Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 133

Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales

Gletschergeschichtliche Untersuchungen im spät- und postglazialen Bereich des Hinteren Lauterbrunnentals (Berner Oberland, Schweiz)

Andreas Wipf, Zürich Oberland (Schweiz. Abb. 1). Der Talschluss wird auf der Ost- und Südseite durch die Bergkette von der bis zum Tschingelhorn begrenzt (Abb. 2). 1 Einführung Im Westen bildet die Kulmination am Tschingelpass zusammen mit dem Mutthorn den Abschluss des Tales, Aufgrund der Ergebnisse von zahlreichen im Alpen¬ während im Norden ein von Westen (Gspaltenhorn) raum durchgeführten gletschergeschichtlichen Unter¬ nach Osten (Spitzhorn) abfallender Gebirgszug das suchungen konnten die aus den letzten rund lO'OOO Untersuchungsgebiet umrahmt. Jahren gewonnenen Daten zu einer Postglazialchro¬ Trotz der mächtigen Gipfel weist das Hintere Lauter¬ nologie zusammengefügt werden (Furrer et al. 1982. brunnental als Folge seiner Topographie mit steilen 1987, Holzhauser & Zumbühl 1999). Dabei zeichnen Felsaufschwüngen keine ausgedehnten Eisflächen auf. sich mehrere Kallphasen mit Vorstössen der Gletscher bis zu einer Grössenordnung von 1850 (Hochstand) ab. Aufschluss über Mindestausdehnungen der Gletscher in und fossile Böden können situ-Holzfunde innerhalb Thun des Glelschervorfeldes liefern (Grosser Aletschglet- 0 z 10 .f- scher, Holzhauser 1984,1995: Ghiacciaio del Ruitor. Porter & Orombelli 1985: Gauligletscher, Wäspi 1993; Gornergletscher, Holzhäuser 1995; Unteraar¬ gletscher, Hormes et al. 1998 u.a.). Im Berner Oberland wurden schon in verschiedenen Spiez Regionen gletschergeschichtliche Untersuchungen nterlaken durchgeführt, so z.B. am (Ammann 1977), am Unteren und am Oberen Grindelwald¬ / gletscher (Zumbühl 1980, Pfister et al. 1994, Holz¬ hauser & Zumbühl 1996), am Rosenlaui- und am (Zumbühl & Holzhauser 1988), Wengen am Kanderfirn (Mani & Kienholz 1989), am Gauli¬ gletscher (Wäspi 1993) und am Rezü- und am Gelten- Lauter brunnen gletscher (Tribolet 1998). Die ausgesprochen zahlreichen Moränenablagerungen Schilthorn im Hinteren Lauterbrunnental Messen eine detaillierte Murren Rekonstruktion der postglazialen Gletscherschwan¬ Stechelberg kungen dieser Region erhoffen. Die wichtigsten Resul¬ Jungtrau tate einer in diesem Gebiet durchgeführten Diplom¬ arbeit (Wipf 1994) sowie der in den letzten Jahren £ fortgesetzten Forschungsarbeiten sollen in diesem Artikel vorgestellt werden.

2 Das Untersuchungsgebiet

2.1 Übersicht Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes Das Hintere Lauterbrunnental befindet sich im Ein¬ Investigation area zugsgebiet der Weissen Lütschinc im östlichen Berner Situation et limites du terrain d'etude 134 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2

atechelberg

\ \-^ Jungtrau '*~S^r 4158m

apitzhorn - 2210m s » -i. ; £ sssssssss T / S//\rS/SSSS\\\/\\\\\\" \ \j \ \ \ \ \ \ Obersteinberg fjf

Seh Oberhornsee gicische w>m "aat- Ol' aurig/ 3892m

pa85^ tl Mutthorn y Grosshorn 3034m y 3754 m Ischingelhorn _.-/-.¦ :hurn ::%: £ 3780n 3562m / W y A Gipfel und Grate Gletscher /'W Lauterbrunner Kristallin Y//\ Gneise

Autochthon. il.-n ii Schutt und Moräne Schieier Doldenhorndecke ^

Abb. 2: Geologie des Hinteren Lauterbrunnentales (nach Labhart 1989. Wipf 1994: verändert) Geology ofthe study area (according to Labhart 1989, modified by Wipf 1994) Geologie du fond de la vallee de Lauterbrunnen (moelifie d'apres Labhart 1989. Wipf 1994)

DerTschingelglctscher.alsgrösster Gletscher des Unter¬ 400 Mio. Jahren) durch partielle Aufschmelzung älterer suchungsgebietes, wies im Jahre 1973 eine Fläche von Gesteine entstanden ist (Labhart 1977. Abb. 2). etwa 6.2 km2 auf (Wipf 1999). Gegen Osten anschlies¬ Darüber schliessen die aulochthonen Sedimente an. send und durch eine Felsrippc getrennt, folgen die Diese umfassen Bildungen aus der Trias (Sandsteine zusammenhängenden Wetterlücken-. Breithorn- und mit Einlagerungen eines grünlichen Tonschiefers Hindre Schmadriglctschcr sowie der Vordre Schma- sowie ein gelb angewittertes Dolomitband. z.T. mit drigletscher. Hinzu kommen noch einige, in den steilen Rauhwacke). dem Jura (Eisenoolilh. Malmkalk u.a.) Nordwänden gelegene, kleinere Eisflächen (wie z.B. und dem Tertiär (Mürrenbrcccie u.a.. Krebs 1925). der Obere Breithorngletscher und der Schmadrilirn). Anschliessend folgt - stratigraphisch verkehrt - die während der Alpenfaltung nach Nordwesten 2.2 Geologie überschobene Doldenhorndecke. Das Hintere Lauterbrunnental liegt am nördlichen Im südlichsten Teil des Untersuchungsgebietes ist Rand des Aarmassivs. Durch ein tektonisches Fenster die älteste geologische Einheit, das Altkristallin, auf¬ wird das Lauterbrunner Kristallin sichtbar, das geschlossen (CadomischeGebirgsbildung vor rund 600 während der kaledonischen Gcbirgsbildung (vor rund Mio. Jahren). Neben Hinweisen auf eine noch ältere Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 135

