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Kleindenkmale im Landkreis

Im Auftrag des Landkreises Rottweil herausgegeben von Bernhard Rüth und Armin Braun

verlag regionalkultur inhaLtsveRzeichnis

Geleitwort ...... 6

Der Landkreis Rottweil im landesweiten Projekt zur Erfassung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg ...... 15 Von Martina Blaschka und Eva-Maria Krauße-Jünemann

Erfassung der Kleindenkmale im Landkreis Rottweil Grundlagen – Verlauf – Ergebnisse ...... 29 Von Bernhard Rüth

Kleindenkmal-Landschaften ...... 32

Kleindenkmale im Raum Rottweil ...... 33 Von Winfried Hecht

Kleindenkmale im Raum Oberndorf ...... 39 Von Andreas Kussmann-Hochhalter

Kleindenkmale im Raum ...... 45 Von Dieter Kohlmann

Kleindenkmale im Raum und ...... 53 Von Hans Harter und Willy Schoch

Kleindenkmale in den Räumen Sulz und ...... 59 Von Armin Braun 9 Inhaltsverzeichnis

Kleindenkmal-Gattungen ...... 65

Grenzsteine im Raum Oberndorf ...... 66 Von Bernd Pieper

Grenzsteine im Raum Schramberg ...... 69 Von Carsten Kohlmann

Grenzsteine in und Rötenberg ...... 74 Von Jürgen Hils

Grenzsteine um und Fischingen ...... 78 Von Reinhard Matull, Armin Braun und Rolf Kreher

Wegkreuze in ...... 83 Von Volker Schmeh

Wegkreuze in und Herrenzimmern ...... 88 Von Herbert Hermle und Karl Kimmich

Kapellen in und um Rottweil ...... 94 Von Winfried Hecht

Die Epitaphe an der Friedhofsmauer in Sulz am ...... 100 Von Herwart Kopp und Josef Flaadt

Luftschutzstollen und Bunker im Raum Oberndorf ...... 104 Von Wolfgang Strittmatter

Technische Anlagen in ...... 110 Von Hansjörg Pirngruber

Zeugnisse des Bergbaus im Raum Schiltach ...... 115 Von Hans Harter 10 Inhaltsverzeichnis

Kleindenkmale erzählen Geschichte(n) ...... 120

Das Minnesängerdenkmal in den Leinstetter Kreuzwiesen ...... 121 Von Armin Braun und Friedrich Peter

Der Platz der Erinnerung an die Herrschaft Schramberg ...... 125 Von Dieter Kohlmann

Der Bergfelder Salzstock ...... 130 Von Siegfried König

Das Denkmal zum Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 in ...... 134 Von Herwart Kopp und Siegfried Kägi

Die Fliegersperre in ...... 136 Von Wolfgang Strittmatter

Das „Buch der Erinnerung“ in Altoberndorf ...... 140 Von Andreas Kussmann-Hochhalter

Die „Polengräber“ auf dem alten Sulzer Friedhof ...... 145 Von Klaus Schätzle

Der „Polenstein“ in Schiltach ...... 149 Von Hans Harter

Aktion: Kunst in der Stadt Rottweil ...... 154 Von Jürgen Knubben

11 Inhaltsverzeichnis

Kleindenkmale in den Städten und Gemeinden von A bis Z ...... 159 Von Armin Braun

Aichhalden ...... 160

Bösingen ...... 164

Deißlingen ...... 168

Dietingen ...... 172

Dornhan ...... 182

Dunningen ...... 196

Epfendorf ...... 202

Eschbronn ...... 208

Fluorn-Winzeln ...... 212

Hardt ...... 216

Lauterbach ...... 218

Oberndorf am Neckar ...... 220

Rottweil ...... 236

Schenkenzell ...... 254

Schiltach ...... 258

Schramberg ...... 262

Sulz am Neckar ...... 270

Villingendorf ...... 292

Vöhringen ...... 294

Wellendingen ...... 298

Zimmern ob Rottweil ...... 302

12 Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis ...... 310 Allgemeine Literatur (in Auswahl) ...... 310

Literatur zum Landkreis Rottweil (in Auswahl) ...... 311

Dank ...... 316

Abbildungsnachweis ...... 318

13 14 deR LandKReis RottweiL im Landesweiten pRojeKt zuR eRfassunG deR KLeindenKmaLe in Baden-wüRttemBeRG

