„EIN FALL VON ÜBERMUT“ FC-Bayern-Präsident Franz Beckenbauer Über Otto Rehhagel, Fehleinkäufe Und Seine Medienpräsenz
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Fußball-Stratege Beckenbauer: „Ich will wissen, wo noch Wachstumschancen sind und wo unsere Schwächen liegen“ STOPPEL + KLINK Spiegel-Gespräch „EIN FALL VON ÜBERMUT“ FC-Bayern-Präsident Franz Beckenbauer über Otto Rehhagel, Fehleinkäufe und seine Medienpräsenz SPIEGEL: Herr Beckenbauer, als Bayern men oder Dortmund in der Champions SPIEGEL: Sollte es nicht auch im Sport München in Göteborg den Einzug ins League kommentieren. eine Gewaltenteilung geben? Halbfinale der Champions League SPIEGEL: Der betroffene Verein wird Beckenbauer: Sicherlich wäre das einfa- schaffte, saß der Klubpräsident als sich bedanken, wenn der Präsident ei- cher für mich. Aber ich müßte mir dann Kommentator im Fernsehstudio in nes Konkurrenten als TV-Chefkritiker ernsthaft überlegen, was für mich reiz- Grünwald. Vernachlässigen Sie Ihr auftritt und zwei Tage später dann als voller wäre: Live-Spiele fürs Fernsehen Amt? Bild-Autor einen weiteren Verriß nach- kommentieren oder Bayern-Präsident Beckenbauer: Es war nicht ganz glück- legt. Sie schwingen sich zu einer Art sein. Es ist doch wunderschön, für Pre- lich, und ich habe mich auch nicht hun- Berlusconi des deutschen Fußballs auf. miere Dortmund gegen Kaiserslautern dertprozentig wohl gefühlt. Die Bayern Beckenbauer: Ich kann trennen, wann anschauen zu dürfen. Da muß ich nicht kämpfen in Schweden, und ich sitze bei ich als Franz Beckenbauer kommentie- immer im Olympiastadion sitzen. RTL – das paßt eigentlich nicht. Aber re und wann als Bayern-Präsident. SPIEGEL: Warum haben Sie sich über- als voriges Jahr die Verträge geschlos- Wenn andere da nicht trennen wollen, haupt in die Zwickmühle begeben und sen wurden, wußte keiner, daß diese Si- ist das nicht mein Problem. den Klubvorsitz übernommen? tuation entstehen würde. SPIEGEL: Sie können eine öffentliche Beckenbauer: Vorigen Herbst lief im SPIEGEL: Sie kommen aus jedem Ver- Meinung haben und eine private, die Verein alles auf einen Zweikampf zwi- trag heraus, wenn Sie denn wollen. Sie für sich behalten. Zwei öffentliche schen Fritz Scherer und Karlheinz Rum- Beckenbauer: Ich schließe keine Verträ- Meinungen zu vertreten ist schizo- menigge hinaus . ge und sage dann, es war alles nur Spaß. phren. SPIEGEL: . ein ganz normaler demo- Sicher muß ich mir für die nächste Sai- Beckenbauer: Ich gebe ja alles zu. Ich kratischer Vorgang. son etwas überlegen. Aber vermutlich habe gerade eine Auseinandersetzung Beckenbauer: Für die Medien wäre das spielt der FC Bayern dann dienstags im mit der Süddeutschen Zeitung gehabt, ideal gewesen: Einen Tag wäre Scherer Uefa-Cup, und ich kann mittwochs Bre- die mir meine Verträge vorwirft. Aber in der Zeitung gewesen, am nächsten ich kann nichts daran ändern. Jetzt Rummenigge, drei Monate lang. Leute Das Gespräch führten die Redakteure Klaus spottet das Blatt immer über den „Bild- wie Ministerpräsident Stoiber, die dem Brinkbäumer und Alfred Weinzierl. Kolumnisten Beckenbauer“. Klub sehr nahestehen, haben diese Ge- 238 DER SPIEGEL 12/1995 . SPORT fahr erkannt. Stoiber sagte zu mir: Der einzige, der das verhindern kann, sind Sie. Und das hat man mir so lan- ge eingeredet, bis ich es ge- glaubt habe. SPIEGEL: Franz, der selbst- lose Retter, der kein egoi- stisches Motiv hat? Beckenbauer: Habe ich nicht und brauche ich nicht. Es macht mir Spaß, weil Fußball