Ringen Um Gerechtigkeit Im Weltanschaulichen Dialog Im Andenken an Den Christen, Sozialisten Und Antifaschisten Emil Fuchs
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PaPeRs michaeL bRie und KLaus fuchs-KittowsKi (Hrsg.) Ringen um geRechtigKeit im weLtanschauLichen diaLog im andenKen an den chRisten, soziaListen und antifaschisten emiL fuchs tiftung s g R Rosa Luxembu Ringen um Gerechtigkeit im weltanschaulichen Dialog Im Andenken an den Christen, Sozialisten und Antifaschisten Emil Fuchs Hrsg. von Michael Brie und Klaus Fuchs-Kittowski 1 IMPRESSUM PaPers 1/2017 wird herausgegeben von der rosa-Luxemburg-stiftung und erscheint unregelmäßig V. i. S. d. P.: stefan Thimmel Franz-Mehring-Platz 1 · 10243 Berlin · www.rosalux.de IssN 2194-0916 · redaktionsschluss: april 2017 Herstellung: Mediaservice GmbH Druck und Kommunikation Gedruckt auf Circleoffset Premium White, 100 % recycling Impressum Papers 1-2017.indd 1 11.04.17 10:40 Inhaltsverzeichnis Vorwort ........................................................................................................................................................... 5 I Im Andenken an Emil Fuchs ......................................................................................................................... 7 Klaus Fuchs-Kittowski: Emil Fuchs – Dimensionen einer gesellschaftskritischen Theologie zur Herausforderung von Macht ........................................................................................................................... 9 Claus Bernet: «Durch Jahrtausende geht der Schrei nach Menschlichkeit, Gerechtigkeit» ......................... 45 Heinrich Fink: Emil Fuchs: Gerechtigkeit und Frieden – Ein biblisches Gebot oder: Wie er zu Karl Marx und den Religiösen Sozialisten kam .............................................................................. 50 REinhard Gaede: Emil Fuchs – Ein Leben für Gerechtigkeit und Frieden als Antwort auf den Ruf Gottes ... 61 II Gerechtigkeit im weltanschaulichen Dialog ............................................................................................. 67 Ulrich Duchrow: Jesus als «Gottes Verteidigungspakt mit den Armen» – im Kontext politischer Ökonomie der Achsenzeit und weltanschaulicher Solidarität für Gerechtigkeit heute ................................ 69 Franz Segbers: Soziale Gerechtigkeit und die Sakralität des Menschen ....................................................... 79 Hermann Klenner: Marxens Gerechtigkeitsbegriff im Kontext ..................................................................... 87 Siegfried Wollgast: Toleranz und Intoleranz bei Gerechtigkeit ..................................................................... 96 Helga H. Hörz: Geschlechtergerechtigkeit: Frauenrechte sind Menschenrechte ....................................... 107 Klaus Weber: widerstand und befreiung .................................................................................................... 113 Cornelia Hildebrandt: Die Idee von Freiheit, Gleichheit, Solidarität – als Bedingungsrahmen für Gerechtigkeit ............................................................................................................................................... 119 Literatur ....................................................................................................................................................... 131 Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ................................................................................................... 147 3 4 Vorwort Ohne die Vision von Gerechtigkeit werden die Menschen wüst und wild. Diese Erfahrung der Propheten des Alten Testaments ist heute aktuell und drängend. Wie kann den immer deutlicher hervortretenden Tendenzen der Barbarisierung, des Autoritarismus, der Ausgrenzung und Aus- sperrung, der Gleichgültigkeit gegenüber den Mitmenschen wirksam begegnet werden? Am 8. und 9. Dezember 2015 führte die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit der Leibniz- Sozietät der Wissenschaften das Symposium «Weltanschauliche Begründung einer Politik der Gerechtigkeit» durch. Es stellte sich in die Tradition jenes weltanschaulichen Dialogs, wie er durch den bekennenden Religiösen Sozialisten, den Antifaschisten und Friedensaktivisten Emil Fuchs (1874–1971) über viele Jahrzehnte geführt wurde. Auf diese Weise wurde eine Brücke geschlagen von der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zum beginnenden 21. Jahrhundert, von den Kämpfen der Vergangenheit zu denen der Gegenwart. Dialog geht von Verschiedenheit aus. In unterschiedlichen religiösen, weltanschaulichen und philosophischen Kontexten wird Gerechtigkeit und wird Politik, die auf Gerechtigkeit zielt, je un- terschiedlich begründet. Wir sind allen dankbar, die sich an diesem Dialog beteiligt haben. Nicht alle Beiträge des Symposiums konnten hier abgedruckt werden. Das