VOS - Vereinigung der Opfer des Stalinismus e. V. Gemeinschaft von Verfolgten und Gegnern des Kommunismus

Berlin,Berlin, SeptemberNovember/Dezember 2013 2020 70. Jahrgang, 63. Jahrgang, Nr. 817/818 Nr. 731 Obwohl die Absage zu erwarten Er gehörte zu uns, auch wenn er war, trifft sie uns alle sehr hart sich zuletzt zurückgezogen hatte Die von den VOS-Landesgruppen geplante Ein Nachruf zum Tod von Ehrhard Göhl. Feier am Deutschen Eck fiel Covid 19 zum Opfer So respektlos und bitter es klingen mag, aber sein Tod kam nicht überraschend. Immer wieder hatte er es am Das war ein harter Schlag, und doch kam er nicht un- Telefon selbst angekündigt und sich (wörtlich) als der erwartet. Noch bevor die Maßnahmen des sogenannten Grufty first class aus Darmstadt bezeichnet und dabei Lockdowns von der Bundesregierung verkündet wur- doch so munter und lebensnah geklungen, dass man es den, sagten die Organisatoren der VOS-Landesruppen nicht wahrhaben wollte und nicht konnte. Rheinland-Pfalz/ Hessen und Nordrhein-Westfalen Nun ist er also doch gegangen, und unsere Trauer sowie der UOKG das Treffen, das am 14. November hält sich ganz und gar nicht in Grenzen, denn Ehrhard 2020 am Gedenkplatz am Koblenzer Deutschen Eck Göhl war ein sympathischer, lebensmutiger, beschei- stattfinden sollte, aus eigenem Ermessen ab. dener und sehr selbstloser Kamerad und Freund, er hat, Ganz sicher hatten viele SED-Opfer große Erwartun- seit Jahrzehnten eher im Hintergrund, für die VOS und gen in die Gedenkveranstaltung gesetzt. Einige planten für die Aufarbeitung viel geleistet. Es waren zum einen die Anreise mit dem Flugzeug oder dem ICC, andere jene Jahre, in denen er im Vorstand – auch als Bundes- hatten bereits Fahrgemeinschaften angedacht. Auch auf vorsitzender – aktiv war, und zum anderen hat er er- das gemeinsame Miteinander im Anschluss an die Ge- heblich dazu beigetragen, die VOS und die Schicksale denkfeier hatten sich viele gefreut. vieler Einzelner öffentlich aufzuwerten. Und doch war es richtig und vor allem eine Entschei- dung der Vernunft, dieses Treffen nicht stattfinden zu lassen. Erstens wäre es ohnehin dem Lockdown zum Opfer gefallen, und zweitens hat der Schutz vor der Ansteckungsgefahr grundsätzlich Vorrang. Wie nun weiter? Es gibt keinen Plan, keinen Gedanken und vorläufig nicht mal die Hoffnung auf eine Neuansetzung. Es wä- re auch illusorisch, ein solches Treffen digital am Computer zu inszenieren. Oder doch nicht? Derzeit ist es so, dass die technischen Voraussetzungen noch nicht so leicht zu handhaben sind, damit sich auch Unbedarf- te, Ältere und ganz Alte vor den PC setzen und via Bildschirm kommunizieren können. Vermutlich wer- den wir das auch niemals erreichen. Dennoch sollten wir uns daran aufrichten, dass allein Noch bevor bald schon nach der Wiedervereinigung die Bereitschaft und der Wille vorhanden waren, die das große Verteilen der lukrativen Posten begann, war Anstrengung einer längeren Reise auf sich zu nehmen, er in Kontakt mit der hohen Politikerriege, den Medien um in Würde und im Kreise von Kameradinnen und und den Historikern (Foto: Göhl vorn rechts mit der Kameraden des Mauerfalls und der gewonnen Wieder- Rückansicht, in der Bildmitte Kanzler Helmut Kohl). vereinigung zu gedenken. Was zählt, das sind genau Später musste er wie viele andere schwer Betroffene in diese historischen Erfolge, und die bleiben im Kalender die zweite, dritte Reihe zurückweichen, während sich und den Geschichtsbüchern stehen, man wird sie genau echte und unechte Promi-Opfer in den Vordergrund so wenig entfernen können wie die Namen von Zeit- drängten. Und doch war er immer noch da, hat er sich zeugen und die der zahllosen Einzelschicksale, die bei- für die Wahrheit und die Gerechtigkeit gegenüber den trugen, das kommunistische Unrecht zu beseitigen. Opfern eingesetzt und selbstlos gekämpft. ARK Bundesvorstand,, Bundesgeschäftsführer, Redakteur Nachrufe und Neujahrsbotschaft im Innenteil S. 4/5 Liebe Kameradinnen und Kamera- sich zudem scheuen, Hilfsangebo- die Nation und äußerte sich ernst- den, ich hoffe, für Sie bzw. euch te, die mittlerweile in jeder Kom- haft und besorgt zu den Problemen hat das Leben in der gegenwärti- mune bestehen, anzunehmen. Und und Sorgen der Landeskinder. gen Situation nicht zu sehr an Qua- sei es der Einkaufsdienst oder ein Wann hatten wir das zuletzt? lität verloren und wir bleiben trotz Telefonat mit dem Hausarzt. Was Wir als SED- und Haftopfer sind unseres zweifellos vorgerückten die VOS angeht, sind wir keines- in Anbetracht der Pandemie und Alters zuversichtlich, aufgeschlos- wegs im Ruhemodus. Man sieht: deren Folgen mit unseren Ansprü- sen und allesamt gesund. Die Freiheitsglocke erscheint un- chen und Mahnungen allerdings Vor zwei Monaten, als ich die beirrt. Man hat jetzt mehr Zeit, sie ein weiteres Stück in den Hinter- vorige Fg auf den Weg brachte, zu lesen, sie weiterzugeben oder grund gerückt. Da wir fast durch- habe ich (und nicht nur ich) nicht ein zweites Exemplar zum Ver- weg Rentner*innen und vielfach geglaubt, dass wir als ganze Nati- schenken zu bestellen. auch durch Krankheiten vorbelas- on, als Europäer, vielleicht als ge- tet sind, gehören wir im Sinne der samte Menschheit in eine derartige Auf ein Corona-Gefahr zu einer Risiko- Krise geraten könnten. Nun jedoch Gruppe, für die schon über speziell haben sich innerhalb weniger Tage Wort des Re- isolierende Quarantäne- Maßnah- für uns alle Umstände ergeben, auf dakteurs men diskutiert wurde. Was wird die wir nicht gefasst waren und mit demnach mit uns geschehen? Wer- denen wir dennoch leben, weiter- Leider fallen nun Generalver- den wir – wie einst in der DDR – leben, müssen und wollen. Wir als sammlung und Jubiläumsfeier aus weggesperrt? Nun, ganz sicher ehemalige Häftling und Verfolgte bzw. werden verschoben. Wir ha- wird man uns nicht schlechter be- haben zwar Erfahrungen mit politi- ben daher weiterhin keinen Ersten handeln als andere Mitmenschen schen, wirtschaftlichen und sozia- Bundesvorsitzenden, aber eine an- derselben Alters- und Gefährdeten- len Einschränkungen und Widrig- erkannte Stellvertreterin und einen Gruppe. Ich jedenfalls glaube an keiten, aber das, was wir in der fleißigen Bundesgeschäftsführer. die soziale (wenn auch nicht die DDR hinnehmen mussten, war ei- Was unser weiteres Wirken an- finanzielle) Gerechtigkeit in unse- ne von Menschen bewusst herbei- geht, benutze ich gern ein Zitat, rem Land. Dennoch gebe ich mich geführte Diktatur gegen andere das sich seitens der damaligen Ur- keinen Illusionen hin, wenn wir Menschen. Das Corona-Virus ist heberin und des damit verbunde- hier und ab jetzt weiter über Ent- ebenfalls ein Feind der Menschen, nen Vorhabens nicht ganz erfüllt schädigungen und sonstige finan- aber es wurde nicht vorsätzlich un- hat: Wir schaffen das. Allerdings zielle Verbesserungen für Haft- ter die Völker gebracht und es wird sollten wir uns im Klaren darüber und Verfolgungszeiten reden. Es im Unterschied zum Sozialismus sein, dass die folgende Zeit, in der ist ein Glück, dass wir im letzten nicht von wenigen Menschen ge- wir irgendwann in einen Modus Jahr gerade noch mit Vergünsti- gen große Mehrheiten missbraucht. der Normalität – wie er auch aus- gungen wie der Erhöhung der Op- Fertigwerden müssen wir dennoch sehen mag – zurückkehren werden, ferrente um 30 Euro und Herabset- damit, und dabei kann uns unsere für uns nicht leichter werden. zung des Haftzeitlimits berück- DDR-Erfahrung durchaus helfen. Seit dem Einbruch in das sichtigt wurden. Jetzt, wo die Pan- Haben wir nicht gelernt, mit Eng- Corona-Tief sind alle bisher als demie eingetreten ist und einem pässen von Konsumgütern (und hoch dramatisch eingestuften Großteil der Bevölkerung und fast wahrlich nicht nur Toilettenpapier) Themen und Konflikte in der me- allen Unternehmen und Institutio- umzugehen? Waren wir nicht soli- dialen Versenkung verschwunden. nen durch unvorstellbar hohe fi- darisch, wenn es gegen Unrecht Kein Wort mehr zu einer drohen- nanzielle Summen geholfen wer- und für Meinungsfreiheit ging? den Klima-Katastrophe oder zu den muss, wird man den Kopf Beweisen wir nicht heutzutage im den Baumhäusern im Forst von schütteln, wenn wir mit neuen An- Ringen um bessere Entschädigun- Garzweiler, keine Silbe über den liegen auftreten bzw. die alten gen bis heute unser Zusammenge- keineswegs ausgestandenen Streit wieder vorbringen. Man wird ge- hörigkeitsgefühl, und sind wir zur Wahl des Ministerpräsidenten wiss kein Verständnis zeigen, nicht alle bestrebt, über das über- von Thüringen oder die Verab- wenn wir den Kampf um unsere wundene Unrecht stalinistischer schiedung des nächsten, offenbar Ansprüche fortsetzen. Vielleicht Zeiten aufzuklären? Und was die strittigen EU-Finanzhaushaltes, wird man sogar sagen, das wäre derzeit verordneten Ausgangs- und auch nicht zur (weiter steigenden) undankbar. Und doch sollten wir Kontakteinschränkungen betrifft, Umweltsteuer oder zum Diesel- uns nicht einschüchtern lassen und verweise ich schlicht auf die Haft- fahrverbot, nicht mal die besorg- zumindest dafür sorgen, dass die bedingungen des MfS, wo es bei niserregenden Bilder des Flücht- Politik einen festen Termin für die monatelanger Isolation nicht mal lingsdramas an der türkisch- grie- nächste Erhöhung der Opferrente einen Blick aus dem Fenster gab. chischen Grenze werden gezeigt. festlegt. Unsere Verdienste um Wichtig ist, dass wir uns in den Kein Syrien-Krieg, kein Putin, der dieses Land können nicht ausge- Zeiten der aktuellen Gefahr an die an möglichst vielen Kriegsschau- löscht werden. Auch nicht durch Vorschriften halten und im Rah- plätzen tonnenweise Sprengstoff in die Corona-Pandemie. men der Möglichkeiten etwas für die Feuer wirft. Stattdessen trat tat- Bis zur nächsten Ausgabe die Gesundheit tun. Niemand sollte sächlich Frau Merkel wieder vor Ihr Alexander Richter

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Am Ende dieses Jahres kann ich an gierung an Vorkehrungen getrof- setzt – über interne Vorgänge, po- dieser Stelle leider nicht nur Bot- fen hat, richtig ist. Trotzdem denke litische Schauplätze und personelle schaften der Hoffnung verbreiten. ich, jeder kann seine Meinung ha- Änderungen berichten. Zu tief befinden wir uns unter den ben, aber er bzw. sie sollte gründ- Für mich beginnt im nächsten Zwängen der Pandemie Covid 19. lich überlegen, ob er / sie nicht Jahr der Angriff auf ein Viertel Unser Land hat für den November wenigstens die ungeliebte Maske Jahrhundert Redakteurstätigkeit. wiederum schwere Einschnitte er- in der Öffentlichkeit umbindet und Damit habe ich dann den früheren fahren müssen. Im Dezember set- zu anderen Personen Abstand hält, Redakteur Sigurd Binski um drei zen sich die Maßnahmen fort, und um sich und andere vor einer An- Jahre überholt, was allerdings kein es ist nicht abzusehen, dass es im steckung zu schützen. Maßstab ist und was Binskis Leis- nächsten und vielleicht übernächs- tung nicht schmälert. Ich denke, ten Jahr wesentlich leichter wird. Auf ein Wort dass ich auf jeden Fall das folgen- Für jemanden, der in einer engen de Jahr noch absolvieren werde. Stadtwohnung lebt und alleinste- zum Ob und wie es danach weitergeht, hend ist, ist diese Situation nicht Jahreswechsel wird man sehen. Es ist nicht so einfach. Für uns Ältere, die wir ganz leicht, sich nach vier Wochen zuweilen unter haftbedingten psy- Nach wie vor stellt sich auch die Pause an den Laptop zu setzen und chischen Belastungen leiden, ist Frage, ob es sinnvoll ist, im Bun- eine neue Zeitung aus dem Boden das besonders schwer. Der psychi- destag oder anderen Gremien aus zu stampfen. sche Druck verstärkt sich eher, als politischem Eigennutz Diskussio- Was können wir nun dem Vo- dass er abnimmt. Und doch müs- nen wider die Schutzmaßnahmen rausblick auf das kommende Jahr sen wir das aushalten und auch die zu führen. Oppositionshaltung mag entnehmen? Zum einen bleiben wir Vorschriften, die uns von höherer wichtig sein, aber sie darf nicht die zuversichtlich, was den Umgang Stelle auferlegt sind, akzeptieren. weitere Ausbreitung der Pandemie mit der Pandemie angeht. Wiewohl Es geht nur mit Vernunft und Ein- begünstigen. man weiter erhebliche Einschrän- sicht und durch gegenseitige Hilfe Trotzdem sollen wir nicht ver- kungen wird erdulden müssen, und Zuspruch. Sicher wird es ir- gessen zu leben und an uns zu könnte der Impfstoff, den hoffent- gendwann besser, wobei es zwei- denken. Es sind nicht nur die lich alle (!) bekommen, vieles lin- felhaft ist, ob wir jemals in die schweren Jahre unter der Diktatur, dern. Ob wir deswegen alsbald zu einstigen Lebensbedingungen zu- die uns Rückhalt und Selbstbe- Präsenzveranstaltungen zurück- rückkehren werden. Wir kennen wusstsein geben, sondern auch die kehren werden, bleibt abzuwarten. den Spruch: Die Pandemie ist auch Jahre der Erfolge und der guten Wir haben jedoch die Chance, uns eine Chance, dass nach ihrer Zeiten. Wir haben aus dem Nichts weiter digital zu verknüpfen. Wer Überwindung vieles anders, näm- vor 71 Jahren den Verband aufge- also einen Computer hat oder die- lich besser werden kann. Ob das baut und uns viele soziale Vorteile sen bei Verwandten und Freunden auf uns Haftopfer und unsere An- regelrecht erstritten. Wir haben nutzen kann, sollte davon Ge- gehörigen zutrifft, wird man sehen. seitdem eine eigene Monatszei- brauch machen. Diese digitale Fast alle sind wir Rentner, was tung, die zu den ältesten Presseer- Kommunikation wird auch nach heißt dass wir um die Einkommen, zeugnissen des Landes gehört, und Aufhebung der Schutzmaßnahmen die wir derzeit haben und die wir sind als VOS nach wie vor ei- ein Hauptfaktor unserer Gesell- durchaus nicht immer hoch sein ne Instanz, die Gewicht hat und die schaft bleiben. Covid 19, so lästig mögen, nicht bangen müssen. Das in mancherlei Hinsicht etwas be- und hinderlich uns das Virus ist, ist zunächst eine gute Basis, denn wegt. In dieser Fg-Ausgabe ist hat vermutlich jetzt schon dazu gegenüber Geschäftsinhabern oder nachzulesen, dass wir weiter für beigetragen, ein neues Zeitalter sogenannten kleinen Selbständigen finanzielle Verbesserungen eintre- einzuleiten. Für jüngere Menschen sind wir somit im Vorteil. Und ten und dass unsere Mitglieder im sind somit nicht nur die HNO- doch ist abzusehen, dass die Ren- öffentlichen Leben mitwirken. Wir Masken zum Bestandteil des All- teneinkünfte im nächsten Jahr haben es inzwischen schaffen kön- tags geworden, sondern sie haben nicht gerade in hohen Raten stei- nen, dass ein (Verbands)Leben oh- sich auch längst auf die neuen gen werden. Im Gegensatz zu den ne Generalversammlung und Vor- Umgangsformen eingestellt. Für Kosten für die Lebenshaltung, die standswahl möglich geworden ist uns Ältere ist es zumindest ein ge- an vielen Stellen zunehmen. Allein und sich unsere Verbandsfinanzen wisser Trost, schon mal einen die Besteuerung auf dem Energie- in einem korrekten Zustand befin- herzhaften Blick in die kommende Sektor erhöht sich. Was sonst den, wobei ich einmal mehr auf die Zukunft werfen zu können. folgt, bleibt abzuwarten. Aber an- Tatkraft des Bundesgeschäftsfüh- Vorerst fällt dieser Blick jedoch gesichts der hohen Summen, die rers Hugo Diederich verweise. etwas kürzer aus. Weihnachten derzeit ausgeschüttet werden, müs- Und man sieht: Auch die Frei- und das neue Jahr kommen, und sen irgendwann Maßnahmen ge- heitsglocke ist weiter präsent. das sollten wir im Rahmen der troffen werden, um die entstande- Trotz des geänderten Erschei- Möglichkeiten genießen. nen Schulden wieder zu tilgen. nungsmodus‘ sind wir auf diese Ich wünsche es uns allen. Ich bleibe allerdings bei der Ein- Weise miteinander verbunden und Bis zur Ausgabe im nächsten Jahr schätzung, dass das, was die Re- können – wenn auch oft zeitver- Ihr Alexander Richter-Kariger

2 In dieser Ausgabe: Corona – unser Schicksal? ++++ VOS und viele Sympathisanten trauern um den früheren Vorsitzenden Ehrhard Göhl. Erinnerungen Titelseite Ein letztes Lebenszeichen, dann kam die Es musste eigentlich so kommen. Leider Hinrichtung Landesverbände sagen aus Gründen der Vor- Die DDR war nicht kleinlich, was die sicht das geplante Treffen in Koblenz ab Vollstreckung der Todesurteile anging 16 Ein großartiger Mitstreiter ist tot Der Schicksalsbogen: Meldung zum Tod von Ehrhard Göhl Menschen und Ereignisse in einer äußerst Redaktionsthema: turbulenten Zeit Ist die Zukunft schon da? Siegmar Faust zieht die Bilanz, die zugleich Das neue Jahr steht vor der Tür der VOS 2 ein Stück Zeitgeschichte ist 17 – 18 Ute Lepke und die VOS Internet Viel gelitten, viel bewegt. Zuverlässig und Die Demos aus dem Jahr 2016 in Berlin immer hilfsbereit und Karlsruhe wurden mediale Klassiker 18 Die VOS trauert um den früheren Bundesvor- sitzenden Ehrhard Göhl. Ein Nachruf 4 – 5 Die Verlogenheit eines starren Systems Putins Moskaus entledigt sich der Opfer Wenn sich die einen Diktatur-Opfer für die und des schlechten Gewissens 19 Opfer der anderen Diktatur einsetzen In Neubrandenburg säubern VOS- Mitglie- God bless America – wie nun weiter? der freiwillig verschmutzte Gedenksteine 6 Trump geht, Biden kommt, beide sind da 19 Ein besserer Platz wäre die bessere Lösung Aus den Bundesländern: Über das Mauersegment in Düsseldorf 20 Potsdam: Gedenken ohne Öffentlichkeit Pforzheim: DDR-Museum 6 Und das 31 Jahre nach dem Mauerfall Wie man Opfer in die Knie zwingt 20 Es könnte ein neuer, realitätsbezogener Dialog (auf Augenhöhe) zustande kommen Die Bundesfinanzen werden knapp NRW-Landesbeauftragter Hendriks lud VOS sollte umgehend handeln 20 VOS-Zeitzeugen zu zweitem Rundtisch ein 7 Vom Kommunismus vereinnahmt und zu schlechten Büchern verpflichtet Rückblick: 8. Februar 1975 Das Schicksal der Anna Seghers im Zeichen Treffen sich zwei … der politischen Systeme 21 - 22 Ausgerechnet am 25. Jahrestag der Grün- dung des MfS besuchte der UNO- General- Diese Auszeichnung freut auch die VOS sekretär in offizieller Mission die DDR 8 – 9 Verdienstkreuz für Stefan Krikowski 22 Der Bedarf an den Schulen ist noch groß Die Tatsachen sind erdrückend. Doch die Zeitzeugen-Arbeit ist auch in Zeiten von Politiker drücken sich. Warum? Corona unbedingt angesagt 23 In Sachen Rentenunrecht legen die Betroffe- nen noch einmal mit Argumenten nach 10 Krawall und Anarchie. Oder neue Freiheit? Was Querdenken heißt realiter? 