Berner Oberland, Schweiz)

Berner Oberland, Schweiz)

Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 133 Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales Gletschergeschichtliche Untersuchungen im spät- und postglazialen Bereich des Hinteren Lauterbrunnentals (Berner Oberland, Schweiz) Andreas Wipf, Zürich Oberland (Schweiz. Abb. 1). Der Talschluss wird auf der Ost- und Südseite durch die Bergkette von der Jungfrau bis zum Tschingelhorn begrenzt (Abb. 2). 1 Einführung Im Westen bildet die Kulmination am Tschingelpass zusammen mit dem Mutthorn den Abschluss des Tales, Aufgrund der Ergebnisse von zahlreichen im Alpen¬ während im Norden ein von Westen (Gspaltenhorn) raum durchgeführten gletschergeschichtlichen Unter¬ nach Osten (Spitzhorn) abfallender Gebirgszug das suchungen konnten die aus den letzten rund lO'OOO Untersuchungsgebiet umrahmt. Jahren gewonnenen Daten zu einer Postglazialchro¬ Trotz der mächtigen Gipfel weist das Hintere Lauter¬ nologie zusammengefügt werden (Furrer et al. 1982. brunnental als Folge seiner Topographie mit steilen 1987, Holzhauser & Zumbühl 1999). Dabei zeichnen Felsaufschwüngen keine ausgedehnten Eisflächen auf. sich mehrere Kallphasen mit Vorstössen der Gletscher bis zu einer Grössenordnung von 1850 (Hochstand) ab. Aufschluss über Mindestausdehnungen der Gletscher in und fossile Böden können situ-Holzfunde innerhalb Thun des Glelschervorfeldes liefern (Grosser Aletschglet- 0 z 10 .f- scher, Holzhauser 1984,1995: Ghiacciaio del Ruitor. Porter & Orombelli 1985: Gauligletscher, Wäspi 1993; Gornergletscher, Holzhäuser 1995; Unteraar¬ gletscher, Hormes et al. 1998 u.a.). Im Berner Oberland wurden schon in verschiedenen Spiez Regionen gletschergeschichtliche Untersuchungen nterlaken durchgeführt, so z.B. am Oberaargletscher (Ammann 1977), am Unteren und am Oberen Grindelwald¬ / gletscher (Zumbühl 1980, Pfister et al. 1994, Holz¬ hauser & Zumbühl 1996), am Rosenlaui- und am Unteraargletscher (Zumbühl & Holzhauser 1988), Wengen am Kanderfirn (Mani & Kienholz 1989), am Gauli¬ gletscher (Wäspi 1993) und am Rezü- und am Gelten- Lauter brunnen gletscher (Tribolet 1998). Die ausgesprochen zahlreichen Moränenablagerungen Schilthorn im Hinteren Lauterbrunnental Messen eine detaillierte Murren Rekonstruktion der postglazialen Gletscherschwan¬ Stechelberg kungen dieser Region erhoffen. Die wichtigsten Resul¬ Jungtrau tate einer in diesem Gebiet durchgeführten Diplom¬ arbeit (Wipf 1994) sowie der in den letzten Jahren £ fortgesetzten Forschungsarbeiten sollen in diesem Artikel vorgestellt werden. <andersteg rvWV Basierend auf diesen Untersuchungen wurden zusätz¬ (TV lich bodenkundliche Analysen durchgeführt, um Aussa¬ gen über die generelle Bodengenese im alpinen Raum zu erhalten (Egli & Mirabella 2001, in diesem Heft). n iß/n r^- 2 Das Untersuchungsgebiet 2.1 Übersicht Abb. 1: Lage des Untersuchungsgebietes Das Hintere Lauterbrunnental befindet sich im Ein¬ Investigation area zugsgebiet der Weissen Lütschinc im östlichen Berner Situation et limites du terrain d'etude 134 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2 atechelberg \ \-^ Jungtrau '*~S^r 4158m apitzhorn - 2210m s » -i. ; £ sssssssss T / S//\rS/SSSS\\\/\\\\\\" \ \j \ \ \ \ \ \ Obersteinberg fjf </yf */yf *&& %s y x s'/f's s s s s -. \ \ \t- .