Deutschland haben und die zum Zeitpunkt Dabei lohnt auch der Blick nach Übersee, der Bewerbung nicht älter als vierzig Jahre sind. Die Bewerbungsfrist für die Auswahl 2012 endet am 28. Februar 2012. Weitere Informationen zur Bewerbung finden sich un- wo das American Music Center bereits ter www.musikrat.de/edition seit Jahren mit dem Format „New Music Box“ für „seine“ Komponisten und Mu- Komponisten seit 2006 siker eine Plattform mit großer Öffent- In der Edition Zeitgenössische Musik sind in den vergangenen Jahren (chronologisch ab- lichkeitswirksamkeit realisiert. Solche steigend) Porträt-CDs von folgenden Komponisten erschienen: Jamilia Jazylbekova, Samir Projekte könnten zukünftig auch für die Odeh-Tamimi, Gordon Kampe, Elena Mendoza, Oliver Schneller, Saed Haddad, Achim Born hoeft, Arnulf Herrmann, Martin Schüttler, Hannes Seidl, Jay Schwartz, Sven-Ingo Künstler der Edition Zeitgenössische Mu- Koch, Hans Thomalla, Sebastian Stier, Carsten Hennig, Andreas Dohmen, Thomas Stiegler, sik von immer größerer Bedeutung sein. Erik Oña, Markus Hechtle, Sebastian Claren, Enno Poppe, Jens Joneleit, Orm Finnendahl. Ebenfalls im Internet abrufbar ist seit 2008 pädagogisches Begleitmaterial zur Der Beirat Edition Zeitgenössische Musik. In Zusam- Dem Entscheidungsgremium, das einmal im Jahr zusammenkommt, um aus der Vielzahl menarbeit mit dem Verlag Schott Music der Bewerber die vielversprechendsten für eine CD-Produktion auszuwählen, gehören und der Musikpädagogin Silke Egeler- derzeit an: (Vorsitz), Carola Bauckholt, Titus Engel, Hans-Peter Jahn, Frank Kämpfer, Ulrich Mosch, Isabel Mundry, Rainer Pöllmann, Peter Rundel, Thomas Wittmann entwickelten die Förderpro- Schäfer, Dagmar Sikorski, Friedrich Spangemacher. jekte Zeitgenössische Musik das Projekt

4/11 46 report Wer beharrt, dem gelingt’s

Christian Höppner im Gespräch mit Klaus Wüsthoff

Menschen hören und genießen zwar und Alt Musik erleben. Auf Grundlage des sind es gerade die kleinen und großen Musik, aber sie singen nicht mehr. Oft Liederzyklus wurde der vom Deutschen Projekte, die einen wichtigen Beitrag zur von früher Kindheit als „Brummer“ ver- Tonkünstlerverband e. V. veranstaltete Kulturellen Vielfalt leisten, frei nach sei- schrien, bleibt die Hemmung vor dem Wettbewerb „Familien singen“ unter nem Credo „Wer beharrt, dem gelingt’s.“ Singen ein Leben lang. Der Komponist Schirmherrschaft von Kulturstaatsminis- Klaus Wüsthoff möchte, dass Menschen ter Bernd Neumann entwickelt, der das Nähere Informationen zum Wettbewerb wieder ihre eigene Gesangsstimme aus- gemeinsame Singen von Familien för- „Familien singen“ finden Sie unter: probieren. Um diese Unbefangenheit dert. Vom Bonner Beethovenorchester www.familien-singen.de und Lebenslernfreude zu erreichen, seine wurde der 89-Jährige kürzlich erst beauf- Stimme zu erheben, hat er auch seine tragt, die Kinderoper Flori und sein Koko- Das ausführliche Gespräch Zwitscherschule entwickelt. Mit seinem fant zu komponieren, die nächstes Jahr finden Sie unter: Liederzyklus Zwitscherschule können Jung uraufgeführt wird. Für Klaus Wüsthoff www.musik-forum-online.de

Klaus Wüsthoff Klaus Wüsthoff studierte Dirigieren und Komposition, war am RIAS Berlin Aufnahmeleiter und Abteilungsleiter und in den 60er- Jahren Hauskomponist unter Boleslav Barlog an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin. Seitdem ist er freischaffender Komponist. Er ist mehrfacher Preisträger von Kompositionswettbewerben, Initiator und Projektleiter von Nachwuchsförde- rungs- und Kompositions-Wettbewerben. Kulturpolitik ist auch Gesellschaftspolitik

Zum 80. Geburtstag von Klaus Bernbacher – Christian Höppner im Gespräch mit Klaus Bernbacher und Ernst Folz

Bei der Bewältigung gesamtgesell- des Menschen bei.“ Kulturpolitik ist für renzdenken auch im Kultur- und Bil- schaftlicher Aufgaben wie der Finanzkrise Bernbacher somit immer auch Gesell- dungsbereich sehr wichtig. Gerade in Zei - ist laut Klaus Bernbacher ein allumfassen- schaftspolitik. Den Föderalismus und ins- ten kommunaler Verschuldung sieht Folz des Bildungsniveau notwendig. Humanis- besondere die Länderhoheit im Bereich im dezentralen System einen Vorteil bei tisches und geisteswissenschaftliches Ge- Kultur und Bildung hält er allerdings für den Bemühungen um kulturelle Belange. dankengut, zu dem er auch die Musik ein überholtes System – anders als Ernst zählt, müssen deshalb wieder stärker ver- Folz, der „durch und durch Föderalist“ Das ausführliche Gespräch ankert werden: „Die Beschäftigung mit ist. Ein zentralistisches Bildungssystem sei finden Sie unter: Kunst, Musik, Literatur trägt zur Ganzheit nicht Erfolg versprechender und Konkur- www.musik-forum-online.de

Klaus Bernbacher Ernst Folz Klaus Bernbacher feiert in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag. Er Ernst Folz studierte Nautik, lehrte Luftfahrt- war Dirigent und Redakteur bei Radio Bremen, Leiter der Hanno- navigation an der Lufthansa-Verkehrsflieger- ver’schen „Tage der Neuen Musik“ und am Aufbau der deutschen schule in Bremen, war Honorarprofessor an Sektion der Internationalen Jeunesses Musicales beteiligt, der er der Arizona State University und ist Profes- über 20 Jahre als Bundesvorsitzender vorstand. Er engagierte sich sor am Institut für Aerospace Technologie lange Jahre im Präsidium des Deutschen Musikrats und ist nun an der Hochschule Bremen. Seit 1996 ist er Ehrenvorsitzender des Landesmusikrats Bremen. (links im Bild mit Vorsitzender des Landesmusikrats Bremen. Ernst Folz bei der Verleihung der Senatsmedaille für Kunst und Von 2001 bis 2009 war er Vorsitzender der Wissenschaft in Bremen) Konferenz der Landesmusikräte.

4/11 DMR aktuell Oktober 2011

Informationen aus den Projekten und Mitgliedsverbänden des Deutschen Musikrats

Foto: Ariane Hannus „Freiheit. Einheit. Freude.“ Projekte des Deutschen Musikrats präsentierten sich während des Deutschlandfestes in Bonn

"Freiheit, Einheit, Freude. Be- vertreten. Im besonderen Fo- Die sechs Cottbuser Musiker tional Youth Orchestra of Iraq. wegt mehr." – Unter diesem kus standen dort die von der überzeugten mit einer Mischung Besonderer Höhepunkt war das Motto war Bonn vom 1. bis 3. Stadt Bonn geförderten Pro- aus Swing, Jazz, Bossa Nova, gemeinsame Konzert im Rah- Oktober Schauplatz des Nord- jekte wie das Deutsche Musik- Fusion und Funk. men des Beethovenfestes Bonn rhein-Westfalen-Tages und der informationszentrum, der Deut - Das erst kürzlich von seiner unter der Leitung von Paul Mac - zentralen Feiern zum Tag der sche Musikwettbewerb und Südamerika-Tournee zurückge- Alindin. Deutschen Einheit. In diesem das Bundesjugendorchester. kehrte Bundesjugendorchester Zum Abschluss füllte „The Rahmen präsentierte sich der Musik aus verschiedenen war an allen drei Festtagen Intersphere“, Popcamp-Band Deutsche Musikrat in der Bon- Projekten des Deutschen Mu- aktiv. In voller Besetzung unter 2008, am Montagabend die ner Innenstadt. Mit Informa- sikrats erklang gleich auf mehre- der Leitung von Gernot Schulz Kulturbühne an der Oper noch tionen zu einzelnen Projekten ren Bühnen: Ob Jazz, Klassik konnte man das Ensemble am einmal mit feinster Rockmusik, und einem Musikratequiz mit oder Rock – junge Talente stell- 3. Oktober im Beisein des Bun- unbändiger Energie und eingän- attraktiven Preisen und Ange- ten ihr Können an allen drei despräsidenten in der Villa gigen Melodien. boten für Kinder war der Tagen unter Beweis. Den Auf- Hammerschmidt erleben. Ein- Deut sche Musikrat mit einem takt machte am Samstag um 16 zelne Mitglieder des Bundes - eigenen Stand direkt an der Uhr der „Jugend jazzt“-Preisträ- jugendorchesters musizierten Bonner Oper (Kulturbühne) ger 2011 „The Jazzhamsters“. zuvor gemeinsam mit dem Na- ■ Deutscher Chorwettbewerb / ■ MIZ Europäische Musikbörse Erfolgreiche Präsentation MIZ-Kennzahlen zum Musikleben auf der chor.com bieten kompakten Überblick PROJEKTE Bei der Informationsrecherche förderung, aktuelle Entwicklun- geht es nicht immer um vertie- gen in der Orchester- und Thea- fende Einblicke in ausgewählte terlandschaft, der explosionsar- Themen, manchmal ist zu- tige Anstieg von Musikfestivals, nächst ein allgemeiner Über- die wachsende Zahl an Musik- blick in möglichst konzentrier- schülern oder Umsätze und Be- ter Form gefragt – insbeson- schäftigungszahlen der Musik- dere bei einem weiten Feld wie wirtschaft: In der Rubrik bündelt dem Musikleben in Deutsch- das MIZ die zentralen Kennzah- land. In seiner im vergangenen len der verschiedenen Bereiche Jahr neu eingeführten Rubrik und vernetzt sie mit weiterfüh- „Musikleben in Zahlen“ hat das renden MIZ-Inhalten wie Statis- MIZ deshalb wichtige Daten tiken und Infrastrukturdaten. Für und Fakten übersichtlich zu- darüber hinausgehenden Infor- sammengefasst. Nun hat das mationsbedarf finden sich aus- Zentrum alle vorhandenen In- führliche Fachbeiträge, die die formationen aktualisiert und einzelnen Themenfelder vertie- überarbeitet. fend behandeln. Ob Angaben zur Höhe der öffentlichen und privaten Musik- www.miz.org

Foto: Marcus Willems Topografische Karten zum Musikleben

Vom 22. bis 25. September war Dortmund Schauplatz des Pünktlich zum Deutschlandfest ersten großen Branchentreffs der deutschen Chorszene – in Bonn, auf dem das MIZ vom der chor.com. Der Deutsche Musikrat war mit seinen beiden 1. bis 3. Oktober mit einem ei- Projekten Deutscher Chorwettbewerb und Europäische genen Stand vertreten war, hat Musikbörse mit einem eigenen Messestand vertreten. Mit- das Zentrum eine Reihe topo- grafischer Darstellungen zum arbeiter informierten über den renommierten Wettbewerb, Musikleben als Poster veröf- bei dem sich alle vier Jahre die besten Chöre der Republik fentlicht. Verfügbar sind zu- messen und stellten das europäische Webportal zur Vernet- nächst die Darstellungen der zung von Musikern vor. Kulturorchester und Musik- schulen. Die Karte der Kultur- Die Veranstalter der chor.com Dortmund erstmals den Fach- orchester in Deutschland zeigt warteten während der vier leuten der Chorszene vor und beispielsweise die Struktur der Tage mit einem vielfältigen warb für die Teilnahme an der Orchesterlandschaft und bietet Angaben zur Bevölkerungs- und hochkarätig besetzten Fes - Börse, die Musikern, Veranstal- neben der geografischen Ver- dichte in den einzelnen Bun- tivalprogramm an insgesamt tern und Organisationen in Eu ro - teilung der Ensembles auch Zu - desländern. zwölf Spielstätten auf. Ein pa Möglichkeiten des Austauschs satzinformationen über Plan- Die Bandbreite der topogra- Drittel aller in Dortmund sin- und der Vernetzung bietet. Un- stellen sowie eine Systematisie - fischen Darstellungen des MIZ genden Chöre hat sich bereits ter www. music-connects.eu tref- rung der unterschiedlichen Or- umfasst mittlerweile zahlreiche als Preisträger des Deutschen fen polnische Chöre auf baden- chestertypen. Mit der Einbe- Themengebiete. Neben den Chorwettbewerbs einen Na- württembergische Sängerkna- ziehung von aufgelösten Or- Kulturorchestern und Musik- men gemacht. Und ein Viertel ben, italienische Komponisten chestern sowie Fusionsorches- schulen hat das MIZ Karten zu der chor.com-Dozenten und auf tschechische Blues-Bands, ein tern werden zudem zeitliche Musiktheatern und Musikausbil- Künstler war bereits als Juror französischer Bass-Bariton auf Entwicklungen und Prozesse in dungsstätten, dem Musikinstru- oder als Leiter eines teilneh- eine österreichische Harfenistin der Karte berücksichtigt. Die mentenbau, Musikbibliotheken menden Chores am DCW be- oder ein finnisches folkloris tisches Karte der Musikschulen zeigt und Musikermuseen, der Kir- teiligt. Vokalensemble auf ei nen Kölner die Standorte und Schülerzah- chenmusik und vielen weiteren Das Internetportal „Europäi- Kammerchor. len der Mitgliedsschulen im Themen erarbeitet. sche Musikbörse“ stellte sich in VdM und verknüpft diese mit www.miz.org

DMR aktuell II PROJEKTE und Egbert Hiller Nuit de Mars verfolgt sie nicht das und Dichteproportionen inner- und Dichteproportionen in den Fokus halb des Tonsatzes rücken. Jedes einzelne Instru- ment sieht Jazylbekova als eige- an, das vom Inter- nes „Wesen“ zum Leben erweckt preten Auch in wird. Aikyon schönen Ideal eines „reinen Klanges“, sondern bezieht auch ein: „so wie „Verschmutzungen“ eines Bergflusses, das Wasser auf dessen Grund man Pflanzen, sieht. Die Bei- Steine und Erde entspre- mischungen im Wasser im chen dem Geräuschanteil Klang.“ Die CD erscheint Anfang November Die CD erscheint WERGO (WER 65832) und 2011 bei unter ist im Handel oder direkt erhältlich. www.wergo.de www.musikrat.de/edition - tenz Le refus de Le refus , Intensitäts- („Himmel“) ver- („Stimmen“), dessen Aspan Roh und fragmentarisch an- Roh und fragmentarisch Voci Vokalpart Jazylbekova selbst Jazylbekova Vokalpart gestaltet, verwandeln sich an- liedhafte Züge in die rührend exponierte Geste eines Schreis und in dichten sich bizarre Blechblä- dichten sich bizarre zu Klangballun serfigurationen Insis ihrer gen, die sich trotz wie Traumbilder rasch wieder rasch wie Traumbilder auflösen. Obwohl sich Jamilia Jazylbe- Herkunftsland Ka- kova ihrem sachstan sehr verbunden fühlt, lässt sie sich schöpferisch nicht auf die dortige Musikkultur re- „Das Spannende und duzieren. Musik ist ihre Neue an ihrer Sprache“, unverwechselbare konstatiert der Dirigent Kas- per de Roo, der die Porträt-CD mit dem Ensemble Modern im Deutschlandfunk einspielte. In unterschiedlichen Besetzun- Ausdrucks- gen und breiten leuchtet diese „un- spektren in Sprache“ verwechselbare der CD auf: den fünf Werken In Unverwechselbare Sprache Unverwechselbare Jamilia Porträt-CD Neu im November: Jazylbekova mutende Klänge korrespondie- ren Elementen, mit strukturellen wobei auch, so in l’enfermement IV - - - aktuell III - er DMR In der Reihe „Abenteuer nischen Komponierens und nischen Komponierens und Klanggestaltens erproben erarbei- kleine Kompositionen ten. Musikwissenschaftlich be von der Workshop gleitet wird die an der Mu- Ulrike Böhmer, sikhochschule Hannover lehrt. Begleitmaterial unter: www.abenteuer-neue-musik.de www.musikrat.de/edition probung wird herzlich eingela- wird probung den. er Musik Interessierten zu eige- er Musik Interessierten an ner künstlerischer Kreativität und einen sinnli- werden geregt chen Zugang zur zeitgenössischen Kunstmusik und zur Ästhetik un- verschiedener Komponisten Zeit bekommen. Die Ini- serer sich inzwischen tiative erfreut bei Musikpädagogen und freien Beliebtheit, Kursanbietern großer zur Nachahmung und Selbst Neue Musik“ produzieren die Neue Musik“ produzieren Zeitgenössische Förderprojekte Musik des Deutschen Musikrats gemeinsam mit Schott Music und nmzMedia seit 2006 pädagogi- sches Begleitmaterial zur CD- Reihe Edition Zeitgenössische Musik (EZM). Schüttlers EZM- CD erschien 2009. Unterrichts- Kurskonzepte, Filmclips, bzw. Interviews mit dem Komponis- ten, Notenmaterial und vieles später unter www. mehr werden im In- abenteuer-neue-musik.de und kosten- ternet veröffentlicht los zum Download bereitgestellt. Schüler, So sollen insbesondere Neu an aber auch alle anderen ------für prä- taped & low-bit taped & low-bit falls ein Schüler Schöll

Edition Zeitgenössische Musik Zeitgenössische Edition

den, die Bedingungen elektro- sizer und Computer tätig wer- auch selbst direkt an Synthe an Synthe auch selbst direkt den im Rahmen des Workshops Struktur von sie wer- werden, herangeführt nur an die kompositorische bei sollen die Teilnehmer nicht bei sollen die Teilnehmer elektronischen Musik vor. Da Musik vor. elektronischen Bereich der zeitgenössischen Bereich Neue Musik“ erstmals in den low-bit“ dringt „Abenteuer low-bit“ denn mit Schüttlers „taped & reich ist auch erforderlich, reich Fachkenntnis in diesem Be- Fachkenntnis scher Musik. Umfangreiche und Konzerte mit elektroni- und Konzerte sembles mit und initiiert Kurse verschiedenen Elektronik-En- als Musiklehrer tätig, wirkt in tätig, wirkt als Musiklehrer Heintz unterrichtet, ist heute eben von Joachim Komposition res zu Hause. David Borges, res horns sowie in elektronischer unterschiedlichsten Musikgen unterschiedlichsten Musikgen Sounddesigner und ist in den als Musiker, Komponist und Komponist als Musiker, Gerard Pesson, arbeitet heute Pesson, Gerard bei Johannes Schöllhorn und port studierte Komposition u. a. port studierte Komposition port und David Borges. Rapo- port und David Borges. nehmen diesmal Kostia Rapo- nehmen diesmal Kostia Betreuung des Projekts über- des Projekts Betreuung Synthesizer. Die pädagogische Synthesizer. parierten Countertenor und Stück Reihe „Abenteuer Neue Mu steht Schüttlers finden wird, aktuelle Workshop aus der aktuelle Workshop des Komponis mal dem Werk Musikschule Hannover statt- 2011 findet in Hannover der 2011 findet in Hannover sik“ statt. Er widmet sich dies- Im Zent ten Martin Schüttler. der in der rum des Lehrgangs, Vom 18. bis 20. November Vom

im November in Hannover im November Neuer Workshop mit Martin Schüttler Workshop Neuer goes Electronic goes Abenteuer Neue Musik Neue Abenteuer ■ ■ Dirigentenforum ■ Deutscher Orches terwettbewerb Dirigentenforum kooperiert Dirigieroffensive mit Orchester in Vietnam

PROJEKTE Das DIRIGENTENFORUM des Deutschen Musikrats schickte Mit drei Wochenend-Semina- Den Abschluss bildet das Se- zwei preisgekrönte Nachwuchskünstler zu einem Konzert ren für Dirigenten von Gitar- minar für Blasorchesterleitung mit dem Ho Chi Minh City Ballet Symphony Orchestra. ren-, Sinfonie- und Blasorches - mit Renold Quade vom 12. bis tern und ausgewählten Proben- 13. November in Essen mit dem Am 9. Oktober 2011 leitete telt werden. Gleichzeitig för- orchestern startet der Deutsche Landesblasorchester NRW. Die Clemens Schuldt ein Konzert derte das Projekt den Dia log Orchesterwettbewerb (DOW) Komponisten Thomas Krause mit dem Ho Chi Minh City zwischen deutschen und viet- in die Herbstsaison. und Prof. Frank Zabel werden die Ballet Symphony Orchestra namesischen Mu sikern, die Den Anfang machte vom Teilnehmer bei der Probenarbeit (HBSO). Der Gewinner des sich im Laufe der intensiven 30. September bis 2. Oktober ihrer Kompositionen coachen. Donatella Flick-Wett bewerbs Probenphase über ihren musi- der Workshop für Gitarrenen- Dank einer neuen Koopera- 2010 dirigierte ein Programm kalischen Zugang zu den Wer- semble-Leitung mit Prof. Dieter tion zwischen dem Deutschen bestehend aus Mozarts Ou- ken ausgetauscht haben. Im Kreidler, der am Standort Wup- Orchesterwettbewerb und dem vertüre zur Entführung aus Rahmen der Konzertproben pertal der Hochschule für Musik Bundesverband der Deutschen dem Serail, Dvorˇáks Sinfonie leitete die Solistin einen Work- und Tanz Köln stattfand. Volksbanken und Raiffeisenban- Nr. 8 und Beet hovens D-Dur- shop für Streicher, in dem sie Die Zitadelle Mainz wird ken (BVR) ist es dem DOW ge- Violinkonzert. Als Solistin reis- auf be sondere stilistische und vom 4. bis 6. November der lungen, Top-Dozenten zu enga- te die junge Geigerin Byol technische Anforderungen des Austragungsort für das Seminar gieren und gleichzeitig den Teil- Kang mit, die 2009 Preisträge- Programms einging. Das Pro- zur Leitung von Sinfonie- und nehmerbeitrag niedrig zu halten. rin des Deutschen Musikwett- jekt wurde begleitet und un- Kammerorchestern sein. Prof. Der 8. Deutsche Orchester- bewerbs war. Mit diesem För - terstützt vom Generalkonsulat Karl-Heinz Bloemeke und sein wettbewerb findet vom 12. bis derkonzert, das vom Dirigen- der Bundesrepublik Deutsch- Assistent Wolfgang Weber wer- 20. Mai 2012 in Hildesheim tenforum und der Deutschen land sowie dem Goethe-Insti- den zum mittlerweile dritten statt. Orchester-Stiftung ermöglicht tut in Ho Chi Minh Stadt, das Mal die Dirigenten bei der Pro- www.musikrat.de/dow wurde, konnten den beiden bereits seit mehreren Jahren benarbeit mit der Rheinischen Nachwuchskünstlern wertvolle mit dem HBSO zusammenar- Orchesterakademie Mainz tat- Auslandserfahrungen vermit- beitet. kräftig unterstützen.