Von Martina Blaschka und Eva-Maria Krauße-Jünemann

„Momente der Ewigkeit“ oder „Wir be- Schwäbischen Heimatbundes mit dem leicht, eine exakte Definition zu formulie- kommen die Denkmäler, die wir verdienen“ Landesamt für Denkmalpflege im Jahr ren, da die Gattung sehr vielfältig und va- oder „Auf Spurensuche“ oder „Lebens- 2001 zusammengetan und das landeswei- riantenreich ist. Kleindenkmale gehören spuren“ oder ganz allgemein „Kleinode am te Projekt zur Erfassung der Kleindenkmale weder zu den archäologischen Denkmalen Wegesrand“ – so lauten die Titel einiger Pu- aus der Taufe gehoben. noch zu großen Baulichkeiten, wie Fach- blikationen, die in den letzten Jahren zum Erklärtes Ziel des Projekts ist es, die werkhäuser, Kirchen oder Schlösser. Klein- Thema Kleindenkmale entstanden sind.1 Sie Kleindenkmale aus ihrem Schattendasein denkmale lassen sich am ehesten folgen- zeigen die ganze Spannweite und das Inter- zu holen und sie ins Licht und in den Blick dermaßen beschreiben: Sie sind klein, pretationsfeld, gleichzeitig aber auch die der Öffentlichkeit zu rücken. Denn nur so ortsfest, freistehend, aus einem dauer- Bedeutsamkeit des Themas auf: Suche, können sie geschützt, erhalten und ge- haften Material und von Menschenhand Spuren, Ewigkeit, Kleinode, Denkmale. pflegt und in ihrem Wert für die Kultur- mit einer bestimmten Absicht geschaffen Die Kleindenkmale standen und stehen landschaft geschätzt werden. Um dieses worden. Sie wurden im Allgemeinen nicht nicht immer im Fokus des öffentlichen In- Ziel zu erreichen, sollten die „Schubladen lediglich zur Zierde und zur Verschönerung teresses. Sie scheinen selbstverständlich, privaten Wissens“ aufgezogen werden, er- der Landschaft errichtet, es gibt einen sie sind immer schon da gewesen, ja, sie klärten die Taufpaten. Grund oder einen Anlass für ihre Aufstel- gehören in eine Landschaft und fallen erst Dieses landesweite Projekt ist einzigartig lung. Hinter ihnen steht eine Geschichte, auf, wenn sie plötzlich nicht mehr da sind. in der ganzen Bundesrepublik. Die Zusam- und sie erzählen Geschichten. Sie berich- Im günstigen Fall wird das Fehlen regis- menarbeit zwischen den großen Vereinen ten von vergangenen, zuweilen auch von triert, oftmals allerdings wird ihr Ver- und der Landesbehörde, der Landesdenk- gegenwärtigen Zeiten, von nicht mehr an- schwinden nicht einmal sofort bemerkt. malpflege, ist eine Besonderheit. Auf allen gewandten Wirtschaftsweisen, von alten Das bedeutet für das Kleindenkmal den Ebenen und von vielen Institutionen wurde Herrschafts- und Besitzverhältnissen, von endgültigen Verlust und gleichzeitig auch dem Projekt große Sympathie entgegenge- Freud und Leid, von großen, weltbewe- einen Verlust an Erinnerungskultur. Hätte bracht – von den Stadt- und Landkreisen, genden Ereignissen, und sie spiegeln Welt- man aber eine Aufstellung der Kleindenk- den Gemeinden, den Archiven, den loka- geschichte im kleinen Lebensbereich vor male, könnten Veränderungen, wie das len Geschichts- und Wandervereinen bis zu Ort wider – bis heute. Fehlen, das Versetzen oder auch Beschädi- den Geschichts- und Heimatforschenden, Kleindenkmale stehen nicht für eine gungen, leicht festgestellt und aufgezeigt die vor Ort die Arbeit machen und dadurch „gute, alte Zeit“, in der die Welt noch in werden. das Gelingen des Projekts ermöglichen. Ordnung und alles besser war. Sie stehen Aufgrund dieser Erfahrungen und Über- nicht ausschließlich für wichtige und be- legungen haben sich die großen Heimat- deutende Persönlichkeiten oder weisen le- vereine in Baden-Württemberg, der Schwä- Kleindenkmale: ihr wert und diglich auf herausragende oder besondere bische Albverein, der Schwarzwaldverein, ihre Bedeutung Ereignisse hin. Sie zeugen meistens von der Landesverein Badische Heimat und die harter Alltagsrealität. Sie erzählen von den Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung Kleindenkmale stellen eine besondere Mühen und Plagen, vom Kampf um das der Kleindenkmale, unter der Regie des Gattung von Denkmalen dar. Es ist nicht tägliche Brot, vom Bangen und Hoffen, 15 Der Landkreis Rottweil im landesweiten Projekt zur Erfassung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg

von Krieg und Frieden, oft also von den auf den Mikrokosmos einer Familie oder Unwägbarkeiten des Daseins. einer Dorfgemeinschaft berichten. Die Während ein Denkmal den Chaussee- „große Geschichte“ ist an Kleindenkmalen bau feiert und preist, weist es im gleichen überall ablesbar. Zug auf die Zustände davor hin: auf stei- Kleindenkmale sind manifeste Lesezei- nige, holprige Wege, die sich bei Regen chen in der Landschaft, sie sind anschau- in Schlammpisten verwandelten und das lich und begreifbar – im wahren Wortsinn. Befahren schier unmöglich machten. Sie bieten in unserer heutigen Zeit mit ih- Kleindenkmale mit Verboten erinnern an rem oftmals geringen Geschichtsbewusst- Streitigkeiten oder wiederholte Zuwider- sein und -wissen und wenig ausgeprägten handlungen gegen obrigkeitliche Verfü- Sinn für den Zeitenlauf eine Wanderung gun gen. Gusseiserne Ortstafeln mit An- durch die große Weltgeschichte an, die gabe militärischer Einheiten waren vom sich in diesen kleinen Objekten spiegelt. württembergischen König vorgeschrieben Kleindenkmale regen an ihrem Standort worden, damit die Soldaten bei ihrer Ein- in der freien Landschaft oder in einem Ort berufung wussten, wo sie sich melden zum Nachdenken, zum Gedenken und sollten, und sich nicht mehr mit dem Argu- manchmal auch zum Nachforschen an. Sie ment der Unwissenheit dem Militärdienst sind keine Dekorationsobjekte und weit entziehen konnten. mehr als Landschaftsstaffage. Als wichtige In einer Zeit ohne Landkarten oder gar Zeugen vergangener Geschehnisse mit Navigationsgeräte stellten Wegweiser aus Auswirkungen bis heute sind sie in der Stein oder Gusseisen die fast einzige Mög- Landschaft verankert, gehören an ihren lichkeit für einen Ortsfremden dar, sich zu orientieren, festzustellen, wo er sich be- fand und wie weit es noch bis zu seinem nächsten Etappenziel war. Stundensteine zeigten die Entfernung zu Fuß oder mit der Postkutsche bis zum Zielort an. Wegkreuze, Bildstöcke oder Kapellen wurden zur Fürbitte, zur Erinnerung oder aus Dankbarkeit für überstandene Ge- fahren, überlebte Kriege und ausgestan- dene Not gestiftet. Hinter schlichten Hoch- Schenkenzell, Hochwassermarken wassermarken an Gebäuden entlang eines Dürrenmettstetten, Ortstafel mit Truppen- von 1758 und 1862 am Gebäude Flusslaufs stehen vielfach Katastrophen: teilbenennungen (19. Jh.) Reinerzaustraße 6 Überschwemmungen, Schlammlawinen, er trunkene Menschen und Tiere und Ernte- ausfälle, die die Menschen an den Rand ihrer Existenz brachten. Wetterunbilden, Kriege, Hungersnöte und Seuchen, die ganze Länder oder Land- striche betrafen, sind oft Thema auf Klein- denkmalen, die von deren Auswirkungen 16 weGKReuze in viLLinGendoRf und heRRenzimmeRn