Gebirgsbildung vor rund 1 Mia. Jahren ergaben radio¬ diesem flachen Abschnitt teilweise über mehrere hun¬ metrische Altersbestimmungen an Zirkonen sogar Bil¬ dert Meter erhalten geblieben. Daneben sind im dungsalter von bis zu 2 Mia. Jahren (Labhart 1992:147). Schafläger. auf beiden Seiten der Tschingel Lütschine, Es handelt sich dabei um parautochthone Schuppen, sowie bei der Schmadrihütte weitere ältere, bereits die während der Alpenfaltung ausgepresst worden vegetationsüberwachsene Moränenwälle zur Ablage¬ sind. Südlich gelegene Kristallinmassen wurden so über rung gekommen. Auch in den letzten rund 150 Jahren nördlichere mit ihrer Sedimentbedeckung geschoben. seit dem letzten Hochstand haben die Gletscher ihre Spuren hinterlassen: Alle Vorfelder, mit Ausnahme 2.3 Moränensituation des Wetterlückengletschers, weisen zwei bis drei, mehr Die speziellen topographischen Verhältnisse im Tal¬ oder weniger vollständig erhaltene Wallsysteme auf. hintergrund wie Verflachungen, die ein seitliches Aus¬ dehnen der Gletscher begünstigten, ermöglichten es 3 Methoden den Gletschern, an einzelnen Stellen wie in der Ebene beim Oberhornsee und der Oberhornalp mächtige Gletscherschwankungen können mit diversen Metho¬ Moränenwälle abzulagern (Abb. 3). Dort ist eine ein¬ den nachgewiesen werden (Zumbühl & Holzhauser zigartige Moränenlandschaft mit einer Vielzahl von 1988: 135-141). Bei der glaziologischen Methode Moränenwällen entstanden (Abb.4). Die formschönen werden mit Hilfe von topographischen Aufnahmen Wälle sind wegen der geringen Erosionstätigkeit in und Luftbildern einerseits Längen-, Flächen- und

r J Spatglazialer Moranenwall ^ Postglaziale Moranenwalle .i:;

^> Glelscherausdehnung 1993 % See C^> untersuchtes Moor ¦ Haus, Alphutle Bach

Oberhom ri alp

Ober hörn see

T s c h i n 3 e i

I t g e s c h e r Schma drihurte

¦*üü

' >y

¦^ Cj >Ooc

£ *

Abb. 3: Moränensituation im Hinteren Lauterbrunnental und Lage der geborgenen fossilen Proben Sites of moraine rielges, paleosoils and peat-bogs in the Upper Lauterbrunnen Valley Sites des moraines, des sols fossiles et des tourbieres dans lefonel de la vallee de Lauterbrunnen 136 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2

Tschingelgletscher

ftk --¦

.--;

v-~ -*^u^--s<:ä* .» * >¦¦: »«.-.- .ii -*. - -¦ "K. ^ sr.,«?: <=- ?\ ^~,J*^:± C* ~. '»V"..-?».ä.'~C «. .: 'Kv^fc«^-*-- K= i j #&* ^ : :v;o J"1;-*fet/-"'--W'¦¦¦¦ -\ "'«'-'»4 ;

.» «1 ?*j_-:

Abb. 4: Postglaziale Moränenwälle in der Ebene Oberhornsee - Oberhornalp, 21.8.1991 Foto: A.Wipf Holocene moraine ridges in the Oberhornsee - Oberhornalp basin, 21.8.1991 Cordons morainiques postglaciaires dans la plaine cTOberhornsee - Oberhornalp, 21.8.1991

Volumenänderungen der Gletscher berechnet und an¬ die geländearchäologische Methode Hinweise auf die dererseits an einigen Gletschern mit direkten Feldmes¬ ehemalige Ausdehnung des Gletschers liefern (Holz¬ sungen verschiedene Kenngrössen (Längenänderung, hauser 1984). Schneeakkumulation, Ablation etc.) erhoben, um u.a. die Massenbilanz zu ermitteln. Die frühesten jährlich erhobenen Längenänderungsmessungen rei¬ 4 Ergebnisse chen knapp 150 Jahre zurück. Durch das Auswerten von Schrift- und Bildquellen, kar- 4.1 Spätglazial tografischen Zeugnissen und Reliefs können Schwan¬ Die ältesten Gletscherablagerungen im Talhintergrund kungen bis ins Mittelalter zurück verfolgt werden befinden sich bei den Lokalitäten Im Tal und Ober¬ (historische Methode). Seit etwa Mitte des vorletzten steinberg (Abb. 3). Die Distanz der Wälle zu den Jahrhunderts stehen auch Fotografien zur Verfügung. rezenten Gletschern lässt auf eine Entstehung im Bei der glazialmorphologischen Methode können Spätglazial schliessen. mit der l4C-Datierung von ehemals vom Gletscher Ein solcher Moränenwall NE der Oberhornalphütte überschütteten Böden resp. umgedrückten Bäumen begrenzt eine glazial geprägte Ebene im Gebiet der (fossile Böden, fossile Hölzer) Schwankungen, die Oberhornalp. Die Basisdatierung eines intramorän weit über lO'OOO Jahre zurückreichen, nachgewiesen gelegenen Moores WSW der Oberhornalphütte ergab werden. Mit der dendrochronologischen Analyse von ein l4C-Alter von 10'390 ± 150 yBP (UZ-1536, Bl, Wipf fossilen Bäumen können z.T. sogar jahrgenaue Aussa¬ 1994: 102-103). Das Torfprofil weist keine sichtbaren gen über das Gletscherverhalten gemacht werden. Störungen durch Überschüttungen und Einschwem¬ Neben diesen hier angewandten Methoden kann auch mungen auf. Das Moor konnte sich also in den Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 137