■ Deutscher Musikwettbewerb

Preisträger des Deutschen Musikwettbe- rusch (Stipendiatin DMW bei den Bayreuther Festspielen werbs auf Erfolgskurs 2010) errang den 2. Preis in als „Junger Hirte“ im Tannhäuser der Kategorie Orgel. Das und drei vom Deutschen Musik- Amaryllis Quartett (Stipendiat rat geförderte Musiker erhielten Auszeichnungen in Cleveland, Melbourne, Moskau, beim DMW 2010) war in Australien Orchester-Solostellen: der Har- ARD Musikwettbewerb und dem ECHO Klassik erfolgreich, wo es den 1. Preis fenist Andreas Mildner bei den und den Grand Prize beim Bremer Philharmonikern, der renommierten International Posaunist Lars Karlin beim Aar- In diesem Sommer konnten Klassik als Nachwuchskünstler Chamber Music Competition hus Symfoniorkester (Dänemark) Stipendiaten und Preisträger des Jahres – der Cellist Maxi- in Melbourne gewann, und und die Bratschistin Madelaine des Deutschen Musikwettbe- milian Hornung, Preisträger der Cellist Norbert Anger Przybyl beim Staatsorchester werbs (DMW) erfreuliche Er- des DMW 2004 und 2005, (Preisträger DMW 2010) Stuttgart. folge verzeichnen. Alexander sowie der Klarinettist Sebas - wurde mit dem 4. Preis des Schimpf (Preisträger des DMW tian Manz, Preisträger des Internationalen Tchaikovsky Der Deutsche Musikrat gra - 2008) gewann als erster Deut- Deutschen Musikwettbewerbs Wettbewerbs in Moskau aus- tuliert allen Musikern herzlich! scher in der Geschichte des 2008, im Duo Riul. Beim Inter - gezeichnet, bei dem Janina Wettbewerbs den 1. Preis des nationalen Mu sikwettbe werb Ruh (Stipendiatin DMW 2010) www.musikrat.de/dmw Cleveland International Piano der ARD wurde Alexej Gor- ebenfalls einen Sonderpreis er - Competition. Ferner erhalten latch (DMW 2008) mit dem 1. hielt. gleich zwei junge Preisträger Preis und dem Publikumspreis Die Sopranistin Katja Stuber des Deutschen Musikwettbe- in der Kategorie Klavier ausge- (Stipendiatin DMW 2010) gab werbs in diesem Jahr den ECHO zeichnet, Anna-Victoria Balt- 2011 ein viel beachtetes Debüt

DMR aktuell IV PROJEKTE ■ Jugend musiziert Jugend musiziert erhält den ECHO Klassik

Drei Jahre vor dem 50-jährigen werbe zum ange sehenen Bun- Tabea Zimmermann, beide Ge- Bestehen wird der renommierte deswettbewerb führt. „Jugend winnerinnen des ECHO Klassik. Wettbewerb „Jugend musiziert“ musiziert“ ist offen für alle Kin- Am 2. Oktober nahmen im mit einem ECHO Klassik ausge- der und Jugendlichen, die noch Berliner Konzerthaus am Gen- zeichnet. Seit 1964 findet „Ju- nicht in einer musikalischen Be- darmenmarkt u. a. Vittorio Gri- gend musiziert“ auf lokaler, re- rufsausbildung stehen; zentrale golo, Simone Kermes, Vilde gionaler und Bundesebene statt Partner sind die 950 öffent - Vrang, Yuja Wang, Bejun Mehta, und ist Jahr für Jahr von zentra- lichen Musikschulen Deutsch- Thomas Hampson, Rolando Vil- ler Bedeutung für viele junge lands, die an über 4 000 Stand- Weichen für die musikalische lazón und Zubin Mehta den Musiker. Mehr als 25000 Teil- orten ca. 1 Million Kinder und Zukunft gestellt. Zu den promi- ECHO Klassik persönlich entge- nehmer stellen sich jährlich Jugend liche betreuen. Die Ju- nenten ehemaligen Teilneh- gen. Durch den Abend führte dem mehrstufigen Qualifizie- gend lichen haben hier die ein- mern und Preisträgern von „Ju- Thomas Gottschalk. Das ZDF rungsverfahren, das über die zig artige Mög lichkeit, ihr Talent gend musiziert“ gehören unter zeigte die Gala unter dem Titel 140 Regionalwettbewerbe und einer erfahrenen Jury zu prä- anderem die heutigen Welt- „Echo der Stars“. die jeweiligen Landeswettbe- sentieren, und es werden erste stars Anne-Sophie Mutter und

Vor nunmehr vier Jahren Werk“ und „Werk der verfem- hatte „Jugend musiziert“ im An- ten Musik“. 10 Solisten und 18 schluss an den bundesweiten Ensembles wurden schließlich Wettbewerb die „Wochenen- von der Jury ausgezeichnet. den der Sonderpreise“, kurz: Nach vier Jahren verabschie- „WESPE“ ins Leben gerufen. dete sich WESPE vom Austra- WESPE lud die jungen Musiker gungsort Freiburg und dankte ein, sich vor allem mit Musik- seinen Partnern vor Ort: der werken des 20. und 21. Jahr- Stadt Freiburg, „mehrklang - hunderts zu beschäftigen, Werke Gesellschaft für Neue Musik vorzustellen, die selten auf den Freiburg e. V.“ im Netzwerk für Konzertprogrammen stehen, Neue Musik, einem Förderpro- oder Stücke zu präsentieren, die jekt der Kulturstiftung des Bun- wieder entdeckt oder über- des, der Musikhochschule und haupt erst geschrieben worden der Sparkasse Freiburg. Bürger-

Foto: Marc Dorazillowaren. meister Ulrich von Kirchbach 124 Bundespreisträger „Ju- kündigte in seinem Grußwort Festival, Wettbewerb und musikalische gend musiziert“ 2011 waren an, dass der Freiburger Sonder- Meisterleistungen dem Ruf nach Freiburg gefolgt, preis in Höhe von 2 000 Euro sich auf eine musikalische For- auch weiterhin verliehen wer- Ein Konzert mit 56 Preisträgern setzt attraktiven schungsreise zu begeben, ihre den wird. Schlusspunkt bei WESPE in Freiburg Kreativität als Komponisten zu WESPE 2012 wird vom 7. entfalten, diese Werke selbst zu bis 9. September 2012 voraus- Vier Jahre war WESPE zu Gast werbs gestanden: In sechs Ka- interpretieren, sich bestimmten, sichtlich in Schwerin stattfin- in Freiburg. Am 18. Septem- tegorien hatten 124 Bundes- zu Unrecht vergessenen Werken den. ber verabschiedete sich das preisträger um die beste Inter- zu widmen und ihre (Wieder)- Wettbewerbsfestival für Bun- pretation von Musikwerken Entdeckungen vor einem inter- www.jugend-musiziert.org despreisträger „Jugend musi- gespielt und sich um Geld- nationalen Jurygremium zu prä- ziert“ von Freiburg, dem Pub - preise beworben. Im Ab- sentieren. Gefragt war die je- likum und den gastgebenden schlusskonzert WESPE 2011 weils beste Interpretation in Freiburger Partnern mit einem freuten sich 56 glückliche Ge- den Kategorien „Werk der Klas- abwechslungsreichen Mati- winner über die Preise im Ge- sischen Moderne“, „Werk einer neekonzert. Die beiden vo - samtwert von 25 700 Euro von Komponistin“, „Eigenes Werk“, rausgegangenen Tage hatten zwölf preisstiftenden Institu- „Zeitgenössisches Werk“, „Für ganz im Zeichen des Wettbe- tionen. Jugend musiziert komponiertes

DMR aktuell V ■ Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler 55. BAKJK in mehr als 200 Konzerten deutschlandweit zu hören PROJEKTE

Im Juli begann für die Ensembles der 55. Bundesauswahl Konzerte Junger néen am 26. Februar und 11. März 2012 von den BAKJK-Teil- Künstler ihre Konzertsaison. Nach einjäh riger Vorbereitung präsentieren sich nehmern Duo Farbenspiel die Preisträger und Stipendiaten des DMW 2010 deutschlandweit in mehr (Flöte/Klavier) und Trio Chris- als 200 Konzerten. tian-von Gutzeit-Achkar (Vio- line, Cello, Klavier) musikalisch Sie lösen die Ensembles der und Musiker der BAKJK enga- „Hommage à Paris“ und „Exil“. mitgestaltet. 54. BAKJK ab, die insgesamt gieren. Manche Veranstalter be - Im Dezember folgen die Orga- 240 Konzerte gaben. Eine Be- streiten ganze Konzertreihen nistin Anna-Victoria Baltrusch, sonderheit der 54. BAKJK war mit den Ensembles der Bundes- frisch gekürte Preisträgerin des Fotos: links: Duo Saitenschlag sicherlich das Schubert Oktett, auswahl, darunter die Konzerte ARD-Musikwettbewerbs, und Foto: Marieke Rabe das sich extra für diese Saison Junger Künstler im NDR-Funk- das Leibniz Trio und im Januar Mitte oben: PentAnemos aus Stipendiaten des DMW haus in Hannover, die auf eine das Duo Saitenschlag (Gitarre/ Foto: DMW/Michael Haring Mitte unten: Duo Farbenspiel 2009 formiert hatte. Die En- mehr als 60-jährige Tradition Schlaginstrumente) so wie das Foto: Friederike Roth semblemitglieder – das Ama- zurückblicken und aus der 1957 Lied-Duo Stuber-Kusnezow (So- rechts oben: Duo Müller/Baltrusch Foto: Marieke Rabe ryllis Quartett (Streichquar- die BAKJK hervorging. pran/Klavier). Das Kurt Weill rechts unten: Schubert Oktett tett) wurde ergänzt durch Seit 2010 besteht eine be- Fest selbst wird in zwei Mati- Foto: Daniel Helbig Alexandra Hengstebeck (Kont - sondere Kooperation mit der rabass), Markus Krusche (Kla- Kurt Weill Gesellschaft Dessau: rinette), Daniel Mohrmann An drei Wochenenden widmet ■ Konzert des Deutschen Musikrates (Fagott) und Christoph Eß sich die Reihe ENTDECKUN- (Horn) – waren in dieser For- GEN in Dessau (28./29. Okto- mation 16 Mal zu hören. ber und 2./3.Dezember 2011) Neue Auswahlrunde im November Auch die 55. BAKJK bietet und Berlin (27./28. Januar 2012) Bis zum Einreichschluss Mitte von Prof. Isabel Mundry wird wieder eine bunte Vielfalt an in Vorträgen, Diskussionsrun- September 2011 sind wieder im November 2011 tagen und Ensembles, darunter ein Duo den und Konzerten dem Thema zahlreiche Anträge für Pro- bis zur Auswahlentscheidung Gitarre-Schlagzeug, ein Lied- „Kurt Weill und Frankreich“ und jekte mit aktueller zeitgenös- viel Diskussionsstoff zu bewäl- Duo Sopran-Klavier, ein Duo führt damit zum Schwerpunkt sischer Musik aus den unter- tigen haben. Trompete-Orgel sowie ein Kla- des Kurt Weill Festes 2012 hin. schiedlichsten Bereichen im Die nächste Einreichmög- viertrio und zwei Bläserquin- Im Rahmen der ENTDECKUN- Projektbüro eingegangen. Ins- lichkeit für Neuanträge besteht tette. GEN treten jeweils zwei BAKJK- gesamt sind es siebzig Pro- im Frühjahr 2012: Bis zum 22. Die Ensembles treten bei Ensembles auf: Im Oktober 2011 jekte, die sich um Förderzu- Februar 2012 können Anträge mehr als 130 Veranstaltern auf, sind es das PentAnemos Bläser- schüsse zu konzertanten Auf- für aktuelle Projektvorschläge von denen etliche bereits seit quintett und das Duo Jeanquirit führungen Neuer Musik be- eingereicht werden. vielen Jahren die Musikerinnen (Klarinette-Klavier) zum Thema werben. Die Jury unter Vorsitz www.musikrat.de/konzert

DMR aktuell VI PROJEKTE ■ Bundesjazzorchester BuJazzO schloss seine „amerikanische Phase“ mit einem Konzert in Köln ab

BuJazzO war im Juli und August als Botschafter für europäischen Jazz in den USA unterwegs

Das „Jugendjazzorchester der Brönner, Frank Chastenier, Peter geleiteten Combos kam es zu L.A.; das letzte Konzert gab das Bundesrepublik Deutschland“ Weniger und vielen weiteren vielen spannenden und erleb- BuJazzO im Lensic Theatre in beendete eine ereignisreiche heute bekannten Jazzmusikern. nisreichen musikalischen wie Santa Fé. Arbeitsperiode, die im Juli mit In der letzten Juli-Woche auch persönlichen Begegnun- Während man in Deutsch- dem Abschlusskonzert zum wurde in Port Townsend gleich- gen, die wiederum die Auf- land nur vergleichsweise wenige „Klavierfestival Ruhr“ in der Es- zeitig auch die 48. und diesjäh- merksamkeit auf die „German Kilometer zum nächsten Auf- sener Philharmonie begann und rige Sommerarbeitsphase des Band“ zogen, so auch bei zwei trittsort fahren muss, ist man in mit einer anschließenden Reise BuJazzO verbracht. Statt die öffentlichen Proben, die der den USA gleich viele Stunden durch den Westen der USA sei- amerikanischen Dozenten nach Musik Bill Homans, dem be- im Bus unterwegs oder muss nen Höhepunkt fand. Deutschland in Arbeitsphasen rühmten amerikanischen Kom- das Flugzeug nehmen, um das Mit zahlreichen Arrange- zu holen, lernten die jungen ponisten und Arrangeur gewid- nächste Ziel zeitnah zu errei- ments berühmter und renom- Musiker des BuJazzO direkt vor met waren. Jeff Hamilton ließ es chen. sich nicht nehmen, Kein Jazzorchester aus Eu - bei einigen Titeln ropa kann in den USA von vorn- BuJazzO-Schlagzeu- herein auf große Aufmerksam- ger Thomas Sauer- keit hoffen. Diese musste sich born zu ersetzen. auch das BuJazzO erst erspielen Gleich zwei Auf- und hat in Port Townsend und tritte gab das Bu- im vergleichsweise nahegelege- JazzO im Rahmen nen Seattle zu steigendem Inte- des abschließenden resse beim Publikum geführt. Jazzfestivals Port Da „Jazzcombo" und „Bigband" Townsend, einmal zu den Unterrichtsfächern an im Wheeler-Theatre amerikanischen Schulen gehö- und ein Gemein- ren und alle Generationen ir- schaftskonzert mit gendwann einmal Jazz gespielt der Monterey Festi- haben, traf das BuJazzO überall val Bigband, woraus auf ein überaus verständiges eine spontane Einla- Publikum, das die Leistungen BuJazzO am 8. August 2011 im Lensic Theatre in Santa Fé, der letzten Station dung an das BuJazzO der jungen Deut schen durchweg seiner USA-Tournee erfolgte, einmal am mit Standing Ovations aner- Foto: Fritz Moshammer Monterey-Jazzfestival kannte. mierter europäischer Bigbandlei- Ort bei über zwanzig auch bei nördlich von San Francisco teil- Neben der exzellenten Leis- ter und Arrangeure im Gepäck uns nicht unbekannten Dozen- zunehmen. Dieses Festival hat tung des Orchesters trug aber startete das BuJazzO unter der ten gemeinsam mit über 200 einen ähnlich großen Ruf wie das auch der Name Jiggs Whigham Leitung von Jiggs Whigham am weiteren Teilnehmern aus allen Newport-Festival bei New York. dazu bei, dass durch die zahlrei- 23. Juli zu einem fast dreiwöchi- Teilen der USA, aus Kanada und Nach Abschluss des Work- chen Kontakte – auch zu deut- gen USA-Aufenthalt. aus Ländern Mittel- und Süd- shops startete das BuJazzO zu schen Vertretungen in der Re- Im Zentrum stand die Teil- amerikas und kamen in den Ge- einer kleinen Tournee mit den gion – eine weitere erfolgreiche nahme an dem großen Jazzwork- nuss des Unterrichts von Jay, Stationen: Jazzclub „Tulas“ und Reise im Jahre 2013 in Aussicht shop in Port Townsend bei Se- Jeff und Gerald Clayton, von Kent Lake Highschool in Seattle; genommen wurde. attle im Staate Washington, der George Cables, Jeff Hamilton, Ben Medler Studios in Portland Das eigentliche Homeco- bereits auf eine lange Tradition Terell Stafford, Benny Green, (Oregon), eine gemeinsame Pro- ming-Konzert zum Abschluss zurückblicken kann und an dem Christoph Luty, Tamir Heldeman be und Begegnung mit der All der Saison mit Jiggs Whigham seinerzeit bereits die erste Bu- und natürlich bei Jiggs Whig- American College Band im Dis- gab das BuJazzO am 16. Okto- JazzO-Generation im Sommer ham, dem Dirigenten und neuen neyland, Anaheim, Los Angeles, ber 2011 in Kölns „Altem 1989 auf Vermittlung von Bobby künstlerischen Leiter des Bun - Jazzclub „Steamers“ in Fullerton, Pfandhaus“. Shew teilnehmen konnte – da- des jazzorchesters. L.A. sowie bei einem Straßenfest mals mit Newcomern wie Till In den von allen Dozenten der Polizeistiftung in Santa Ana,

DMR aktuell VII ■ Dirigentenforum ■ Jugend jazzt

Jugend jazzt für Jazzorchester mit Škoda Jazz Preis in Dresden PROJEKTE 16 Preisträgerbigbands feiern 50 Jahre Jazzabteilung an der Musikhochschule

Aus Anlass des 50-jährigen der zuständigen Landesministe- Bestehens der Jazzabteilung an rien, der Kulturstiftung Sachsen, der Hochschule für Musik Carl des Heinrich-Schütz-Konserva- Maria von Weber Dresden und toriums, des Landesmusikgym- im Rahmen der Dresd ner Jazz- nasiums und nicht zuletzt des tage wird die 10. Bundesbe- Sächsischen Musikrates und der gegnung „Jugend jazzt“ vom gastgebende Musikhochschule Ehemalige Stipendiaten geben 8. bis zum 11. November 2012 mit ihrem Rektor Prof. Klemm in der Stadt an der Elbe statt- an der Spitze. ihre Erfahrung weiter finden. Die Begegnung wird sich in Kurse in Bremen und Gera Diese Bundesbegegnung ist wie üblich aus einem Wettbe- für Jazzorchester ausgeschrie- werbsteil, aus Abendkonzerten, ben, sodass sich die 16 ersten aus Workshops, Unterricht und Die nachhaltig erfolgreiche Ar- Bartholdy. Der 2010 mit dem beit des Dirigentenforums lässt Preis des Deutschen Musikwett- sich auch daran erkennen, bewerbs ausgezeichnete Cellist dass inzwischen ehemalige Norbert Anger konnte anschlie- Stipendiaten, die sich als Diri- ßend Robert Schumanns Vio - genten etabliert haben, ihre lon cellokonzert a-moll op. 129 Erfahrungen an die nächste unter dem klaren und umsichti- Generation weitergeben. Mar- gen Dirigat von Ciarán McAuley kus Poschner, der 2004 den meisterhaft interpretieren. In der Preis des Dirigentenforums er- zweiten Hälfte brillierte er darü- hielt, erarbeitete mit vier jun- ber hinaus mit Tschaikowskys gen Dirigenten und „seinen“ Rokoko-Variationen, diesmal un - Bremer Philharmonikern ein ter dem Dirigat von Justus Tho- Programm bestehend aus Lud- rau. Den Abschluss bildete Ri- wig van Beethovens 7. Sinfonie chard Strauss‘ groß besetztes Teilnehmer der Konferenz vor dem modernen Konzertsaal der Musikhoch- und der 4. Sinfonie von Johan- Orchesterwerk Till Eulenspiegels schule vor dem von Skoda als Dauerleihgabe „Jugend jazzt" zur Verfügung gestellten Transportfahrzeug „Roomster" Foto: Melanie Kardinar nes Brahms. Im Sendesaal von lustige Streiche op. 28, bei dem Radio Bremen präsentierten das Philharmonische Orchester Preisträger der vorausgehenden Beratung, aus Jam-Sessions und die Stipendiaten Aurélien Bello, Altenburg-Gera seine Qualität Landeswettbewerbe auf den vielen Möglichkeiten des musi- Chris tian Kluxen, Leo McFall unter Beweis stellen konnte und Weg nach Dresden machen wer- kalischen Erfahrungsaustauschs und Clemens Schuldt dem be- dabei entschlossen, die Strauss’ - den. Sie werden insbesondere und der persönlichen Begeg- geisterten Publikum das Er- sche Klangfülle auskostend, von um den begehrten Skoda Jazz nung zusammensetzen. gebnis ihrer Arbeit. Kristiina Poska geführt wurde. Preis spielen, mit dem gleich Till Brönner, Professor an Auch im thüringischen Gera drei Bigbandworkshops zu ge- der Musikhochschule und Pa- war das Publikum beeindruckt winnen sind. tron des Skoda Jazz Preises, von der Virtuosität und Qualität Foto: Um die Vorbereitungen vo- wird sich selbst für Bigbandpro- Probe mit dem Philharmonischen des Konzerts, dessen Programm Orchester Altenburg-Gera: Mentor ranzubringen, kam am 1. Septem- ben und Workshops zur Verfü- drei Stipendiaten unter der ver- Georg Fritzsch (l.), Justus Thorau ber die vom Deutschen Musik- gung stellen und zusammen mit (m.) und Cellist Norbert Anger (r.) sierten Anleitung von Georg rat eingesetzte Länder- und Part- der politischen und musikali- Foto: Stephan Walzel Fritzsch (Stipendiat von 1992- nerkonferenz in Dresden zusam- schen Prominenz am Sonntag, 1997) erarbeitet hatten. Die men. An dem Treffen nahmen den 11. November 2012 im erste Hälfte eröffnete Justus auch die bereits gewonnenen Konzertsaal der Musikhoch- Thorau mit der Konzertouver- Partner und Förderer aus Stadt schule die zahlreichen Preise türe Meeresstille und glückliche und Land teil, darunter der Kul- und Anschlussmaßnahmen be- Fahrt von Felix Mendelssohn- turbürgermeister sowie Vertreter kanntgeben und überreichen.