-¦ . s s f^~'. \ \ \ S. \ V. \ \ \ V Gspaltenhorn \ f^ 3436m I _ _ m ¦1_ ±- überho naip ,-- Seh Oberhornsee gicische w>m "aat- Ol' aurig/ 3892m pa85^ tl Mutthorn y Grosshorn 3034m y 3754 m Ischingelhorn _.-/-.¦ :hurn ::%: £ 3780n 3562m / W y A Gipfel und Grate Gletscher /'W Lauterbrunner Kristallin Y//\ Gneise Autochthon. il.-n ii Schutt und Moräne Schieier Doldenhorndecke ^ Abb. 2: Geologie des Hinteren Lauterbrunnentales (nach Labhart 1989. Wipf 1994: verändert) Geology ofthe study area (according to Labhart 1989, modified by Wipf 1994) Geologie du fond de la vallee de Lauterbrunnen (moelifie d'apres Labhart 1989. Wipf 1994) DerTschingelglctscher.alsgrösster Gletscher des Unter¬ 400 Mio. Jahren) durch partielle Aufschmelzung älterer suchungsgebietes, wies im Jahre 1973 eine Fläche von Gesteine entstanden ist (Labhart 1977. Abb. 2). etwa 6.2 km2 auf (Wipf 1999). Gegen Osten anschlies¬ Darüber schliessen die aulochthonen Sedimente an. send und durch eine Felsrippc getrennt, folgen die Diese umfassen Bildungen aus der Trias (Sandsteine zusammenhängenden Wetterlücken-. Breithorn- und mit Einlagerungen eines grünlichen Tonschiefers Hindre Schmadriglctschcr sowie der Vordre Schma- sowie ein gelb angewittertes Dolomitband. z.T. mit drigletscher. Hinzu kommen noch einige, in den steilen Rauhwacke). dem Jura (Eisenoolilh. Malmkalk u.a.) Nordwänden gelegene, kleinere Eisflächen (wie z.B. und dem Tertiär (Mürrenbrcccie u.a.. Krebs 1925). der Obere Breithorngletscher und der Schmadrilirn). Anschliessend folgt - stratigraphisch verkehrt - die während der Alpenfaltung nach Nordwesten 2.2 Geologie überschobene Doldenhorndecke. Das Hintere Lauterbrunnental liegt am nördlichen Im südlichsten Teil des Untersuchungsgebietes ist Rand des Aarmassivs. Durch ein tektonisches Fenster die älteste geologische Einheit, das Altkristallin, auf¬ wird das Lauterbrunner Kristallin sichtbar, das geschlossen (CadomischeGebirgsbildung vor rund 600 während der kaledonischen Gcbirgsbildung (vor rund Mio. Jahren). Neben Hinweisen auf eine noch ältere Regionale Studien / Area Studies / Etudes regionales 135 Gebirgsbildung vor rund 1 Mia. Jahren ergaben radio¬ diesem flachen Abschnitt teilweise über mehrere hun¬ metrische Altersbestimmungen an Zirkonen sogar Bil¬ dert Meter erhalten geblieben. Daneben sind im dungsalter von bis zu 2 Mia. Jahren (Labhart 1992:147). Schafläger. auf beiden Seiten der Tschingel Lütschine, Es handelt sich dabei um parautochthone Schuppen, sowie bei der Schmadrihütte weitere ältere, bereits die während der Alpenfaltung ausgepresst worden vegetationsüberwachsene Moränenwälle zur Ablage¬ sind. Südlich gelegene Kristallinmassen wurden so über rung gekommen. Auch in den letzten rund 150 Jahren nördlichere mit ihrer Sedimentbedeckung geschoben. seit dem letzten Hochstand haben die Gletscher ihre Spuren hinterlassen: Alle Vorfelder, mit Ausnahme 2.3 Moränensituation des Wetterlückengletschers, weisen zwei bis drei, mehr Die speziellen topographischen Verhältnisse im Tal¬ oder weniger vollständig erhaltene Wallsysteme auf. hintergrund wie Verflachungen, die ein seitliches Aus¬ dehnen der Gletscher begünstigten, ermöglichten es 3 Methoden den