Von Herbert Hermle und Karl Kimmich

wegkreuze auf der Gemarkung Korpus und eine größere über den Kreu- zenden. Zu Füßen des farbig gefassten villingendorf Korpus ist im Kreuzstamm eine Nische mit Viele Kreuzstandorte in Villingendorf sind einer kleinen Marienstatue, darunter eine jahrhundertealt. Die Gemeinde, viele Pri- Inschriftentafel. Das Wegkreuz Bachmann vatpersonen und nicht zuletzt der 2005 ist ein großes, einfaches Balkenkreuz mit gegründete Heimatpflegeverein kümmern einer neueren, rückseitig verschalten Holz- sich um den Erhalt der insgesamt 21 Weg- überdachung und einem schönen, 1,15 kreuze; darunter sind fünf Holz- und 16 Meter hohen Korpus. Es steht am Ortsweg Steinkreuze, eines davon mit schmiedeei- „Im Gässle“ und wurde im Jahr 1899 nach sernem Kreuzaufsatz. Interessant ist, dass einem Hofbrand errichtet und 2017 vom es in Villingendorf bis auf den heutigen Tag Eigentümer renoviert. viele öffentliche Wegkreuze, sprich „Ge- An der Außenwand des Gebäudes meindekreuze“, gibt. Schriftlich ist belegt, Schellenwasen 6 ist das etwa 2,20 Meter dass die bürgerliche Gemeinde seit nahezu hohe und etwa einen Meter breite Haus- 200 Jahren auf ihre Kosten in den wich- kreuz Flaig mit holzgeschnitztem, farbig tigsten Fluren „Flurkreuze“ aufstellen ließ, gefasstem Korpus befestigt. Nach einem die lange Zeit Ziel der Flurprozessionen wa- Großbrand in der Nähe der Kirche im Jahr ren und teilweise noch heute sind. Auffal- 1896 kam das Kreuz in den Besitz des da- lend ist, dass ab 1876 fast alle Holzkreuze maligen Mesners Ferdinand Flaig, welcher durch Steinkreuze ersetzt wurden. es am jetzigen Standort anbrachte. Das im Gewann Baurain stehende, im Jahr 2006 die holzkreuze von der Familie Kreuzberger errichtete, 5,60 Meter hohe hölzerne Wegkreuz Das Pulverkreuz steht südlich der Ortslage Kreuzberger weist einen von einem abge- am westlichen Parallelfeld- und Radweg gangenen Wegkreuz stammenden, aus Ei- entlang der B 14 in Richtung Rottweil. Es chenholz geschnitzten Korpus auf, den ist das einzig vollständig erhaltene Arma- Edmund Kammerer den Stiftern geschenkt Christi-Kreuz im Landkreis Rottweil.1 hat. Am Kreuzsockel befindet sich eine In- Am Ortsweg „Schellenwasen“ vor dem schrift, die auf den evangelischen Theolo- Anwesen der Familien Albert und Andreas gen Dietrich Bonhoeffer verweist. Flaig steht das Wegkreuz Flaig. Es hat eine Höhe von 4,50 Meter und wurde in der die steinkreuze zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Hoffnung auf Heilung der schwerkranken Das Friedhofskreuz: Der Gemeinderat ließ Frau des Stifters errichtet. Das Kreuz hat Villingendorf, Wegkreuz Flaig (19. Jh., im Jahr 1876 „statt eines hölzernen eine geschwungene Bedachung über dem restauriert 2015) Kreuzes eins von Stein anfertigen“. Dies 88 Wegkreuze in Villingendorf und Herrenzimmern

war der Startschuss für das erste Stein- kreuz in Villingendorf – abgesehen von dem „steinern Kreuz“, welches bereits 1707 erwähnt wurde, aber längst abge- gangen war. Das Friedhofskreuz aus See- dorfer Buntsandstein ist mit 3,76 Meter Höhe das größte Steinkreuz auf Gemar- kung Villingendorf. Offensichtlich hatte Steinhauer Ailinger aus ein günstiges Angebot abgegeben, denn der Gemeinderat bestellte gleich zwei weitere Wegkreuze, ebenfalls aus rotem Buntsand- stein, das sogenannte Strittkreuz und das Neubronnenkreuz, beide als Ersatz für äl- tere, hölzerne Kreuze. Ein weiteres schönes Flurkreuz der Gemeinde ist das Hahnen- burgkreuz. Es liegt im Osten der Gemeinde auf einer Anhöhe.

Villingendorf, Friedhofskreuz (1876, res tauriert 1986)

Villingendorf, „Strittkreuz“ (1876, restauriert 1984/85)

Ein alter Flurkreuz-Standort ist auch je- Hochfläche beim Hochwald 1899 anstelle ner für das Xaveriskreuz, das bereits 1837 eines Holzkreuzes errichtete und 2003 er- in der Flurkarte vermerkt ist. Das auf der neuerte Steinkreuz erreicht eine Höhe von 89