23 Mit 70 ins Leben zurückgekehrt Glückwünsche an einen unserer Besten 11 Sind wir nur noch mit uns selbst beschäftigt? Hongkong wird weiter kommunistisch 24 Wir haben immer noch unsere Ziele NRW-Landesvorsitzender FH Holtschke Wider die einseitigen Monologe mit der macht uns allen wieder mehr Mut 11 Kanzlerin Ohne seinen Mut und seine Entschlossen- IEDF aktualisiert Informationen auf Internet- heit wäre vieles verloren gegangen auftritt 24 Persönliche Erinnerungen an Ehrhard Göhl 12 Ein Happy end war nicht selbstverständlich Ich habe manches Mal an der Grenze Die Schicksale von mutigen, verzweifelten fürchterlich gezittert Frauen in Büchern 25 - 26 Fluchthilfe war ein „Job“, bei dem man mit Engels 2(.)00 – die Geschichtsschreibung geht eineinhalb Beinen im Knast stand 12 großzügig mit ihm um 24 Von der Freude, ein ganzes Brot in kleinen Für die einen ein Gott, für die anderen das Bröckchen zu genießen größte Unglück der Menschheit Wolfgang Lehmann erinnert sich in einem ab- Die Bedeutung von Karl Marx besteht auch in geklärten Rückblick an die harten Schicksals- seiner Rolle als Streitobjekt 27 jahre seiner Lagerhaft in Sibirien 13 – 14 Der Mauerfall in musikalischen Tönen Was lange währt, führt zum Erfolg Rainer Schottlaenders Song von 1990 27 Stadtrat von Zeitz beschließt trotz Gegen- Neue Adresse der VOS-Bundesgeschäftsstelle 28 stimmen Gedenktafel für SED-Opfer 14 Meinungen, Knastlexikon, ,9 Es war eines der aufsehenerregendsten Ur- Gratulation, Ehrungen 21, 11 teile in der Nachkriegszeit Meldungen, Tagebuch 17, 12 Leben und Schicksal des Hermann Josef Nachrufe, Verstorbene 11, 12, 27 Flade im Buchtipp der Fg 15 - 16 Impressum / Informationen / Suche 28 Der Lebensweg war schwierig und hart, und doch voller Höhepunkte Zum Tode von Ehrhard Göhl, einem langjährigen Mitstreiter und früheren VOS-Vorsitzenden Ehrhard Göhl nur dieser) richtete sich über die der sowjetischen Militärs. Man wurde im Grenzen hinaus, und dies geschah hatte hier die Grenze vor Augen, September sowohl in Richtung Ost wie auch die zwar noch durchlässig war, ei- 1933 in der West. Er heiratete eine (charman- nem aber doch zeigte, dass man als unmittelbaren te) Ungarin und überwand mit ihr DDR-Bürger ein Gefangener des Nähe der und mit der Unterstützung vieler Staates blieb. Stadt Bautzen Freunde die keineswegs einfachen Um der Enge der DDR kurzzeitig geboren, und bürokratischen und ideologischen zu entrinnen, organisierte Ehrhard =vieles, das in seinen ersten drei Hürden, die es für eine Einbürge- über seine Cousine im Westen eine Lebensjahrzehnten geschah, hatte rung zu überwinden galt. Denn ge- Reise für sich und Eva durch den auch in Bautzen seinen Platz. rade in den zwischenmenschlichen anderen Teil Deutschlands und Nicht zuletzt war es die Haftstrafe, Bindungen zeigte sich, was die weiter bis in die Schweiz. Es war die ihn in das bekannte Gefängnis brüderlichen Beziehungen unter herrlich, aber es führte auch zu ei- Bautzen II führte, wo er Jahre sei- den Partnern des sogenannten so- nem schlimmen Verhängnis, denn nes Lebens hingeben musste. zialistischen Lagers wert waren: im Jahr 1959, folgte das, was das Wollte man freilich die Bereiche, weitere Leben des in denen Kamerad Göhl davor Ehrhard Göhl be- (und danach sowieso) lebte, in Ka- stimmen sollte: die tegorien oder Zahlen aufteilen, so Haft. Der war entstünde eine lange Liste. Allein die illegale Reise das schicksalhafte Geburtsjahr von Hannover aus 1933, in dem die Machtergreifung in das westliche der Nazis stattfand, markiert einen Ausland nicht ent- wesentlichen Eckpunkt und gibt gangen. Man wit- den Ausblick auf eine Kindheit terte Spionage, und Jugend, die viele Eindrücke wiewohl es solche und Lehren vermittelte und einen nicht mal gedank- jungen Menschen kritisch und vol- lich gab. Und doch ler Fragen in die Welt schauen weiß man, dass bei ließ. Da der Vater eine Festanstel- derartigen An- lung als Chauffeur in einem Groß- schuldigungen betrieb für Kunstblumen hatte und kaum ein Entrin- er den Sohn oft genug auf seine nen möglich war dienstlichen (Leer)Fahrten mit- und dass Ausflüch- nehmen konnte, gelangte der junge te nicht zählten. Ehrhard zeitig an Informationen Das Ehepaar und Erkenntnisse, die anderen ver- Göhl wurde nach schlossen blieben. So musste er der Rückkehr in nach den zur Legende des Schre- die DDR festge- ckens gewordenen Bombenangrif- setzt und in den fen auf im Winter 1945 Stasi-Kellern von mit ansehen, wie man verkohlte Ost-Berlin mit al- und verstümmelte Leichenberge wenig, es waren großspurige Lip- len Härten, die es damals gab, in aufgetürmt hatte und die Stadt in penbekenntnisse, die die Ideologie die Mangel genommen. Was her- ein einziges, tagelang schwelendes und das Militär stärkten, aber ein aus kam, war für Ehrhard eine Trümmerfeld verwandelt worden individuelles Miteinander nicht Freiheitsstrafe von 15 und für Eva war. Ein Inferno, das bis heute die vorsahen. Und vielleicht gerade eine Verurteilung zu 3 ½ Jahren. Frage nach dem Warum hinterlas- deswegen wurde diese Ehe, die bis Beide waren noch weit vom drei- sen hat. zur Diamantenen Hochzeit hielt ßigsten Geburtstag entfernt. Ehrhard Göhl war zeit seines Le- und in der das großartige Paar al- Man muss an dieser Stelle und in bens ein umtriebiger und erlebnis- len Härten und Belastungen wider- dieser Zeitung nichts Detailliertes hungriger Mensch. Er war frei- stand, so unverbrüchlich. über Strafanstalten und Haftbedin- heitsliebend und begnügte sich Immerhin, es bahnte sich in der gungen in der DDR ausführen. Es keineswegs mit dem bescheidenen zweiten Hälfte der 1950er Jahre ist genügend Eigenerleben, mit de- Horizont, den ihm diese DDR bot, eine sehr glückliche Zeit an. Göhl nen die Leser*innen in Sachen in die er unvermeidlich – wie viele bekam als Techniker eine Arbeit Haft und MfS konfrontiert worden Menschen nach ihm – hineingebo- beim Rundfunk- und Fernmelde- sind. Zudem ist, wer mit Ehrhard ren wurde und die er als Staats- technik-Verbund in Berlin, er und Kontakt hatte, manches von ihm form niemals als seine Heimat ge- seine Frau Eva wohnten fortan in selbst berichtet worden. wählt hätte. Sein Blick (und nicht Karlshorst, einem Machtzentrum Æ nächste Seite oben

4 Æ von voriger Seite Kamerad Göhl wurde nach 6 ½ Nach dem Mauerfall begann Kamerad Göhl hat mit zunehmen- Jahren Haft entlassen. Zwischen- dann für Ehrhard Göhl noch ein- dem Lebensalter auch Personen zeitlich war Eva, seine Frau, vor- mal eine Zeit voller aufsehenerre- und Haftbedingungen von der bit- zeitig auf Bewährung freigekom- gender Aktivitäten, mit denen er ter-heiteren Seite zu betrachten men und zurück (!) nach Ungarn den Politikern auf die Füße trat versucht. Trotzdem steckte die Er- ausgewiesen worden. Nachdem und in den Medien Aufmerksam- fahrung des Bösen in ihm. Un- Göhl in die Bundesrepublik ge- keit fand. 1992 berichtet das Ma- überwindbare Schlafstörungen und langt war, wurde er Mitglied in gazin Spiegel über seine Anzeige zeitweilige extreme innere Unruhe mehreren Menschenrechtsorgani- gegen mehrere Schließer, die ihm ließen sich einfach nicht bezwin- sationen, bemühte sich um die in der Haft besonders zugesetzt gen. Lange war er in Bautzen in Freilassung noch Inhaftierter poli- hatten. Das Gedenken an die vielen Einzelhaft, blieb er ohne Arbeitser- tischer Häftlinge in der DDR und verstorbenen Opfer und die Aufar- laubnis und musste sich mit Medi- trat der VOS bei. Im April 1976 beitung des Unrechts waren ihm kamenten vollstopfen lassen. wählte ihn die 11. Generalver- bis zuletzt wichtig. Wie es noch voriges Jahr in der Freiheitsglocke nachzulesen war, ging die Anbrin- gung einer Gedenktafel im Beisein wichtiger Politiker auf seine uner- müdlichen Bemühungen zurück. Mit Ehrhard Göhl haben wir ei- nen aufgeschlossen und agilen Kameraden verloren. Ohne ihn wä- re die VOS nicht das geworden, was sie heute (noch) ist. Ebenso wäre manches in Vergessenheit ge- raten oder unter den Teppich ge- kehrt worden, was nun als Beweis für das angetane Unrecht in den Gedenkstätten zu besichtigen ist. Unsere Trauer um den Verstorbe- nen geht einher mit dem Dank für den großen Einsatz im Sinne unse- rer gemeinsamen Sache. Valerie Bosse

sammlung zum Bundesvorsitzen- Allen Kameradinnen und Andererseits kam er dort oder im Kameraden der VOS sowie späteren Leben (auch über die den. Im Verband vollzog sich in VOS) mit Menschen zusammen, jener Zeit ein Umbruch. Bis dahin den Leserinnen und Lesern deren Schicksale und Leistungen hatte vor allem der legendäre Wer- der Freiheitsglocke wün- später weithin publik wurden. Da- ner Köhler das Geschehen be- schen wir auch unter den er- zu gehörten der Schriftsteller Erich stimmt. Köhler war zehn Jahre schwerten Umständen ein Loest oder der Publizist Xing hu Bundesvorsitzender und elf Jahre friedvolles Weihnachtsfest Kuo sowie Bürger anderer Länder Bundesgeschäftsführer gewesen. Er gehörte zu den Häftlingen, die und für das neue Jahr Glück wie aus dem Iran. (Xing hu Kuo und Gesundheit. wurde später für drei Jahre Redak- noch in der unmittelbaren Stalinära teur der Freiheitsglocke.) Die Haft verurteilt wurden. Mit Göhl stand war hart, mitunter grotesk und nun ein Jüngerer, zugleich ein durch winzige Tröstungen ge- DDR-Häftling, an der Spitze des zeichnet. Und doch hat Ehrhard Verbandes. Als neuer VOS- Vor- Göhl all die Härten überstanden sitzender setzte er auch neue Prio- und sich später bis zuletzt den For- ritäten, indem er vor der Etablie- derungen des Lebens und der frei- rung des Kommunismus als gesell- willigen Teilnahme an der Ge- schaftlich akzeptierte Richtung schichtsaufarbeitung gestellt. warnte. Zugleich bereitete er den Die Haft jedoch blieb für immer Weg für Jutta Giersch, seine Stell- ein wesentlicher Teil der Biogra- vertreterin, vor. Giersch löste Göhl fie. Solche Erinnerungen lassen bereits auf der 12. Generalver- sich nicht abschütteln. Sie setzen sammlung als Vorsitzende ab. sich für immer in Körper und Seele Auch sie war eine sehr starke Per- fest, sie durchziehen in der Nacht sönlichkeit. Sie hatte wie kein an- die Träume und plagen einen am deres Mitglied Kontakte zur Politik Tag im Unterbewusstsein und in und vermochte die Türen zu den Bundesvorstand, Bundesge- wirren Bildern. höchsten Amtsträgern zu öffnen. schäftsführer, Ihr Redakteur 5 Opfer einer Diktatur erinnern an Wir werden die Opfer auch un- die Opfer der anderen Diktatur ter den Einschränkungen ehren Neubrandenburger VOS-Mitglieder säubern Forum Potsdam/Brandenburg lud ohne Stolpersteine – nicht nur vom Staub der Straße, Öffentlichkeit zur Kranzniederlegung ein sondern von der großen Gefahr des Vergessens Aufgrund der zunehmenden Corona-Infektionen Bei trübem Wetter trafen sich im Oktober des Jahres musste auch die traditionelle Gedenkveranstaltung 2020 Mitglieder und Sympathisanten der Vereinigung zum 31. Jahrestag des Mauerfalls am 9.November der Opfer des Stalinismus e.V. / Gemeinschaft von 2020 des FORUMs zur Geschichtsaufarbeitung in Verfolgten und Gegnern des Kommunismus e.V. in Brandenburg ohne Öffentlichkeit stattfinden. Zum Neubrandenburg mit Putzmitteln. Passanten schauten stillen Gedenken an die Opfer kommunistischer Ge- irritiert, als Sympathisanten und Mitglieder der VOS walt erschienen an diesem Tag zu verschiedenen e.V. anfingen, Steine am Boden zu reinigen und zu Zeitpunkten sowohl eine Vertreterin der Landesbeauf- polieren. tragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunisti- Silvio Blum äußerte: „Wir wollen unabhängig von schen Diktatur (LAkD) als auch ein Vertreter des irgendwelchen Gedenktagen auch während der Co- FORUM-Vorstandes an der Mauergedenkstätte vid-19-Pandemie aktiv einen Beitrag zur Erinne- Griebnitzsee, um hier jeweils ein Blumengebinde am rungskultur leisten. Wir haben alle Stolpersteine in Holzkreuz abzulegen. Dies teilt der Vorstand in sei- Neubrandenburg gesäubert, die Schrift wieder lesbar nem November-Rundbrief mit. gemacht und hoffen mit dem neuen Glanz die Auf- Dem Forum ist es auch zum 31. Jahrestag des Mau- merksamkeit der Vorübergehenden zu wecken. Als erdurchbruchs wichtig, darauf hinzuweisen, dass Symbol unserer Solidarität mit den Verfolgten des selbst unter den aktuellen Erschwernissen die histori- Naziregime tragen wir heute eine Kippa. Wir hoffen sche Bedeutung dieses geschichtlichen Ereignisses mit dieser Aktion auch das Interesse auf die Opfer des unvergessen bleiben soll. Hierzu äußerte sich das Kommunismus / Sozialismus zu lenken. Opfer einer Vorstandsmitglied Manfred Kruczek in einer Presse- Diktatur bleiben Opfer.“ mitteilung: „Wir hoffen, unsere nächste Gedenkver- anstaltung am 13. August 2021 zum 60. Jahrestag des Mauerbau wird wieder mit den Mitgliedern des Forums, deren Angehö- rigen, den Medienvertretern, unseren zuver- lässigen Sympathisanten, den politisch Gleichgesinnten und mindestens einer Schülergruppe am Griebnitzseeufer began- gen werden. Denn ewig wird dieser er- schwerende Zustand nicht anhalten.“ Manfred Kruczek / Fg Gute Resonanz auf Fg-Be- richt über DDR-Museum Ein Nachtrag ist jedoch unumgänglich Wie in der letzten Fg-Ausgabe berichtet, wurde unserer Kameradin Gisela Lotz für ihr hohes Engagement in der Geschichts- aufarbeitung und bei der Belebung des Ge- nerationendialogs eine hohe Auszeichnung zuteil, die ihr im Auftrag des Ministerpräsidenten von Dieses Engagement ist nicht selbstverständlich, weil Baden-Württemberg verliehen wurde. In der Bericht- die meisten unserer (Zeit-)Genoss*innen sich um die erstattung der Fg ist dabei eine Ungenauigkeit unter- Verantwortung, auch wenn sie persönlich keine direk- laufen. Gisela Lotz ist nicht, wie es zu lesen war, in te Schuld trifft, drücken. der DDR geboren. Ihr Geburtsjahr ist 1942, somit gab Die Stolpersteine erinnern europaweit an die vielen es noch keine DDR. Als sie zur Welt kam, tobte im Juden, Sinti und Roma, die wegen ihres Glaubens, ih- damaligen Groß-Berlin der Krieg, und es hagelte rer politischen Ansichten, ihrer sexuellen Ausrich- Bomben. Diese Korrektur sei hier der Vollständigkeit tung, ihrer Herkunft oder einer Beeinträchtigung wäh- halber vermerkt. Bei den Leser*innen der Fg hat der rend des Nationalsozialismus verfolgt worden waren. Bericht über die Verleihung der hohen Auszeichnung Die Stolpersteine liegen am jeweils letzten, freiwillig eine durchweg gute Resonanz erzeugt. Vielen war das gewählten Wohnort. André Rohloff Museum, das sich von den sonst üblichen Nostalgie- Das Foto zeigt die beiden Kameraden bei der Ausfüh- Stuben mit Sandmännchen-Puppen und alten Fernseh- rung ihrer Aktion. Damit beweisen die Opfer der ei- Apparaten deutlich abhebt, bereits vordem gut be- nen Diktatur einen großen Respekt vor den Opfern kannt, nicht zuletzt hatte die Fg mehrfach darüber be- der anderen Diktatur. Dies ist eine Geste, die in der richtet und auch die Verdienste des damals überra- heutigen Zeit viel Mut erfordert und die die VOS in schend verstorbenen Kameraden Klaus Knabe umfas- ein sehr positives Licht rücken sollte. send gewürdigt. Valerie Bosse 6 Zweiter Runder Tisch: Offene Atmosphäre tat allen Beteiligten gut NRW-Zeitzeugen und Landesbeauftragter Heiko Hendriks im ernsthaften Dialog mit Staatssekre- tär für Bundesangelegenheiten Dr. Mark Speich zum Thema Rentenüberleitungsgesetz Im inzwischen zum Tagesgeschäft verhalten. Dies ist denn auch Schaffung der heutigen Opfer- gehörenden Format einer Online- nichts Neues für die SED-Opfer, und Benachteiligten-Gruppen ge- Konferenz lud am 9. November waren doch Anfang der 2000er führt hat, die sich des Unrechts der NRW-Landesbeauftragte Jahre Klagen und Beschwerden angenommen hat. Die Linke Heiko Hendriks gemeinsam mit vom Verfassungsgericht, damals bringt gemeinsam mit der UOKG Nordrhein-Westfalens Landtags- unter der Präsidentschaft von Frau und der IEDF die Große Anfrage präsident André Kuper, MdL, die Limbach, kommentarlos abgewie- in den Bundestag ein. Viele VOS- Mitglieder der Zeitzeugen-Gruppe sen worden. An einer solchen Hal- ler sehen das mit Skepsis, wobei der VOS in NRW zu einem weite- tung hat sich nichts geändert, denn man sich im Verband fragt, auf ren Runden Tisch ein. Obwohl auch im Falle des RÜG ließ man wen können wir noch bauen? Die nicht alle Eingeladenen teilnah- die Klage mehrere Jahre unbeant- SPD hat mit den früheren Größen men – es fehlten bei einigen Zeit- wortet liegen, um sie erst dann ab- wie Schmidt oder Brandt wenig zeugen die technischen Vorausset- schlägig zu bescheiden. gemein, die FDP befördert sich zungen, bei anderen waren die Ge- Kamerad Holtschke trug dies, so selbst unter die Fünf-Prozent- räte offenbar nicht kompatibel – ärgerlich es für viele ältere Be- Hürde, und AfD und B’90 / Grüne kam ein guter Diskurs zustande, troffene ist (für die Verstorbenen haben zuletzt gegen die Erhöhung der sich schwerpunktmäßig um ist es ohnedies auch zu spät), sach- der Opferrente gestimmt. Was die das Thema Rentenunrecht gegen- lich und kompetent vor. Staatssek- CDU macht, wird man nun sehen. über den sogenannten Altübersied- retär Dr. Speich war ein guter und Ein weiteres, nicht unheikles lern, zu denen viele Haftopfer ge- dem Anschein nach wohlwollen- Thema brachte Peter Hippe zur hören, bewegte. der Zuhörer. Und sicher kann man Sprache. Es betrifft ein immer Herr Hendriks ist seit langem ihm auch Ehrlichkeit und Betrof- noch bestehendes Limit der Haft- nachdrücklich bemüht, sich für die fenheit bescheinigen, denn seiner zeit für die Gewährung der Opfer- Interessen der Betroffenen – ge- Wertung nach ist die Verabschie- rente. Der derzeit geltende Satz meint ist der Kampf gegen die dung des Gesetzes vor vielen Jah- von 90 Tagen ist umstritten. Es sei Benachteiligung im Rentensystem ren ein Faktum, an dem man nicht daher nochmals darauf hingewie- – starkzumachen. Sein Engage- vorbeikommt und das die Situati- sen, dass die Schwere der Schick- ment kam nun auch durch die Ein- on bestimmt. Soll heißen: Dieses sale nicht allein an der Haftdauer ladung des für Bundes- und Euro- Gesetz wird sich auf dem Rechts- messbar ist. Es gibt Lebensläufe, paangelegenheiten zuständigen weg nicht erschüttern lassen. die von der Stasi zerstört wurden, Staatssekretärs Dr. Mark Speich Dennoch hat sich Dr. Speich in ohne dass ein einziger Hafttag zum Ausdruck, der sich bei Ab- die emotionale Lage der Opfer verhängt wurde. Wir hatten zuletzt handlung des Themas zugeschaltet hineinversetzen können. Der eins- empfohlen, zumindest die Mög- hatte und zunächst die Ausführun- tige Leitspruch von der Ungleich- lichkeit der Einzelfallprüfung in gen des NRW-Landesvorsitzenden heit von Gerechtigkeit und Recht Erwägung zu ziehen und dies bei der VOS Felix Heinz Holtschke ist in diesem Fall durchaus zutref- der nächsten Gesetzesfassung zu entgegennahm. fend. Man darf hoffen, dass die berücksichtigen. Auch hier gilt, Kamerad Holtschke gehört zu Zusage des Staatssekretärs, das dass die vielfach genannte biolo- denen, die sich seitens der VOS Anliegen der SED-Opfer auf Par- gische Lösung längst im Gange intensiv in die Materie eingearbei- tei- und Regierungsebene vorzu- ist. Es wäre ein minimaler Pro- tet haben und auch an