mein Metier ist. SPIEGEL: Karrieredenken ist Ihnen fremd? Beckenbauer: Bisher ist al- les automatisch auf mich zu- gekommen. Das einzige, was ich wollte, war Fußball- profi werden; dann wollte BONGARTS ich Nationalspieler werden, Bayern-Profis in Göteborg: „Einige werden einfach überschätzt“ dann Rekordnationalspie- ler. Klar, wenn man mal in der Supp’n ge und Uli Hoeneß, drin ist, will man das alles erreichen. die sich noch heute SPIEGEL: Genau das meint der Begriff Ruhm und Posten nei- „Karrieredenken“. den. Beckenbauer: Aber Teamchef der Na- Beckenbauer: Der Uli tionalelf wollte ich nie werden. Ich habe ist doch ein intelligen- mich erfolglos gewehrt. Jetzt, mit der ter, fleißiger Macher- Bayern-Präsidentschaft, ist es genauso. typ, der nur wie wir al- Das sind Zufallskonstellationen. le darunter leidet, daß SPIEGEL: Sie wissen schon, daß oft gera- die Titel ausbleiben. de der etwas wird, der ganz naiv tut. Er weiß, daß jeder Beckenbauer: Ich tue nicht naiv oder Bayern-Erfolg auch uninteressiert und denke das Gegenteil. ein Hoeneß-Erfolg ist. Wenn ich etwas will, sage ich das. Wir müssen als Einheit SPIEGEL: Reizt die Macht? dem Klub dienen. Je- Beckenbauer: Auf das Entscheidende, der hat seine Stärken, den Erfolg der Mannschaft, habe ich und die Schwächen doch kaum noch Einfluß. Man kann soll er zu Hause lassen. vielleicht nach einem schlechten Spiel SPIEGEL: Sie haben ge- rade Ihren Verwal- tungsbeirat auf 22 „Wenn man zu oft Mann vergrößert. Ist draufhaut, glaubt das Borussia Dortmund Ihnen enteilt, weil der STOPPEL + KLINK keiner mehr“ Klub von einem Trio RTL-Kommentator Beckenbauer, Moderator Jauch mit strikter Aufgaben- „Ich muß nicht immer im Olympiastadion sitzen“ mal draufhauen, aber auf die Dauer trennung geführt wird? langweilt das ja. Wenn man zu oft drauf- Beckenbauer: Jeder muß selbst wissen, als Eremit aufs Matterhorn zurück und haut, glaubt das keiner mehr. Aber ich wie er seine Gremien gestaltet. Die lasse Gott und die Welt in Frieden. kann versuchen, unsere Visionen umzu- Dortmunder sind uns zwei Jahre voraus. SPIEGEL: Es gibt immer einen Mittel- setzen. Wir reden mit der Stadt Mün- Damals haben sie so viele Millionen im weg. Während sich aber Manager Hoe- chen und dem Architekten Günter Beh- Uefa-Cup verdient, daß sie sich die Ita- neß und Trainer Trapattoni nach nisch über den Ausbau des Olympiasta- lien-Rückkehrer Reuter, Riedle, Möller schlechten Spielen vor die Spieler stel- dions. Wir müssen unser Trainingsge- und Sammer leisten konnten. Jetzt len, bezeichnen Sie Ihre Kicker schon lände erweitern, denn wir sind zu klein. können wir uns dank der Champions mal als „fade“ und „berechnend“. Un- Und wir müssen Personal einstellen, das League auch einen Andreas Herzog, tergraben Sie so nicht die Autorität von die Vermarktung verbessert. auch einen Thomas Strunz und zwei, Trainer und Manager? SPIEGEL: Der Kaiser interessiert sich für drei weitere Verstärkungen erlauben. Beckenbauer: Das mag manchmal so in- Stadionausbau und Fanartikel? SPIEGEL: Vielleicht leidet der FC Bay- terpretiert werden. Wir sind verschiede- Beckenbauer: Ich habe sogar die Unter- ern auch am Übervater Beckenbauer, ne Charaktere, und jeder hat seine Mei- nehmensberater von McKinsey mit ei- der jeden Schritt der Profis kommentiert nung. Ich habe den Uli im Fernsehen ner Studie beauftragt. Ich will wissen, und nach Niederlagen gern „den großen nach dem 1:1-Gewürge gegen Duisburg wo noch Wachstumschancen sind und Schnitt“ ankündigt. ob