DMR aktuell VIII PROJEKTE Bei einem abschließenden schen Bereichen wie GEMA und schen Bereichen und Selbstver- GVL, Musikrecht marktung. im Berliner Kesselhaus Konzert die werden der Kulturbrauerei November zeigen, Bands am 11. und Kennt- welche Fähigkeiten nisse sie in den Arbeitsphasen ausbauen konnten. In einer drit- ten Arbeitsphase im März 2012 zum Ab- die Bands produzieren in schluss des PopCamp-Turnus Musikma- mit dem Kooperation in Hannover ein gazin D-Zentral Kit. Press Electronic aus den 1970er Jahren, welches aus den 1970er Jahren, 2007 im Museum neu aufge- In historischer Ku- baut wurde. lisse spielten die Bands viele ei- gene, aber auch einen gemein- samen Song, welcher im Work- shop entstand. Zudem wurde ins per Live-Stream das Konzert und dort Internet übertragen von über 600 Zuschauern ver- folgt. shop im nem Zwischen Businessplänen Businessplänen Zwischen und Bodypercussion Mit der Arbeitsphase vom 4. bis 4. vom Arbeitsphase Mit der der Bundesmu- September in 10. startete sikakademie Trossingen in das siebte Projektjahr PopCamp nden dabei vor allem Als Höhepunkt galt das ab- oder auch außermusikalischen im In- Belangen wie der Präsenz ternet zu arbeiten. In der Lan- desmusikakademie Wolfenbüt- der Coa- tel liegt der Fokus chings dann auf außermusikali- Interkultureller Work Work Interkultureller Gronau museum rock’n’pop Juli war das 18. bis 21. Vom zu Gast im rock’n’ PopCamp In ei pop museum Gronau. die traf Workshop dreitägigen deutsche Band Jona:S (Pop- 2010) auf die Camp-Jahrgang niederländische Band Typhoon. Im Mittelpunkt des Coachings mit dem Dozenten Robert aus Ber- Musikproduzent Koch, lin, sta Songwriting und Arrangement. „Wir sind nun randvoll mit sind nun randvoll „Wir Eindrücken und haben eine Flut an Möglichkeiten, un- Musik zu professionali- sere Bis zur nächsten Ar- sieren. beitsphase heißt das: ganz viel Probenzeit.“ Daniel Lang, Gitarrist der Band Lokomotor schließende Konzert der beiden schließende Konzert im ehe- Workshop-Teilnehmer maligen Studio der Band CAN - Foto: Jonathan Gröger Jonathan Foto: aktuell IX DMR ho“ Koschorreck (Söhne ho“ Koschorreck Erstmalig in der Geschichte Daneben setzte sich das Do- Dozenten Zu den weiteren Bis zur zweiten Arbeitsphase trumentalisten und Alexander- technik anwenden“, hob An- vier Jahren (seit nette Marquard hervor. PopCamp-Dozentin) führte Michael des PopCamp „Kos Mannheims) einen Bodypercus- Die Bands durch. sion-Workshop lernten verschiedene Rhythmen und den Beat zu zu kombinieren halten. Bei einem Planspiel zum Thema Marketing mit Henning Rümenapp und Sibylle Dörge (Coaching für Musiker & Künst- ler) erstellten die Bands einen Businessplan, indem sie das Teilneh- Image einer anderen eine analysierten und mer-Band Stärken-Schwächen-Risiken-und- Chancen-Analyse durchführten. zententeam aus Experten der die zusammen, Musikbranche mit Musikern wie Ina Müller, Söhne Mannheims oder auch gearbei- Group Brönner der Till tet haben. Dahmen, Udo gehörten Prof. Möbus, Bettina Habekost, Frank Oliver Rüger und Ali Zuckowski. im November haben die Bands Zeit, um an nun acht Wochen Songs, der Performance ihren den Bereichen Bühnenpräsenz/ den Bereichen Schauspiel, Atemtechnik mit Ins - - - ance nun die erhalten wie The Astronaut's

PopCamp Ein Konzert im Rittergarten Ein Konzert

Fabian von Wegen von Wegen Fabian viel freier spielen.“ viel freier ist geplatzt. Wir können nun können ist geplatzt. Wir „Der Knoten in unserer Band „Der Knoten in unserer terstützung. gerechte und individuelle Un- gerechte Bands Coucou (Dresden), Def Bands Coucou (Dresden), tor (Hof) so Eye (Mannheim) eine bedarfs- reich in der Musikszene etab reich (Osnabrück), Lokomo- Wegen Band, die sich bereits erfolg- Band, die sich bereits liert haben, von ne Sahin (Berlin), Fabian ter Jones oder die Alin Coen reichen Bands, darunter Jupi- reichen Nach der Förderung von zahl- Nach der Förderung ■ dieses Jahr neue Methoden in arbeit in den Bands, konnte ich wie Vocalcoaching und Chor Chor und wie Vocalcoaching verringert. „Neben Elementen durch Coachings ausgebaut bzw. Coachings ausgebaut durch wurden im Laufe der Woche wurden kannte Stärken und Schwächen Zusammenspiel und Perform Zusammenspiel und Perform auf der Bühne überprüft. Er- auf musikalische Fertigkeiten, ning Rümenapp (Guano Apes) dem Dozententeam um Hen- ren und wurden zugleich von und wurden ren neue und alte Songs präsentie- ten in jeweils zwanzig Minuten Jahrgang ein. Die Bands konn- Jahrgang tete die Arbeit mit dem siebten Tuttlingen am 5. September läu- Tuttlingen ■ Bundesjugendorchester

Projektleiter des Bundesjugend- Bundesjugendorchester konzertiert erstmals orchesters. unter der Leitung von Sir Simon Rattle Auch für die Errichtung der Stiftung Bundesjugendorchester

PROJEKTE harmonie zeigten sich alle Mu- engagieren sich seit ca. vier Jah- siker des Ensembles nachhaltig ren zahlreiche ehemalige Mit- beeindruckt von der gemeinsa- glieder und Freunde des Or- men Arbeit. Kein Wunder also, chesters, die Schirmherrschaft dass die gemeinsame Proben- liegt bei Prof. Gerd Albrecht, phase und das sich anschlie- Prof. Reinhold Friedrich, Prof. ßende Konzert im Oktober Sabine Meyer, Christian Tetzlaff, 2011 als besondere Höhe- Prof. Tabea Zimmermann und punkte im laufenden Konzert- Gordon Matthew Sumner jahr gelten. (Sting). Die Stiftung soll eine Zahlreiche ehemalige Musi- dauerhafte Sicherung und För- ker des Bundesjugendorches- derung des Orchesters ermögli- ters, die heute Mitglieder der chen, die künstlerische und pä- Berliner Philharmoniker sind, dagogische Arbeit des Bundes- bemühen sich seit Langem kon- jugendorchesters finanziell un- Am 23. Oktober 2011 wird mehreren Jahren engagieren. tinuierlich und mit hohem per- terstützen sowie als Anlauf- das Bundesjugendorchester in Auf dem Programm steht sönlichen Engagement darum, punkt und Kommunikations- der Berliner Philharmonie Anton Bruckners 9. Sinfonie. die Freundschaft zwischen den zentrum für ehemalige Mitglie- erstmals unter der Leitung von Bereits im Frühling 2008 beiden Ensembles zu fördern der dienen. Mit den Geldern Sir Simon Rattle konzertieren. hatten die jugendlichen Musi- und zu intensivieren. „Die nun sollen unter anderem Sonder- Das Konzert wird außerdem ker des Bundesjugendorchesters geplante Zusammenarbeit stellt projekte mit hochrangigen als Anlass genommen, in feier- erstmals Gelegenheit, auf Tuch- einen Höhepunkt dieses Enga- Künstlern ermöglicht und die lichem Rahmen die Stiftung fühlung mit dem Chefdirigenten gements dar und festigt die Arbeitsbedingungen des Or- Bundesjugendorchester zu der Berliner Philharmoniker zu Freundschaft zwischen den bei- chesters verbessert werden. gründen, für deren Errichtung gehen: Nach einer gemeinsa- den Orchestern auf ganz beson- www.bundesjugendorchester.de sich zahlreiche ehemalige Mit- men Probe im Vorfeld eines dere Weise; darüber freuen wir glieder des Orchesters seit Konzertes in der Berliner Phil- uns sehr“, bestätigt Sönke Lentz,

deutschen Jugendorchesters stieß „Ovaciones durantes“ sowohl in Venezuela als auch in Abschlusskonzert in Stuttgart krönt erfolgreiche Tournee Ecuador auf ein breites mediales durch Deutschland, Venezuela und Ecuador Echo, in über 20 Artikeln in ve- nezolanischen und ecuadoriani- Sechs Konzerte in Ecuador, rend u. a. mit Ludwig van Beet- staltete sich der Aufenthalt in schen Tageszeitungen und zahl- zwei Konzerte in Venezuela, hovens 6. Sinfonie „Pastorale“ Südamerika: Der Besuch in Ve- reichen TV-Sendungen wurde drei Konzerte in Deutschland – Werke der klassischen europäi- nezuela fand in enger Koopera- wiederholt von „anhaltenden Bilanz der erfolgreichen Som- schen Orchesterliteratur gespielt tion mit „El Sistema“ statt, der Ovationen“, berichtet. mertournee des Bundesjugend- wurden, stand mit Gonzalo Graus von José Antonio Abreu gegrün- Auf die Sommertournee orchesters, die programmatisch Oratorium Aqua eine zeitgenös- deten staatlichen Stiftung, in folg(t)en drei weitere herausra- ganz im Zeichen des interkultu- sische venezolanische Urauffüh- deren Trägerschaft sich Sinfonie- gende Projekte: Eine Koopera- rellen Austauschs stand. Unter rung auf dem Programm, die mit orchester und Musikschulen in tion mit dem National Youth Or- der Leitung des jungen deut- Chor und Gesangssolisten mehr ganz Venezuela befinden. Ge- chestra of Iraq im Rahmen des schen Dirigenten Christoph Alt- als 180 Akteure auf der Bühne meinsam mit dem Teresa Car- Beethovenfests Bonn ermög- staedt und der venezolanischen versammelte und Konzertbesu- reño-Jugendorchester konzer- lichte Ende September eine Be- Dirigentin Maria Guinand be- cher sowohl in Südamerika als tierten die deutschen Musiker in gegnung mit jugendlichen Mu- geisterten die rund 100 ju- auch in Deutschland zu stehen- Caracas, gemeinsame Freizeitak- sikern ganz anderer kultureller gendlichen Musiker knapp den Ovationen bewegte. In Auf- tivitäten erweiterten die rein Herkunft. Zu den zentralen Fei- 9 000 Konzertbesucher auf trag gegeben wurde dieses Werk musikalische Begegnung und er- erlichkeiten zum Tag der Deut- zwei Kontinenten. von der Internationalen Bach- möglichten einen herzlichen, schen Einheit konzertierte das Einmal mehr präsentierte akademie für das Musikfest freundschaftlichen Austausch Orchester unter der Leitung von sich das BJO als Botschafter der Stuttgart 2011. zwischen den Jugendlichen bei- Gernot Schulz in der Bonner Musiknation Deutschland: Wäh - Lebendig und herzlich ge- der Kontinente. Der Besuch des Villa Hammerschmidt.

DMR aktuell X VERBÄNDE - - Die VG Musikedition nimmt Die VG druckrechte sowie die Rechte druckrechte Musik referierten. So sprach Musik referierten. (University of Everett Walter Michigan) über Harmonik und Stimmführung, Anne Danielsen (Universität Oslo) über Rhythmik Simon Za- und Mikrorhythmik, (London College gorski-Thomas of Music) über Sound und Stu- diotechnik und Allan Moore schließlich (University of Surrey) über Ansätze der Interpretation. Thema und Inhalt der Summer die verschiedenen School waren das „Mate- Herangehensweisen, be- Musik zu rial“ populärer schreiben. Plätze begrenzt ist, empfiehlt sich Plätze begrenzt über eine frühzeitige Anmeldung BDO. Die die Geschäftsstelle der ist dank der am Forum Teilnahme den durch finanziellen Förderung der Bundesregie- Beauftragten und rung für Kultur und Medien mit dem Institut der Kooperation München für Kulturmanagement kostenlos. Kontakt und Infos: und Infos: Kontakt www.vg-musikedition.de Kontakt: Kontakt: www.orchesterverbaende.de unter anderem zahlreiche gra gra zahlreiche unter anderem fische Vervielfältigungsrechte, Ab an Wissenschaftlichen Ausgaben und Erstausgaben für Musikver- Textdichter lage, Komponisten, und musikwissenschaftliche He- wahr. rausgeber zelne As- Die Teilnehmerinnen und Die Teilnehmerinnen te die BDO das Institut für Kul- te die BDO das Institut ge- turmanagement München und prak- winnen. Theoretische tische Ansätze aus verschiedenen Blickwinkeln sollen unterschied- vorstellen und liche Konzepte auf- Darauf veranschaulichen. in Kleingruppen ge- bauend wird und Stu- meinsam mit Dozenten für Kultur- denten des Instituts management ein praxisorientier- werden. ter Leitfaden erarbeitet auf 40 Da die Teilnehmerzahl

ASPM International Postgraduate Summer School Summer Postgraduate International abkommen mit CEDRO abkommen Der Arbeitskreis Studium Po- Der Arbeitskreis und das Musik (ASPM) pulärer Institut für Musikwissenschaft und Musikpädagogik der Uni- versität Osnabrück veranstalte- ten vom 12. bis zum 16. Sep- tember eine Summer School für „Methods of Popu- Graduierte lar Music Analysis“. schließt Gegenseitigkeits Musikedition VG Musikedition hat mit Die VG September Wirkung zum 1. 2011 einen Gegenseitigkeits- spanischen mit ihrer vertrag CEDRO Schwestergesellschaft geschlossen. Die CEDRO Espanol de Derechos (Centro vertritt in Spa- Reprofráficos) nien mehr als 1 700 Verlags- häuser sowie 18 000 Urheber und damit über 95 Prozent des spanischen Repertoires. ■ Teilnehmer, bestehend aus Gra- Teilnehmer, Dok- duierten, Doktorandinnen, aus aller und Postdocs toranden erwartete ein intensives Welt, bei dem internatio- Programm, über ein nale Fachleute pekte der Analyse populärer - aktuell XI DMR Musikvereinigungen leisten. Auf Musikvereinigungen am 19. und 20. einem Forum soll den November in München Multiplikatoren entsprechenden das grundsätzliche Verständnis des Instru- für die Möglichkeiten vermittelt ments Fundraising soll das klassische Dabei werden. den Kulturbereich, auf Konzept unter Berücksichti- insbesondere Struk- gung der ehrenamtlichen Als werden. übertragen turen konn wissenschaftlichen Partner tierte der DMV ein Panelpro- unter dem Motto gramm – Urheberrecht „Lost Property im digitalen Zeitalter“ mit von Vorstands- einer Keynote habil. Christian mitglied Dr. Baierle und Diskussionsteil- Renner nehmern wie Tim Alex- (Motor Music) und Dr. (GEMA/CELAS). ander Wolf Um 18 Uhr hieß es dann „Meet the Publishers“ in der Campus Lounge. Der Einla- dung des DMV folgten rund Festival- 150 Gäste, die ihren Abend hier starteten. -

DMV BDO Die Bundesvereinigung Deut Die Bundesvereinigung Großprojekte von Musikver- Großprojekte

Am 22. September präsen- Theater auf der Reeperbahn. rungsaustausch im Schmidt- 50 Teilnehmer zum Erfah- 50 Teilnehmer tigen Bereich trafen sich über trafen tigen Bereich für Musikverlage enorm wich- Thema Sync-Rights. Zu diesem shop für DMV-Mitglieder zum shop für DMV-Mitglieder valbeginn mit einem Work- fiel schon einen Tag vor Festi- fiel schon einen Tag Der Startschuss für den DMV Spielbudenplatz in Hamburg. bahn-Festival rund um den bahn-Festival ber stattfindenden Reeper- dem vom 22. bis 24. Septem- und seine Mitgliedsverlage auf Der DMR präsentierte sich Der DMR präsentierte DMV-Vorstandsmitglied Dr. habil. Christian Baierle hielt die Keynote Christian Baierle hielt die Keynote habil. Dr. DMV-Vorstandsmitglied Thema „Lost Property“ zum Hamburger Reeperbahn-Festival DMV präsentierte auf dem sich ■

Einladung zum Forum: Fundraising in Musikvereinigungen Fundraising Forum: zum Einladung ■ tere erfolgreiche Kulturarbeit von Kulturarbeit erfolgreiche tere möchte Hilfestellung für die wei- scher Orchesterverbände (BDO) scher Orchesterverbände der steigt an. Der Wettbewerb um Fördergel- Der Wettbewerb öfter gestrichen oder gekürzt. öfter gestrichen oder Zuschüsse für Projekte immer Zuschüsse für Projekte der Weltwirtschaftskrise werden der Weltwirtschaftskrise Hand gefördert. Nicht erst seit Hand gefördert. größten Teil durch die öffentliche durch Teil größten einigungen werden bisher zum einigungen werden ■ GDM ■VDKD