zahlreichen bringen, umgesetzt wird und es zentsatz am Bundeshaushalt, um Gesprächen und Protestnoten be- zumindest neue Gesprächs- und im Sinne der Opfer noch einmal teiligt sind. So konnte er in Kurz- endlich Handlungsanstöße geben wirksam nachzubessern. form das Zustandekommen des wird. Die Zahl der Anspruchsbe- Erfreulich, dass im abschließen- RÜG sowie die aktuelle Sachlage rechtigten schmilzt, was man zu- den Teil der Konferenz Kamera- erklären und dieses Herrn Dr. dem weiß. So gesehen kann es im din Marie Luise Knopp die Gele- Speich nahe bringen. Angesicht der riesigen Summen, genheit bekam, aus ihrem neuen In der Fg haben wir uns mehr- die uns die Pandemie und die Buch (es wird in dieserFg aus- fach und zwar ausführlich und vor demnächst anfallenden höheren führlich vorgestellt) mehrere allem sehr realistisch mit dem Rüstungsausgaben abfordern, am Passagen vorzulesen. Darin wer- Thema Rentenunrecht befasst und wenigstens ein finanzielles Prob- den die Ausreise- und Haftschick- bereits in ersten Bewertungen auf lem sein, eine moralische Schuld – sale junger Frauen aus der DDR dieses – egal wie schäbig und hin- egal mit welcher Argumentation erzählt, was bei den meisten Zu- terhältig es auf den Weg gebracht und mit welchen Mitteln – aus der hörern Erinnerungen an selbst er- wurde – Gesetz hingewiesen und Welt zu schaffen. Hinzu kommt lebte Repressalien weckte. konstatiert, dass ein solches ein dunkler Punkt, den sich die Die VOS dankt insbesondere schwerlich zu kippen ist, zumal demokratischen Parteien durch- Herrn Heiko Hendriks für seine sich offenbar nicht nur politische weg vorhalten lassen müssen: Es Bemühungen und seine Aktivitä- Mächte, sondern auch die Justiz ist ausgerechnet die Partei Die ten im Sinne der Zeitzeugen. arrogant und voreingenommen Linke, deren Politik ursächlich zur Tom Haltern 7 Tosender Beifall erklang, als Erich Honecker vor die Dreitausend trat Als das Ministerium für Staatssicherheit im Februar 1975 seinen 25. Geburtstag beging, stattete der UNO-Generalsekretär Waldheim der DDR zeitgleich einen offiziellen Besuch ab Am 8. Februar 1975 (dies war ein immer Schlimmes: Hausdurchsu- tionalen Volksarmee ist angetreten. Samstag) übermittelte das Zentral- chungen, verwanzte Wohnungen, Die Frage, ob es die berühmt be- komitee der SED, genannt Neues Spitzeleien in den engsten Fami- rüchtigten befohlenen Hurra-Rufe Deutschland, einen besonders sal- lienkreisen, Zersetzungen, Schika- gab, bleibt im Zentralorgan unbe- bungsvollen, aber auch gewohnt nen, all das wurde fein säuberlich antwortet. Immerhin hält der DDR- unterwürfigen Gruß-Text an den festgehalten und dokumentiert. Da- Minister für Auswärtige Angele- zwanzig Jahre später als Doppel- zu die Begriffe Operativer Vorgang genheiten Oskar Fischer (vermut- mörder entlarvten und verurteilten (OV), Kontrollobjekt (OPK) oder lich nicht mit Joschka, dem späte- Minister und Armeegeneral Erich PiD. Was wurde nicht alles getan, ren Inhaber eines ähnlichen ge- Mielke. Es war der 25. Jahrestag um zahllose Menschen zugrunde- samtdeutschen Amtes verwandt) der Gründung des Ministeriums für zurichten, und dies – es mag sich eine gestochene Willkommensrede, Staatssicherheit, auch Stasi, die paradox lesen – zum angeblichen denn es war der erste offizielle Be- Firma, Erichs Banditen, Horch und Wohle der Menschen. such eines UNO-Generalsekretärs Guck oder Schild und Schwert der Die große Lüge der Diktatur tritt im Land der drei demagogischen Partei genannt. an einer anderen Stelle derselben Buchstaben, (wobei noch niemand Man kann das, was dieses Minis- Ausgabedes Neuen Deutschland ahnte, welch schmählicher Vorwurf terium mit seinem riesigen Apparat zutage. Der UNO-Generalsekretär selbigen Herrn Waldheim später angerichtet und verbrochen hat, Kurt Waldheim traf am Vortag (am ereilen würde). nicht auf einer Schreibseite zu- 7. Februar 1975, einem Freitag) um sammenfassen, und man kann nur 16.30 Uhr in seiner Sondermaschi- Eine Zwischenbemerkung: schwerlich erklären, welch ein ne (Typ ‚Falcon‘) in Berlin ein. Erich Honecker hat selbst meh- Schrecken sich allein bei Nennung Man begrüßte ihn, indem am Rande rere autobiografische Bücher des Begriffs verbreitete. Zu umfas- des Flugfeldes die ‚azurblaue Fah- verfasst, in denen er sich als eine send und Art historischen Superman dar- zu tief ist stellt. Zudem wurden über ihn die Wir- zahlreiche Bücher von anderen kung, die Autoren oder Autorinnen ver- sich da- fasst, in denen er meist keine po- mit ver- sitive Beschreibung erhält. Oft bindet. wird er in Fernsehrückblicken Und in erwähnt oder karikiert. Von der Tat Kurt Waldheim als einstigem hält vie- UNO-Generalsekretär ist derzeit les davon als Eigenbuch „Der schwierigste bis heute Job der Welt“ (gebraucht) auf als post- dem Markt. traumati- (Siehe nebenstehende Collage) sche Be- lastung Am Abend dieses im historischen bei den Sinne doppeldeutigen Tages setzte noch le- das politrhetorische Schwelgen benden dann richtig ein. Es gab eine Einla- Opfern – dung des Staatsratsvorsitzenden vor allem Erich Honecker an Herrn Wald- bei den heim ins Berliner Palais Unter den ehemali- Linden, wo laut ND ein ‚freund- gen poli- schaftliches Gespräch über ein brei- tischen tes Spektrum beiderseits interessie- Häftlin- render Probleme‘ stattfand. Man gen – an. tauschte sich in ‚aufgeschlossener Sie Atmosphäre über die Entwicklung kämpfen der internationalen Lage‘ aus, wei- mit den tere Politiker und Diplomaten der Schre- DDR (der Ständige Vertreter der cken der Erinnerung. Zudem wer- ne‘ der Organisation, die Herr DDR bei der UNO, der Präsident den 31 Jahre nach dem Mauerfall Waldheim vertrat, aufgezogen der Liga für die Nationen …) durf- immer noch Schandtaten des eins- wurde. Dann leuchteten Scheinwer- ten erscheinen, und man war insge- tigen Sicherheitsorgans aufgedeckt. fer, die Blitzlichter der Kameras samt ganz offensichtlich sehr gut- Denn wer jene Akten, die die Stasi flammten auf, und sogar eine gelaunt. geführt hat, einsieht, erfährt fast schneidige Ehrenkompanie der Na- Æ nächste Seite oben 8 Æ von voriger Seite nen zum selben Zeitpunkt massen- Nordkorea genannt, zu einem eben- Auch für die Gattin des UNO- weise politische Häftlinge einsa- falls freundschaftlichen Gespräch Generalsekretärs wurde gesorgt. ßen, und über jene, die in diesem empfing. Dazu weiß man heute: Frau Elisabeth Waldheim durfte am Lande lebten und kurz vor der Ver- Wer sich solche Freunde aussucht Abend desselben 7. Februars 1975 haftung standen. und wem keine wirklich wichtigen das Telecafé des Berliner Fernseh- Meldungen einfallen, für den kann turms besuchen und sich von den „Die Gespräche, die ich gestern die Geschichtsschreibung nun ein- Gattinnen der DDR-Chef- Diplo- abend mit dem Ersten Sekretär mal nur Spott und Verachtung üb- maten und der obersten Hostess des des Zentralkomitees, Herrn Ho- rig haben. Das gilt natürlich vor al- Turmes ansehnliche Nelkensträuße necker, und heute mit Ihnen, lem für Figuren vom Schlage eines überreichen lassen. Herr Vorsitzender des Staatsra- Honeckers und Mielkes wie auch Bei dem zweiten Großereignis tes, sowie mit dem Herrn Vorsit- für eine im Endeffekt ganz traurige des Wochenendes hatten es die zenden des Ministerrates führen Gestalt wie den damaligen UNO- oberen Politiker der DDR nicht so konnte, betrachte ich als einen Generalsekretär. Waldheim übte elegant getroffen. Dies war die Fei- nützlichen Beitrag für die Bezie- dieses Amt über zwei Perioden erstunde zu Ehren des 25. Grün- hungen zwischen der Deutschen (jeweils fünf Jahre) aus. Sein Ver- dungsjahrestages des Ministeriums Demokratischen Republik und such, sich Ende 1981 für eine dritte für Staatssicherheit, für die der den Vereinten Nationen.“ Amtsperiode wählen zu lassen, Friedrichstadtpalast im Herzen Ber- Grußwort des Generalsekretärs der scheiterte am Veto Chinas. Er am- lins herhalten musste. Hier galt es Vereinten Nationen Kurt Waldheim tierte jedoch von 1986 bis 1992 als nicht, diplomatische Freundlichkeit am 8. Februar 1975 anlässlich des Bundespräsident in Österreich. zu heucheln, sondern es kam auf offiziellen Besuches in der DDR A. Richter-Kariger das Faustrecht, das gegenüber der Quelle: Neues Deutschland eigenen Bevölkerung ausgeübt Tageszeitung. Zentralorgan d. SED Was wir nicht wurde, an. Neben Erich Honecker und Willi Stoph waren natürlich Leider versäumte man es auch, den vergessen sollten Genosse Mielke und seine hohe Generalsekretär der UNO einzula- D a s K n a s t l e x i k o n Garde sowie 3.000 frenetisch ap- den. Wo der doch jetzt im Lande In dieser Reihe möchten wir eini- plaudierende Mitarbeiter*innen des weilte und über so manche Proble- ge Ausdrücke/Begriffe erklären, gefürchteten Sicherheitsorgans an- me mit Herrn Honecker geredet die (nicht) nur in der (DDR-) Haft wesend. Das ND sprach gar davon, hatte – offenbar aber nicht über das geläufig waren und die man kei- dass beim Einmarsch Erich Ho- (große) DDR-Problem der Ausrei- neswegs vergessen sollte. sewilligen, der Häftlinge und der neckers ‚tosender Beifall‘ zu hören Heute: und zu sehen gewesen sei. Manch vielen Unzufriedenen. Waldheim, Brusthugo oder dessen Vater sich ausgerechnet als einem der Anwesenden dürften die Brustpuffer Kampflieder der Arbeiterklasse, die Nachnamen den Ort eines DDR- hier ebenfalls geschmettert wurden, Gefängnisses gewählt hatte, hätte Der Begriff Brusthugo hat nichts heute noch in den Ohren klingen – sich möglicherweise sehr konstruk- mit unserem Bundesgeschäftsführer freilich nicht mehr in jenem Jubel- tiv mit Erich Mielke über die Kunst zu tun, soviel sei angemerkt. Der modus, in den man sich für dieses des Weglassens von eklatanten Le- Brusthugo (auch Brustpuffer ge- elitäre Fest begeben hatte. bensereignissen austauschen kön- nannt) ist ein durchaus derber, aus Als dann das Treuebekenntnis der nen. Stattdessen resümierte Wald- dem Handgelenk heraus geführter Angehörigen des Ministeriums für heim bei seiner Abreise am 10. Schlag gegen das Brustbein eines Staatssicherheit zur Arbeiterklasse Februar 1975 laut ND: „Meine Ge- anderen Knasters. Er dient nicht und zur Partei- und Staatsführung spräche mit der DDR waren sehr vordergründig dazu, das Gegenüber von Minister Mielke persönlich ge- nützlich.“ matt zu setzen oder ihm einen k. o. leistet wurde, erhoben sich die An- Übrigens kann man in der Frei- zu verpassen. Er ist vielmehr eine wesenden von ihren Plätzen und tag-Ausgabe vom 8. Februar 1975 heftige Warngeste, um diesen An- waren sichtlich ergriffen. Man der besagten Zeitung nachlesen, deren von weiteren Frechheiten o- schwor, für den Schutz des Sozia- welche Errungenschaften des Sozi- der Böswilligkeiten abzuhalten. Er lismus einzustehen und die Errun- alismus es denn – außer dem MfS markiert (etwa wie im Tierreich un- genschaften und den weiteren Auf- und der Parteiriege selbst –wirklich ter hormongesteuerten männlichen bau des SED-Staates zu schützen. zu schützen galt. Da war beispiels- Rivalen vor dem Paarungsritual) Man dankte diesem edlen Ministe- weise die Meldung über die Aus- eine Grenze: Sollte es der Rivale rium für Staatssicherheit für das bringung der ersten Aussaaten des wagen, diese Grenze zu überschrei- bisher geleistete Unrecht und man Sommergetreides in acht Thüringer ten, könnte ihm durchaus Böses ge- beschwor es, in seiner künftigen Landkreisen. Da war auch die Mel- schehen. Der Brusthugo oder Rolle weiter zu agieren. dung von Einsparungen an Material Brustpuffer kam / kommt haupt- Niemand sprach indessen über die und Arbeitszeit in der Feingießerei sächlich im Zuchthaus Branden- vielen Toten, die man sich in den Lobenstein, und nicht zuletzt (bzw. burg vor. ARK 25 Jahren auf das leider nicht vor- schon auf Seite 2) wird berichtet, Anm. d. Red: Dieses Knastlexikon handene Gewissen geladen hatte, dasswiederum (!) Oskar Fischer ist im Entstehen. Es ist eine satiri- und niemand erwähnte die Stasi- am selben 8. Februar eine Delega- sche Sammlung. Gern übernehmen Untersuchungshaftanstalten, in de- tion der KDVR, üblicherweise wir Ihre / eure Erinnerungen. 9 Trotz des lückenlosen Rechtsnachweises weiter auf dem Abstellgleis? Das Vorgehen beim Rentenunrecht zeugt von einem ganz, ganz schlechten politischen Stil Während der Videokonferenz mit vorlage vom Deutschen Bundestag x x Die am 18. November 2020 gegen dem NRW-Landesbeauftragten wur- beschlossen noch in irgendeiner 18.00 Uhr stattfindende Debatte im de der Verlauf der Bemühungen um Aktennotiz vermerkt worden ist, Deutschen Bundestag zur Großen die Herstellung der Rentengerech- dass es sich hierbei um eine rein Anfrage werden die Betroffenen tigkeit von bundesweit ca. 300.000 politische Entscheidung handele. und Anspruchsberechtigten auf- Betroffenen durch den VOS- Lan- Dieses Argument wurde während merksam und kritisch verfolgen, desvorsitzende von NRW Felix einer nachfolgenden Besprechung aber auch genau registrieren, wer Heinz Holtschke noch einmal über- am 29. Januar 2020 von den anwe- von welcher Partei unsere Interes- sichtlich dargestellt. Nachstehend senden CDU-Politikern Hermann sen vertritt und damit dem gültigen sind die wesentlichen Etappen bzw. Gröhe und Peter Weiss erhärtet. Recht zum Durchbruch verhelfen Schwerpunkte festgehalten: x x Seit dem 15. März 2018 liegt dem wird. Denn zweifelsfrei wurde von x Tausende Beschwerden bzw. Indi- Petitionsausschuss des Deutschen RA von Raumer herausgearbeitet, vidualklagen gegenüber der Deut- Bundestag eine von der UOKG, dass der Gesetzgeber 1991 bzw. schen Rentenversicherung bzw. der VOS und der IEDF unter- 1993 das RÜG bzw. das RÜG-ErG vor den Sozialgerichten nach je- zeichnete Beschwerde-Petition mit nur für Rentenberechtigte aus das weiliger Feststellung der Renten- der Registrier-Nummer 3-19-11- Beitrittsgebiet erlassen hat. Im Üb- kürzung wurden bereits in den 8222-006233 und dem Titel „Be- rigen haben kürzlich auch Sozial- 1990-iger Jahren mit Hinweis auf schwerde über die Nichteinhaltung gerichte in Urteilen diese Rechts- das (fehlinterpretierte) RÜG zu- der Festlegungen zum Rentenrecht auffassung bestätigt. rückgewiesen. in den beiden Staatsverträgen mit Angesichts der Tatsache, dass ehe- x Gespräche mit Politikern aller Par- der DDR“ vor. malige Systemträger, selbst Angehö- teien spätestens seit 2010 waren x x Die Bundestagsverwaltung hat das rige des MfS, rentenmäßig oft besser erfolglos. Unzählige Briefe, auch BMAS hierzu um Stellungnahmen gestellt sind als deren Opfer, erwar- noch 2020 an die Bundeskanzlerin, gebeten. Dadurch wurde in frag- ten die Betroffenen in den Opfer- waren wirkungslos bzw. wurden würdiger Weise der von den Op- und Flüchtlingsverbänden im 31. nicht beantwortet. ferorganisationen Beklagte zum Jahr der Wiedervereinigung, die sie x Bei einer Debatte im Deutschen Gutachter, ja zum Sozialrichter be- mit ihrem Widerstand gegen das sta- Bundestag im Jahre 2012 ergriff stellt. Ein aus Sicht der Petenten linistische SED-System bzw. durch Otmar Schreiner (SPD) als einzi- unhaltbarer juristischer Vorgang. ihre Flucht mit bewirkt haben, end- ger Politiker Partei für die durch x x Die Stellungnahmen des BMAS lich ein Ende der Blockade, eine ehr- das RÜG rententechnisch wieder vom 30.01.2019 (Frau Dr. Brall) liche Fehlerkultur und damit Rechts- „zu DDR-Bürgern gemachten“, sowie vom 6. Mai 2020 (Herr Hei- staatlichkeit in dieser für uns emi- nämlich die vor 1989 in der BRD demann) liegen uns und der Bun- nent wichtigen sozialen Frage. Wir eingebürgerten Flüchtlinge und destagsverwaltung vor. erwarten darüber hinaus vom Petiti- freigekauften politischen Häftlin- x x Mit Datum 20. Januar 2020 hat onsausschuss des Deutschen Bun- ge! Die CDU, namentlich ihr ren- ausgerechnet die Fraktion Die Lin- destages nunmehr eine zügige und tenpolitische Sprecher Peter Weiss ke eine Große Anfrage mit dem Ti- abschließende Behandlung der über u. a., argumentierten fadenscheinig tel „Rückwirkende Einbeziehung 2 Jahre anhängigen Beschwerde- und wider besseres Wissen dage- der DDR- Übersiedlerinnen und – Petition. Dies unter voller Ausschöp- gen! übersiedler in die Gesetzgebung fung des gültigen Petitionsrechts, x Die Verfassungsbeschwerde einer zur Rentenüberleitung (Bundestag- d.h. bei Bedarf auch unter Zuhilfen- betroffenen Einzelperson wurde Drucksache 19/ 11250) zur öffent- ahme neutraler und regierungsun- nach vierjähriger Nicht-befassung lichen Debatte im Deutschen Bun- abhängiger Sachverständiger. durch das Bundesverfassungsge- destag eingereicht. Wiederum hat Die Opfer- und Flüchtlingsverbän- richt am 13. Februar 2016 aus regierungsseitig dazu das BMAS de haben Herrn Staatssekretär Dr. formalen Gründen nicht ange- mit Schreiben vom 29. Januar Speich innerhalb der Videokonfe- nommen. 