fünfhundertste Jahr der Reformation ist für uns ein Anlass, diesen Dialog weiter zu intensivieren. Wenn es in Zeiten dra- matischer Umbrüche nicht gelingt, diesen Dialog zu führen und wirksam für Gerechtigkeit einzu- treten, werden wir in dunklen Zeiten leben. Wir wünschen uns, dass dieses Buch ein Zeichen dagegen setzt. Michael Brie und Klaus Fuchs-Kittowski, Dezember 2016 5 6 I Im Andenken an Emil Fuchs 7 Klaus Fuchs-Kittowski Emil Fuchs – Dimensionen einer gesellschaftskritischen Theologie zur Herausforderung von Macht Zur Auslegung des Römerbriefes und seinem Ringen um Frieden und Gerechtigkeit «Auf einmal wusste ich, dass die letzte Gewissheit des Glaubens nur in der Aufgabe zu finden sei, die mit der Welterschütterung gegeben ist, in der wir leben.» Emil Fuchs (1929/1969: 143) «Diese Obrigkeit ist selbst nur ein Ausdruck des Geistes, der die Gesellschaft beherrscht. Sie kann nur gestalten, was der Ameisenfleiß Ungezählter vorbereitet hat. Nicht von ihr zuerst, son- dern zuerst von uns und unserem Verhalten hängt es ab, ob in der kommenden Generation Ge- walt oder Liebe, Anstand oder Brutalität, wachsendes oder abnehmendes Rechtsbewusstsein, Sehnsucht nach Gerechtigkeit oder Egoismus das Leben beherrschen.» Emil Fuchs (1936– 37/2015b: 536) 1 Entschiedenes politisches Engagement aus dem Glauben – die Aufgabe, mit der man über sich selbst hinauswächst, ergibt sich, indem man sich in das Sein und Ringen der Massen hineinstellt 1.1. Grundlegung einer Politik der Gerechtigkeit aus dem Erfassen der Aufgabe im Sein und Ringen der Massen Ich möchte hier, auf dieser meines Erachtens gegenwärtig besonders wichtigen Tagung zum Thema «Weltanschauliche Begründung einer Politik sozialer Gerechtigkeit» etwas Persönliches zu meinem Großvater Emil Fuchs sagen, zu dessen Gedenken diese Tagung beitragen will. Per- sönlich soll es sein, da ich kein Spezialist zum Thema Religiöser Sozialismus oder zum Verhält- nis von Marxismus und Christentum und auch kein protestantischer Theologe bin. Wenn ich doch zum Thema «Emil Fuchs – Dimensionen einer gesellschaftskritischen Theologie zur Herausfor- derung von Macht», zur Auslegung des Römerbriefes und seinem Ringen um Frieden Gerechtig- keit spreche, so kann ich dies nur aus persönlicher Sicht tun, zum Teil, indem ich aus dem eige- nen Erleben der Kämpfe um diese Problematik berichte. Auch über Erkenntnisse, die ich bei der Herausgabe der Auslegung des Neuen Testaments durch Emil Fuchs gewonnen habe, die er im Widerstand gegen den deutschen Faschismus geschrieben und unter den Quäkern und Religiö- sen SozialistInnen verteilt hat, will ich hier sprechen. Seit dem Tode meiner Mutter, Elisabeth Fuchs-Kittowski, als ich vier Jahre alt war, wuchs ich bei meinem Großvater, Emil Fuchs, auf. Er bekam die Möglichkeit dazu aber nur, indem der Gefäng- nispfarrer von Berlin Tegel und Plötzensee, Harald Poelchau, offiziell die Vormundschaft für mich übernahm. Mit Poelchau hatte Fuchs schon seit 1934 die Hilfe für rassisch und politisch Verfolgte, in Zusammenarbeit mit Probst Heinrich Grüber, mit dem schwedischen Gesandtschaftspfarrer Birger Forell und mit Unterstützung der englischen und amerikanischen Quäker begonnen. Zu- gleich wurde das von ihm mit zwei Autos gegründete Autoverleihgeschäft, ergänzt durch vier weitere Automobile und eine Tankstelle, für deren Anschaffung in Berlin Geld gesammelt worden war, zur Fluchthilfe genutzt. Es diente der Fluchthilfe für politisch und rassisch Verfolgte – bis zur erneuten Verhaftung meines Vaters Gustav Kittowski im März 1937. Mit der Verhaftung wurden auch alle Autos und die Tankstelle von der Gestapo beschlagnahmt. Denn wie man in vielen Pro- tokollen nachlesen kann, wusste die Gestapo genau, dass ein Pass und eine Transportmöglich- keit für die vor dem faschistischen Terror Flüchtigen die allerwichtigsten Dinge waren. Emil Fuchs hat sich als junger Theologe intensiv mit der Theologie Ritschls auseinandergesetzt und sich dazu eingehend mit der Philosophie von Fichte, Schelling und Schleiermacher beschäf- tigt (Fuchs 1904b). Er gewann daraus die für sein Leben grundlegende Erkenntnis, dass die Ent- scheidungen über die lebenswichtigen Fragen nicht mehr bei Schleiermacher oder Ritschl oder anderen Philosophen oder Theologen gesucht werden darf. Sie können nur gesucht und gefun- den werden in der Wirklichkeit der Massen und ihres Schicksals selbst. Die Entscheidung und 9 damit die Aufgabe, mit der man über sich selbst hinauswächst, kann nur von dem gefunden wer- den, der sich selbst in das Sein und Ringen der Massen hineinstellt. Damit steht man unter dem Ruf, dem man folgen muss. Das aber bedeutete für Fuchs, Partei zu ergreifen für eine «neue Welt der Gerechtigkeit, Freiheit und Brüderlichkeit». Damit eröffnete sich für ihn als Christ über Schleiermacher und Marx die noch unbestimmte gesellschaftliche Perspektive einer neuen Welt des Sozialismus. Die zu bewältigende