Präsidium des Gesamtverbands Deutscher Musikfachgeschäfte Künstlerliste 2012 tagte in Treppendorf veröffentlicht ordnungspunkt für die sich an- Die Künstlerliste 2012 des schließende Präsidiumssitzung. VDKD ist nach Musikstilrich- VERBÄNDE Die Mitglieder des Präsidiums tungen, Instrumenten und En- waren sich einig, dass die Ver- semblegrößen gegliedert und fügbarkeit von Musik ins tru - informiert über mehr als 2 000 men ten auf branchenfremden Künstler. Sie ermöglicht Ver- Plattformen wie bspw. dem anstaltern, Tourneeunterneh- Lidl-Online-Shop die Wertig- mern und anderen Interessier- keit von Musikinstrumenten in ten ein einfaches Auffinden von den Augen der Verbraucher Künstlern aus dem gesamten sinken lässt und vor allem, als Spektrum der musikalischen schwierigste Herausforderung Unterhaltung von der Klassik für den stationären Fachhandel, über den Jazz bis in sämtliche die Preisspirale immer weiter Sparten der U-Musik. Die Pub- nach unten treibt. Das GDM- likation enthält überdies ein Präsidium fordert daher Ver- Mitgliederverzeichnis aller dem triebsverträge, die verhindern VDKD angeschlossenen Agen- sollen, dass höherwertige Mar - turen, Konzertveranstalter und kenprodukte auf diesen bran- Stiftungen. Sie ist bei der Ge- chenfremden Internetplatt- schäftsstelle des Verbandes Tagte im Musikhaus Thomann: das GDM-Präsidium um Präsident Arthur Knopp (vorne links) und Gastgeber Hans Thomann (Mitte) formen gehandelt werden. kostenfrei zu erhalten und auf Weitere Themen der Präsidi- www.vdkd.de auch online zu- Das Präsidium des GDM be- und Zubehör. Mit 740 festan- umssitzung waren u. a. die er- gänglich. suchte anlässlich einer Sitzung gestellten Mitarbeitern ist Tho- folgreiche Verkaufsaktion der das Musikhaus Thomann, das mann Online der größte Ver- GDM-Notenständer mit der Ausgezeichnet: seit seiner Gründung Mitglied sender von Musikinstrumenten Firma König & Meyer und die im GDM ist, in Treppendorf. und Musikzubehör weltweit. So Vorbereitung des Branchen- Florian Ostertag Die Präsidiumsmitglieder zeig- war dann auch das Thema In- treffs des Musikfachhandels, Der mit 10 000 Euro dotierte ten sich beeindruckt von dem ternethandel und der Vertrieb der am Montag, den 14. Mai Musikpreis des VDKD geht in breiten Sortiment an Instru- über branchenfremde Internet- 2012 auf dem Messegelände diesem Jahr an Florian Oster- menten, Musikelektronik, PA plattformen der Haupttages- in Frankfurt stattfindet. tag. Die Auszeichnung wird jährlich an förderungswürdige junge Musiker oder Ensemb- ■ bdpm les, beziehungsweise Bands aus den Bereichen der E-Musik Kooperation zwischen bdpm und IFET oder U-Musik vergeben. Mit- sponsor und Medienpartner Der bdpm und die IFET liert, sodass diese Zusammen- werb „Kids2Keys“ zu präsen- des Preises ist das Branchen- werden in Zukunft den Wett- arbeit auch für den bdpm eine tieren. Der neue Wettbewerb magazin Musikmarkt. bewerb E-Sound-Competition, Bereicherung ist. Die Anerken- „Generation Keys20+“ bietet In der Begründung der Jury „Kids2Keys“ und „Generation nung, die Kinder und Jugend- jetzt zusätzlich die musikalische heißt es: „Florian Ostertag be- Keys 20+“ gemeinsam gestal- liche bei einem Wettbewerb Weiterentwicklungsmöglich- sitzt eine enorme Klanggewalt, ten. Der bdpm wird sich mit erfahren, fördert ihre musikali- keit für junge Spieler ab zwan- die den Hörer sofort in seinen seinem pädagogischen Know- sche Entwicklung und daher zig Jahren. Mit „Kids2Keys“ Bann zieht. Er hat großartige how in die Bewertungskriterien freut sich der bdpm e. V., sei- und „Generation Keys 20+“ Songs geschaffen, die Instru- einbringen und diese auch mit- nen Schülerinnen und Schülern ent wickeln die IFET und der mentierung und der Gesang be- gestalten. Zudem wird der den Zugang zur Teilnahme er- bdpm gemeinsam die E-Sound- sitzen internationale Qualität. bdpm in der Jury der E-Sound- leichtern zu können. Außer- Competition zu dem ersten Die stilistische Bandbreite ist Competition vertreten sein. dem stärkt der Wettbewerb Wettbewerb für alle Tasten- groß und reicht von akustischen „Kids2Keys“ hat sich als „Kids 2Keys“ die Stellung der spieler – in allen denkbaren Al- Balladen bis zu Popsongs. Auch Musikwettbewerb im Bereich elektronischen Tasteninstru- tersgruppen an elektronischen bei den Live-Auftritten über- elektronischer Tasteninstru- mente. Der bdpm und die IFET Instrumenten. zeugt Florian Ostertag …“ mente in seiner vierjährigen öffnet Musikschülern eine Tür, Weitere Informationen unter Kontakt: [email protected] Geschichte hervorragend etab - ihr Instrument in dem Wettbe- www.bdpm.biz oder www.ifet.de www.vdkd.de

DMR aktuell XII VERBÄNDE - - - rvz Nachmittags führte Dr. Ro- Dr. Nachmittags führte ken. Außerdem werden die ho werden ken. Außerdem Wir- he soziale und integrative da und kung solcher Projekte mit die Stärkung der bürgerli- Die chen Gesellschaft gewürdigt. mit je 1 dotierten Aus- 000 Euro in den zeichnungen werden Sparten Begegnung, Bildung, Kulturleben und Nachwuchs aus Die Jury bestand vergeben. Wis- der Bereiche Fachleuten senschaft, Musik und Kultur der Stiftung sowie Vertretern Kunst, Kultur und Soziales der des Landes- West, Sparda-Bank verbandes der Musikschulen in NRW und der Arbeitsgemein- schaft Laienmusik des Landes- NRW. musikrates turelle Vielfalt in NRW“ be- Vielfalt turelle schied nach Ablauf hatte, treut aus. Themenjahre der drei semarie Tüpker, Leiterin des semarie Tüpker, an Studiengangs Musiktherapie Wilhelms- der Westfälischen und Beisit- Universität Münster des Landes- zerin im Präsidium Vortrag mit einem musikrats, die Mitglieder und Gäste in eine Auseinandersetzung mit dem Themenschwerpunkt „Musik Anger- und Alter“. Wolfgang stein beschäftigte sich mit dem Singen im Alter und seinen bio- Mit der logischen Grenzen. von altersbeding- „Prophylaxe be- ten Musiker-Erkrankungen“ med. Sabine schäftigte sich Dr. Ambu- Flesch, Interdisziplinäre lanz für Musikermedizin am Ein- Düsseldorf. Univ.-Klinikum drucksvoll bot sie statistische Daten zum Ausmaß von Musi kerkrankheiten. - - ter Wer- LMR Nordrhein-Westfalen Ziel dieses Wettbewerbes ist Ziel dieses Wettbewerbes ■ Preisverleihung SPARDA-MusikNetzWerk Preisverleihung Das Sparda-MusikNetzWerk zeichnet am 19. November zum sechsten Mal bei- bereits von öffent- spielhafte Projekte lichen Musikschulen und Lai- mit ihren enmusikvereinen nicht kommerziellen Koopera- tionspartnern aus. Musikschu- len des Landesverbands der Musikschulen in NRW und in NRW Laienmusikvereine Lai- (unter dem Dach der AG enmusik des Landesmusikrats eingeladen, sich NRW) waren zu bewerben. Wahlen zum Präsidium zum Wahlen Alter“ „Musik und Themenschwerpunkt und wählten September Am 17. Mitglieds- die Delegierten der verbände im Landesmusikrat ein neues NRW in Münster wur- Wiedergewählt Präsidium: Werner Dr. Prof. den Präsident Lohmann, Schatzmeis die Vize- ner Middendorf und Lin- Walter Dr. präsidenten Rizzi Werner denbaum, Prof. und Arnd Bolten. Die Vizeprä- sidenten stehen jeweils einer Arbeitsgemeinschaft von Ver- bänden im Landesmusikrat Zum Nachfolger von Peter vor. Se- André Prof. wurde Tonger bald gewählt. Zu Beisitzern im Reinhard wurden Präsidium Christian de Witt Knoll und Dr. sowie als Fachmann wieder- für den Themenschwerpunkt Dr. „Musik und Alter“ Prof. Angerstein, Lei med. Wolfgang ter des Selbstständigen Funk- für Phoniatrie tionsbereichs am Univ.- und Pädaudiologie neu ge- Klinikum Düsseldorf, der Heuser, wählt. Andreas den Themenschwerpunkt „Kul es, die verschiedenen Institutio- zu vernetzen nen und Vereine Enga- und damit das kulturelle gement in der Region zu stär- aktuell XIII DMR gen und Diskussionen wurde gen und Diskussionen dass das hingewiesen, darauf mit Schulklassen Musizieren darf, sich nicht darin erschöpfen spielen zu „nur“ ein Instrument einge- lernen, sondern immer Konzepte bunden sein muss in Bil- allgemeiner musikalischer Kongress- dung. Als zuverlässige die Mu- partner erwiesen sich sikhochschule Lübeck, der Ver- band Deutscher Schulmusiker, das Institut für Qualitätsent- wicklung in Schleswig-Holstein, Let´s make music sowie der Ver- band deutscher Musikschulen. Mit dieser rundum gelungenen die Mess- wurde Veranstaltung latte für den ersten mit dem VDS gemeinsam geplanten Musikunter- „Bundeskongress erfreulich richt“ 2012 in Weimar hoch gelegt. (Regensburg) und Andreas (Regensburg) Wickel (Essen) erhielten den 1. in der Kategorie 2. Preis bzw. Der Bundes- „Studierende“. für wettbewerb „Arrangieren vom Ar- Schulklassen“ wird für Schulmusik (AfS) beitskreis Ess- und vom Helbling Verlag, lingen, ausgerichtet. www.arrangieren-fuer- schulklassen.de Weitere Informationen unter: Informationen Weitere www.afs-musik.de - -

Der a cappella-Chor VOCAL AfS

Erfolgreicher Bundeswettbewerb Bundeswettbewerb Erfolgreicher „Klassenmusizieren“ 2011 „Klassenmusizieren“ Kongress deutlich. Kongress keit in den Workshops auf dem keit in den Workshops durch die musikalische Tätig- gemein bildenden Schulen den Musikunterricht an den all- Konzepte – Perspektiven“) für – Perspektiven“) Konzepte ren mit Schulklassen. Praxis – Praxis mit Schulklassen. ren levanz des Themas („Musizie- levanz des Themas Ende. Vor allem wurde die Re- allem wurde Ende. Vor Seminaren und Workshops zu und Workshops Seminaren Ausland und 220 Vorträgen, 22 Ausland und 220 Vorträgen, Referenten aus dem In- und Referenten kreises für Schulmusik mit 160 für kreises Bundeskongress des Arbeits- Bundeskongress Am 25. September ging der 43. Am 25. September ging „Geburtstag“ mit Kölner Schul Schul „Geburtstag“ mit Kölner ihre Arrangements zum Thema Arrangements ihre Öster Johannes Steiner (Wels/ listen vor Jury und Publikum gewann der Kategorie „Lehrer“ (Germersheim). Julian Oswald sizieren“ studierten zehn Fina- sizieren“ in klassen ein. Die Wertung vor Matthias Claudino reich) deswettbewerbs „Klassenmu- In der Endrunde des 3. Bun- kamen nach Lübeck kamen Über tausend Musikpädagogen Musikpädagogen Über tausend ■ oder von Ensembles. In Vorträ- von Lübecker Schüler/innen party sorgten auch die Auftritte party sorgten Stimmung auf der Kongress- und schwungvollen Songs. Für gresshalle mit seinen artifiziellen gresshalle zertsaal der Musik- und Kon- eröffnete den Kongress im Kon- den Kongress eröffnete LINE aus Aarhus in Dänemark ■ LMR Brandenburg

In Sorge um Rheinsberg

Die Musikakademie Rheinsberg stehen. Mit dem vorliegenden Präsidium trat mit einer Stel- den Kreistag Ostprignitz-Rup - und die Kammeroper Schloss Entwurf eines GmbH-Vertrages lungnahme an die zuständigen pin und die Stadt Rheinsberg VERBÄNDE Rheinsberg sollen nach kom- für den zu gründenden „Kul- Ämter und die Öffentlichkeit. dazu auffordert, bei der weite- munalem Willen rechtlich zu turstandort Rheins berg“ sowie Auch die Konferenz der Lan- ren Gestaltung genau darauf zu einer GmbH „verschmolzen“ einem Gutachten „Zur Opti- desmusikräte verab schie dete achten, dass Aufgabenstellung, werden. An der Spitze die ses mierung des Kulturstandortes bei ihrer Herbsttagung am 8./9. Struktur, Autonomie und Subs- neuen Konstrukts soll ein „kauf - Rheinsberg“ ist der Landesmu - September einen Beschluss, in tanz der Bundesmusikakademie männischer Geschäfts führer“ sikrat nicht einverstanden. Das dem sie das Land Brandenburg, voll erhalten bleiben.

Landeswettbewerb „Jugend jazzt“ für Jazzorchester 2011

Unter dem Motto „Jazz im begeistern. Die Jury setzte sich Kutschstall“ fand am 10. Sep- zusammen aus Stephan Genze tember 2011 im Haus der Bran- (Rhythmus), Arnold Hänsch denburgisch-Preußischen Ge- (Blechbläser) und Rolf von Nor- schichte Potsdam der Landes- denskjöld (Holzbläser). Den 1. wettbewerb „Jugend jazzt“ für Förderpreis erspielte sich die Jazzorchester mit dem Skoda Big Band Bad Liebenwerda. Jazz Preis 2011 statt. Bei herrli- Die Big Band des evangeli- chem Sommerwetter konnten schen Gymnasiums Hermanns-

Die Big Band Bad Liebenwerda die teilnehmenden Bands zahl- werder gewann den 2. Förder- Foto: Jürgen Börner reiche Zuhörer anlocken und preis des Wettbewerbs.

Konzertreisen der Landesjugendensembles Generalversammlung 2011

Vom 22. September bis zum 2. chester Brandenburg unter- Am 15. September führte der mende Jahr. Das Präsidium Oktober gastierte der Landes- nahm mit seinem Leiter Volker Landesmusikrat Brandenburg wurde für drei Jahre wiederge- jugendchor Brandenburg unter Gerlich vom 30. September bis im Potsdamer Bildungsminis - wählt. Präsident Ernst-Ullrich der Leitung von Prof. Hans- 3. Oktober eine Konzertreise terium seine diesjährige Gene- R. Neumann sieht als vorran- Peter Schurz mit fünf Konzer- nach Györ/Ungarn. Am 2. Ok- ralversammlung durch. Gene- gige Aufgaben Vereinsinterna, ten in Chile. Die Konzertreise tober gastierte im Erfurter Rat- ralsekretärin und Präsidium akzeptable Lösungen für die wurde durch das Goethe-Insti- hausfestsaal das Landesjugend- wurden für das Jahr 2010 ent- Weiterarbeit von Musikakade- mie und Kammeroper Rheins- tut sowie durch das Ministe- zupforchester Brandenburg- lastet. Im Mittelpunkt der Be- berg sowie die Projektarbeit, rium für Wissenschaft, For- Berlin unter Leitung des Man- ratungen standen die Überar- insbesondere im Bereich der schung und Kultur des Landes dolinisten Christian Laier wäh- beitung der Satzung und die musischen Bildung. Brandenburg gefördert. Das rend seiner Konzertreise durch Verabschiedung der Projekt- Landesjugendakkordeonor- Thüringer Städte. und Finanzpläne für das kom- 5. Berlin-Brandenburgische Kinderchorwerkstatt Landesmusikrat fördert Bass-Nachwuchs

Bereits zum 5. Mal veranstaltet Bereits bestehende und im Nach dem großen Erfolg von bis 16. Oktober im Schloss der LMRB eine Kinderchor- Aufbau befindliche Grundschul- „Bassini“, dem Kontrabass-Se- Trebnitz statt – in Kooperation werkstatt für Grundschulen. chöre haben hier die Möglich- minar, das in diesem Jahr, in- mit der Musikwerkstatt Eden Aufgrund des überaus großen keit, sich unter fachlicher Leitung klusive eines Symposiums für in Oranienburg. Es wird geför- Interesses wird dieses Projekt gesanglich und chorisch fortbil- Kontrabass-Lehrkräfte, bereits dert vom Ministerium für Wis- auch in diesem Jahr in Koope- den zu lassen. Die dreitägige vom 24. bis 27. März statt- senschaft, Forschung und Kul- ration mit dem Ministerium für Werkstatt findet unter der Lei- fand, wurde erstmals in die- tur des Landes Brandenburg Jugend, Bildung und Sport so - tung von Prof. Hans-Peter Schurz sem Jahr „Kinderbassini“ aus- sowie der Sparkasse Märkisch- wie der DKB-Stiftung für alle vom 2. bis 4. November im Ju- geschrieben. Das Kontrabass- Oderland. Berlin-Brandenburgischen genddorf am Ruppiner See in Seminar für SchülerInnen auf Grund schulen angeboten. Gnewikow bei Neuruppin statt. dem Minibass fand vom 14.

DMR aktuell XIV VERBÄNDE Landessportbund Rheinland- Die hat. Pfalz herausgegeben zeigen Sport und Musik Fotos Aus- als Beruf, unter anderem und Mittel gleich, Therapieform versuchen, „Wir zur Integration. Optik klarzumachen, wel- durch es gibt“, erklärte che Parallelen Mah- Christoph-Hellmut Prof. des Landesmusik- ling, Präsident diese Ausstellung „Durch rates. die vielfältigen Gemein- werden samkeiten – von Kindesbeinen an bis ins hohe Alter – herausge- Karin Augustin, stellt“, ergänzte des Landessport- die Präsidentin bundes. des Landesmusikrats für die des Landesmusikrats um die Musikkul- Verdienste ist der Ge- tur“. Preisträger von Lotto Rhein- schäftsführer Schöss- land-Pfalz, Hans-Peter Kurt Ministerpräsident ler. in seiner Beck verdeutlichte Ver- Laudatio die vielfältigen dienste des Preisträgers. - - ker LMR Rheinland-Pfalz sizierenden Rheinland-Pfäl- sizierenden die der Landesmusikrat initiiert die der Landesmusikrat mit dem und in Kooperation Musik und Sport Foto- l.): SportAusstellung „Musik und – Sport und Musik“ (v. die Präsentieren Ex-Fußball-Schiedsrichter und Pianist Herbert Fandel, künstlerin Jane Dunker, Augus- LSB-Präsidentin Karin Landtags, Vizepräsidentin des Klamm, Hannelore Mahling Christoph-Hellmut tin und LMR-Präsident Prof. Landesmusikrat/Sämmer Foto: Fußball gilt in Musikerkreisen Mu- oft noch als „Pöbelsport“, siker hingegen sind in den Au gen einiger Sportler „Weich – eier“. Laut Herbert Fandel Fußball-Schieds- der frühere muss richter und Konzertpianist es wissen – überwiegen jedoch die Gemeinsamkeiten zwischen Sport und Musik. Einige dieser stellt die Ausstel- Parallelen lung „Musik und Sport – Sport die von der und Musik“ dar, Jane Dun Fotografin Kölner und zusammengestellt wurde ■ verleiht Rheinland-Pfalz Landesmusikrat Musikkultur um die Verdienste für Preis Rhein- Der Landesmusikrat für land-Pfalz, Dachverband Bundes- das Musikleben im land und somit Interessenver- mehr als 550 von treter 000 mu zerinnen und Rheinland-Pfäl- Mal zern, verlieh zum ersten den „Preis in seiner Geschichte - aktuell XV wie DMR Quelle: StMWFK Quelle: künftiger Musiklehrer so künftiger Musiklehrer dung, die schon in Kindertages- einrichtungen und sonstigen vor- schulischen Angeboten einsetzen Bayerischen muss.“ Mit dem 1. Musikplan legte die Bayerische erstmals 1978 Staatsregierung ein zusammenhängendes Ent- für Musik wicklungsprogramm erziehung, Musikausbildung und Der 3. Musikpflege in Bayern vor. im Bayerische Musikplan wurde der Bayerischen Staatsre- Auftrag gierung vom Bayerischen Musik- und einer Expertenkommis- rat der verschie- sion mit Vertretern denen Musikinstitutionen und in Bayern erstellt. Musikbereiche Musikbildungsprojekte mit Musikbildungsprojekte wichtige sind weitere Senioren Arbeitsfelder. ministerien für Arbeit und Sozi- und Frauen, Familie alordnung, für Unterricht und Kultus, für und Wissenschaft, Forschung Kunst sowie des Bayerischen (BMR) mit Sitz in Musikrats Hauptaufgabe München. Ihre besteht darin, Musikbildungs- zu sammeln, zu ver- projekte zu netzen und neue Projekte entwickeln. In der ersten Phase konzentriert sich die Arbeit der BLKM hierbei auf Musikbil- in Kindertages- dungsprojekte stätten und allgemein bilden- den Schulen. Die Ausbildung zu - - mals Stichworte wie

LMR Bayern Der Plan greift neue Entwick- Der Plan greift

Ressortübergreifende Initiative Ressortübergreifende Initiative zur Stärkung der Musik Arbeitsgemeinschaft der Staats- erproben. Die BLKM ist eine erproben. gebiet Bayerisch-Schwaben zu gebiet Bayerisch-Schwaben Bayern, um zunächst im Pilot- dung eines Netzwerks Musik in Goppel grünes Licht zur Grün- Wissenschaftsminister Thomas jetzige Präsident und damalige jetzige Präsident fordert wurde. 2008 gab der wurde. fordert vom Bayerischen Musikrat ge- vom Bayerischen Musikrat die bereits seit zehn Jahren die bereits rungsstelle für Musik (BLKM), Bayerischen Landeskoordinie- tiative: die Gründung der Musikrat eine einzigartige IniMusikrat Ministerien und der Bayerische tember 2011 drei Bayerische tember 2011 drei nior gelingt, starteten im Sep- dies vom Kleinkind bis zum Se- Breitenbildung stärken. Damit Breitenbildung Bayern will die musikalische fentlichkeit vorgestellt wurde. fentlichkeit vorgestellt plan erstellt, der jetzt der Öf- landschaft im Flächenstaat Ba der 3. Bayerische Musik- wurde Vielfalt bestimmt die Musik- Vielfalt kann, pisch ausgebaut werden kunft dezentral und regionalty- kunft dezentral yern. Damit dies auch in Zu- Bayern legt 3. Musikplan vor 3. legt Bayern