2020 an den Bundestagspräsiden- renz des Landesbeauftragen von x Mehrere öffentliche Demonstratio- ten geantwortet. NRW gebeten, diese Gedanken, nen 2016 und 2017 in Berlin vor x x Dervon den Opfer-und Flücht- Fakten und berechtigten Forderun- dem BMAS, dem Deutschen Bun- lingsorganisatoren bestellte Anwalt gen für das Bundesland NRW ziel- destag, dem Bundeskanzleramt von Raumer hat die oben aufge- führend in den Bundesrat einzubrin- sowie vor dem Bundesverfas- führten BMAS-Schreiben anhand gen. Eine nahezu lückenlose Doku- sungsgericht in Karlsruhe blieben der Aktenlage kritisch analysiert mentation unserer nachdrücklichen ohne Reaktion seitens der Verant- und hierzu eine umfängliche Ge- Bemühungen um Rentengerechtig- wortlichen. gendarstellung mit Datum vom 13. keit kann unter www.iedf.de bzw. x Während einer Besprechung am 3. August 2020 erarbeitet. Diese liegt www.flucht-und-ausreise.info.de September 2019 im BMAS mit dem Petitionsausschuss vor und eingesehen werden. Vertretern der UOKG, der VOS wurde zudem am 25. August. d. J. Felix Heinz Holtschke und der IEDF verwies der Abtei- seitens des Vorsitzenden der Landesvorsitzender d. VOS in NRW lungsleiter Hans-Ludwig Flecken UOKG Dieter Dombrowski an die Ein Nachsatz: Die Miene von Dr. auf unseren Hinweis, dass die Ein- Fraktionsvorsitzenden der im Speich, als er vorstehende Fakten er- beziehung der Altübersiedler in Deutschen Bundestag vertretenen fuhr, verriet deutlich Spuren von Er- das RÜG weder in einer Gesetzes- Parteien versandt. staunen. B. Thonn 10 Nach Erkrankung wieder aktiv Mit großem Bedauern reagiert der Bundesvorstand Rainer Buchwald bleibt ein wichtiger Faktor im der VOS auf die Nachricht vom Tode des vormali- Bundesvorstand der VOS gen Geschäftsführers der UOKG Im Dezember begeht unser Vorstandsmitglied Rainer Buchwald seinen 70. Geburtstag. Dazu übermittelt ihm Detlef W. Stein die ganze (!) VOS ganz herzliche Glückwünsche. Ka- merad Buchwald ist bereits in der dritten Wahlperiode Herr Stein verstarb am 5. November 2020. Er wäre Schatzmeister in unserem Verband und erledigt, da er im Juni 2021 sechzig Jahre alt geworden. Die Zu- in Berlin wohnt, nebenbei viele Aufgaben in der Bun- sammenarbeit zwischen unserer Vereinigung und desgeschäftsstelle, sofern der dort eingesetzte Kamerad dem Dachverband verlief durch die unterstützende Hugo Diederich abwesend ist. Tätigkeit des Verstorbenen konstruktiv und zuver- lässig. Die VOS wird Herrn Stein in ehrenvoller Erinne- rung behalten. Unser Mitgefühl gilt der Familie des Verstorbenen, ganz besonders seiner Ehefrau und seinen Kindern. Die Trauerfeier fand bereits statt. Der Bundesvorstand der VOS Trotz Pandemie und finanziellen Belastungen macht sich die VOS mit ihren Forderungen nicht klein Klare Ziele für das nächste Jahr abgesteckt Dass sich SED-Opfer auch unter den starken Belastun- gen der Pandemie nicht abdrängen lassen, machte der VOS-Landesvorsitzende NRW Felix Heinz Holtschke währen der Video-Konferenz mit dem NRW- Landes- beauftragten Heiko Hendriks am 9. November 2020 klar. Konkret fasste er die Ziele, die es neben dem Be- gehren gegen das Rentenunrecht, zu verfolgen gilt, in wesentlichen Stichpunkten zusammen: x Dynamisierung der Opferrente analog der Bezüge der Abgeordneten des Deutschen Bundestages x Beweislast-Umkehr bei der Anerkennung von haft- und verfolgungsbedingten Gesundheitsschä- Rainer Buchwald ist seit vielen Jahren Mitglied des digungen Verbandes, er war in der DDR als Jugendlicher in den x Einrichtung eines (bundesweiten) Härtefall-Fonds Werkhof verbracht worden und erlebte dort harte Zei- zur finanziellen Notlinderung bedürftiger Haft- ten. Mehrmals ist er bei Zeitzeugen-Veranstaltungen kameraden aufgetreten, um die besondere Situation seiner Opfer- x Herabsetzung der Mindesthaftzeit zur Inan- gruppe zu erklären. spruchnahme der Opferrente für politisch Verfolg- Nach der Generalversammlung im Jahr 2017 er- te in der DDR von 90 auf 1 Tag. krankte er schwer und musste sich schwierigen Opera- x In Anbetracht der bisher vorliegenden Ergebnisse tionen unterziehen. Anschließend folgten langwierige aus dem U-Ausschuss des Berliner Abgeordne- medizinische Behandlungen, die nun zum Erfolg führ- tenhauses in der causa Dr. Hubertus Knabe for- ten, so dass „Buchi“ auch wieder am Grill stehen und dern wir, dass grundsätzlich die administrative seine Lieblingsmusik (Beat der 1960er Jahre) hören Leitung von Gedenkstätten der 2. Deutschen Dik- kann. Vielleicht wird es ihm auch gelingen, sich in das tatur nicht mehr in die Hände der SED- selbst ausgestattete Wohnmobil zu setzen und die Län- Nachfolgepartei gelegt werden darf. der Europas zu bereisen – ein Traum, den er sich nach Dies sind Ansagen, die schon lange im Gespräch sind, dem Mauerfall endlich erfüllen konnte. die in Anbetracht der bevorstehenden Bundestagswahl Großen Anteil an der Genesung hat Rainers Frau (falls diese wegen der Pandemie nicht verschoben Sieglinde, die ihn bei Versammlungen und Veranstal- wird) für die VOS ernsthaft angegangen werden soll- tungen begleitet und ebenfalls in der VOS ist. ten, etwa auch in der bewährten Form der Wahlprüf- Wir wünschen Rainer Buchwald weiteres Gesunden steine früherer Wahlen. und viel Kraft bei der Ausführung seines Amtes im Innerhalb der Video-Konferenz wies zudem Kamerad Bundesvorstand. Falls es die Freiheitsglocke in zehn Christoph Becke auf die Möglichkeit der Mittelbean- Jahren noch geben sollte, ist eine umfangreichere Gra- tragung bei der Stiftung für die SED-Opfer in tulation von dieser Stelle aus versprochen. hin. Für Empfänger der „Ehrenrente“ trifft dies jedoch Bundesvorstand, Bundesgeschäftsführer, Redakteur nicht zu. Hugo Diederich 11 Er wollte die Freiheitsinitiative nicht nur den Diplomaten überlassen Hartmut Richter aus Berlin erinnert sich mit Wehmut und mit Stolz an die Zeit mit Ehrhard Göhl So wie die anderen Kameradinnen und Kameraden er- Büros am Vorabend des 20. Jahrestags des Mauerbaus füllt auch mich der Tod von Ehrhard Göhl, der am 17. 1981 in der Budapester Straße von West-Berlin, nahe Oktober gestorben ist, mit tiefer Trauer. Ich selbst hatte Bahnhof Zoo, immer verteidigt. Er hat auch solche viele Kontakte zu dem Verstorbenen und möchte vor spektakuläre Aktionen wie die von Jutta Gallus, heute allem darauf hinweisen, dass Ehrhard Ehrenpräsident Fleck, unterstützt. des von ihm gegründeten OFB (Opfer-Förder und Do- Nach Stasi-Akten-Einsichtnahme zeigte sich aller- kumentationsverein Bautzen II) war. Der Verein ver- dings wie viele Spitzel in der IGfM, in der sich Ehr- tritt die Belange ehemaliger Bautzen-Häftlinge. hard längere Zeit engagiert hat, tätig waren. Ohne Ehr- hard gäbe es keine Gedenkstätte Bautzen und keinen "Grotewohl-Express" auf dem Gelände der Gedenk- stätte Hohenschönhausen. Dies sind nur einige seiner wichtigen Aktionsergebnisse. Hartmut Richter

Der Verfasser (Foto) des vorstehenden Beitrags floh als Jugendlicher auf spektakuläre Weise aus der DDR, indem er unter Einsatz seines Lebens durch den Tel- towkanal nach West-Berlin schwamm. Er hatte sich zuvor lange mit dem Gedanken getragen, der DDR den Rücken zu kehren. Nach seiner Flucht lebte er mehrere Jahre in Hamburg, er fuhr zur See und begann danach, durch mutige Aktionen etlichen DDR-Bürger auf der Transitstrecke im Auto zur Flucht in den Westen zu verhelfen. Nachdem ihm das 33-mal mit Männern, Frauen und sogar Kleinkindern gelungen war, wurde er – damals 28 Jahre alt – ausgerechnet gefasst, als er auch seine noch in der DDR lebende Schwester und deren Verlobten schleusen wollte. Er erhielt dafür eine Haftstrafe von 15 Jahren (zu diesem Zeitpunkt galt dies als Höchststrafe, später wurde Lebenslänglich einge- führt), ehe er 1980 durch den Häftlingsfreikauf in den Westen gelangte. Er wurde auf freier Strecke gestoppt Ich kam am 6. Dezember 1977 nach zweimaliger und von den Posten mit Hunden gestellt. Bis heute är- Zwangsernährung (im Haftkrankenhaus Meusdorf) und gert ihn, dass er anfing, nicht mehr vorsichtig genug zu Flugblattfunden, in denen ich die Büttel als Handlanger sein und die Stasi daher auf ihn aufmerksam wurde. des sowjetimperialistischen Marionettenregime be- Hartmut Richter ist inzwischen im Rentenalter, er zeichnet hatte, von Rummelsburg über die Keibelstraße bleibt jedoch im Sinne der Aufarbeitung weiterhin sehr nach Bautzen II. Zum „Lumpenproletarier“ gemacht, aktiv. Er ist an der Aufarbeitung und am Gedenken für hatte ich nichts als meine Ketten oder mein durch die die SED-Opfer beteiligt und wird häufig von den Me- Haftumstände ohnehin armselig gewordenes Leben zu dien kontaktiert. Als besonders wichtige Aufgabe sieht verlieren. Ich vermittle heute bei Führungen und Vor- er die Weitergabe seiner persönlichen Erfahrungen an trägen stets die Zersetzung genannten subtileren Me- Jugendliche bei Zeitzeugen-Veranstaltungen an Schu- thoden der Tschekisten, die im Nachhinein doch len an. Zudem steht er für Führungen durch die Ge- schlimmer als Schläge waren. denkstätte im ehemaligen Stasi-Knast Berlin- Hohen- Ehrhard Göhl kannte ich seit Dezember 1980. Ich schönhausen zur Verfügung. Buchungen sind vor Ort lernte ihn auf einem vom Verein "Hilferufe von drü- oder über das Internet (im zentralen Zeitzeugen-Portal) ben" organisierten Weihnachtstreffen für entlassene möglich. politische Gefangene aus der SBZ / DDR kennen und Hartmut Richter wurde 1948 in Glindow bei Potsdam schätzen. Mit L. P. Naumann nahm ich, kurz zuvor am geboren. Er ist Träger des Bundesverdienstkreuzes der 2. Oktober (dem Geburtstag Mahatma Gandhis) entlas- Bundesrepublik Deutschland und lebt in Berlin. Im sen, an diesem Treffen teil. Dezember 2012 führte der Redakteur mit ihm ein In- Ehrhard war wie ich ein Hardliner, beide vertraten terview, das anschließend über mehrere Seiten in der wir die Meinung, dass nicht alles den geheimen Bemü- Freiheitsglocke veröffentlicht wurde. Es trug die Über- hungen der Diplomaten überlassen bleiben dürfte. Wir schrift „Manchmal hab ich an der Grenze vor Anspan- sprachen uns für spektakuläre Aktionen aus. nung gezittert“ und wurde ergänzt mit der Einleitung: An Brennpunkten wie dem Checkpoint Charlie sollte Fluchthilfe war ein Job, der Mut verlangte und einem auf Zwangsadoptionen und Menschenrechtsverletzun- vor allem nervlich alles abverlangte. gen des SED-Regimes hingewiesen werden. Von sich Das Interview ist in der Ausgabe 721 (Oktoberheft selbst "fortschrittlich-links" fühlenden Zeitgenossen 2012) erschienen. Es kann jetzt unter der Rubrik #ak- wurden wir als Faschisten und, etwas abgeschwächter, tuelles# auf der Web-Seite first-minute-buecher.de in auch als Kalte Krieger gebrandmarkt. Ehrhard hat Ak- voller Länge nachgelesen werden. ARK tionen wie zum Beispiel das Einmauern des Aeroflot- Die VOS dankt Hartmut Richter für seinen Beitrag. 12 Langsam aß ich Stück für Stück das erste eigene Brot auf Ein Rückblick nach mehr als sieben Jahrzehnt auf die schwere Lagerzeit im eisigen Sibirien Wolfgang Lehmann, der in die- Die sowjetischen Bewacher hielten gab es nicht. Die habe ich in meiner sem Jahr seinen 92. Geburtstag uns vom Schnee-Essen ab, indem fast fünfjährigen Haftzeit nie gese- begeht und immer noch als Zeit- sie sogar mit ihren Maschinenpisto- hen. In Großräschen stand ich nach zeuge unterwegs ist, gibt nach- len auf uns einschlugen, denn wir meiner Verhaftung eine Nacht in stehend einen bemerkenswerten hätten sonst daran sterben können. einem Stall mit Männern und Jun- Einblick in seine Lagerzeit im si- Nach einem kurzen Fußmarsch gen so eng, dass niemand umfallen birischen GULag. erreichten wir das Lager, das für konnte. Im GPU-Keller in Calau Vorausgegangen sind bereits die nächsten drei Jahre meine lagen alle auf dem Betonboden. seine Schilderungen über die Heimstatt werden sollte. Es war Später in Ketschendorf schlief ich Verhaftung sowie die Inhaftie- wie alle Lager im berüchtigten die erste Zeit auf einer Stufe der rung als Vierzehnjähriger im La- sowjetischen GULag-System mit Betontreppe, die in den Keller führ- ger Ketschendorf. einer hohen Bretterwand umgeben, te. Erst nachdem Jungen dort ge- Es war am 6. März 1947, als die außen und innen zweifach Stachel- storben waren, konnte ich in einen Tür unseres Viehwaggons aufgeris- draht umfasst, an den Eckpunkten Keller nachrücken. Da lagen wir sen wurde und eine raue Stimme in Wachtürme mit Maschinengeweh- auf einer Bretterpritsche in etwa ein gebrochenem Deutsch rief: „Sibir! ren und Scheinwerfern sowie enen Meter Höhe über dem Fußboden Aussteigen!“ Eiskalter Wind blies durchgehend Wachposten waren. oder direkt auf dem Betonboden mir ins Gesicht. Ich war wie ver- unter der Pritsche, von der nachts steinert. Hatte sich nun meine Be- Wanzen und Flöhe auf uns fielen. fürchtung bewahrheitet, die mich Wie so oft davor und danach hatte schon seit Tagen quälte, je länger ich hier jetzt wieder Glück, indem unser Zug Richtung Osten fuhr. ich einem Sägewerkskommando Am 31. Januar waren wir in Fürs- zugeteilt wurde. Es befand sich di- tenwalde mit unbekanntem Ziel ab- rekt neben unserem Lager, so dass gefahren. Wir, das waren 315 Häft- mir längere Fahrten auf offenen linge des sowjetischen Spezialla- Nach der Einteilung in Kompanien Lkw zur Arbeitsstelle erspart blie- gers Ketschendorf, die im Dezem- und Züge (genau nach preußischem ben. Neben dem eigentlichen Sä- ber 1946 nach einer Untersuchung Vorbild) wurde ich einer der Erd- gewerk gab es noch eine Tischlerei, durch sowjetische Militärärzte aus baracken zugeführt, die es dem unterteilt in Maschinenraum und etwa 10.000 als arbeitsfähig ausge- Aussehen nach wohl schon viele Zusammenbau. Ende 1947 wurde sucht worden waren. An der pol- Jahre gegeben hatte. Die Wände ein weiteres Sägewerk errichtet für nisch-russischen Grenze in Brest- und das Satteldach bestanden aus ein größeres Sägegatter, das die Litowsk waren davon 92 aussortiert halbierten Baumstämmen, mit der Sowjets aus Finnland geklaut hat- und nach Deutschland zurückge- glatten Seite nach innen, die äuße- ten. Unser Gatterfüher Eduard schickt worden, wo sie allerdings ren Zwickelfugen mit Moos ausge- Meinen aus Mecklenburg war der nicht entlassen, sondern in andere füllt und mit Erde an- bzw. aufge- einzige wirkliche Fachmann im Speziallager eingewiesen wurden. schüttet. Dadurch wurden im ganzen Bereich. Er sah sofort, dass Zu den 223 übriggebliebenen, die Rauminneren im Sommer die Hitze es eine hochmoderne Anlage war, nunmehr in russischen Viehwag- und im Winter die Kälte abgemil- die er selbst aus Deutschland nicht gons weiter nach Osten fuhren, ge- dert. Zugänge gab es jeweils an den kannte und drängte unseren Zug- hörte auch ich. Stirnseiten. Beidseits des durchge- führer Franz Winkler, sich dafür Die Helligkeit blendete mich, henden Mittelganges befanden sich einzusetzen, dass wir an dieser denn ich hatte seit unserer Abfahrt jeweils drei Reihen stählerne Dop- neuen Anlage arbeiten dürfen. Es aus Brest-Litowsk mit einer kurzen pelstock-Bettgestelle. Der sowjeti- gelang. Ausnahme in Moskau den Waggon, sche Soldat zeigte auf ein oberes Im März 1948 wurde am ‚Großen in dem es keine Fenster gab, nicht Bett, das für mich bestimmt war. Gatter‘ die Arbeit aufgenommen verlassen dürfen. Als ich auf den Ich war fassungslos! Ein Bett, und und ich war – wieder zum Glück – Boden sprang, stürzte ich in den das für mich ganz allein! Ein unge- dabei. Für die Arbeit der Häftlinge Schnee, weil meine Beine völlig heures Glücksgefühl überkam musste die Verwaltung des Säge- verkrampft waren. Während der mich. Seit meiner Verhaftung am werkes unserer sowjetischen Lager- fünfwöchigen Reise konnte ich we- 24. Oktober 1945 in Großräschen leitung Geld bezahlen. Es sollen gen der starken Belegung nur mit (Niederlausitz) hatte ich (bis auf 420 Rubel im Monat gewesen sein. angezogenen Beinen sitzen oder wenige Tage im Amtsgerichtsge- Wenn man mehr verdiente, bekam stehen. Liegen war nicht möglich. fängnis in Cottbus) überhaupt kein man den Überschuss ausbezahlt, Außerdem schaufelte ich jetzt wie Bett zum Schlafen gehabt. Da aber nur bis 120 Rubel. Schon für wild Schnee in mich hinein, um machte es mir nichts aus, dass auf März erhielt ich zum ersten Mal den quälenden Durst zu lindern, den rohen Einlagebrettern nur ein Geld, und zwar so viel, dass es für denn wir hatten immer nur zu trin- mit Hobelspänen gefüllter Bettsack den Kauf eines Kastenbrotes vom ken bekommen, wenn der Zug ir- lag und eine Wolldecke dazu. Ein Kiosk im Sägewerk reichte. gendwann hielt, und das war selten. Kopfkissen oder gar Bettwäsche Æ nächste Seite oben 13 Æ von voriger Seite Die Entscheidung war überfällig Wie ein Heiligtum trug ich den Brotlaib nach der Ar- Linke und AfD konnten trotz Schulterschluss beit ins Lager. Fast feierlich setzte ich mich auf mein Bett und aß ganz langsam Stück für Stück das Brot auf, Gedenktafel für SED-Opfer nicht verhindern das ganze Brot! Dabei riss ich immer Brocken heraus, Wie bereits mehrmals in der Fg berichtet, gab es schon um sie genüsslich zu verzehren. Gerade die Brocken seit Jahrzehnten Anträge an den Stadtrat von Zeitz waren es, die mich entzückten. Als ich den Laib so in (Sachsen-Anhalt), zur Anbringung einer Gedenktafel einem Zug verspeiste, kam es mir wie ein Gottesdienst für die Opfer der SED-Diktatur. Dies soll nach langen vor. In der gesamten Zeit davor erhielt ich immer nur Diskussionen endlich (!) in die Tat umgesetzt werden. eine Scheibe Brot am Tag. Das war die sowjetische So hat es der Stadtrat in seiner Sitzung am 8. Oktober ‚Norm‘. Mit einer Scheibe Brot und einem Esslöffel 2020 beschlossen. Die Tafel soll ihren Platz am Ge- Zucker stirbt es sich ganz langsam. wandhaus am Altmarkt haben. Dem Antrag stimmten 18 von 34 Stadträten zu, fünf stimmten dagegen. Die Gegenstimmen setzen sich aus den Stadtratsfraktionen AFD (1 von 3) und DIE LIN- KE / ZfZ (4 von 5) zusammen. Damit ist erneut, wenn auch wiederum auf lokaler Ebene, eine Überstimmung von rechten und linken Kräften zu verzeichnen, was an dieser Stelle nicht kommentiert werden soll. Der beschlossene Gedenktafel-Text soll folgender- maßen lauten: In den Gebäuden Altmarkt 16 – 19 befand sich während der DDR-Zeit das Volkspolizeikrei- samt, in dem Menschen verhört, schikaniert und in Gefängnisse überstellt wurden. Aus der Stadt und dem Kreis Zeitz kamen damals Menschen aus politischen Gründen zu Tode oder wurden in anderer Weise Opfer politi- scher Willkür. Wir würdigen den Einsatz für Freiheit und Demokratie und gedenken der Opfer der SED-Diktatur (1949 – 1989). Um diese Gedenktafel haben sich insonderheit sechs Antragsteller verdient gemacht, zu denen auch Dr. Oskar Schmidt gehört, der sich seit Jahrzehnten für die umfassende Rehabilitierung des Predigers Oskar Brü- sewitz einsetzt. Brüsewitz hatte sich in eben diesem Wolfgang Lehmann (Foto: © privat), hier bei einem Zeitz im August 1976 aus Protest gegen das SED- Zeitzeugen-Vortrag an einem Gymnasium in seiner Regime und aus seiner hochgradigen Sorge um die Er- nunmehr langjährigen neuen Heimat, hat bis heute ziehung der Jugend in der DDR öffentlich mit Benzin nicht nur ein äußerlich gutes Profil bewahrt. übergossen und angezündet. Die sechs Antragsteller er- fuhren für ihr hartnäckig vertretenes Anliegen Zu- Dieses langsame Essen hatte uns in Ketschendorf der spruch von zahlreichen Unterstützern in Nah und Fern. Lagerarzt des Jugendhauses, der aus Berlin stammende Zum Beschluss über die Genehmigung der Gedenkta- Dr. med. Vogel, empfohlen. Einmal hat man dadurch fel durch den Zeitzer Stadtrat gaben sie folgende ge- länger das Essgefühl, zum anderen nimmt der Körper meinsame Stellungnahme ab: die Nährstoffe von ganz fein gekauter und eingespei- „Wir sechs Antragsteller danken dem Zeitzer Oberbür- chelter Nahrung besser auf. Das habe ich bis heute so germeister und dem Stadtrat dafür, dass Sie heute am beibehalten. 8. Oktober 2020 die Gedenktafel am Altmarkt be- Dieses Erleben hat mich so tief geprägt, dass ich bis schlossen haben und auf diese Weise im Namen der heute kein Essen wegwerfen kann. Es bereitete mir re- Stadt das Leid der Opfer des SED-Regimes in Zeitz gelrecht körperliches Unbehagen, wenn ich z. B. im und Umgebung in sichtbarer Weise anerkennen. Es ist Schiurlaub in den Hütten sah, welche Mengen an wert- mit Sicherheit der richtige Schritt. vollen Nahrungsmitteln in die Abfallbehälter wander- Leider sind manche der Opfer und der betroffenen ten. So bin ich mir jederzeit meiner heutigen glückli- Angehörigen in den vergangenen Jahren verstorben chen Lage bewusst, dass ich essen kann was ich will, und können die Anerkennung ihres Leides in ihrer wie viel ich will und wann ich will, was damals fast Heimatstadt nicht mehr miterleben. Doch gibt es in fünf Jahre nicht so war. Wolfgang Lehmann Zeitz und dem Kreis Zeitz noch immer zahllose Opfer Aus der Erinnerung aufgeschrieben des SED-Regimes und betroffene Angehörige, die die- im Juli 2020 im 92. Lebensjahr se Würdigung verdienen. Viele Betroffene haben die Die VOS dankt Wolfgang Lehmann für diesen Zeitzer Region verlassen und wohnen heute in anderen wichtigen Erinnerungsbericht und ermuntert hier- Gegenden Deutschlands.