letzten rund 10'390 Jahren ungestört entwickeln und Ein weiterer Hochstand konnte am Vordre Schmadri- wurde folglich während dieser Zeit nicht mehr vom gletscher um 3795 ± 65 yBP (UZ-1762. G2) nachge¬ Gletscher überfahren. Mit der Bezeichnung «Glet¬ wiesen werden, wobei durch die starke Bodenverwit¬ scher» werden im Folgenden die bei einem Hochstand terung und die Lage der Probe eine Kontamination zusammenhängenden Breithorn-, Wetterlücken- und von oben her nicht ausgeschlossen werden kann. Tschingelgletscher zusammengefasst. Diese Zeitmarke An den äussersten Wall auf der Oberhornalp angela¬ stellt ein Mindestalter für den Moränenwall NE der gert folgen westlich zwei parallel zueinander laufende Oberhornalphütte dar. Die Bildung dieses Walles fällt und über mehrere Hunderte von Metern erhalten somit ins Spätglazial. Das hohe l4C-Alter wird durch gebliebene Wälle (Abb. 4). Der äussere Wall konnte eine Pollenanalyse einer Basisprobe des Moores west¬ auf 3340 ± 80 yBP (UZ-1503. G3) datiert werden. Der lich der Oberhornalphütte bestätigt (B2. Abb. 3). Gletscher hat die Wälle des oben erwähnten datierten Zwischen diesem Wall und dem Oberhornsee haben Hochstandes grösstenteils überschüttet. Direkt aus¬ die Gletscher eine ausgeprägte Rundhöcker- und serhalb an diesen Wall anschliessend folgt ein Flach¬ Moränenlandschaft geschaffen. Diese ist einerseits moor. Eine Basisdatierung dieses Moores ergab ein durch heute noch spärlich bewachsene, abgeschliffene Mindestalter von S'525 ± 110 yBP (UZ-1534. B3). Felsen aus Lauterbrunner Kristallin und dazwischen¬ Das Torfprofil weist keine Einschwemmungen auf, liegenden Wannen mit Flachmooren gekennzeichnet, folglich dürfte der Gletscher diese Stelle danach andererseits durch eine Vielzahl gut ausgebildeter vermutlich nicht mehr überschritten haben. Der Moränenwälle, die vorwiegend basische Gesteins¬ innere, etwa gleichmächtige Moränenwall konnte nicht blöcke enthalten. Die Trennung zwischen Rundhöcker- datiert werden, er dürfte jedoch bei einer kurz¬ und Moränenlandschaft kann nicht nur morphologisch zeitigen Oszillation des Gletschers entstanden sein. eindeutig gezogen werden, sondern auch durch den Beim Chrummbach konnte mit der Datierung des abrupten Vegetalionswechsel (Übergang von azido¬ obersten Teiles eines Torfprofils (3'235 ± 85 yBP, philen zu vorwiegend azidophoben Pflanzen). UZ-1581. G4), dessen Wachstum durch Einschwem¬ mungen beendet worden ist, eine Bestätigung für 4.2 Postglazial diesen Gletschervorstoss gefunden werden. Die Lage 4.2.114C-Datierungen knapp ausserhalb des äussersten Wallsystems sowie die Bei den l4C-Datierungen wurde durchwegs das Alter stratigrafischen Verhältnisse belegen, dass der Glet¬ der organischen Restsubstanz bestimmt. Die datierten scher später nicht mehr über das Torfprofil vorgerückt fossilen Böden waren ausser bei Grabung 2 jeweils ist (Abb. 4). von karbonathaltigem Material (Moränenauflage oder Nach diesem Hochstand um 3'340 yBP ist der Glet¬ Einschwemmung) überdeckt (Abb. 3). Ausserhalb der scher zwischenzeitlich zurückgeschmolzen, unterbro¬ maximalen postglazialen Gletscherausdehnung konn¬ chen von kurzen Stillstands- oder Vorstossperioden, in ten sich auf der Oberhornalp reife Podsole entwik- denen er mindestens drei Moränenwälle aufgeschüttet keln (vgl. Egli & Mirabella 2001, Standort 3). Inner¬ hat. Bei einer Grabung am zweiten Wall westlich halb bildeten sich Böden auf kalkhaltiger Unterlage des Oberhornsees (G5) konnte ein weiterer fossiler in verschiedenen Entwicklungsstadien, mit Ausnahme Boden freigelegt und datiert werden (3330 ± 85 yBP, eines Bereiches nördlich des Oberhornsees, der von UZ-1501,Abb.4). einem Bergsturz bestehend aus Lauterbrunner Kri¬ Diese mehrphasige Vorstossperiode konnte im Schaf- stallin überprägt worden ist (vgl. Egli & Mirabella läger durch die Datierung zweier übereinander lie¬ 2001, Standorte 1 und 2) und dort, wo dieses anste¬ gender fossiler Bodenhorizonte bestätigt werden: Der hend ist. untere Boden, der direkt einem unter den Wall zie¬ Die folgenden ,4C-Datierungen belegen durchwegs henden Rundhöcker aufliegt, ergab ein l4C-Alter von Hochstände der Gletscher oder Wachstumsbeginne 3330 ± 70 yBP (UZ-1781, G6. Abb. 3). Der obere von Mooren. Hinweise auf zeitlich dazwischenliegende geringmächtige Boden wurde mit 3T85 ± 70 yBP Minimalausdehnungen konnten bis anhin nicht gefun¬ (UZ-1758.G6) datiert. den werden. Um 2350 yBP ist der Gletscher erneut bis zu einer Im Gegensatz zu den nur spärlich vorhandenen Hochstandsausdehnung angewachsen, denn es konn¬ spätglazialen Spuren sind auf dem Plateau zwischen ten drei fossile Böden aus jener Zeit geborgen werden Oberhornsee und Oberhornalphütte zahlreiche Morä¬ (14C-Alter von 2395 ± 60 yBP. UZ-1583, G7;2365 ± 60 nenwälle während postglazialer Hochstände zur Abla¬ yBP, UZ-1761, G8 und 2315 ± 55 yBP, UZ-1760, G9). gerung gekommen (Wipf 1994: 34-36). Die Lage der Fundstellen dieser Böden weist auf eine Das äusserste Moränensystem besteht z.T. aus bis zu Zweiteilung dieser Hochstandsphase hin (Abb. 3). Der drei Wällen. Bei einer Grabung am äussersten. kleinen Gletscher hatte in seiner seitlichen Ausdehnung den Wallstück (Gl) wurde ein fossiler Boden mit einem Oberhornsee und damit die Ausdehnung von 3330 ,4C-Alter von 4'475 ± 75 yBP (UZ-1759) aufgeschlos¬ yBP hier knapp nicht mehr erreicht. sen (Abb. 3). Eine nächste hochstandsähnliche Ausdehnung des 138 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2

14C-Alter [yBP] Labornr. Material Fundort Koordinaten in ü.M.