Kunstminister Dr. Wolfgang Heubisch und BMR-Präsident Dr. Thomas Goppel Dr. Heubisch und BMR-Präsident Wolfgang Dr. Kunstminister Musikplans Bayerischen des 3. Vorstellung bei der ■ punkt gilt der musikalischen Bil- pel: „Ein besonderer Schwer- pel: „Ein besonderer oder „Musik und Umwelt“. Gop- den sich erst musik“, „Musik und Migration“ Vorschläge zum Ausbau. So fin- Vorschläge Musikensembles“, „Welt- „Freie lungen auf und macht konkrete Wahl der Vizepräsidenten des LMR RP ■ LMR Schleswig-Holstein

Das Präsidium des Landesmu- ist seit 1995 Vorstandsmitglied sikrats Rheinland-Pfalz hat in der LandesArbeitsGemein schaft seiner konstituierenden Sitzung Rock & Pop in Rheinland- die Vizepräsidenten für die Pfalz e.V. und seit 2005 ge- Amtsperiode bis 2014 ge- schäftsführender Vorsitzender VERBÄNDE wählt. Der Präsident des Chor- im Hauptamt. Er ist für die Aus- verbandes Rheinland-Pfalz, richtung und Durch füh rung Karl Wolff, und der Leiter der des landesweiten und nach- SWR2 Landesmusikredaktion, haltigen Förderprogramms für Peter Stieber, wurden in ihrem populäre Mu sik verantwortlich Amt als Vizepräsidenten be- (Rockbuster-Newcomer Con- stätigt. Neu in diesem Amt ist test). Seit 2005 ist Graf Präsi- Markus Graf, der 1. Vorsitzen - diumsmitglied des Landesmu- de der LandesArbeitsGemein- sikrates Rheinland-Pfalz. Seit schaft Rock&Pop Rheinland- 2006 ist er Projektleiter des Pfalz. Graf löst damit Christa renommierten Internationalen Posaunentag mit Nils Landgren und hundert Schäfer, Mitglied des erweiter- Lahnsteiner Bluesfestivals und Blechbläsern beim Mitmach-Konzert ten Vorstands des Landesver- Gast dozent an der Popakade- bands der Musikschulen, als mie Mannheim. Vor hunderten von Menschen vom Posaunenensemble der Vizepräsident ab. Markus Graf eröffneten Nils Landgren und Nordelbischen Posaunenmis- Jonas Bylund mit einem Volks- sion und vom LandesJugend- ■ Archiv Frau und Musik lied in eigener Bearbeitung das JazzOrchester mit Nils Land- vom Landesmusikrat veran- gren. Danach wurden Noten- Radikal verändern: Belma Bešlic-Gál stalte Fest auf dem Lübecker ständer und Instrumente im Markt. Sie vernahmen die Be- Publikum ausgepackt. Unter „VOM NICHTS“ ist der verhei- grüßung von Lübecks Bürger- Leitung von Landesposaunen- ßungsvolle Titel des Porträt- meister Bernd Saxe und das wart Daniel Rau probten alle konzerts der diesjährigen Ge- Gespräch von NDR-Moderator Teilnehmer die vier Stücke. Nils winnerin von „Composer in Benedikt Stubendorff mit Kul- Landgren und Jonas Bylund Residence – Komponistinnen turmanagerin Antje Peters-Hirt sollten beim Gesamtdurchlauf nach Frankfurt“, das am 23. und anschließend dem Präsi- improvisieren. Mit einem Jazz- November in der Frankfurter denten des Landesmusikrates Konzert der „Beastie Bones“ Musikhochschule stattfinden Dr. Klaus Volker Mader. Naht- ging der Tag auf dem Markt- wird. In Zusammenarbeit mit los knüpften daran die Kon- platz zu Ende. dem Institut für Zeitgenössi- zerte an, der „salt peanuts“, © Alija Kamber sche Musik (I z M) werden unter anderem das Ensemble- Großteil der Werke der ‚irdi- stück LAKES (unter der Lei- schen’ instrumentalen Musiktra- LandesJugendChor Schleswig-Holstein feiert tung von Gerhard Müller- ditionen dort schlicht und ein- sein 25-jähriges Jubiläummit zwei Konzerten Hornbach) sowie der Lieder - fach nicht spielbar sein wird“, zyklus NGC 3372 erklingen. In reflektiert die Musikerin und Von Bach über Brahms und wuchses. Schwerpunktmäßig LAKES spiegelt sich in ganz be- entwickelt ein einzigartiges mu- hin zu den skandinavischen hatte es sich die künstlerische sonderer Weise das Anliegen sikalisches Konzept. Lacus tem- Komponisten Hartmann und Leitung von Anfang an zur der Komponistin. Die Entste- poris for weightless orchestra Gade – im Festkonzert zum Aufgabe gemacht, sowohl die hung dieses Zyklus von Klang- nennt sie dieses Projekt. 25. Geburtstag wurden Werke a cappella-Tradition des Chor- bildern beruht auf extrater res - Was utopisch klingt, soll je- des zentralen Chorrepertoires gesangs verschiedener Epo- trischen Vorgängen, auf der doch naturwissenschaftlich un- dargeboten. Der Norddeutsche chen zu pflegen als auch dem Faszination für die unendliche termauert werden. Belma Bešlic- Rundfunk schneidet die Kon- weiten Feld der neuen Musik Vielfalt astronomischer Phä- Gál gelingt es, renommierte Ins- zerte mit und widmet dem Ju- in den Konzertprogrammen nomene. titutionen für ihre Idee zu ge- biläum eine Sendung. Längst Raum zu ge ben. Eine ausge- „Bereits in fünfzig Jahren winnen, die das Forschungsvor- ist der Chor unter der künstle- wogene Auswahl geistlicher könnte es soweit sein, dass Kon - haben mit einem ersten Para- rischen Leitung von Matthias und weltlicher Literatur unter- zerte in Weltraumstationen oder belflug im Frühjahr 2013 unter- Jan, fester Bestandteil der Mu- streicht die Vielseitigkeit des auf Mondbasen stattfinden. Und stützen. Erste Förderanträge sind sikszene Schleswig-Holsteins Chors, der bewusst Werke auf- wenn es soweit ist, wird man gestellt, weitere Sponsoren wer- und ein wichtiges Instrument führt, die für einen Klangkör - einsehen müssen, dass aufgrund den gesucht! des Landesmusikrates in der per mit jungen Stimmen be- der veränderten Gravitation der Dr. Cornelia Preissinger Förderung des begabten Nach - sonders geeignet sind.

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Erste Pläne für die EU-Kulturförderung ab 2014 Sabine Bornemann Drachen auf Stelzen, gebaut von Oakleaf Creativity Hamburg, auf dem Aalborg Karneval Mai 2010

Seit Ende Juni zeichnet sich in ersten derspruch, sondern sind sehr wohl ver- rung explizit und in größerem Umfang Umrissen ab, was der Europäischen einbar. Diverse von der EU beauftragte als bisher als eigenes Förderziel auch in Kommission – genauer gesagt der Ge- Studien wie Die unternehmerische Dimension andere, finanziell wesentlich besser aus- neraldirektion für Bildung und Kultur der kulturellen und kreativen Industrien oder gestattete Förderprogramme der EU auf- – hinsichtlich der künftigen Kulturför- Beitrag der Kultur zu lokaler und regionaler zunehmen. Bislang seien die großen Pro- derung vorschwebt. Mit Spannung war Entwicklung – Beispiele aus den Strukturfonds gramme für die innovativen kleineren der Entwurf für den „Mehrjährigen Fi- begründen hinsichtlich Innovation, und mittleren Unternehmen kaum zu- nanzrahmen der EU“ für die Jahre Wachstum und Beschäftigung eindeutig gänglich. In Frage kommen hier z. B. das 2014 bis 2020 erwartet worden, der in den hohen Stellenwert, den Kulturförde- Forschungsrahmenprogramm, das Pro- ersten Umrissen die geplanten neuen rung auch im wirtschaftlichen Sinne hat. gramm für Wettbewerbsförderung und Förderstrukturen nach der Haushalts- Untersuchungen über die Langzeitwir- Innovation (CIP), die Programme der reform aufzeigt. kung der Mittel für die Europäischen EU-Außenbeziehungen und die Struktur- Kulturhauptstädte Linz und Liverpool ha- fonds. ben u. a. erwiesen, dass jeder investierte Dem Entwurf vorangegangen war ei- Euro dort vier bzw. sogar acht weitere Quadratur des Kreises? ne dreimonatige Online-Befragung des Euros erwirtschaftete. Der Lösungsvorschlag für die komplexe Sektors und die Veröffentlichung der Stel- Selbstverständlich tragen aber auch Non- Aufgabe, den europäischen Kultursektor lungnahmen, dann eine gut besuchte An- Profit-Projekte zur Kreativwirtschaft bei; zum Wohle aller bestmöglich zu stärken, hörung in Brüssel, in der die Teilnehmen- auch dort wird Geld umgesetzt und ver- steht in den Mitteilungen und Arbeitspa- den ausführlich zu Wort kamen. Die Kul- dient, auch wenn dies nicht das primäre pieren der EU-Kommission zum Mehrjäh- tur(staats)minister von Polen, Frankreich, Ziel ist. Kulturelles Schaffen soll und kann rigen Finanzrahmen der EU für die Jahre Spanien und Deutschland setzten sich in man aber nicht ausschließlich nach sei- 2014 bis 2020. Das Zahlenwerk wird gemeinsamer Aktion bei Kommissions- nem ökonomischen Mehrwert bewerten. nach der Haushaltsreform generell trans- präsident José Manuel Barroso dafür ein, Wesentlich nachhaltiger und wirkungs- parenter werden und die Ausgaben effek- das Programm Kultur und das Filmför- voller ist die soziale und edukative Aus- tiveren Nutzen abwerfen – so die Absicht. derprogramm Media, die sich an unter- wirkung, die sich langfristig natürlich Um der bestehenden Fragmentierung der schiedliche Zielgruppen richten, vonei- auch wieder wirtschaftlich rechnet. Das einzelnen Programme entgegenzuwir- nander unabhängig und (mindestens) aktuelle Programm Kultur (2007-2013) ken, sind Programme gebündelt worden, mit ungekürzter finanzieller Ausstattung ist vor allem ausgerichtet auf europäische damit sie gemeinsam eher über die kriti- weiter bestehen zu lassen. Zwei denkbare Integration, auf gegenseitiges Kennenler- sche Masse verfügen, eine Langzeitwir- Szenarios bereiteten dem europäischen nen und Voneinander-Lernen und auf die kung entfalten zu können. Für den Be- Kultursektor nämlich Kopfzerbrechen: Professionalisierung des Kultursektors. reich Jugend-, Aus- und Weiterbildung Zum einen, dass die Mitgliedstaaten im Zum Schutz der kulturellen Unabhängig- soll es künftig ein gemeinsames Pro- Zuge des allgemeinen Sparzwangs das keit der Mitgliedstaaten darf dabei ledig- gramm namens „Education Europe“ ge- ohnehin äußerst geringe Sieben-Jahres- lich transnationale, nicht erwerbsorien- ben. Für den Kulturbereich ist ein neues Budget von derzeit 400 Millionen Euro tierte Kooperation bezuschusst werden. Rahmenprogramm namens „Creative noch weiter reduzieren könnten. Zum Ein Programm mit solch einer Ausrich- Europe“ vorgesehen. Es soll drei unab- anderen, dass die künftige stringente Aus- tung ist für Europa und seinen Kultursek- hängige Säulen haben: Eine ist das bishe- richtung aller EU-Förderprogramme auf tor wichtig und wirkt nebenbei und rige Programm Kultur, eine weitere die die „Europa 2020“-Strategie einhergehen langfristig natürlich auch positiv im öko- bisherigen Programme Media und Media würde mit einer zu starken bzw. zu ein- nomischen Sinne. Dieses vergleichsweise Mundus. Als drittes unabhängiges Seg- seitigen ökonomischen Ausrichtung der kleine Programm weiter für die Kreativ- ment soll ein neues Finanzierungsinstru- Kulturförderung. wirtschaft zu öffnen, wie von Einzelnen ment für den Bereich Kultur- und Krea- gefordert, wäre jedoch nur dann sinnvoll, tivwirtschaft hinzukommen. Kreativwirtschaft versus wenn sein aktuelles Budget mindestens Dass Kultur und Bildung einen hohen Kulturförderung? verdoppelt würde. Stellenwert für die Ziele der Strategie Die Begriffe „Kreativwirtschaft“ und „Kul- Wesentlich wirkungsvoller wäre es, so „Europa 2020“ haben, lässt sich an den turförderung“ stehen keinesfalls im Wi- die Empfehlung der Studien, Kulturförde- von der EU-Kommission vorgeschlage-

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nen Budgeterhöhungen für beide Rah- es keine belastbaren Zahlen, die alle Zu- menprogramme ablesen: Für „Education schüsse nach Ländern aufteilen. Die offi- Europe“ sind 15,2 Milliarden Euro veran- zielle Statistik weist die gesamten Projekt- schlagt, für „Creative Europe“ 1,6 Mil- zuschüsse jeweils dem federführenden liarden. Gegenüber den aktuellen Pro- Land zu, was nicht der Realität ent- grammen Kultur und Media/Media Mun- spricht, da die Mittel über alle Koopera - dus wäre letzteres (inflationsbereinigt) tionspartner verteilt werden. Macht man ein Zuwachs von immerhin rund 450 sich die Mühe, die Beträge pauschal für Millionen für einen Zeitraum von sieben alle an geförderten Projekten beteiligten Jahren. Über die Verteilung der Mittel auf Akteure auszurechnen, kommt man zu die unterschiedlichen Förderbereiche dem Ergebnis, dass rund zehn Prozent wird noch zu debattieren sein. Mit einem der verausgabten Mittel an Deutschland näher ausformulierten Entwurf ist erst gehen. In den vergangenen fünf Jahren Ende November 2011 zu rechnen, der waren dies rund 24 Millionen Euro. In endgültige Beschluss erfolgt dann in der den wichtigsten Förderbereichen (Ko- zweiten Jahreshälfte 2013. operationsprojekte und Betriebskostenzu- schüsse für europaweit tätige Kulturorga- Den Kultursektor stärken! nisationen) lag Deutschland bezüglich Mit einer persönlichen Video-Grußbot- der Anzahl der geförderten Kulturakteure schaft hat Kommissionpräsident Barroso zusammen mit Italien, Frankreich, Bel- im vergangenen Herbst den Start der gien und Großbritannien immer unter Kampagne „We are more – act for culture den ersten Fünf und mehrfach sogar an in Europe!“ unterstützt. Das große euro- erster Stelle. Wenn man bedenkt, dass das päische Kulturnetzwerk Culture Action Programm Kultur zu den kleinsten EU- Europe, das sich in Art eines Verbandes Programmen gehört und sich 36 Staaten Aus drei mit über einhundert Mitglieds-Netzwer- daran beteiligen können, ist das ein äu- ken für den europäischen Kultursektor ßerst zufriedenstellendes Ergebnis. Mit einsetzt, will mit dieser Aktion bis 2013 der von der EU-Kommission vorgeschla- auf die Stärkung des europäischen Kul- genen Erhöhung des Förderbudgets für tursektors und ein starkes, unabhängiges das künftige Programm „Creative und finanziell gut ausgestattetes europäi- Europe“ könnte dieses Ergebnis sogar In Fortsetzung unseres Themenschwer- sches Kulturförderprogramm hinwirken. noch gesteigert werden. Sich dafür bei punkts „Burnout im Mutterleib“ kriti- Ein weiteres Ziel ist, Kultur- und Kreativ- den nationalen Entscheidungsträgern ein- siert Rüdiger Kruse den Beschluss der wirtschaft in den Strukturfonds als eige- zusetzen, lohnt! Kultusministerkonferenz, die Fächer nes Förderziel aufzunehmen. Hierfür Musik, Kunst und Sport zu einem Stu- muss vor allem auf nationaler Ebene ge- Informationen: http://ec.europa.eu/budget/biblio/do- dienbereich „Ästhetische Bildung“ zu- worben werden. Unter www.wearemo- cuments/fin_fwk1420/fin_fwk1420_de.cfm sammenzufassen. sowie www.ccp-deutschland.de re.eu/join wird aktuell ein 16 Seiten star- kes „Message-Book“ mit unterstützenden Eine neue Idee ist im Land, es war ja Argumenten und Fakten angeboten, au- auch lange Ruhe an der Bildungsfront.

ßerdem ein Manifest, das binnen weniger Sabine Bornemann leitet seit 1998 den Cultural Con- Objekt der Beschäftigung sind die drei Wochen bereits 20 000 Kulturakteure un- tact Point Germany (CCP), die nationale Kontaktstelle Fächer Sport, Kunst und Musik. Da so- terzeichneten. Jede weitere Unterschrift für das Kulturförderprogramm der Europäischen Union. wieso irgendwie alles mit allem zusam- stärkt die Kampagne! Rechtsträger dieser Beratungsstelle ist seit 2004 die menhängt, erscheint es doch nahe lie- Kulturpolitische Gesellschaft, der Deutsche Kulturrat gend, zumindest schon mal diese drei Rückflüsse aus dem EU-Budget kooperiert. Zuvor war sie tätig in der Alanus Hoch- Bereiche zu einem Fach zusammenzufas- schule für Kunst und Gesellschaft (Alfter) und der nach Deutschland sen. Keine Einzelfächer Musik, Sport und Heinrich Böll Stiftung in Köln/Berlin. Heute gilt sie als Die Mittelrückflüsse aus dem Programm Expertin zum Thema „EU-Kulturförderung“, zu dem Kunst mehr, sondern nur noch ein Fach Kultur nach Deutschland sind derzeit üb- sie regelmäßig mit Publikationen, Vorträgen und „Ästhetische Bildung“. Die Nähe lässt rigens weit besser als ihr Ruf. Leider gibt Seminaren beiträgt. sich schnell nachvollziehen, schließlich

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Ästhetisch anzusehen, aber wirklich kulturell gebildet?

Wie werden denn eigentlich die Gesamt- noten in diesem Fach gebildet? Welchen Anteil hat Basketball und welchen die Fä- higkeit, Noten schreiben zu können? Ich empfehle von vornherein das bewährte „teilgenommen“, wie ich es noch aus dem Fach Religion kenne. Das beschleu- nigt dann auch die Arbeit der Lehrer, denn das Zensieren entfällt. Kürzere Zeugniskonferenzen, kein langes und un- angenehmes Argumentieren mit Schülern (und Eltern) über gerechte und unge- rechte Zensuren. Die Kultusminister soll- ten nicht vergessen, dies bei der Lehrer- arbeitszeit zu berücksichtigen, also einzu- kürzen, denn wer nicht zensieren muss, kann anderswo mehr arbeiten. Es gibt übrigens noch weitere Sanie- rungsbeiträge zu den öffentlichen Haus- halten, fände dieses Modell Anwendung: © Christopher Futcher Mit jeder Generation Schüler, die diese Nicht-Bildung durchlaufen haben, wird der Anteil an Kulturinteressierten man- gels Kenntnis sinken. Letztlich so weit, mach keins dass es keine Begründung mehr für Zu- schüsse zu Opern- und Theaterhäusern, zu Konzert- und Kunsthallen gäbe. Nach- Wie kulturelle Bildung nachhaltig zerstört wird Rüdiger Kruse haltiger kann man gar nicht sein. Das Modell „Ästhetische Bildung“ ist na- türlich auch noch erweiterungsfähig, beginnen viele Sportveranstaltungen mit flöte spielenden Sportlehrern als Musik- schließlich sind Sprachen dem Bereich Musik (Nationalhymnen), Kunst zeigt lehrer betrieben hat, wurde nun ein rich- der Ästhetik ohne Weiteres zuzuordnen. seit der Antike gern sportliche Körper tiges Konzept gemacht, das alle Vorteile Nach dem gleichen Modell könnten dann (von Michelangelos David bis Norbert des freien Verschiebens vereint: Sport, die Fächer Chemie, Physik, Biologie und Biskys Beach Boys) und nicht nur Dirigie- Musik und Kunst werden ein Unter- Mathematik zum Bereich „Naturwissen- ren ist oft eine sportliche Leistung. Es richtsfach. Vorbei sind die Beschwerden schaftliche Bildung“ zusammengeführt passt also alles irgendwie zusammen. von Eltern, dass eines dieser Fächer stän- werden. Was aus den Fächern Geschichte Wer um Himmels Willen ist warum nur dig ausfällt, weil der Lehrer krank ist, und Philosophie werden soll, müsste auf die Idee gekommen, wertvolle, wich- oder aber keine adäquate Besetzung ge- noch geklärt werden. Der Tendenz fol- tige Fächer im Bildungskanon wie Sport, geben ist. In diesem All-in-one-Unter- gend schlage ich vor: „vernachlässigbare Musik und Kunst zu einem Fach zu ver- richtsfach können nun die Schwerpunkte Bildung“. schmelzen? Alle drei Fächer werden mit so gesetzt werden, wie eben die Möglich- dieser Fusion doch abgewertet. Politisch keiten vorhanden sind. Ist die Sporthalle unkorrekt und polemisch ausgedrückt kaputt, gibt’s mehr musische Erziehung. Rüdiger Kruse ist seit 2009 direkt gewählter CDU- hier ein Erklärungsversuch: Eignen sich die Sport-, Englisch- oder Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Hamburg- Eimsbüttel. Er ist Mitglied im Haushaltsausschuss Aus den Erfahrungen, dass man in der Deutschlehrer beim besten Willen nicht des Deutschen Bundestages und dort Berichterstat- Vergangenheit, gelegentlich und der Not als Musiklehrer, gibt es mehr Sport – ter für Kultur und Medien. Außerdem ist Rüdiger Kru- gehorchend, die Wiederverwendung von nicht ohne Hinweis an die Kinder, dass se Mitglied im Parlamentarischen Beirat für nachhal- z. B. durch Unfall nicht mehr einsetzba- ein gesunder Geist in einem gesunden tige Entwicklung des Deutschen Bundestags und ren, in ihrer Jugend Gitarre oder Block- Körper residieren will. stellvertretender Vorsitzender der CDU Hamburg.