“ mit andere Kamerad*innen, ihre Erlebnisse eben- Der Erklärung ist aufgrund ihres Wahrheitsgehaltes falls für die Fg niederzuschreiben. nichts hinzuzufügen. B. Thonn 14 Das Todesurteil und das Ringen um ein wenig Menschlichkeit Ein neues Buch über Hermann Flade, der in der DDR einem Schauprozess ausgesetzt war Das grausame Schicksal des 18- getarnt waren, gestellt. Er zog München und Mainz und nicht jährigen Oberschülers Hermann sein bereits aufgeklapptes Ta- zuletzt ins Erzgebirge werden Flade (1932 bis 1980) aus Ol- schenmesser und stach dem zeitaufwändig und kostspielig bernhau im Erzgebirge, der am Volkspolizisten, der sich auf ihn gewesen sein. Das Literaturver- 10. Januar 1951 vom Landge- gestürzt hatte, in den Rücken. zeichnis lässt erkennen, dass Ka- richt Dresden zum Tode verur- Danach floh er. rin König keine Mühe gescheut teilt wurde, hat die Öffentlich- Am nächsten Morgen, dem hat, aus Haftberichten wie dem keit in Westdeutschland mehr als Wahlsonntag, besuchte er mit von Hermann Flade selbst ein Jahrzehnt beschäftigt. Ohne seiner Freundin den katholischen (1963) wie auch aus denen von das anhaltende Entsetzen über Gottesdienst und ging mit ihr Eva Müthel (1957) und Walter dieses unerhört harte Urteil wäre zum Wahllokal im Ballhaus Kempowski (1969) die Atmo- es am 29. Januar nicht zum Re- Tivoli. Am Nachmittag des 15. sphäre in den DDR- Zuchthäu- visionsprozess gekommen und Oktober wurde er verhaftet und sern der fünfziger Jahre zu erfas- zur Verhängung einer Zeitstrafe in Handschellen abgeführt. sen. von 15 Jahren. Selbst Andrea Feths Buch über Der am 7. Oktober 1949 in der Hilde Benjamin (1997) und Sowjetischen Besatzungszone Wolf Biermanns Autobiografie gegründete Staat, der sich (2016) wurden hier einbezogen. selbstherrlich Deutsche Demo- Was die „Volkswahlen“ von kratische Republik nannte, war, 1950 betrifft, so gelang es ihr da ihm, bis zum Untergang am sogar, einen Kommentar der 9. November 1989, jegliche de- 17-jährigen Brigitte Reimann mokratische Legitimation fehlte, (1933 bis 1973) in einem Brief ununterbrochen darauf bedacht, an eine westdeutsche Freundin mit allen Mitteln seine Herr- ausfindig zu machen. schaft nach innen und außen ab- Das kaum hoch genug einzu- zusichern. Dazu gehörten das Die Gerichtsverhandlung am schätzende Verdienst von Karin politische Strafrecht, das Rede- 10. Januar 1951 war als Schau- Königs Buch ist es, den Le- freiheit, Reisefreiheit und jede prozess inszeniert, der Saal war bensweg Hermann Flades nach Art von Streiks verbot, die „par- brechend voll, die Verhandlung der Haftentlassung weiterver- teiliche“ Strafjustiz, die un- wurde über Lautsprecher nach folgt zu haben. Fast alle Haftbe- menschlich hohe Strafen für draußen übertragen. Um 16.30 richte, sofern sie nicht in Auto- „politische Verbrechen“ aus- Uhr wurde Hermann Flade zur biografien eingebettet sind, en- warf, und dazu gehörte auch die „Strafe des Todes kostenpflich- den mit dem ersten Atemzug in Ermordung Hunderter von DDR- tig verurteilt“. der Freiheit. Von allen Bemü- Flüchtlingen an der innerdeut- Was Karin König mit ihrem le- hungen seiner westdeutschen schen Grenze. senswerten Buch versucht hat, Freunde, den Waldheimer Häft- Hermann Josef Flade, unehe- ist eine Rekonstruktion des ers- ling durch Proteste und Einga- lich geboren am 22. März 1932 ten DDR-Jahrzehnts und der po- ben freizubekommen, hat er in Würzburg, war ein unerbittli- litischen Umstände 1950/51, die nichts erfahren. Andererseits war cher Gegner der neuen Ordnung. zur Verurteilung Hermann seine widerwillig und lustlos Er wuchs seit 1936 in Olbernhau Flades führten. Bereits 1998 hat- eingegangene Verpflichtung zur auf, wohin Mutter und Stiefvater te sie in der Frankfurter Rund- Mitarbeit bei der Staatssicher- mit ihm gezogen waren. Dort schau in einem Essay das Thema heit, die er mutig im seinem besuchte er seit 1938 die Volks- aufgegriffen und danach Briefe Haftbuch zugegeben hat, der schule und nach dem Krieg die einstiger Mithäftlinge Hermann westdeutschen Öffentlichkeit Goethe-Oberschule. Für den 15. Flades im Zuchthaus Waldheim nicht bekannt. Oktober 1950 waren die ersten wie Achim Beyers (1932 bis Am Montag, 28. November Wahlen seit Staatsgründung für 2009) und Lisa Flades, der in 1960, wurde Hermann Flade die „Volkskammer“, das DDR- Siegburg/Rheinland lebenden nach mehr als zehn Jahren aus Parlament in Ostberlin, ange- Witwe, erhalten. Von ihr bekam dem Zuchthaus entlassen und setzt. Hermann Flade, der diese Karin König damals auch die kam bei Verwandten in Flöha, Wahlen aus demokratischer Telefonnummer Lena Reuters in unweit seiner Heimatstadt Ol- Überzeugung ablehnte, hatte mit Olbernhau, der einstigen Sekre- bernhau gelegen, unter. Ein gül- einem Stempelkasten aus der tärin des Bürgermeisters, die zur tiger DDR-Pass wurde ihm aber Kinderzeit Flugblätter gedruckt schier unerschöpflichen Quelle von der Abteilung Inneres des und sie am 14. Oktober, dem wurde. Rates des Kreises verweigert, er Vorabend der „Volkswahlen“, in Die Autorin ist bei ihrer Re- bekam nur einen Behelfsaus- Hausbriefkästen gesteckt. Dabei cherche äußerst umsichtig und weis, mit dem er nicht reisen wurde er von zwei Volkspolizis- zielstrebig vorgegangen. Die Ar- durfte. ten in Zivil, die als Liebespaar chivreisen nach Berlin, Bonn, Æ nächste Seite oben 15 Æ von voriger Seite Es war furchtbar und erschüttert Erst nach einem Beschwerdebrief seiner Eltern an den damaligen Volkskammerpräsidenten Johannes Dieck- mich bis heute zutiefst mann wurde ihm eine Reise von drei Wochen über Todesurteil nach dem Mord an einem ABV Weihnachten zu seinen Eltern in Traun- An einem Freitagabend im Oktober sortierte ich mal stein/Oberbayern zugestanden. Am 10. Dezember wieder alte Unterlagen, und weil dies nicht sonderlich 1960, dem Tag der Menschenrechte, traf er mit dem In- aufregend war, schaute ich nebenher im Fernsehen den terzonenzug nach Mitternacht im oberfränkischen Hof Sender ZDF Info an. Dort liefen Beiträge über alte ein, wo ihn seine Eltern und ein Schwarm von Journa- Kriminalfälle in der früheren DDR. Dabei traf es mich listen erwarteten, die ihn mit Fragen bedrängten. Abge- plötzlich wie ein Blitzschlag, als ein Bericht über einen sandte der Illustrierten Stern entführten dann noch in ABV-Mörder kam. der Nacht Hermann Flade und seine Eltern nach Ham- Der besagte Fall beherrschte jahrelang meine Erinne- burg, wo ihn die Journalistin Eva Müthel (1926 bis rungen, machte mir ein schlechtes Gewissen und lässt 1980), die selbst sechs Jahre in DDR-Gefängnissen mich noch heute schaudern. Wenn ich mit Gruppen verbracht hatte, zu einem Exklusiv-Interview erwarte- von Interessierten – meist sind es Jugendliche – vor te, dessen erste Folge noch vor Weihnachten, am 21. meiner ehemaligen Zelle im Stasi-Gefängnis Magde- Dezember, erschien. burg stehe, erzähle ich oft von jenem Wand-Klopf- Kontakt (1, 2, 3 … = A, B, C … – d. Red.) mit der Nachbarzelle. Diesen Kontakt mit dem dortigen Insas- sen brach ich irgendwann ab, weil mir der Nebenmann mitteilte, dass er aller Voraussicht nach mit der Todes- strafe zu rechnen habe. Ich war damals so naiv zu glauben, dass es das – die Todesstrafe, vor allem ihre grausame Vollstreckung – in der DDR nicht geben würde. Tatsächlich traute ich eine solche Unmenschlichkeit der DDR, die sich in den 1970er Jahren zunehmend auf internationaler Ebene als demokratischer Staat präsentierte, nicht mehr zu. Aber als ich später von einer Vernehmung kam, sah ich, dass Später holte Flade das Abitur nach, nahm ein Studium ein uniformierter Schließer vor der Tür Nachbarzelle in München auf, wechselte nach Mainz und wurde dort saß, wobei die Klappe in der Tür offen war, damit man 1967 im Fach Politikwissenschaft promoviert. Er heira- den Todeskandidaten besser überwachen konnte. tete, wurde Vater dreier Töchter und Referatsleiter im Endlich raffte ich mich auf und nahm Kontakt zur Gesamtdeutschen Institut in Bonn. Zelle an der anderen Seite auf. Auch hier ging es nach Während der zwei Jahrzehnte, die er nach der Haft- dem bekannten Klopfmodus vonstatten. So erfuhr ich entlassung noch zu leben hatte, stand er unter ständiger von den Insassen auf dieser Seite, dass diese Art von Beobachtung des Ostberliner Ministeriums für Staats- Bewachung bei zum Tode verurteilten Häftlingen so sicherheit. vorgeschrieben sei. Mittlerweile war der Todeskandi- Völlig überraschend verstarb er am 16. Mai 1980 mit dat schon verlegt worden. Wohin, habe ich nie erfah- nur 48 Jahren. Jörg Bernhard Bilke ren, doch machte ich mir anschließend schwere Vor- würfe wegen des Kontaktabbruchs. Und nach Aus- Karin König „Die Freiheit ist mir lieber als mein Le- strahlung des Berichts rührt mich das Schicksal des ben“ Berlin 2020, 200 Seiten, 19.80 Euro, auch ge- Betroffenen nun wieder umso mehr. Ich hätte diesem braucht im Internet armen Menschen vielleicht ein ganz wenig Trost spen- **** **** **** **** den können. Er lag zudem an der Außenwand des Ge- bäudes, so dass es keine weitere Kontakt-Möglichkeit Töten für Frieden und Humanität für ihn gab. In der DDR: Mehrere Hinrichtungen pro Jahr? Durch den TV-Bericht weiß ich nun definitiv, dass er Nach inoffiziellen Recherchen wurden allein im Zeit- hingerichtet wurde. Das wurde auch der Gemeinde raum 1970 bis 1979 mindestens 15 Personen von Seehausen mitgeteilt, wo der Bürgermeister urteilte, DDR-Gerichten zum Tode verurteilt und durch einen dass der Hingerichtete vielmehr in eine Klinik gehört „unerwarteten Nahschuss“ hingerichtet. Dabei handelte hätte, da sein Hass auf den ABV von krankhafter Eifer- es sich um Todesstrafen wegen NS-Verbrechen wie sucht geprägt war und dies als Tatmotiv anzunehmen auch Taten aus politischen und kriminellen Gründen. gewesen ist. In den 1950er Jahren erhielt der zuvor vom Oberleut- Ich würde gern die Gemeinde Seehausen aufsuchen nant zum Feldwebel degradierte Armee-Angehörige und mit Leuten sprechen, die damals dort lebten und Manfred Smolka die Todesstrafe, weil er seine Frau etwas zu den schlimmen Vorgängen berichten könnten. und die Tochter in den Westen bringen wollte. Der Nach diesen vielen Jahrzehnten könnte dann auch ich Fluchtplan war zuvor verraten worden. Die zuständi- etwas Ruhe und einen Abschluss finden. gen Richter zeigten nach der Aufarbeitung des Falles Jürgen Krahn / ARK auch später keine Reue und keine Einsicht. Ulbricht, Nachtrag: Im vorstehend geschilderten Fall könnte es damals SED-Chef, lehnte ein Gnadengesuch unter fa- sich um Klaus Jarosch handeln, der das Todesurteil am denscheinigen Gründen ab. T. H. 23. März 1973 vom Bezirksgericht Magdeburg erhielt. 16 Nach der Freude über die Wiedereinigung setzte es Enttäuschungen Die Opfer wurden unzureichend entschädigt, während die Peiniger ihre Rentenansprüche eins zu eins im neuen Rentensystem umsetzen konnten. Teil 3 des Fortsetzungsberichts von Siegmar Faust Der Fortsetzungsbeitrag für in- ben zwangsarbeiten lassen und ten Antikommunismus gelöst“ teressierte Leserinnen und Le- mitunter sogar misshandelt und (Gert-Joachim Glaeßner) habe. ser (zuletzt Fg 811): In einem vergewaltigt hatten. Als dann endlich die Stasi- The- mehrteiligen Beitrag für die Als dann Ende der 1980er Jahre matik den Buch- und Zeitungs- Freiheitsglocke schildert VOS- gar die Massendemonstrationen markt überschwemmte, da mutige Dissidenten-Urgestein Siegmar und die rasante Fluchtbewegung Bürgerrechtler mit Hungerstreiks Faust seinen Weg von den An- von DDR-Bewohnern vor allem die Vernichtung und Einsargung fängen im schlammigen Sozia- über Ungarn in den Westen ein- der Stasi-Akten verhinderten, wur- lismus bis zum Übertritt in die setzten, löste das bei den westli- de kaum noch beachtet, in wessen überstrahlende Welt des Wes- chen Vertretern des Fortschritts Diensten die „armen Stasi-Hunde“ keineswegs solidarische Anteil- (Wolf Biermann) ihre zum größten tens sowie zu seinem unermüd- nahme und Freude, sondern Teil verbrecherischen Aktivitäten lichen Einsatz für Aufarbei- schwerste Irritationen und pani- gegen das eigene Volk eigentlich tung und Aufklärung der sche Abwehrreflexe aus. Kein ein- ausgeführt hatten. Da mit heißer kommunistischen Diktatur. ziges Institut, kein Geschichtspro- Nadel ausgehandelt worden war, Der Beitrag muss aufgrund fessor oder wer auch immer inte- dass das SED-Unrecht nur nach seines Umfanges und des be- ressierte sich außer den Betroffe- SED-Recht bestraft werden dürfe, grenzten Platzes in der Fg auf nen je für das Thema Stasi. Ledig- gab es bis auf eine einzige Aus- mehrere Ausgaben verteilt lich der Journalist Karl Wilhelm nahme keinen Prozess gegen einen werden. Der erste und der Fricke, der zu den Hunderten ge- der übrigen 91.000 hauptamtlichen zweite Teil waren in Nummer hörte, die man aus dem Westen Stasi-Schergen, denn sie hatten ja 809 bzw. 811 nachzulesen. entführt und nach furchtbaren Sta- nach den Gesetzen der DDR ge- Lesen Sie nachfolgend den si-Verhören zu Haftstrafen verur- handelt und lediglich die Aufträge spannend unterhaltsamen drit- teilt hatte, wurde nach seiner der Regierung erfüllt. ten Teil einer ungewöhnlichen Rückkehr faktisch der einzige Immerhin wurde doch eine Zent- Lebensgeschichte. Fachmann für Widerstand und rale Ermittlungsgruppe für Regie- Opposition und Unterdrückung in rungs- und Vereinigungskriminali- Die linken Kollegen, die immer so der mitteldeutschen Sowjet- Kolo- tät (ZERV) gegründet, der mit gern ihre Solidarität mit allen Un- nie. Der DDR-Forscher Johannes Manfred Kittlaus an der Spitze ein terdrückten dieser Welt betonten, Kuppe und Frickes Kollege beim kompromissloser und engagierter zeigten sich gegenüber den Erfah- Deutschlandfunk erkannte mit Er- Aufklärer vorstand. Im September rungsopfern der Stasi- Repressio- schrecken: Fricke hat das Thema 2004 wurde er tot in seinem Auto nen nur selten aufgeschlossen und Repression in der DDR tatsächlich aufgefunden. Er starb 67-jährig hilfsbereit, es sei denn, diese allein abgedeckt. vermutlich an einem Herzinfarkt. streckten erst einmal wie Wolf Und eben dieser Fricke war es Keiner der Täter musste jene Biermann, Jürgen Fuchs, Gerulf auch, der kurz vor dem Ende des unmenschlichen Haftbedingun- Pannach oder Rudolf Bahro wei- totalitären Unrechtsstaates das ein- gen erdulden, wie sie die Opfer terhin ein rotes Fähnchen in den zige Buch zum Thema Stasi veröf- des Regimes zu ertragen hatten. Wind. Vor allem gegenüber den fentlicht hatte: „Die DDR-Staats- über 200.000 politischen Haftop- sicherheit. Entwicklung, Struktu- Gegen rund 100.000 SED- Funkti- fern blieben die Politiker dieser ren, Aktionsfelder“. In diesem onäre, Stasi-Offiziere, Gefängnis- Richtung engherzig. Buch ging er nach eigenen Re- wärter und andere Hilfskräfte des Die Opfer und Widerständler cherchen davon aus, dass es im Unrechtsstaates wurden Ermitt- wurden nicht nach dem damals SED-Staat rund 17.000 hauptamt- lungsverfahren eingeleitet. Gegen schon bestehenden Bundesent- liche Stasi-Mitarbeiter gäbe. Das 1.286 Angeschuldigte wurden ge- schädigungsgesetz von 1956 ent- galt für das kleine Land von rund richtliche Hauptverfahren eröffnet, schädigt, sondern auf eine viel bil- 16 Millionen Einwohnern und sei- doch nur 750 Personen wurden ligere Weise, während unsere Pei- nem riesigen Parteienapparat als rechtskräftig verurteilt. Lediglich niger ihre Rentenansprüche eins zu eine große Anzahl. 40 Angeklagte wurden zu Frei- eins in das bundesdeutsche Ren- Nach dem Zusammenbruch des heitsstrafen ohne Bewährung ver- tensystem einspeisen konnten. sozialistischen Regimes kam je- urteilt. Keiner der schießwütigen Dadurch stehen heute viele Opfer doch heraus, dass dieses Terrormi- Grenzer, der den Befehl ausführte, und Widerständler gegen die SED- nisterium allein 1989 über 91.000 „auf Menschen wie auf Hasen zu Diktatur viel schlechter da als die- hauptamtliche und 174.000 Infor- schießen“ (Lothar Loewe), musste jenigen, die sie im zivilen Leben melle Mitarbeiter verfügte. Doch dafür ins Gefängnis. Doch „Das ist oder in den Zuchthäusern und be- für die hochdotierten DDR- For- Siegerjustiz!