10390 ± 150 UZ-1536 Gyttja Bl 633 685/150 690 2038 8'525±U0 UZ-1534 Torf B3 633 540 /150 570 2058 4'475 ± 75 UZ-1759 fAh Gl 633 500 /150 625 2038 3795 ± 65 UZ-1762 fAh G2 634 885 /149 775 2260 3330 ± 70 UZ-1781 fAh G6 633 450/151435 1795 3340 ± 80 UZ-1503 fAh G3 633 540/150 565 2058 3330 ± 85 UZ-1501 fAh G5 633 335/150 315 2072 3'235 ± 85 UZ-1581 Torf G4 633 705 /150 470 2049 3T85±70 UZ-1758 fAh G6 633 450/151435 1795 2'595 ± 60 UZ-1583 fAh G7 633 245/150 515 2045 2365 ± 60 UZ-1761 fAh G8 633 315/150 130 2085 2315 ± 55 UZ-1760 fAh G9 633 240 /150 105 2085 2795 ± 80 UZ-1579 fAh G10 633 305 /150 125 2085 1750 ±80 UZ-1504 fAh G10 633 305/150 125 2085 1710 ±80 UZ-1577 fAh Gll 633 240 /150 295 2085 1'280±80 UZ-1578 fAh Gll 633 240/150 295 2085 1'060±70 UZ-1500 fAh G13 633 410/150 905 1881 L'040±75 UZ-1502 fAh G5 633 335/150 315 2072 950 ± 85 UZ-1576 fAh G12 633 200/150 410 2075 755 ± 70 UZ-1539 fAh G14 633 195/150185 2097 515 ±75 UZ-1535 Wurzeln G13 633 410/150 905 1881

Tab. 1: Zusammenstellung der wichtigsten l4C-Datierungen Table ofthe priniciped "C data Tableau des prinicpales daiations au MC Präparation.Aufbereitung und 14C-Datierung am Radiokarbonlabor des Geographischen Institutes der Universität Zürich

Gletschers zeichnet sich um 27.95 ± 80 yBP (UZ-1579, scherausdehnung gibt die Grabung 12: Der vorstos- G10) ab: Einschwemmungen, die die Fundstelle nur bei sende Gletscher hat einen Boden, der sich auf einem einer relativ grossen Ausdehnung des Breithornglet- älteren Wall entwickelt hatte, mit Moränenmalerial schers erreicht haben dürften, überschütteten südlich überschüttet (950 ± 85 yBP, UZ-1576). Die beiden des Oberhornsees einen Boden. anderen Daten entstammen von Bodenhorizonten, die Rund 500 Radiokarbon-Jahre später (14C-Alter durch Einschwemmungen zugedeckt wurden (S des von 1750 ± 80 yBP, UZ-1504, G10; 1710 ± 80 Schafiägers: Grabung 13. l4C-Alter von 1'060 ± 70 yBP. yBP, UZ-1577, Gll) war der Gletscher wieder UZ-1500; beim Oberhornsee: Grabung 5, 1'040 ± 75 zu einer hochstandsähnlichen Ausdehnung ange¬ yBP. UZ-1502). wachsen: Einschwemmungen haben S resp. SW des Mit der Datierung eines mit Moränenmaterial über¬ Oberhornsees die Bodenbildungsphase auf einer schütteten Bodens konnte um 755 ± 70 yBP (UZ-1539, extramorän gelegenen, kleinen Schwemmebene G14) ein weiterer Hochstand nachgewiesen werden. beendet. An der gleichen Stelle (Grabung 11) liegen Südlich des Schafiägers, unweit der Stelle, wo der Bach lehmig-sandige Ablagerungen, die bei einer jüngeren vom Oberhornsee kommend den 1850er Wall durch¬ Vorstossphase den im Profil nächstfolgenden, bricht, konnte mit 515 ± 75 yBP ein Mindestalter geringmächtigen Boden (1780 ± 80 yBP, UZ-1578) des ersten Walles ausserhalb des Hochstandes von überdeckt haben. 1850 aufgestellt werden (UZ-1535, G13). Sehr wahr¬ Der nächste Hochstand ist durch drei 14C-Daten belegt. scheinlich wurde dieser Wall bei einem Hochstand des Den zuverlässigsten Hinweis für diese grosse Glet¬ Tschingelgletschers im 17. Jahrhundert aufgeschüttet, Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 139

sCh Ab Ende des 18. Jahrhunderts haben diverse nam¬ Bei 500 "ts "Je hafte Alpenmaler und Naturforscher den Talhinter¬ grund aufgesucht. Das Hauptmotiv ihrer Bilder war ii-:: der Schmadribachfall und somit kamen vorwiegend der Vordre und Hindre Schmadri- sowie der Breit- horngletscher zur Abbildung. Die ältesten dieser histo¬ leoo^A rischen Bilddokumente stammen aus der Hand von Caspar Wolf (1735-1783), dem berühmtesten Schwei¬ u390yBPI -. zer Alpenmaler im 18. Jahrhundert. Seine Ölskizzen Oberhorn und -gemälde aus den Jahren 1774/76 zeigen die Glet¬ a!p scher in einer hochstandsähnlichen Ausdehnung: Der Vordre Schmadri- und der Breithorngletscher reich¬ ten bis an den Schmadribachfall heran. J. S. Wytten- bach (1748-1830), der Wolf auf seiner zweiten Reise begleitet hatte, erwähnt in seinen Beschreibungen, dass die Gletscherzunge südwestlich des Oberhorn¬ sees seit zwei Jahren (d.h. seit 1774) im Vorstoss begrif¬ se/i [§50 1776 'n9ei fen war. Die Gletscher hatten aber um keine sc/i so grosse Ausdehnung wie während den Hochständen im 19. Jahrhundert. Wann sie genau ihre Kulmination i-ö im 18. Jahrhundert erreichten, ist mit den historischen Quellen nicht zu beantworten. Im Jahre 1779 machte auch Johann Wolfgang Goethe (1749-1832) einen Abstecher ins Hintere Lauterbrun¬ nental und beschreibt, wie der Schmadribach unmit¬ telbar vom Gletscher austretend direkt den Schmadri¬ bachfall herunterstürzt. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts setzte ein Abschmelzen der Gletscher ein, wie dies ein Aquarell von Joseph Anton Abb. 5: Ausgewählte postglaziale Gletscherausdeh¬ Koch (1768-1839) aus dem Jahre 1794 dokumentiert. Auf nungen beim Oberhornsee den Bildern von Gabriel Ludwig Lory (1763-1840) und Selected holocene exlensions in the area of the Ober¬ seinem Sohn Matthias Gabriel Lory (1784-1846), die in hornsee den frühen 1810er Jahren entstanden, sind die Gletscher Extensions postglaciaires aux environs de TOberhorn¬ ebenfalls weit von einem Hochstand entfernt. see Nach dieser Schwundphase zwischen den 1780er und frühen 1810er Jahren stiessen die Gletscher des Hin¬ teren Lauterbrunnentales zu Beginn der 1820er Jahre erneut vor und stirnten wieder an der Felsstufe des denn mit Hilfe einer dendrochronologischen Analyse Schmadribachfalles. Die grosse Ausdehnung des Vordre konnte an einem Baumstrunk, der etwa 100 m ausser¬ Schmadri- und des Breithorngletschers während dieser halb der Ausdehnung von 1850 gewachsen ist, anhand ausgeprägten Vorstossphase, die sich über wenige Jahre einer abrupten Jahrringverengung ein Vorstossen des erstreckte, ist durch Samuel Birmann (1793-1847) auf Tschingelgletschers bis um 1640 festgelegt werden. etlichen Aquarellen (Abb. 6) und lavierten Bleistift¬ Abbildung 5 fasst einige ausgewählte postglaziale skizzen (1821, 1822 und 1827) in fast fotografischer Gletscherausdehnungen und Hochstände beim Ober¬ Genauigkeit festgehalten worden. In der Vergleichs¬ hornsee zusammen. Tabelle 1 gibt eine Zusammen¬ aufnahme aus dem Jahr 1998 sind diese beiden Glet¬ stellung der im Text diskutierten l4C-Datierungen des scher nicht mehr zu erkennen (Abb. 7). Auch Ludwig Untersuchungsgebietes. Richter (1803-1884) zeichnete die Gletscher im Jahre 1826 in unmittelbarer Nähe des Schmadribachfalles. 4.2.2 Historische Schrift- und Bildquellen sowie Nach dem ersten Hochstand im 19. Jahrhundert Gletschervermessung schmolzen die Gletscher etwas zurück. Ein Ölbild Der älteste Hinweis auf die Gletscher des Hinteren von Alexandre Calame (1810-1864) aus den 1830er Lauterbrunnentales befindet sich in Samuel Bodmers Jahren verdeutlicht, dass das Abschmelzen in dieser (1652-1724) Marchbuch aus dem Jahre 1705. Gottlieb Zeit aber nur minim war. Wie die aquarellierten Blei¬ Sigmund Grüner (1717-1778) gibt 1760 erste, glet¬ stiftskizzen von Gottlieb Studer (1804-1890) zeigen, schergeschichtlich allerdings nur schwer zu interpre¬ stirnten die Gletscher bereits im Jahre 1840 wieder am tierende Hinweise (Grüner 1760). Schmadribachfall. 140 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2