4/11 52 bildung | forschung Topografie des Musikstudiums

Universitäten, Pädagogische Hochschulen und Fachhochschulen STUDIENGÄNGE Studiengänge für Musikberufe Musikwissenschaft Lehramt Musik an der allge- mein bildenden Schule bzw. allgemeine Musikpädagogik Künstlerische und/oder Künst- lerisch-pädagogische Ausbil- dung (Instrumental- und Universität Flensburg Gesangspädagogik ö. ä.) einschließlich Kirchenmusik (A oder B bzw. Diplom)

Christian-Albrechts- Musiktherapie Universität (Kiel) Sonstige Ernst-Moritz-Arndt- Universität Greifswald Hochschulverbund

Universität Hamburg

Universität Oldenburg Universität Bremen Leuphana Universität Lüneburg

Hochschule Bremen Technische Hochschule Vechta Universität Berlin Hochschule der populären Künste (Berlin) Humboldt-Universität zu Berlin Technische Universität Universität Potsdam Carolo Wilhelmina (Braunschweig) Fachhochschule Osnabrück Fachhochschule Potsdam Freie Universität Universität Osnabrück Berlin Europa-Universität Hochschule für Film und Universität Viadrina Fernsehen Potsdam- (Frankfurt (Oder)) Bielefeld Babelsberg Universität Universität Hochschule Magdeburg- Hildesheim Stendal (Magdeburg) Westfälische Wilhelms- Paderborn Universität Münster (Detmold) Martin-Luther-Universität Universität Paderborn Halle-Wittenberg Hochschule Lausitz (Halle (Saale)) (Cottbus) Technische Universität Universität Dortmund Georg-August-Universität Dortmund (Göttingen) Universität Witten/ Universität Leipzig Hochschule Herdecke (Witten) Zittau/Görlitz Bergische Universität Wuppertal Universität Kassel Dresden International Technische Universität Universität Siegen Universität zu Köln University Dresden Universität Erfurt Philipps-Universität Rheinische Friedrich- Marburg Friedrich Schiller Wilhelms-Universität (Bonn) Universität Jena Justus-Liebig- Universität (Gießen) Universität Koblenz-Landau (Koblenz) Fachhochschule Frankfurt

Otto-Friedrich- Goethe-Universität Universität Bamberg Universität   (Frankfurt a.M.)   Johannes Gutenberg- Bayreuth Universität (Mainz) Julius-Maximilians- Universität Würzburg Hochschule für angewandte Wissenschaften - © Deutscher Musikrat/ Technische Universität Pädagogische Hochschule Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (Würzburg) Deutsches Musikinformationszentrum Kaiserslautern Heidelberg Universität des Saarlandes Friedrich-Alexander-Universität (Saarbrücken) Ruprecht-Karls-Universität Erlangen-Nürnberg (Nürnberg) SRH Hochschule Heidelberg (Heidelberg) Hochschule Heilbronn Universität Koblenz- (Künzelsau) Hochschule für angewandte Wissenschaften - Landau (Landau) Fachhochschule Regensburg Pädagogische Pädagogische Hochschule Hochschule Ludwigsburg Karlsruhe Universität Regensburg

Hochschule der Medien Katholische Universität (Stuttgart) Pädagogische Eichstätt-Ingolstadt (Eichstätt) Hochschule Universität Passau Eberhard Karls Schwäbisch Gmünd Universität (Tübingen) Pädagogische Hochschule Universität Augsburg Ludwigsburg (Reutlingen) Albert-Ludwigs- Universität (Freiburg i.Br.) Ludwig-Maximilians- Pädagogische Pädagogische Universität (München) Hochschule Hochschule Weingarten Freiburg/Breisgau

Zeppelin University (Friedrichshafen)

Staatsgrenze 025 5075 100 km Ländergrenze

4/11 bildung | forschung 53

Weitere Informationen zu den Studienangeboten der Ausbildungs- ART DER EINRICHTUNG stätten und zur beruflichen Musikhochschule Musikausbildung finden Sie auf Universität mit Musikhoch- der Website des MIZ unter schulabteilung bzw. kirchen- www.miz.org. musikalischem Institut Konservatorium, Fachakademie Musikhochschulen, Konservatorien, Fachakademien und Kirchenmusikhochschule Institution mit mehreren Kirchenmusikhochschulen 2009/2010 Standorten

ZAHL DER STUDIERENDEN 1273

500 100 19

Anmerkung: Aufgeführt sind die Mitglieder der Rektorenkonferenz der Musikhoch- schulen, der Arbeitsgemeinschaft deutscher Musikakademien und Konservatorien, der Konferenz der Leiter der kirchlichen und der staatlichen Ausbildungsstätten für Kirchen- musik und der Landeskirchenmusikdirek- toren in der Evangelischen Kirche sowie der Institut für Kirchenmusik Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Musikhochschule Ausbildungsstätten für katholische Kirchen- Lübeck Hochschule für und Musikwissenschaft Musik und der Ernst-Moritz-Arndt- musik in Deutschland, letztere sofern min- Theater Rostock Universität Greifswald destens ein B-Examen bzw. gleich- oder höherwertige Abschlüsse erworben werden Hamburger können. Ebenfalls berücksichtigt wurden die Konservatorium Universitäten Mainz und Münster, da sie über eigene Musikhochschulabteilungen verfügen, sowie die Popakademie Baden- Württemberg. Datenstand ist jeweils das Hochschule für Wintersemester 2009/10. Hochschule für Musik und Theater Künste Bremen Hamburg 1 nur Studierende des Fachbereichs Musik, Studierende insgesamt: 3463 2 Studierende im Standort Duisburg werden nicht separat ausgewiesen und sind im Standort Essen enthalten.

Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin Hochschule für Kirchen- Hochschule musik der Evangelischen für Musik, Theater und Kirche von Westfalen, Medien Hannover Herford Universität der Musikhochschule Münster Künste Berlin in der Westfälischen (UdK) 1 Wilhelms-Universität Hochschule für Musik Detmold

Evangelische Hochschule für Folkwang Hoch- Hochschule für Musik und Theater Folkwang Universität Kirchenmusik Halle „Felix Mendelssohn schule, Standort 2 Duisburg 2 der Künste, Essen Bartholdy” Leipzig Hochschule für Musik Robert Hochschule für Carl Maria von Weber Schumann Musik und Tanz Köln, Dresden Hochschule Standort Wuppertal Düsseldorf Musikakademie, Kassel Hochschule für Hochschule für Musik Kirchenmusik der und Tanz Köln Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Dresden Hochschule für Dr. Hoch’s Hochschule für Musik Musik und Tanz Köln, Franz Liszt Weimar Standort Aachen Konservatorium- Musikakademie Frankfurt am Main Wiesbadener Musikakademie Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main Hochschule für Musik   der Johannes-Gutenberg-   Universität, Mainz Akademie für Hochschule für Hochschule für evangelische Peter-Cornelius-Konser- Tonkunst Kirchenmusik der evangelisch- Darmstadt Musik Würzburg © Deutscher Musikrat/ vatorium der Stadt Mainz lutherischen Kirche in Bayern, Deutsches Musikinformationszentrum Popakademie Bayreuth Hochschule für Musik Baden-Württemberg, und Darstellende Mannheim Kunst Mannheim Hochschule für Kirchenmusik der Evangelischen Landes- kirche in Baden, Heidelberg Hochschule für Musik Hochschule für katholische Saar, Saarbrücken Kirchenmusik und Musik- pädagogik Regensburg Staatliche Hochschule für Hochschule für Musik und Darstellende Musik Karlsruhe Kunst Stuttgart Hochschule für Musik Hochschule für Kirchenmusik Hochschule für Kirchenmusik Nürnberg der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Evangelischen Landes- Rottenburg am Neckar kirche in Württemberg, Tübingen

Staatliche Hochschule Hochschule für Musik für Musik Trossingen und Theater München

Hochschule für Musik Freiburg im Breisgau

Staatsgrenze 025 5075 100 km Ländergrenze

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WER KOMMT – WER GEHT

Probleme und Potenziale der Publikumsforschung in Deutschland Robin Kuchar und Volker Kirchberg

Alles ist Marketing – aber was ist schon ein gutes Marketing ohne Marktforschung, ohne den jeweiligen Absatzmarkt zu kennen? Das gilt für moderne Unternehmen ebenso wie für den Kulturbereich. Zur Untersuchung des Publikums existieren viele theoretische Modelle und Studien und dennoch fehlt es bis jetzt an einer befriedi- genden Besucherforschung in Deutschland. Kommen und Gehen im Konzerthaus © Marilyn Nieves

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– und warum?

Stirbt das Publikum für klassische Mu- geblich nach sozialen Klassenaspekten entscheidungen, auch bei der Auswahl ei- sik tatsächlich aus? Warum interessieren richtet. Während hochkulturelle Aktivitä- ner lebensstilgerechten Kultur ausgeht. sich vor allem jüngere Bevölkerungs- ten vor allem den sozialen Eliten und Demnach sind im Gegensatz zu Bourdieu schichten eher für popkulturelle Themen? dem Bildungsbürgertum vorbehalten sei- und Peterson weniger sozialstrukturelle Wer besucht überhaupt noch altgediente en, kämen für sozial schwächer gestellte Faktoren oder der Aspekt der Bildung als Kulturinstitutionen wie Konzerthaus, Klassen wie beispielsweise Arbeiter oder vielmehr individuelle Faktoren wie per- Oper, Theater oder Museum? das absteigende Kleinbürgertum lediglich sönlicher Geschmack, Interesse etc. für Derartige Informationen sind für die Ein- die Formen populärer Massenkultur in die Besuchsentscheidung relevant. richtungen im Musik- sowie im gesam- Frage. Aktuell nehmen kulturpolitische Über - ten Kulturbereich längst zu einem exis- Ausgehend von Bourdieus Erkenntnissen legungen zur demografischen Bevölke- tenziellen Faktor geworden. Auf Grund und der neuen empirischen Ausrichtung rungsentwicklung und die Annahme, der Stagnation von Fördergeldern bei der amerikanischen Kultursoziologie ent- dass sich eine Schere zwischen kulturel- gleichzeitig steigenden Produktions- und wickelte sich das Forschungsfeld seit An- len Angeboten und ihrer Nachfrage öff- Betriebskosten wird das Wissen um das fang der 1980er-Jahre in unterschiedli- net, einen prominenten Platz in der For- Publikum in den letzten beiden Jahrzehn- che Richtungen. Insbesondere mit den in schung ein. Bezogen auf das steigende ten immer bedeutender, um es gezielt in den USA kontinuierlich und breit ange- Durchschnittsalter der Bevölkerung prog- die Häuser zu locken. Aber wirken strate- legten empirischen Arbeiten dieser Zeit nostiziert eine Reihe von Artikeln auch in gische Überlegungen des Kulturmarke- verstärkte sich der Eindruck, dass es in Deutschland die Tendenz zur Überalte- tings auf Basis dieser Informationen auch der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zu rung und eine generelle Abnahme des langfristig, wenn das Besuchsverhalten als einer Aufweichung der strikten Trennung Kulturpublikums. Spiegelbild ausgeprägter gesellschaftli- von E- und U-Kultur kommt. Im Rahmen des allgemeinen demografi- cher Wandlungsprozesse verstanden wird? Vor allem seit den 1990er-Jahren finden schen Wandels („bunter“) ist auch eine sich mehrere, teilweise in Konkurrenz Betrachtung der Immigranten interessant, Gesellschaftliche Bedeutung des zueinander stehende Theorieansätze, die die bisher weitgehend vom Hochkultur- Konzert- und Kulturbesuchs den aktuellen theoretischen Rahmen der konsum ausgeschlossen zu sein scheinen. Die wissenschaftliche Basis für Untersu- Publikumsforschung bilden: Der US- Dabei stellt sich die Frage, ob sich dieser chungen, die den Kulturbesuch und des- amerikanische Soziologe Richard A. Pe- Ausschluss mit zunehmender Integration sen Ablehnung sowie die dafür zugrunde terson beispielsweise formulierte zur Er- abschwächt oder ob die soziale Ausgren- liegenden Ursachen beinhalten, liegt in klärung der Nutzung (hoch-)kultureller zung dieser Gruppen aus der Hochkultur der empirischen Kultursoziologie. Sie Angebote seine Omnivoren-These. Sie bestehen bleibt. geht davon aus, dass durch die Teilnahme geht auf Basis empirischer Daten zum Aktuelle Arbeiten zum Verhältnis von An- bestimmter gesellschaftlicher Gruppen an Musikgeschmack davon aus, dass vor al- gebot und Nachfrage im Kultur-, aber spezifischen Kulturangeboten detaillierte lem jüngere Menschen mit höherer Bil- insbesondere im Musikbereich befassen Aussagen über die soziale Stellung einzel- dung einen immer breiteren kulturellen sich mit der Angebotssteigerung durch ner Kultursparten, deren Nutzer sowie Geschmack entwickeln. Die Folge ist eine spektakuläre Neubauten in Städten, wie den gesellschaftlichen Zugang zu einzel- status-gleichberechtigte Nutzung einer etwa der Elbphilharmonie in Hamburg, nen Kulturgenres getroffen werden kön- Vielzahl von Angeboten aus Hoch- und deren Abdeckung auf Nutzerseite empi- nen. Kultur wird dabei als soziales Ab- Popkultur. Das ältere, traditionelle Hoch- risch bislang nicht evident ist. grenzungs- und Statusmedium verstan- kulturpublikum verliere somit zuneh- den. Einer der ersten Vertreter dieses For- mend an Bedeutung (zu Bourdieu und Empirische Studien schungszweiges, der Empirie und Theorie Peterson ausführlicher bei Michael Parzer Bei aller Unterschiedlichkeit der Thesen gleichberechtigt versteht, war der franzö- S. 18 in diesem Heft). und der theoretischen Modelle im Be- sische Soziologe Pierre Bourdieu. In sei- Einen radikal individualistischen Ansatz reich der Publikumsforschung liegt die nem Buch Die feinen Unterschiede von vertritt Ulrich Beck, der im Rahmen sei- Gemeinsamkeit der Untersuchungen in 1982 unterstreicht er die These, dass die ner Individualisierungsthese von der der Abhängigkeit von empirischen Daten. Nutzung kultureller Angebote sich maß- Freiheit des Einzelnen bei allen Lebens- Sowohl für die Zwecke des Kulturmana-

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links: Eine Bundesweite Erhebung des Kulturpubli- kums gibt es bislang nicht

rechts: demografische Veränderungen erfordern Erkenntnisse über das kulturelle Verhalten der deutschen Bevölkerung © Nikada gements als auch für die Überprüfung dienen sie als Überblick nationaler Publi- bung, die Einkommens- und Verbrau- und Weiterentwicklung von Thesen und kumsentwicklungen. Die Zugänglichkeit cherstichprobe oder die Laufende Wirt- theoretischen Modellen in der Kulturso- der Daten ermöglicht vor allem für die schaftsrechnung des Statistischen Bundes- ziologie sind valide Informationen zum Wissenschaft eine tiefergehende Beschäf- amtes bilden lediglich Daten für drei bis tatsächlichen Nutzungsverhalten, zum in- tigung mit auffälligen Phänomenen und vier der 17 relevanten Kulturgenres1 ab. dividuellen kulturellen Geschmack und erlaubt so die Überprüfung theoretischer Studien von halböffentlichen und priva- zu Einstellungen gegenüber kulturellen Annahmen auf nationaler Ebene. ten Institutionen wie dem Deutschen Genres und Institutionen entscheidend. Trotz der hochwertigen Resultate der Bühnenverein, dem Institut für Muse- Derartige, meist öffentlich finanzierte Er- meis ten Arbeiten gestaltet sich deren Ver- umsforschung, dem Musikinformations- hebungen mit einer regelmäßigen und gleichbarkeit bisher aber alles andere als zentrum oder der AG Medien erfassen repräsentativen Untersuchung der Ge- einfach: Unterschiedliche Methoden, ver- zwar jeweils genrespezifische Besuchs- samtbevölkerung finden auf internationa- schiedene institutionelle Unterscheidun- und Nutzungszahlen, allerdings geben ler Ebene seit den 1970er-Jahren statt. In gen (z. B. Museumstypen oder Musikgen- diese Statistiken weder Informationen zu einem aktuellen Forschungsprojekt der res) und differierende theoretische Aus- den Charakteristika der Besucher noch zu Leuphana Universität Lüneburg wurden gangspositionen machen die Gegenüber- Motiven und Einstellungen hinsichtlich 2010 über fünfzig empirische Publikums- stellung detaillierterer Aspekte in den ihrer Besuchsentscheidung. studien aus 16 Ländern evaluiert. Die Er- meisten Fällen schwierig. Wie das For- Eine Vielzahl diesbezüglicher, teilweise gebnisse zeigen, dass vor allem in Frank- schungsprojekt herausstellte, könnte eine auch im wissenschaftlichen Rahmen reich, den USA, Großbritannien und Skan- stärkere Beschäftigung und eine damit durchgeführter Arbeiten, beschränkt sich dinavien sowie seit einiger Zeit auch in verbundene methodische Annäherung bislang auf die Ebene lokaler und genre- den Benelux-Ländern die elaboriertesten mit verwandten Studien allerdings für spezifischer Studien. Im Musikbereich empirischen Arbeiten zu diesem Thema Verbesserungen sorgen. Ebenfalls würde finden sich exemplarisch einige Untersu- zu finden sind. sich mit der Einhaltung von Standards chungsansätze, darunter auf klassische In den USA beispielsweise erhebt der Sur- wie beispielsweise der Museumsklassifi- Musik fokussierte Publikumsanalysen wie vey of Public Participation in the Arts (SPPA) zierung des International Council of Mu- die Betrachtungen des Opernpublikums seit 1982 in Fünf-Jahres-Abständen das seums (ICOM) oder der UNESCO-Richt- von Karl Heinz Reuband2 sowie Unter- landesweite kulturelle Besuchs- und Nut- linien für Kulturstatistik eine bessere Ver- suchungen und Vergleiche des Konzert- zungsverhalten über sämtliche kulturelle gleichbarkeit realisieren lassen. publikums über verschiedene Genregren- Sparten vom Museum of Modern Art bis zen hinweg von Rainer Dollase u. a.3 und hin zu kulturbezogenen Fernsehforma- Publikumsforschung Hans Neuhoff.4 Sie liefern zwar wichtige ten. Ähnlich gestaltet sich die französi- in Deutschland Erkenntnisse über die Charakteristika der sche Studienreihe Les pratiques culturelles Im Rahmen des Projekts wurde ebenfalls Konzertbesucher unterschiedlicher Gen- des Francais, in der seit 1973 die kulturelle die Situation der Publikumsforschung in res, doch auch hier wäre es wünschens- Teilhabe der französischen Bevölkerung Deutschland näher betrachtet: Im Gegen- wert, die aus lokalen Erhebungen stam- dezidiert erfasst wird. Die Stärke dieser satz zu den meisten europäischen und menden Ergebnisse mit auf Bundesebene Studien liegt in einer detaillierten und nordamerikanischen Ländern ist die um- repräsentativen Daten zu vergleichen und theoretisch fundierten Aufarbeitung der fassende Erforschung des Kulturpubli- mit der ganzen Breite institutioneller Kul- Ergebnisse, die neben aktuellen Statistiken kums auf Bundesebene bestenfalls als lü- turangebote in Bezug zu setzen. auch Rückschlüsse auf Tendenzen und ckenhaft zu bezeichnen. Vielmehr zeigt Leider sind die bisherigen Studien, wie Veränderungen der Kulturnutzung in den sich die repräsentative Publikumsfor- auch in und zwischen allen anderen jeweiligen Ländern beinhaltet. Sowohl im schung hierzulande kleinteilig und un- Sparten, im Hinblick auf Erhebungstech- Bereich des Kulturmanagements als auch durchsichtig: Bundesweite Statistiken of- niken und Ergebnisse untereinander nur in der Politik und in der Wissenschaft fizieller Stellen wie die Zeitbudgeterhe- sehr bedingt vergleichbar. Eine Synthese