“ hallte es durch den sonders in den Jugendwerkhöfen scher der Bundesrepublik war es medial populistischen Kosmos. des SED-Regimes bespitzelt, ver- wegweisender, dass sich die west- Keiner dieser Täter musste die haftet, gequält, unrechtmäßig ver- deutsche DDR-Forschung „aus der Erfahrungen der Opfer selbst erle- urteilt, unter Fronbedingungen ha- platten Umklammerung eines plat- ben. Æ nächste Seite 17 Æ von voriger Seite einen sogenannten Rechtsruck in jetmodell zu retten, kam dann als der Politik wundern? Und kann ich „Eurokommunismus“ daher und Vor allem jene Haftbedingungen, von solchen Politiker*innen erwar- wurde in der DDR besonders von die sie, als sie noch an der Macht ten, dass sie im Fall einer Pande- den Dissidenten Robert Havemann waren, ihren zu Feinden erklärten mie die richtigen und sinnvollsten und Wolf Biermann vertreten. politischen Gegnern zugemutet Maßnahmen treffen? Beide waren im Westen Deutsch- hatten, hätten sie wenigstens ein- Jenseits aller Metaphysik haben lands sehr bekannt und spalteten mal für wenige Stunden kennen- wir es hier und heute wegen des die Linke, denn nach der Logik der lernen sollen. praxiswissenschaftlich fundierten Orthodoxen schürten jene, die die Doch genau das blieb ihnen wie „konkret-utopischen“ Zukunfts- Sowjetunion oder die DDR zu of- vieles andere erspart. Insofern ver- denkens nicht nur mit einer Pan- fen kritisierten, vermehrt „anti- rät der bekannte Satz der Bürger- demie Covid 19, sondern auch mit kommunistische Ressentiments“ rechtlerin Bärbel Bohley durchaus einer ideologischen Pandemie un- und schwächten somit den Kampf eine berechtigte Enttäuschung, die geheuren Ausmaßes zu tun. Die der Fortschrittsgenossen gegen den besonders jene teilen, die in die Kernstaaten der Demokratie sind westlichen „Imperialismus“. Mühle der Stasi geraten waren: ab den 1960er Jahren des vorigen Siegmar Faust, Berlin, 2020 Wir wollten Gerechtigkeit und be- Jahrhunderts kulturmarxistisch an- kamen den Rechtsstaat. gehaucht, wenn nicht gar unter- Tja, wenn es ihn denn wenigs- Ein bleibendes wandert, viele Werte sind spürbar tens noch gäbe, den Staat, den man in der Auflösung begriffen.Wir virtuelles Zeugnis als halbwegs zuverlässiges Rechts- erkennen: Die Grundpfeiler von instrument bezeichnen könnte. Ute Lepke, die Berlin-Demo Demokratie und Rechtsstaatlich- Spätestens seit 2015, als über eine und unsere Proteste keit, die nur in einem modernen Million überwiegend junge Män- Liebe Kameradinnen, politischen System voll zur An- ner, viele davon ohne Pass und oh- liebe Kameraden, wendung kommen und sich vor al- ne Gesetzesgrundlage, faktisch nur (FG) der Tod unserer Kameradin lem in der Gewaltenteilung und aus Mitleid einer ansonsten kühl Ute Lepke (Nachruf in letzter Fg – damit auch in der Einklagbarkeit agierenden Kanzlerin eingelassen d. Red.) gibt Anlass, noch einmal des Rechts für alle Bürger*innen wurden, bekam ein größer wer- an die markanten Berlin-Demos un- beweisen müssen, sind seit der dender Teil der Bevölkerung lang- seres Verbandes und der Betroffe- Gründung der Bundesrepublik sam mit, dass sie der Rechtsstaat nen, der Angehörigen und der Deutschland noch nie so weit au- nicht mehr schützt, sondern selber Sympathisanten zu erinnern. Zum ßer Kraft gesetzt worden wie in bedroht oder zumindest verunsi- einen ging es um den Rentenbetrug den letzten Jahren. chert. Kamen durch den Terroran- an uns SED-Opfern, zum anderen Es gab im Westen ab 1973 ein schlag eines tunesischen Moslem war es eine Gelegenheit, dass wir retardierendes Moment, nachdem 12 Menschen ums Leben wie auf noch einmal eindringlich auf uns hier Alexander Solschenizyns dem Berliner Weihnachtsmarkt am und auf unsere Verdienste und un- Werk „Der Archipel GULag“ er- Breitscheidplatz, dann bekamen sere Nöte aufmerksam machen (Ute schienen und damit das KZ- La- die Hinterbliebenen vorerst nur ein Lepke: „Wir sind laut …“) gersystem in der kommunistischen Drittel an Opferhilfe dessen, was Die damalige Demo, die beim Sowjetunion aufgedeckt worden den Opfern des psychisch kranken VOS-Büro am Bahnhof Zoo be- war. Die Linken in Deutschland Massenmörders von Hanau sofort gann, wurde von Dr. Wolfgang ließen sich von ihrer Anklage ge- zugesichert worden war. Die An- Mayer (+), Wolfgang Graetz und gen ihre Elterngeneration, weil sie gehörigen der Opfer des Berliner der VOS organisiert, wobei Hugo Hitler nicht verhindert hatten, Breitscheidplatzes schrieben ein Diederich dafür sorgte, dass ein kaum ablenken, während es in den Jahr nach dem Anschlag einen Lautsprecherwagen angemietet romanischen Ländern, insbesonde- Brief an die Kanzlerin, der sogar werden konnte! Danke. re in Frankreich, wo Intellektuelle vom SPIEGEL veröffentlicht wur- Unser Kamerad Thomas Rudolph und Künstler kommunistische Par- de. Darin heißt es, dass sie als Hin- (Bodenseekreis) leistete mit der teien als Mitglieder oder Sympa- terbliebene nach fast einem Jahr Kamera gute Arbeit und hielt die thisanten unterstützt hatten, zu hef- nach dem Anschlag nicht einmal Aktionen (auch in Karlsruhe vor tigen Diskussionen kam. ein persönliches Kondolenzschrei- dem Bundesverfassungsgericht) Einige wandten sich wie der Phi- ben der Kanzlerin bekommen hät- für die Nachwelt fest. Auch ihm losoph André Glucksmann ganz ten. Frau Merkel muss sich da gebührt großer Dank. Nunmehr von der kommunistischen Utopie schon die Frage gefallen lassen, ob können wir Ute Lepke mit dem ab. Die ehemals starken kommu- sie die Kanzlerin aller Deutschen Mikrofon in der Hand neben dem nistischen Parteien Italiens, Frank- und sogar aller Europäer ist. Lautsprecherwagen marschierend reichs und Spaniens gingen ge- Andere Politiker*innen, von nochmals erleben. Der Link kann schwächt und desillusioniert aus AKK bis GG, kommentierten die kostenlos unter der Internetadresse diesem Streit um Solschenizyns Vorgänge in der gewohnt ober- https://vimeo.com/473543931 Bücher heraus, die nun verstärkt flächlichen Art, mit der große Tei- hochgeladen werden. Bitte macht auf den Markt kamen. le der Bevölkerung nicht einver- hinreichend davon Gebrauch und Der letzte Versuch, die kommu- standen sind, weil sie sie nicht ver- gebt diese Information weiter. nistische Ideologie nach der nun stehen. Muss man sich daher über Bleibt gesund eingetretenen Distanz zum Sow- Euer Fritz Schaarschmidt 18 Moskau im Zeichen der Sowjets? Zusammenarbeit nicht möglich Man ehrt die Opfer (und schützt die Täter) Donald Trump hat in den USA die Wahl verlo- Im Jahr 2017 eröffnete der russische Präsident Wla- ren. Wird es nun (für uns) etwas besser? dimir Putin in Moskau das erste staatlich finanzierte Was bedeutet uns die USA? Eigentlich muss man die Denkmal für die Opfer der politischen Repression in Frage nicht stellen, denn egal ob man für das große der Sowjetunion. In den Worten Putin soll die „Mauer Land Sympathien oder Antipathien hat, ist uns vor al- der Trauer“ dazu dienen, dass „wir und unsere Nach- lem in den vergangenen vier Jahren klar geworden, folger niemals die Tragödie der Repression vergessen dass wir auf die USA immer noch angewiesen sind. sowie die Gründe, die zu ihr geführt haben“. Dies ist eine Erkenntnis, die viel mit dem scheidenden Die „Mauer der Trauer“ steht heute auch für die Präsidenten Donald Trump zu tun hat. Und auch für Verlogenheit der steigenden Repression und neuer po- ihn, für Trump, muss man konstatieren, dass er unge- litischer Gefangener. Dieses Denkmal ist keine Ange- achtet der Einstellung zu ihm für uns wichtig ist. legenheit einer anderen Vergangenheit, auch wenn Nicht umsonst haben nicht nur wir, sondern alle Län- dieses Denkmal eine gewisse Anerkennung der Ver- der der Erde mit großer Spannung auf den Ausgang brechen der stalinistischen Repressionen ist. der Wahl im November geschaut. Bereits vor dieser Wahl stand fest, dass sich eine deutliche Mehrheit der Deutschen Trumps Abwahl gewünscht hat. Man hat ihn hier als Wüterich wahrge- nommen, als Mann ohne erkennbare politische Linie, und nicht zuletzt hat er in Deutschland immer nur ei- nen Gegner gesehen, der sich auf Kosten der USA ei- nen hohen wirtschaftlichen Standard geschaffen hat und seine Bündnis-Verpflichtungen nicht einhält. Um ehrlich zu sein, Trump hatte und hat nicht Un- recht. Deutschland hat sowohl bei den Rüstungsaus- gaben wie auch bei verschiedenen Exportvergünsti- gungen profitiert. Das hat man in Berlin und in den Bundesländern aber längst begriffen, und, wenn auch schwerfällig und gegen den notorischen Widerstand linker Gruppen, wächst die Bereitschaft zur Erfüllung der angemahnten Verpflichtungen. Gewiss hätte Do- Will man mit der „Mauer der Trauer“ einen Schluss- nald Trump diese Einsicht auf andere, soll heißen strich ziehen? Ob gut oder böse, nach dem Verständ- freundliche oder zumindest gemäßigte Art bewirken nis der Russen ist er wohl weder gut noch schlecht? können. Er, ein Mann mit deutschen Wurzeln, hätte Man ehrt die Opfer, aber gleichzeitig versucht man, hier offene Türen eingerannt, wäre er zum Schulter- die Täter nicht anzutasten und Stalin gar noch ins po- schluss bereit gewesen. Merkel und er hätten ein sitive Licht zu rücken. Das System, das zu den Opfern transatlantisches Bündnis schaffen können wie man es und zu dem Terror geführt hat, wird nicht verurteilt! aus allen früheren Präsidentschaftszeiten kennt. Stattdessen stehen noch viele Stalin-Denkmäler in Doch es sollte nicht sein. Nicht nur was die deutsch- Moskau, warten zudem Lenin- und Stalin-Imitatoren amerikanischen Beziehungen angeht, hagelte es jede in historischen Verkleidungen am Roten Platz auf Menge politisches Kleinholz, auch anderweitig stiftete Touristen. Der Geschmacklosigkeit sind auch sonst Trump fast nur Verwirrung und sorgte er für Empö- keine Grenzen gesetzt. rung, wobei das undurchsichtige Techtelmechtel mit Ehrlich wäre die russische Politik, wenn eine wirkli- dem Staatsoberhaupt Nordkoreas am unerträglichsten che Aufarbeitung der sowjetischen Verbrechen begin- war. Bei allem, was er tat, galt offenbar nur ein Maß- nen würde, so dass man das kommunistische Regime stab, und das war er selbst. Bis zuletzt, vermutlich und Stalin juristisch verurteilt und dass endlich der noch nach Auslieferung dieser Freiheitsglocke, hielt Zugang zu den Archiven gewährt wird, denn in den und hält er die Welt in Atem, indem er offiziell bestä- letzten Jahren war die Tendenz eindeutig, die Archive tigte Wahlergebnisse nicht nur anzweifelt, sondern sie unter verschiedenen Vorwänden wieder zu schließen. in der Öffentlichkeit als Betrug auslegt. Sei es zum Schutz von Einzelpersonen oder Staatsge- Wenn man nun die Frage stellt, was wird aus den heimnissen. Dadurch werden – natürlich – vor allem USA?, muss man zugleich fragen, was wird aus die Täter geschützt. Trotz der Widersprüchlichkeit zu Deutschland und was wird aus der EU, der Nato, was diesem Denkmal, so ist es ein kleiner Erinnerungsbau- wird aus diesem Erdball? Dass Joe Biden der nächste stein und der Versuch die sowjetische politische Re- Präsident ist und ins Weiße Haus einziehen wird, ist pression in der Sowjetunion aufzuarbeiten. unbestritten. Man wird Donald Trump vorher viel- Aber auch in Deutschland hat das kommunistische leicht mit Polizeimitteln daraus entfernen müssen, was Gespenst noch immer seine Tentakel nicht verloren. aber nicht heißt, er wird Ruhe geben. Die Spaltung der Auch hier wiegen sich die Täter sicher unter dem USA und die Verunsicherung bei den Verbündeten Schutz der Flügel der Linken und feiert man den Be- wird Biden, ein Mann von 78 Jahren auch noch, nur ton-Gott Karl Marx. Siehe Neubrandenburg wo es mit Mühe und Geduld beheben können. Und doch noch immer kein Mahnmal für die Opfer der SBZ- hoffen wir dass er es schafft, und wir glauben daran und DDR-Diktatur gibt. God bless America (und uns als Verbündete). André Rohloff (Textbeitrag und Foto) Valerie Bosse 19 Düsseldorfer Mauer- Opfer bleiben hinter Opferrente muss wei- segment verlegen? den Tätern zurück ter Thema bleiben Einen attraktiven Standort für Recht und Gerechtigkeit klaf- Auch beir Corona- Einschrän- das Gedenken schaffen fen wieder weit auseinander kungen nicht aufgeben Beim Zweiten Runden Tisch beim Nach einem kurzen historischen Es hat lange gebraucht, eigent- Beauftragten der NRW- Landesre- Zeitabschnitt werden die ehemali- lich zu lange, um eine Erhöhung gierung für die Belange von deut- gen Verantwortlichen für tausend- der Opferrente zu erreichen. schen Heimatvertriebenen, Aus- faches Leid an ehemaligen poli- Zu erwähnen ist, dass diese Er- siedlern und Spätaussiedlern Heiko tisch verfolgten DDR-Bürgern höhung auch nicht ganz unseren Hendriks am 9. November 2020 in wieder aktiv. Vorstellungen entsprach. Und ge- Düsseldorf, der diesmal als Video- Während die ehemaligen haupt- wiss ist es nicht an der Zeit, über Konferenz unter Beteiligung der amtlichen Staatssicherheitsmitar- mehr Geld zu sprechen. VOS-Mitglieder von NRW durch- beiter überall Schutz genießen, Vielleicht aber doch?! geführt wurde, ging es auch um die bleiben die Opfer ausgeliefert. Die Gründe: Umgestaltung, eventuell auch Um- Nach meiner Auffassung werden Eine weitere Überprüfung der verlegung des Berliner Mauerseg- die DDR-Opferrechte in Deutsch- Opferrente nach erneut fünf Jahren ments (Foto vom 9. November land nicht nach dem gültigen scheint bzw. wäre keineswegs 2019), das in der Nähe des NRW- Grundgesetz angewandt. zeitgemäß. (Noch im vorigen Jahr Landtags seinen Platz hat und wo Dass eine Opferklage vom Bun- ging man von völlig anderen Vo- mittlerweile schon ein Gedenken desverfassungsgericht nicht zur raussetzungen aus). Nun jedoch an die Schicksale der Teilung und rechtsstaatlichen Überprüfung hat sich die finanzielle Lage durch des kommunistischen Unrechts durch eine Verhandlung ange- Covid 19 auch für unseren Perso- stattgefunden hat. nommen wird, ist außerdem ein nenkreis mit negativen Vorzeichen Verstoß gegen die Menschenrechte verändert. So ist ja beispielsweise und völlig unverständlich. So ist es eine geplante Nullrunde bei der nicht verwunderlich, wenn ehema- nächsten Rentenbewertung in 2021 lige Verantwortliche der DDR- abzusehen, was auch mit unserer Diktatur ihre Opfer verklagen und Opferrente korrespondieren dürfte. diese in eine Zwangslage bringen. Die Opferverbände, voran die 2020 ist das Jahr in dem etliche ih- VOS, sollten daher baldmöglich re Posten verlassen und fortan ho- folgende Forderungen stellen: he Pensionen beziehen. Opfer, das 1. Neue Überprüfung der Er- ist seit langem kein Geheimnis höhung bzw. Anpassung mehr, sind finanziell bedeutend sollte nicht nach fünf, also schlechter gestellt. Für mein noch nach zwei Jahren erfolgen. nicht verhandeltes Verfahren Das heißt, es wäre im musste ich bereits mit 9.000 € in nächsten Jahr fällig. Vorkasse gehen. 2. Die Verbände, namentlich Bei einer Niederlage kommen die VOS, sollten aktuell, weitere Kosten in vierstelliger Hö- also ab sofort, auf eine he auf mich zu. Das Ziel ist ein- Nachbesserung von monat- deutig. Nicht nur mein Buch lich 25 bis 50 Euro drin- "Mundtot", Underdog Verlag gen. Hamburg soll vom Markt genom- Um es geradewegs auf den Punkt Vorgesehen ist, nach Aufhebung men werden. Nein, es soll auch ei- zu bringen: Der zweite Vorschlag der Corona-Beschränkungen die ne finanzielle Notsituation meiner wäre sicher der bessere, weil er angedachte Änderung als baldigst Familie entstehen. am wenigsten kompliziert wäre. zu realisierendes Projekt mit dem Lothar Tiedtke von Koß Davon abgesehen sollte man die neuen Düsseldorfer Oberbürger- gesamte Thematik mit Blick auf meister Keller zu besprechen. Kurz vor Vollendung seines 94. die Wahl des Deutschen Bundes- Für eine geplante Dokumentation Lebensjahres verstarb in Dorf- tags in 2021 (falls diese denn zur Mauergeschichte bzw. zur Ge- chemnitz (Sachsen) unser stattfindet – d. Red.) angehen. schichte der Teilung Deutschlands Kamerad Danach dürfte zur Durchsetzung ab dem 13. August 1961 würde Werner Stiehl dieses Anliegens sehr schwere durch die Initiatoren die Unterstüt- Zeiten anbrechen. zung des Instituts für Deutschland- Mit ihm verliert die VOS einen Und um es auch aus einer ande- forschung an der Ruhr-Universität zuverlässigen und beliebten ren, leider realistischen Perspek- Bochum angefordert werden, mit Kameraden. Unser Mitgefühl tive zu kommentieren: Viele der der die Zeitzeugen der VOS seit gilt seiner lieben Frau Helga eigentlich Berechtigten sind nun über einem Jahrzehnt intensive und der Familie. verstorben. Und fast jeden Tag Verbindungen unterhält und er- Karl-Heinz Mantau kommen weiter dazu. Leider. folgreiche Arbeit leistet. Bundesvorstand Karl-Heinz Genath (94 Jahre) Felix Heinz Holtschke 20 Eine Autorin mit höchstens halbem Wert? Der eigene Schaden Der DDR-Staatsautorin Anna Seghers zum 120. Geburtstag Über Politik und Literatur Eine (teils dankbare) Betrachtung von Jörg Bernhard Bilke Wer in der DDR gelebt, vor allem Als ich im Sommersemester 1958 te, die wir mit schmutziger dort zur Schule gegangen ist, der zum Studium der Literaturwissen- Wäsche nach Hause schickten, wird den Namen Anna Seghers bis an schaft an die Freie Universität Ber- durchleuchtete. Da mussten sein Lebensende nicht vergessen. lin ging, war mir der Name der wir Strafe zahlen. „Das siebte Kreuz“ war unabdingba- DDR-Schriftstellerin Anna Seghers Als ich im November 1960 re Pflichtliteratur im Schulstoff, man (1900 bis 1983) völlig unbekannt. mein Studium in Mainz fort- kam nicht umhin, diesen Roman Im Deutschunterricht der Ober- setzte, merkte ich rasch, dass vollständig zu lesen und im mündli- schule in Kirchheim/Teck hatten Anna Seghers auch in ihrer chen Unterricht auf Inhaltsfragen mit wir nichts von ihr gehört, und auch Geburtsstadt eine unbekannte einer streng sozialistischen Interpre- in den Vorlesungen an der Univer- Autorin war. Weder bei den tation aufzuwarten. sität wurde ihr Name nicht erwähnt. Germanisten im Deutschen Sicherlich kann man dieses „Siebte Nur ein einziges Buch von ihr war Seminar noch in der Volks- Kreuz“ unter den politischen Bedin- von einem westdeutschen Verlag hochschule noch in der „Aka- gungen seiner Entstehung ganz an- gedruckt worden: die bereits 1928 demie der Wissenschaften und ders sehen, als es später in der DDR veröffentlichte Erzählung „Auf- der Literatur“ wurde ihrer ge- ausgelegt und ideologisch miss- stand der Fischer von St. Barbara“ dacht, obwohl sie nicht zuletzt braucht wurde. Man kann auch ak- im Suhrkamp-Verlag in Frankfurt/ in ihrem Widerstandsroman zeptieren, dass die Autorin Seghers Main. „Das siebte Kreuz“ (1942) als später nicht die Kraft hatte, sich ge- Erst als ich im Sommersemnester auch in ihrer in Mexiko ge- gen die Vereinnahmung dieses Wer- 1958 mehrmals in den Ostsektor schriebenen Erzählung „Der kes zu stemmen. Und doch kommt Berlins fuhr, um Bücher zu kaufen, Ausflug der toten Mädchen“ man nicht um die Feststellung umhin, entdeckte ich ihren 1942 im mexi- (1946) ihrer Heimatstadt ein dass sich Seghers in der DDR ver- kanischen Exil erschienenen Roman literarisches Denkmal gesetzt einnahmen ließ. Es war nicht nur die „Das siebte Kreuz“ über die Flucht hatte. Als in Berlin am 13. Rolle, die sie als Vorsitzende eines von sieben Häftlingen aus einem August 1961 die Mauer gebaut Verbandes, der das ausgewiesene In- Konzentrationslager in Rheinhessen wurde, war sie auf Reisen in strument der SED-Ideologen war, hat bei Worms. Ich kaufte das Buch, Südamerika und bekam von wählen lassen. Sie hat auch in dicken aber ich las es nicht. Es war damals diesem Verbrechen, das ihr Romanen wie „Die Entscheidung“ verlockend, in Ostberliner Buch- oberster Landesherr Walter oder „Das Vertrauen“ einen Stali- handlungen einzukaufen, wenn man Ulbricht in einer Sommernacht nismus in hochprozentiger Auflösung in Westberlin studierte. Man verübt hatte, nichts mit. Ich nicht nur entschuldigt, sondern gera- brauchte nur in der Wechselstube selbst wurde am 9. September dezu verherrlicht. am S-Bahnhof Zoo 25.00 Westmark 1961, als ich die Leipziger Will man ihr Werk und ihre Hal- in 100.00 Ostmark umzutauschen, Buchmesse besuchte, auf dem tung bewerten, dann muss man auch dafür konnte man in den Buchhand- Karl-Marx-Platz verhaftet und immer die Bewertung ihrer mittleren lungen in der Friedrichstraße oder am 23. Januar 1962 wegen bzw. späten Schaffensperiode einbe- am Alexanderplatz Paul Rillas „Staatsgefährdender Hetze“ zu ziehen. Mag sein, dass diese verzwei- zehnbändige Lessingausgabe aus dreieinhalb Jahren Zuchthaus felt gewollte Literatur dem im Sozia- dem Aufbau-Verlag erwerben, die verurteilt. Ankläger war der lismus üblichen Auftragswesen zuzu- 90.00 Ostmark kostete, also umge- Bezirksstaatsanwalt, der ein schreiben ist und Seghers eine rechnet nur 22.50 Westmark, was übler Bursche war und der ei- Pflichtleistung erbrachte, hat sie sich für einen Studenten mit seinem nige Jahre später, wie man in doch damit enorm geschadet. schmalen Geldbeutel ein erheblicher Peter Sodanns Buch „Keine Im Gesamtbild der DDR findet sie Vorteil