seiner Beherrschung bewundert. Ich wo unsere Schwächen liegen. Beckenbauer: Folge ich Ihnen, muß ich habe die Beherrschung verloren, weil SPIEGEL: Haben Sie keine Angst, daß mich vom Fußball zurückziehen und das Spiel eine Frechheit war. Da habe McKinsey in der Chefetage fündig wird? darf zu keinem Spiel mehr gehen, weil ich kein Verständnis mehr. Womöglich stoßen die Detektive auf die ich im Stadion automatisch von Journa- SPIEGEL: Nach einem Bayern-Spiel in drei Altstars Beckenbauer, Rummenig- listen befragt werde. Also ziehe ich mich Karlsruhe haben Sie den Schiedsrichter DER SPIEGEL 12/1995 239 . SPORT Hellmut Krug attak- sten Jahr unser Trainer – einen wie ihn kiert: Er möge lieber entläßt man nicht. bei einer Schüler-Welt- SPIEGEL: Jetzt kommt mit Otto Rehha- meisterschaft pfeifen. gel der sechste Trainer der letzten vier So benutzen Sie Amt Jahre . und Medien, um mas- Beckenbauer: . wie soll da etwas ent- siv Einfluß zu neh- stehen? Uns fehlt Kontinuität. Der Trai- men. ner ist der schwächste, aber auch der Beckenbauer: Ach, das wichtigste Mann imKlub. Branko Zebec, hilft uns doch nicht. Hennes Weisweiler oder Ernst Happel Und ich glaube auch haben gezeigt, wie wichtig ein konse- nicht, daß die Schieds- quenter Trainer ist. So einen haben wir richter sich solidarisie- mit Rehhagel gefunden. Ich hoffe, daß er ren und den FC Bayern die nächsten drei, vier, fünf Jahre mit uns benachteiligen. arbeitet. SPIEGEL: Hätten Sie SPIEGEL: Rehhagels Erfolge in Bremen sich nicht eingemischt, gründen sich auf ein im deutschen Fuß- wäre vielleicht Lothar WEREK ball einzigartiges Macht- und Meinungs- Matthäus, der damals Manager Hoeneß, Trainer Trapattoni monopol. Wie soll dieser empfindliche dem Schiedsrichter „Einen wie ihn entläßt man nicht“ Mann bei all den Experten in München Parteilichkeit vorwarf, klarkommen? vom Deutschen Fußball-Bund nicht ge- sind alle Spieler auf ihre eigene Zunge Beckenbauer: Besser. Er wird sich leich- sperrt worden. getreten. ter tun als in Bremen. Otto hat mir selbst Beckenbauer: Gesperrt worden wäre SPIEGEL: Der Verein tut sich schwer gesagt: Mit wem hätte ich mich denn bei der immer, das hätte sich der DFB damit zuzugeben, daß auch die Ver- Werder über Fußball unterhalten sollen? nicht nehmen lassen. pflichtung von Trapattoni ein Fehler Der ist doch froh, wenn er jetzt mit uns SPIEGEL: Seit drei Jahren bestimmen war. vernünftig reden kann. Die Entscheidun- Sie im Präsidium die Vereinsgeschicke Beckenbauer: Da war zunächst das gen wird trotzdem nur er treffen. – und sportlich ist der FC Bayern nicht Problem mit der Sprache und dann SPIEGEL: Bremens Manager Willi Lemke weiter als vorher. Warum vergreifen sein völlig ungewohntes Verhalten im hat ihm bis zur Selbstaufgabe den Rük- Sie sich so oft beim Spielerpersonal? Training. Bei mir ging in eineinhalb ken freigehalten. Das wird Rehhagel von Beckenbauer: Der große Wurf ist uns Stunden die Post ab, während er ganz einem Mann wie Hoeneß kaum erwarten wirklich nicht gelungen. Viele kommen anders trainiert: zwei bis vier Stunden, können. als hochgelobte Talente und stagnieren taktische Dinge. Wenn man das als Beckenbauer: Das wird Uli ganz genauso dann. Seit Jahren suche ich dafür eine Spieler nicht gewöhnt ist, fällt das machen. Wir sind alle dazu da, der Mann- Erklärung. schwer. Jetzt haben Spieler und Trai- schaft zuzuarbeiten. In der Bayern-Hier- SPIEGEL: Sie haben die Spieler doch ner zueinander gefunden, und er hat archie wird Otto die Nummer eins sein.