- < h * :¦""*

'¦:¦

1, - y- i; \>^ -.' -¦-

flVü ß> I.1 «¦ hM vm >'-. ^t-. «r

Abb. 6: «Trachsellauinen. Aug. 1822», Ausschnitt aus einer Aquarell- und Federzeichnung von Samuel Birmann mit Vordre Schmadri- und Breithorngletscher (rechts) «Trachsellauinen. Aug. 1822», Part of an ink-lined water-colour by Samuel Birmann depicting the Vordre Schmadri glacier (left) and the Breithorn glacier (right) «Trachsellauinen. Aug. 1822», Detail cTune aquarelle et dessin ä la plume de Samuel Birmann avec les glaciers du Vordre Schmadri et du Breithorn (ä drohe) Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Öffentlichen Kunstsammlung Basel, Kupferstichkabineti'

Das Original-Messtischblatt, das J. R. Stengel in den standsausdehnung von 1850 zurück. Den anschliessen¬ Jahren 1850 und 1851 aufgenommen hat, hält die den Schwund bis in die heutige Zeit dokumentieren Gletscher gerade während ihrer letzten Hochstands¬ diverse Fotografien und insbesondere auch Karten¬ phase fest: Der Tschingelgletscher reichte damals bis werke (Siegfried- und Landeskarten). Dieser Schwund zum Schafläger hinunter und stirnte nur unweit der in den letzten 150 Jahren verlief nicht kontinuierlich, Wälle, die zwischen ca. 3*100 und 3300 yBP zur Abla¬ denn Feldbefunde (Moränenwälle innerhalb des Glet¬ gerung gekommen sind. Der Breithorngletscher ver¬ schervorfeldes) belegen für den Tschingel-, Breithorn- einigte sich noch mit dem Vordre Schmadrigletscher und Hindre Schmadrigletscher drei Vorstoss- bzw. Still¬ und endete oberhalb des Schmadribachfalles. standsphasen, während beim Vordre Schmadriglet¬ Eine Lithographie von L. Sabatier (7-1887) aus den scher nur zwei Moränenwälle abgelagert worden sind. 1850er Jahren sowie ein Stahlstich (vor 1856) von Längenänderungsdaten von anderen Alpengletschern Johann Jakob Ulrich (1798-1877) halten den Vordre dokumentieren für die 1880/90er Jahre einen kurzfris¬ Schmadri- und den Breithorngletscher direkt am tigen Vorstoss. Analog dazu dürfte somit der äusserste Schmadribachfall slirnend fest. dieser Wälle aus diesen Jahren datieren. Direkte Hin¬ Im Anschluss schienen die Gletscher rasch zurück- weise für einen solchen Vorstoss liegen im Untersu¬ zuschmelzen, was auch eine Fotografie von Jules Beck chungsgebiet jedoch (noch) keine vor. (1825-1904) dokumentiert: DerTschingelgletscher wich Die Vermessung des Zungenendes des Tschingelglet¬ bis ins Jahr 1874 um rund 450 m hinter die Hoch¬ schers seit 1893 erlaubt es, sein Rückschmelzverhalten Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 141

¦W& -.- -¦ ¦:¦¦

-¦-- n« ..--- «$?$, ¦f SP :>

Abb. 7: Lauterbrunner Breithorn mit Schmadribachfall, 19.6.1998 Foto: A. Wipf Lauterbrunner Breithorn and the Schmadribach Waterfall, 19.6.1998 Le Breithorn de Laulerbrunnen et la cascade du Schmadribach, 19.6.1998