war. halben Sachen“ (2008) nachle- ihre Fortsetzung in führenden Auto- Wir in Westberlin wohnenden sen kann, aller seiner Ämter ren wie Kant, Flegel oder Neutzsch, Studenten (damals gab es den Gen- enthoben wurde, weil sein die auf sehr unterschiedlichem und der-Begriff Studierende noch nicht Sohn „Republikflüchtig“ ge- sichtlich differenziertem Stil die – d. Red.) besuchten auch für billi- worden war. DDR als den besseren Staat propa- ges Geld die Ostberliner Theater Peter Sodann saß im Unter- gierten, dabei jedoch ihr Wesen, das und aßen in der Pause Lachsbröt- suchungsgefängnis der Leipzi- in der Diktatur bestand, teils wissent- chen an der Theke. ger Staatssicherheit in der lich bzw. mit Absicht negierten. Bücher in Ostberlin für „illegal“ Beethovenstraße einige Wo- Letztlich teilt Seghers das Schicksal in Westberlin getauschtes Geld zu chen in meiner Nachbarzelle. vieler Autorinnen und Autoren: Ver- kaufen war nicht gefährlich, jeden- Er war am selben Tag wie ich gessen und nicht mehr gebraucht und falls ist keiner von uns Bücher- verhaftet worden, wurde aber bestenfalls hervorgekramt, um zu schmugglern jemals erwischt und schon vor 6.00 Uhr aus dem fragen: Darf sich die Literatur der bestraft worden. Gefährlich für uns Bett geholt, weil man befürch- Politik unterwerfen? Und: Worüber war der Westberliner Zoll, der uns tete, er wollte an diesem hat sie denn eigentlich geschrieben? auf den U-Bahnstationen in West- Samstag verreisen. Tom Haltern Berlin auflauerte oder unsere Pake- Æ nächste Seite oben 21 Æ von voriger Seite Romans „Das siebte Kreuz“ mit der VOS gratuliert Da aber – das Gefängnis war über- Schreibmaschine abgeschrieben hatte. Nach der Lesung konnte man Stefan Krikowski erhält Aus- füllt – keine Zelle frei war, fuhr zeichnung für wichtige Arbeit man vier Stunden mit ihm durch sich Bücher von der Autorin signie- Leipzig und um Leipzig herum. ren lassen. Ich hatte die DDR- Eine besondere Ehre erfuhr der Nach meiner Verurteilung wurde Ausgabe des Romans „Das siebte Vorsitzende und Koordinator der ich mit einer Gruppe Mitgefange- Kreuz“ aus dem Aufbau-Verlag Lagergemeinschaft Workuta / GU- ner ins Zuchthaus Torgau an der mitgebracht, in die sie mir Namen Lag Sowjetunion, Stefan Krikowski Elbe gefahren, wo ich ein Viertel- und Datum schrieb. Meinen Namen am 11. November 2020, als ihm der jahr blieb. Dort aber gab es 300 nannte ich ihr nicht, verschwieg ihr Protokollchef des Landes Berlin, Nichtarbeiter, da die Staatssicher- auch, dass ich diesen Roman im Dr. Andreas Zimmer, im Auftrag heit „im Klassenauftrag“ unentwegt Zuchthaus Waldheim gelesen hätte. des Bundespräsidenten die Ver- „Staatsfeinde“ eingefangen hatte, Im Jahr 1970 entschloss ich mich, dienstmedaille des Verdienstordens für die es in den Gefängnissen kei- über ihr Frühwerk 1926/32 meine der Bundesrepublik Deutschland ne Arbeit gab. Als ein Mitgefange- Doktorarbeit zu schreiben. im Roten Rathaus verlieh. Die ner an seine Frau schrieb, er wäre Jahrzehnte später, ich war schon Auszeichnung erfolgte wegen der immer noch „arbeitslos“, wurde er Rentner, wurde mir von der Gauck- besonderen Verdienste um die Auf- ins Wachtmeisterzimmer zitiert und Behörde in Berlin das Protokoll ei- arbeitung des Unrechts, das in der ermahnt, im Sozialismus gäbe es nes Gesprächs, das Anna Seghers Region Workuta und in anderen keine Arbeitslosigkeit, er wäre nur am 4. Dezember 1962 (da saß ich Lagerbereichen mit unmenschlicher noch nicht eingeteilt. schon ein Vierteljahr in Waldheim) Härte an vielen unschuldigen Men- Nach einem Vierteljahr kam ich in ihrer Wohnung in Berlin- Ad- schen begangen wurde, sowie für mit einer Gruppe Gefangener, die lershof, Volkswohlstraße 81, mit die Betreuung und Unterstützung noch unter drei Jahren Reststrafe drei MfS-Offizieren geführt hatte. der noch lebenden Betroffenen, die hatten, ins Haftarbeitslager Alten- Es ging ihr um meine Freilassung! aufgrund ihres hohen Alters gerade burg in die Braunkohle. Im Som- Sie hatte auf den Dornburger unter den aktuellen Bedingungen mer war ich wieder in Leipzig und Schlössern bei Weimar einige Tage der Pandemie-Auswirkungen ein- traf am 2. September 1962 im zuvor den Leipziger Literaturpro- geschränkt sind. Zu seinen selbst Zuchthaus Waldheim ein. Dort las fessor Hans Mayer getroffen, den gestellten Aufgaben gehört zudem ich im Herbst 1963 den Roman ich am 8. September 1961, einen die Dokumentierung von Schicksa- „Das siebte Kreuz“. Meine Mitge- Tag vor meiner Verhaftung, in sei- len und deren Hintergründen. Im- fangenen sahen nicht gern, dass ich ner Wohnung besucht hatte. Er bat mer noch, nach diesen vielen Jahr- dieses Buch las: Anna Seghers galt sie unter vier Augen, sich für mich zehnten, ist vieles unbekannt oder als literarische Exponentin des Re- einzusetzen, und sie rief, als sie unklar, wodurch gerade diese Ar- gimes, das uns eingesperrt hatte! wieder in Ostberlin war, den beit an großer Bedeutung gewon- Aber mir war der Roman deshalb Schriftsteller Otto Gotsche (1904 nen hat. wichtig, weil ich beim Lesen in die bis 1985) an, der zugleich Sekretär Stefan Krikowski ist insofern per- rheinhessische Landschaft um des Staatsrats war, und bat um ein sönlich von dem Unrecht betroffen, Mainz zurückkehren konnte, im- Gespräch mit der Staatssicherheit. als sein Vater zu den Workuta- merhin hatte ich als Student im Den Offizieren erzählte sie, sie Opfern zählt. Er bemüht sich, das Sommersemester 1961 im Dorf würde bei Lesungen in West- Thema in Form von geschichtli- Budenheim rheinabwärts gewohnt. deutschland immer nach meinem chen Darstellungen an Schulen für Georg Heisler, der Held des Ro- Schicksal gefragt und könne nichts Jugendliche aufzubereiten und ak- mans, floh im Herbst 1937 aus dem darauf antworten. Als sie meine tualisiert die Web-Seite des Ver- Konzentrationslager in Westhofen „fortschrittliche Einstellung“ lobte, bandes durch zahlreiche Beiträge, bei Worms Richtung Mainz und müssen die drei Geheimen schal- Eine stilistische Ohrfeige verpass- kam dabei durch die Rheindörfer lend gelacht haben, denn für sie te der Geehrte dem Berliner Kul- Nackenheim, Nierstein, Oppen- war ich ein „Reaktionär“. tursenator Dr. Klaus Lederer, Partei heim, die ich kannte. Zweimal auf Am 5. Februar 1964 wurde ich in Die Linke, der als Beauftragter des seiner Flucht kam er nach Mainz, Waldheim zwei höheren Offizieren Bundespräsidenten die Auszeich- einmal übernachtete er im Mainzer der zugeführt, die aus nung vornehmen sollte. Dagegen Dom. Den letzten Abend vor der Ostberlin angereist waren, um den verwahrte sich Stefan Krikowski Flucht ins Ausland verbrachte er im Stand meiner Umerziehung zu er- höflich und doch bestimmt. Warum Gartenrestaurant „Zum Engel“ in kunden. Ich nehme an, das war die er das tat, muss in den Kreisen der Mainz-Kostheim, das es noch gibt. Resonanz auf die Eingabe von An- SED-Opfer nicht diskutiert oder er- Ein Jahr nach der Haftentlassung, na Seghers. Als ich den beiden Of- klärt werden. Wer es dennoch nicht am 4. Oktober 1965, traf ich Anna fizieren gegenüber die hygieni- wissen sollte, dem stehen die frühe- Seghers in Mainz, die in der Stadt- schen Zustände in Waldheim be- ren Fg-Ausgaben zur Information bücherei las. Der Raum war über- klagte, meinten sie, daran etwas zu zur Verfügung. Angemerkt sei: Die füllt, unter den Zuhörern saß auch ändern, lohnte nicht, bis 1970 wä- Absage an Herrn Dr. Lederer ist ein Lore Wolf (1900 bis 1996) aus ren alle DDR-Bürger „umerzogen“, Grund, dass die VOS für die Aus- Frankfurt am Main, die im Pariser dann bräuchte man keine Zucht- zeichnung besonders herzlich gra- Exil 1940/41 das Manuskript des häuser mehr. Jörg B. Bilke nuliert. Hugo Diederich 22 Bedarf und Entschlossenheit „Querdenken“, heißt das, sind weiterhin vorhanden „einfach gegen alles sein“? Zeitzeugen der VOS sind auch unter den Über Corona-Angst, Straßen-Demos und die Pandemie- Bedingungen erfreulich aktiv Absicht, den Staat zu stürzen Erfreulicherweise konnte die Pandemie mit ihren meist Wie lange wird uns Covid 19 in Atem halten? Noch notwendigen Einschränkungen nicht verhindern, dass zwei Jahre? Oder fünf? Man kann es nicht beantwor- die Tätigkeit der Zeitzeugen in einigen Bundesländern ten. Es wird zumindest länger dauern, als es uns in der- zum Stillstand gekommen ist. Da sich die Schulen in- zeitigen Tröstungen mitgeteilt wird. Das ist das eine, zwischen auf den Betrieb unter den neuen Bedingun- das andere ist, es ist für uns alle eine schwere Zeit. Ob gen eingestellt haben (HNO-Maskenpflicht, Einhaltung wir das gern tun oder nicht, wir müssen zurückstecken der Abstandsgebote, regelmäßiges Lüften) waren Ver- und auf Lösungen warten. Leider ist beides schwer: zu- anstaltungen mit Präsenzcharakter möglich. rückstecken sicherlich noch mehr als warten. Unsere Für die Zeitzeugen selbst, meist im fortgeschrittenen Gesellschaft hat uns in den letzten Jahren so erzogen, Alter, waren die geänderten Bedingungen natürlich dass fast alles möglich ist, was wir wollen. Konsum auch ungewohnt, dennoch konnten sie ihre gewohnten und Meinungsfreiheit waren kaum Grenzen gesetzt. Pensen erfüllen und fanden bei den Schülerinnen und Auch Gewalttaten waren zu milden oder gar keinen Schülern großen An- Strafen erlaubt. Man konnte Polizisten beschimpfen klang. oder ihnen ungebremst mit dem Fuß in den Körper tre- Hervorzuheben ist der ten und sich später solcher Taten rühmen. Es waren Einsatz unseres Kame- meist nur ein paar hundert Maskierte und Vermummte, raden Wolfgang Leh- die sich zu derlei hassvollen Akten hinreißen ließen. mann (kleines Foto), Nun sind allwöchentlich oder noch öfter Tausende der, nicht weit vom 92. auf den Straßen. Leipzig, Berlin und andere Städte sind Geburtstag entfernt, im es, wo sie sich zusammenfinden und sich selbst als hessischen Rimbach „Querdenker“ und „Widerständler“ feiern. Man muss nicht zum ersten Mal fragen: Wozu? Was passiert ihnen denn im Vergleich vor einem Leistungskurs zum Leben von vor einem Jahr wirklich Schlimmes? (Foto unten) der Ober- Werden sie durch Gewalt bedroht oder entzieht man stufe am Martin-Luther- ihnen die Milka-Schokolade und die Coca Cola? Gymnasium über das Es ist nichts von dem. Es wird lediglich verlangt, nunmehr sieben Jahrzehnte zurückliegende Zeitge- dass sie sich an Vorschriften halten, die dem Schutz schehen und sein persönliches Erleben berichten konn- der großen Mehrheit unserer Bevölkerung dienen. Das te. Hierzu schreibt er rückblickend: „Wie man sieht, heißt, Kinos, Dicos oder Fußballspiele sind vorerst, bin ich trotz der Corona-Einschränkungen weiterhin im vielleicht sogar über Jahre gesperrt. Dass Leute dieser Einsatz; Martin-Luther-Gymnasium in Rimbach am Art ins Theater oder ins Museum gehen, sollte man 21.10. 2020.“ Vom kommissarischen Studienleiter der nicht annehmen. Also leiden sie unter der Schließung Schule wurde diese Aussage bestätigt. dieser Instanzen schon mal nicht. Was bewegt sie dann? Sind sie vielleicht wirklich in den letzten Jahren von der Gesellschaft zu gut und zu lasch behandelt worden? Sind unsere Vollzugsanstalten und Gerichte nicht ausreichend ausgelastet gewesen, dass die Menschen nun keine Disziplin, kein Verant- wortungsbewusstsein und keinen Gedanken mehr auf Rücksichtnahme gegen andere haben müssen? Was heißt Diktatur? Wer hat die DDR mit erlebt, wer vielleicht noch die NS-Zeit, dass er sich anmaßen kann, unsere heutige Staatsform auch nur annähernd damit zu vergleichen? Warum muss man denen, die eine Her- ausforderung, die es in den letzten einhundert Jahren nicht gab, im Sinne aller zu bewältigen suchen, gewalt- Eine zunehmende Nachfrage nach Zeitzeugen- Veran- sam Knüppel zwischen die Beine werfen? Und dann: staltungen war und ist vor allem in NRW zu verzeich- Soll man nicht vielmehr die Opfer gerade der letzten nen. Hier wird inzwischen per Bildschirm über das Diktatur zu Wort kommen lassen, damit das absurde System ZOOM Wissen vermittelt, zum anderen wur- Gerede von Verschwörungstheorien und geheimen den auch Zeitzeugen von Leistungskursen zu Präsenz- Weltmächten aufhört? Veranstaltungen eingeladen. So kamen die VOSler Man kann angesichts dieser Provokationen, genannt Sigrid Richter, Michael Schwerk und Jürgen Krahn an Demonstrationen, nur Fragen stellen, weil es keine verschiedenen Schulen zum Einsatz. Und noch im No- plausiblen Antworten gibt. Oder lautet die Antwort: vember erhielt Fg-Chefredakteur Richter-Kariger eine Wenn man den Menschen zu viel Demokratie gibt, Einladung zum renommierten Neuen Gymnasium in wird es Zeit, dass sie wieder eine Diktatur bekommen. Bochum. Möglich wurde dies durch die Betreuung von Leider trifft es dann auch diejenigen, die ihre Demo- Frank Hoffmann von der Uni Bochum. H. Diederich kratie zu schätzen wissen. Igor Gerd Lesnikow 23 VOS-Landesgruppe Die Kürzung war von Schaut die Welt inzwi- Hessen/ Rheinland-Pfalz Anfang an so beschlos- schen nicht mehr hin? trauert um E. Göhl sen und gewollt Die Aussicht auf Demokratie Ein persönlicher Nachruf Infos über den Kampfes gegen für Hongkong schrumpft Ende Oktober / Anfang November das Rentenunrecht gegen Die globalen Themen in Politik erreichte uns die traurige Nach- DDR-Altübersiedler und Medien sind weniger gewor- richt, dass unser Mitglied Ehrhard den. Sie heißen Corona, Trump Für alle, die sich über den Stand Göhl am 17. Oktober 2020 nach und Erderwärmung. Es geht um des Kampfes gegen das Unrecht langer, schwerer Krankheit ver- Impfstoffe, um das Verhältnis zwi- im RÜG gegen die DDR- Altüber- storben ist. Unser tiefes Mitgefühl schen der EU und den USA und siedler informieren möchten, steht und unsere innige Anteilnahme gilt um alternative Energiequellen. Nur jetzt der aktualisierte Link zur In- Ehrhards Witwe Eva Göhl, die ihm ab und an wird auch über den so- ternetseite des IEDF bereit. Wie- weit über 60 Jahre treu und zuver- genannte Brexit geredet, über den wohl viele Interessierte unter lässig zur Seite stand, sowie Ehr- man sich vormals so sehr ereifert www.iedf.de bzw. www. flucht- hards Sohn Tamás und dessen hat. Dass wir uns vor einem Jahr und-ausreise.info bereits regelmä- Partnerin Ines Benter. noch heftig über die massiven Ein- ßig Kenntnis zum jeweiligen Sach- Ehrhard Göhl war einer der ganz schränkungen der Menschenrechte stand genommen haben (und auch großen Kämpfer gegen das kom- in China große Sorgen gemacht die Fg mehrfach berichtete), finden munistische Unrechtsregime der haben, ist offenbar vergessen. Die sich hier nochmals wesentliche In- SED/DDR, er hat mit seinem un- Bürgerrechtler aus Hongkong hat- formationen. ermüdlichen Einsatz in der IGFM, ten eigens ihre Vertreter zum So ist auf der Startseite ein Link in der Organisation Hilferufe von Mauerlauf nach Berlin geschickt. unter der Bezeichnung „Vorläufige Drüben und nicht zuletzt in der Deutschland, die EU haben nicht Zwischenbilanz“ zu finden, in dem VOS vielen politischen Häftlingen reagiert. Und doch: Die Welt man über die vielfachen, leider der SED-Herrschaft den Weg in fürchtet China als Wirtschafts- vergeblichen Bemühungen der die Freiheit mit geebnet. Er hat in macht, aber sie tut nichts. Dabei IEDF um Kommunikation mit der der ganzen Welt klar und unmiss- hat es lange kein politisches Sys- CDU/CSU-Fraktion nachlesen verständlich auf die gravierenden tem gegeben, das nach innen so kann, woran sich bis heute be- Menschenrechtsverletzungen der verlogen und brutal war und nach kanntlich wenig geändert hat. SED-Herrschaft hingewiesen und außen so unverblümt seine expan- Weiter gibt es die Links: "Mono- damit in vielen Ländern für Aufse- siven Absichten kundtat. log mit der Bundeskanzlerin" (Teil hen und Nachdenken gesorgt. Für Fakt ist, China lacht über den 1 und Teil 2) und "Die SPD im die Machthaber in Ostberlin war er Rest der Welt. Es erlaubt sich, ge- Wandel der Legislaturperioden". ein rotes Tuch und wurde dort in gen die Verträge, die Hongkong Zusammenfassend wird klar: der Liste der „gefährlichsten Ver- als freie Stadt existieren lassen Sowohl die Bundesregierung als brecher gegen die DDR“ an obers- sollten, zu verstoßen, es schützt auch die ihr nahe stehenden Frak- ter Stelle geführt. mit Nordkorea eine noch schlim- tionen haben zeitig dafür gesorgt, Unsere Landesgruppe verliert ei- mere Diktatur als es selbst ist und dass wir offensichtlich eine nen kompetenten und geradlinigen es spielt die westlichen Länder an Scheindebatte führen und man uns Mitstreiter unserer Sache, und wir die Wand, indem sie die großen vielleicht gar nicht wahrnehmen werden ihn tief in unserer Erinne- Unternehmen ins eigene Land holt, möchte. Wer es also noch nicht rung behalten. damit sie dort ihre Niederlassun- begriffen hat, dem wird freilich Im Auftrag des Vorstandes der gen gründen und allmählich teil klar, dass es von vorn herein ver- Landesgruppe Hessen/ des staatskapitalistischen Wirt- einbart war, eine politische Ent- Rheinland Pfalz schaftsgeflechts werden. Nebenbei, scheidung gegen die DDR- Alt- Gerd Franke was nun kaum noch erwähnt wird, übersiedler zu treffen und im glei- stößt es immer wieder Drohungen Das Zitat: chen Zuge die (sicherlich stark be- gegen die Insel Taiwan aus. An- Je fester man davon überzeugt lastete) Rentenkasse zu entlasten. geblich ist Taiwan eine Provinz ist, im Recht zu sein, desto natür- Die Betroffenen wurden vorsichts- der Volksrepublik. licher ist der Wunsch, jeden an- halber bei der Entscheidungsfin- Mit seinem „Sicherheitsgesetz“ deren mit allen Mitteln dahin zu dung nicht einbezogen, sondern hat China einen klaren Verstoß ge- bringen, ebenso zu denken. man ließ besser erst einmal Un- gen geltendes Recht begangen. Es kenntnis. Übrigens sind die hier schnürt den Widerstand ein und George Orwell sich widersetzenden Benachteilig- Schriftsteller stülpt dem einstigen Stadtstaat die ten nicht die einzigen Opfer. Auch Zwänge seiner Diktatur über. Da- Hier bleibt anzumerken, dass ein bei anderen Gruppen von An- mit wird die Luft für die Bürger- solcher Wunsch legitim sein mag, spruchsberechtigten wurden kur- rechtler dünn, die Gefängnisse solange die Mittel nicht mit Ge- zerhand und ziemlich frech die werden sich füllen, sofern sie nicht walt, Grenzüberschreitungen und Bezüge gedeckelt. Insofern wäre schon gefüllt sind. Und die Welt, der Verletzung von Persönlich- es nicht die schlechteste Idee, sich die mit Corona und Trump be- keitsrechten einhergehen. mit diesen zusammenzuschließen. schäftigt ist, schaut offenbar nicht Gerd Igor Lesnikow IEDF / FHH / Fg mal mehr hin. H. Diederich 24 Zwei Bücher – drei Frauenschicksale und die Suche nach Freiheit Über den Kampf um die Ausreise aus der DDR und ein eigenverantwortliches Leben Die DDR ist verschwunden, aber es Dieses erste Buch von Marie- zenden Buch „Freundschaft trotzt gibt