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Gründe nen gesellschaftlichen Rollen des Einzel- Die Hauptgründe für diese Situation lie- nen noch nicht in die Forschung einbe- gen vor allem in der (kultur-)politischen zogen wurden. Voraussetzung hierfür ist Struktur der Bundesrepublik. Das födera- jedoch die Erstellung repräsentativer sta- listische System, verbunden mit der Kul- tistischer Daten auf Basis der angespro- turhoheit der Länder, ließ eine einheitli- chenen theoretischen Ansätze, die es che öffentliche Kulturstatistik auf Bun- zumindest im Falle von Deutschland der Ergebnisse lokaler Studien mit dem desebene bislang nicht zu. Zudem be- schnellstmöglich herzustellen gilt. Ziel eines bundesweiten Überblicks ist durften die Hauptziele der Neuen Kultur- daher nicht möglich. politik, die gesellschaftliche Emanzipa - 1 Die 17 Bereiche der Kulturnutzung setzen sich zu- Zu dieser Tatsache gesellt sich ebenso ei- tion und die Demokratisierung durch sammen aus institutionellen Kulturangeboten wie Theatern, Museen, Konzerten, Bibliotheken sowie ne unklare Situation hinsichtlich verfüg- Kultur, lange Zeit keinerlei Rechtferti- historischen Stätten, Kinos und Galerien, außerdem barer Daten: Aufgrund der meist im halb- gung. Untersuchungen, die das Erreichen medial vermittelten kulturellen Inhalten via Radio, öffentlichen oder privaten Rahmen dieser Ziele hinterfragen, wurden seitens Fernsehen und Neue Medien, dem generellen Frei- durchgeführten Forschungsaktivitäten ist der Politik, vielleicht auch aus Angst vor zeitverhalten und selbst ausgeübten kulturellen Prak- tiken wie Lesen, Musizieren, Tanz etc. davon auszugehen, dass erhobene Daten negativen Ergebnissen, schlichtweg als 2 vgl. Karl Heinz Reuband: „Sterben die Opernbesu- oft unter Verschluss bleiben und nicht für nicht notwendig erachtet. Mittlerweile al- cher aus? Eine Untersuchung zur sozialen Zusam- weitere Auswertungen zur Verfügung ste- lerdings haben sich die Voraussetzungen mensetzung des Opernpublikums im Zeitvergleich“, hen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist nicht nur hinsichtlich der eingangs er- in: Armin Klein, Thomas Knubben (Hg.): Deutsches das Kulturbarometer, eine regelmäßige wähnten ökonomischen Zwänge der öf- Jahrbuch für Kulturmanagement 2003/2004, Baden- Baden 2005, S. 123-138. Untersuchung des Zentrums für Kultur- fentlichen Haushalte und damit auch der 3 Reiner Dollase, Michael Rüsenberg, Hans J. Stol- forschung. Es nimmt für sich zwar in An- kulturellen Einrichtungen verändert. Der lenwerk: Demoskopie im Konzertsaal, Mainz 1986. spruch, das kulturelle Verhalten der deut- durch Internet, Web 2.0 und andere In- 4 Hans Neuhoff: „Konzertpublika. Sozialstruktur, Men- schen Bevölkerung repräsentativ zu un- novationen immer größere Wettbewerb talitäten, Geschmacksprofile.“ Online abrufbar unter www.miz.org/static_de/themenportale/ einfuehrungs- tersuchen, das Datenmaterial wird aber auf dem Freizeitmarkt, die fortschreiten- texte_pdf/03_KonzerteMusiktheater/neuhoff.pdf nur als Tabellenband mit kurzer Zusam- de Aufweichung der Grenzen zwischen menfassung veröffentlicht und ist deshalb Hoch- und Popkultur und nicht zuletzt für eine weitergehende wissenschaftliche die zukünftigen demografischen Verände- Analyse außerhalb des Zentrums nicht rungen in der Gesellschaft erfordern ver- geeignet. tiefte Erkenntnisse über das kulturelle Volker Kirchberg, Diplom-Soziologe, ist seit Oktober So ist es nicht verwunderlich, dass so- Verhalten der deutschen Bevölkerung. 2004 Universitäts-Professor für Kulturvermittlung und wohl unser universitäres Forschungspro- Kulturorganisation in den Kulturwissenschaften der jekt wie auch die vom Bundestag einge- Fazit Leuphana Universität Lüneburg. Bis 2004 war er mit setzte Enquetekommission „Kultur in So dramatisch es klingt: Die aktuelle Si- Forschungs- und Lehrtätigkeiten in den USA betraut Deutschland“ und die einschlägige Über- tuation macht Deutschland hinsichtlich und habilitierte 2003 an der Freien Universität Berlin. blicksliteratur zur Besucherforschung in einer umfassenden Publikumsforschung Schwerpunkte: Besucherforschung für Museen und Deutschland zu identischen Ergebnissen zu einem „weißen Fleck“. Forschungslü- Stadtforschung im Schnittbereich von Kultur und gelangen: Auch wenn sich eine Vielzahl cken auf breiter Ebene, die es in Zukunft Stadtentwicklung. genrespezifischer und lokaler Ansätze fin- zu schließen gilt, betreffen neben dem Robin Kuchar studierte Kulturwissenschaften mit den lässt, ist die Gesamtsituation der re- Mangel einer repräsentativen empiri- den Schwerpunkten Musik und Kulturvermittlung/ präsentativen Bevölkerungsforschung zum schen Datenbasis in besonderem Maße Kulturorganisation und ist seit 2009 als Wissen- Kulturbesuch in Deutschland unbefriedi- die Analyse von Nichtbesuchern, also den schaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der gend. Insbesondere durch den Mangel ei- Mitgliedern der Gesellschaft, die kulturel- Leuphana Universität Lüneburg tätig. Er promoviert ner auf nationaler Ebene repräsentativen le Angebote nicht wahrnehmen, nicht am dortigen Institut für Kulturtheorie, Kulturforschung Studie ist die dezidierte Untersuchung annehmen können oder sogar aktiv ab- und Künste zum Thema „Bedingungen musikalischer des kulturellen Verhaltens der Bundesbür- lehnen. Eine simple Kontrastierung zu Produktion im urbanen Raum“. Daneben arbeitete er im Forschungsprojekt „A Survey of Surveys“ zu inter- ger – zum Beispiel auch zu den Gründen den typischen Eigenschaften von Besu- nationalen Studien und Theorien zum Kulturbesuch des Nichtbesuchs – auf wissenschaftli- chern ist hier in jedem Falle zu reduktio- und befasst sich mit den Wechselwirkungen von Glo- cher und politischer Ebene bisher kaum nistisch, zumal individuelle Aspekte wie balisierungsprozessen und der Produktion populärer möglich. soziale Restriktionen und die verschiede- Musik.

4/11 © Andrea Kusjada, pixelio wirtschaft | recht 59 Höhere Mehrwertsteuer FÜR NOTEN?

Brüssel will „harmonisieren“: die Pläne der EU-Kommission zur Zukunft der Mehrwertsteuer Hans-Willi Hefekäuser

In Europa existieren zahllose unterschiedliche Mehrwertsteuersätze und -arten. Nun will die EU-Kommission den Mehrwertsteuersatz vereinheitlichen. Druckerzeugnisse wie Noten, die bisher unter einen ermäßigten Steuersatz fallen, könnten nun teurer werden.

Eines der Hauptanliegen der Europäi- land anzusiedeln. Nicht wenige Mitglieds- für sich gesehen bedeutsam, weil schon schen Kommission ist es seit jeher, die staaten haben diese Praxis als nicht unbe- daraus Erhöhungspotenziale im Interesse rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmen- dingt fair empfunden. Dass Irland sich einer europäischen Harmonisierung poli- bedingungen in so gut wie fast allen Le- dabei übernommen hat und jetzt auf eu- tisch ohne Weiteres abgeleitet werden bensbereichen europaweit so rasch und ropäische Solidarität unter dem Euro-Ret- können. So ist es bei den Mehrwertsteu- so tiefgreifend wie möglich zu verein- tungsschirm angewiesen ist, steht auf ei- er-Erhöhungen in Deutschland in der Ver- heitlichen. Dabei steht der Wunsch nach nem anderen Blatt. gangenheit ja auch bereits praktiziert Harmonisierung häufig stärker im Vor- Beleg für die wenig harmonischen Steu- worden. dergrund als die bedeutende Frage, ob es erverhältnisse in Europa liefern auch die Noch bunter aber wird das Bild, wenn sich um einen Rechts- oder Lebensbereich jüngsten Vereinbarungen zwischen Frank- man einen Blick auf die Sondertatbestän- handelt, für den die Europäische Union reich und Deutschland zur Angleichung de wirft. Es gibt kein europäisches Land, nach den EU-Verträgen zuständig ist. der Einkommens- und Unternehmens- das nur einen Mehrwertsteuer-Satz kennt. Nach dem so genannten Grundsatz der steuern in den beiden Ländern sowie da- Im Gegenteil: Insgesamt lassen sich nicht begrenzten Einzelermächtigung darf die rüber hinaus in der gesamten Euro-Zone. weniger als fünf verschiedene Steuersätze EU autonom nur in den Grenzen der Be- Auch im Bereich der Mehrwertsteuer fin- unterscheiden. „Normal“, ermäßigt, stark fugnisse tätig werden, die die Mitglieds- den wir einen europäischen Flickentep- ermäßigt, abweichende Steuersätze für staaten ihr ausdrücklich übertragen ha- pich vor. Bekanntlich handelt es sich bei Dienstleistungen sowie in einigen Län- ben. Das ist bei Steuern nicht der Fall. Im der so genannten Mehrwertsteuer um ei- dern darüber hinaus ein abweichender Gegenteil. Es gibt in den EU-Mitglieds- ne Umsatzsteuer, die vom Endabnehmer Satz für die so genannte „Zwischensteu- staaten sehr unterschiedliche Steuersyste- von Waren und Dienstleitungen zu ent- er“. Als weitere Variante kommt die in me. Bedeutsame Steuerarten wie z. B. die richten ist. Dabei zeigt sich europaweit zahlreichen Ländern angewandte MWSt- Einkommenssteuer oder die Unterneh- ein nahezu unüberschaubares Bild von Befreiung noch hinzu, wie wir sie in menssteuern werden in den verschiede- verschiedenen Steuersätzen, Mehrwert- Deutschland – in definierten Grenzen – nen Ländern nach sehr unterschiedlichen steuer-Arten und Anknüpfungs-Tatbestän- für den Sektor gemeinnütziger Institutio- Sätzen erhoben. Faktisch findet also zwi- den. nen und Aktivitäten kennen. schen den EU-Staaten ein Steuer-Wettbe- Schon bei der „normalen“ Mehrwert- In Deutschland gibt es nur zwei Arten er- werb statt, den sich die europäischen steuer zeigt sich eine signifikante Sprei- hobener Mehrwertsteuer: den Normalsatz Steuerbürger zumindest partiell zunutze zung: ihr Satz liegt zwischen 15 Prozent von 19 Prozent und den ermäßigten Satz machen können. (Luxemburg, Zypern) und 25 Prozent von 7 Prozent. Dabei ist der ermäßigte Dies geschieht auch, wie das Beispiel Ir- (Ungarn, Schweden, Dänemark). Satz ursprünglich als hälftiger Satz vom land zeigt. Irland bietet seit etlichen Jah- Deutschland liegt mit 19 Prozent zusam- Normalsatz definiert gewesen (z. B. 5,5 ren besonders günstige Unternehmens- men mit den Niederlanden auf Platz 22. Prozent bei 11 Prozent und 7 Prozent bei steuern und hat damit zahlreiche euro- In mehr als zwanzig Mitgliedsstaaten gel- 14 Prozent), seit der Mehrwertsteuer - päische Unternehmen angelockt, wesent- ten also höhere Mehrwertsteuer-Sätze als erhöhung 1993 (von 14 Prozent auf 16 liche Teile ihrer Steuerpflichtigkeit in Ir- in Deutschland. Das ist insofern bereits Prozent) jedoch nicht mehr erhöht, son-

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Mehrwertsteuer bei Noten – das Mehrwertsteuersystem sollte in der Hand der Nationalstaaten bleiben

ohne Ausnahmen bringt zwangsläufig chende Privilegierungen gerettet werden

bner, pixelio  bner, mehr Geld in die Kasse. könnten, erscheinen also höhere Steuer- Nun hat die Europäische Kommission das sätze durchaus nicht unwahrscheinlich. Thema auf die Tagesordnung gesetzt. Deshalb hat der Deutsche Kulturrat Ende © Holger Gra Nachdem ihr dazu keine unmittelbare Mai 2011 eine in seinem Fachausschuss Zuständigkeit gegeben ist, stellt sich zu- Steuern vorbereitete Stellungnahme zum dern auf dem damals geltenden Satz von nächst die Frage nach der Befugnis der Grünbuch der EU abgegeben. Darin plä- 7 Prozent belassen worden. Die zahllosen Kommission, sich mit dem Thema über- diert er dafür, dass „im Mehrwertsteuer- Ungereimtheiten und Kuriositäten der haupt befassen zu dürfen. Allerdings darf system den EU-Mitgliedsstaaten im Be- Anwendung des jeweils einen oder ande- die Kommission im Rahmen des so ge- reich der Kultur soweit als möglich ein ren Steuersatzes sind immer wieder Ge- nannten Subsidiaritätsprinzips auch in Gestaltungsspielraum verbleiben sollte“. genstand belustigter bis empörter Be- den Bereichen tätig werden, die nicht in Diese Auffassung werde „durch das von richterstattung in den Medien und bilden ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, den EU-Mitgliedsstaaten sowie der EU nicht selten Anlass für kabarettreife Gags. sofern und soweit die verfolgten Ziele auf selbst ratifizierte UNESCO-Übereinkom- Jüngstes Beispiel ist die Currywurst vom EU-Ebene besser verwirklicht werden men über den Schutz und die Förderung Schnellimbiss: Sie kostet zum Mitneh- können als auf der Ebene der einzelnen der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen men 7 Prozent Mehrwertsteuer, am Tisch Mitgliedsstaaten. zusätzlich unterstützt“, zumal in dessen sitzend verzehrt 19 Prozent, an Ort und Art. 1h „das souveräne Recht der Staaten Stelle, aber im Stehen verzehrt 7 Prozent. Deutschland könnten bekräftigt [wird], Maßnahmen beizube- Verkaufskräfte sind also gut beraten, der höhere Steuersätze drohen halten bzw. zu ergreifen, die sie für den allseits bekannten Frage „Zum Mitneh- Schutz und die Förderung der Vielfalt men oder zum Hier-Essen?“ eine weitere Dabei hat sich die Kommission auch im kultureller Ausdrucksformen in ihrem Differenzierung hinzuzufügen: „Essen Sie Falle der MWSt eines Mittels bedient, das Hoheitsgebiet für angemessen erachten“. im Stehen oder im Sitzen?“ Weiteres be- in derartigen Fällen häufig angewandt Der Deutsche Kulturrat sieht sich deshalb kanntes Beispiel: Buch gedruckt 7 Pro- wird. Sie hat ein so genanntes Grünbuch „darin bestärkt, dass die Gestaltung und zent, dasselbe Buch online 19 Prozent. verfasst, in dem sie die Problematik auf- die Verwaltung des Mehrwertsteuersys- Ein weiterer erstaunlicher Sachverhalt ist listet und Lösungsvorschläge unterbrei- tems vor allem in der Hand der National- übrigens der, dass wir in Deutschland so- tet.* Darin stellt sie die These auf, dass die staaten bleiben sollen“. gar Steuern auf Steuern zahlen. Und zwar Realisierung des einheitlichen Binnen- Damit ist die Position des Kulturbereichs beim Kraftstoff für Kraftfahrzeuge. Hier markts, die zwingender Bestandteil der zu den Plänen der EU-Kommission klar wird Mehrwertsteuer auf den Betrag er- EU-Verträge ist, eine EU-weite Harmoni- definiert. Jetzt wird es darauf ankommen, hoben, der die Mineralölsteuer bereits sierung der Mehrwertsteuer geradezu er- für diese Position europaweit Verbündete beinhaltet. Mithin versteuern wir nicht fordert, zumal eine einheitliche Mehr- zu finden, vor allem aber die Bundesre- nur die gekaufte Ware, sondern auch die wertsteuer in Europa den damit verbun- gierung dafür zu gewinnen, dass sie ei- Mineralölsteuer. Kurios und systemwid- denen Verwaltungsaufwand und damit ner Verschlechterung der Rahmenbedin- rig, aber wahr. die entsprechenden Kosten für Unterneh- gungen für die Kultur in Deutschland Was all dieses mit uns und der Kultur zu men und Verbraucher vermindern würde. durch eine nachteilige Harmonisierung tun hat, liegt auf der Hand: Druckerzeug- Möglicherweise könne sogar ein günsti- des Mehrwertsteuer-Systems in Europa nisse unterliegen in Deutschland dem er- gerer Normalsatz herausspringen (heuti- ihre Zustimmung verweigert. mäßigten Steuersatz von 7 Prozent. Dazu ger EU-Mittelwert – numerisch –: 20,3 gehören auch Noten. In der Vergangen- Prozent). * vgl. Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer. heit ist auch in Deutschland immer wie- Die mit der Verwirklichung dieses Vorha- Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizien- teren MWSt-System, vom 1. Dezember 2010, der über den Wegfall des ermäßigten bens verbundenen Risiken liegen auf der KOM(2010) 695 endg. (http://ec.europa.eu/taxation_ Steuersatzes diskutiert worden. Anknüp- Hand. Zum einen könnte Deutschland customs/resources/documents/common/consultati- fungspunkt insoweit waren regelmäßig ein höherer Mehrwertsteuer-Satz drohen. ons/tax/future_vat/com(2010)695_de.pdf) die bereits erwähnten Ungereimtheiten Zum anderen geriete der in Deutschland Hans-Willi Hefekäuser ist Jurist und war in leitenden bei der Anwendung der verschiedenen geltende ermäßigte Steuersatz (heutiger Funktionen im Öffentlichen Dienst und in der Wirt- Sätze. Dahinter stehen allerdings fraglos EU-Mittelwert – numerisch –: 9,1 Pro- schaft tätig. Er ist seit 2009 Vizepräsident des Deut- auch fiskalische Aspekte. Ein einheitlicher zent) erneut in die Diskussion, und zwar schen Musikrats und arbeitet im Fachausschuss Steuersatz von 19 Prozent (oder mehr) diesmal europaweit. Selbst wenn entspre- Steuern des Deutschen Kulturrats mit.

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ergangen ist. Dieser gelegent - schungen zu französischen liche Perspektivwechsel lockert Komponisten. Christoph von die teilweise konkreten bis mi- Blumröder referiert hier zum nutiösen Schilderungen von Dialoge und Resonanzen Streit zwischen Vertretern der Fanny Hensels Alltag angenehm Musique concrète, in erster Linie Liebste Fenchel! auf. Musikgeschichte zwischen den Pierre Schaeffer, und seinen Wi- In lockerer Form sind 48 Etüden Kulturen dersachern in Donaueschingen; Das Leben der Fanny Hensel- und Intermezzi (Letztere teilwei- Ivana Rentsch/Walter Kläy/Arne Jens Rosteck kommentiert die Mendelssohn in Etüden und Stollberg (Hg.) Intermezzi se nur zwei bis drei Seiten lang) edition text + kritik, München Begegnungen zwischen dem Peter Härtling aneinandergereiht. Sie folgen 2011, 366 S., 32,– Euro amerikanischen Komponisten Kiepenheuer & Witsch, Köln einzelnen Stationen und Schwer- Ned Rorem mit Poulenc. 2011, 376 S., 19,99 Euro punkten in ihrem Leben und tra- Der vorliegende Band wurde an- Bei aller Sorgfalt, die dem Band Wer sich bereits mit Fanny Hen- gen damit zur leichten Lesbar- lässlich des 80. Geburtstags von mit seinen vielfältigen, daneben sel, ihrem Leben, Werk und Wir- keit des Bandes bei. Im „Inter- Theo Hirsbrunner herausgege- auch sehr einfallsreichen The- ken beschäftigt hat und zu die- mezzo mit Hochwasser“ zum ben. Hirsbrunner hat mit seinen men zu attestieren ist, so fällt sem Zweck Bücher z. B. von Beispiel wird anschaulich deut- zahlreichen Komponisten-Bio- doch auch eine gewisse Trägheit Françoise Tillard, Ute Büchter- lich, wie beschwerlich das Rei- grafien Wissenslücken geschlos- hinsichtlich des musikalischen Römer, Beatrix Borchard oder sen zur damaligen Zeit war: Die sen. So ist der Titel programm- Denkens auf, das die Beiträge Monika Schwarz-Danuser ge - Details sind selbstverständlich atisch zu verstehen im Hinblick kaum spezifisch thematisieren. lesen hat, benötigt den Band von ausgedacht, die beschriebene auf das Schaffen Hirsbrunners, Dabei gäbe es an verschiedens- Peter Härtling nicht. Stimmung vom Autor erfühlt – der hier zum „Resonanzraum“ ten Stellen Anlass genug, Musik Es soll hier ein kleiner Ausschnitt wahr ist dennoch alles. Und das für die vorlie genden Aufsätze ge- und Theorie transparent zu dis- wiedergegeben werden, als Kost- ist Härtlings Stärke: Er schafft es worden ist. kutieren. Lukas Haselböck etwa probe des Stils des Romanciers. einmal wieder, aus einem bereits Sehr übersichtlich und thema- stellt „amerikanische und euro- Dieser Abschnitt gab dem Buch bekannten Stoff lesenswerte Lite- tisch weit gefächert ist der Band päische Musiktheorie“ im Kapi- auch den Titel: „Wenn ihn [Fe- ratur zu formen. untergliedert in Bereiche wie tel „Wissenschaftstraditionen“ lix] das Bauchweh plagt, brüht Wer also die eingangs genannten „Literatur und Kunst in der Mu- gegenüber. Den alten Streit zwi- Mutter Fencheltee auf. Den muss Autorinnen noch nicht kennt sik“ oder „Gattungstraditionen“. schen Hermeneutik und Struk- Fanny ihrem Bruder servieren: und gerne auf anschauliche, lite- Dabei wurde wohl sehr sorgsam turanalyse hält der Autor weiter- Hier kommt dein Fencheltee. rarisch ansprechende, abwechs- von den Herausgebern beachtet, hin für gültig und aktuell. Dabei Sie saugen beide den duftenden lungsreiche Art die berühmte dass auch möglichst viele Fasset- kommen neuere theoretische Dampf durch die Nase: Fenchel! Musikerin und Komponistin ten vertreten sein mögen. Von Ansätze des Poststrukturalismus Einmal brachte Felix, wie oft, al- kennen lernen will, kann durch- Themen der Weltliteratur wie wie Dekonstruktion oder Gender les durcheinander: Da bringst du aus zu Peter Härtlings neuem Hans-Joachim Hinrichsens Bei- Studies, die gerade durch die mir ja meinen Tee, Fenchel. Fen- Buch greifen. Es fügt sich wun- trag zu „Tolstoi und die Musik“, amerikanische Musikwissen- chel, das hört sich an wie Fanny, derbar in die Reihe seiner poeti- die er an Tolstois „Kreutzersona- schaft in Gestalt etwa Susan Mc die duftet. Fenchelfanny. Fanny- schen Rekonstruktionen von te“ exemplifiziert, oder im Ab- Clarys durchaus prominent ver- fenchel.“ Künstlerbiografien der Romantik schnitt „Nationen und Kulturen“ treten sind, gar nicht zur Spra- Peter Härtling hat sich auf Fanny wie der von Schubert, Schu- ein Stück interkultureller Ge- che. So wirkt der Band trotz sei- Hensel eingelassen, er hat ihre mann, Hölderlin oder E. T. A. schichte des 19. Jahrhunderts ner Themenvielfalt denkwürdig Musik, ihre Briefe, ihr Umfeld, Hoffmann ein. zwischen China und Europa an eingegrenzt in seiner methodo- ihren Zeitgeist und ihre Mitmen- Viola Karl der Figur Joseph-Marie Amiots logischen Perspektive – einem schen, ihren Bruder, ihre ande- im Beitrag von Kii-Ming Lo und gepflegten Vorstadtgarten nicht ren Geschwister, ihren Ehemann Li-Xing Hong aufscheint, bis hin unähnlich. Einzig durch die Be- und was von ihnen überliefert zum „musikalischen Transfer“ handlung zeitgenössischer Kom- ist auf sich wirken lassen und von neuer Musik und Popmusik ponisten wie Wolfgang Rihm sich eigene Bilder dazu ausge- (Simone Hohmaier). Besonders (durch Andreas Zurbriggen) und dacht. Er lässt den Leser immer bezeichnend und wohl als spe- Lachenmann (durch Matthias wieder teilhaben, wie es ihm als zielle Reverenz an Hirsbrunner Schmidt) vermag der Band die Autor und Kenner ihres ganzen gemeint ist das Kapitel „Paris“, bestehende Gegenwart einzuho- Lebens beim Niederschreiben eine Hommage an dessen For- len. Steffen A. Schmidt