in jährlicher Auflösung zu verfolgen (Die Alpen, gletscher. Seither sind alle Gletscher um etwa 30 m VAW 1986). So ist in den 1920er Jahren bis 1933 zurückgeschmolzen. ein kleiner Vorstoss von rund 50 m zu verzeichnen. Der Flächenverlust der Gletscher des Untersuchungs¬ Wie der Tschingelgletscher erreichte auch der Breit¬ gebietes im Zeitraum von 1850 bis 1973 beträgt rund horn- und der Hindre Schmadrigletscher dabei fast die 3.1 km2, was einem relativen Schwund von etwa 20% Grössenordnung von 1880/90 (rund 400 m hinter dem entspricht (Wipf 1999). Hochstand von 1850). Beim Vordre Schmadrigletscher ist ausser eines nahe des heutigen Zungenendes gelege¬ nen Moränenwalles nur noch ein Wall zu erkennen, da 5 l4C-Resultate im Vergleich mit dem übrigen dieser Gletscher nämlich um 1930 eine etwas grössere Alpenraum Ausdehnung aufgewiesen hatte als um 1880/90. Nach 1933 setzte eine lange Schwundperiode ein, in Im Hinteren Lauterbrunnental zeichnen sich eine der der Tschingelgletscher bis 1974 um etwa 600 m ganze Reihe von Hochstandsphasen ab, die im übrigen zurückschmolz. Der Breithorngletscher hat in dersel¬ Alpenraum auch nachgewiesen werden konnten. Der ben Zeitspanne knapp 500 m an Länge eingebüsst, letzte Egesen-Vorstoss im Hinteren Lauterbrunnen¬ während der Verlust beim Vordre Schmadrigletscher tal ist älter als 10390 yBP. Im Vergleich mit ähnlichen rund 350 m betrug. Fundumständen aus anderen Regionen der Alpen Der Tschingelgletscher stiess ab 1975 wie ein Grossteil (Vadret da Palü, Beeler 1977: 211-215; Feegletscher, der vermessenen Schweizer Alpengletscher wieder Bircher 1982: 113-121; Val Torta, Renner 1982: leicht vor: Bis 1987 rückte er um 76 m vor, wobei er 105-106) liegt die Probeentnahmestelle hier im Lau¬ wie bei den anderen Gletschern des Untersuchungs¬ terbrunnental den postglazialen Wällen am nächsten gebietes im Gelände einen kleinen Moränenwall hin- und weist auch das höchste l4C-Mindestalter für den terliess. Eine Ausnahme bildet der Wetterlücken¬ Beginn des Postglazials auf. 142 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2

Die Gletscher erreichten bei der Oberhornalp um & Röthlisberger 1976: 42-51) und am Ghiacciaio del 4'475 yBP die grösste Ausdehnung innerhalb des Miage (Aeschlimann 1983: 50/51). Sehr wahrschein¬ Postglazials. Leider existiert bis jetzt keine weitere lich handelt es sich um den spätmittelalterlichen Hoch¬ abgesicherte Hochstandsdatierung aus dem Schwei¬ stand im 14. Jahrhundert, der am Rhonegletscher von zer Alpenraum. Bei der nächsten Hochstandsphase, Zumbühl & Holzhauser (1988:229-231) und am Gor- die sich im Hinteren Lauterbrunnental zwischen ca. nergletscher von Holzhauser (1995:116-119) nachge¬ 3300 und 3T00 yBP ereignete, wiesen die Gletscher wiesen wurde. ungefähr die gleiche Grössenordnung auf wie um 4'475 yBP. Diese Hochstandsphase wurde erstmals am Frosnitzkees (Österreich) an der Typuslokalität Dank «Löbben» nachgewiesen (Patzelt & Bortenschla¬ Dr. Hanspeter Holzhauser sei an dieser Stelle ganz ger 1973: 44-46) und wird deshalb als «Löbben-Kalt- herzlich für die fachliche Begleitung und die Durchsicht phase» bezeichnet. Mittlerweile konnte sie durch wei¬ des Manuskriptes gedankt. Weiteren Dank gebührt tere l4C-Datierungen bestätigt werden (Steingletscher, der Abteilung «Physische Geographie» des Geogra¬ King 1974: 48-49; Stellibodengletscher, Renner 1982: phischen Institutes der Universität Zürich für die ent¬ 48-49; Grosser Aletschgletscher, Holzhauser 1995: gegengebrachte Unterstützung. 107-110). Wie im Untersuchungsgebiet ist an verschie¬ denen anderen Gletschern ebenfalls eine Mehrphasig¬ keit dieser Gletschervorstossphase postuliert worden Literatur (Allalingletscher, Bircher 1982:81-84; Witenwasseren- Aeschlimann, H. (1983): Zur Geschichte des italieni¬ gletscher, Guspisfirn, Renner 1982: 43-47, 50-54; Gla¬ schen Mont Blanc Gebietes: Val Veni - Val Ferret - cier d'Argentiere, Bless 1984:29-33). Ruitor. - Diss. Geogr. Institut der Universität Zürich. Der zweigipflige Hochstand im Hinteren Lauterbrun¬ Ammann, K. (1977): Der Oberaargletscher im 18., 19. nental um 2350 yBP, der mit der Göschener Kaltphase und 20. Jahrhundert. - In: Zeitschrift für Gletscherkunde I parallelisiert werden kann, zeichnet sich beim Finde¬ und Glazialgeologie XII, H. 2, Innsbruck: 253-291. lengletscher sogar als dreiteilig ab (Schneebeli & Beeler, F. (1977): Geomorphologische Untersuchun¬ Röthlisberger 1976:71). Weitere korrelierende Daten gen am Spät- und Postglazial im Schweizerischen Natio¬ existieren vom Glacier de Ferpecle und du Mont nalpark und im Berninapassgebiet (Südrätische Alpen). Mine (Schneebeli & Röthlisberger 1976: 78-79), - Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen Vadret Traunter Ovas (Suter 1981: 52-54), Guspisfirn im Schweizerischen Nationalpark XV/77, Liestal. (Renner 1982: 50-51), Glacier d'Argentiere (Bless Bircher, W (1982): Zur Gletscher- und Klimage¬ 1984:26-33) und vom Grossen Aletschgletscher (Holz¬ schichte des Saastales. Glazialmorphologische und hauser 1995: 103-112). Gegen Ende der Göschener dendroklimatologische Untersuchungen. - Physische Kaltphase I zeichnen sich beim Rossbodengletscher Geographie 9, Zürich: 1-233. (Müller 1975: 27), beim Findelengletscher (Schnee¬ Bless, R. (1984): Beiträge zur spät- und postglazialen beli & Röthlisberger 1976: 63), beim Glacier d'Ar¬ Geschichte der Gletscher im nordöstlichen Mont Blanc gentiere (Bless 1984: 26-33) und beim Gauligletscher Gebiet. - Physische Geographie 15, Zürich: 1-116. (Wäspi 1993: 80-82) Hochstandsausdehnungen ab. Bohnenblust,S. (1988): Gletschergeschichtliche Unter¬ Der darauffolgende nächste Hochstand im Hinteren suchungen und dendrochronologische Analysen an Lauterbrunnental (um 1750 yBP) lässt sich in die Lärchen (Larix decidua Mill.) im Val d'Herens und Göschener Kaltphase II einordnen, die u.a. bei fol¬ im Räume Zermatt (VS), (Glacier d'Arolla, Glacier genden Gletschern nachgewiesen werden konnte: Am de Ferpecle und Zmuttgletscher). - Unveröff. Diplom¬ Vadret dal Cambrena (Beeler 1977: 179-181), am arbeit am Geographischen Institut der Universität Oberaletschgletscher (Holzhauser 1984:296-301) und Zürich. am Rhonegletscher (Zumbühl & Holzhäuser 1988: Die Alpen (1980-2000): Zeilschrift des Schweizer 229). Alpen-Clubs. - Bern. Für den Hochstand um etwa l'OOO yBP existieren Egli, M. & A. Mirabella (2001): Bodenkundliche einige Vergleichsdaten. So sind z.B. der Glacier de Untersuchungen im spät- und postglazialen Bereich Ferpecle und du Mont Mine, der Glacier de Fenetre des Hinteren Lauterbrunnentals (Berner Oberland, (Schneebeli & Röthlisberger 1976: 73-82, 142), der Schweiz): Bodenchemischer und -mineralogischer Ver¬ Schwarzberggletscher (Bircher 1982: 73-76) und der gleich zweier Podsole auf unterschiedlich alten Morä¬ Glacier d'Arolla (Bohnenblust 1988: 61-65) bis zu nen. - In: Geographica Helvetica, diese Nummer. einer Grössenordnung von 1850 angewachsen. Furrer, G, Holzhauser, H, Maisch, M. & J. Suter Die sich im Untersuchungsgebiet um 750 yBP abzeich¬ (1982): Zur Geschichte unserer Gletscher im Spät- nende Hochstandsphase ist im Alpenraum ebenfalls und Postglazial. - In: Universität Zürich: Berichte aus gut belegt, z.B. am Glacier de Corbassiere, am Glacier der Forschung, Zürich: 103-114. du Mont Durand, am Glacier de Brenay (Schneebeli Furrer, G, Burga, C, Gamper, M., Holzhauser, H. Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 143