sie noch – so kommt es einem Luise Knopp hat noch etwas ande- Mauern“ geschafft. Das ist eine be- vor, wenn man auf jene Schicksale res bewirkt: Die Autorin berichtet achtliche Leistung, und ihr und blickt, die sich mit den Zwängen von einer großen Freundschaft, die dem Leser kommt dabei zugute, und der Unfreiheit in der Diktatur sie in der Haft geknüpft hat. Es ist dass Kristel – sie ist leider mittler- verbinden. Es sind die Lebenden Kristel, die sie in den schwersten weile verstorben – ihren Lebensbe- und auch die inzwischen Verstor- Stunden kennenlernt, für die diese richt seinerzeit niedergeschrieben benen, die für diese Erkenntnis ste- Haft ebenso schwer erträglich wird hat. Aus diesem aufbereiteten Be- hen. Und es ist wichtig, daran zu wie für sie selbst und die letztlich richt erfahren wir nun viel, er ist erinnern, um erstens den unterge- nichts anderes versucht hat, als der einer der beiden wesentlichen gangenen Unrechtsstaat nicht in ein DDR zu entrinnen, um später ein Handlungsstränge des Buches. Er falsches, nämliches verharmlosen- Leben in Freiheit zu führen. Beide gibt Aufschluss über Kristels Leben des oder verherrlichendes Licht zu Frauen klammern sich in dieser in der DDR, ihre aufreibende Zeit rücken und um zweitens diesen Op- großen Not aneinander wie Schiff- als Geschichtslehrerin und die zu- fern und ihren Schicksalen Gerech- brüchige an eine Rettungsinsel. nehmende Qual, jungen Menschen tigkeit widerfahren zu lassen. Ge- falsche politische Werte vermitteln rechtigkeit heißt zunächst Wahr- zu müssen. heit. Und Wahrheit heißt wiederum Packend (und für den Leser ei- Akzeptanz, und das wiederum be- gentlich schwer erträglich) ist die deutet, diesen Schicksalen Raum zu Schilderung des Fluchtversuches. lassen, sie in der Öffentlichkeit Es würde zu weit führen und die ausbreiten zu dürfen. Oft ist das Spannung nehmen, dies hier im De- schmerzhaft und erschütternd, und tail auszubreiten. Gesagt sei im- fast immer geschieht es mit un- merhin, dass auch Kristels Weg aus terschiedlichen, mit individuel- der Haft in die Bundesrepublik len Mitteln. führte und beide Freundinnen end- Unser Verband VOS bietet ge- lich zusammenbrachte. meinsam mit der Stiftung zur Auf- Sie werden durch Schwur und Dieses erste Buch von den „Ein- arbeitung des SED-Unrechts in den schriftliches Versprechen für ein gesperrten Gefühlen“ hat zudem zu Alten Bundesländern, vornehmlich Leben aneinander gekettet und hal- einem weiteren Impuls geführt, und in NRW, ehemaligen politischen ten an diesem Bündnis gerade dann auch dieser mündet in das neue Häftlingen die Möglichkeit, sich an fest, als sie sich trennen müssen. Buch „Freundschaft trotzt Mau- weiterführenden Schulen vorzustel- Denn diese Trennung kommt un- ern“. Es geht um Brit, die zweite len und über ihre Erlebnisse und weigerlich, zumal man in der Haft, Erzählerin, die sich nach der Lektü- Erfahrungen im SED-Staat zu be- falls man unter die Freikaufrege- re der „Eingesperrten Gefühle“ so richten. Es ist eine Gruppe von lung fiel, keinen Einfluss auf eine tief bewegt fühlte, dass sie zu der Zeitzeugen, die von der Universität vorzeitige Entlassung bzw. den er- Autorin Kontakt aufnahm und zwi- Bochum und dem dort angesiedel- sehnten Transport in Richtung schen beiden eine enge Freund- ten Institut für Deutschlandfor- Aufnahmelager Gießen hatte. schaft entstand. schung betreut und geführt wird. Wer Knopps erstes Buch gelesen Das Schicksal von Brit ähnelt Zu dieser Gruppe gehört die Auto- hat, weiß von Marie-Luises Entlas- dem der beiden anderen Frauen, rin Marie-Luise Knopp, die schon sung bzw. Abschiebung, die zeit- und es ist auch dem vieler (nicht mehrere Bücher veröffentlicht hat lich vor der von Kristel liegt. Damit nur Frauen) Flüchtlinge nicht un- und vielfach Lesungen hält. Sie hat verlässt auch die Handlung in die- ähnlich. Sicher ist bei Brit die Aus- das bis vor kurzem bezogen auf ihr sem Buch den gemeinsamen Er- gangsposition extrem. Sie ent- eigenes Schicksal getan. Ihr Buch zählstrang. Marie-Luise kommt in stammt einem betonharten kom- von den „Eingesperrten Gefühlen“ die Bundesrepublik, Kristel bleibt munistischen Elternhaus und gerät hat dabei viele Leserinnen und Le- zurück, ihr weiteres Schicksal ist – früh in eine oppositionelle Haltung, ser erreicht und teils tief berührt, zumindest im Einzelnen – unklar. wobei der Gedanke der Ausreise darunter, was nicht selbstverständ- Zwangsläufig fragt man sich, was sehr spät in ihr aufkommt. Dann lich ist, auch Betroffene. Die Schil- ist aus ihr geworden? jedoch, als aus diesem Gedanken derung ihres Lebensweges bis hin In diesem ersten Buch ist kein der Entschluss geworden ist, be- zur Haft, dann die bösen Erlebnisse Raum für die Beschreibung von ginnt sie ihn Schritt für Schritt um- im Frauenzuchthaus Hoheneck sind Kristels Lebensweg. Es hätte ganz zusetzen und lässt sich weder durch sehr persönliche Zeitzeugnisse, die sicher zu weit geführt und auch die Erniedrigungen noch durch Hin- einen tiefen Eindruck über den un- Lesenden überfordert. Dennoch hat dernisse beirren. Sie will dieses gerechten Umgang von Menschen die Autorin das Anliegen aufgegrif- Dasein in der DDR abschütteln, mit Menschen bewirken und die fen und innerhalb kurzer Zeit die und sie kämpft, bis sie dann vor ei- immer zu der Frage der Verant- Veröffentlichung des Lebensweges nem Vernehmer der Stasi sitzt. wortlichkeit und zur Schuld führen. ihrer Freundin in diesem fortset- Æ nächste Seite oben 25 Æ von voriger Seite Ein „großer Denker“ wird geehrt Brit bleibt mehr als ein Jahr in der Haft. Dass sie mit- Hat Friedrich Engels zum 200. Geburtstag den unter an den Rand ihrer Kräfte gerät, hat mit den zwei Kindern zu tun, die kurz vor dem Schuleintritt stehen Rummel verdient, der um ihn gemacht wird? und durch die sie erpressbar ist. Nach ihrer (für sie Am 28. November jährt sich der Geburtstag des Wup- selbst) überraschenden Inhaftierung verliert sie den pertal-Barmener Unternehmersohnes Friedrich Engels Kontakt. Erst nach und nach erfährt sie, dass die Kin- zum 200. Mal. Die Welt – ein Teil von ihr jedenfalls – der getrennt bei der Schwester und den Eltern unterge- bejubelt diesen Tag. Engels‘ Schriften füllen gemein- bracht wurden. sam mit denen von Karl Marx fast 50 dicke blaue Bän- de. Welcher Romancier hat ein solches Quantum (in Kilogramm und Metern) vorzuweisen? Was den Inhalt angeht, ließe es sich da massenweise abspecken. Da sind jene Briefe mit einem solch extrem antisemiti- schen Inhalt, den sich heute kein geheimes Polizei- Netzwerk ausdenken könnte. Da ist aber auch die Be- trachtung von Karl Marx zu Bruno Bauers „Judenfra- ge“ –ein Frühwerk und der eigentliche Schlüssel zum späteren Gesamtwerk der beiden proletarierfreundli- chen „Denker“. Und da ist natürlich das „Manifest der kommunistischen Partei“, bei seinem Erscheinen kaum beachtet, später zur schmalen Bibel der linksrevolutio- nären Kräfte himmelhoch erhoben. Auch dieses Werk, das sich zunächst gut und mitreißend liest, ist nicht mehr zeitgemäß. Die Arbeiterklasse, um die es geht, ist heute keine gesellschaftliche bedeutende Kraft mehr. Der „doppelt freie“ Lohnarbeiter von einst steht heute gut situiert in der geheizten, keimfreien Werkhalle, er hat saubere Finger und aus Lärmschutzgründen eine Ohrenhaube. Seine Gewerkschaft streitet für die 30- Stunden-Woche, um einen jährlichen Lohnzuwachs von 6 bis 8 Prozent und für ein dickes finanzielles Polster, sollte er betriebsbedingt zeitiger in Rente müs- sen. Er ist der Aristokrat unter den Beschäftigten, auf Man kann (und soll) in einer Buchvorstellung nicht den den mittlerweile sogar Beamte und Landwirte voller kompletten Inhalt wiedergeben. Gesagt sei allerdings, Neid schauen. Zurückgeblieben ist dagegen der „Pau- dass Brit Mitte der 1980er Jahre mit den Kindern aus- per“, der nach MEW-Interpretation den heutigen „sozi- reisen darf und sie es auch im Westen nicht leicht hat. al Schwachen“ zuzurechnen ist. Für ihn – wie auch den Verwaltung und Bürokratie sind das eine, das andere deutschen Mittelständler, den „Spießbürger“ – hatten ist das soziale Umfeld, das sich von dem in der DDR die Erfinder des Manifests rein gar nichts übrig. Cha- wesentlich unterscheidet. Einsamkeit und das hohe rakterschwach und käuflich, das wäre sein Level. Maß an Eigenverantwortlichkeit sind Faktoren, die vie- Dass wir unseren heutigen Lebensstandard erreicht len ehemaligen politischen Häftlingen zu schaffen ge- haben, hat gewiss mit den beiden deutschen Köpfen zu macht haben. Aber Brit erweist sich auch jetzt als star- tun, und nicht zuletzt muss man auch auf das dreibän- ke Persönlichkeit. Sie beißt sich durch, schafft ein Stu- dige „Das Kapital“ verweisen, dem man trotz seiner dium und wird Rechtsanwältin, erlangt ein gutes Aus- schweren Verstehbarkeit die Größe und die Ausstrah- kommen, das durchaus auch mit Wohlstand zu tun hat. lung nicht absprechen kann. Aus der damaligen Sicht Und doch fühlt sie sich nicht angekommen. Nach meh- ist dieses riesige Werk der „großen Denker“ durchaus reren Auslandsaufenthalten und einem Probe-Job in als treffende Analyse der wirtschaftlichen und sozialen Australien entscheidet sie sich tatsächlich für ein dau- Situation der Gesellschaft einzustufen. Doch man sollte erhaftes Leben in „Down under“ und erwirbt – alle es nun besser dort hintun, wo es hingehört, in eine Bib- Achtung! – die australische Staatsbürgerschaft. liothek mit ganz, ganz hohen Regalen. Wir würden ehr- Dass sie dort ihr Glück findet, versöhnt auch uns Le- furchtsvoll desinteressiert empor (!) schauen und rau- ser mit den Härten ihres Schicksals. Und es schafft ei- nen: „Welch eine bewundernswerte, sinnlose Arbeit“. nen guten Abschluss für dieses (zweite) Haft-Buch. Die Geschichte der Menschheit hat es indessen an- Man darf nunmehr gespannt sein, ob Marie-Luise ders gewollt. Sie brachte Lenin, Stalin und Mao in Knopp weitere Freundschaften knüpft und dabei Stellung. Ebenso steht die Frage vor uns: Hätte es ohne Schicksale sammeln und somit erneut zur Aufarbeitung Marx, Engels und Lenin einen Hitler geben können? von Diktatur und Unfreiheit, von Übersiedlung und In- Eines freilich steht fest, und daran wird sich nichts tegration beitragen wird. A. Richter-Kariger ändern, solange wir eine demokratische Gesellschaft Marie-Luise Knopp: Freundschaft trotzt Mauern. haben: Immer werden wir heftig kontrovers über die Überleben in und nach Hoheneck. 320 Seiten. Einge- „großen Denker“ diskutieren, denn Marx und Engels sperrte Gefühle bahnen sich ihren Weg. 214 Seiten. sind ein Stück unserer Geschichte und sogar Kultur Geest Verlag, Vechta, 12,50 Euro. geworden, wir können sie nicht loswerden. B. Thonn

26 Der steinerne Gott. Innen hohl? Der Zorn ist „verroocht“, Der vergebliche Protest der VOS gegen die die Genugtuung bleibt blinde Anbetung des Erz-Götzen Karl Marx Der Freiheitssong des Liedermachers In Deutschland feierte man schon vor zwei Jahren den Rainer Schottlaender bleibt ein Klassiker 200. Geburtstag von Karl Marx. In Trier wurde eine An der Schwelle des 60. Jahrestages des Mauerfalls von der chinesischen kommunistischen Partei ge- ruft die Freiheitsglocke gemeinsam mit dem Lieder- schenkte Statue feierlich aufgestellt, und die Stadt macher Rainer Schottlaender das große Gefühl zu- versuchte das ansonsten einfältig wirkende „Ampel- rück, das die Menschen 28 Jahre später empfanden. männchen“ in ein noch einfältigeres „Marx-Männ- Rainer „Schotti“ Schottländer brachte das Musik- chen“ umzuwandeln. stück bereits 1990 mit Darrell Harvey in San Diego / Wir als VOS protestierten, wie wir uns auch gegen CA / USA heraus. Der Song hat bis heute nichts von ähnliche Pläne der Bundesbahn und die allgemeine seiner Botschaft und Aktualität verloren. Marx-Ehrung im ganzen Land wandten und ebenso Schotti: wenig mit dem von den chinesischen Diktatoren aus- Ick kann jetzt wieder S-Bahn fahrn … gelösten Kult um Friedrich Engels in Wuppertal ein- janz frei durch janz Berlin verstanden sind. Man kommt jetz mitm Autobus … Doch das blieb und bleibt ohne ausreichende Wir- vom Zoo nach Neuruppin kung und Erfolg. Du musst jetz nich mehr Schlange stehn … Schließlich liege es ja nicht an Karl Marx, dass es für ne Autotür infolge des angeblichen Missbrauchs seiner Theorien Ick loof durchs Brandenburjer Tor … so viele Opfer gab (und immer noch gibt – siehe gleich bin ick bei Dir Nordkorea, siehe Hongkong). Die Ideologie der kommunistischen Staaten fußte und fußt auf den The- Alle: Berlin – Berlin – Berlin – Be-her-lin orien, die Marx der Welt bescherte. Schotti: Die Mauer is umjefalln … Aus dem Tagebuch der die Stücke sind vakooft Vorbei ists mit der Tyrannei … kritischen Gedanken der Zorn is bald verroocht Ick atme wieder freie Luft … Umso wichtiger ist es, dass sich nun auch die Jüdische die Stadt jehört jezz mir Rundschau gegen den heuchlerischen Marx-Kult in Ick loof durchs Brandenburjer Tor … Deutschland wandte. So wird hier der zunehmende gleich bin ick bei Dir Rassismus und Antisemitismus in der letzten Zeit in Alle mit Schwung: Berlin – Berlin– Beher-lin Deutschland beklagt und in diesem Zusammenhang auf die primitiven Äußerungen von Marx in seinem Schotti: Briefwechsel mit dem Gönner Friedrich Engels be- Und wenn ick in die Zukunft schau … klagt. Hervorstechend die niederträchtigen Bemer- fürchte ick mir nich kungen über Lassalle. (Die Zitate wurden bereits in Die Uhren wurden umjestellt … der Freiheitsglocke veröffentlicht). Im Berliner Stadt- die Zeiten ändern sich bild ist der Namen Karl Marx immer noch präsent. Mich werden meine Enkel fragen: … Dies gilt für Straßen wie auch für den U-Bahnhof „Opa standst Du hier ?” Karl-Marx-Straße im Bezirk Neukölln. Vor dem Brandenburger Tor … Muss das sein? Auch wenn bestimmte Politiker und Damals nachts um vier … Schauspieler die rassistischen Äußerungen auf CD- Format hämisch nachsprechen. Das alles ist genau wie Alle mit Schwung: Berlin – Berlin- Berlin die Denkweise von Marx: einfach abscheulich. Titel Nr. 9 auf CD SCHOTTI EINS. Infos unter: Hugo Diederich / Igor Gerd Lesnikow http://www.schottie.de/?p=10146

Wir trauern um Günter Schünemann Bezirksgruppe Bernburg Mario Hackenberger Bezirksgruppe Karlsruhe Christian Uhlemann Bezirksgruppe Chemnitz Ehrhard Göhl Bezirksgruppe Hessen- Rheinland/Pfalz Bernd Wolf Bezirksgruppe Leipzig Gerald Wöhner Bezirksgruppe Erfurt Werner Stiehl Bezirksgruppe Freiberg Dr. Wolfgang Großklaus Bezirksgruppe München

Die VOS wird ihnen ein ehrendes Gedenken bewahren

27 Politische Haft in der DDR und Folgeschäden Charité Berlin sucht für wissenschaft- liche Studie ehemalige Inhaftierte Sehr geehrte Damen und Herren, die Charité führt eine wissenschaftliche Studie zur Untersuchung der gesundheitli- chen Folgen politischer Haft in der ehema- ligen DDR und SBZ durch. Dabei werden mögliche körperliche und psychische Fol- gen der Haft untersucht. Hierzu werden verschiedene Interviews und Tests durchgeführt und Fragebögen eingesetzt. Zur Durchführung dieses Vorha- bens, sind wir auf der Suche nach Pro- band*innen. Meldungen bei Frau Dajana Sciortino E-Mail: [email protected] Spender für die VOS. Jeder Euro hilft dem Überleben des Verbandes VEREINIGUNG DER OPFER Eckhard Mensebach, Dr. Helmut Schulze, DES STALINISMUS e.V. (VOS) Günther Müller, Hans-Joachim Markgraf, Hardenbergplatz 2, 10 623 Berlin Wilfried Seifert, Dr. Helmut Schulze, Manfred PVSt Deutsche Post, Entgelt bezahlt, G 20 666 „Freiheitsglocke“, herausgegeben von der Vereinigung der Opfer des Stali- Krafft, Vera Falke, Hermine und Reinhold nismus e.V. - Gemeinschaft von Verfolgten und Gegnern des Kommunismus - Irimi, Hans-Joachim Keferstein, Manfred (gemeinnützig und förderungswürdig), erscheint seit 1951 im Selbstverlag zwölf Schultz, Herbert Ewen, Beate Rusch, Heinrich mal jährlich, ab 2014 in 6 Doppelausgaben Bundes- und Landesgeschäftsstelle Berlin der VOS Werner, Gisela Lotz, Paul Radicke, Dorothea Uhlandstraße 120, 10 717 Berlin-Wilmersdorf, ab dem 14.12.2020 Harder, Horst Lindemuth, Günter Jäger, Bernd Telefon / AB: 030 – 2655 23 80 und 030 – 2655 23 81 Lauterbach, Dr. Bernd Palm, Annelies Schna- Fax: 030 - 2655 23 82 Email-Adresse: [email protected] bel, Horst Radtke, Rotraut und Detlef von De- Postbankkonto Köln chend, Jürgen Wendler, Irma Sann, Walter IBAN: DE31 3701 0050 0018 6255 01 Schrader, Wilma Möller, Karla und Dieter BIC: PBNK DEFF Bachmann, Ursula Krause, Maria und Rein- Beratung in der Landesgeschäftsstelle Berlin: hard Walther, Werner Kotteritzsch, Gerhard Telefon/AB: 030 - 2655 23 81 Fax: 030 – 2655 23 82 Milde, Helmut Günther, Dr. Herbert Priew, Mail: [email protected] Herbert Steinert, Karl-Gunter Wehling, Ingrid Dienstag und Donnerstag von 12.00 bis 17.00 Uhr, und Michael Faber, Irene und Bruno sonst nach Vereinbarung. Um Voranmeldung wird gebeten. Niedzwetzki, Othmar Ballmeier, Heinz Rüdi- V.i.S.d.P.: Bundesvorstand der VOS Chefredakteur: A. Richter-Kariger (www.first.minute-buecher.de), ger, Hede Ehrlich, Gerd Lindner, Hans-Georg eMail: [email protected], Metzsch. Bitte nur deutlich lesbare Beiträge schicken. Bitte bei eMails und Danke allen, die dem Verband finanziell helfen. Dan- Fax-Schreiben den Absender nicht vergessen, ke allen, die auf andere Weise für die VOS da sind, sonst ist keine Abnahme vom Server gewährleistet. indem sie organisatorische und sonstige ehrenamtli- Auftragnehmer: Neymanns Tel. 030 / 70 24 22 24, E-Mail: satzher- che Tätigkeit für uns leisten. [email protected]. Internet: www.satzherstellung.com Die mit Namen gekennzeichneten Beiträge stellen nicht unbedingt die Mei- A C H T U N G ! nung der Redaktion oder des Herausgebers dar. Mit (FG) gekennzeichnete Die Bundes- und Landesgeschäftsstelle Berlin der Beiträge sind zum Nachdruck mit Quellenangabe frei. Beleg erbeten. Für un- verlangt eingesandte Manuskripte keine Gewähr. Jedes Mitglied der VOS VOS bezieht am 14. Dezember 2020 neue Räumlich- wird durch den Erhalt der „Freiheitsglocke“ vom Verbandsleben informiert. keiten. Der Standort bleibt im westlichen Berlin, in der Uhlandstraße 120, 10717 Berlin-Wilmersdorf. Jahresbeiträge: Bitte beachten Sie das bei Anfragen oder Besuchen. – einheitlich für alle Mitglieder 45,00 € – Ehepartner (ohne Freiheitsglocke) 15,00 € Unverändert bleiben die Öffnungszeiten und die Ruf- – Aufnahmegebühr Mitglieder 2,60 € nummern. Mit der U-Bahn und dem Bus ist die Bera- – Abonnement der Freiheitsglocke 24,00 € tungsstelle sehr gut erreichbar. Das Haus am Bahnhof Zoo wird ab dem 01.01.2021 Spenden (steuerlich absetzbar) erbeten! generalsaniert und machte den Umzug notwendig. Internetseiten der VOS www.vos-ev.de Fg-Nummer 819/ 820 erscheint Jan./Februar 2021 Ihr / euer Hugo Diederich Redaktionsschluss der FG 817/818 am 20. Nov. 2020