Gletschern, an einzelnen Stellen wie in der Ebene beim Oberhornsee und der Oberhornalp mächtige Gletscherschwankungen können mit diversen Metho¬ Moränenwälle abzulagern (Abb. 3). Dort ist eine ein¬ den nachgewiesen werden (Zumbühl & Holzhauser zigartige Moränenlandschaft mit einer Vielzahl von 1988: 135-141). Bei der glaziologischen Methode Moränenwällen entstanden (Abb.4). Die formschönen werden mit Hilfe von topographischen Aufnahmen Wälle sind wegen der geringen Erosionstätigkeit in und Luftbildern einerseits Längen-, Flächen- und r J Spatglazialer Moranenwall ^ Postglaziale Moranenwalle .i:;<j -.'V., ^3 Wall alter als 1850 ^b~ 1850er Wall /Ausdehnung ^B Wall junger als 1850 ^> Glelscherausdehnung 1993 % See C^> untersuchtes Moor ¦ Haus, Alphutle Bach Oberhom ri alp Ober hörn see T s c h i n 3 e i I t g e s c h e r Schma drihurte ¦*üü ' >y ¦^ Cj >Ooc £ * Abb. 3: Moränensituation im Hinteren Lauterbrunnental und Lage der geborgenen fossilen Proben Sites of moraine rielges, paleosoils and peat-bogs in the Upper Lauterbrunnen Valley Sites des moraines, des sols fossiles et des tourbieres dans lefonel de la vallee de Lauterbrunnen 136 Geographica Helvetica Jg. 56 2001/Heft2 Tschingelgletscher ftk --¦ .--; v-~ -*^u^--s<:ä* .» * >¦¦: »«.-.- .ii -*. - -¦ "K. ^ sr.,«?: <=- ?\ ^~,J*^:± C* ~. '»V"..-?».ä.'~C «. .: 'Kv^fc«^-*-- K= i j #&* ^ : :v;o J"1;-*fet/-"'--W'¦¦¦¦ -\ "'«'-'»4 ; .» «1 ?*j_-: Abb. 4: Postglaziale Moränenwälle in der Ebene Oberhornsee - Oberhornalp, 21.8.1991 Foto: A.Wipf Holocene moraine ridges in the Oberhornsee - Oberhornalp basin, 21.8.1991 Cordons morainiques postglaciaires dans la plaine cTOberhornsee - Oberhornalp, 21.8.1991 Volumenänderungen der Gletscher berechnet und an¬ die geländearchäologische Methode Hinweise auf die dererseits an einigen Gletschern mit direkten Feldmes¬ ehemalige Ausdehnung des Gletschers liefern (Holz¬ sungen verschiedene Kenngrössen (Längenänderung, hauser 1984). Schneeakkumulation, Ablation etc.) erhoben, um u.a. die Massenbilanz zu ermitteln. Die frühesten jährlich erhobenen Längenänderungsmessungen rei¬ 4 Ergebnisse chen knapp 150 Jahre zurück. Durch das Auswerten von Schrift- und Bildquellen, kar- 4.1 Spätglazial tografischen Zeugnissen und Reliefs können Schwan¬ Die ältesten Gletscherablagerungen im Talhintergrund kungen bis ins Mittelalter zurück verfolgt werden befinden sich bei den Lokalitäten Im Tal und Ober¬ (historische Methode). Seit etwa Mitte des vorletzten steinberg (Abb. 3). Die Distanz der Wälle zu den Jahrhunderts stehen auch Fotografien zur Verfügung. rezenten Gletschern lässt auf eine Entstehung im Bei der glazialmorphologischen Methode können Spätglazial schliessen. mit der l4C-Datierung von ehemals vom Gletscher Ein solcher Moränenwall NE der Oberhornalphütte überschütteten Böden resp. umgedrückten Bäumen begrenzt eine glazial geprägte Ebene im Gebiet der (fossile Böden, fossile Hölzer) Schwankungen, die Oberhornalp. Die Basisdatierung eines intramorän weit über lO'OOO Jahre zurückreichen, nachgewiesen gelegenen Moores WSW der Oberhornalphütte ergab werden. Mit der dendrochronologischen Analyse von ein l4C-Alter von 10'390 ± 150 yBP (UZ-1536, Bl, Wipf fossilen Bäumen können

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