& M. Maisch (1987): Zur Gletscher-, Vegetations- und Pfister, C, Holzhauser, H. & H. J. Zumbühl (1994): Klimageschichte der Schweiz seit der Späteiszeit.- In: Neue Ergebnisse zur Vorstossdynamik der Grindel¬ Geographica Helvetica 2/87:61-91. waldgletscher vom 14. bis zum 16. Jahrhundert. - In: Grüner, G. S. (1760): Die Eisgebirge des Schweizer¬ Mitteilungen der Naturforschenden Gesellschaft in landes. - 3 Bde., Bern. Bern, NF 51, Bd. 1994:55-79. Holzhauser, H. (1984): Zur Geschichte der Aletsch¬ Porter, S.C. & G. Orombelli (1985): Glacier contrac- gletscher und des Fieschergletschers. - Physische tion during the middle Holocene in the western Ita- Geographie 13, Zürich: 1-448. lian Alps: Evidence and implications. - In: Geology 13: Holzhauser, H. (1995): Gletscherschwankungen inner¬ 296-298. halb der letzten 3200 Jahre am Beispiel des Grossen Renner, F. (1982): Beiträge zur Gletschergeschichte Aletsch- und des Gornergletschers. Neue Ergebnisse. des Gotthardgebietes und dendroklimatologische Ana¬ - In: Gletscher im ständigen Wandel. Jubiläums-Sym¬ lysen an fossilen Hölzern. - Physische Geographie 8, posium der Schweizerischen Gletscherkommission Zürich: 1-180. 1993 Verbier (VS): «100 Jahre Gletscherkommission Schneebeli, W.& F. Röthlisberger (1976): 8'000 Jahre - lOO'OOO Jahre Gletschergeschichte» - Zürich: vdf Walliser Gletschergeschichte. Ein Beitrag zur Erfor¬ Verlag ETH Zürich: 101-122. schung des Klimaverlaufs in der Nacheiszeit. - Bern: Holzhauser, H. & H. J. Zumbühl (1996): To the Verlag Schweizer Alpen-Club. history of the Lower Grindelwald Glacier during the Suter, J. (1981): Gletschergeschichte des Oberenga- last 2800 years - palaeosols, fossil wood and historical dins: Untersuchung von Gletscherschwankungen in pictoral records - new results. - In: Zeitschrift für Geo¬ der Err-Julier-Gruppe. - Physische Geographie 2, morphologie 104, Berlin, Stuttgart: 95-127. Zürich: 1-147. Holzhauser, H. & H. J. Zumbühl (1999): Nacheiszeit¬ Tribolet, G. (1998): Die Schwankungen des Rezli- und liche Gletscherschwankungen. - Blatt 3.8 des Hydro¬ Geltengletschers. - Unveröff. Diplomarbeit am Geo¬ logischen Atlasses der Schweiz. graphischen Institut der Universität Bern, Text (110 Hormes, A., Schlüchter, C. & T Stocker (1998): S.) und Katalog (48 S.). Minimal extension phases of Unteraargletscher (Swiss Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Alps) during the Holocene based on 14C analysis of Glaziologie (VAW) ETH Zürich (Hrsg.) (1986): wood. - In: Radiocarbon 40, Nr. 2:809-817. Die Gletscher der Schweizer Alpen 1977/78 und King,L. (1974): Gletscherschwankungen und Moränen. 1978/79. - Jubiläumsband 99. und 100. Bericht, Gla- Studien zur postglazialen Gletscher- und Vegetations¬ ziologisches Jahrbuch der Gletscherkommission der geschichte des Sustenpassgebietes. - Basler Beiträge Schweiz. Naturforschenden Gesellschaft (SNG). zur Geographie 18, Basel:l-123. Wäspi, H. (1993): Zur Glazialmorphologie und Glet¬ Krebs, J. (1925): Geologische Beschreibung der Blüm- schergeschichte des Gauli (Grimselgebiet, Kt. Bern).- lisalp-Gruppe. - Beiträge zur Geologischen Karte Unveröff. Diplomarbeit am Geographischen Institut der Schweiz, Geologische Kommission der Schweiz. der Universität Zürich: 1-131. Naturforschenden Gesellschaft, Bern. Wipf, A. (1994): Gletschergeschichtliche Untersuchun¬ Labhart, T. P. (1977): Aarmassiv und Gotthardmassiv. gen im Hinteren Lauterbrunnental (BE). - Unveröff. - Sammlung Geologischer Führer 63, Berlin, Stutt¬ Diplomarbeit am Geographischen Institut der Uni¬ gart: Gebrüder Borntraeger. versität Zürich: 1-150. Labhart. T P. (1989): Geologie. - In: Hochgebirgs- Wipf, A. (1999): Die Gletscher der Berner,Waadtländer führer durch die Berner Alpen IV, Tschingelhorn- und nördlichen Walliser Alpen. Eine regionale Studie Finsteraarjoch-Obers Studerjoch. - Zug: SAC-Verlag: über die Vergletscherung im Zeitraum «Vergangen¬ 17-22. heit» (Hochstand von 1850), «Gegenwart» (Ausdeh¬ Labhart, T. P. (1992): Geologie der Schweiz. - Thun: nung im Jahr 1973) und «Zukunft» (Gletscherschwund- Ott Verlag: 1-211. Szenarien, 21. Jhdt). - Physische Geographie 40, Mani, P. & H. Kienholz (1989): Contribution ä l'etude Zürich: 1-295. recente du Glacier de la Kander. - In: Bulletin de Zumbühl, H. J. (1980): Die Schwankungen der Grindel¬ la Societe neuchäteloise de geographie 32-33/1988-89: waldgletscher in den historischen Bild- und Schriftquel¬ 103-116. len des 12.-19. Jahrhunderts. - Denkschrift Schweiz. Müller, H.-N. (1975): Untersuchungen ehemaliger Naturforschende Gesellschaft 92, Basel, Boston, Stutt¬ Gletscherstände im Rossbodengebiet (Simplon, gart: Birkhäuser Verlag: 1-279. Wallis). - Unveröff. Diplomarbeit am Geographischen Zumbühl, H. J. & H. Holzhauser (1988): Alpenglet¬ Institut der Universität Zürich. scher in der Kleinen Eiszeit.- In: Die Alpen. Zeitschrift Patzelt, G. & S. Bortenschlager (1973): Die postglazi¬ des Schweizer Alpen-Clubs, 3. Quartalsheft, Bern. alen Gletscher- und Klimaschwankungen in der Venedi- gergruppe (HoheTauern, Ostalpen). - In: Zeitschrift für Geomorphologie 16, Berlin, Stuttgart: 25-72. 144 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2