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Die Bernauerin Zwar haben Matiaseks Inszenie- Klänge und Sprech stimmen re- Behandlung der Stimmen ein- rungen im relativ eng begrenz- duziert ist, bleibt der Chor auf- fügt und die manchmal extre- Carl Orff ten, aber dafür um so atmosphä- grund seiner kindlichen und be- men Anstrengungen der Sänger Junge Münchner Philharmonie, rischeren Bühnenraum des An- Mark Mast mühten Bewegungen schwach unterstützt. Die Intensität der Regie: Hellmuth Matiasek dechser Florian-Stadls gewisse und sticht nur gelegentlich in je- Umsetzung ist frappierend, was musicAvision/Wergo, MV 8535 Reize; dass der Regisseur aber nen Augenblicken hervor, wo er für die Darsteller von Oedipus ein „sehr gestisches Theater“ lie- sich sprachlich schärfer artiku- (Norbert Schmittberg) und Io- be und dies auch an Orffs Wer- liert und das gesamte Agieren kasta (Yamina Maamar) ebenso Astutuli ken herauszuarbeiten gedenke, aus diesem Duktus hervor- gilt wie für Antigonae (Katrin bleibt einem doch größtenteils wächst. Allein Michael Schanze Gerstenberger), Kreon (Andreas Carl Orff verborgen: Allzu starr gerät die in der Rolle des Gagler weiß sich Daum), den in beiden Opern Junge Münchner Philharmonie, Personenführung manchmal, dem meist steifen Spiel mit auftretenden Tiresias (Mark Ad- Mark Mast Regie: Hellmuth Matiasek wie beispielsweise die behäbige großartiger Präsenz zu widerset- ler) oder andere Mitwirkende. musicAvision/Wergo, MV 8525 und zähe Umsetzung der Dis- zen und verleiht seiner Figur da- Beeindruckend ist aber vor allem kussion zwischen den Münchner bei lustvoll einen mephistopheli- die intensive, prägnante Chor- Bürgern im ersten Teil der Ber- schen Tonfall. Beide Veröffent- deklamation: Erst sie verleiht Oedipus der Tyrann nauerin zeigt. Manchmal freilich lichtungen leiden schließlich auch den Stücken jenen archaischen, gelingen auch poetische oder unter ihren schwachen Booklets, stellenweise fast schon brutalen Carl Orff gar intime Momente, so etwa in die – gerade weil man sich in Charakter, der immer wieder Staatsorchester Darmstadt, der Liebesszene zwischen Agnes Andechs als Verwalter von Orffs von den pulsierenden, musika- Stefan Blunier und Albrecht, die ganz vom Spiel Erbe versteht – einfach mehr als lisch differenziert gestalteten En- Regie: John Dew musicAvision/Wergo, MV 8545 der beiden Hauptdarsteller Julia eine bloße Inhaltsangabe hätten sembleblöcken – meist lediglich Urban und Christoph Gehr ge- enthalten dürfen. aus Klavier- und Perkussions- tragen wird. Anderes dagegen Dass man Orffs manchmal recht klängen bestehend und nur sel- Antigonae bleibt unentschlossen und auch sperrige Werke auch extrem ten durch Bläserfarben angerei- musikalisch schwach, so ausge- spannend umsetzen kann, ver- chert – durchschnitten wird. Bei Carl Orff rechnet der fulminante, perkus- deutlichen die am Staatstheater aller Kargheit der Musik fesselt Staatsorchester Darmstadt, sionsbegleitete Hexenchor im Darmstadt unter der musikali- dieser Zugang über die gesamte Stefan Blunier zweiten Teil, der sowohl in den schen Leitung von Stefan Blunier Dauer der Werke und lässt im Regie: John Dew Sprechstimmen wie in den In- aufgezeichneten Produktionen Gegensatz zu den Produktionen musicAvision/Wergo, MV 8555 strumenten überhastet und von Oedipus der Tyrann (1959) aus Andechs ahnen, welches Po- klanglich unbefriedigend wirkt. und Antigonae (1949), denen es tenzial die Bühnenwerke Orffs Er wolle die Bühnenwerke Carl Ein großes Problem ist zudem gelingt, die beiden Kompositio- tatsächlich entfalten können. Orffs in eine „bessere theatrali- die Junge Münchner Philharmo- nen zu faszinierenden Musik- Dass dies zudem durch gehalt- sche Zukunft hinein“ bringen, nie, die unter Leitung von Mark theatererlebnissen zu formen. volle Bookletbeiträge abgerundet so äußert sich Hellmuth Matia- Mast zwar anfangs ausgespro- John Dew inszeniert die Werke wird, macht die beiden DVDs zu sek, von 1998 bis 2008 künstle- chen engagiert musiziert, im als aufeinander bezogene Gegen- einer sehr erfreulichen Angele- rischer Leiter der Festspiele Laufe der Vorstellung jedoch im- stücke im zwar räumlich gleich genheit. „Orff in Andechs“, im Rahmen mer unpräsiziser wird, wodurch gestalteten, mit Farben und raffi- Stefan Drees einer kurzen DVD-Dokumentati- das Ende aufgrund der großen niert eingesetzter Beleuchtung on. Ob das mit den hier aufge- intonatorischen Schwankungen jedoch jeweils völlig anders zeichneten Festspielproduktio- fast aus den Fugen gerät. akzentuierten Bühnenambiente. nen von Die Bernauerin (1947) Von ihrer Wirkung her noch fa- Dabei leitet er aus der Hölder- und Astutuli (1953) aus dem taler ist Matiaseks Regie in Astu- lin’schen Sophokles-Übersetzung Kreis von Orffs „Bairischem tuli: Hier, wo bis auf den eine durchdachte Personendra- Welttheater“ tatsächlich gelun- Schlussreigen die Musik nur maturgie ab, die sich zugleich gen ist, bleibt allerdings fraglich: mehr auf elementarste perkussive nahtlos in Orffs deklamatorische

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Hermann Wolfgang von tell-Neutönende, sondern hält so- Hans Werner Henze und transparent gerade auch in Waltershausen wohl an üppiger Spätromantik den komplexen, vielschichtigen und weitgehend unangetasteter Symphonies 3-5 Oberst Chabert Partien dieser magisch-traum- Rundfunk-Sinfonieorchester Bo Skovhus, Raymond Very, Tonalität fest als auch an klassi- verlorenen Partitur, besticht Ja- Berlin, Ltg. Marek Janowski Manuela Uhl, Simon Pauly, schen Formen. Er zeichnet kraft- nowski durch sensibles Gespür Wergo WER 6723 2 Orchester der Deutschen Oper volle und differenzierte Charak- für das kammermusikalisch prä- Berlin, Ltg. Jacques Lacombe tere, die den Solisten viel Gele- zis ausgeleuchtete Detail, das in- cpo 777 619-2, 2 CDs genheit zu gesanglicher wie dar- Im Gegensatz zu den vorausge- time, hellhörige Musizieren. stellerischer Profilierung geben. gangenen Einspielungen der Sin- Hingegen gelingt ihm ein Aufla- Opernraritäten sind in Mode. Die drei Hauptpartien sind mit fonien 7 und 8 sowie 9 muss den der Partitur mit Theatralik, Aber längst nicht alle Ausgrabun- überzeugenden Sängerpersön- sich die jüngst erschienene, drit- Verve und Fantastik, wo es gebo- gen lohnen. Die Reanimation lichkeiten besetzt: Manuela Uhl te Aufnahme innerhalb von Ma- tener erscheint als hier, nicht der Oper Oberst Chabert von Her- singt eine herzzerreißende Rosi- rek Janowskis Gesamteinspie- immer so unbedingt und über- mann Wolfgang von Waltershau- ne. Sie verfügt über einen durch- lung der Henze-Sinfonien an ei- zeugend wie gegen Ende der 3. sen (1882-1954), die die Deut- schlagenden, höhensicheren So- ner so berühmten wie brillanten Sinfonie. Zu gebändigt und kon- sche Oper Berlin im März 2010 pran, der allerdings zur Schärfe Vorgänger-Aufnahme messen trolliert wirken die Kontraste, herausbrachte, ist eine Sensation. neigt. In ihrer Sterbeszene be- lassen: Henzes eigener Einspie- Steigerungen und Ausbrüche Obwohl seine fünfte und letzte weist sie aber eindrucksvoll, dass lung der Sinfonien 3-5 mit den insbesondere in den Ecksätzen Oper immer noch ihrer Urauf- sie sehr wohl auch zu Pianissimi Berliner Philharmonikern (Deut- der 5. Sinfonie. Bei seinem Vor- führung harrt, hat die Deutsche und schwebend gehauchten Pas- sche Grammophon, 1965), die gänger Henze aber avancierten Oper Berlin Waltershausens eins- sagen fähig ist. Der kraftvolle, interpretatorisch und aufnahme- gerade die Einbrüche, Auf- tiges Erfolgsstück ans Licht gezo- helltimbrierte Tenor Raymond technisch noch immer Maßstäbe schwünge und theatralischen gen: die Musiktragödie in drei Very leiht ihrem Ehemann Fer- setzt. Janowski und das Rund- Eruptionen zu den erogenen Zo- Aufzügen frei nach Honoré de raud seine einnehmende Stim- funk-Sinfonieorchester Berlin nen einer im Detail zwar etwas Balzacs Oberst Chabert. Ein Live- me, intelligent geführt in den ly- brauchen den Vergleich mit dem unpräziseren, im Ganzen jedoch mitschnitt erschien nun auf CD, rischen wie in den heldenhaften Vorbild indes nicht zu scheuen. vehementeren und emphatische- begleitet von einem sehr infor- Passagen. Den Oberst Chabert Eigenständig und unprätentiös ren, in den Einzelstimmen noch mativen Booklet, in dem Andreas singt Bo Skovhus: keine wirklich behaupten sich Dirigent und Or- ausdrucksstärkeren Interpreta - K.W. Meyer daran erinnert, dass schöne Stimme, aber genau die chester als notentexttreue, hen- tion. Wer die Sinfonien 3-5 als das Werk 1912 uraufgeführt richtige für diese Partie. Ein Sän- zeaffine Musiker und rücken die Aufbruchs- und Befreiungsmu- wurde und bis 1933 bereits gerdarsteller, der sich präziser klangfantastischen, ganz aus sik hören und verstehen will, als hundert Neuinszenierungen er- Textbehandlung und psycholo- dem Geist des Theaters gebore- Zeugnis einer aufbegehrenden lebte. Diese Oper war ein inter- gisch mitreißender Gestaltung nen (und von Henze mithin nur Sinnlichkeit und ganz eigen - nationales Erfolgsstück. im Sängerischen wie Darstelleri- „zu Sinfonien erklärten“) Or- willigen Emanzipation von Die Handlung ist packend: Ein schen befleißigt. chesterstücke im Bewusstsein ih- Deutschland, Strenge und Tradi- im Krieg für tot erklärter Oberst Seine Interpretation eines seeli- rer historischen Distanz in ein tion, der wird auch künftig auf kehrt nach vielen Jahren uner- schen Verfalls ist so bewegend abgeklärtes Licht, das Größe und Henzes eigene Einspielungen wartet nach Hause zurück. Seine wie das leidenschaftliche Dirigat Bedeutung dieser zwischen seines Frühwerks nicht verzich- Frau ist inzwischen neu verhei- von Jacques Lacombe. Er ani- 1949 und 1962 entstandenen ten können. ratet. Es kommt zum vorherseh- miert das Orchester der Deut- Werke des jungen Henze kaum Das Klangbild ist an Präsenz und baren Konflikt der drei Protago- schen Oper Berlin zu einer groß- mehr grell erhellend unter Be- Brillanz jener Einspielung Hen- nisten. „Es ist Gesetz vom aller- artigen Aufführung. Oberst Cha- weis stellen muss. zes zumindest nicht überlegen, höchsten Gott, dass Tote nicht bert könnte nach den Erfahrun- Eigentümlichkeit und Rang der der Einführungstext von Thomas mehr wiederkehren sollen.“ gen dieser Aufführung ein Re- Aufnahme werden besonders Schulz solide verfasst. Zur Vertie- Chabert nimmt sich das Leben. pertoirestück sein. Das Werk hat deutlich in der einsätzigen 4. fung des Studiums wäre eine Seine einstige Ehefrau erkennt zu wirkungsvolle Gesangspartien, Sinfonie (1955), dem ganz ins Unterteilung der 4. Sinfonie in spät ihre wahren Gefühle für ihn eine ergreifende Handlung, ein Instrumentale gewendeten ur- einzelne Tracks hilfreich gewe- und folgt ihm in den Freitod. anspruchsvolles Libretto, eine sprünglichen Finale des zweiten sen. Ein Sujet für große, gefühlvolle publikumsfreundliche Länge Akts der Oper König Hirsch. Dif- Rafael Rennicke Musik. Waltershausen setzt aller- und eine anspringende, aufwüh- ferenziert noch in den kleinsten dings nicht etwa aufs Experimen- lende Musik. Dieter David Scholz dynamischen Schattierungen

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Musikleben im Diskurs Schwindsucht im Parkett

Herausgeber: Was heißt hier „Schwindsucht im Par- bunden mit der Frage: „Und was macht Deutscher Musikrat kett“? Wir haben doch Musik im Über- es mit dir, was du gerade gehört hast?“ Gemeinnützige Projektgesellschat mbH fluss. Die musikalische Umweltver- Weberstr. 59, 53113 Bonn [email protected] schmutzung erreicht inzwischen immer Immer mehr Kultureinrichtungen zeleb - in Zusammenarbeit mit Schott Music: mehr Ungeborene, die sich im Mutter- rieren eine „Tchiboisierung“: möglichst Rolf W. Stoll leib gegen die pränatale Beschallung viele billige Produkte möglichst gut ver- Verantwortlich i. S. d. Pressegesetzes: nicht wehren können. Von der Dauerbe- packt stetig wechselnd am Markt zu plat- Christian Höppner schallung an nahezu allen öffentlichen zieren. Vom Kerngeschäft bleibt nicht Redaktion: Orten ganz zu schweigen. Fehlt nur noch mehr viel übrig. Statt sich der immer Chefredakteur: Christian Höppner der Wald. Mozart für Hirschkühe, damit wieder neuen Auseinandersetzung mit Schumannstr. 17, 10117 Berlin [email protected] das Fleisch noch zarter wird. der Musik zu widmen, wetteifern die Fon 030-308810-10, Fax 030-308810-11 Klangkörper heute zunehmend um „neue“ Prof. Dr. Hans Bäßler Die „Musikvermittlung“ wird zuneh- Educationprojekte, ohne damit den aus- Andreas Bausdorf mend entprofessionalisiert, weil es zu fallenden Musikunterricht ersetzen zu Dr. Alenka Barber-Kersovan Susanne Fließ viele Politiker und Stiftungen schick fin- können. Ariane Hannus den, (Steuer-)Gelder an Projekte zu ver- Prof. Dr. Birgit Jank Dr. Ulrike Liedtke geben – mit „echten“ Künstlern und Solange die Kulturvermittelnden der Dr. Peter Ortmann nicht mit langweiligen Kulturpädagogen. Schimäre hinterher rennen, Musik müsse Rolf W. Stoll Was nach dem Event an Wirkung bleibt, wie Babybrei zu konsumieren sein, damit Margot Wallscheid ist egal. Hauptsache Event. Blind verfallen sie doch – bitte, bitte – mehr Aufmerk- Berater der Redaktion: wir der Illusion des leichten Zugangs. samkeit für ihre Arbeit erheischen kön- Stephan Mayer Musik als Querschnittsfach zu allen ande- nen, wird sich an dem kulturellen Verfall ren Fächern in der Schule? Viel zu kom- nichts ändern. Und auch nicht an der Redaktionsassistenz: plex und anstrengend. Mundgerecht und Schwindsucht im Parkett. Dr. Lena Blessing zielgruppenspezifisch muss es sein – ver- Karl Senftenhuber Produktion und Schlussredaktion: Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz

Design: Nele Engler Layout: Kerstin Siegrist Vorschau Korrektur: Rüdiger Behschnitt Titelbild: Burwell and Burwell Photography Anzeigen: Musikforum 1/2012 Leitung: Dieter Schwarz Service: Almuth Willing Schott Music, Postfach 3640, 55026 Mainz Digitales Paradies – Fon 06131-246852, Fax 06131-246844 [email protected] Jeder Mensch ein Vertrieb: Leserservice: Künstler? Nicolas Toporski, Susanne Mehnert Schott Music, Postfach 3640, 55026 Mainz Fon 06131-246857, Fax 06131-246483 [email protected] Erscheinungsweise: vierteljährlich: Januar, April, Juli, Oktober Einzelheftpreis: 8,50 Euro © Skip ODonnell Die in den namentlich gezeichneten Beiträgen vertretenen Meinungen decken sich nicht not- „Jeder Mensch ist ein Künstler“ – Beuys Wie verändern sich Kreative und Rezi- wendigerweise mit der Auffassung des Heraus- hätte sich wohl über die Digitalisierung pienten und ihr Verhältnis zueinander gebers und der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und gefreut, in der jeder alles im Internet ver- durch die Digitalisierung? Wenn jeder Unterlagen wird keine Haftung übernommen. öffentlichen kann, Professionalität und Netznutzer ein Künstler ist, wo fängt Nachdruck oder fotomechanische Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicher Zu- Dilettantismus in der Weite des Cyberspa- geistiges Eigentum an, wo hört es auf stimmung des Herausgebers. ce verschwimmen und kreatives Schaffen und ist es dann überhaupt sinnvoll, einen An der Finanzierung des Unternehmens wirt- sich auf alle Lebensbereiche ausdehnt. gesetzlichen Schutz dafür zu bieten? Er- schaftlich beteiligt ist der Deutsche Musikrat, gemeinnützige Projektgesellschaft mbH. Die nächste Ausgabe des Musikforum be- möglicht die Freiheit des Internets nicht Gefördert vom Beauftragten der Bundesregie- schäftigt sich in Weiterentwicklung des gerade einen partizipativen Zugang zu rung für Kultur und Medien aufgrund eines Be- schlusses des Deutschen Bundestages. Schwerpunktthemas aus diesem Heft mit Kunst und Kultur und fördert somit eine dem Wandel des Begriffs von Kultur und Demokratisierung der Kultur? ISSN 0935-2562 Kreativität und seinen Folgen im digita- © 2011 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz Printed Germany len Zeitalter.

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WERGO

Besser hören …

über 500 Veröffentlichungen Referenzeinspielungen zeitgenössischer Musik herausragende Interpreten vielfach ausgezeichnet

Vertriebe Deutschland: Note 1, 06221/720351, [email protected] Österreich: Lotus Records, 06272/73175, [email protected] Schweiz: Tudor, 044/4052646, [email protected]

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