Zusammenfassung: Gletschergeschichtliche Untersu¬ Resume: Etudes glaciologiques dans le domaine tardi- chungen im spät- und postglazialen Bereich des Hin¬ et postglaciaire au fond de la vallee de Lauterbrunnen teren Lauterbrunnentals (Berner Oberland, Schweiz) (Oberland bernois, Suisse) Mit der Datierung der Basis eines Moores, das nur La datation de la base d'une tourbiere. situee ä envi- etwa 200 m ausserhalb der grössten postglazialen Glet¬ ron 200 m de la plus grande extension postglaciaire, scherausdehnung, aber innerhalb eines spätglazialen mais ä l'interieur d'un vallum morainique tardigla- Moränenwalles liegt, konnte der Übergang vom Spät- ciaire, a permis de dater la transition du tardiglaciaire/ zum Postglazial mit dem bis anhin ältesten Hinweis postglaciaire. Cette transition a eu lieu vers 10390 ± in den Alpen auf 10390 ± 150 yBP mindestdatiert 150 yBP. Ainsi c'est l'indice le plus ancien observe dans werden. les Alpes jusqu'au present. Die für den Schweizer Alpenraum einzigartige Abfolge La succession des cordons morainiques (unique dans von Moränenwallen im Hinteren Lauterbrunnental les Alpes suisses) que l'on peut observer dans le ermöglichte es, mittels 14C-Datierungen exemplarisch fond de la vallee de Lauterbrunnen a permis d'etablir eine Chronologie von postglazialen Hochstandspha¬ au moyen de datations au 14C une Chronologie des sen aufzustellen. Insbesondere gelang es, die mehrtei¬ periodes de niveau maximal pendant la periode post¬ lige Löbben-Kaltphase (mehrfach) nachzuweisen. glaciaire. Plusieurs periodes froides de Löbben ont Um 4'475 ± 75 yBP sowie um 3340 ± 80 yBP erreich¬ notamment pu etre mises en evidence plusieurs fois. ten die Gletscher ihre grösste postglaziale Ausdehnung Dans les environs de l'Oberhornalp, les glaciers ont im Bereich der Oberhornalp. Weitere Hochstandspha¬ atteint leurs plus grandes avancees postglaciaire vers sen zeichnen sich um 3'800 yBP um 3300 yBP, um 4'475 ± 75 yBP ainsi que vers 3340 ± 80 yBP. D'autres 3'200 yBP, um 2350 yBP, um 2300 yBP, um 1750 yBP, periodes de niveau maximal ont ete constatees vers um 1300 yBP, um l'OOO yBP, um 750 yBP, um 300 yBP 3'800 yBP 3300 yBP, 3700 yBP, 2350 yBP, 2300 sowie um 1774/76, um 1822 und um 1850 ab. yBP, 1750 yBP, 1300 yBP, l'OOO yBP, 750 yBP, 300 yBP Der allgemeine Gletscherschwund seit 1850 wurde von ainsi que vers 1774/76,1822 et 1850. drei kurzen Vorstoss- bzw. Stillstandsphasen (1880/90, Trois courtes periodes d'avancees et de Stagnation res- 1920/30 und 1970/80er Jahre) unterbrochen. pectivement (annees 1880/90,1920/30 et 1970/80) ont interrompu le retrait general des glaciers ä partir de 1850. Summary: Glacial Research in the Area of the Upper Lauterbrunnen Valley (Bernese Oberland, Switzer¬ land) affected by Late Glacial and Holocene Glacier Extensions The radiocarbon analysis of the base of a peat-bog, situated only 200 metres away from the outermost holocene extensionn but behind a late glacial moraine ridge, gave an age of at least 10390 ± 150 yBP and marks the transition from late glacial to holocene gla- cialisation in the Alps. The special sequence of moraine ridges in the Upper Lauterbrunnen Valley is unique to the and has enabled the establishment of a chronology of holocene maximum extensions based on radiocarbon data.The different Löbben advances, in particular, can be shown several times. The glaciers reached their greatest extensions near the Oberhornalp around 4'475 ± 75 yBP and again around Dr. Andreas Wipf, Institut für Kartographie, ETH 3340 ± 80 yBP. Further phases of maximum exten¬ Hönggerberg, CH-8093 Zürich, sions were registered around 3'800 yBP 3300 yBP, e-mail: [email protected] 3700 yBP, 2350 yBP, 2300 yBP, 1750 yBP, 1300 yBP, l'OOO yBP, 750 yBP and 300 yBP as well as around 1774/76,1822 and 1850. Manuskripteingang/received/rentree du manuscrit: A general glacial retreat since 1850 has been inter- 28.2.2001 rupted by three short periods of extension or Stagna¬ Annahme zum Druck/accepted for publication/ tion in 1880/90,1920/30 and 1970/80. acceptation ä Timpression: 21.6.2001